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TAGEBUCH
MEINER REISE UM DIE ERDE
1892-1893.
ERSTER BAND.
WIEN, 1895.
ALKKEI» IIÖLDKK, K.U.K. IIOK- UND UN1VKKS1TÄTS-I5ÜCHHANDLER
1., ROTIIKN'TIIUK.MSTRASSE 15
T ■ i r
Von Jugend auf bin ich viel gereist. Mannigfache Veranlassungen
haben mich kreuz und quer durch Europa geführt, so dass sich mir
reiche Gelegenheit geboten hat, unseren alten Erdtheil kennen zu
lernen. Auch das Land der Pharaonen, Syrien und Palästina habe
ich durchwandert. Die Verschiedenartigkeit, die Ursprünglichkeit der
empfangenen Eindrücke von Ländern und Leuten, von Zuständen und
Dingen haben mir Belehrung, Befriedigung, Genuss verschafft. Kein
Wunder, dass in mir früh die Reiselust rege geworden ist, dass sie
sich im Laufe der Jahre immer mächtiger entwickelt und endlich zu
dem Wunsche ausgestaltet hat, es möge mir beschieden sein, eine
Wanderung um die Erde zu vollbringen. Dieser Wunsch ist in Erfüllung
gegangen.
Durch die allergnädigste Fürsorge Seiner Majestät war es mir
gegönnt, einen großen Theil der Reise auf einem Juwel unserer ruhm-
vollen Flotte, an Bord des Torpedo-Rammkreuzers »Kaiserin Elisabeth«
zurückzulegen. Den Allerhöchsten Intentionen gemäß hatte die -Kaiserin
FJisabeth^' die ostasiatischen Gewässer zu befahren. Durch diese Reise
sollte einem Theile der Marine Gelegenheit geboten sein, sich weitere
praktische Ausbildung anzueignen, sowie maritime und wissenschaft-
liche Studien vorzunehmen. Andererseits aber sollte durch die Entsen-
dung eines imposanten Kriegsschiffes in ferne Meere die Machtstellung
der Monarchie zu gebürendem Ausdrucke gebracht und so deren handels-
p<»litischen Interessen in wirksamer Weise Vorschub geleistet werden.
Die Zwecke, welche für die Entsendung dieses Schiffes maßgebend
waren, gestatteten eine theilweise Verbindung der Reiseroute, die ich
zu nehmen gedachte, mit jener, welche die >'Kaiserin Elisabeth« einzu-
schlagen hatte.
Dankerfüllten Herzens gegen die Vorsehung, die mich geleitet
hat, gegen jene, die mein Beginnen gefördert, unterstützt haben, spreche
ich aus, dass sich alles vereinigt hat, um mich das Ziel erreichen zu
VII
liis^'jn. welches ich .selbst mir gesteckt habe. Nicht die Neugierde,
■A-elche den filobe-Trotter um den Erdball treibt: nicht lediglich die
'.'urli';bü für die Jagd, obwohl diese für sich allein in Anspruch nehmen
kann, dtn Reisenden unausgesetzt in unmittelbare Berührung mit
pirspriinglichem Naturleben zu bringen; nicht der Wunsch, jenseits
'i';'. '»ceans seltsames Schaugepränge, exotischen Glanz anzustaunen,
ri.ib'^n mich bestimmt, fast ein langes Jahr ferne von der Heimat zu
■'.'•jilen. Was mich hiezu bewogen hat. ist das Streben gewesen: aus
l'.T fi'.TS'"inlichen Anschauung anderer Erdtheile, aus dem Einblick
!fi tr'.-inde Staatsgebildc und Gemeinwesen, aus der Berührung mit
(r':iiiit';n Völkern und Menschen, mit ausländischer Cultur und Sitte
l'';l';hning zu gewinnen; aus der Besichtigung wundersamer Werke
■l';r Kunst, aus der Betrachtung fremdartiger Natur und ihrer unerschöpf-
li':h';n keize Genuss zu schöpfen. In offener See — auf festem Lande:
H) hirwtliciien i'alästen --- in dürftigen Hütten; in Metropolen — in ein-
-.uutnr Wildnis; in üppigen Niederungen — auf lichten Bergeshöhen
lifili'! ich gefunden, was ich gesucht. An Erfahrungen, an seltener
iJ'riit':, an Sfiinmlungen reich bin ich heimgekehrt.
I.'rn all die tiiiiscndrältigen Kindrücke festzuhalten, welche auf
iin':h •riii'.Kirmlen, um noch in spätem Alter nachempfindend wieder
(;':rii''(j'r(i zu können, was mich in jungen Jahren entzückt hat, habe
I' |j Vom Aiil";ginii(; der «eise tägliche Aufzeichnungen gemacht. Hiebei
■.viii I' li iil";r auch Von dem Gedanken an jene bestimmt, die mir in der
H"n(iJit w'.-jllen, Sie, welche des unmittelbaren, unvergleichlichen Reizes
d'^t IUI mir voriiberziehenden Bilder entbehren musstcn, sollten hiefür —
■.v.-iiji ii\i.-\i nur si'hwm-hen Ersatz darin linden, dass ich sie mittelbar
Triest- Port Said Steamer Point Aden.
1
Triest — l'ort Said —
Steamer Point— Aden.
Triest -
in See nach Port Said, lö. Dccember 1802.
Das Häusermeer Wiens versinkt am Horizont; einen letzten Gruü
rch der schönen Stadt — erst nach einer langen Fahrt um die Erde
«t1 ich sie wiedersehen!
Die Eltern, die jüngeren Schwestern, Otto und meine Schwägerin
jAbcn mir das Geleite nach Triest. Am 14. December abends trafen
Mr daselbst ein. Unmittelbar nach der Ankunft schiffte ich mich auf
lem Rammkreuzer -Elisabelh« ein, an dessen Bord mich der Com-
QftBndanE, LinienschiPfs-Capilän v. Becker, und der Stab cmpliengen.
Unweit der «Elisabeth« lag der »Greif« vertäut. An Bord dieses
ihiffes verbrachten die Eltern und Schwestern die Nacht.
Heute morgens kamen die Meinen — Ferdinand war ebenfalls
i!ingelan(;t — an Bord der -Elisabeth-, um mich die lulz-ten Stunden
vor der Abreise mit mir zu theilen.
AU späterhin Admiral Baron Stemeck und endlich auch Graf und
Gräfin Thun, sowie FOrsi Slarhemher^ erschienen «'«■eo, gieng es
an eine gründliche Besichtigung des Schiffes in allen seinen Theilen
und der Ausrüstung für die lange Reise, Die Bauerien, die Torpedo-
einrichtungen, die kolossalen Maschinen von POiO Pferdekräften, die
riesigen 24 cm Thumigeschutze, die Officiers:r.esse. sowie die Maga-
zine mit dem Munitions- und Provianix^orraih fanden die gebürende
Bewunderung.
Die letzten Stunden des Beisammenseins mit den Meinen ver-
strichen nur allzu rasch und nun war der Augenblick des Auseinander-
gehens diil L'nter Geschütz- und Hurrahsalui begleiiele ich meine Eltern
und Geschwister an Bord des •Greif-, nahm hier schweren Herzens
Abschied und kehrte dann auf die •Elisabeih- zurück.
l"m '2 {.'hr wurde die Venäuung gelost; liie Voikshj-mne erklang,
hundorlstimniig erbrausten Hurrahs der Ofliciere und Matrosen —
niiijosiiilisch setzte sich die • Elis,ibeth • in Bewegung, Wir fuhren
neben dem 'Greir' und zwei mit Damen. Ol^cieren und anderen Herren
iius Tricst diijht besetzten I.loyddamplem — »ArciJuchessa Carlotta«
und •Diinubio« - vorbei. .Aul siimmilichen SchiiTen ertönte die Volks-
liymne: grüüend wurden Tücher, Mützen. Hüte geschwenkt: in allen
rniigliclieii Si^rachon erschollen zu uns herüber die Rufe '.\\i\ Wieder-
sehen- und •Glückliche Roiso", die wir mit ■Hurrah* und Flaggen-
gruU erwiderten. Ks war ein ergreifender Moment!
Der Tender .llüllVl-. die beiden Lloyddampier ur.d der -Greif,
schlössen hidi uns zur Begleitung an. l'nsere beiden B-irdkapellen
bniclilen piilriotisehe Kiirbung in die Abschied^slimmung — die Weisen
kleiner, bis es wie ein Punkt am Horizonte schwamm, dort, wo Himmel
und Wasser ineinanderzufließen schienen. Dann entschwand es völlig
meinen Blicken. In mein Inneres aber senkte sich ein Gefühl unend-
licher Sehnsucht nach der Heimat und den Lieben, die sie mir birgt —
es war Heimweh, das ich früher nicht gekannt. Eben erst hatte mich
die Reiselust mit ihrem ganzen Zauber erfasst und nun, wenige Augen-
blicke nachdem ich den heimatlichen Boden, Eltern und Geschwister
verlassen, war schon Heimweh, der treue Gefährte des an seiner
Scholle hängenden Reisenden, an meiner Seite erschienen, unwill-
kürlich herbeigerufen durch den Gedanken, dass ich ein Jahr lang in
der Ferne weilen soll.
Nie habe ich die Macht, welche das Vaterland auf seine Söhne zu
üben vermag, tiefer empfunden als jetzt, da ich in jeder Secunde mich
unaufhaltsam von ihm entfernte. Trostreich aber überkam mich auch
das Bewusstsein, dass Entfernung nicht Trennung bedeutet: denn jene
wird überbrückt durch die Hoffnung auf glückliche Rückkehr aus der
Fremde, auf freudiges Wiedersehen.
Willig überließ ich mich einige Zeit meiner Stimmung und hieng
den Gedanken nach, die sie erzeugte. Dann aber bannte ich dieselben.
Galt es ja doch zunächst für jeden von uns, sich auf dem schwimmen-
den Stücke Vaterland so wohnlich und behaglich als möglich einzu-
richten. In den Cabinen wurden Photographien und Bilder aufgehängt,
die Bücher der reichhaltigen Reisebibliothek geordnet, Waffen aus-
gepackt und instandgesetzt. Bald war die Arbeit gethan und ich gieng
wieder auf Deck. Die wohlbekannte Istrianer Küste mit ihren kahlen
Preisen und den netten, weißen Ortschaften zog an uns vorbei: fernhin
erglänzte noch der Gipfel des Monte Maggiore. Ein prachtvoller Sonnen-
untergang beschloss den Tag. Der Abend vereinigte uns in der Speise-
cabine und die sinkende Nacht fand uns noch bei der Abfassung der
ersten brieflichen Grüße an die Heimat.
In See nach Port Said, 16. December.
Ein herrlicher Tag und völlig ruhige See begrüßten uns. Die
erhöhte Kraft der Sonne machte sich merklich fühlbar. Morgens
erblickten wir die Gebirge des Festlandes mit dem Monte Movar bei
Rogosnizza: gegen 9 Uhr fuhren wir zwischen Lissa und Busi hindurch
und sahen in der Ferne die kleine Insel Pelagosa: einige Stunden später
tauchten die hohen Berge der Bocche di Cattaro empor.
.1
Mit unbewaffnetem Aurc kaum wahrnehmbar, erschien am
Horizont ein segelndes Kriegsschiff, welches wir für ein Kanonenbool
unserer in Dalmatien kreuzenden Winter- Escadre. und zwar für
■Nautilus- oder »Albatros« hielten.
\'ormittags wurde ein Gefechtsalarm der gesammten Mannschaft
geübt, sowie mit den Geschützen manövriert, Cbungen, welche mit der
unserer Kriegsmarine eigenen Präcision durchgeführt wurden.
Im \'erlaufe der Fahrt kam in weiter Feme das italienische Fest-
land in Sicht, welches sich in zart gezeichneten, bläulich schimmernden
("nntnuren über dem Meere erhob.
Xach einem herrlichen Sonnenunlergang erfreuten wir uns
des reinsten Sternenhimmels, eines Schauspieles, das wir bei den
Klängen unserer trefflichen Kapelle auf dem .Achterdeck in vollen
Zügen genossen.
In See nach Port Said, 17. December.
In der Nacht kam stärkere Bora, welche die See höher gehen
licf3: durch das heftige Rollen des Schiffes geriethen verschiedene
Gegenstande aus ihrer Lage und schlugen an die Wände, so dass
wir infiilgo des entstandenen I.ärmos schon um :i L'hr früh geweckt
wurden.
Der Morgen war jedoch wieder schön und die See ruhiger, aber
dank einer fri.schen Nordostbrise noch immer bewegt, l'm 8 L'hr waren
wir auf der Höhe vt>n Corfu und sahen in der Feme die herrlichen
albanischen Gebirge. Nachmittags wurde Kephalonia, das nie eine
liisliin^chc Holle gespielt hat. aber doch auf eine bewegte Geschichte
In See nach Port Said, 18. Deccmber.
Schon beim Erwachen bemerkte ich, dass die See ziemlich hoch
fachen müsse, da ich in der Cabine starke Rollbewegungen verspürte.
Nachdem ich mich mühsam mit Hilfe des Marinedieners angekleidet,
stieg ich auf Deck, wo ich bereits manch verstörtem Gesichte begegnete,
da Vater Neptun seine ersten Opfer verlangt hatte. Eine steife Brise
kam aus Nordost und See auf See gieng übers Verdeck. Dabei war der
Tag klar und in intensivem Blau prangte der Himmel über uns.
Vormittags hätte Aufwartung des Stabes und Messe in der Batterie
stattfinden sollen, doch musste beides der starken Rollbewegungen
wegen abgesagt werden; erst gegen Mittag, als wir auf die Höhe von
Kreta kamen, wurde die See ruhiger. Wir änderten nun etwas den Curs
und steuerten längs der Küste von Kreta zwischen dieser und der Insel
Gavdo durch. Der Blick auf Kreta ist landschaftlich überaus pittoresk;
die Berghäupter des bis zu 2457 m aufsteigenden Ida krönen das ganze
Bild, während steile, felsige Lehnen bis zum Meere hin abfallen.
An Vegetation scheint die Küste fast ebenso arm zu sein, wie an
menschlichen Niederlassungen, obschon von letzteren in der Karte
so manche eingezeichnet sind. Nur an einzelnen markanten Punkten
springen kleine, weißgetünchte Gebäude, anscheinend Kirchen oder
Klöster, hervor. Der auf dem Ida tief herabreichende Schnee, die violett-
röthliche Beleuchtung der Berge und der tiefblaue Himmel vereinigen
sich zu einem wirkungsvollen Panorama.
Nach dem Lunch fand als Sonntagsscherz eine Tombola für die
Matrosen statt, zu welcher die dienstfreie Mannschaft sich auf dem
Mitteldeck versammelt hatte. L-nser braver Bootsmann — noch ganz der
Typus der alten Schule, gegen alle modernen maritimen Einrichtungen
mit einer gewissen Abneigung behaftet — rief die Nummern aus, wobei
er jede Zahl mit einem italienischen Witzwort verknüpfte, was viel
Heiterkeit erregte. Wein, Cigarren und verschiedene Kleinigkeiten dienten
als Preise.
Abends wurde zu Ehren meines Geburtstages von den Matrosen
ein Festzug arrangiert, der, äußerst gelungen und amüsant, von dem
Witze und der Erfindung.sgabe unserer Leute Zeugnis gab. Mit den
einfachsten Mitteln, wie Werg, Ruß, gebrochenen Riemen, Angelhaken
u. dgl. erzielten sie die drolligsten Effecte. Hinter der Musikkapelle
marschierte zunächst ein italienischer Sängerchor auf, der einige
gut gestimmte Lieder zum besten gab: dann kam eine böhmische
Musikhande, welche mit den verschiedensten, den Cadetten entlehnten
Gewändern angethan, in den gewagtesten Modulationen das bekannte
Lied -Xejde to- spielte; zugleich trat ein Thierhändiger auf, der eine
ganze Schar von Löwen, Affen, Elephanten, Kameelen mit sich führte.
Besonders sinnreich waren die Elephanten construiert: je zwei Mann
hatten sich eine getheerte Geschützdecke aufgestülpt und benutzten den
Laufschutz als Rüssel. Ein ganz unheimliches Thier mit beweglichem,
zähnebewehrtem Rachen, eine Kreuzung von Marabu und Krokodil,
hatte das Licht der Welt in der Schusterwerkstätte erblickt. Echt wiene-
rische Weisen ließ ein -SchrammeU-Quartett ertönen, und zum Schluss
erschien unter Anführung eines prächtigen Häuptlings eine ganze
Horde rabenschwarzer Zulukaffem, die, gegen den frischen Nordost nur
durch Schwimmhosen und eine tüchtige Schichte RuÜ geschützt, vor
Kälte klapperten. Die Wilden, die ein großes Transparent mit meinem
N'amenszuge herbeischleppten, brachen in stürmisches Hurrah aus und
vergnügten sich dann an einem Tanze, dessen lebhafte Bewegungen
sie bei ihren luftigen Costümen einigermaßen erwärmten. Da übrigens
die Musik im gemeinverständlichen Rhythmus einer lustigen Polka
erklang, so drehte sich bald die ganze Mannschaft paarweise in fröh-
lichem Reigen.
Die ungezwungene Heiterkeit unserer Matrosen macht einen wohl-
thuendcn Eindruck. Bei den strengen, mitunter harten und gefahrvollen
Anforderungen, welche der Dienst stellt, darf man hierin gewiss einen
Beweis für die physische und psychische Gesundheit der Mannschaft,
aber auch für den vortheilhaften Einfluss eines streng geregelten
militärischen Lebens erblicken. Es ist sehr erfreulich zu sehen, wie die
In See nach Port SaUi, 19. December.
In der Nacht hatte der steife Nordost bedeutend zugenommen.
Die >» Elisabeth «< rollte auf das heftigste, in den Cabinen führten einige
den Tag vorher nicht genügend befestigte Gegenstände einen wahren
Hexentanz auf.
Als ich um 6V2 Uhr morgens auf die Commandobrücke kam,
meldete mir der Wachofficier, dass die See nachtsüber stürmisch
gewesen sei. Die Rollbewegungen betrugen noch den ganzen Vor-
mittag hindurch, obschon der Wind dann einlullte, 22 Grade.
Heute erblickten wir kein Land, sahen also zum erstenmale
den ganzen Tag über nur Himmel und Wasser.
Port Said, 20. December.
Morgens kam das Leuchtfeuer von Damiette in Sicht. Als wir
uns Port Said genähert hatten und die Umrisse der Stadt bereits am
Horizonte erkennbar waren, erschien der Lotse, welcher die >» Elisa-
beth«' in den Hafen führte. Wir salutierten die ägyptische Flagge
mit 21 Schüssen, worauf eine Landbatterie den Salut erwiderte. Die
ägyptischen Artilleristen sahen in ihren englisch geschnittenen Uni-
formen, schwarz mit rothen Lampassen, recht schmuck aus.
In der Nähe unseres Consulates kamen wir knapp vor einem
großen englischen Ostindienfahrer an die Boje. Im Hafen lagen ein
englisches Kanonenboot und verschiedene große, zumeist englische
Dampfer, welche so rasch als möglich Kohle machten, um dann die
Fahrt durch den Suez-Canal unverzüglich fortzusetzen. Port Said ist
überhaupt ein Hafen, in dem sich kein Schiff länger aufhält, als
unumgänglich nöthig; Kohlen- und Proviantvorräthe werden ergänzt,
die Post wird aufgegeben, der Pilot eingeschifft und dann geht es dem
weiteren Ziele zu. Bei unserer Ankunft tummelten sich auf dem Quai alle
möglichen Gestalten umher, welche die Ankunft des mächtigen Kriegs-
schiffes sehr zu interessieren schien — englische Officiere, Matrosen,
Araber, Fellahs, Inder, Juden und Reisende der Ostindienfahrer.
Unser Consul, sowie Generalconsul Baron Heidler, der von Kairo
herbeigekommen war, begrüßten mich. Letzterer meldete, dass der
Khedive, obgleich ich im strengsten Incognito reiste, sich nicht versagen
könne, in FLrinnerung an die freundliche Aufnahme, die er seinerzeit in
Wien gefunden, seinen Oheim und zugleich Generaladjutanten, Prinzen
Kuad Pascha, zu meiner Begrüßung zu entsenden. Kaum hatte ich mich
in Gala geworfen, so kam auch schon, von der ägyptischen Hymne
begrüßt, der Prinz an Bord, um mich im Namen des Khedives im Reiche
der Pharaonen willkommen zu heißen. Prinz Kuad Pascha ist durch
vollendete Umgangsformen und gründliche europäische Bildung aus-
gezeichnet. Ich unterhielt mich längere Zeit mit ihm und enviderte
dann seinen Besuch im Hotel.
Der Rest des Tages sollte zu einer Jagdexpedition nach dem
Menzaleh-See, arrangiert vom Consui und von dem Pascha von Port
Said, verwendet werden. Ich gestehe offen, dass ich wenig Vertrauen
in den Erfolg dieses Unternehmens setzte, da derartige, unter aus-
giebiger Mitwirkung von Eingeborenen abgehaltene Jagden gewöhnlich
mit einem großen Aufwände von Geschrei und Bakschisch, aber mit
einer sehr geringen Jagdbeute verbunden sind. Ich habe in dieser
Richtung bei meiner ersten Reise nach dem Orient viele Erfahrungen
gesammelt. Glücklichenveise sollte ich diesmal angenehm enttäuscht
werden.
Das Galaboot brachte uns rasch eine Strecke weit in den Canal,
wo uns der Pascha und eine große Anzahl Vorsteher der imi den
Menzaleh-See liegenden Gemeinden ■ — schöne, kräftige Gestatten im
faltenreichen, farbigen Burnus — empfiengen. Der gute Pascha machte
eine ziemlich süßsaure Miene und befand sich in höchst gedrückter
Stimmung: die Leitung dieser Jagd bildete den letzten Act seiner Amts-
thiitigkeit, die wegen einer oft als orientalisch bezeichneten AulTassung
von "Soll" und -Haben« in den Verrechnungen ein jähes Ende gefunden
haben soll.
limeJ, der schon während meiner ersten Orientreisi; in meinem
ieful};e ganz Palästina und Syrien durchzogen hatte, diente mir als
tolmetsch. Nach vielem Lärmen und Riichen wurden wir schließlich
ftolt. In der ersten Barlie saßen ich und Wurmbrand, in der zweiten Clani
und Prönay; die Nachhut bildeten die beiden Herren vom Ccnsularcorps.
der Pascha und das übrige Jagdgefolge.
^^^L In weiter Ferne, schon ganz am Horizonte, sahen wir viele
^^Bundert Flamingos, welche, im seichten Brackwasser stehend, in
^^Hngen Linien weithin rosenroth leuchteten. Kine solche Kette von
^^HUmingos bietet dem Jäger, wie dem Ornithologen einen prächtigen
^^^Bnblick, Zuerst nimmt das Auge nur einen lichtru.'ienrothen, lang-
^^^estreckten Streifen wahr, bis der Beobachter, näher herangekommen,
immer deutlicher die einzelnen Exemplare, den langen, meist S-ftirmig
gebogenen Hals, die hohen Ständer und den geschmeidigen Leib, die
purpurroth gefärbten Männchen, die viel lichteren Weibchen und die
jungen Thiere unterscheidet. Steht ein ganzer Schwärm dieser herr-
Mchen Vögel mit sturmähnlichem .Sausen auf, um abzustreichen, so
isl das Bild noch viel fesselnder, da die Flamingos im Fluge den
langen Hals und die Stander wagrecht ausgestreckt halten und das
unter den Flügeldecken befindliche, intensiv gefärbte Gefieder mehr
p Geltung kommt. Ein solcher Zug gleicht einer rüthlichen Wolke.
höer den Flamingos schwammen auf dem Wasserspiegel noch zahl-
■che Schwärme von Blässhühnern, Lappentauchem, Tafel-, Moor-
I Spießenten: einzelne Flüge von Strandläufern eilten vorbei und
Seihen, sowie Falken stießen in graziösem Fluge auf die Knten-
fiwärme herab, die in schleuniger Flucht ihr Heil suchten.
Vorerst trachtete ich den nächststehenden Trupp Flamingos
teufahren. Wir kauerten uns ganz in das Boot nieder, während uns
zwei Eingeborene, im Wasser watend, vor sich herschoben. Stutzen
und Schrotgewehr liegen bereit; mit ängstlichster Aufmerksamkeil
langsam vorwärts rückend, beobachten wir die ersten Flamingos, die
t Vedetten vor dem großen Truppe stehen. Endlich kommt L'nruhe
|.die Gesellschaft; alle Hälse strecken sich: die vordersten Vögel
, einige Schritte vor und erheben sich mit schwerem Flügel-
blage. Jetzt ist es höchste Zeit. Obgleich wir erst auf ungefähr
Schritte herangekommen sind, versuche ich einen Kugelschuss,
r, leider zu kurz, einen Flamingo ständert, ihn aber nicht herabbringt.
( großem Getöse hebt sich jetzt der Schwärm in die Lüfte und streicht
langer Linie ah. In diestim Momente sehe ich auf gut 3l>!) Schrille
einen einzelnen, schönen alten Hahn hoch in der Luft vorbeistreichen
lind wage, ohne jede Hoffnung auf Erfolg, wohl 1 tn weit vorhaltend,
einen Kugelschuss. Wie vom Blitz getroffen stürzt der Flamingo
mitten durch die Brust geschossen ins Wasser, aus dem zu meiner
großen Freude ein Araber das prächtige Exemplar apportiert. um es
grinsend in das Boot zu reichen. Noch zweimal versuchten wir die
scheuen Thiere anzufahren; einmal mit zwei Booten zugleich, wobei
eine Salve abgegeben wurde, die Wurmbrand und Clam je einen
Flamingo brachte. Dann hoben sich die Vögel in unerreichbare Höhen;
alle Schwärme stießen zusammen und zogen in östlicher Richtung
über den Canal fort.
Nun beschäftigten wir uns noch mit dem übrigen Wasserwild,
erlegten mehrere Enten und Taucher und kehrten dann, da die Sonne
im Untergehen begriffen war, ans Land zurück, wo wir uns von
dem trübseligen Pascha verabschiedeten und an Bord der -Etisabeth-
fuhren.
Vor dem Diner unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang
in dem nichts weniger als anziehenden Port Said und besorgten einige
Kinkäufe, welche sich gröUtenthells aus Cigaretten und verschiedenen
oriunlalischen CJegenständen zusammensetzten. Eigenthümlich ist die
Kaufmunie, die den Reisenden in fremden Ländern so leicht erfasst.
Kr fühlt sich gedrängt, jede Kleinigkeit, ob schön, ob hässlich, mitunter
sogar argen Tand zu erworben, nur um etwas für den betreffenden Ort
('liarakicristischos heimzubringen, als gelte es, sich über den Besuch
IVenuier Länder handgreiflich auszuweisen. So ergieng es auch uns
scliuri in Pnrl Sai'd, wo wir unserer Kauflust die Zügel schießen ließen.
K
;S asiatische Ufer trägt. Zur Hechltin wie zur Unken nichlb als Sand,
jjelb schimmernder Sand, in dem nur tiie und da mageres, graugrünes
Gestrüpp auftaucht. Beiderseits zieht sich schier endlos kahle, wüste
lene hin, hiiufig der Schauplatz der gaukelnden Fata morgana,
Die ersten 20 im lährt man längs des Menza!eh-Sees. den nur
breiter Damm vnm Canale trennt. Wer es nicht selbst gesehen
hat, macht sich keinen Begriff von der Menge Wasserwildes, das um
diese Jahreszeit den Menzaleh-See bevölkert: Tausende und aber
Tausende von Flamingos stehen, rosenrothe Wände bildend, unbe-
weglich im Wasser; dazwischen streichen große Schwärme von Enten
und Tauchern, während bedächtige Pelikane mit unerschütterlicher
Ausdauer auf Fische lauern oder schwerfälligen Fluges über das
Wasser ziehen. Am auffallendsten sind die ungeheuren Mengen von
LTertäufern und Regenpfeifern, die, pfeilschnell hin- und herstreichend,
je nach den Wendungen des Fluges bald silberartig in der Sonne
glänzen, bald als dunkle Wolke erscheinen und so einem glitzernden
Silberbande gleichen, das in den Lüften flattert.
Hat das Schiff das Ende des Menzaleh-Sees erreicht, so fährt es
halber Kraft zwischen zahlreichen Bojen hindurch in dem engen
iz-Canal weiter, diesem modernen Weltwunder, welches menschliche
Tgie und Ausdauer in verhältnismäüig kurzer Zeit geschaffen. Alle
km befinden sich Ausweichestellen und Signalstationen, kleine,
ssehende Häuser, mit Veranden geziert und von grünen
■tchen umgeben. Hier wohnen Beamte der Canal-Compagnie, welche
Aufsicht und Polizei im Canale führen. .Auf hohen Masten werden
[tiale für die Schiffe gehisst. Große Baggermaschinen arbeiten emsig
ganze.Jahr hindurch, um das Bett des Canales, welchen das nach-
licbcnde Uferland und der Flugsand der Wüste immer wieder zu ver-
schlammen und zu versanden drohen, normal zu erhalten; Eingeborene
verladen das .Aushubmaterial auf Kameele, welche es dann in weiter
Entfernung deponieren — und so gibt es ununterbrochen bedeutende
iltungsarbeil, wodurch auch die ziemlich hohen Gebüren erklärt
|d, welche die Schiffe für die Durchfahrt zu entrichten haben. Unsere
liffscasse wurde um eine Taxe von 13.000 Francs erleichtert.
Die Canal-Compagnie hatte die Freundlichkeit, unsere Durchfahrt
lurch thunlichst zu beschleunigen, dass sie allen entgegenkommen-
Dampfcrn die telegraphische Weisung ertheilte, an den Ausweiche-
stoppen, sich zu vertäuen und uns passieren zu lassen. Dies
le nicht eben die besondere Freude derCapitäne jener Schiffe erregt
haben, so dass wohl manch durbcs Worl rauhen Ssemannäkehlen ent-
schlüpft .sein mag, als wir in voller Fahrt an den ungeduldig harrenden
Schiffen vorbeizogen und den Blicken entschwanden. Ein großer, eng-
lischer Dampfer war bei dem Ausweichen auf den Gnmd gerathen und
arbeitete, so lange wir ihn sehen konnten, fruchtlos mit der Maschine.
um sich freizumachen.
Gegen Abend langte die -Elisabeth- in Ismailia an, wo wir den
Lotsen wechselten, um sodann die Fahrt unverzüglich fortzusetzen. Von
Ismailia sahen wir nur wenige am L'fer gelegene Häuser und etwas
Vegetatitin, welche einen angenehmen Contrast zu der Eintönigkeit
der Wüste bildete. In den für diese Gegend specifischen Farben des
Hiirizonts, dunklem .Safran- und Purpurroth, gieng die Sonne unter.
Die groücn elektrischen Projectoren wurden in Thatigkeit gesetzt und
beleuchteten taghell unseren Weg, so dass man jede einzelne Boje auf
die weiteste Distanz unterscheiden konnte. In den Bitterseen fuhren wir
einem großen, englischen \'iermaster vor und mussten am Ende des
kleinen Bittersees warten, bis sich drei Dampfer bei der nächsten Gare
vertaut hatten. Ich blieb bis nach 1 1 L'hr abends auf der Brücke, da es
interessant war, das Functionieren der verschiedenen Signale an den
Gares und Schiffen wahrzunehmen, sowie die Geschicklichkeit zu
beobachten, mit welcher der Lotse, ein Landsmann aus Porto Ke, das
Schiff dun vielfach verschlungenen Cui^s steuerte.
In See nach Steamer Point. "22. December.
Wir sind im Gi»lf von Suez. Der Canal liegt hinter uns und wir
Unser Lotse Achmed Ali, ein Araber aus Port SaYd, in langem
gelben Burnus, einen rothen Fez auf dem Haupte, nannte mich immer
Padischah, indem er sich rastlos vor mir verneigte, wobei in seiner
Miene jener Ausdruck gutmüthiger Verschmitztheit lag, den man häufig
bei den Söhnen der Wüste beobachten kann. In meiner Abwesenheit
erkundigte er sich bei-m Wachofficier lebhaft, ob ich ihn in Aden mit
einem Bakschisch bedenken würde. Auf die Bemerkung des Officiers,
dass dies nicht gebräuchlich sei, schlug er demselben vor, ihm zu einem
Bakschisch zu verhelfen, den sie dann miteinander theilen könnten.
Dieser originelle Einfall, der auf die Landesüblichkeit gewisser Sitten
ein Streiflicht wirft, unterhielt mich begreiflicherweise, und ich beschloss,
den Ehrenmann bei seiner Ausschiffung mit einem Bakschisch, der
ihm allein bleiben sollte, zu beschenken, damit er lerne, was bei uns
Brauch ist.
Das Wrack eines Dampfers, welches an der Südspitze der Halb-
insel Sinai auf einem Korallenriff steckt und nur mehr mit einem Theile
des Buges und einem Mast aus dem Wasser ragt, macht einen ernsten
Eindruck. Die traurigen Trümmer regen die Phantasie schaurig an. Man
glaubt das Heulen des Sturmes, das Brüllen der See zu vernehmen,
deren thurmhohe Wogen das arme Schiff erbarmungslos an den Felsen
geschleudert hatten. Was mag die Bemannung gelitten, welch grausige
Schreckensscenen mögen sich abgespielt haben!
In See nach Steamer Point, 23. December.
In offener See. Kings um die Planken des Schiffes die Salz-
flut und über ihr das Himmelsgewölbe: das ist alles, w-as sich den
Blicken des Seefahrers bietet. Und doch ist es ein Gemälde einfacher
Größe, kein eintöniges Bild, welches Luft und Wasser uns hier vor
Augen führen. Wem Gefühl für die Schönheit der Natur verliehen ist,
der schöpft aus jedem der durch die Elemente gestalteten, wechselvollen
Bilder nur genussreiche Eindrücke. Bald fesseln uns die Farbentöne
und Formen, bald die Bewegung, dann wieder die majestätische Ruhe
des Meeres und stets aufs neue regt dies erhabene Stück der göttlichen
Schöpfung unser Denken und Empfinden an: jetzt durch den Gischt des
Kessels, in dem das gewichtige Eisenschiff einem P'ederballe gleich auf-
und niedersteigt; dann durch die leicht gekräuselten Schaumkämme der
Wellen am Buge — mag ein Nebelschleier den Horizont verhüllen, die
glühende Sonne Luft und Meer in rosiges oder purpurnes Licht tauchen
15
oder sanfter Mondschein die nimmermüden Wellen mit Silbergl.
übergießen. Stunde auf Stunde vermag ich auf der Commandobrücke
zu stehen, das Auge bald auf das Wellengetriebe, bald zum Firmament
lenkend. Wem das Himmelsgewölbe mehr ist als ein leerer Luftraum,
wer die See üebt und begreift, der erfreut sich an der Kraft und dem
Zauber des Lichtes, an der schimmernden Glätte, wie an dem Tosen des
Meeres, Ist die Sonne versunken, so blicken wir auf zu den Stern-
bildern und erinnern uns, dass auch die Lieben in der fernen Heimat
jetzt wobl emporsehen zu denselben Gestirnen, und dass sie fiililen,
was uns bewegt ....
Wie grüßende Boten unseres Elementes, der Erde, betrachtete
die lebenden Wesen, die sich mir von dem Schiffe aus zeigten: eil
unser Fahrzeug umgaukclnden Delphin, der mit keckem Sprunge spie-
lend aus dem Wasser schnellt; eine pfeilschnell daherstreichende Möve;
einen kleinen Vogel, der sich zwitschernd auf die Raaen setzt, um aus-
zuruhen, bevor er die weile Reise über das schier endlose Wasser fort-
setzt. Allerliebst war eine Bachstelze, die uns ein Stück Weges
begleitete und ohne Scheu lustig ihr Liedchen auf dem Geländer di
Commandobrücke sang und dann in der Batterie Brosamen aufpjcki
die vom Tische der Matrosen zu Boden gefallen waren.
Die braven Seeleute genossen eben der kurzen Mittagsrast, die ibni
herzlich zu gönnen ist. Vom Morgen bis zum Abend sind sie in ununtej
brochener Thätigkeit; kein Augenblick des Müßigganges, der Langweil
Nach dem Auspurren beginnt die Toilette des ganzen Fahrzeuges, Ul
Ströme von Wasser ergießen sich über das schöne Schiff, auf dass
sein Tagewerk unaufhaltsamen Laufes schmuck und blank verficht
Exercitien aller Art in der Batterie und auf Deck, hin und wieder
Feueralarm oder als Probe zu ernstem Waffengange ein Gefechtsali
schließen sich an und setzen sich nach dem frugalen Mahle fort, unl
brechen von Stunden geistiger Sammlung der Mannschaft in den Schil
schulen. Abends, nach des Tages Mühen versammeln steh die Matrosi
auf dem Verdeck, schmauchen ihre Cigaretle und singen ihre voll
ihümlichen Weisen, wobei die Slaven aus Dalmatien und anderen
liehen Ländern mit ihren meist schwermüthigen, den alten Heidensa]
von Marko Kraljevic, Peter Klepec und Anderen entsprossenen Lied)
den Chor anführen. Endlich ertönt das Signal zum Abpurren;
Hängematten werden bez'^'^cn: Siille tritt ein; nur das Stampfen
Maschine ist zu höruii und JL-Lk- h.illic Stunde der Ruf der .Auslug«
»Alles wohl«. •Laterne
Tiat
Den ganzen Tag brachte ich auf Deck zu. Die Temperatur ist
bereits eine vollkommen südliche. Vor meiner Cabine zeigt das Thermo-
meter in der Sonne 40"*, die See hat 22"* Celsius. Der Wind hat gewech-
selt und zieht heiß, trocken von Süden. Hin und wieder sieht man in
nebelhafter Ferne einen hohen Berg am Horizont erscheinen, sonst nur
einzelne vorbeiziehende Dampfer. Morgens passierten wir den Leucht-
thurm von Daedalus, der, auf einem unter dem Niveau des Wassers
befindlichen Korallenriffsich erhebend, mitten aus der See emporragt —
nicht das kleinste Stück Land ringsumher. Drei Malteser führen hier als
Leuchtthurmwächter ein einsames, mönchisches Leben, welchem der
Reihe nach einer um den anderen alle sechs Monate mit kurzem Urlaub
ans Land entflieht.
In See nach Stcamer Point, 24. December.
Weihnachtstag — der Tag, dessen Bestimmung scheint, nur einen
Abend zu haben, mit einem Christbaum als Mittelpunkt und freud-
vollem Geben und Nehmen im Kreise der Familie. Wehmüthige Gefühle
beschleichen mich. Seit 29 Jahren zum erstenmale, dass ich diesen
Abend nicht mit den Meinigen vereint verbringen soll. Obzwar auf
vaterländischem Boden stehend, vermissen wir doch das winterliche
Bild, welches jetzt die heimatlichen Gefilde bieten, und das mit der
Feier dieses Tages so eng verknüpft ist. Wahrhaft glühende Wünsche
und Gedanken sende ich aus dem Rothen Meere nach Hause; denn
Phübus meint es heute mehr als gut mit uns. In der Sonne haben wir
über 40**, im Maschinenraum über 60 "* Celsius, dazu einen glühend
heißen Südsüdostwind, welcher der Atmosphäre jede erfrischende
Wirkung benimmt.
Clam und ich mussten lächeln, als wir vormittags einen kleinen
Weihnachtsbaum, den ich aus den Konopister Wäldern mitgenommen
hatte, in meiner Kajüte aufputzten und dabei fortwährend »von der
Stirne heiß, rinnen musste der Schweiß«. Jede Viertelstunde eilten wir
auf Deck, um etwas bessere Luft zu athmen, da die drückende Schwüle
unter Deck kaum zu ertragen war. Auch die Lichter und die Gegen-
stände, die uns meine Mutter zur Schmückung des Baumes mitgegeben,
zeigten schon die Spuren der tropischen Hitze; sie waren ganz weich
geworden und begannen zu schmelzen.
Untertags sah ich zum erstenmale fliegende Fische, die pfeil-
schnell über die Wogen huschten und mit ihren glänzenden Flügeln
großen Schmetterlingen glichen. Auf dem Achterdeck fiengen wir einige
n
I
•>
LT'te Hcu-jhrejken. Jerer Flugkran icii ^e^^x:^ie^e. ja sie doch vom
-.kiri-ti-u-leirenen La:iJ?iriche ^«5 SesTy-ei^en bi< auf Jß> Schiff zi: lüepen
r.ötier. Die anr-e:: Thierchen \vare:i auch sehr ermanei unJ daher
;e;jhi zu fange:!.
Gleich nach Jem Diner zünjeien wir die Lichier de? Chrijibaumes
in UTid begannen ^o die kleine Feier, zu welcher sich in meiner Cabinc
fcLjÜer den Herren meiner Suiie noch Leopold, der Commandant und
dtr Gesammt-Detailffficier eingefunden hauen. Verschiedene kleine
'ies-chenke. darunter manche heimlich iriigetrebene C'berraschung aus
d'^r Heimat, lagen auf dem Tische.
Einer Einladung des Officierscorp? foliiend. begab ich mich ins
«.■am-, wo die Herren einen sehr hübschen Chri>:baum aufgestellt
hatten, der mit künstlichen, aus Baumwolle hergesieliien Schneeflocken
i.ber-äe: war und mit seinen vielen Lichtem freundüch-hell erstrahUe.
Eine Jux-Tombola mit den drolligsten Gegenständen ieiiete das Fest ein,
wjahrend unser Chefarzt Dr. Plumen eine famose .\nanas-Bow!e braute.
Heim ersten Glase gedachte der Commandant in warm empfundenen
Worten aller in der Heimat Zurückgebliebenen, die sich unser am
heutigen Tage gewiss erinnern und in Gedanken bei uns weilen.
Hieran >chlossen sich musikalische Vortrage, Ein Cadet spielte vor-
:refnich Zither, während sich andere Herren auf dem Clavierc ver-
suchten. .\uch der Gesang trat in seine Rechie. und e^ heimelte mich so
gemüihlich an. echt österreichische Weisen zu hören. So mancher Rund-
ye-ang. manches alte Soldatenlied zeigte wenigstei-s von dem guten
Willen und von der Liebe meiner Landsleutc zu den heir.ii sehen Liedern.
Zu meiner großen P'reude entdeckte ich in unserem !reff.;chen Naviga-
tionsoiticier einen tüchtigen (jenossen in der Kunst des Jodeins. Der
In See nach Steamer Point, 25. Deccmber.
Der Südwind wurde immer steifer und die See gieng sehr hoch,
so dass CS fraglich wurde, ob man den Gottesdienst werde abhalten
können. Allein unser wackerer Kaplan ließ sich nicht einschüchtern
und las uns, obschon die Lichter verloschen und die Leuchter umfielen,
auf dem von der Standarte überragten Altare die Messe.
Nachmittags kamen die Inseln Dschebel Te'ir und Zebayir in
Sicht, nackte, kahle Eilande ohne jede Vegetation. Wieder strichen
fliegende Fische wie silberne Sternchen vorbei. Von Vögeln beob-
achtete ich außer gewöhnlichen Möven mehrere Flüge Sturmsegler.
Die See nahm immer zu; Welle auf Welle gieng über die Brücke,
auf der wir beinahe den ganzen Abend, wenn auch völlig durchnässt,
das imposante Spiel der Wogen bewundernd, ausharrten.
Steamer Point, 26. Deccmber.
In der Nacht hatten wir die durch ihre Riffe gefürchtete Enge von
Dschebel Zukur und Hanisch passiert. Unser arabischer Lotse that sich
durch seine katzenartigen Augen hervor, indem er, wiewohl der Mond
nicht schien, in dunkler Nacht jedes auch noch so entfernte Riff wahr-
zunehmen vermochte.
Morgens ist die See ruhiger. Rechterhand ist das afrikanische
Festland, linkerhand die arabische Küste sichtbar, auf welcher die hohen,
scharf gezackten Berge Jemens erscheinen, deren Steilränder einen
anderen Landschaftscharakter zeigen, als die Granitberge an der Nord-
küsle des Rothen Meeres. Auch lässt ein Blick durchs Fernglas auf
den \'{)rderseiten der Berge Jemens hin und wieder einige, obschon
kümmerliche Vegetation sichtbar werden. Am Ufer schimmern Hütten
und Zelte, wahrscheinlich die Behausungen nomadisierender Araber.
Nach dem Gottesdienste fahren wir durch die Straße Bab-el-
mandeb, das »Thor der Thränen-, eine Benennung, deren Richtigkeit
uns so manches Wrack mit stummer Beredsamkeit bezeugt.
Die praktischen Engländer haben sich dieses Stützpunktes des
Seeweges nach Indien schon 1857, also noch vor der Herstellung des
Suez-Canals, zu bemächtigen gewusst. Ein, wie es scheint, starkes P'ort
auf der Felseninsel Perim bewacht und sperrt hier die Durchfahrt, die
schmälste Stelle des Rothen Meeres. Jedes der beiden Ufer liegt nur
auf Kanonenschussweite von dem durchfahrenden vSchiffe ab. Als wir
dem Leuchtthurme von Perim den Namen unseres Schiffes signalisiert
hatten, wurde uns mit dem zur Jahreswende üblichen Wunsche geant-
wortet: »The compliments of the season!«
Eine Riesenschildkröte von beinahe 2 m Länge taucht wenige
Schritte vom Bug auf, betrachtet uns mit ihrem großen, gelben Kopfe
einige Secunden lang und verschwindet wieder in den Fluten.
Nun tritt die afrikanische Küste immer mehr zurück, während
der Arabien angehörige, felsige, 844 m hohe Dschebel Kharas in Sicht
kommt.
Ein riesiger Zug Quallen nähert sich uns. Diese schimmern und
leuchten in den schönsten rosenrothen und dunkelvioietten Farben-
tönen, so dass wir die Maschine stoppen, um einige dieser Blumen des
Meeres herauszufischen.
Um 8 Uhr abends blinkte uns das Leuchtfeuer von Steamer
Point entgegen, und bald darauf lagen wir verankert im äußeren Hafen
von Aden.
Ein kleiner, englischer Stationär^ das Kanonenboot ■.Redbreast-
~ und drei größere Warendampfer lagen im Hafen, wo eben ein mäch-
tiges, englisches Transportschiff die Anker lichtete. Dieser Koloss ließ
seine Dampfpfeife ertönen und setzte sich dann eilends mit Östlichem,
wahrscheinlich nach Indien gerichtetem Curs in Bewegung.
Unmittelbar nachdem wir Anker geworfen hatten, kam derGerent
des Consulates an Bord, gefolgt von verschiedenen Handelsleuten, die
uns in allen erdenklichen Idiomen eifrigst ihre Dienste anboten.
Aden 27. December.
nisse nicht ganz fünf Kreuzer ö. VV. geltende Münze — flog von Bord
ins Meer, und wir ergötzten uns die längste Zeit an diesem heiteren
Treiben.
Inzwischen waren jüdische Krämer und Händler vom Stamme
der Parsis an Bord geklettert und boten Straußfedern, Antilopenhörner,
Muscheln, einheimische P'lechtvvaren und allerlei andere Erzeugnisse
feil, so dass sich am Fallreep bald lebhafter Handel entwickelte. Die
Productivität des Gebietes von Aden selbst ist eine so minimale, dass
hier eben nur kleine Objecto der Hausindustrie oder Jagd- und Strand-
beute als indigene Handelsartikel zum Vorscheine kommen.
Aden mit Perim, Little Aden und den neuerlichen Erwerbungen
(Newly acquired) gehört zu der Präsidentschaft Bombay und wird von
einem politischen Residenten verwaltet. Aden ist seit 1839 in englischem
Besitze.
Die gegen Süden ins Meer vorspringende Halbinsel trägt auf ihrem
Ostufer die Festungsstadt Aden, auf dem Westufer, in einer Entfernung
von 8 km die kleine Hafenstadt Steamer Point. Da nämlich der Hafen
der eigentlichen Stadt, die East Bay, den Schiffen nur während weniger
Sommermonate Schutz bietet, so hat sich der gesammte Schiffsverkehr
in der West Bay, einer guten Rhede, festgesetzt.
Die Bevölkerung Adens, einschließlich jener Perims und nebst der
Garnison 35.932 Seelen zählend, besteht vorwiegend aus Arabern und
Somali-Negern; doch bringt es die Eigenart dieses regen Platzes mit
sich, dass hier neben den asiatischen und den afrikanischen Volks-
elementen des Landes ein aus Angehörigen verschiedener Nationen
zusammengesetztes Kunterbunt seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat.
Was Aden ist, hat ausschließlich der Handel geschaffen. Der
Export Adens hat im Jahre 1892 einen Wert von 26,067.306 fl. ö. W.,
der Import einen Wert von 30,788.033 fl. ö. W. dargestellt; im Jahre 1892
sind 1572 Schiffe mit 2,582.221 / eingelaufen und 1573 Schiffe mit
2,585.808 / ausgelaufen.
Das Gebiet von Aden selbst liefert seiner geringen Niederschlags-
mengen und seines meist felsigen, nur hin und wieder culturfähigen
Bodens wegen äußerst spärliche Producte, so dass ein Theil der Lebens-
mittel aus den begünstigteren Landstrichen der Umgebung und von der
Somäli-Küste herbeigeschafft werden muss.
Der Hafen von Steamer Point ist äußerst malerisch umrahmt. Im
Osten ragt der mächtige, steil gezackte Krater des Schamscham auf,
^egen Norden hin erscheinen die hohen Berge des arabischen Küsten-
21
Striches, deren Terrassen zu dem flachen Strande abstürzen. Besonders
bei Sonnenuntergang, wenn der Horizont in rothen und grünlichen
Tinten erglüht, ist das Bild ein sehr wirkungsvolles, so dass es dann
dem Beschauer ist, als blicke er auf eine in den saftigsten Farben
gemalte Theaterdecoration.
Um 8 Uhr morgens wurde der Territorialsalut mit 21 Schüssen
geleistet, welchen die Landbatterie alsbald erwiderte, worauf der
Resident General J. Jopp in der scharlachrothen Uniform eines Brigade-
generals an Bord kam und mich einlud, an einem Luncheon, einem
Diner, einer Löwenjagd theilzunehmen. Die Rücksicht auf die so kurz
bemessene Dauer meines Aufenthaltes zwang mich, alle diese Aner-
bieten dankend abzulehnen. Da General Jopp nur englisch spricht,
musste ich den Commandanten als Dolmetsch zu Hilfe rufen. Der
Resident — er hatte 36 Jahre in Indien zugebracht, bevor er den Posten
in Aden erhielt — soll, wie man sagt, ein großer Tigerjäger gewesen
sein und über 70 Tiger edegt haben; gewiss ein kolossales Resultat,
da ja diese Raubthiere in Indien doch nicht so häufig sein dürften wie
Hasen in einem Feldstreifen.
Nachdem sich der Besucher verabschiedet hatte, vertauschte ich
die ihm zu Ehren angelegte Uniform mit einer entsprechenden Tropen-
gcwandung und begab mich ans Land, um Steamer Point und Aden zu
besichtigen, sowie um verschiedene Einkäufe zu machen.
In dem von einem schwarzen Somali gelenkten Wagen des Con-
sulargerenten gieng es zunächst durch das militärische Viertel Steamer
Points, wo Kaserne an Kaserne steht und Officiersbaracken sich
aneinanderreihen, meist einstöckige, sehr luftig gebaute Häuser mit
Das jüdische Element ist in Steamer Point stark vertreten. ^Sobald
der Europäer ans Land kommt, ist er von einer Schar semitischer Geld-
wechsler umgeben, die in Originalcostümen mit langen Pajes ihr Geschäft
in höchst zudringlicher Weise betreiben. Sehr komisch war ein ganz
kleiner, vielleicht achtjähriger Junge, welcher sich über die Werte und
(>urse der verschiedensten Geldsorten vollkommen versiert zeigte.
Mein erster Besuch galt dem Residenten, welcher mit seiner liebens-
würdigen Gemahlin ein sehr nettes, mit allem Comfort eingerichtetes,
ebenerdiges Gebäude, mitten in der Militärstadt gelegen, mit herrlicher
Aussicht auf das Meer, bewohnt. Im Hause machte erfrischende Kühle
die tropische Hitze, welche im Freien herrschte, etwas vergessen. Der
m
Besuch konnte nicht lange währen; bald mussten wir aufbrechen.
In kleinen, einspännigen, mit einem Dache versehenen Wägelchen
fuhren wir rasch auf der vorzüglichen Straße nach Aden, auf der sich
ein äußerst buntbewegtes Bild entrollte. Trägen Schrittes zogen lange
Karawanen, schwerbeladene Kameele vorbei; schweigsame Araber, in
lange Burnusse gehüllt, oder gröhlende, halbnackte Somalis ritten auf
Dromedaren oder auf winzigen Eselchen hinterdrein; ein Wagen um den
andern kam heran, dieser das Gefährt eines sofort an seiner schwarzen
Kopfbedeckung erkennbaren Parsis, jener von einem ganzen Harem
verschleierter Frauen erfüllt; wSomälis, Männer wie Weiber durchwegs
schöne, wie aus Erz gegossene Gestalten, den Schädel meist glatt
geschoren oder nur mit kurzem Kraushaar geziert, schritten unbedeckten
Hauptes im Sonnenbrand und Straßenstaub fürbass; ächzende, blockende
Herden weißer, schwarzköpfiger Fettschwanzschafe trippelten den Staub
aufwirbelnd die Straße entlang; zur Rechten und zur Linken wurden
hockend oder in den Lüften kreisend unzählige Geier und Weihen
sichtbar.
Durch ein in den Felsen gehauenes, enges Thor gelangt man
in den Befestigungsgürtel von Aden, der äußerst sinnreich auf den
verschiedenen Spitzen und Graten der Berge fortgeführt, die ganze
Stadt gegen etwaige Überfallsgelüste der Araber sicher abschließt. Noch
einige kunstvoll angelegte Serpentinen, sowie zwei lange Tunnels und
wir befinden uns in Aden, einer regelmäßig im Viereck gebauten Stadt,
die, in der Mitte eines Kraterkessels gelegen, einen recht trostlosen
Eindruck macht. Heiß, hell und kahl — das ist hier die Signatur des
Stadtbildes und jene seines Rahmens. Die steil abfallenden, von Höhlen
durchzogenen Felswände, welche die Stadt umgeben, sind jeder Vegeta-
tion bar und bilden die Schlaf- und Niststätten von allerlei Raubvögeln.
23
Juder Fremde besucht zuerst die berühmten, uralten Cistemen.
Tanks, rieüige, theils in den Felsen gehauene, theils cementierte, etwa
anderthalb Millionen Hektoliter haltende Becken, in denen bei starken
Hegcngüsscn das Wasser für den Bedarf der Stadt aufgefangen wird.
ICin mächtiges, imponierendes Werk, in dessen Nähe sich auch die
L-inzigcn Büsche und Baume von ganz Aden befinden, auf welchen
zvyei hübsche Bül-büls munter umhersprangen. Bei meiner Anwesenheit
waren fast alle Cisterncn leer; nur aus einer tiefer gelegenen Grube
sch''ipftun einige Araber Wasser empor, das jedoch ganz abscheulich
schmeckte.
Die .Stadt selbst wirkt nur durch die Eintönigkeit der üblichen
Bauart, denn alle Ilauser sind niedrig, grellweiß, so dass eines wie ein
Ki dem andern gleicht. Hiefür entschädigt das bunte Völkergemisch in
den Slrafieii. Soniäli-Jungen mit lustigen, hübschen Gesichtern, pech-
schwarzen Augen und schneeweißen, tadellosen Zähnen umkreisten
Ulis wie ein Bienenschwami. Bakschisch-lüstem schrieen und sangen
sie, lührlen Uingkämpfe auf und producierten, in die Hände klatschend.
ihre Natiimiiltänze. Warf man gar ein kleines Geldstück unter die
hingen, so mus.ste diese Unvorsichtigkeit mit längerer Sperrung der
l'ii-.'.ace gehüLit werden.
Auf dem Heimwege kamen wir an den »Thürmen des Schweigcns-
v'.ilnji. Iiiu Ml lienaiinten Begräbnisstätten der Parsen sind viereckige,
kh'irn; (ii;liäiiile, innerhalb welcher jene ihre Todten auf eine Plattform
|i;vii, ilatiiil dieselben von den Geiern und Adlern aufgezehrt werden.
Ijji- 1-, widerliche Verfahren hat nur den Vorzug einer raschen Procedur
|iir M-:li, d:i gewiihnlicb in der kürzesten Zeit von dem Leichnam
t regelrechtem Kopfsprung ins Meer setzte, ein Sprung, der seiner
Höhe wegen manchem Erwachsenen zu bedenklich erschienen wäre,
Reich beschenkt, Cigaretten schmauchend, kehrten die putzigen Kerle
in einem Miniatur-Canoe ans Land zurück.
Der Rest des Tages gehörte der Beendigung der am nächsten
Mnrgen abgehenden Post. Diese Thätigkeit wurde durch ein drolliges
Intermezzo unterbrochen, nämlich durch das Anhordhissen mehrerer
Zebuochsen, die sich höchst ungeberdig benahmen und viel zu schaffen
machten. Ein Ochse sprang sogar in die See und konnte nur mit Mühe
Ifausgelischl werden.
Colombo — Kandy .
In See nach Coloinbo, 28. Üecember.
Scharfe Schüsse, deren Echo in den Thälern des Schamschäm
lerhalltc, weckten uns früh morgens. E.s waren die Salven der
Ballerie des engUschen Kurts, welche Schießen aLiT hewe^'liche Ziele
im Meer übte.
Nochmals entwickelte sich auf dem Fallreep ein kleiner Markt,
dann nahm unser Consulargerent Abschied, wir lichteten die Anker
und verließen mit östlichem Curse den Hafen.
Der TaK ist schön; eine kleine Regenböe bringt Erquickung, wie
überhaupt die Hitze nicht mehr so intensiv ist, als im Rothen
:; nur die Cabinen bilden noch wahre Dampfbäder, selten sinkt
das Them\ometer unter 30° Celsius. Einige Dampfer werden passiert
und ein größerer Zug von Fischen beobachtet.
Von unseren zwei Ziegen-Kitzen, Ma.\ und Moriz benannt, die
in Aden an Bord genommen, sprang leider Max, ein allerliebstes
in selbstmörderischer Absicht über Bord und dürfte wohl bald
Hai zur willkommenen Beute gefallen sein. Moriz verschmerzte
Verlust seines Kameraden rasch und hüpfte lustig zwischen den
inen umher, überall Zwieback, Cigaretten und Zucker naschend.
una \
In See nach Colombo, 29. Decemher.
Bei Gegenwind hielten wir uns fort im gleichen, östlichen Curse.
Zwei Pottwale wurden beobachtet.
Während bisher alltäglich dem Studium von Reisewerken nur
einige Stunden gewidmet waren, oblag ich heute dieser nützlichen
ThätiKkcit fast den ganzen Tag. In eben dem Maße als wir uns den
fernen Ländern nähern, die wir bereisen sollen, sind wir mit wachsen-
dem Kifer besorgt, uns entsprechend vorzubereiten und auszubilden.
An reichhaltiger Abwechslung fehlt es in der Reisebibliothek
nicht, wie sehr auch bei der Zusammenstellung derselben auf die räum-
lichen Verhältnisse der Cabinen Bedacht genommen wurde. Neben
Publicationen, die, vom Ernste der Wissenschaft erfüllt, dem Forschungs-
reisendcn als Ouellenwcrkc dienen, befinden sich Handbücher, welche
dem Tiiuristen fast unentbehrlich sind, ferner Werke, die sich in fesseln-
der l'orm als glückliche \'erbindung scientifisch gediegenen Inhaltes
mit anregender Schilderung von Land und Leuten enveisen, endlich
Bücher, welche in die Kategorie der eigentlichen Reiseliteratur gehörig,
mitunter durch glänzende, wohl auch feuilletonistische Darstellung aus-
gezeichnet, leichtere Leetüre bieten. Karten und Plane aller Art ver\'oll-
sli'mdigen das literarische Inventar.
So manches der in demselben verzeichneten Bücher habe ich
schon in der Heimat durchstudiert, so die Eindrücke vorahnend,
welche meiner harren. In gleichem Mal3e verdanke ich Belehrung und
(ienuss: Sievers -.Asien«, Kccius vXouvelle Geographie Universelle-.
dem höch.sl intcres^anlcn, mit prächtigen Illustrationen ausgestatteten
-Japan«, Heins ^^Japan-s Kreitners >'Im fernen Osten^«, Buchners »Reise
durch de» stillen Ocean'< und anderen höchst verdienstlichen Werken;
doch würde es zu weit führen, sämmtliche zu nennen.
Nach dem Diner vereinigte sich alles auf der Commandobrücke,
um plaudernd den herrlichen Abend zu genießen.
In See nach Colombo, 30. December.
Am Morgen sichten wir die Insel Sokotora und fahren gegen
Mittag auf 15 Meilen nördlich vom Ostcap der Insel vorbei. Der Anblick
der Insel erinnert an die Küstengegend des Rothen Meeres. Auffallend
sind nur die schneeweißen Sandmoränen, die auf eine gewisse Ent-
fernung fast Gletschern gleichen. Diese 7770 km^ messende und etwa
4000 Bewohner zählende Insel, die unter dem Sultan von Keschin
stand, und bezüglich deren England im Jahre 1876 mit diesem emen
Subsidien-Vertrag, im Jahre 1886 aber einen zur britischen Verwaltung
führenden Protectorats- Vertrag abgeschlossen hat, war einst unserer
Regierung zum Kaufe angeboten worden. Doch glaube ich, dass diese
Erwerbung keine sehr glänzende gewesen wäre; denn man nimmt
außer einigen Cocospalmen keine Vegetation wahr und nur als
Kohlenstation oder als SträOingscolonie hätte Sokotora eine gewisse
Bedeutung für uns erlangen können.
Prachtvollem Sonnenuntergang folgte eine bezaubernde Nacht.
Wahres Labsal war es, den frischen Monsun auf der Brücke zu athmen.
In See nach Colombo, 31. December.
Der Wind blies frisch aus Nordost und kühlte die Temperatur
etwas ab. Eine große Anzahl fliegender Fische umschwärmte, oft bedeu-
tende Strecken zurücklegend, den Bug des Schiffes. Mehrere Tölpel
strichen rasch vorbei.
Zur Sylvesterfeier hatte ich den ganzen Schiffsstab geladen.
Abermals musste ein improvisiertes Glücksspiel am Achterdeck den
Mittelpunkt des Festes bilden, wobei die unglaublichsten Gegenstände
als Preise Venvendung fanden. Heiterkeit und Humor deckten manche
Mängel, besonders die tropische Wärme des Champagners. Der Eis-
vorrath an Bord war völlig erschöpft, und ihn zu erneuern, war nicht
möglich gewesen; einerseits hatte unser Schiffskoch in Aden alle Vor-
räthe an Eis ausverkauft gefunden, andererseits war in Steamer Point
31
unsorc Eismaschine gebrochen und noch nicht wiederhergestellt. &>
musstc denn an die Stelle gekühlter Getränke gewärmter TrinkstolT
treten, namenthch eine Bowle, die von unserem Chefarzt für uns
gebraut war.
Ais die Schiffsglocke die zwölfte Stunde verkündet hatte, der
NcujahrsschusK gelöst war, begrüßten wir das neue Jahr zunächst mit
der V'olkshymne und dann unter den Klängen des Radetzky-Marsches
mit kräftigem, dreimaligem Hipp Hipp Hurrah, in das auch die ganze
Mannschaft einstimmte.
Der gute, alte Mond und fast wolkenloser, gestirnter Himmel
beleuchteten die Scene auf Deck. Alles beglückwünschte sich aufs
lierzlichste, und neuerlich flog so mancher heiße Neujahrswunsch,
mancher innige (icdanke durch die stille \acht der Heimat zu.
Vn
L;derCh,
In See nach Colombo, 1. Jänner 1893.
rniillags machten mir der Commandant und die ältesten Officiere
arge ihre Aufwartung, um officiell die Glückwünsche zum neuen
irzubringen. Hierauf erschienen in der gleichen Absicht namens
mscliaft unser würdiger Bootsmann und der Geschützmeister
Nachdem der Gottesdienst stattgefunden hatte, wurden beim
I des liefehlcs Beförderungen der Mannschaft verlautbart,
,-iite gelang es mir endlicli, einen fliegenden Fisch von der Brücke
l-\
litigkeit der I.uft nimmt trotz des stetigen Nordost-
;u, liass die p.-.yehromctrische Differenz nur 1' betragt.
Die wHckere -Fasana- . LÜe treffliche Seifltrin, eines unserer
Missionsschiflü, hat schon wiederholt mühe- und gefahrvolle trans-
oceanische Reisen unternommen und sich stets vorzüglich bewährt.
Diesmal hatte sie eine Leistung aufzuweisen, welche die allgemeine
Bewunderung der maritimen Welt erregte. Es war der Corvette
geglückt, in den Gewässern Ostasiens mit ganz geringen Havarien
einen der allerschwersten Taifune zu überstehen, während große
Dampfer, wie der P. & 0,-Steanier -Bokbara«, in demselben Wirbel-
sturme untergegangen waren,
Die »Fasana- begrüßte uns mit Flaggengala, 21 Schüssen und
Wantensalut. Wir stoppten die Maschine, auf der »Fasana« wurde back-
gebra.ssl, und ich fuhr, nachdem ein Boot gestrichen war. an Bord der
Corvette. Hier empfieng mich der Commandant Corvetten-Capitän Ripper
lind stellte mir den Stab, darunter die 20 eingeschifften Cadetten, unter
denen sich auch Mannsfeld befand, vor. Die interessante Reise der
»Fasana» bot reichen Gespräch sstoiY, besonders viel aber war von dem
Taifun zu erzählen, in dem unsere wetterharten Seeleute rühmliche
Bravour und Geschicklichkeit bewiesen hatten. Im ärgsten Sturme und
bei den heftigsten Rollbewegungen des Schiffes musste die Mannschaft,
während See auf See über Bord gieng und die Corvette zwei Boote
verlor, das Marssegel wechseln. Um uns von dieser unter so ungün-
stigen Umständen äußerst schwierigen und gefahrvollen Arbeit eine
annähernde N'orstellung zu ermöglichen, wurde uns das Wechseln
der Marssegel vorgeführt.
In den Räumen des Schiffes, das wir in allen seinen Theilen
^^besichtigten, erinnerten zahlreiche, namentlich aus Japan stammende
^^H^enstände an die eben zurückgelegte Reise.
^^P Von hervorragendem Interesse ist die Maschine der ^Fasana^;
^^denn jene hatte sich früher auf der P'regatte »Schwarzenberg- befunden
und daher sowohl das Gefecht bei Helgoland, als die Schlacht bei Lissa
mitgemacht.
Tief bewegt nahmen wir Abschied von den Kameraden. Salut-
schüsse und Hurrahs ertünten und beide Schiffe setzten ihren Curs fort,
•Elisabeth» nach Süden, die ^Fasana« nach Norden. Da schwebt
( eine der Schiffe hinaus in die Weite, fernen Reisezielen zu, indes
V andere, kaum gegrüßt, entschwindend, nach sechzehnmonatlicher
ihrt in die Heimat zurückkehrt! Mit vollen Segeln, von der Morgen-
me beleuchtet, einer über die Wogenkämme ziehenden Möve glei-
enteilt die Corvette rasch unseren Blicken, Lange aber wirkte
mich in meinem Herzen der erhebende Eindruck nach, welchen die
Be;;efinung von 700 Landsleuten inmitten des Meeres, das Zusammen-
treffen zweier SchifTe unserer Kriegsflotte auf den Wellen des Oceans
her\i>rf;crufen hatte.
In See nach Colombo. 3. Jänner.
Ruhig, mit 12 Meilen stündlicher Geschwindigkeit gleitet die
'Klisabeth* über die blaue See. Wir envarten schon sehnsüchtig die
.\nkimrt in Cnlombo. Gegen Abend erscheint der Leuchtthurm von
Minikni auf den l-akediven und mit dem Fernrohre unterscheiden wir
einx.elne der Korallen -Inseln aus den Gruppen der Lakediven und
Malediven.
In See nach Colombo, 4. Jänner.
Gegen 12 Uhr mittags erblickten wir in nebelgrauer Ferne die
rmrisse indischer (iebirge.
i'-in unterhaltender Sport, Jagd auf Rochen, fesselte mich um diese
Stunde auf der Brücke. Sieben dieser flachen, nahezu 2 in langen
I 'iTgelliüme schwammen backbord in so geringer Tiefe an uns
\iirhci, diiss ich den dunkelbraunen Rücken, sowie die grünlich-weiß
si'liülerride l'nterseite dieser Thierc genau unterscheiden und hoffen
k'.iinie, eines der-^clbcn zu erlegen. Zuerst versuchte ich ohne die
Hi'ririj'>te Wirkimg einen Schrntschiiss, dann einen Kugelschuss, worauf
i'iii f;riitler Rochen sehr gut zeichnete. Leider konnte ich der allzu
MiMlien Fahrt wegen nicht mehr beobachten, ob die Kugel eine töd-
Unzählige Boote von Singhalesen fuhren uns entgegen und
umlagerten unter lautem >»Hossani« der Insassen das in den Hafen
einlaufende Schiff. Diese Boote haben die abenteuerlichsten Gestalten.
Den primitiven Anforderungen der singhalesischen Schiffer genügt ein
ausgehöhlter Baumstamm, eine Art Canoe, an dessen Seite zur Erhal-
tung des Gleichgewichtes ein starker Pfosten mit Stangen befestigt ist;
wird mit Ssgel gefahren, so springt oft einer der Bootsleute auf diesen
Pfosten, um von hier aus zu hantieren. Es ist kaum glaublich wie
viel Personen in einem derartigen Fahrzeuge Platz finden und wie ge-
schickt die Singhalesen hiemit umzugehen wessen. Auf kurze Strecken
bedienen sich dieselben sogar nur vier zusammengebundener Pfosten,
die durch ein brettartiges Ruder in Bewegung gesetzt werden. Da
ganz gleichartige Boote auch auf den Südsee -Inseln im Gebrauche
stehen, so glaubt man hierin einen Beleg für die Richtigkeit der
Annahme gefunden zu haben, dass die Singhalesen eingewanderte
Südsee-Insulaner seien.
Colombo, die Hauptstadt und der bedeutendste Hafen Ceylons, hat
gleich dem Lande selbst, seitdem die Briten (1802) diese durch Klima,
X'egetation und commercielle Lage begünstigte Insel besitzen, einen
außerordentlichen Aufschwung genommen.
Dies erhellt namentlich aus den Ziffern über die gegenwärtigen
Productions-, Cultur- und Handelsverhältnisse der von den Alten
Taprobane, von den Indern Singhala genannten, 63.976 km' mes-
senden und nach dem Census des Jahres 1891 3,008.466 Einwohner
zählenden Insel Ceylon. Nach den englischen Blaubüchern hatte die
Ausfuhr Ceylons im Jahre 1891 einen Wert von 51,449.772 fl. ö. W.,
die Einfuhr einen solchen von 58,305.960 fl. ö. W. Der Schiffsverkehr
in den Häfen Ceylons — Colombo, Point de Galle, Trincomali u. s. w.
— belief sich in demselben Jahre auf 5,696.940 /.
Im Hafen von Colombo lagen viele große Post- und Personen-
dampfer, ferner mehrere Transportschiffe, ein englisches Kanonenboot
und ein russisches Fahrzeug. Kaum hatten wir Anker geworfen, so
erfolgte der übliche Territorialsalut, den die Landbatterie enviderte.
Nun kam unser Generalconsul in Bombay, Herr Stockinger an
Bord, um sich mir für die Dauer der Reise auf Cevlon und durch Indien
anzuschließen und mir zunächst ein von dem Gouverneur Cevlons
verfasstes, groß angelegtes Programm zu unterbreiten. Kurz darauf
erschien, von einem Adjutanten begleitet, der Gouverneur Sir Arthur
E. Havelock. Dieser, ein feingebildeter Mann, wusste mir, nachdem er
3*
mich zerr Bsf;:;r.i «^ =;."'."?. ~
haue, \-:e* Ir:erei5är.:=^ v:- :
von Kaniy zi; erzih'.er.. -v rt:
an Naial. seir.er. '.tiz'.tr. ? i:=-
Bald nachher -iS.z ~.z- i
jieeilt war. un: ii^eVr?: i.r.t :
durch ji?nes l.^r.c. zu trärer..
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Weiter zu leider, gshir- ?:
al> wir envanet, ert.l^e. \':r.
ReisfgeselUchafier <=■-.
Den ofricieller. Bee-ucr. :
alsbald an^ Land, w,-' n'.:;'" r.i;
dii' siininiilichen \Vürder.;rIcer
Anzahl oinheiniischcr Nc;,;^';:
!;m aussehende Ehrenco^r-ij^:
mit >chonon. jrroiH'n Leuten :n .
ausjjorückl-
Nachdcm ich d:e Kro-;: .
eine s^roLV Ati.'ahl i.'::';!;cb.'rc
tleistliche. Kichlor und andere
saiii'ii .■unu'i>i aIloidnii;s a;;:'
da ich ja loidor des Kn.^l-.sc:
nicht niachlii: bin.
l>urch oim- An Tort-i :rii;
1, Ananas, Muhenden
Li.-."i=;.aci eirgciader.
iz.zt uzi nanienilich
r \Vti5i Eri:;rjcningen
r r.äJl" Isafen voraus-
iru-zen :ur die Reise
iz iU5 La'.cuna und
.";r. Tiz'r.i fjhiechteni
f: ir. C:'l':-n:bo später,
=:;■- >:■;■:: jilrger unser
■■_ irA-iierr.. fuhr ich
ri-z'ii der Gouverneur.
Ci'rTr.rT-j-. s-z-wie eine
■ -.Vir auch eine sehr
:- '-/in;erlerepirnente
-■=r. Tr--r:caI-L'nifonn
: ~ur der Ix'uve
■-:l::irt?che Dignitäre.
i-tr. >:z't. die Conver-
i^ur.^er. >escnränkte,
~z eir.ef Ge>rräches
Der Reihe nach bildete zuerst reguläres Militär, und zwar Infan-
terie, sowie Artillerie, dann Xative -Artillerie Spalier. Der ganze Weg
war festlich geschmückt.
Nachdem wir noch drei große Triumphpforten passiert hatten,
erreichten wir endlich Schritt für Schritt das Queen's House, den
Regierungspalast, in welchem aber der Gouverneur jetzt nicht residiert,
da er beinahe das ganze Jahr in Kandy verbringt; nur bei Festlichkeiten
dient das äußerst luftige, den Tropen angepasste Gebäude als Absteige-
quartier. Eine kleine ethnographische Sammlung und entzückende
frische Blumen schmückten den Salon und die X'eranda, von welcher
aus wir in einen Garten blickten, der bereits die Wunder tropischer
N'egetation ahnen ließ, welche wir in den folgenden Tagen sehen
sollten. Da stand eine riesige Ficus .religiosa; dort wurzelten hohe,
schlanke Cocos- und Fächerpalmen; saftig grüne Bananen streckten
ihre breiten Blätter empor; Tamarisken zeigten sich, mit Lianen über-
zogen, und überall schimmerten die schönsten, buntesten Blumen und
Blüten, zwischen welchen schillernde Bül-büls und lichte Schmetter-
linge flatterten.
Im Queen's House lernte ich meine neu angew^orbenen, indischen
Diener kennen, — dunkelfarbige Leute mit langen Barten, in schöner,
golddurchwobener und monogrammbesetzter Livree — die mich auf der
ganzen indischen Reise begleiten sollen.
Nachdem wir uns umgekleidet, ließ uns Sir Arthur E. Havelock die
köstlichsten Erfrischungen servieren, darunter vortreffliche Ananas und
Mangofrüchte. Dann traten wir in Begleitung seines Adjutanten, Captain
Pirie, eine Fahrt durch die Stadt, und zwar zunächst nach dem am
Knde derselben gelegenen Museum an.
Die mannigfaltigsten, interessantesten und fremdartigsten Ein-
drücke liefen während dieser Fahrt förmlich Sturm auf den Ankömmling.
Ich wusste kaum, wohin das Auge wenden, woran es haften lassen,
wovon mich trennen. Anfänglich fühlte ich mich geradezu beklommen
und erdrückt: nur allmählich konnte ich mich hinlänglich sammeln, um
zu betrachten und zu genießen. L'nter der üppigsten tropischen Flora,
den schönsten und höchsten Bäumen, stehen die Häuser — Bungalows
— der Europäer und die luftig gebauten Hütten der Singhalesen. Die
hier wohnenden Europäer, größtentheils Engländer, zumeist Beamte und
einzelne Handelsleute, schmücken die l'mgebung ihrer Häuschen mit
kleinen Gartenanlagen, wobei die Natur in diesem herrlichen Klima
bereitwilligst mithilft.
Diu Hüttun der Sintihalesen sind ärmlich, das Volk selbst ist von
schwächlicher Statur, auch, wie man sagt, wenig arbeitsam, dabei aber
guuiuithif:; es macht den Eindruck großer Kinder, die gedankenlos in den
Tilg hineinleben. Die Kleidung der Singhalesen besteht bei den Männern
aus dem sogenannten Sarong, einem großen Stück rothen oder weißen
Tuches, das sie um die Lenden schlingen, während Kopf, Oberleib und
Küiio meist nackt bleiben. Nur die Reicheren tragen hin und wieder ein
Kopftuch und wohl auch eine weiüe Jacke. Die Frauen bedienen sich
auiJer des erwähnten Sarongs noch einer weißen Jaquette oder eines
malerisch umgeschiungenen Tuches, das sie bei Annäherung eines
Kuropaers fester anzuziehen pflegen. Den Kindern dient als einziges
K!eidunJ;^s^ück ein — silbernes Keuchen, an dem kleine Herzchen
oJer sor;^:ige Amulette befestigt sind.
Der (,;o;-ich;sausdruck der Singhalesen ist unschön; ich konnte
w:ihro:".d n'.eines Aufenthaltes unter den Weibern nicht ein hübsches
vlesich: cr.;decker,. Die Singhalesen heiraten außerordentlich früh, im
.\t;or w;-, \2 bis 14 Ja!iren. sind Monogamen und meist mit reichlichem
K-">iir>ii:i';: bed-ich;. Die K::^cer werden b:> zu ihrem fünften und
>cc!->;iv: j.ihre v^>:: der M;:::cr ge;rage::. und zwar auf eine ganz eigen-
;'■;:■-■'.:;-;; Weise, da sii- aiif de:; Hiifikr.ocher. der Mutter sitzen oder
\ - >ier: ^^:^ol::v
l;:^>. Sr W. ^ircfi rv
Standbild des
577 Gouverneur
-".■-jl:en eine reiche
i'.er. der Insel Ceylon,
leidenden Menschheit bewogen, Lustgas und Plomben zum Trotz, sein
schmerzloses Metier in Wien auszuüben. Auch die zahlreichen Schiffs-
und Bootsmodelle, sowie die reichen Gewänder und die Erzeugnisse
singhalesischer Hausindustrie fesselten meine Aufmerksamkeit.
In den Räumen des Erdgeschosses sind an den Wänden steinerne
Inschriften angeordnet, deren Herstellung auf das 3. Jahrhundert v. Chr.
zurückdatiert wird: aus Stein gehauene kolossale Löwen, deren einer,
aus Pollonarua stammend, als Königsthron gedient haben soll; künst-
lerisch gemeißelte Thorschwellen und andere Bruchstücke des Tempels
von Anuradhapura u. dgl. m.
Besonderes Interesse flößten mir hier zwei Modelle ein, deren
eines einen Mann, das andere aber ein Weib aus dem wilden, in
den dichtesten Dschungeln Nord-Ceylons lebenden V'olksstamme der
X'eddahs vorstellt, welcher im Aussterben begriffen, der Urbevölkerung
der Insel vor der singhalesischen Einwanderung angehört. Auch die
ganz primitiven Waffen und sonstigen Gegenstände, deren sich diese
Urbewohner bedienen, sind hier zu sehen. Die Wilden selbst sind
fast nie zu erblicken. Von beinahe krankhafter Scheu gegen jede Beob-
achtung erfüllt, wissen sie ein Zusammentreffen mit fremden Menschen
sogar bei Gelegenheit des Tauschhandels, auf den sie ab und zu doch
angewiesen sind, völlig zu vermeiden. So vollzieht sich denn dieser in
der Art, dass die Urbewohner ihre Ware — erbeutetes Wild — nachts
an bestimmten Plätzen im Walde hinterlegen, die Singhalesen aber
am Tage das Wild dort abholen und als Tauschobject Eisen, Gewebe
u. a. m. deponieren.
Das erste Stockwerk des Museums enthält die zoologische
Abtheilung, welche nur aus Vertretern der Fauna Ceylons besteht. Unter
diesen, namentlich unter den Repräsentanten der X'ogelwelt, fand ich so
manches Thier, dessen Art auch in Europa heimisch ist. Sehr zahlreich
und in den merkwürdigsten und buntesten Varianten erscheinen die
Familien der Tauben, der Eisvögel und überhaupt der Wasservögel.
Von den Säugethieren waren es zw'ei Gattungen Pantherkatzen, sowie
die verschiedenen schlangenfressenden, dem Ichneumon sehr ähnlichen
Mungos, die mir besonders auffielen. Eine reichhaltige Sammlung von
Schmetterlingen ringt selbst dem Laien Bewunderung ab.
Nach Besichtigung des Museums setzten wir die Fahrt durch die
schönsten Theile der europäischen Stadt und des Eingeborenen -Viertels,
gegen die Landungsbrücke zu, fort. Straßen nach unseren Begriffen mit
knapp aneinander stehenden Häusern gibt es in Colombo nur hart am
i Meere-
gtr.r.£±T Ar.zahl Daiur zieht ^ich
ii: rarkährl:ch viele Meüer in-^
Hl.i>er fr ie- S-iier. £:r. S:ri=ie i;e::e^ ia ihren ErJ-
- ü'> KiU:~I^er -^-i Bizir?. in zsr.tr. SiT^ghalesen. Afghanen
:-iier. einirewirierre M : :-i.-r.~ei^- er irt^iier. --ri HaniieL
re-^":eT: 3-_vr.eri, Mi-^^ür.^e von
Weiterhin führt die vorzügliche Straße mitten durcli einen unah-
sehbaren Palmenvvald, der zfihllose kleine Singhalesen -Hütten birgt.
Überall ragen, von Lianen umschlungen, die prachtvollsten Bäume, sn
der Muscatnussbaum, die Mangostane, der Durian, die Ebenholz
liefernden Diospyrosarlen (D. ebenum, D. ebenaster, D. melanoxylon),
Chloroxylon (Swielenia), ferner die ägyptische Dumpalme (Hyphaene
thebaTca), die Dracaena u. dgl. m. empor. Erquicklicher Schatten umgibt
uns, kein Sonnenstrahl dringt durch dieses Blätterdach.
In der Nähe der Stadt sind die Behausungen der Singhalesen
fesler und besser gebaut, meist aus kleinen Ziegeln und Brettern, da.s
Dach spitz zulaufend; je weiter mtiu aber in das Innere des Landes
dringt, desto ärmlicher sehen die größtentheils nur aus Lehm bestehenden
Hütten aus. Das Stück Land, welches die Hütte umgibt, muss von der
Regierung erworben werden. Die Bedürfnislosigkeit dieser Leute ist
groß; denn einige Cocospalmen genügen zu ihrem Lebensunterhalte, so
dass es nicht Wunder nehmen darf, wenn die Eingeborenen die Sorge
um ihr Wohlergehen dem Himmel und dem herrlichen Klima überlassen.
Kin Genremaler fände an solch einer Singhalesen-Ansiedelung die
prächtigsten Vorwürfe: vor der Hütte lungert die ganze Familie umher,
an der Spitze meist ein langbärtiger Pater t'amilias, daneben mehrere an
Hexen und Furien gemahnende alte Weiber und einige, nichts weniger
als schöne, jüngere Frauen, zumeist den Säugling an der Brust: ringsum
die hoffnungsvoll heranreifende Jugend, sich in treuer Gemeinschaft
mit mehreren Kötern und Katzen im Sande wälzend; dazu ein buntes
(iemisch von Geralhschaften, Schweinen, Zebus und ausgeschälten
locosnüssen.
Der ungewohnte Anblick unserer Coach regte längs des Weges
aümtliche Eingeborene auf; in großen Scharen standen sie da und
ins an.
Lavinia ist ein in europäischem Stile gehaltenes, großes Holel, —
tprünglich die Villa des Gouverneurs Sir E. Barnes — welches, auf
einem kahlen Hügel gelegen, eine schöne .Aussicht auf den Palmenwald,
das Meer und in der Ferne auf Colombo bietet. Die Temperatur ist hier
stets etwas niedriger als in der Stadt und ein herrlicher Strand lockt zum
Bade. Vor dem Hotel sitzend, genossen wir den lauen Abend und den
Anblick des Meeres, das Feuerbüd des Sonnenunterganges. Das Diner,
Jieils französisch, theils englisch, theils indisch, zeichnete sich durch
B kolossale Anzahl und die Vielfältigkeit der Speisen aus, indem die
(Chiedenartigsten Producte der Thier- und Pflanzenwelt in den
nr.^ iiiT iiTii.": -^
--^l■^ll^ti:I.
ji ic-rä-ini ■
■^. lit:™^--
nrn: i. .n-rer
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-r-i. ^itSTiroi
r;Li; r -•ti'-zr. -^oTiunirrtiir
f "ir-iJiid^es
■ttetii
pagnie aufgeslelU war. Allerliebst sah eine zahme indische AnliJnpe
Black-buck der Engländer — mit vergoldeten Hörnern aus. welche
Musikkapelle mit sich führte.
Der Gouverneur mit seiner Suite und wir bestiegen die für das
ma sehr praktisch und luftig eingerichteten Waggons der Kandy-
;ahn. weiche von den Engländern vor Jahren mit großen Kosten
g;ebaut und in Betrieb gesetzt worden ist. Singhalesen dienen als
Weichen Wächter, während die Conducteure und Beamten Europäer
sind. Trotz der großen Kosten des Unternehmens rentiert sich dasselbe
nun infolge des bedeutenden Thee-Exportes und der \'urliebe der
Eingeborenen für Eisenbahnfahrten sehr gut.
Die Bahn führt zunächst durch dichte Bananen- und l'almenwälder,
welche mit ausgedehnten Reisplantagen abwechseln. Die Reisemle, die
jährlich zweimal erfolgt, war kurz vor unserer Ankunft beendet, und so
standen die stark bewässerten und terrassierten Felder im frischesten
jungen Grün. Überall staken Rüffel, umgehen von den aus der Ferne
schneeweiß erscheinenden Kuhreihern, bis zum Kopfe in den Tümpeln.
Bei der Station Rambukkana tritt die Bahn in das Gebirge, ändert sich
das Panorama; immer steiler und steiler schlängelt sich der Schienen-
strang empor, Tunnels und überhängende Felsgallerien folgen, überall
gibt es Quellen, Bäche, Flüsse, die in raschestem Laufe der Ebene
zueilen und die Scenerie mächtig beleben. Das Auge weidet sich
den spitzen, blauen Bergen und den mit Urwald bedeckten, tief ein-
:hnittenen Thälern — es ist, möchte ich sagen, eine Semmering-
ins Tropische übersetzt. Ein hoher, schwarzer Felskegel, der
lil neben der Bahn emporragt, hat seinerzeit unter den Königen von
sylon aus dem Geschlechte der Mahäwanis als tarpejischer Felsen
ine Iraurige Berühmtheit erlangt, da diese Alleinherrscher von hier aus
die ihnen unbequemen Gefangenen in die Tiefe stürzen lieüen. In der
Nähe der Station Kadugannavva erhebt sich das Denkmal des Captain
Dawson. welches zur Erinnerung an die durch ihn erfolgte erste Anlage
der Bahn errichtet worden ist.
Vor Kandy werden die Reisfelder durch Thee- und Cacao-
lantagen verdrängt, die mit ihren tiefgrünen Blättern einen freund-
len Eindruck machen.
.Auf dem Bahnhofe von Kandy harrte unser ein festlicher Empfang.
Üne Ehrencompagnie freiwilliger Nalives präsentierte, während eine
neu errichtete reitende Garde, aus eingeborenen Junkern zusammen-
|{e.steltt, auf trefflichen Ponies vor unserer Staatscarosse und hinter
derselben einherritl. Ganz Kandy war aui den Beinen; Tausende von
Singhalesen und viele Europäer büdeien Spalier oder hatten die zahl-
reichen Veranden besetzt, um uns mit freundli.;hem Gruß und Ruf zu
bewillkommen.
Kandy i>t überaus materisch in einem grünen lachenden Hain
gelegen und zeichnet sich durch die Sauberiei: »einer Häuser, sowie
durch sein mildes Klima au*.
In der Nähe der Ruinen des alten KOniespalastes. gigantischer.
fest fundierter Mauern mit origineller Crenelierung. war aus Bambus-
rohr und Palmenblättem ein thurmartiiier Triumphbogen errichtet.
Jenseits desselben befanden wir uns in dem feenhaften Ganen des
iK-vemment House oder Pavillon. Bambus- und Gummibäume von nie
treahnler GrölJe. überragt von blühenden Lianen, bilden eine Allee, die
bis zu dem Government House führte. Dieses, im -tropischen Stile*
ür.j;elein, bietet durch seine breiten Treppen und großen luftigen
Hallen einen überaus angenehmen .AufenthalL
Vorerst machte ich l^dy Havelock meine .Aufwartung und ließ
mir sodann durch den Gouverneur eine zahJreiche Deputation der ein-
heimischen Edlen, des alten Gebun<adeis vor. Ceylon vorstellen, wobei
:"o!i;ende Etiquette beobachtet wurde. Ich postiene mich minen im
^T'Cen Saale, während die Mitglieder der Deputation einzeln defilierten.
>:ch tief vor mir verneigend; der Vice-Cn^üverr.eur nannte die Namen,
die ^:c^. durch besondere iJir.ge auszeichnete-.
Iiie Costürae dieser würdigen, langbebärteten Männer sind höchst
■;-riir:r.e'': üuf d-.:m Kopfe tragen sie einer: vier- ■■der sechseckigen,
f.a;her.. r.then Hu:, auf dem eine ede;s:e:r.>ese:z:s .Agraffe zinert:
iich Beendigung dieser Deiilier-Cour wurde der Riilie gepflogen.
Als sich bereits die Kühle des Abends angenehm fühlbar machte,
statteten wir dem Zahne Buddhas, dem größten Heiügthume der
Buddhisten, unseren Resuch ab. Mit ohrenzerreißendem Tamtam-Lärm
lind mit Trommelmusik wurden wir von den Tempehvächtern und
Oberpriestem am Fuße des Tempeis empfangen und über verschiedene
kleine Treppen in das Innere geleitet. In der Vorhalle bildeten unzählige
Priester, sämmtlich mit dem gelben Sarong bekleidet und kahl geschoren.
verschmitzt lächelnd und sich verneigend, ein schier endloses Spalier.
Noch ein mit Bildnissen aus dem Leben Buddhas geschmückter Raum
war zu durchschreiten, dann befand ich mich im Sanctuarium, einem
viereckigen, dunklen, nur von wenig Lampen beleuchteten Räume,
in weichem mir der modrige Geruch der zahlreich gestreuten Blumen
entgegenströmte. Der Oberpriester murmelte einige Gebete und zeigte
mir dann den Zahn, der in einer großen, güldenen Rose befestigt liegt.
Der Gott Buddha muss ein Riesengebiss besessen haben, denn der
Zahn misst 5 cm Länge und 2'5 cm Breite, hat dunkle, kastanienbraune
Farbe und soll, wie man mir sagte, ein Stück Elfenbein sein, welches
die schlauen Priester wieder einzuschmuggeln verstanden hatten, nach-
dem der ursprüngliche Zahn Buddhas durch die Portugiesen verbrannt
Worden war. Viele Pilger und Processionen wallfahrten aUjiihrlich zu
diesem Heiliglhume. Über den Zahn werden sechs oder sieben thurm-
ähnliche Hüllen aus massivem Gold, reich mit Edelsteinen besetzt,
wahre Kunstwerke, gestülpt. Das Ganze wird in einem vergitterten
Kasten aufbewahrt, in dem sich noch ein besonderer Wertgegenstand
^^fißndet, nämlich eine Buddha-Figur, 12 cm hoch, aus einem einzigen,
^HÄnz reinen Smaragd geschnitzt.
^^P Wir besahen hier noch ein zweites Reliquiarium mit vielen, beson-
^^ocrs kr>'stallenen Buddhas, sowie die Bibliothek des Tempels, in der
alte singhalesische, auf Palmblättern eingeritzte Schriften aufbewahrt
sind, und fuhren hierauf nach dem etwa 6 km entfernten, herrlichen
botanischen Garten von Peradenia, der durch die Mannigfaltigkeit seiner
Pllanzen und Baumarten und durch die geschmackvolle Zusammen-
stellung der Gruppen die kühnsten Erwartungen übertrifft. Das tro-
pische Klima, durch die Kunst des Gärtners unterstützt, ist eben im
Stande, geradezu feenhafte Wirkungen hen'orzubringen. Peradenia soll
der schönste botanische Garten der Welt sein: dass er unerreicht ist,
fflaubc ich bestimmt. Über Aufforderung des Obergärtners musste
ich zur Krinnerung an meinen Besuch einen Baum pflanzen, wie es
dereinst auch der Prinz vor Wale* \:r.i dtr Cesarewiisch geihan haben.
Der \on ersterem gesetzte Bai:::] ha: bereit? eine beiTächlliche Höhe
erlangt. Die Orchideen-Sainnil'jr.p de*. Ptrkej is: in einem Hause unter-
f^ebrachl, in welchem, um cie zar.cT! Pflanzen vor dem Einflüsse der
starken S<tnnen strahlen zu schützen, dit Glasscheiben durch Stroh-
matten ersetzt sind.
Lady Havelock, der wir m:: ihrer T-chter in diesem Theile des
Gartens begegneten, lud uns ein. in ei::em k3e:nen Gaitenpavillon Thee
zu nehmen.
L'm 8 L'hr war im Oovemmen* H.-use zu Kandy großes Parade-
Diner, dem zahlreiche Würdenträger und mehrere Damen zugezogen
waren. Riesige Inder mit langen Spießer bildeten im Stiegenhause
-Spalier; die Tafel war in schwarzen und gelben Farben und mit Blumen
reizend geschmückt. Bei dem trefflichen Mahle, in dessen Verlaufe die
Musikkapelle des 6. Regimentes heitere Weisen erklingen ließ, saß ich
zwischen Lady Havelock und der Frau unseres Consulai^erenten
SchnelL einer in Culcutta geborenen Deutscher.. Zum Schluss des Diners
brachte der Gouverneur das Wohl der Königin, jenes unseres Kaisers
und das meine aus, wozu die Volkshymne erklang.
Nachdem die Tafel aufgehoben war, begann auf dem großen
Platze vor dem Buddha-Tempel ein religiöser Umzug, die Perahera-
Pmcession, welche nur einmal im Jahre abgehalten wird, und zu der
alle Edlen des Reiches aus den fernsten Gauen mit ihrem Gefolge und
ihren Elcphanten herbeiströmen, um den giv>ütmög!ichen Pomp zu ent-
wickeln. Der glänzende Zug der Würdenträger. Edlen und Mannen, die
majestätischen Elcphanten. die in buntem Wechsel spielenden Farben,
Jagdlager in Kalawewa -Kandy Colombo.
Jänner.
Morgens 6 Uhr [raten wir die für fünf Tage anberaumte Jagd-
expedition ins Innere der Insel, und zwar nach dem nördlich von Kandy
^telegenen Teiche und den Dschungeln von Kalawewa an. 108 km sind
es dahin.
Bis Matale führte uns von der Station Mahaiyawa ein Extrazug
durch lachende Thäler und an spitzen, hohen Bergen vorbei, deren
Gipfel noch mit leichtem Nebelschleier umzogen waren, während in
den tieferen Lagen dichter Thau auf Blättern und Blüten glitzerte. Der
T*g war herrlich und kühl.
IWir hatten Matale in nicht ganz drei Viertelstunden erreicht und
tftef^en daseihst hohe Wagen, um uns nach N'erladung des Gepäckes,
' Gewehre, der photographischen Apparate und der ganzen Hexen-
rtie Hodeks in Bewegung zu setzen.
Die Straße führte durch die schönsten Palmen- und Bananenhaine.
denen es von Singhatesen-Ansiedelungen wimmelte, deren Bewohner
mit neugierigen Augen am Rande der Straüe standen. Bunte S'ögel
uod prachtvolle Schmetterlinge, worunter mir ein carmoisinrother, mit
weiß-schwarzen Flüyeln versehener PapiUo iophon und eine intensiv
schwarzgelbe Ornllhoptera darsius, lelztere wegen meines begreif-
lichen Interesses für diese Farhenzusamnienstellung, besonders auf-
fielen, huschten vorbei. Den Träger unserer Farben tauften wir sogleich
in *Lepidopteron austriacunn um. Außerdem beobachteten wir noch
die weiß- und orangefarbige Hebomoia glaucippe, die unseren Wagen
lange folgte, ferner die weilischwarze Hestia iasonia, mehrere kleine
citronengelbe Terias. dann den herrlichen, weiß, schwarz und lichtblau
gefleckten Papiüo parinda und im Dschungel ganze Schwärme von
Chilasa clytioides. Die ersten Papageien, die wir zu Gesicht bekamen,
wurden von uns mit lautem Freudengeschrei begrüßt.
Nach ungefähr 30 *w( wechseln die Scenerie und die Vegetation,
Hohe, große Laubbäume, gemischt mit undurchdringlichem Gebüsch
und mächtigen Euphorbien, verdrängen die Palmen. Auch die Fauna
ändert sich und wird reichlicher. Wir beobachten eine mit dem
Namen Dschungelkrähe bezeichnete Kuckucksart, verschiedene Reiher-
arten, auffallend viele Bienenfresser, gestreifte Eichkätzchen und eine
Manguste.
In Abständen von 19 bis 20 km befinden sich längs der ganz
züglichen, die parkartige Landschaft durchschneidenden Straße Ri
häuser, von der Regierung erhaute, kleine ebenerdige Gebäude, in denen
Reisende Unterkunft, Essen und manchmal auch Pferde finden. Wir
wechselten an diesen Stationen regelmäßig unsere Gespanne, die bald
aus 17 Faust hohen Australiern, bald aus ganz kleinen, indischen
Doppel-Ponies oder Soldatenpferden zusammengestellt waren. Alles
gieng übrigens glatt ah und wir fuhren ein außerordentlich rasches
Tempo,
Gegen II Uhr vormittags halten wir 45^'»») zurückgelegt und
sollten Frühstückspause auf dem kegelförmigen Felsen Dambul halten,
vorher jedoch dem auf demselben gelegenen berühmten Buddha-
Tcmpcl einen Besuch abstalten. Am Fuße des Felsens empfieng uns
der angesehenste Edle der Gegend, gefolgt von seiner mit Spießen
bewaffneten Leibgarde. Da der .Aufstieg zum Tempel ziemlich lang und
»teil ist, ao trugen uns je acht Singhalesen in kleinen, auf Stangen
befestigten Sesseln den Hang hinan, wobei die armen Teufel gewaltig
schwitzten und schnoben, aber bei der tropischen Hitze musste mein
Egoismus größer sein als mein Mitleid, und so schwankte ich behaglich
bis zu der Pforte des Tempels empor, der seines hohen Alters und
soinor cigcnthümiichcn Bauart wegen höchst beachtenswert ist.
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Fünf bedeutende Htihlen mit ganz kleinen Eingängen sind hier
von Menschenhand in den Felsen gehauen und dienen als Tempel
des Buddha. Sein Bildnis und die Episoden seines Lebenslaufes finden
daselbst in unzähligen Varianten Wiedergabe. Beim Eintritt in diese
Tempelhühlen sieht man dem Eingange gegenüber unter einem
baldachinartigen Vorbaue Statuen Buddhas, welche ihn theils in auf-
rechter Stellung als lehrenden Gott, theils sitzend, die Hände im
Schöße gefallet, als Sinnbild der Beschaulichkeit darstellen. Das Antlitz
des Gottes, das nichts weniger als Intelligenz ausdrückt, und seine
Extremitäten sinil auf sammtlichen Bildwerken mit grellgelber Farbe
bestrichen, während die Gewandung in bunten Farben spielt. In einer
dritten Stellung, nämlich in liegender, kommt Buddha im Höhlen-
teoipel von Dambul fünfmal vor. Diese Bildwerke sind aus dem Felsen
gehauen, je 20 m lang und 3 »i hoch und gleichen weit mehr großen
Walfischen, als dem Ebenbüde eines Gottes. Rings um diese Nach-
bildungen erhebt sich auf Sockeln eine ganze Reihe sitzender Buddhas
in überlebensgroßer Dimension, theils aus Stein, theils aus gebranntem
Lehm geformt.
Die Wände und die Decke der Höhlen sind mit äußerst originellen
Malereien bedeckt, welche größtentheils das Leben Buddhas zum
\'orwurf haben und infolge sinnreicher .Anlage und Vertheilung der
Farben, sowie vermöge einiger eingezeichneter Falten den Eindruck
eines großen, hängenden Teppichs machen. Außer den Statuen
Buddhas sahen wir in den Tempeln auch noch solche des indischen
Königs Häma, des sagenhaften Eroberers von Ceylon.
Mystisches Dunkel herrscht in diesen sechshundert Jahre alten
Räumen, da nur von einzelnen schönen, bronzenen Leuchtern herab,
deren Verzierung große Pfauen aufweist, dürftiges Licht erstrahlt,
während weiße Blumen, Temple flowers, die rings um die Tempel
üppig gedeihen und deren .Anpflanzung einem indischen Könige zuge-
schrieben wird, betäubenden Geruch verbreiten.
Eine Anzahl Bonzen erzählte uns — natüriich in singhalesischer
Sprache — offenbar höchst interessante Dinge, von denen wir aber
nichts verstanden, worauf zum Schlüsse die sehr verständliche Panto-
mime der Bitte um Bakschisch folgte.
Der liebenswürdige, für unser leibliches Wohl so sehr besorgte
uvemeur halte auf der Höhe des Felsens neben einem kleinen Teich
I Bambusrohr und Palmenblättern ein zieriiches Haus bauen lassen,
lern sich ein Speiseraum mit Küche und für jeden von uns eine
luxuriös eingerichtete Cabine zur Mittagsruhe befanden. Wir segneten
in (bedanken Sir Arthur E. Havelock, da uns dies wohnliche Plätzchen
außer reichlicher Erquickung und sanfter Ruhe eine geradezu feenhafte
Rundsicht über einen Theil der Insel bot. Tief unter uns das weite,
grüne Meer von Palmen und laubigen Bäumen, aus dem hin und
wieder ein kleiner See oder eine Singhalesen-Ansiedelung her\'orblicken
und, Inseln gleich, spitze Berge in bläulichem Hauche emporragen.
.'Vuch der berühmte und berüchtigte Berg Sigiri, auf welchem die
einstigen Könige eine bedeutende, mit Steingallerien ausgestattete
Festung erbaut hatten, war durch das Kernglas wahrzunehmen.
Lange vermochten wir uns von diesem zauberhaften Panorama
nicht zu trennen, da aber noch 37 hm zurückzulegen waren, so hieß es
endlich doch wieder zu den Wagen niedersteigen.
Die Hitze hatte nachgelassen und rasch gieng es die Straße ent-
lang. Diu einzige Unterbrechung verursachten zwei singhalesische Ober-
priesler. welche mir mit vielen Verbeugungen ein langes Schriftstück
üherreichlen, das von einem Herrn der Begleitung übersetzt wurde und
die Bitte um einen Beitrag zur Restaurierung eines Buddha- Tempels
enthielt. X'iellcicht erhält dank meinem Si:herflein irgend ein Buddha-
Kopf eitlen noch schöneren kanariengelben Anstrich, als bisher!
Die Sonne war eben im Untergange begriffen, als sich plötzlich
der diciile 'rri>penwald vor uns öffnete.
Km ]<u\' des l-'rslaunens entfuhr unseren Lippen, nachdem wir den
viir uns liegenden hohen Damm erstiegen hatten, von welchem aus ein
völlig neues Bild sich darhol. .\uf der einen Seite das enorme Wasser-
lu'i-ken viin Kalawewa, ein blauschimmernder Teich, in dem Hunderte
Werkes ist die Bewässerung der zahlreichen Reisfelder des Umkreises,
während ein großer, durch Schleusen von diesem Teiche abgezweigter
(.'anal Anuradhapura, das 8H knt weit entfernt ist, mit Wasser versorgt,
und in der Zwischenstrecke über 100 Dorfteiche speist.
Im Laufe der langen Jahre hatte sich selbst die riesige Stein-
und Erdmauer des Dammes gelockert, so dass ein Dammbruch ent-
stand und das ganze umliegende Gebiet überschwemmt wurde. Allent-
halben stellte sich in der von Miasmen geschwängerten Landschaft
Fieber ein, welches die Bevölkerung derart verringerte, dass der Rest
derselben sich zur Auswanderung entschloss. Nachdem schon der
nach Anuradhapura führende Canal einige Kilometer weit oberhalb
dieses Ortes von dem Gouverneur Sir William Gregory (1871 bis 1877)
ausgebessert worden war, ließ die englische Regierung in den Jahren
1884 bis 1887 den ganzen Cana! instandsetzen und den Damm
erneuern, so dass auch der Teich wieder hergestellt wurde. Die Regie-
rung trachtet jetzt, Singhalesen aus den nördlichen Provinzen dadurch
zur Ansiedelung in diesem Gebiete zu bewegen, dass sie den Colo-
nisten unentgeltliche Überlassung von Ländereien zusichert — eine
Maßregel, weiche jedoch bisher nur theilweisen Erfolg gehabt hat, da
die Leute des hier noch immer herrschenden Fiebers wegen zögern,
dem Rufe der Regierung Folge zu leisten. Dass die Furcht vor diesem
Fieber thatsächlich noch immer begründet ist, zeigten so manche der
Ansässigen, an welchen wir deutliche Spuren des tückischen Übels
wahrnehmen konnten.
Die durch Wiederherstellung des Dammes bedingte Stauung des
Wassers hat zwar das Land wieder anbaufähig gemacht, den großen
Roiidbäumen aber, die bisher auf festem Lande gestanden, den Tod
gebracht.
Wir waren am Ziele angelangt und fanden hier unser Heim,
das Jagdlager, für die nächsten Tage bereit. Oben auf der Crete des
Dafnmes, war anschließend an ein Ingenieurhäuschen eine kleine
Niederlassung aus Bambus- und Palmenblättern gebaut, welche einen
wohnlichen, freundlichen Eindruck machte. Zuerst kamen die einzelnen
Zimmerchen für mich und die Herren meiner Begleitung, dann der
»de Speiseraum, die Küchen und in einer Vertiefung die Stallungen
ungefähr dreißig Pferde.
Lange saßen wir an dem schönen Abend vor unserem Bungalow
und erfreuten uns an den Myriaden von Leuchtkäfern, welche die Aste
der Bäume umschwärmten.
Kalawewa, 8. Jänner.
In großer Aufregung wurden die Vorbereitungen für die Elephanten-
jagd betrieben, die verschiedenartigsten Gewehre probiert, auch ein
Klephantenschädel zersägt, um uns die Stelle zu zeigen, an welcher die
Kugel unfehlbar tödtet, und die Projecte für eine erfolgreiche Jagd in
reifliche Erwägung gezogen.
Icli hatte eben noch einen Schuss mit dem Eight bore-Stutzen
versucht und stand, ins Haus zurücligekehrt, mit den übrigen Herren
gerade auf der Veranda, als einer der englischen Herren mit einem groü-
calibrigen Gewehre so achtlos hantierte, dass es sich mitten unter uns
entlud. Das Projectil schlug das Dach durch, so dass man den blauen
Himmel durchscheinen sah; wir kamen aber glücklicherweise mit einem
Kegen von Ziegelstücken davon.
Endlich, nach langem Parlamentieren, wurden wir flott, und fuhr
meine Expedition, bestehend aus Captain PJrie, welcher die Leitung
der Klephantenpürsche übernommen hatte, und aus mehreren einge-
borenen Jägern, Schikäris genannt, in einem Boote hurtig über den
Teich. Mr, Murray, VVurmbrand und Kinsky folgten in einiger Ent-
fernung als Zuschauer.
Die Sonne brannte heiß auf den Wasserspiegel des Sees, auf
dessen Handbäumen Schlangenhaisvögel, große und kleine Cormorane,
Silherreiher, Teich- und Kuhreiher, sowie wunderhübsche Königsfischcr
saßen und unbehelligt unser Schiff nahe herankommen ließen. Nachdem
wir den Teich durchquert, stiegen wir im Dschungel aus und fanden
alsbald die mächtigen Fährten der Elephanten; die Thiere waren in
»Böden' in den Donau-Auen vergleichen, mit dem Unterschiede aller-
dings, dass die Tropensonne, die Moskitos und die furchtbaren Dornen
die Situation noch bedeutend verschlimmern. Alle Augenblicke halten
Dornbusch und Gestrüpp die Mütze oder den Rock zurück, mit blu-
tenden Händen und Gesicht, mit zerfetzten Kleidern, zerkratzt und
erregt gelangt man endlich wieder ins Freie.
Unverdrossen krochen wir also weiter, bis ich nach einer halben
Stunde ein leises Brechen von Zweigen vernahm, das von äsenden
Elephanten herrührte. Obgleich ich sonst dem Jagdlieber nicht unter-
worfen bin, so muss ich doch offen gestehen, dass solches mich jetzt,
bei dem Hören und Anpürschen der Elephanten erfasste.
Wie Indianer schlichen wir in der Richtung vorwärts, aus welcher
wir die Laute vernommen hatten, als plötzlich ein Schikäri niederkauerte
und auf das Gebüsch wies. Ich konnte nichts deutlich wahrnehmen,
sondern hörte bloß starkes Geräusch, von dem ich anfänglich glaubte,
es sei durch die Zähne der Elephanten verursacht; doch überzeugte ich
mich später, dass es von diesen durch Heben und Senken der Ohren
hervorgebracht wird. Der Wind war nicht günstig, und da diese Kolosse
weder besonders gut äugen, noch feines Gehör besitzen, dafür aber vor-
züglich wittern, schlichen wir uns von einer anderen Seite an und kamen
endlich auf ungefähr 25 Schritte in die Nähe der Elephanten. Ich sah
durch das dichte Unterholz nur große Massen auf dem Boden liegen,
die auffallend an Termitenbaue oder Heuhaufen erinnerten, konnte aber
trotz aller Anstrengung die längste Zeit die Formen der Elephanten nicht
entnehmen.
Endlich kam etwas Bewegung in die ungeschlachten Kolosse, so
dass ich zunächst einen großen, schwarzen Elephanten mit der Rückseite
gegen mich gewendet sah, der alle vier Läufe von sich streckend
dalag, mit dem Rüssel von Zeit zu Zeit geschickt Blätter abriss und
mit den Ohren die Mücken abwehrte. Weiterhin dehnte sich in gleicher
Pose ein noch größerer Elephant, offenbar eine glückliche Mutter, zu
ihren Füßen schlummerte ein Sprössling, während im Hintergründe ein
halb envachsener, vorjähriger Elephant stand. Ein Bild tiefsten Friedens,
diese im dunklen Dschungel ruhenden Ungethüme.
Ich hoffte mich eben noch näher anpürschen zu können, doch schien
der sehr unbeständige Wind bereits umgeschlagen zu haben; denn der
schwarze Elephant wurde hoch, windete in unsere Richtung und ver-
schwand flüchtig in der Dickung, worauf auch seine Gefährten hoch
, wurden und Miene machten, auszureißen. Obgleich mir von allen
Jägern eingeschärft worden war, nicht weiter als auf 6 »i bis 8 in und
nur zwischen l.icht und Ohr oder in die Grube über dem Rüssel zu
schJeUen, entschloss Ich mich doch zum Schuss auf eines der Thiere.
auf gut CUück nach der Mitte des Kopfes zielend. Nachdem sich der
Kauch verzogen, giengen wir auf den Anschuss, fanden Schweiß, aber
leider keinen Elephanten und verfolgten vergeblich durch einige Zeit
die Fährte. Captain l'irie glaubte, dass die Distanz von 20 m zu groß
gewesen sei und daher die Kugel trotz des starken Calibers meines
(lewohres die zolldicke Haut des Elephanten nicht habe durchschlagen
können. In ziemlich gedrückter Stimmung arbeitete ich mich wieder
aus dorn Dschungel zu den Herren hinaus, die zurückgeblieben
Wahrend die Schikäris die Klephanten neuerdings abspürten.
benützten wir die Zeit zu einem Lunch im Freien, bis die Meldung kam,
dass die Fährten wiedergefunden und die Thiere eingekreist seien. Nun
aber war ein Ankommen nicht mehr so leicht als zuvor, da sie, durch
den Schuss bedeutend scheuer geworden, sich in ein nahezu völlig
undurchdringliches Dickicht zurückgez.'gen hatten. Flinmal war ich den
i^K'phiintcn zwar schon ganz nahe, ^ah sie auch über einen Wechsel
i'.ielK'ii; plötzlich aber waren sie wieder verschwunden.
V.^ iM erstaunlich, wie wenig I.arm ein Thier von der Wucht eines
Klephanten. ja sogar eine gan;;c Herde dieser Kolosse im Dickicht
macht; denn wie l-'üchse schleichen sie hin und her. und nur auf kurze
lüUtVrnung hört man das Knacken einzelner gebrochener .Aste.
Kndlich gegen -1 l'hr nachmittags stiegen wir neuerdings auf
l-!lepIi.MUen, welche von .'wvi .uivor ausgesandten Schikäris bestä-
dem Rauche hervor das Haupt eines Elephanten auf, welcher
geradewegs auf uns zustürmt und uns anzunehmen scheint. Rasch
springen wir zur Seite und, Bäume und Büsche zerstampfend, rast die
große Masse an uns vorbei — für jeden von uns ein höchst spannender
und aufregender Moment. Wie mir Pirie versicherte, soll es äußerst
selten vorkommen, dass ein gesunder Elephant, wie dies jetzt der Kall
war, den Menschen annimmt. Wären wir nicht in das nebenliegende
Gebüsch gesprungen, so hätte uns der Elephant zermalmt, da die
' IJislanz von dem wüthenden Thiere bis zu uns kaum zwei Meter
betragen hatte.
Während sich diese Scene abspielte, hatte sich der gestürzte
l^lephant erhoben und wurde flüchtig. Der reichlichen Schweißfährte
folgend, rannten Pirie und ich ohne Rücksicht darauf, dass uns Aste
und Dornen zerfetzten, ungefähr eine Stunde lang hinterdrein, bis wir
endlich ganz ermattet die Jagd aufgeben mussten, da es bereits anfieng,
Abend zu werden und wir fürchteten, den schwer kranken Elephanten
zu versprengen.
Nicht eben in der rosigsten Stimmung nach dem Bungalow
zurückkehrend, erlegte ich in dessen Nähe noch mehrere Uferläufer,
l,appenkiebitze (Lobivanellus indicus) und Königsfischer, die längs des
Teiches strichen. Der .■\bend vereinigte uns beim Souper, wobei jeder
seine Tageserlebnisse zum besten gab. Die anderen Herren hatten auf
verschiedenes Kleinwild in der Umgebung gejagt und brachten ARen,
gestreifte Eichhörnchen und allerlei Vögel heim, so dass Hodek viel zu
thun bekam.
^^K Kalawewa, 9. Jänner.
^^^ft Der heutige Tag galt der Ornithologie. Wir alle brachen des
^^^Brgens auf, um, in verschiedenen Richtungen vertheilt, Vertreter mög-
^^^BSt vieler Vogelspecies für meine Sammlung zu erlegen.
^^^ Ich streifte längs der Dämme hin und erbeutete Exemplare ver-
schiedener Kuckucksarten, worunter den Zanclostomus viridirostris,
ferner zweier Arten Bienenfresser fMerops philippinus und viridis), einen
prachtvollen, intensiv gelbschwarzen Schwarzkopf-Pirol (Oriolua melano-
ccphalus), einen allerliebsten, rothbrüstigen Mennigvogel {Pericrocotus
peregrinus), einen grasgrünen. Laub vogel {Chloropsis jerdoni), eine Art
uschreckenstaar (Acridotheres melanosternus), Bül-büls (Molpastes
morrhous), Zwerglinken (Uroloncha punctata und striata), eine herr-
s blaue Nektarine (Arachnechthra lotenia), eine zierlich gesprenkelte
Turteltaube (Turtur suratensis), eine schöne braunweiße Brahminen-
weihe (Haliastur indus) und einen interessanten Schlangenhalsvogel
(I'lotus nielanoKaster).
In einer dichten Baumgruppe im Teiche sah ich zu meiner
gntßcn Freude zum erstcnmale eine Schar Affen, die mit fabelhafter
Schnelligkeit von Ast zu Ast kletterten und manchmal riesige Luft-
spriingc ausführten, um einen anderen Baum zu erreichen. Ein auf
weite Kntfemung abgegebener Kugelschuss hatte nur die Wirkung,
diiss die (lüöoUschaft auseinanderstob und verschwand.
\'un den Dämmen aus fuhr ich auf mehrere kleine Teiche, die
ziemlich reich an Wild waren. Namentlich konnte ich hier Schlangen-
lijilse, große und kleine Silberreiher, Purpurreiher, Wasserrallen, Eis-
vi'igel. Indische I.appenkiebitze und verschiedene Wasserläufer sehen.
Auch die schöne Javanische Baumente (Dendrocygna javanica) beob-
»chtele ich hier. Überall lagen halbwilde Büffel im Wasser, die Üüchtend
auseinaiuicrstiihcn. sobald ein Schuss gefallen war. In einem der kleinen
'IViclic standen Hunderte von Bekassinen zu meinen Füßen auf.
Wuriubrand und ioii wateten längere Zeit umher, wobei mir auch
i'ine gnilJe. 'Jhi lange Schlange zur Beute fiel. Gegen Mittag lagerten
wir unter einem i-chatligcn Baume und bald trafen hier alle Jagd-
ceiiosM-n lin, jeder mit interessanter Beute.
Nai'li einer zweistündigen erquickenden Ruhepause berichtete
uti'i ein l'jnj;el>iircner, dass er einen in der Nähe gelegenen Teich
\\i-.r.e, in dem sich Krokodile befänden. Der Singhalese schien jedoch,
wii-. liir Siliäl.-iin!; der l-'.iHfernung und der Zeit anbelangt, manchem
iiiv.rr.'i- AI['enbi-uohner .ui gleichen: denn bei gutem Marschtempo
Ich erlegte noch einige Wasserläufer, einen schönen schwarzen
Drongo (Dicrurus ater) und kehrte dann in unser Bungalow zurück,
um sehr bald unter mein Moskitonetz zu schlüpfen.
^H Kalawewa, 10. Jänner.
DieSchikäris hatten den Abend vorher gemeldet, der angeschweißte
Elephant sei von ihnen gesehen worden, befinde sich in der Mitte einer
Herde und klage laut, so dass er in wenigen Tagen verendet sein dürfte.
Die übrigen Elephanten stünden zwar in einem anderen Dschungel, doch
ebenfalls am Rande des Teiches. Um 5 Uhr war ich bereit; aber ein
heftiger Gussregen hielt uns noch zurück, so dass wir erst gegen 6 Uhr
im Dschungel waren. Diesmal begleitete mich außer den Schikärts nur
Mr. Pirie. Gleich beim .aussteigen aus dem Boote sah ich Vertreter dreier
mir neuer Thierspecies, nämlich einen Hasen (Lepus nigricollis), etwas
kleiner und mit kürzeren Löffeln als der unsrige, ferner einen Pfau und
das prachtvolle, scheue Dschungelhuhn von Ceylon (Gallus lafayctti).
Wir waren bald auf der Fährte der Elephanten und schlichen im
Dschungel wacker vor, bis ich nach kurzer Zeit hörte, dass die Unge-
thüme äsend Äste abrissen, und in dem allerdichtesten Gebüsch die
Laufe und Rüssel mehrerer Elephanten sah. Ich wollte mich auf einem
anscheinend sehr günstigen Wechsel anpürschen, wurde aber daran
leider von meinen Begleitern verhindert, die zum .\bwarten riethen. Die
Folge war, dass die Elephanten, nachdem der Wind umgeschlagen hatte,
mit großem Gepolter ausrissen, ohne dass ich auch nur einen Schuss
hätte anbringen können.
Nun begann es obendrein heftig zu regnen, so dass wir thatsäch-
lich wie »die begossenen Pudel* dastanden. Meine Begleiter versicherten
ivar, wir würden die Flüchtlinge bald einholen, allein dieses Ereignis
, wie die Folge lehrte, erst nach sieben Stunden Suchens und
ichens ein.
Wir zogen anfänglich einige Zeit den Fährten nach, entschlossen
s ober endlich, da es des heftigen Regens wegen sehr schwer war,
I nachzukommen, zwei Schikäris auszusenden, um die Elephanten
tierdings einzukreisen und zu bestätigen. Diese Wartezeit benutzten
nem Frühstück. Auf der Suche nach einem geeigneten Platze
"irafen xvir auf ein äußerst seltenes und interessantes Thier, ein geradezu
kolossales P^xemplar einer Eidechse (Varanus salvator), welches mich
lebhaft an die Sage vom Tatzelwurm erinnerte. Das Reptil lag auf
.iiiKefiilir
iW.
hlinzelle uns mit seim
I klei
1 Aiiglei
und rührte sich nicht von Jer Stelle, obgleich wir laut sprachen und
beriethen, wie wir es tödten sollten, da ich der Elephanten halber nicht
zu schießen wagte. Endlich schnitten wir einen jungen Baum ab. I'iric
näherte sich der Eidechse wie Sanct Georg dem Drachen und hieb auf
den Kopf des Wurmes ein, der mit seinem langen, stacheligen Schweife
wüthend um sich schlug und den Boden aufwühlte. Mehrere weitere
Hiebe zertrümmerten dem Thiere die Schädeldecke und bald lag das-
selbe verendend auf dem Rücken, worauf wir es knickten und ihm mit
einem liefen Sclmitt die Brust öffneten. Es war ein Riesenthier: wenigstens
2 m lang, 0'5»i an Leibesumfang messend, 20cih hoch, ähnelte es ganz
einem Krokodile, für das ich es auch zuerst gehalten hatte. Die Decke,
welche ungemein dick war, so dass wir sie nur mit einem scharfen
Jagdmesser durchtrennen konnten, bestand aus harten Schuppen; der
Rücken war schwarz mit gelben Ringen und Punkten, der Bauch ganz
gelb; die Läufe waren wie jene eines Dachshundes nach außen gedreht
und mit langen Krallen versehen. Wir ließen das merkwürdige Thter
liegen, bezeichneten den Platz und begaben uns. um zu frühstück«
nach einer kleinen Lichtung, über welche ein ganzer Flug Nashoi
Vögel oberhalb unserer Köpfe hinwegstrich.
Mein vorsichtiger John hatte inzwischen, von der ganz zutref-
fenden .Annahme ausgehend, dass ich durch den Regen völlig durchnässt
sein würde, frische Kleider gebracht, und da die Sonne eben wieder
freundlich blinkte, wechselte ich den Anzug. Kaum hatte ich meine
Toilette vollendet, öffneten sich aufs neue alle Schleusen des Himmels,
und in wenigen Minuten waren wir abermals bis auf die Haut nass.
Doch dergleichen gewöhnt man bald, und ich schlief sogar zwei
Stunden auf blotier Erde vortrefflich.
Mittlerweile waren die ausgesandten Schikäris mit zwei Meldungen
zurückgekommen; die erste derselben war erfreulich: die Elephanten
seien wieder bestätigt; die zweite aber um so bedauerlicher: unser
(.'ngeheuer, der Talzelwurm habe das Weite gesucht und sei nicht mehr
zu finden. Letztere Nachricht erschien so unglaublich, dass Pirie gleich
an Ort und Stelle lief, wo er sich in der Thal überzeugte, dass das
Reptil verschwunden war. Nur eine schwache Schweißspur führte an
der Stelle, wo wir den Wurm geknickt hatten, einige Schritte weit im
Grase hin. Ich war untröstlich darüber, dass meiner Sammlung
bereits envorbenes, höchst interessantes Curiosum wieder
gegangen war, konnte mich aber unmöglich dazu verstehen,
Khwinden meines Talzelwurmcs auf Jessen trotz ZertrQmmerLing des
Schädels und erfolgter Knickung ungebrochene Lebenskraft zurück-
uführen. Ich nahm als Ursache des Verschvvindens des Wurmes ein
' weit plausibleres Moment an; denn zweifellos handelte es sich nur um
die Lebenskraft des Aberglaubens der Eingeborenen, welche für den
verschleppten Wurm sicherlich gute Verwendung wussten.
Doch über das verlorene Reptil vergaß ich der wieder bestä-
igten Elephantcn nicht. Diese waren äußerst unruhig und zogen
inunterbrochen hin und her, so dass es nur nach großer Mühe gelang,
einen derselben anzupürschen. Ich kam ihm ziemlich nahe und hätte
loch besser ankommen können, hätte ich nicht plötzlich bemerkt, dass
rüeichen der Unruhe gab, da mir meine Begleiter im Übereifer wieder
»chgeschlichen und offenbar vom Elephanten bemerkt worden waren.
i war höchste Zeit. Ich suchte die Stehe am Haupte bei der Rüssel-
' Wurzel aus und gab Feuer. Im selben Momente krachten vier Schüsse
neben mir — Pirie und der schwarze Schikäri hatten die beiden
Keservcgewehre abgefeuert, eine Unsitte, welche gleichwie die Gewohn-
^HOieil, dem V'ormanne selbst im dicksten Dschungel stets mit gespannter
^^^BUchse nachzukriechen, sehr dazu beiträgt, sogar einen ruhigen Jäger
^^Hervös zu machen und das sichere Pürschen zu erschweren,
^^B Der dichte Rauch, welchen das Abfeuern von fünf, eine Gesammt-
^^^pdung von 40^ Pulver repräsentierenden Schüssen erzeugt hatte, ver-
^^^inderte einige Zeit hindurch jeden Ausblick und erst, nachdem die
Luft rein geworden, machte ich eine traurige Wahrnehmung — der
Elephantwar verschwunden. Von einem Nachsuchen war keine Rede
Ida es gar zu stark regnete. Ein solcher Tropenregen ist nur mit dem
BtSrksIcn Platzregen unserer Gegenden zu vergleichen.
i Ein rechter Unglückstag heute. Es musste mir rein jemand »einen
waidmann gesetzt- haben, Verdrießlich, frierend, völlig durchnässt
ISItc ich noch fast 7 km weit zu meinem Boot, welches mich über den
Teich ins Bungalow zurückbrachte. Hier stärkte ich mich mit Punsch
und verschiedenen Grogs, mit welchen mich der des Fiebers halber
besorgte Mr. Jevers versehen hatte.
^^L Kalawewa, 11. Jänner.
^V Wir halten den Gouverneur telegrapliisch um eine eintägige
^^ Verlängerung des Aufenthaltes gebeten; denn ich wollte, obgleich mein
Vertrauen auf Erfolg recht erschüttert war, doch noch einmal mein
I Glück auf der Eluphantcn-Pürsche versuchen.
Schon um '/» 5 Uhr, als noch Mond und Sterne am Himmel
standen, fuhren wir im Boot hinaus. Die ganze Natur schien zu
schhifen und l^ein Lüftchen regte sich, bis endlich ein lichterer Streifen
im Osten den nahenden Tag verkündete. Nach und nach hörte man die
Stimmen der erwachenden Vogehvelt, Enten zogen hin und her, und
überall war das heisere Geschrei der Reiher und Cormorane vernehm-
bar. Als es etwas heller geworden, begannen wir am Uferrande abzu-
spüren und stellten bald fest, dass die ganze Elephantenherde ihr
gewöhnliches Dschungel verlassen halte und quer durch einen Theil
des Teiches abgezogen war. Kinsky, weicher anfänglich beabsichtigt
hatte, auf einen von der Herde getrennten Elephanten zu pürschen,
schloss sich uns an, und nun wateten wir eine gute Stunde lang durch
all die Wasserarme, Tümpel, Sümpfe und das Röhricht. Dieses Waten
im Wasser stellte, da die Hitze wieder zugenommen hatte, gleichzeitig
ein sehr angenehmes, erfrischendes Bad dar.
Landschaftlich bot dieser Theil des Jagdgebietes ein wunderbares
Bild durch die üppige Sumpfvegetation, die zahlreichen freien, mit See-
rosen überzogenen Wasserflächen und die zwischen diesen aufragenden
mächtigen Bäume. Auf diesen saßen die schönsten Silberreiher und vor
aliem Exemplare des von mir zum erstenmale beobachteten Adjutant-
Vogels oder Marabu-Storches (Leptopilus javanicus) mit metallisch
grünen Flügeln, weißer Brust und röthlichen Ständern. Erstaunt
betrachteten alle diese Vögel unsere watende Karawane,
Die Fährte der Elephanten war in dem nassen Boden leicht zu
erkennen. In der Herde musste, wie uns die Leute erklärten, auch ein
besonders großer Elephant sein, da in beträchtlicher Höhe Zweige
abgerissen waren.
Im Schatten eines riesigen Baumes machten wir Halt und ent-
warfen, da sich die Elephanten nach Durchwatung des Teiches in ein
verhältnismäßig kleines Dschungel gezogen hatten, einen neuen Feld-
zugsplan, Dieses Dschungel, von dem Teiche und von der Straße
begrenzt, hatte etwa die Form eines Dreiecks; waren die Elephanten
noch nicht jenseits der Straße, so hatten wir gewonnenes Spiel. Rasch
eilten wir vorwärts, doch schon nach wenigen Schritten constatierten
wir auf dem rothen Sande der Straße, dass die Elephanten aus dem
schützenden Dickicht über den Weg gewechselt waren, was uns sehr
herabstimmte, da an eine weitere Verfolgung kaum zu denken war. Als
wir eben unserem Unmuthe freien Lauf ließen, kam ein Schikäri, der
vorausgeeilt war, mit freudestrahlendem Gesichte herbeigelaufen und
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A
meldete, dass die Elephanten oberhalb unseres Standplatzes wieder in
das Dschungel zurückgekehrt seien und sich noch darin befänden; man
höre sie deutlich brechen. Schon vor Beginn der heutigen Pürsche hatte
ich mir, gewitzigt durch die Erfahrungen der letzten Tage, möglichst
geringe Begleitung erbeten. So blieben denn Kinsky und Pirie an den
beiden, die Straße überquerenden Wechseln stehen, während ich mit
Mr. Murray und meinem Lieblings-Schikäri, einem kleinen, alten Manne
mit wallendem Bart und gemüthlich freundlichem Gesichtsausdrucke,
in das Dschungel eindrang.
Fünfhundert Schritte weil mochte ich vorgegangen sein, als ich
die Elephanten zu Gehör bekam und binnen kurzem auf einer kleinen
Lichtung eines capitalen Elephanten gewahr wurde, der ruhig stand
und hin und wieder an den Büschen äste. Ein großartiger Anblick.
Mein Jägerherz schlug höher angesichts dieses an vorsündllutliche
Thiere gemahnenden Kolosses, Ich schlich mich möglichst nahe
heran, zielte scharf auf das Ohr und als ich losgedrückt, sah ich den
Elephanten im Feuer stürzen. Durch den Schuss kam in das ganze
Dbchungel Keben. von allen Seiten hörte man Elephanten brechen und
ausreißen — es war ein fürchterlicher Lärm, da, wie sich später ergab,
ungefähr dreißig Elephanten nach allen Richtungen auseinanderstoben.
loh stand noch auf dem Flecke, wo ich geschossen, als auf etwa sechs
Schritte S'on mir ein riesiger, mit langen Stoßzähnen bewehrter Solitär-
Elcphant in voller Flucht aus der Dickung auf der kleinen Lichtung
erschien. Mein zweiter Lauf war noch geladen, und so schoss ich denn
gerade zwischen Lichl und Ohren. Ein trompetenartiger Ton war die
Antwort und anscheinend schwer getroffen flüchtete der wankende
Riese, ganze Stämme niederbrechend, in entgegengesetzter Richtung.
Der Rest der Herde, nicht wissend, wo sich der Schütze befand, raste
wie toll im dichten Dschungel umher, und jeden Augenblick sah ich
entweder die Läufe oder den Rüssel oder den Kopf eines Elephanten
zwischen den Büschen erscheinen. Leider wurden nun meine Begleiter
von einer solchen .Aufregung und Kopflosigkeit ergriffen, dass sie, statt
mir die Reservegevvehre zu geben, ein wohlgenährtes, regelloses Schnell-
feuer ohne Ziel und Zweck eröffneten, wodurch sie die Elephanten nur
nuch scheuer machten und die Gefahr, sich wechselseitig anzuschießen,
"höhten. Im Kugelregen stehend, schrie ich den wilden Schützen zu,
"las Feuer einzustellen; doch ohne jeden Erfolg. Inzwischen hatte ich
"leine Büchse wieder geladen und sprang auf einen Wechsel vor, von
wtlchem her ich starkes Brechen gehört hatte. Im dichten Unterwuchs
kft
sah ich mehrere Slücke sehr flüchtig vorbciwechseln, wählte, durch
eine ganz kleine Lücke hindiirchblickend, ein starkes 'I'hier aus und
schoss es in voller Flucht nieder.
Waidmännische Genugthuung erfüllte mich in hohem Maß. als
ich vor meinem zweiten Elephanten stand, einer starken Kuh, die ver-
endet vor mir lag. Ich kehrte zu meinem ersten Elephanten zurück
und überzeugte mich, dass ich ein außergewöhnlich starkes Männchen
erlegt hatte, das sogar Stoßzähne besaß ^ eine große Seilenheil bei
Elephanten auf Ceylon. Mein alter Schikäri war halb toll vor Freude.
drückte mir in singhalesischen Worten seine Bewunderung aus und
streichelte mich sogar.
Nun krachten auch auf der Straße Schüsse, sowohl in der Rich-
tung Piries, als auch in jener Kinskys. Gleich darauf kam Pirie ganz
aufgeregt herbeigestürzt und beglückwünschte mich, als ich ihm schon
von weitem zurief, dasa ich zwei Elephanten auf der Decke hätte, auf
das lebhafteste, beifügend, dass er ebenfalls einen starken Elephanten
erlegt und einen zweiten angeschossen habe. Ich musste ihm gleich
meine beiden Exemplare zeigen, die Schweife, da diese in ganz Indien
als Trophäen gelter, selbst ablösen und auf besonderen Wunsch der
Singhalesen zum Beweise der Besitzergreifung auf meine Elephanten
hinaufsteigen,
Alles lächle, schrie, gesticulierle und sprang um die Elephanten
umher, so dass in diesem allgemeinen Freudentaumel meine Bitte, eine
Nachsuche nach dem dritten, stark schweißenden Elephanten zu unt»
nehmen, ganz ungehört verhallte.
Kndlich kehrte ich, da mit den Leuten absolut nichts anzufangetil
war, auf die Straße zurück, wo ich Kinsky fand, der mir sehr stolz
entgegenkam, da er ebenfalls einen Elephanten in voller Flucht erlegt
hatte. Die Elephanten, dreißig an der Zahl, hatten Kinsky auf seinem
Stande wahrgenommen und umgeschlagen; er aber war ihnen sehr
geschickt vorgelaufen und halte von einem Felsen hinabgeschossen.
Offenbar waren alle Elephanten aus der Gegend, durch die zwei vor-
hergehenden Pürschtage scheu gemacht, in dieses kleine, jenseits des
Teiches gelegene Dschungel zurückgewichen. Wurmbrand und Clam,
die im jenseitigen Terrain gepürscht, hatten daher nur die Fährte, die
ganz frisch in das besagte Dschungel führte, gefunden und waren,
nachdem sie mich von weitem auf derselben Fährte gesehen halten,
umgekehrt. Clam hatte dann eine Affenfamilie verfolgt und nach vieli
Laufen und Schießen zwei Mitglieder derselben erlegt.
ine
tetÜM
Umgeben von den noch immer vor Freude schreiemien Schikäris
gieng ich ins Bungalow, um Hodek zu holen, und kehrte nach einem
rasch eingenommenen Frühstück in das Dschungel zurück, wo Hodek
sowie ein Photograph aus Kandy Aufnahmen machten und ersterer
sodann die Elephanten zerlegte. Mit unsäglicher Mühe wurden die
Häupter, die Läufe, sowie große Stücke der mehr als zolldicken Haut
abgetrennt. Das .Abhauen der Läufe mit großen Beilen glich dem Fällen
starker Bäume.
Hunderte von Singhaleser, die mit Weib und Kind aus den umlie-
genden Dörfern herbeigeeilt waren, betrachteten in großem Kreise
neugierig das Schauspiel.
Da hinlänglich Zeit erübrigte, beschloss ich noch eine Fahrt auf
den Teichen zu unternehmen, um Wasserwild zu erlegen, In einem
kleinen Boote ruderten Ptrie, ich und mein Jäger hinaus in den nörd-
lichen von uns bisher noch nicht befahrenen Theil des Teiches. Die
Sonne stand schon tief am Horizont und warf malerische Lichter auf
die dürren Riesenbäume, deren verschlungene, mitunter schlangenartig
gewundene .\ste und die im Wasser schwimmenden Wurzeln, Gleich
beim Wegfahren erlegte ich mehrere Cormorane, sowie einen schwarz-
weilJen Eisvogel, den sogenannten Grauflscher (Ceryle rudis), schoss
aber dann nicht mehr auf Sumpfwild, da ich hoch in den Lüften einen
prachtvollen weißhauchigen Seeadler (Haliaetos leucogasler) kreisen
sah. Nach einigem Suchen fand ich auch auf einem großen Baume
seinen Horst, welchem das Adlerweibchen, das anscheinend Junge hatte,
zusirich. Ich sandte zwei Schüsse empor, welche das Thier trafen,
aber leider nicht tödtlich verletzten, so dass es abstrich, um jedoch
nach Wenigen Minuten, allerdings höher ziehend, zurückzukehren. Da
ein zweiter Schuss erfolglos blieb, so beschloss ich, ungefähr eine
Stunde später neuerlich nachzusehen.
Es gelang mir unmittclhar darauf, noch zwei ebenfalls mit weiß-
hauchigen Seeadlern besetzte Horste zu entdecken, deren Besitzer aber
scheuer waren als das Adlerweibchen des ersten Horstes; denn obwohl
ich das Boot weggeschickt hatte und lange Zeit auf einem aus dem
Vasser emporragenden Baumstrunke wartete, kamen die Adler nicht,
indem hackten, ohne sich zu rühren, weit davon auf,
Zwei große Affen, die hier in tollen Sprüngen von Baum zu Baum
schoss ich mit der Kugel, ohne dieselben heimbringen zu
älnnen, da der eine im Geäste hängen blieb, der andere aber, ins
isser fallend, sofort untergieng,
^1
Eine Stunde war verstrichen, ich kehrte zum ersten Horste zurüi
Lind erbeuCiite mit einem weiten Schusse den schönen, alten Adlfli
Doch nicht genug. Der heilige Hubertus war mir an diesem Tj
besonders gnädig! Wir hatten kaum mehrere hundert Schritte
gerudert, als ich einen capitalen, wilden BüfTelstier (Bos bubalus) enl
deckte, der sich am Rande des Teiches sonnte. Die Distanz wi
bedeutend; wir näherten uns daher mit leisen Ruderschlägen
schräger Richtung. Als der Büffel uns endlich erblickt hatte, wandl
er sicti keineswegs zur Flucht, sondern trat im Gegentheile noch eini
Schritte vor und äugte un.s herausfordernd, zornig an. In diesei
Momente bot der mächtige Stier ein prächtiges Bild: bald hob, bald!
senkte er das kräftige, mit langen Hörnern bewehrte Haupt; daniU
wieder wühlte und stampfte er, Wasser und Schlamm meterhoi
emporschleudernd, in dem Morast umher; glühend funkelten di<
Lichter und bebend schlugen die Klanken des Stieres; unaufhörlicl
peitschte er den zottigen Leib mit dem Schweif. Unsere Anwesenheil
schien das Thier sehr zu erbosen, denn immer heftiger bearbeitet<t<
es, aus blutunterlaufenen Nüstern schnaubend, das Erdreich.
Obwohl mir Pirie versicherte, dass mein kleiner 4r)0er Rifle wei
Wirkung haben werde, versuchte ich doch, auf die Güte meines Lieb^
lingsgewchres vertrauend, einen Schuss auf hundert Gänge hoch Blatt
der Büffel zeichnete und riss aus. Während er (lüchtete, schuss ich zum
zweitenmale. Nach ungefähr 50 Schritten blieb er stehen und äugte
zornig zurück, welchen Moment ich benützte, um ihm noch eine Kugel
nachzusenden, worauf er mit einem guten Zeichen im dichten Dschungel
verschwand.
Wir schifften uns nun aus und fanden wenige Schritte
Anschüsse reichlichen Schweiß; doch konnten wir die Nachsuche leidl
nicht fortsetzen, da es schon stark dunkelte.
Als wir im Bungalow anlangten, war die Nacht bereits angebrochi
und nun sprachen wir dem redlich verdienten Diner, das in heiterst)
Laune aller Theilnehmer verlief, wacker zu. Nach demselben genossen
wir das Schauspiel eines jener merkwürdigen Teufelstänze, welche die
abergläubischen Singhalesen zur Vertreibung der bösen Geister zu
veranstalten pflegen. Daneben sind übrigens auch symbolische Tänze
üblich, wobei der Kampf mit einem der bösen Geister dargestellt wird.
In den verschiedenartigsten Costümen, mit silbernem und aus Muscheln
hergestelltem Schmucke behängt, führten ungefähr zwanzig Mannet^
untereinander abwechselnd, allerlei groteske und wilde Tänze vor, dii
Igel
bald an einen Csardas erinnerten, bald aber nur in conviilsivischen,
clownartigen Sprüngen und Leibesverrenkungen bestanden, wobei die
Tänzer sangen oder heisere Laute ausstießen. Längliche, fassähnliche
Trommeln, von den Tänzern selbst und von nebenstehenden Personen
im Takte geschlagen, vervollständigten die musikalische Begleitung des
seltsamen Ballets. Die Ältesten und Häuptlinge der Umgegend waren
in reicher Gewandung erschienen und wohnten, neben uns sitzend,
dem Schauspiele bei. Eine Stunde später wurden noch einige Feuer-
werkskörper abgebrannt; dann war das interessante, wilde Fest
zu Ende.
In vorgerückter Stunde, mitten in einer Wildnis, die, lerne von
jeder civilisierten Niederlassung, nur von Singhalesen bewohnt ist und
Klephanten. Büffel, Krokodile beherbergt, wurde ich in überraschender
Weise an civilisatorische Einrichtungen gemahnt. Zwei Reporter, die
hieher geeilt waren, utn mich zu interviewen! Ein Interview im Bunga-
low, zu nachtschlafender Zeit, nach mehreren ermüdenden Jagdtagen,
schien mir etwas viel verlangt, und so mussten die berufstreuen Opfer
(er Publicistik unverrichleter Dinge abziehen, um meilenweit ihrem
'achtlager zuzuwandern.
mnd;
Kalawe
- Kandy, 12. Jännci
Der Tag des Aufbruches von Kalawewa und der Rückkehr nach
mdy war gekommen. Morgens 6 Uhr saUen wir im Sattel, um
einen anderen Weg als jenen, den wir bereits kannten, nach Dambul
einzuschlagen. Mein Ross war ein australischer Fuchs aus dem Stalle
des Gouverneurs. Der Gaul .schien wenig zu versprechen, bewies aber
im Laufe des Rittes vorzügliche Eigenschaften, namentlich bewunderns-
werte Ausdauer.
Zu .Anfang gieng's durch bekannte Gegenden, dann abier durch
schönes Dschungelland, über Felspaitien hinüber, an vielen Teichen
und Mooren vorbei, durch zahlreiche ausgetrocknete Flussbetle, an
deren Rand gewaltige Bäume Schatten spendeten.
Bei dem Rasthause von Naiande. unweit eines kleinen, malerisch
gelegenen Buddha-Tempels, rasteten wir. Wieder zu Pferde, erklärte
Pirie, wir kämen zu langsam vorwärts und legte ein Trabtempo vor,
das ru.^ischen Trabern von Profession alle Ehre gemacht hätte. Genügte
dies nicht, so galoppierten wir, und zwar in scharfem Jagdtempo, ohne
Rücksicht auf den vielfach gekrümmten Weg, die zahlreichen Steine
und Wurzeln, bald über Reisfelder, bald durch das dichteste Dschungel
sausend. Ein toller Ritt! Vorauf Pirie auf einem dicken Schwarzbraun;-
dann ich auf dem steifen, verstellten Fuchs, der wie ein Drache gieng; 1
Kinsky und Clam auf zwei hohen, australischen Wagenpferden; Wurm-
brand auf einem kleinen Polo Pony; Prünay ebenfalls auf einem sieb- '
zehnfäustigen Wagengaul und zum Schluss ein kohlrabenschwarzer!
Gendarmerie-Wachtmeister auf einem uralten, schneeweißen Schimmel, f
Die Thiere hielten bei der großen Hitze und der tollen -Juckerei« ganz*!
unglaublich gut aus. Bald waren 26 km zurückgelegt. Von SchweiS'*!
triefend, langten Ross und Reiter in Dambul an, wo wir noch lange!
auf die Ankunft der Jäger, der Bagage und der Wagen zu warteitl
hatten.
Doch diese Pause war eine willkommene! Harrten doch unser
in Dambul freundliche Boten aus der Heimat, Bringer guter Nach-)
richten — die ersten Briefe und Zeitungen aus Wien. Am 18. Dccemberil
dort zur Post gegeben, hatten die Poststücke den Weg von der Kaiser-*«
Stadt am Donaustrande bis in das Dschungel von Dambul in 25 Tagen!
zurückgelegt.
Nach kurzer Rast setzten wir die Reise zu Wagen fort, unter-J
brachen diese jedoch, um zwischen Nalande und Malaie die groQi
Factorei Kawadapella zu besichtigen, welche, einer Actiengesellschaft
gehörend und von Engländern verwaltet, auf den ausgedehnten Plan-
lagen Thee, Kaffee und Cacao produciert.
Gegenwärtig ist ungefähr ein Fünftel der Oberlläche Ceylons
dem Baue von Nutzpflanzen gewidmet. Diese sind theils einheimisch&
Gewächse, wie Baumwolle, Indigo, Zuckenohr, Bambus, Früchte un^
Gewürze aller Art, theils fremdländische, welche ihre Cultur auf dem s
fruchtbaren Boden der Insel der colonisatorischen Thätigkeit der Eng
länder verdanken, Die Einführung, Anpassung und Cultivierung neuef]
ertragreicher und lohnender MercantilpHanzen bietet in allen colonialenj
j« in allen Cullurterritnrien überhaupt einen Haupthebel der fortschritt?3
liehen Production.
Gleichwie unser einst nur mit indigenen Gewächsen bedecktes "
Kuropn durch die Einwanderung insbesondere asiatischer Culiurptlanzen
jetzt ein Vegetationsbild bietet, das vielfach fremdländische, mit dem
europiUschen Hcimalsrcchtc begabte Elemente einschließt, so haben
auch auf Ceylon kaufmännischer Speculalionsgeist und agricole Erfah-
rung neu eingeführten, äuüerst wertvollen Culturpllanzen wiederholt
die ersten f'lälzti im liiiKiwlrlschartlichen Betriebe der Insel
wiesen.
70
Unter der niederländischen Herrschaft (1C56 bis 1802) hat hier
der von altersher berühmte ceyliinische Zimmt (Cinnamomum ceyla-
nicum) die besondere Fürsorge der Pflanzer gefunden und unter den
Erzeugnissen der Insel die Hauptrolle gespielt. Als jedoch im 18. und
insbesondere im 19, Jahrhundert bei den civilisierten Nationen Kaffee
als Getränk in Aufnahme kam, lenkte sieh der commercielle Blick der
Pflanzer auf den Anbau der bis ans Ende des 17, Jahrhunderts aus-
schließlich in Arabien cultivierten Kaffeestaude. Ihre Bedeutung wuchs
unter dem Regime der Engländer so sehr, dass um die Mitte unseres
Jahrhunderts die Kaffeeplantagen die vornehmste Quelle des Reich-
thums von Ceylon darstellten. Diese Periode fand ein jähes Ende, als
die zuerst 1869 beobachtete BSattkrankheit oder Kaffeepest (Hemileia
vastatrix) — ein Pilz — die mit Kaffee bestellten Felder befiel und sie
so intensiv beschädigte, dass allein im Decennium 1878 bis 1889 die
^^^affeeplan tagen um vier Fünftel ihres Areales reduciert wurden, vvie-
^■KOhl sie 1891 immerhin noch etwa 27.000 ha bedeckten,
^^p Angesichts der durch die Kaffeepest bewirkten Verheerungen
^^vandlen sich die Plantagenbesitzer, von englischen Capitalisten wirk-
sam unterstützt, vom Jahre 1873 ab der Cultur der Theestaude zu.
Der mit der Theecullur verbundene Aufwand an Arbeit und Ko.sten
übersteigt jedoch die Ansprüche, welche die Kaffeecultur an die Bear-
beitung und an den Gesammtbetrieb stellt, wozu noch kommt, dass die
Differenz im Preise des fertigen Productes zu Ungunsten des Theebaues
in die Wagschale füllt. Dessenungeachtet hat die Theecultur in Ceylon
festen Fuß gefasst; ja sie überllügelte 1891 mit ihren rund 95.000 Aa
umfassenden Plantagen weitaus die dem Kaffeebaue gewidmete Fläche.
Die intensiv grünen Blätter der niedrigen Theestaude werden
gesammelt, auf mit Leinwand überzogenen Stellagen zum Trocknen
ausgelegt, sodann in einer Maschine gerollt und in einer Dörre solange
ijeröslet. bis sie die bekannte dunkle Farbe erhalten. Den Schluss der
Procedur bildet die durch eine Maschine erfolgende Sortierung der
Blätter in drei der Güte nach verschiedene Kategorien, worauf das
Product zur Vei-packung bereit ist. Der ganze Vorgang von der Pflücke
bis zur Verpackung erfordert die Zeitdauer von 48 Stunden. Wie man
iagte, werden in Kawadapella aus je 1600 f^ Blättern 400 ji.;if Thee
Wonnen.
Seit den Sechziger-Jahren hat sich auch der .Anbau der aus den
\lilleren stammenden Cinchona, deren Rinde zur Herstellung des
iftinins dient, in Ceylon verbreitet, so dass 1891 hier etwa 16.000 7m
mit Chinarindenbäuinen bepflanzt waren. Ferner ist hier in dem gleichen
Jahre der Cultur der Holz, Faser, Nüsse und Ol liefernden Cocospalme
(Cocos nuciferai eine Fläche von rund 263. (M) ha gewidmet gewesen,
[Jie Cultur von Keis und von anderen Körnerfrüchten erstreckte sich aul
eine Fläche von über 267.00'3 ha. Eine bedeutende ,Ausdehnung haben
auch die berühmten Fruchtgärten Ceylons erlangL
Nachdem uns in der Faaorei köstlicher Thee, wie ich ihn noch
nie getrunken, credenzt worden war. brachen «nr auf Noch 16 km
Weges und wir waren in Malaie. Hier erreichte mich ein Telegramm
des in Kalawewa zurückgebliebenen Mr. Jevers, welches die Nachricht
enthielt, dass nachsuchende Schikäris den von mir angeschweißten
Büffel etwa tausend Schritte vom Anschussorte entfernt verendet
gefunden hatten.
Von Malaie brachte uns ein Extrazug nach Kandy.
Ein echter schottischer Dudelsackpfeifer riet uns vor 8 Uhr zum
Diner im Pavillon. Der Tafel wohnte nebst dem Gouverneur und seiner
Familie noch General Massy mit seiner reizenden, der deutschen
Sprache mächtigen Tochter bei. Nach Tische führten die beiden
jungen Damen Miss Havelock und Miss Massy, sowie die Adjutanten
des Gouverneurs, zwei schottische Highlander-Officiere, in ihren kleid-
samen Costümen unter den Klängen des Dudelsacks einen graziösen
hochschottischen Nationaltanz auf.
Kandy — Colombo, 13. Jänner.
Cm VaS Uhr morgens las mir der päpstliche Delegat für Indien.
Monsignore Zaieski. welcher den gröBlen Theil des Jahres in Kandy
Bebirge des Hinlergrundes gewährt. Koch schimmerte alles im bläu-
lichen Hauche des Morgens: die Häuser der Stadt zu meinen FüLJen,
ÄS Thal von Kandy, die fernen Höhenzüge.
Nachdem ich in Kandy, nach Nachrichten aus der Heimat lüstern,
die Reuter -Depeschen durchgesehen hatte, nahm ich im Pavillon des
ouverneurs von Sir Arthur und Lady Havelocii herzlichen Abschied.
Um die Erinnerung an die Stunden des Beisammenseins mit diesem
Blieben swürd igen Paare auch durch ein sichtbares Zeichen festzuhalten,
fließen wir uns im Vereine mit den Genannten in einer Gruppe photu-
jraphisch aurnehmen.
Uie Rückfahrt nach Colombo war prachtvoll; einen Theil der
Fahrt machte ich, um vollkommen freien AuibÜck zu genießen, auf der
«comotive und konnte mich an den landschaftlichen Reizen der ganzen
Strecke nicht satt sehen.
Der Nachmittag in Colombo war Einkäufen gewidmet, Das Diner
nahmen wir, einer Einladung unseres Consulargerenten Schnell folgend,
in dessen außerhalb der Stadt gelegenem Landhause. Herr und Frau
Schnell, letztere eine junge, hübsche Dame, die in patriotisch schwarz-
gelber Toilette erschienen war, machten in angenehmster Weise die
Honneurs und erfreuten uns nach dem Diner mit der Vorführung eines
Teufelstanzes, der sich aber von jenem, den wir in Kalawewa gesehen,
wesentlich unterschied. Er war, möchte ich sagen, civilisierter, weniger
grotesk und zeichnete sich hauptsächlich dadurch aus. dass die Tänzer
auf dem Kopfe große, fratzenartige Holzmasken trugen, aus denen sie
sehr geschickt Keuer spieen und bliesen. Musik und Gesang waren
1 gleicher Art wie bei dem Tanze der Dschungel-Bewohner in Kalawewa.
Vir saßen unter Palmen in einem Gartenkiosk, während die Tänzer sich
^uf freiem Rasen bewegten.
Auf den Teufelstanz folgte die Production eines Taschenspielers.
■ verschiedene Kunststücke zum besten gab. Interessant war die
in der er das Wachsthum eines Mangobaumes vorführte. Der
tauberer breitete ein Tuch zu Boden, hob es nach einigem Hocus-
►cus auf und siehe, etwa zollhoch schien die kleine grüne Pflanze
Bjporgewachsen. Immer wieder verhüllte der Künstler die Pflanze mit
1 Zaubertuche und so oft er es lüftete, war sie wieder höher empor-
tschossen. Sie wurde immer gröüer und üppiger, ein Strauch mit
ingen. schönen Blättern, ein sprießendes Bäumlein, ein blühender Baum,
nä endlich stand in voller Pracht ein mit reifen Früchten bedeckter,
K>her Mangobaum vor uns auf dem Rasen, .^uch als Schlangenbändiger
zeigte sich der Künstler. Aus zwei Körtjen schössen unter den Tönen
einer Schalmei zwei Cobraschlangen hervor. Sie bäumten sich, bliesen
den mit der deutlich wahrnehmbaren Brille geschmückten Kopf (acher-
formig auf und wandten sich zischend und fauchend gegen ihren Bän-
diger, was ziemlich gefährlich aussah, aber, da die Schlangen ihrer
Giftzähne beraubt waren, thatsächlich ganz gefahrlos war. Trotzdem
erhob Frau Schnell ein kleines Geschrei, als sich eine der Bestien gegen
uns kehrte und sich uns zu Füöen zischend auf dem Rasen wand.
Mit diesem Gartenfeste war unser Aufenthalt in Ceylon zu Ende.
Wir nahmen von unseren so zuvorkommenden Gastfreunden Abschied
und kehrten in später Stunde an Bord der •Elisabeth- zurück.
Bombay
;
14, Jänner.
Die vierte Morgenstunde hieß uns die Anker im Hafen von
Colombo lichten und das iniische Paradies verlassen. Die Tage auf
Ceylon, seine herrliche Tropcnwelt, die Gastfreundschaft und die
Genüsse, die uns das schöne Eiland geboten, leben in unserer Erin-
nerung fort.
Nicht der Engel in strahlender Rüstung und mit üammendem
Schwerte, der Adam aus dem Paradiese gewiesen, sondern die prosaische
Rgut der unerbittlichen Marschroute hielJ uns von dannen ziehen. So
verließen wir denn, gleich unserem Stammvater, betrübt das Paradies.
■Allerdings in etwas vollständigerer .Ausrüstung als jener; auch nicht
um den Acker, sondern vielmehr um den Ocean zu durchfurchen im
Schweiße des Angesichtes, Und dieses Pflügen war in derThat nicht so
einfach: denn im tJulfe von Manar fanden wir die See ziemlich bewegt.
Nachmittags kam das Cap Comorin in Sicht, welches südwestlich von der
sogenannten Adamsbrücke liegt, einer Reihe von Sandbänken, die Indien
niU Ceylon verbinden und gegen Norden zu, auf Felsenriffen ruhend, den
Golf von Manar abschließen. Der Sage nach soll Gott Räma, als er Ceylon
erobern wollte, um die von Räwana nach Lanka (Ceylon) entführte
Sijä wieder zu gewinnen, den Meergotl gezwungen haben, zwischen
L»?r >!etrr^--..n ihürn;-^ rur 5iir:n £,uf Sie:- £rr:r';'r, t^s ier Indien un-
Ce>-Jor. vert'iridenäe I>ar;:r tms-iETjät:: -a-et. -Ibcr der; Rim& niii seirer
Anr:tt vcr. Men»ir^er. iLr^d A^s:z hirw£z::i£j?.inen£.
V.'em <>:ct Nertii-- üt bekannie nifirnirns S^eiicr niÄ: auferlegte,
ier brhrieb ä:; üesez: \"j---— --> r £= ««rr^irr: TtceiTuibe. das währer.J
der liriztsn Tage arg vgr-.£~-'fca,~-r: w.>rier. wir, c-jer haue mi: Sichten
j-d Packer: ier auf Ceji'ir, er»-c^r'er)er Srhii2e voIIaiJ ru Ü^un.
Oegen Abend lulhe der Wind e:.\ £~ eiri, s:- dfiis »ir i:r.ser Diner
IT] Huhe Ei:f dem Achterdeci; eir.rchmen k'^men.
rach Bt-Ecbav, 15. Jänner.
Die S=e isi garj- n:h:g- E:r.e fri>;h; En^e facheii Kühlung. Der
Tag i~: herrlich. Um lOUhrrar.d c=r f-i-r.riägiche Gottesdienst statt.
Ijen par.zeii Tag ü^e^ wurde- Briefe verfaj.5i; denr. in Bombay sollte
die Poi^i abgelassen werde-. Oeiren >!:n£i: kisi die indische Küste,
uelcher wir auf zehn Meüe- E-tfeTT.iir.^ cr.^lir.g fuhren, in Sicht. Das
I-and i>: nur in bläulichen Umrissen erker.r.bar. Abends waren an der
Küiie zahlreiche Feuer sichtbar, ierer. Bedei;r^ng wir uns nicht erklären
Heute hatten wir die indische Kü>:
Gegen Mitlag passierten wir Q\-&. die pc-:tug:
■.':'T:ci=r beobachtete einice auf dezr. Meeri
ach Bon^bay. 16. Janner.
nahe unausgesetzt in Sicht.
sische Colonie. Der Wach-
schwimmende Schlangen.
mtouren, immer deutlicher ließ die tropische Beleuchtung das Bild
hervortrelcn. Bald genossen wir den Anblick der weit ausgedehnten
Sladl mit ihren großen, öffentlichen Gebäuden, ihren vielen Thürmen
und Fabriksschloten, ihrem imposanten Hafen, in dem sich unzählige
der größten Passagier- und Warendampfer, einheimische Küstenfahrer
und Yachten befanden.
Bombay ist der Hauptort der gleichnamigen Präsidentschaft. Diese
und die Präsidentschaften Bengalen und Madras, die Nordwesiprovinzen.
Audh (Oudh), das Pendschäb, die Centralprovinzen in Dekhan, dann
die Provinzen .Assam und Birma bilden die unmittelbaren Besitzungen
Englands. Die mittelbaren Besitzungen sind die Vasallen-, Iributären
lind zinsfreien Schutzstaaten und die Subsidien-Schiitzstaaten. Zu
den Schutzstaaten gehören die Rajputana Agency, die Central India
Agency. die trihutpllichtigen einheimischen Staaten Baroda, Haidarabad,
Maisur, Kaschmir, Sikkim u. s. \v.
Die vielumfassende Regierung des indobritischen Reiches (mit
Ausnahme Ceylons und der Straits Settlements an der Malakkastraße)
führt der Generalgouverneur (Vicekönig). Madras mit den Lakediven
und Bombay fmit Sindh, Aden. Perim) stehen unter besonderen Gouver-
neuren; Bengalen, die Nordwesiprovinzen und Audh, das Pendschäb
unter Lieutenant-Gouverneuren; Assam, die Centralprovinzen und Birma
unter Chief- Commissioners. Britisch-Indien umfasst eine Fläche von
4,032.141 *»i' und nach der Zählung des Jahres 1891 287,223.431
Einwohner.
Bombay ist im Jahre 1661 als Mitgift der Infantin Katharina von
Portugal an König Karl II. von England abgetreten worden und steht
seit jener Zeit unter englischer Herrschaft. Der Name Bombay wird auf
das portugiesische böa bahia — guter Hafen — zurückgeführt; nach
idercn ist er von Mumbai, der Gemahlin Schivvas, abzuleiten.
nun eine der schützenden Gottheiten Indiens oder der
itime Scharfblick der Portugiesen diesem bedeutendsten der ost-
indischen Häfen seinen Namen verliehen haben: gewiss ist, dass der
Sechandel und der Schiffsverkehr Bombays gewallige Dimensionen
angenommen haben. ImJahre 1892 sind hier 757 Dampfer mit 1,32,3.039/.
410 Segler mit 54.685 / und 48.602 Küstenfahrzeuge mit 1,393.676 t'
ein- und ausgelaufen. Der Wert der Gesammfei nfuhr Bombays hat im
xe 1892 367,323.303 Rupien = 277,329.094 fl. ö. \V., jener der
immtausfuhr 433,068.463 Rupien = 326,966.690 (1. ö. W. betragen.
Wort Rupie kommt vom sanskritischen rüpya, welches -schön- und
HWide
K--4.i.-zk st'.'-irr.iir. k-Tiirr- scr-iT- W'tJrrrjziz =r:^~:±i eins S-."r«err^r:f
i '.': .'--.i.~ fjz ia«. Jfcnr :??2 zt^ Wsms t-:c Tö-ö Krttzs— O.W.
Sitr^r: zÄ.r.;ir-,i. ::tjr. ;~ Sii=r: dir rlerrhr-a^^ic?:: '.v-; hw Urzer.
_'i r:- z_ '. -i tJK 'rri:;;irr. ir.>=:l lr.±r^ i-*'ct :— N-ic^ieri ar. Jiä dur;^
Ailche ä:e v.r. B-.-T;bfiy a:,~rtr.ir-ie E;f-£r,':"ehr tj^~ derr Fe«:Iarde
f-hn. 1— Süier. **r-iet ±£ lr,s^'. zwe: Lirir-i-zer: atj-. welche eire
:r--.i* B-;h:. die Ba^k Eay. :t: Ha:rkre:i.ä -^—fas^er: die kürzere.
weltliche d:e*-tr Lar.dziir.ger: :?: Malärar Hill, die larg aiisjTeifende,
■"■-;i:;he, f_V'iaI"a pera-r.:. Mala^ar Hü'- dtrHis^L welcher der westlichen
Li-dz'jrce ihrer. Xarr.en vtrlicher. ha:. :~: da~ Süde::de der westlichen
der reidirr. haia!::!.crer. Felser.keiter- welche die I->e3 ar. ihren Längs-
seiten, rarallcl z'j der Kii5:e durch j-:r=:cl~er.. t.\lara. die östliche Land-
Zür.pe. ;>: durchwegs flach i;rd irr. Süder. vcn Ri^er. begrenzi. welche
Leuchühürme i ragen.
D;L-se beiden Lar.dzurgcr. r.ur. -.ird das Terrain, welches sich im
Norden derselben bis zu der Ebene -:he :1a:s- v.-i über die X'orstädte
Byculla und Mazagon hinaus erstreckt, sir.d der B-J-den. auf dem sich
B'-n^bay erhebt.
Malabar Hill enthält an der Si;dwcs:>r::ze das Gr-vemment House.
dann den Tempel W'alkeschwar und die den highsten Punkt der
i:anzen Insel krönenden -ThLrme des Schweigens-. Es bildet den
Wonn-.Tt vieler wohlhabender europäischer, s-j-wie der reichen ein-
L'cburenen Bewohner von Bor.ibay, die sich hier zwischen Gärten und
on der .Mccrcsbrisg gekühlter Luft reizend
Den Hauplsclimuck Bomliays aber und den Stolz seiner britischen
Einwohner bildet die grandiose Keihe der öffentlichen Gebäude, westlich
von der europäischen Stadt im Angesicht der Back Bay. Unter diesen
ragen besonders hervor: das Government (Presidential) Secretarial;
die Universily Hall und der große Giockenthurm der University Library;
das kolossale Gebäude der Courts of Justice; das Amt für öffentliche
Arbeiten (Public Work's Secretariat) ; das Post- und das Telegraphen-
amt; das KIphinstone College. Das Seemannsasyl (Royal Alfred Sailor's
Home) liegt mit dem Bücke auf den Hafen im Osten Bombays, in der
Nähe des Wellington Pier (Apollo Bandar). Von hier aus erheben sich
an der Ostküste in nördlicher Reihenfolge: der Yacht Club, die Govern-
ment Docks, das Zollamt [Custom House), das Arsenal, das Castle, die
Münze, die Victoria und die Prince's Docks, der Dockyard der P. & 0.
Company.
Wo sich die relativ schmale Landzunge Colaba gegen Norden
erweitert, jenseits von dem Esplanade-Viertel und von Victoria Station.
breitet sich in der Form eines Trapezes, dessen kürzere Basis der euro-
päischen Stadt zugewendet ist, die Eingeborenenstadl (Native oder Black
Town) aus. Diese, etwa iökm nördlich vom -Fort« entfernt, erscheint
völlig als Stadt für sich. Black Town, auch Crawford Market und
Pindschrapol (das Thierspital) umschließend, bildet mit seinem eigen-
artigen Leben und Treiben, seiner Buntheit und L'nsauberkeit einen
frappanten Contrast zu der europäischen Stadt mit ihrem internatio-
nalen Geschäftsleben, ihren Banken, Clubs, Kaufhäusern, Palästen und
Squares britischen Gepräges. Hier in der Europäerstadt, wie dort im
Kingeborenen-\'iertel, dessen enge Wohngebäude in den volkreichsten
Quartieren den Bewohnern oft ein uns unfassbar dünkendes Existenz-
minimum gewähren — auf 10 km' sind hier weit mehr als 400.000
Menschen zusammengedrängt — wogt und brandet in Straßen und
Gflsschen reges Leben. In den Bazars, den Kramläden, den Werkstätten
ertönen allerlei Laute, Geschrei, Geknarre, Gehämmer, Kufe der Händler
und der Kutscher, wirkt und schatTl, genielit und schwatzt die bunte
Menge.
Die zwischen den Landzungen Malabar Hill und Colaba gele-
gene Back Bay ist ganz seicht und daher für Schiffe nicht benutzbar;
dagegen ist der Hafen im Osten der Stadt ziemlich tief und von großer
Ausdehnung. Im Osten Bombays tauchen mehrere große und zahlreiche
kleine Inseln aus der See, weiterhin erscheinen die bizarren Formen,
das scharfgezacklc Gebirge des Festlandes.
::er.er. beirr. E;-:A.::ir. der .E:;=Äb--J:< die ^±~i<~'.± S-^-dÄr.e. Nachdem
Pr^r-.Iir. ar. Bi-rd ur.i bra^-bte iie ?:■*-.
Z-As: 5ehr fre-^ni'.:cbe T=>£rä:r.~e vo::: V:cek5r.:c tir.i Gereral-
rvuvsrr.eur is^ In c:=ch=r. i<=:che5, L<:-ri Lar.d*d >\vne. und v->m Ober-
Oir.era: L-srd Roberts. bizr:it:tr. rr.ich au:" :-.;:>che:n B->ien. Dam
bes;-;he-d aus der. Herrer tüe-eral Pr.:.ther'>e. Car:air W. E. Fa-rholme
\ir.i Mr. J. .\. Craw":>>rd. v->r nr.c brach:e znl: das Pni-crarr.ni für den
Ä-.:: zwei M-:-r.a:e berecb.-e:en .Aufentha!:. der r-J: einer Reise in das
'jebie: v>>:i Haidarabad ii~ Antazig r.t'r.zr.tr. s-r-IUe. L'm 5 L'hr kam der
'V'Lnerr.eur \or. B-'-mbay. l,'>rd Harr's, rr.:: seiner Suite an Bord, um
mir seine ofticieüe Visite abzus:aner. \i~z mir eine Wohnung im
< j- •vcmrr.enl House anzubieten. Lord Harris, der den Posten des
Oouvemeurs sei: drei Jahren inne ha:, wurde mit der britischen
H>'mne und allen Ehren empfangen und in meine Kajüte geleitet, \vu
T-iiih eine längere < "■'■nversaiion ennvijkelre.
Najh der Rückkehr des Gouverneurs ans Land nahm ich von der
Elisabeih' und dem SchitTsstabe auf zwei Monate .\bschied. schritt
noch die Fnunt der Manc>chaf: ab und begab mich unter Geschütz-
und Raaensalut sämmtlicher v.>r .\nker liegenden Kriegsschiffe an
den l^ndungssteg \Vellingt'>n Pier ■.\p'>I!o Bandan. der mit Fahnen,
Tüchern und Blumen auf das prachtvollste geschmückt war. Daselbst
empfieng mich der Gouverneur mit den Spitzen sämmtlicher Behörden.
ipaffliie. bestehend aus kräftigen, hochgewach-
Kl
rt
genannte Theil macht den Eindruck einer firyßen eurupaüschen Sliidl.
Die RegieningspebäLide wechseln mit großen Privathäusern, Parks,
Munumenten, Cricketplätzen ab; die Straßen sind sehr breit und mit
bequemen Troltoirs versehen. Überall verkehren Tramways — ohne
Cberfüllung — und europäische Wagen. Nur die eigenthümliche, nicht
immer sehr stilvolle Bauart der öffentlichen Gebäude, der -indische
Stil«, ein Mixtum compositum aus allen möglichen morgenländischen
und auch europäischen Bauarten, sowie das äußerst bunte Treiben der
\'ertreter verschiedenartiger Rassen, Völker und Nationen, gemahnen
an den Orient, an Indien.
Den größten Theil der Bevölkerung Bombays bilden die Hindus,
deren es hier 543.276 gibt. Sie sind in eine Reihe von Kasten einge-
theilt, deren auf bedeutende Kntfernung hin sichtbare Zeichen in grellen
rolhen, gelben oder weißen Flecken auf der Stirne getragen werden.
Die Reicheren kleiden sich in weiße Gewandung, die Armen tragen
auch wohl nur ein Lendentuch, während die Füße stets unbeschuht
bleiben; den Kopf bedeckt ein Turban in mannigfaltigen Farben. Die
Hindus machen nicht den Eindruck kräftiger Menschen; sie sehen
hoch aufgeschossen, mager und nichts weniger als muskulös aus. Die
Hindu-Weiber scheinen Schmuck sehr zu lieben; denn selbst bei den
ärmsten, die in der ganzen Stadt die Function von I.astträge rinnen
versehen, erblickt man große Nasen- und Ohrringe, die mit kleinen
Steinen und Gold- oder Silherflligran geziert sind und oft ein bedeu-
tendes Gewicht haben. Die Nasenringe verunstalten, indem sie bis zum
Munde herabhängen, das ganze Gesicht, was die Application eines
Kusses wenig einladend machen und jedenfalls erheblich erschweren
müsste.
Eine vornehmere Classe als die Hindus bilden in Bombay die
Mohammedaner, 155.247 an der Zahl, die sich in ihrem Costüme
dadurch von den Hindus unterscheiden, dass sie stets Beinkleider
tragen. Die strenggläubigen Frauen der Moslemin verhüllen das Antlitz;
doch haben die meisten diese lästige Sitte abgelegt und blicken den
Kuropäern ganz freundlich ins Gesicht.
angesehenste, vornehmste und zugleich reichste Element ist
Bombay durch die Parsen vertreten. Wie schon ihr Name andeutet,
hrem Ursprünge nach Perser; Ja sie gelten sogar als
Irbcwohncr Alt-F'ersiens. Die Eroberung Persiens durch die Araber im
Jahre 041 und die fanatische Bekehrung der Eingeborenen mit Feuer
und Schwert zu der Lehre Mohammeds trieb — während ein kleiner
Theil der Pürser sich in der Provinz irak Adscliemi bis zum heuligen
Tage erhalten hat — die Mehrzahl der persischen Jünger Zoroasters
zur Auswanderung nach Gudscherat, einem nördlich von Bombay sich
hinziehenden Küstenstriche.
Die Färsen sind Verehrer des Feuers, welches in der auf
dem Gegensatze des Lichtgeistes (Ormusd) und des Herrschers der
Finsternis (Ahriman), das ist des sittlich Guten und Bösen beruhenden
Lehre Zoroasters als das wichtigste Reinigungsmittel verehrt wird. Kür
diese dem Islam widerstreitenden Lehren hatten jene Flüchtlinge in
Gudscherat Schutz und Frieden gefunden, ihre angestammte Sprache
jedoch mit dem hindustanischen Idiom der neuen Heimat vertauscht
und dieses derart in sich aufgenommen, dass sie dasselbe noch heute
mit Vorliebe sprechen. Von hier aus verbreiteten sich die Parsen über
ganz Indien, namentlich in bedeutender Zahl nach der großen und
reichen Hafenstadt Bombay, wo sie stets Capital und Industrie vertraten.
Hauptsächlich übten sie die Schiffbaukunst. Als Leiter des Marine-
Arsenals in Bombay hat noch vor wenigen Jahren ein Parse fungiert,
dessen Ahnen und Urahnen dieses Amt seit dessen Gründung inne-
gehabt hatten. Unter allen V'olksstammen Indiens waren es die Parsen,
welche sich zuerst den Europäern anschlössen und noch heute stehen
jene mit diesen in engster Beziehung.
Die Tracht der Parsen unterscheidet sich wenig von jener der
übrigen Eingeborenen Indiens. Neuerer Zeit jedoch nähert sich der
Schnitt der Kleider der Parsen mehr und mehr dem europäischen, ja
manche von ihnen tragen sich ganz alla franca. Als Kopfbedeckung
benützen die Männer entweder eine hohe, eigenthümlich zugespitzte.
aus Wachstuch oder Seide verfertigte Mütze, deren Form sie der in
Gudscherat landesüblichen Kopfbedeckung entlehnt haben, oder aber
eine stark modernisierte .^bart der persischen, mit einem bunten Shawl
umwundenen Filzmütze. Die Frauen der Parsen bedienen sich seidener
oder wollener, farbiger Beinkleider und grell buntfarbiger Oberkleider,
welche aus einem Stück Zeug bestehen, das zuerst um die Hüften
geknüpft und dann um .Schultern und Kopf geworfen wird.
Die meisten Frauen der Parsen haben zwar schöne Augen,
jedoch überlang gebogene Nasen, schlechten Wuchs, entweder zu
mangelhnflc oder zu üppige Formen, einen lässigen, schläfrigen Gang.
Die Mädchen sind mit .Ausnahme des Überwurfes, den nur die heirats-
fähigen Mädchen tragen dürfen, in gleicher Weise gekleidet wie die
Frauen.
S4
Vim fremdländischen Orientalen sieht man in Jen Stral3cn Bnm-
hays auch noch Araber und Ferser, die sich mit der Einfuhr von Pferden
beschäftigen. Juden aus Bagdad, die hier als Hausierer, und Afghanen,
ttiie in Bombay gleichwie in Ceylon ausschließlich a!s Messerschieifer
Verdienst suchen.
f Die sogenannten Portugiesen Bombays sind Nachknmmen der
ifon den portugiesischen Eroberem zum Christenthume bekehrten Kin-
teborenen und führen die Namen portugiesischer Adelsgeschlcchter, da
seinerzeit die Bewohner ganzer Dörfer die Namen ihrer neuen Herren
angenommen haben. Ihrer Beschäftigung nach sind diese Portugiesen
meistens Hausdiener, Köche, auch wohl untergeordnete Gehilfen in
Handlungshäusern. Es ist ein weichliches, verkommenes Volk, das
sofort an seinem Typus und an seinen vernachlässigten, fadenscheinigen
Kleidern europäischen Schnittes zu erkennen ist.
Industrie und Großhandel sind unter die drei Hauptstämme, die
tltndus, Mohammedaner und Färsen, in ziemlich scharfgezogenen Gren-
1 vertheiit. So sind z. B. die Parsen die Haupthesitzer der 72 Baum-
'Ollfabriken Bombays. Die Mohammedaner treiben meist Impoil, die
pindus Export, diese wie jene durch Vermittlung europäischer Handels-
iftuser. Neuerer Zeit emancipieren sich jedoch die Moslemin wie die
Öindus mehr und mehr von den Europäern und treten in Europa selbst
I directen Verkehr mit den Kaufleuten und Fabrikanten. Dieser Ver-
■ dürfte dem europäischen Handel kaum zum Vortheil gereichen,
da die Begriffe des Orientalen über kaufmännische Moral und Solidität
von der alleiTagslen Natur sind und der Kaufmann von F^uropa aus
ivoniger in der Lage ist, sich im Nothfalle schleunig Hechtsschutz
I verschaffen, als der in Bombay ansässige Europäer.
Ober die Queens Road, eine neue, am Hände des Meeres gebaute,
hr breite Straße fuhren wir nach Malabar Hill, wo, wie erwähnt, eine
nhc von Villen liegt, kleine, luftige Bungalows, halb versteckt in sauber
Üinltcncn Gärten, unter Palmen, Tamarinden und allerhand blühenden
(chlingpllanzen. Ganz an der Spitze dieser Landzunge breitet sich das
Eovcmmcnt House aus. eine Reihe ebenerdiger Bungalows, deren Mittel-
Unkt ein etwas größeres Gebäude bildet, in dem sich nur der Speise-
. der Tanzsaal, umgeben von einer luftige]\ Veranda, befinden.
l wohnt der Gouverneur mit seiner Eamilie und seiner Suite von
cretären und .Adjutanten, deren beinahe jeder ein ihm ausschließlich
[^gewiesenes, mit aller Bequemlichkeit eingerichtetes Haus inne hat
tem Klima entsprechend sind diese Wohnstätten äußerst luftig gebaut,
die Wände sind wie von I'apier, überall Thüren, Fenster und Veranden,
so dflss ich mich in einem solchen Bungalow jedesmal wie in einem
großen Vogelhause wähnte. Bieten die Häuser zu wenig Kaum Tür eim
größere Anzahl von Gästen, so werden Zelte aufgeschlagen und es
gleicht dann das Government House mit allen seinen Annexen
abgeschlossenen, unter großen Tamarinden und Ficusbäumen lagerndeOtJ
Ansiedelung.
Eine Schar Diener in purpurrother Livree bildete bis zur Verani
hin Spalier, wo uns Lady Harris mit zweien ihrer Freundinnen, Lai
Brodrick und Miss Smith, in hebenswürdigster Weise empfieng. Nach
längerer, reger Unterhaltung, in deren Verlauf ich den Damen auf eine
Reihe von Fragen — weshalb ich noch nicht vermählt sei. wann ich zu
heiraten gedächte u. dgl. m. — Rede und Antwort stand, zogen wir uns
in unsere verschiedenen Bungalows zurück, um Parade-Uniform zum
Diner anzulegen, Dieses fand nach englischer Sitte erst um '/sQ Uhr
statt. Lord und Lady Harris erwarteten mich im Vorsaale, um mich in
das Empfangszimmer zu geleiten, wo sämmtüche Gäste längs der
Wände in einer Reihe standen. Zu dem Diner waren im ganzen 54 Per-
sonen, zahlreiche Damen, unter diesen auch eine mit Diamanten besäetc
Parsi-Dame, die höchsten Würdenträger und der General-Commandant
von Bombay, verschiedene höhere Officiere, Gerichts-, Municipal- und
(iovernments-Beamte, alle in Bombay sesshaften Consulan,'ertreter und
die (."ommandanten sämmtlicher im Hafen befindlichen Kriegsschiffe
eingeladen worden. Bald nachdem mir all die Anwesenden vorgestellt
waren, schritten wir unter den Klangen der Volkshymne in den Saal.
Die Tafel war sehr geschmackvoll mit Blumen, schwarzgclben Bändern
und silbernen Aufsätzen geschmückt.
Die continentale Etikette fordert, dass bei einem offlciellen,
Ehren des Angehörigen einer auswärtigen Macht gegebenen Diner di
Gastgeber vor allem das Wohl jenes Souveräns ausbringe, dessen Reii
der Gast angehört. Die britische Sitte jedoch weicht, wie ich schon
dem Diner im Government House zu Kandy zu meinem Erstauni
beobachten konnte, von dieser Gepflogenheit ab. Wenigstens ersuchl
mich Lord Harris, zunächst auf das Wohl Ihrer Majestät der Könij
zu toastieren, worauf er erst das Wohl Seiner Majestät unseres Kaisi
ausbrachte.
An das Diner knüpfte sich ein langer t'ercle. Nach Beendigunj
desselben suchten wir, ermüdet durch die Menge neuer Eindrücke, dit
uns der erste Tag in Indien gebracht, unser Lager auf
:ine
deilS
Bombay, 18. Jänntr.
Um ß Uhr warTagreveille, Der Morgen war Tri seh und angenelim.
EDic Bewohner des Villenviertels Mulabar Hill, durch das wir fuhren,
schienen noch sämmtlich in Schlaf versunken zu sein; denn in den
\'illen und Gärten war alles still. Das Ziel der Fahrt bildeten die
■ Begräbnisstätten der Parsen, die berühmten "Thürnie des Schweigens*.
^iner der angesehensten Parsen, Sir Jamsedji Jijibliai Bart., sowie
wr. N'usservanji Behramji empfiengen uns am Fuße des Hügels und
"geleiteten uns über eine lange, steinerne Treppe in einen blühenden,
schönen Garten, der in nichts die Nähe der Begräbnisstätte verrieth. In
der Nähe des Thores sitzt ein Hund, der über den natürliclien ."Xugen
zwei in Farbe ausgeführte Augen besitzt, und von dessen Verhalten es,
wie die Parsen glauben, abhängt, ob der Todte unter günstigen oder
ungünstigen .\uspicien in das Jenseits gelangt; blickt nämlich der
HunJ den Todten an, so gilt dies als gutes Omen, während das Umge-
kehrte übel gedeutet wird. Knapp am Eingange des Gartens steht ein
Tipel. in dem das heilige Feuer ludert, welches — so wird behauptet
k- die Parsen von ihrer ursprünglichen Heimat mitgebracht und stets
ennend erhalten haben.
Im Garten weiter schreitend, kommt man zu fünf kreisrunden.
Krell weißen Thürmen, deren größter 7'öm Höhe und einen Umfang von
rund 00m besitzt; auf dem Rande derselben sitzt eine Legion von Geiern
Ind Raben ; eine kleine eiserne Thüre. zu der einige Stufen führen, bildet
en Eingang. Man darf sich den Thürmen nur auf 30 «j nähern, doch
ibt ein im Garten aufgestelltes Modell .^ufschluss über die Einrichtung
Eeser Begräbnisstätten. Innerhalb der Thürme, die mit bedeutendem
Ufwand gebaut sind — der größte soll über 360.000 fl, ö. W. gekostet
aben — befindet sich eine trichterartige, in einen runden Schacht
endigende Plattform, welche in ringförmige Abtheilungen geschieden
iftf. die äußere .Abtheilung dient für Männer, die mittlere für Frauen
tind die innere, dem Schacht zunächst liegende für Kinder. \'on vier
dazu bestimmten Wächtern, den einzigen lebenden Wesen,
reiche den Thurm betreten dürfen, werden die Leichname ganz ent-
Icidct in die betreffenden .Abtheitungen gelegt. .Alsbald stürzen sich die
ingrigen Geier auf ihre Beute und binnen einer Stunde ist der Leich-
I bis auf die Knochen verzehrt. Die Sonne trocknet das Gerippe,
richcs sodann in den Schacht versenkt und in demselben mit Wasser
|er wohl auch mit Kalk begossen wird. Von dem Schachte gehen vier
^prer
radiale Cantile ab, die mit Kohlen sowie mit Sandfiltern versehen sind
und in große Vertiefungen auslaufen, in welchen die letzten Oberbleibsd
der Gebeine ihrem Schicksale überlassen werden.
>Stirbt Achab in der Stadt, so sollen ihn die Hunde fressen, stirbt
er aber auf dem Lande, so sollen ihn die \'ögel des Himmels fressen.*
Was der Prophet Elias dem Könige, der durch Jezabel, sein Weib, übel
berathen schweres Verschulden auf sein Haupt geladen hatte, als Strafe
angedroht, hier Ist es zur schauerlichen Wahrheit, schrecklichen Regel
geworden. Die Vogel des Himmels fressen Todte, fressen Gerechte und
Ungerechte, Vornehme und Niedere. -Erectos ad sidera vuhus
alle durch» Leben schritten; Aas für die Vögel liegen sie hier im To(
Von dieser jeder Pietiit baren Stätte menschlicher Emiedrigui
wo die geflügelten Todtengräber ein düsteres -Lasciate ogni speranza!
kritchzen, Üüchten die Gedanken auf einen Kirchhof in den heimatlichen
Bergen, Hier ruhen die theuren Todtcn in der Erde, welche schützend
verbirgt, wie sich das Wort erfüllt; .Du bist Staub und sollst zum
Staube wiederkehren-. Über den Gräbern stehen Kreuze; einfache
Holzkreuze, aber errichtet, geschmückt von der Liebe; von der Liebe,
welche lächelnd die Lebenden umfangen hat und nun weinend zu den
Todten spricht: «Ruhet in Frieden« So sinnend, verließen wir
diese beredten Thürme des Schweigens.
Der nächste Besuch galt dem Thierspitale Pindschrapol. weicht
Stiftungen reicher Hindus seine Entstehung verdankt. Eine vollkoi
mcnc Vcrirrung rcUgiüscn Empfindens'. In ungezählter Menge fristen
in Pindschrapol herrenlose, kranke, mit ekeln Gebresten behaftete, mit
Wunden aller An bedeckte Thiere ein trauriges Dasein, bis der Tod
— barmherziger als jene Menschen, denen ein Irrwahn verbietet, sei
es auch nur aus Mitleid Blut zu vergießen — diesen bedauernswerten
Geschöpfen naht. In einem Hofe etwa vierhundert Kühe, jede, i
biblischen Schwestern gleich, geeignet, Hungersnoth zu verkünden
einem «weiten Hofe Pferde, wahre Mähren; in einem dritten, hini
Ciittorn, Hunde, Affen. Schafe, Papageien. Hühner, Tauben. Myriadei
Von Kliogen und Bremsen summen einen ("hör von Pein und Plage.
Einen genussreichen Eindruck boten die grandiosen Markthallen
(Crawford Market). Sic sollen mit den Höfen und Gärten eine Fläche
von 00 Ad bedecken und sind nach europäischer .Art lediglich aus Stein,
Kisen und (ilas gebaut; i^ie thcilcn sich in eine von dem 43hi hohen
Glockcnlhurm übertiöhtc Gentralhalle mit zwei Flügeln und eine Reihe
einzeln stehender Markträume. Der rechte Flügel der Markthallen ist für
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ii^^l
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ein
Humen und Früclilc, der linke für Gemüse und Spezei'cien bestimmt.
Dort erregten die herrlichen Kosen. Chrysanthemen, Jasmineen, die Fülle
kiisthcher Bananen, Bäume mit apfelartifien Früchten, Mangos unsere
Aufmerksamkeit; hier die seltsam gefärbten und geformten Kürbisse und
langengurken, die Curcumawurzeln, Cardemomen, die in Indien so
liebten und auch den europäischen Feinschmeckern als Curry powder
wohlbekannten Gewürzmischungen, die Proben der einheimischen
Kauch- und Kautabake u. a. m. In besonderen Räumen werden Fische,
Kind- und Schaffleisch, sowie Geflügel feilgeboten. Der große Fisch-
markt beherbergt hunderterlei Früchte des Meeres, von den kleinen
Bombay ducks (Bombil) an, bis zu den Lingeheuern, welche dem Gau-
men der landsässigen Leute noch lecker dünken. Auch lebende Thiere
werden hier feilgeboten. Wir nahmen diese Gelegenheit wahr, um
unsere Schiffsmenagerie mit mehreren Mainas, Papageien und einem
;rünen Laubvogel zu bereichern; doch wurden H^ir nicht ohne Schwie-
;eiten mit den eingeborenen Verkäufern handelseins.
Hatte uns die duftende, üppige, Gemüse aller Art bergende
Markthalle mit ihrem durch Angebot und Nachfrage hervorgerufenen,
bewegten Treiben ein Bild des Lebens geboten, so lag in dem Schau-
spiele, dem wir hierauf beiwohnten, einer Hinduverbrennung, ein
düsteres Gegenstück vor uns: die Zerstörung des nunmehr allem Sinn-
lichen entrückten menschlichen Körpers, die Auflösung der Materie in
eine Handvoll Asche.
Mr. Tribhowandas Mangaldas Nathubhai, der Präsident des
lombay Hindu Buming and Burial Cround fommittee*, nebst einigen
inderen diesem Verein angehörigen Mitgliedern empfieng uns, als wir
die Verbrennungsstätte betraten. Die Anlage derselben und mehr noch
das Verhalten der Leidtragenden bei der Ceremonie lassen jede Pietät
■ermissen. In einem länglichen Hofe, an dessen einer Rückwand Bänke
id Stühle stehen, sind alle 10 vi je vier eiserne, meterhohe Ständer
Igemauert; zwischen diesen wird das Scheitholz für die Verbrennung
Leichen aufgehäuft. Aus einem eben verkohlten Scheiterhaufen
imellen zwei Hindus mit vollkommenster Indifferenz Asche und
cinierte Knochen, die letzten spärlichen Überreste eines mensch-
lichen Körpers, um sie in einer blumengeschniückten Vase zu bergen
und ins Meer zu werfen.
Eben wollten wir uns wieder zum Gehen wenden, als Gesang und
rscjiinellenklang ertönte. Ein Leichenzug bog in den Hof Voran die
iger und Musikanten; dann auf zwei Bambusstöcken, nur mit einigen
80
Haniiern umschlungen, der l.eiclinani, von vier Männern getragen: zun*.
Schlüsse die \'ervvandten, ohne Auüerung des Schmerzes oder der Theil-
nahme, auch nicht als lachende Erben, nur gleiohgiltig, schrecklich
gleichgiitig. Die nhrenbeleidigende Musik hebt schon während der
letzten Stunde des Sterbenden an, da sie die Bemühungen des Zauberei
unterstützen soll, welcher die Dämonen der Krankheit zu verscheuchi
sucht. Was gegen diese nicht gewirkt, hätte fast uns vertrieben. Doi
wurden wir aufgefordert, uns aufdie Bänke niederzulassen und konnti
nun mit Muße und aus nächster Nähe den .Act der Verbrennung beol
achten. Die Leiche, jene einer jungen, äuUerst schmächtigen Frau, war
völlig in ein rothes Tuch gehüllt, mit rothem Pulver bestreut und mit
Blumen bedeckt. Das arme Wesen mochte vor wenigen Stunden erst
verschieden sein; ihr Körper wies noch nicht den Zustand der Tod«
starre auf.
Ks ist Sitte der Hindus, ihre Todten, kaum dass sie den tetzl
Seufzer gethan, sogleich den Flammen zu übergeben, eine Sitte, die
dem Distncts-.i\rzte die rechtzeitige Feststellung des Todes ungemein
erschwert, ja zuweilen dieselbe, besonders wenn bei starker auftretendeiv
Cholera-Kpidemien die Todeslalle sich häufen, oft unmöglich ma<
Nicht selten melden die Hindus den erfolgten Tod einer Person erst nai
deren Verbrennung an. Eine Cholera-Kpidemie ist für Hindus häufig die
erwünschte Gelegenheit, eine lästige Person durch -Arsenik, welches ja
choleraähnliche Symptome hervorruft, oder durch Opium aus dem Leben
zu schaffen, rasch zu verbrennen und bei der Todesanzeige als an
Cholera verstorben anzumelden. In früherer Zeit, in welcher die Regierung
noch nicht wie jetzt mit voller Strenge einschritt, war besonders das
Tödten der Mädchen durch Opium sehr im Schwange; infolge des;
trat in manchen Gegenden Indiens ein derartiger Mangel an Frauen
dass die wenigen zurückgebliebenen der Polyandrie verfielen.
Der Leichnam der jungen Hindu wurde auf die Erde gelegt, mit
Wasser Übergossen und von dem Gatten und einem der Verwandten
dreimal um den vorbereiteten -Scheiterhaufen getragen, dann legten die
Leidtragenden Weizen und Zucker auf die Leiche nieder und lagerten
diese, mit dem .Antlitze nach Osten, auf den Scheiterhaufen, wn sie mit
sechs großen Balken bedeckt wurde. .An einem Feuar, das, vom häus-
lichen Herde stammend, in einer Urne mitgebracht worden, entzündete
der Gatte Sandelholz, gicng, die .Späne vor sich tragend, dreimal um
den Scheiterhaufen herum, berührte jedesmal die unter dem Bahrtuche
bervorlugenden Zehen der Leiche und setzte endlich durch brennende
erst
>de;^S
, die
mein
indea H
lachH
naotfll
'" die
s ja
ben
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das
00
d
Späne und Strohbüschel zu Hiuiplen der Todtcn den Holzstoß in Brand.
, diesem Augenblick äußerte der Gatte schmerzliche ErgrifTenheit,
delieicht mehr uns, als seinen Gefühlen zu Ehren, bis ihn ein, wie es
* schien, minder weichmüthiger Verwandter beiseite schob. Der Scheiter-
haufen llammte, prasselte, qualmte. Gierig fraß das Feuer, als wollte es
sein Opfer den theilnahmslosen Blicken der Menschen entziehen.
Ein zweiter Leichenzug nahte. Abermals war die Todte eine junge
Frau, offenbar aus reichem Hause, aus höherer Kaste. Unverschleiert lag
die früh \'erblichene auf der Bahre. Der rosige Hauch auf den Wangen
STerrieth, dass auch diese Verstorbene kaum die Schwelle des Todes
pberschrillen,
Es war genug des grausigen Schauspiels; ich wandte mich zum
-eben. Am Ausgange der Verbrennungsstätte steht ein Haus, in dem
leiche Leidtragende der höchsten Kasten das Ende der Ceremonie
bzuwarten pllegen und nicht selten — eine empörende Gefühlsroheit
- Tänzerinnen hieher berufen, die Wartezeit zu verkürzen.
Rasch muss der Todte, dem nachdrängenden Geschlechte wei-
chend, diese Erde räumen, in das Nichts hinübereilen: der Parse von
Vögeln gefressen, der Hindu vom Feuer verzehrt und als Asche ins
Meer geworfen — im Thierspitale aber werden jämmerliche Geschöpfe
künsthch ihren Leiden erhalten; für diese hat die Erde Raum, der
\lensch Gefühl.
LTm den Vormittag vollständig auszunützen, fuhren wir noch ins
Museum — Natural History Society's Museum — das unter der Direc-
tion Mr. Phipsons steht und ein anschauliches Bild der Fauna Indiens
gewährt. Gleich beim Eingange fallen abgehäutete Krokodile, riesige
BüfTelschädel und einige lebende, indische Eichhörnchen ins Auge.
Zahlreiche Schränke bergen die wichtigsten Vertreter der Ornis, sowie
; möglichen Schmetterlingsarten; in mit Spiritus gefüllten Behältern
hwimmen da etwa hundert verschiedene Schlangen- und Skorpion-
Spinnen, Käfer und die in die Ordnung der Heuschrecken
jcbürigen, sogenannten wandelnden Blätter sind hier zu sehen. Zahl-
piche .Abnormitäten und Raritäten bilden besondere Anziehungspunkte:
A'eihe von capitalen Sambarhirschen, abnorme Gehörne von Gazellen
und Black-bucks; verschiedene Felle von Bären, Tigern, Panthern,
Schnecleoparden und anderer schöngezeichneter indischer Katzenarten;
der dem Magen eines Krokodils entnommene Fuß eines Hindu-Knaben;
Häule von Riesenschlangen (Python); Skorpion-Zwillinge; eine
nmlung lebender Schlangen, eine grüne Peitschenschtange und zwei
Cobras, die furUvährcnd ßegen die Wände ihrer gläsernen ßehiiusungfl
losfahren. Besondere Anerkennung verdient die Anordnung der Objecte,
welche den AnTorderungen der Wissenschaft entsprichl, aber auch jene
I,iebe für die Natur zeigt, die sich nicht mit trockener Numerierung
und Etiketticrung begnügt hat, sondern zu dem Bestreben drängt, die
gesammten Objecte durch systematische und doch geschmackvolle
Gruppierung, sowie durch belebende Abwechslung mit Trophäen,
Bildern und Photographien auch dem Laien anschaulicher zu machen
und seinem Verständnisse nüherzurücken.
Mr. Phipson hatte die Freundlichkeit, mir für meine Sammlung
eine Anzahl Vogel-Doubletten anzubieten, die ich mit Dank annahm.
Lebhaft befriedigt von dem Gesehenen fuhr ich nun zu Herrn
Tellerj* (S. J. Tellery & Co.), einem Landsmanne, in dessen Nieder-
lage sämmtliche kunstinduslrielle Erzeugnisse Indiens vertreten sind.
Dieses Warenhaus bildet eine Stätte der Versuchung für die Kauf-
lustigen. Alles, was Bombay, Madras, Haidarabad, Maisur, Agra. Dehli,
Benäres, Calcutta, .Afghanistan und Birma erzeugen, ist herbeigeschafft:
Güttergestalten und Götzenbilder in Bronze, Silber und Marmor; Vasen.
Teller, Becher in Kupfer oder vergoldeter Bronze; Schnitzarbeiten in
Elfenbein, eingelegte Sandelholzbüchsen: Kaschmirdecken, Fulkaris
aus dem Pendschäb; Tücher mit Dessins in aufgelegtem Wachsglimmer
aus Peschäwer, bedruckte Kaftune aus Madras mit Illustrationen aus
den großen indischen Heldengedichten Rämäyana und Mahäbhärata;
in Dakka gewebter Tüll für Tänzerinnen; Teppiche von Bidschapur mit
dem bekannten Pfauen- oder Schikanmuster; Waffen und Schilder,
Elephantenspieße und Hellebarden; Musikinstrumente, Tischchen und
Korängestelle — ein vollendetes Chaos der verlockendsten Dinge. Bald
war ich der Versuchung erlegen — eine ganze Wagenladung wurde
an Bord gebracht, worüber der Gesammt-Dctailofficicr schier in Vcr-
zweiftung gcrieth.
In liebenswürdiger Fürsorge für unser leibliches Wohl hatte
Generalconsul Slockinger die Freundlichkeit, mich und meine Suite zu
einem Lunch im Hause des -Bombay Yacht Club« zu laden, welchem
lockenden Rufe wir willig folgten. Der Yacht Club hat seinen Sitz
innerhalb des -Forts» in einem luftig gebauten Hause, welches am
Rande des Hafens, auf dem Apollo Bandar, in einem Garten gelegen,
einen reizenden .Ausblick auf die Hafenanlage und die gegenüber
befindlichen Insc «hrt^^jj^h welchen das Mahl gewü
die Ruhepause \
thrl^^sh we1
m
\eu gestärkt fiiliren wir nachmittags mit einer raschen Uampf-
barkasse des Marine-Arsenals vom Wellington Pier aus quer durch
den Hafen nach der durch ihre Felsentempel berühmten, etwa 10 Um
tinlfemlen Insel Eiephanta.
Während der Seefahrt genießt man den Anblick Bombays, jenen
Jer Inseln und der vermöge der scharfen Beleuchtung deutlich hervor-
tretenden Gebirge des Festlandes. Das Landen auf Eiephanta ist mit
einigen Schwierigkeiten verbunden, da man zu diesem Zwecke kleine
Boote benützen und über verschiedene glatte und obendrein vom
.Meereswasser schlüpfrig gemachte Cementwürfel balancieren muss.
Ungestraft unter Palmen wandelnd, erreicht man, nach Übenvindung
einer langen steinernen Treppe, die Tempel Elephantas. Junge Hindus
bilden, überall umherlungernd, die lebende Staffage und bieten den
Weisenden Nester von Webervögeln, sowie in Schachteln für Zünd-
hölzchen die verschiedenartigsten Käfer und prächtig metallisch glän-
zende Baumwanzen zum Kauf an.
Die Insel Eiephanta, auch Gharapuri, Stadt der Höhten, genannt,
ist schon durch den Heiz des V'egetationsbildes. das sie vor dem farben-
tnjnkenen Auge des Besuchers entfaltet, eine Sehenswürdigkeit. Palmen,
Lianen, Tamarinden, Banianen; Bäume, Buschwerk und Blumen reizvoll
geformt und gefärbt, von seltenen Schmetterlingen, schillernden Käfern,
bunten Vögeln umflattert, schmücken dieses Eiland. Doch, ob auch die
Natur dieses Kleinod des Archipels von Bombay verschwenderisch mit
Schätzen der Pflanzenwelt überschüttet hat, das Hauptziel der Fahrt an
dieses Gestade bildet dennoch die uralte, im Schöße der Insel ruhende,
seltsam ausgeschmückte Heimstätte jener Gottheiten, die da schaffen,
erhalten, vernichten sollen.
Ihren Namen verdankt die Insel dem in altersgrauen Zeiten in den
ilsen gehauenen Kolosse, welcher heute, im Victoriagarten nächst dem
Ueum von Bombay aufgestellt, zur unförmlichen Masse verwittert,
i einst so berühmte Bildwerk — einen riesenhaften Elephanten im
mpfe mit einem mächtigen Tiger — kaum mehr ahnen lässt. Noch
v sind die gewaltigen Tempelgrotten erhalten, in deren Dämmerschein
lerlci von brahmanischen Legenden umwobene Heiligthümer indischer
ffihctten geborgen sind. Von einem mit Ehrenzeichen geschmückten
heranen der englischen .\rmee geleitet, der hier als Cicerone fungiert,
Sßen wir zu den Tempelgrotten nieder. Wie der Elephantenkoloss.
jSt der Wächter der Tempelpforte, so ist nun auch die Vorhalle des
U^entempels den Unbilden der Jahrhunderte zum Opfer gefallen.
Erhalten ist nur noch, weil von der Mutter Erde beschützt, di
Tempel selbst Er gliedert sich in verschiedene Theile. Der erste der-
selben ist dem -Gott der Erde« Schiwa (Mahadewa), dem Befruchtenden
und zugleich ZerslÖTcnden, geweiht. Dem Eingange dieses von doppelten
Säulenreihen gestützten Haupttempels gegenüber erhebt sich in dessen
Innerem zunächst die Bildsäule derThmurtiiDreigeslalt). welche Brahma,
Wischnu und Schiwa darstellt. Als Symbole trägt diese Trinität ein
TrinkgefaS, die mystische Lotosblume und die Cobra. die giftige Brillen-
schlange. Die Wände des Tempelraumes sind mit Sculpturen bedeckt,
welche den Lebenslauf Schi was, seine Geburt, die Vennahltmg mit Kali
fPäru'ati) und andere, zum Theile ungeheuerliche Scenen schildern.
Drei kleinere, viereckige, gewölbte Gehäuse enthalten je einen Lingam.
das Symbol der erschaffenden Natur. Linkerhand von diesem Haupt-
tempel liegt der Tempel des Elephantengottes und Gottes der Gelehr-
samkeit, Ganescha, dessen Heiligthum mit Bildern seiner zahlreichen
Frauen geziert isL
Die durchwegs symmetrisch angeordneten Sauten, sowie die von
Verständnis für anatomische Verhältnisse zeigenden Bildwerke sind zum
Theile künstlerisch schön, so dass die .Ausführung dieser .Arbeiten und
mehr noch die Herstellung der enormen Tempelräume unser Staunen
erregen. Mussten doch die 1564 m' bedeckenden Räume, da die Epoche,
in welche ihre Ausgestaltung fällt, der Hilfsmtllel der modernen Technik,
der Maschinen und Sprengstoffe, entbehrte, dem harten Granitfelsen
lediglich mit Meißel und Hammer abgerungen werden. Vor einigen Jahr-
hunderten noch waren diese heiligen Hallen von ßrahmanen und deren
ganzem Gefolge und den dem Tempeldienste geweihten Sängerinnen
und Tänzerinnen bevölkert; ununterbrochen zogen Scharen von Gläu-
bigen, namentlich Kindersegen erflehende Frauen, hier zu und ab. Die
Portugiesen haben zur Zeit ihrer Oberherrschaft über Ostindien in ihrem
heiligen Eifer die brahmanischen .ZüUner und Schriftgelehrten
dem Tempel vertrieben, ja, wenn man der Überlieferung Glaul
schenken darf, des Guten zu viel thuend, auch die Tempel selbst durdi
Kanonenschüsse zu zerstören \ersucht und so diese Denkmäler alter
Kunst arg beschädigt, zum Theile sogar vernichtet.
Heutzutage pilgern an hohen Feiertagen noch hin und wiedor
fromme Hindus mit ihr^^milien zum Tempe! Elephanta. dem ZeugeHj
vergangener Herrlic;'^^"^^eit oifriea|^doch lUs jene betrachtet
imposanten Cbcrres it m> ^^^HRcn Kunstwerkes der fi
ländischc Wagitgre 'elth^^^B(d (.lenuss findet
rem
Der Schluss des Tages war der Theilnalime an großen, nfiiciülien
■■Festlich keilen im Government Hoiise gewidmet. Dem Diner folgte ein
IjBaU, zu dem das High life von Bombay geiaden war. Für mich war die
I Vereinigung der Spitzen der «Upper ten- nicht nur gesellschaftlich.
BSOndern namentlich auch vom choreographischen Standpunkte aus von
jroßem Interesse, da die englische Art, dem Vergnügen des Tanzes zu
huldigen, in manchen Beziehungen von der bei uns üblichen abweicht.
Besonders ein neu impoilierter Tanz, der sogenannte Barndoor dance,
der von einer einförmigen Musik begleitet, die Mitte zwischen einer
schleppend getanzten Mazurka und einem Bärentanz hält, fiel mir sehr
auf. Ein Ehren-Lancier. den ich mit Lady Harris tanzte, wollte nicht
recht klappen, da hier Figuren ausgeführt werden, die bei uns unbekannt
sind. Lord Harris schien hiemit durchaus nicht einverstanden, während
PX-ady Harris die Situation von der heiteren Seite auffasste. Da sich in
unserem Carre nur die Gemahlinnen der höchsten Würdenträger und
der Beamten oberster Diätenclasse betheiligten, waren auf dem kleinen
Haume Jahrhunderte vertreten, so dass ich mit Wehmuth manches
I in der Heimat getanzten Lanciers gedachte. Im übrigen legte ich
Enthaltsamkeit auf, den Anforderungen der kommenden Tage
Rechnung tragend. Nach Mitternacht wurde ein Souper serviert, in
biessen Verlaufe ich mit Lady Harris, über deren Wunsch, in der Mitte
s Saales Knallbonbons ziehen musste, was die lebhafteste Heiterkeit
ber Anwesenden erregte.
Bombay, 19. Jänner.
Früh am Tage fuhren wir in den Cialacarossen des Gouverneurs,
[elcitet von einem Theil der Garde nach den Docks, um das zwei Tage
uvor eingelaufene Lloyd-Schiff -Elektra- zu besichtigen. Die Docks,
Handelsgesellschaften erbaut und im Besitze von solchen, sind
hrhaft imponierende Anlagen sowohl durch ihre Ausdehnung, als
Urch die allen .Anforderungen des Warentransportes entsprechenden
ICinrichtungen. Es sind Zeugnisse eines kühnen LInternehmungsgeistes.
verglichen mit jenem der Heimat, kleinlaut stimmt. Neben den Docks
teilen die Warenhäuser, durch welche sich der Strom der einlangenden
und zu verladenden (iüter bewegt; wie im menschlichen Organismus
ununterbrochen das Blut durch das reich verzweigte Geäste der Adern
dem Herzen zu- und von diesem wieder weggeführt wird, so rollen hier
uf Schienensträngen ohne Unterlass Fässer und Ballen nach und von
Ben Warenhäusern. In diesen grandiosen Magazinen fühlt man wahr-
haftig .Jen Pulsschlag der Güterbewegung. Die Dampfkrahn« Reichen
den .\niien eines Riesen, n^elctier den Menscfaen frohnend — Gulliver
unter den Liliputanern — die sdnt-efsten Lasten hebt, als war" es Kinder-
spicL Ohne Rast und Ruh*, in immerwihrender Bewegung, waltet in
den Docks das Getriebe des Güten~erkefars; scheiabar in diaotischeni
Durcfaeüiaader und doch jener strengen Ordnung gdiorchend. welche
von der organisierenden Kraft des Kaufinannes gescbaifen nird
Die • Eleklra* war aus Schanghai vollgeladen mü Thee und Haut«
eingelangt und nahm Baumwolle für Triest an Bord. Das mät^tig^l
Schiff hatte, wie alle Schiffe in den Docks, Flaggengala angelegt und)
präsentiefte sich in seinem Schmucke. Ich kann atif Cnind eingehend)
Besichtigung der «Elektra* für die rübmltch bekannte, den Reisenden^
so bequeme Einrichtung der Ltoyd-Schiffe, nie für die auf denselben
herrschende Nettigkeit und Reinlichkeit nur ein neues glänzendes
Zeugnis ausstellen. Es ist erfreulich zu hören, dass auch Engländer die
Uoj-d-Sduffe mit \'orUebe benutzen. Ge\%'iss ein sehr nachdrücklich zu
Gunsten unseres Lloyd sprechendes Moment; zumal bei der auch unter
den verschiedenen Schiffohrtsgesellschaften herrschenden Concurrenz^
welche kaum mehr einem wirklichen Bedürfnis entspricht, sondi
sogar Gefahren für reelle L'ntemehmungen hcraulbesch«-ören
Jeder Osterreidier muss den Wunsch h^en, dass es dem Lloyd
ttcfat werde, in einer seinen überkommenen guten Traditionen und
seinem specifisf^ heimatiichen Charakter entsprechenden Weise jeden
Wettbewerb zu bestehen. Wo dieses Ziel in Frage steht, darf man selbst
vor ettter noch ausgiebigeren Staatssubventton, als die jetzige ist, nicht
zurädcscheuen; denn dieselbe wird in den Händen einer der Wichtigkeit
des L'niemehmens bewusslen Leitung goldene Früchte zeiligen, nicht
b)o6 für die .\cttooäre. sondern auch für die vaterländische Production,
für da&.\nsetocn der Monarchie, deren Flagge der Uoyd in diesen Meeren
repräsentieTt. Mit den wärmsten Wünschen für ein gtückiicfaes Gedeihen
des Lloyd verließ ich die -Elektni«. nicht ohne ihre Ladung durch Grüße
für die Heimai vermehrt zu haben.
In dem von der Munidpalität erhaltenen \'ictoriapukev
uns nun zunächst zuwandten, besitzt Bombay eine zoolo^sch-l
nischeGortenanUge, — ein tropisches Schönbnmn — welche die vollste
.\oerkennung verdient, wenn sie sich auch nicht mit dem Peradenia-
Garten auf t'eylon messen kann. Tis«". Bären. Panther. Gazellen und
.Antilopen. StrauJ .u,:m den \'ertusl ihrer Freiheit
I kleinen,^^^ : sehen denen in gi
<adM
*r^
11
Anordnung Sträucher gruppiert sind. Besondero Sorgfalt wird, dem
englischen Geschmacks ßemäß, dem Rasen zugewendet, der infolge
steter Überrieselung In erquickendem Grün, einem Sammttepplche
Ȋhnlich, prangt.
F An die abermalige Plünderung von Tellcry's Schätzen schloss
^ch eine Fahrt — ein »Bummel« — durch die belebtesten Straßen
les Eingeborenen-Viertels.
[ Die Häuser sind bis zum Giebel hinauf bewohnt, ja vollgepfropft,
was der Reinlichkeit bedeutenden Eintrag thut. In dem Erdgeschosse
befinden sich durchwegs Kaufläden und Bazars; hier werden alle
Gattungen Waren, darunter zahlreiche europäische Erzeugnisse, feil-
geboten, die stets von einer schreienden Menge umlagert sind. Sehr
erfreulicher Weise findet man in diesen Warenlagern viele heimatliche
Fabrikale, besonders Papier. Kurz-, Hart- und Glaswaren. Wolldecken
und Fez, letztere sämmtllch aus Strakonitz in Böhmen. Ein schwung-
voller Handel wird auch mit österreichischem Cölnerwasser getrieben,
welches die Hindus tleißig an Stelle des verbotenen Weines trinken.
eine Thatsache, die unbedingt für die vorzügliche Qualität sowohl der
betrelTenden Mägen, als auch des Fabrikates spricht.
Einzelne alte Häuser mit etwa zweihundertjährigen, verschnör-
kelten Holzverzierungen, kleinen Giebeln, Erkern und PiJastern, die
aus dem unverwüstlichen Black wood hergestellt sind, sowie kleine
Moscheen und Hindu - Tempel unterbrechen malerisch die langen
Häuserreihen. Besonders in die Augen springt der bunt bemalte und
mit Statuen von Affen und Pakiren geschmückte Kaibadewi-Tempel.
^^^ In den Straßen drängt sich eine lärmende Menge, zusammen-
^^BJHVürfelt aus Völkern Asiens, Afrikas, Europas und Oceaniens, ein
^^fpüidelnder Thurmbau von Babel. Buntbewegte Bilder ziehen an des
^^Wetrachtenden Auge vorbei. Das Hauptcontingent stellen selbstverständ-
lich die Hindus; dazwischen eilen Parsen und Mohammedaner geschäftig
hin und her: schweigsame Araber im schwarzen Burnus kommen vom
Pferdemarkte herbeigerilten; hin und wieder sieht man Afghanen und
tibetanische Bettelmönche.
Bemerkenswert ist die Höflichkeit aller Eingeborenen gegen
Eurnpaer, denen sie allenthalben freundliches Entgegenkommen zeigen.
Auffallend heben sich aus der Menge ab die Fakire, worunter man
gewöhnt ist. jeden religiösen Bettler ohne Unterschied zu verstehen,
ischon die Inder mit jenem Worte nur Bettler mohammedanischen
rfoubens bezeichnen, während die frommen Bettler, welche eine der
:r.'i_-Ki.--'.irr. rüitr". kTiZirrt Nt^itr. f_hrirn. u-ji z»"£r G':'ii»~ 0--'=^' .
Oi::'.i'.;i's". die E"S£r"^r,z tui*rl:r?: ia^'-z^-h. c.ti-^ k£ ;:e:; Le-r ~::
-i--:-fe-.ir~ St-.di'.r.'Iz ur.d Zi-'c-r^r bi3a'irr_ Bet:elrjd zie'r.sr. i:e~;
f&-ii::-:r,tn Wthrst, V'i-r. Htu*' zu Haur. N.:r aSziriäufig aher :?: d:=
>:.''. irrnrare Er.lrigurg iti- Fekiri- r.:r i*r Derkxsr^iei für j£5 Bi5iret»en
r-iir. r^.--.?- -^r.d ait^iir.:.;^::: Wi.r/Jebs- Dsr H-r.iu ha: f^ den Fak:r
::r.^ y.i;~ hilfjrert::^ Ha~c i;rd ur:be=chränir:i Ga>~'rei:::i«-chaft, ■;:■.;
Mi-k-; it> Fakirs Vi:*>erg5r. «:rh :r.£r.;!;r:i&I a,;;h i-chwere Veitrecher.
du y.:r. fcjf diese Weise der. Ai:ger: der P-Aizsi zu e^iziehen -r^der Jcmzh
v...r der-elren zu sjhii'.zer: irazhrer.. da be: de:TJ Far.aiismus der Hindu?
i-.T. cir.Esbr-rener Pcliieman r.ur s,:hw=r wager kar.r., a:i eir.er. Fakir
H^r.S a-zuleger.. Die eirheim-s^he V-:'.:zi':. kir.r.ilzzh ar. blauer LV-ifonr;
rr.:: li^lv-zelben Auf^ch;äi:cr. i:r.d MOtztr- >•:'.'. übrger.s, wie man mir
sai^e. i;ariZ Vorzüglichem ieifter:.
Aili; erdenklicher, Far.rzei;;:;, Y-.-zr. lar.desüf.ijheti kleinen, rri:
zwei Zebucchser. be=riir.r.:er. Karrer:. de=>er: Wandseiten meist bemal:
■::r.J. 'r:> zu dem eleirar.ten ci:rvrLi:>jh.e:: I-ar.daiier. durcheilen die
I.'ngemeir. rvh beh.injelr. die eir.irebcrener. Ler.ker die schnellen
Zc'ruOchslein: öenr. um j.:e zu irr'glich;.; r.i>che:n I-acfe zu bringen,
Jrehvr. ihre Peiniger ihr.er d:e Schweife irr Kreise, durch welch barba-
ni^che Procedur oft sogar die Schweifwmzd gebrochen wini- Das Los
■pe:
■tHii
tich kein Krnnschatz mit Harichands Kostbarkeiten messen kann. Der
'Mann ist im eigentlichsten Sinne des Wurtes .steinreich- und furdertü
ose Preise, dass es unmuglich war, mit ihm handelseins zu
'erden und ich daher — mehr der Noth gehorchend als dem eigenen
'riebe — der Versuchung nicht erlag.
Für 5 Uhr nachmittags war eine Gartenpartie in Pare! ^ einem
Sommersitz des Gouvemeurs, ungefähr 4 km von Bombay — angesagt.
Daselbst konnte man auf der Straße die gesammte Bevölkerung sehen,
die uns lebhaA begrüßte. Auf einer großen Wiese mitten im Parke
^stand eine mit rolhem Tuch überzogene Estrade, auf welcher die hohe
(Seilschaft Bombays, Officiere und Würdenträger, angesehene Parsen,
indus und Mohammedaner Platz genommen hatten.
Vor der Estrade hatte man ein großes Viereck — eine Art offener
Reitschule — ausgeslcckt, in welchem die Leibgarde des Gouverneurs
auf ihren australischen Dienstpferden eine Quadrille ritt. Die Mannschaft
ler Leibgarde besteht durchwegs aus Sikhs, Nachkommen jener fana-
iChen Krieger, deren einst Lahors und ganz Pendschäb umfassendes
Eeich im Jahre 1849 nach hartnäckigen Kämpfen Britisch-lndicn ein-
'erleibt worden ist. Diese Sikhs stellten sich uns als schöne, große
(Ute dar, in kleidsamer Uniform, langen, rothen Rücken mit einer Reihe
lanker Knöpfe und stählernen Ketten-Epauletten, dazu weißen Hosen,
>hen .Stulpsliefeln und auf dem Kopfe einen großen, rothen Turban,
umschlungen von einem bunten Überwurfstuche. Sattlung, Zäumung
und Beschlag sind europäisch und in vorzüglichem Zustande. Das
Aussehen der Pferde ist gut, wenn auch unter ihnen viele ziemlich alte
Z^u bemerken sind. Die mit vollendeter Kühe nur im Galopp gerittene
latlrille war gut einstudiert und wurde mit großer Präcision aus-
ührt; besonders gut gelangen Moulinets, Aufmärsche und verschie-
ine schwierige Schlangentouren mit Changieren. Zum Schlüsse wurde
in Reitern, sowie dem Arrangeur Captain Gordon allgemeiner Beifall
■zont.
In einer Zwischenpause stellte mir der Gouverneur mehrere Damen,
ivie angeschene Mohammedaner und einige von Diamanten funkelnde
&dschas der Umgebung vor.
Der zweite Theil der hippischen Production bestand aus einem
I'empegging. einem Lanzenstechen, wobei vier Pflöcke in den Boden
rsltrckt waren, welche von vier in voller Carriere ansausenden Reitern
Bit den Lanzen aufgespießt werden mussten. Auch bei dieser Übung
vielen sich die Leute als gewandte und geschickte Reiter.
Zum Schlüsse des Festes zeigte mir der Gouverneur noch das
Schloss von Parel, ein unschönes Gebäude, einst ein portugiesisches
Kloster, sowie den Park mit einem großen, ummauerten Teich, an
dessen Ufern wir einen herrlichen Sünnenuntergang genossen.
Den Abend beschlossen ein Galadiner und eine musikalische Soiree
im Government House. Im Verlaufe der letzteren machten einige Damen
den X'ersuch. mehrere Liebeslieder zum besten zu geben, worauf ein
Violinkünstler eine undefinierbare Weise zum Vortrage brachte. Endlich
gab uns noch ein Taschenspieler Proben seiner Fertigkeit, nicht ohne
dass einige derselben die lebhafteste Heiterkeit unserer hebenswürdigen
Hausfrau erregt hiilten.
Bombay — Tandur, 20. Jänner.
Nachdem morgens die Post erledigt worden war, fuhr ich, weil
aller guten Dinge drei sind, nochmals zu Teller>', um meine Einkäufe
zu vervollständigen.
l'm 12 Uhr erfolgte im Government House zum bleibenden
Gedächtnisse an meine Anwesenheit die photographische Aufnahme
einer GRippe, bestehend aus mir. I,ord und Lady Harris und allen zum
Hause gehörigen Herren und Damen.
Dann besichtigte ich den Stall Lord Harris". In offenen Ständen
sind australische Wagen-, sowie englische und arabische Reitpferde und
Polo Poniüs untergebracht. .Als Stallmeister des Gouverneurs fungiert
dessen Leibarzt, welcher dieser .Aufgabe mindestens ebenso gewachsen
sein soll, wie der heilkünstlerischen. Die Pferde befinden sich in guter
("iindition. obwohl manche infolge der scharfen Bewegung, namentlich
hei Heizjagden auf Jem harten Boden, niedergebrochen sind- In ganz
des im Innern gelegenen Hochlandes von Dekhan. Im Süden finden dirfH
weniger wild als beschwerlich erscheinenden, durchschnittlich 1200«!
hohen West-, sowie die niedrigeren und weniger bedeutenden Osighäb^
eine Fortsetzung in den bis zu 2630 m Höhe ansteigenden, waidreichen
Gebirgen, Nil giri. den -Blauen Bergen-. Bei der Station LanauÜ erreicht
die Bahn ihren höchsten Punkt und zieht dann ziemlich eben fort durch
cultiviertes Land. Spät abends passierten wir Puna (Poona) — 119 ihn ,
südöstlich von Bombay — die Lieblings-Sommerresidenz des Gouver^
neurs. woselbst sich auch das Lager sämmtlicher Truppen befindet, di«
dort manövrieren.
Jagdlager in Tandur.
Jagdla^'er in Tandiir.
TaiuUir, 21. Jännor.
^^P Nach t;iner auf meinem imgewolmlen l.nger schlechl viirbniclitun
Nacht war das tirstc, was ich sah. eine Ehrencompagnie der Truppen
des Nisams von Haidarabad (Hyderabad), die mich bei Wadi an der
Grenze des »Staates- — richtiger gesagt des Gebietes — dieses unter
britischem Schutze stehenden Pursten enipfieng. Wiewohl mit dem
äuÜcrlichen Prunke der Macht ausgestattet und über etwa 214.000 in/"
mit 1 1 '/* Millionen Kinwohnern herrschend, ist der Nisam von Haidara-
bad oder Golkonda doch keineswegs ein unumschränkter, sondern nur
ein tributpflichtiger Maharadscha, welchen ein englischer Resident und
die britische Besatzung der Hauptstadt bewachen, unter dem Vtirwiinde,
ihn zu schützen.
Ich lag noch im Bette, konnte dasselbe so rasch nicht verlassen
und blickte nur durch die Fenster auf die festlich geschmückte Station.
Uiu Compagnie bestand aus schönen, schwarzen Leuten mit auf-
__ gedrehten Schnurr- und Backenbärten,
HL. Die Gegend, die wir bis Tandur durchfuhren, ist wenig reizvoll,
^^Pne weite Ebene, nur hin und wieder von niedrigen Hügelketten
■^lurch zogen, wo Culturland mit großen, öden, sterilen Flächen wechscll,
auf denen nur vereinzelt stacheliges Dornengestrüpp wächst und
Sltfin- sowie Felspartien und erratische Blöcke sichtbar werden, In den
io,i
Feldi^m sieht man Lein, Ricinus, Dschowari (eine Hirseart), den Baum-
wiillstrauch, Mais und Tabak angebaut. Eigen Ihümlich ist die Art da
Aciieriiiig, bei welcher man sich noch ganz primitiver Pflüge, einfacher
Baumstämme mit Wurzelhaken bedient. Die Egge wird durch zusammen-
gebundene Reisigbündel vertreten und die Frucht dort, wo Sense und
Sichel unbekannt sind, einfach mit der Hand ausgerissen. Allenthalben
erblickt man in der Nähe der Ortschaften — die Behausungen der
Eingeborenen sind hier schon aus Stein gebaut — zerstörte unJ
verfallene Forts und sonstige Befestigungen, Denkmüler aus der Zeit.
als die Rädschas und Fürsten des Landes untereinander in steter Fehde
gelebt haben. Auch portugiesische Forts mit runden Eckthürmen und
crenelierten Mauern sind noch vorhanden.
Nach zweiundzwanzigstündiger Fahrt hatten wir.vonWadi aus die
Nizam's Guaranteed State Railway benützend, Tandur erreicht, von wn
aus sofort eine dreitägige Jagdexpedition angetreten werden sollte. Der
Nawäb Vicar ul-Umra, ein Vetter des Ministers desNisams, war, gefolgt
von mehreren Engländern und SchikärTs, auf dem Bahnhofe erschienen,
um mich zu begrüßen. Unter den Anwesenden befand sich auch der
Commandant der Truppen des Nisams, Oberst Nevill, der unseren Zug
bereits in Wadi bestiegen hatte und mir nun, obwohl Engländer von
Gehurt, im reinsten Wienerisch, welches er seit 18 Jahren nicht mehr
gesprochen, seine Erlebnisse erzählte. Er hat vormals in unserer .Armee
gedient und war schließlich Rittmeister bei Haller-Husaren. Während
des Besuches Ihrer Majestäten in Mailand im .'ahre IR.'ir hatte Nevill
als Ordonnanz -Officier des Kaisers fungiert und dann bei Magenta als
Adjutant Gyulays das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdecoration
errungen. P-r quittierte nach dem Feldzuge mit Charakter und zog sich
nach England zurück, von wo aus er später nach Indien in den Dienst
des Nisams kam, als dessen Generalissimus er bei Hofe eine sehr ein-
llussreiche Stellung einnehmen soll.
Es währte ziemlich lange, bis wir im Stande waren, aufzubrechen,
da insbesondere die Veriadung des für die Jagd erforderlichen Gepäckes
geraume Zeil beanspruchte und die Verständigung mit den Eingeborenen,
welche uns voll blinden Eifers immer wieder an Steile der richtigen
die unrichtigen Gepäckstücke entrissen, schwierig war. Endlich waren
wir llott.
In einer groücn, goldbcmaltcn, von einem Artilleric-Viererzugfr
gezogenen Goach fuhren wir fürs erste durch Tandur, das noch mitu
Ringmauern und Befestigungen verschen ist, dann einige Meilen quec"
landeinwärts, um das ütwa Mi i'ui entfernte Jagdluger zu erreichen, das
wir drei Tage lang bewohnen sollen. Wie staunte ich, als ich eine
völlige Stadt von Zelten betrat, die, an den Seiten einer großen, freien.
quadratischen Fläche aufgeschlagen, mit dem höchstmöglichen Mati
von Bequemlichkeit und Luxus eingerichtet waren.
In der Mitte des Lagers, dem Eingange gegenüber, steht das
grüße Speisezelt, Hatim für eine Tafel von 20 Personen bietend, vor
demselben aber ist unter einem Zeltdach ein grnjäer Salon situiert.
versehen mit den bequemsten Möbeln, mit Schreibtischen und einer
Sammlung von Büchern. An diesen Salon anschließend, liegen die für
uns bestimmten Zelte, deren jedem von uns eines zugewiesen ist, das
L'in vortreffliches Bett, einen sehr eleganten Schreibtisch, sonstige
Möbel und schwellende Teppiche enthält. Das für mich bestimmte
Zelt, vor dem auf einer hohen Flaggenstange meine Standarte weht,
zeichnet sich durch seine Größe aus und macht thatsächlich den
Eindruck eines Hauses. Die 18 Zelte, die wir bewohnen, umgibt eine
hohe Einfriedung, außerhalb welcher noch 40 Zelte stehen, für die
Schar der Diener, Köche, Jäger und Pferdewärter. Ungefähr 400 Ein-
Uehrirene. welche als Handlanger und Treiber verwendet werden sollen,
ksind in Laubhütten bequartiert, zwischen denen Rinder, Büffei, Ziegen
und Schafe in Herden weiden, welche den täglichen Bedarf an Fleisch
hefem: denn, um sich militärisch auszudrücken, der Verpflegsstand
Unseres Lagers beträgt über 500 Mann.
Beim Eingang in das Camp war eine einheimische Ehrenwache
ton 30 Mann aufgestellt, welcher sich 7 kolossale Eiephanten, die für
-le folgenden Jagdtage dienen sollten, und '20 reichgeschirrte, prächtige,
änibische Rosse unter .Aufsicht von zwei Stallmeistern in grüner Livree
«"reihten.
I Dieses in wahrhaft großartigem Stile angelegte Jagdlager ver-
•ike ich dem Nisam von Haidarabad, der sich bald telegraphisch
^h meinem Befinden sowie danach erkundigte, ob ich mit den
«offenen Einrichtungen zufrieden sei.
Nach der .Ankunft im Lager wurde mir der Sohn des Nisams
•"6«stellt, dem ich durch den Dolmetsch meine Freude über den glän-
*®ncien Empfang auf dem Gebiete von Haidarabad ausdrückte.
Sodann besichtigten wir die Pferde, welche von den Stallmeistern
Nisams vorgeritten wurden, sowie die Eiephanten, deren lange
tzähnc mit dicken, reich verzierten Eisenringen gegen das Splittern
Schützt waren.
des
Sobaltl unsere liagafjL' angelangt war, Icj^Ic icli Jiigdkicidur
und durchstreifte mit Wurmbrand die umliegende Gegend, während
anderen Herren einen Ritt unternahmen. Mir fielen bei diesem kui
Auslluge Vertreter verschiedener, mir noch neuer Vogelarten zur Beul
so unter anderem zierliche Wachteln (Turnix dussumieri), —
den Engländern Buttanquail genannt — femer Tauben, Sänger
Schmätzer. Auf niedrigen Tamariskenhäumen fand ich zum erst
male eine größere Anzahl der so kunstvoll geflochtenen Nester
Webervogels.
Die Flora war nicht sehr reich vertreten, nur eine strauchartige
Rosacee mit reichen, gelben Blüten tiel mir auf, welche vielfach als
Opfergabe in Tempeln Verwendung findet, seitdem den praktischen
Indern die früher gebräuchlichen Goldopfer doch zu kostspielig gewor-
den sind. So bringen sie denn jetzt statt gelben Goldes gelbe Blüten
dar. Wer erinnerte sich da nicht der klagenden Worte Kalchas' über
abnehmende Opferfreudigkeitl ....
Günstigste Botschaften liefen über Tiger ein, welche, wie
hieß, ein angebundenes Kalb gerissen hatten und sich nach Aussage
der Schikäris in einem nahen Dschungel befanden. Abends erhielt
ich ein Telegramm Mr. Jevers' aus Colombo, welches die höchst
erfreuliche Nachricht brachte, dass ein großer, von mir angeschweißter
ülephant, wahrscheinlich jener, auf den ich am 8. Janner geschossen
hatte und der auch gestürzt war, auf ICHX) m vom Anschüsse verendet
gefunden worden sei. J
1
Tand 11 r.
I. Jänna
Die englischen und die einheimischen Jäger wollten erst gegen
1 1 Uhr Vormittags ausziehen, mit der Begründung, dass um diese Stunde
die Tiger träger und leichter zu treiben seien. Ich war zwar mit diesem
spaten -Aufbruch nicht einverstanden, doch fügte ich mich den landes-
üblichen Sitten, und so schickten wir denn unsere Jäger und Gewehre
mit einer Anzahl Elephanten voraus, um nach einer halben Stunde auf
den Pferden des Nisams zu folgen.
Diese Pferde sind ganz eigenthümlich zugeritten, oder in unserem
Sinne gesprochen, eigentlich verritten; ganz hinler der Hand, sind
sie gewöhnt, von ihren Reitern durch beständige Hilfen gezwungen
zu werden, eine schöne Figur zu machen, so dass sie ununta
brochen tänzeln und croupieren, was auf die Länge der Zeil ktilB
erträglich ist.
; Jagdgelegenheit, in der auf Tiger getrieben werden snilte.
bildeten niedrige, mit Strauchwerk überzogene Hügelketten, durchquert
v..n kleinen Schluchten und Thälern, die in fharakter und Aussehen
mich an die Hügel der Üdenburger Gegend erinnerten.
Schon in Bombay hatten wir jeden Tag mindestens drei Tele-
gramme erhalten, welche uns die Nachricht brachten, dass die Tiger
stets an einer bestimmten Stelle gerissen hätten und daher der Erfolg
heinahe sicher sei. Somit durften wir die besten Hoffnungen hegen und
J^cgcn frohgemuth unseres Weges lürbass. Wir waren kaum einige
Meilen geritten und näherten uns eben dem Jagdplatze, als ver-
schiedene Schikän's herbeigelaufen kamen und lebhaft gesticulierend
Unserem Jagdarrangeur Mr. Stevens eine Meldung erstatteten, .Auf
"leine Frage wurde mir bedeutet, dass die Chancen nicht so günstig
stünden, als ursprünglich gedacht, die Nachricht von dem gerissenen
Kalbe sei eine irrthümliche gewesen, das Kalb habe sich losgemacht
UnJ lebe vergnügt.
Nicht lange darauf kamen Eingeborene, mit welchen die Schikäris
eirie lange Berathung pflogen, deren Ergebnis war, dass sie mir erklärten,
es sei für heute nichts mehr zu machen, der Tiger hätte nicht gerissen
und das Beste wäre, ins Lager zurückzukehren. Bitter enttauscht durch
diese Nachricht, nahmen wir unter einer großen Tamariske ein Trost-
frühstfick ein und kehrten auf demselben Weg in das Lager zurück,
welchen wir vor kurzem in der sicheren Erwartung gekommen waren,
die in .Aussicht gestellten Tiger zu finden.
Da die Uhr erst die zweite Stunde zeigte, streifte ich mit meinen
Herren noch durch einige Zeit quer durchs Land, um wenigstens die
«rnithologische Sammlung und die Küche zu bereichern. In den bebauten
Feldern, in welchen, auf Hühner oder Schakale zu stoßen, wir zuver-
sichtlich gerechnet hatten, trafen wir merkwürdigerweise gar kein Wild;
dafür aber waren die Ränder der vielen kleinen Teiche und die nassen
Keisfcldcr so reich an Bekassinen und Strandläufern, dass wir deren
*^1<I eine ansehnliche Anzahl erlegt hatten, die unserem Koch üher-
Wbcn wurden.
Vor unserem .Aufbruche hatte ich mitten zwischen den neben
unserem Camp gelegenen Hütten der Eingeborenen ein abgehäu-
'•^'"s Schaf als Luder niederlegen lassen und konnte nun, nach der
'^'ickkehr im Verlaufe weniger Minuten i:J Schmutzgeier (Neophron
sifginianus) und 2 Schmarotzer- oder i'ariah-Milane {Milvus govinda)
Tandur, 23, Jänner.
(.Ibschon der Rath der Jagdkundigen beschlossen hatte, dass wir
heute recht früh aiiflirechen -sollten, um den ganzen Tag vor uns zu
haben und mehrere Triebe nehmen zu können, war es bei der fatalei
Unpünktlichkeit und ZeilvertrÜdeUing, welche hierzulande Europäi
wie Eingeborene auszeichnen, leider 10 Uhr geworden, bevor wir uns
in Bewegung setzen konnten.
Die Zeit bis zum Start wurde durch einen mir neuen Spurt — eine
improvisierte Falkenjagd — verkürzt. Mehrere Hindus aus HaidarabaJ
hatten abgerichtete Falken und einen gefangenen Reiher herbei gebracht,
den sie im Lager in Freiheit setzten. Kaum hatle dieser eine gewisse
Distanz durchmessen, so lösten die Hindus einem Falken die Kappe
und alsbald strich derselbe in pfeilschnellem Fluge dem Reiher nach,
stieg in die Luft, um dann wie ein Blitz niederzusausen, den Reiher mit
den Fängen zu Boden schlagend. Hierauf hieb der Falke seinem Opfer
Fänge und Schnabel in den Rücken ein und begann zu kröpfen. Noch
zwei andere Falken wurden lanciert, die von weitem herstreichend eine'
emporgeworfene, todte Krähe mit seltener Geschicklichkeit in der Lul
li engen.
Doch Wichtigeres rief uns. Neuerdings waren uns die schönsten
Versprechungen gemacht worden; die Tiger hätten bestimmt gerissen
sie seien unbedingt innerhalb zweier .sicherer Triebe, in welchen mar
sie brüllen gehört habe.
Wir ritten denselben Weg wie tagszuvor, bis unter dem groß«
Tamariskenbaume abermals eine lange Berathung erfolgte, worai
jeder von uns bestimmt wurde, einen Elephanten zu besteigen, Es wi
das erstemal, dass ich in einer Häuda saß. Ein eigenthümliches, frei
artiges Gefühl, auf dem Rücken des mächtigen Thieres, hoch über di
Boden in einem wannenartigen Behältnis zu schweben, welches beii
Gange des Elephanten in starke, nach vor- und rückwärts wiegend'
an das Schwanken eines Schiffes erinnernde Bewegung versetzt wii
Schon beim Einsteigen beginnt die Schwierigkeit, die übrigens niel
ohne komische Seite ist: der Elephant lässt sich nieder, man steigt ül
dessen Hinterläufe auf die abschüssige Croupe und schwingt sich
die Häuda; hebt sich der Elephant nun, so geschieht dies zuerst
den Vorderfüßen, dann mit den kürzeren Hinterfüßen, so dass die Häut
beinahe senkrecht zu stehen kommt, wobei man sich fest anklammei
muss, um nicht hinausgeschleudert zu werden.
EU H
4
Der Elephant wird durch einen Mahäut (Mahäwatj gelenkt, der
auf dem Kopfe des Thieres silzt und ihm mit einem spitzigen Haken
fGadschbag) sowohl das Tempo als die Direction angibt, bald rechts, bald
links in die dicke Haut stechend. Elephant und Führer leben .stets trotz
der manchmal etwas unzarten Behandlung des Thieres im besten Ein-
vernehmen; der Mahäut spricht unausgesetzt mit dem klugen Thiere,
und dieses erfüllt pünktlichst seines Lenkers Wünsche, indem es sich
auf Befehl niedersetzt, den Fuß emporhält, um den Mahäut aufsteigen zu
lassen, den Rüssel hebt, umkehrt, und thut, was sonst noch des Lenkers
Begehr. Wird der Elephant ungezogen, was zeitweise vorkommt, so
erhält er einige sehr kräftige Hiebe auf den Rüssel, die er mit tronipeten-
artigem Gebrülle quittiert. Kummen die Elephanten an Wasser, so
trinken sie mittels des Rüssels oder pumpen sich an und entnehmen
später, wenn die Hitze groß und die Fliegenplage arg ist, dem Maule
mit dem Rüssel eine Quantität ihres Vorrathes und bespritzen sich den
ganzen Leib; manche Mahäuts lassen ihre Thiere sich niederlegen und
so ein ßad nehmen. Gegen Fliegen sind die Elephanten trotz der Dicke
ihrer Haut ungemein empfindlich; sie wehren dieselben mit einem
großen Aste ab, den sie vom nächsten Baume brechen. Man darf nicht
etwa meinen, dass ein Elephant auch nur einen Augenblick ruhig
stehe; bald muss er Fliegen, die ihn quälen, verscheuchen, bald Gras
oder Blätter abreißen, bald schwenkt er den Rüssel in der Luft — mit
einem Worte: die Häuda ist in steter Bewegung, was die Sicherheit
des Schießens außerordentlich erschwert.
Bei einem kleinen Teiche zeigten mir die Schikäris eine mächtige
Tigerfährte, die ich als mindestens zwei Tage alt ansprach. Auf einem
mit Strauchwerk bestockten Hügel wurden wir am Rande einer gleich-
falls dicht bewachsenen Schlucht in Zwischenräumen von je 100 m
aufgestellt; zuerst Stockinger und Prönay, dann Wurmbrand, Clam, ich
selbst, am rechten Flügel Kinsky.
Vor unseren Ständen hockten auf einzelnen hohen, das Strauch-
werk überragenden Bäumen Eingeborene, deren Aufgabe darin bestand,
falls ein Tiger sichtbar werden sollte, mit rothen, an langen Stangen
befestigten Fahnen den Jägern anzuzeigen, welche Richtung derselbe
lommen.
Infolge unrichtiger Berechnung mussten wir auf den Ständen
iderthnlb Stunden warten, bevor der 'l'rieb angieng, was bei der Hitz«
und der fortwährend schwankenden und webenden Bewegung des
Elephanten keineswegs sehr ergötzlich war. Endlich erklang das Signal
befe
dl
— vier Tamtam-Sctiläse — zum Beginn des Triebes, und aishald hiirten
wir auf ungefähr 1000 m Entfernung das infernaÜsche Geschrei det
Treiber, begleitet vor Schreckschüssen, Trompetentönen, Tamtam-
Schläg;en und dem Geknarre großer Ratschen. Wir lauerten mit gespann-
tester Aufmerksamkeit und glaubten jeden Augenblick, den Tiger aus
dem Dschungel brechen sehen zu müssen. Wer aber nicht kam, war der
Tiger. Dafür sahen wir die Treiber sich nähern, — es waren deren liOO
aufgeboten -- regellos und höchst vorsichtig, zumeist einer hinter dem
andern und stets auf den bequemsten Stellen; denn diese Leute haben
eben begreiflicherweise gruüen Respect vor Tigern und sind, bevor sie
nicht in jedes Gebüsch geschossen oder Steine geworfen haben, nicht
vorwärts zu bringen, so dass ein ganz kleiner Trieb von einigen 100 «i
Ausdehnung unverhältnismäßig lange Zeit erfordert.
Die Eingeborenen dieser Gegend machten auf mich keinen
besonders günstigen Eindruck, da sie wenig muthig, unverlässiich, nicht
anstellig und recht lässig zu sein scheinen. Will man ihnen etwas klar
machen oder einen Befehl ertheilen, so nimmt dies geraume Zeit in
Anspruch, da alles durcheinanderschreit und peroriert, worauf sie dann
gerade das Gegentheil von dem thun, was gewünscht wurde.
.Sobald die Treiber zum Vorscheine gekommen waren, tischten sie
uns eine lange Geschichte auf: der Tiger sei im Dschungel gewesen, ein
Mann habe ihn gesehen, doch sei der Tiger ausgebrochen — ein Bericht.
den ich für erfunden halte. Nun war guter Rath theuer. Wir wollten
weiter jagen, der .Arrangeur aber erklärte, er müsse sich zunächst mit
den Schikäris besprechen und dann erst neuerlich abspüren lassen,
überdies bedürften die Treiber der Ruhe, was mir, da sie doch erst eine
Stunde lang getrieben hatten, verwunderlich erschien, Schließlich musste
nach landesüblicher Unsitte wieder ein Lunch über alle Verlegenheiten
hinweghelfen.
Nachdem wir durch dieses überflüssige Intermezzo kostbare Zeit
verloren hatten, setzten wir uns endlich um 7*5 Uhr nachmittags
wieder in Bewegung, um einen, wie es hieß, ganz sicheren Trieb zu
nehmen.
Wir ritten auf den Elephanten in ein anmuthiges, von steilen
Kelbpartien umgebenes Thal, als plötzlich ein Schikärl unter Geberden
der größten .Aufregung herbeigelaufen kam und meldete, er habe
eben den Tiger giinz in der Nähe brüllen gehört. Zugleich wurde mir
ein angeblich frisch gerissenes Kalb gezeigt, dessen Zustand aber den
Schikäri Lügen strafte, d» es mindestens vor sechs Tagen verendet
nocl
''^ und
Und von den Geiern schon fast zum Gerippe gefressen war. Auf einem
nahegelegenen Baume saßen auch zwanzig ganz vollgekröpfte, große
die unsere Anwesenheit wenig bekümmerte, so dass sie, auf uns
berabäugend, ruhig sitzen blieben.
Da die Elephanten auf den Felsblöcken nicht stehen konnten,
lellerten wir auf mächtige Bäume, über deren höher befindliche Aste
einige Querstangen gelegt waren, höchst luftige Plätze darstellend,
die uns kaum die nothwendige Sitzgelegenheit und der Aste halber
wenig Ausschuss boten. Wir bäumten hier so auf, dass die Stände der
Schützen etwa einen Halbkreis bildeten, und harrten der Dinge, die da
kommen sollten. Dieser Trieb glich vollkommen dem ersten, nur gieng er
noch langsamer vor sich, da die Treiber vor der Schlucht, in welcher
angeblich gerissene Kalb lag, nicht geringen Respect zu haben
:hienen und wenigstens eine Stunde lang in die Schlucht schössen
und dabei allerlei Lärm machten, bevor sie es wagten, in dieselbe
einzudringen. Die Sonne war schon lange untergegangen, Mond und
Sterne standen bereits am Himmel, als endlich die Treiber bei unseren
Ständen anlangten.
Kurz vorher war aus einer Felspartie geradewegs auf meinen
Baum ein großer Uhu zugestrichen, den ich, als er knapp über meinem
Kopfe aufhackend, mich mit seinen großen, gelben Lichtern erstaunt
anglotzte, mit einer Kugel herabschoss. Unmittelbar darauf wechselte
ein sehr schöner Mungo unter meinem Baume vorbei; doch konnte ich
auf das scheue Thier keinen Schuss anbringen.
Allmählich war es so dunkel geworden, dass wir auf unseren Ele-
phanten den Rückweg antreten mussten. Vom Zeltlager aus kam uns
eine ganze Schar Hindus mit Fackeln entgegen. Der jagdliche Miss-
erfolg halte unsere gute Laune so wenig verscheucht, dass, als Clam
eine der Fackeln ergriff und mit Prönay eine Art arabischer Fantastya
Iprovisierte, dies die lebhafteste Heiterkeit des ganzen Jagdzuges
Igte,
Weshalb die mit so bedeutenden Vorbereitungen und Kosten
.ngicrte Jagdexpedition ergebnisln.q geblieben war, ist mir nicht ganz
;lnr, ich glaube jedoch, nicht fehl zu gehen, wenn ich die Ursache des
Misserfolges hauptsächlich in der Trägheit und L'nverlässlichkeit der
Kingebnrenen sowie in dem Umstände suche, dass bei der Leitung des
^Unlemehmcns nicht bloß jagdliche, sondern auch persönliche Motive
ir Geltung gekommen waren, was bei einem Apparate von der Größe
Complication des hier aufgebotenen wohl eintreten konnte.
Morgen wird das l^ger veriassen und abgebrochen werden. Mir
bleibt zwar nicht das stolze B«vusstsein, den ersehnien Tiger gesehen,
geschweige denn erlegt zu haben, gleichwohl aber das GefiJhl hoher
Befriedigung; denn der romantische Aufenthalt in der Zeltstadt, das
Leben en plein air, der anregende Conlrast zwischen Civilisation und
Wildnis und nicht zum wenigsten die Gelegenheit, mit dem Wesen der
Eingeborenen in zwangloser Art vertraut zu werden, gestalteten die drei
Tage im Jagdlager von Tandur immerhin zu einer sehr interessanten
Episode.
Leider zählten wir in unserer Gesellschaft z^vei Kranke: Kinsky
sowie einen der Matrosen, welche ich von der > Elisabeth • mitgenommen
hatte; beide waren von starken FieberanßUen heimgesucht
Haidarabad.
Infolge der gestrigen Dispositionen waren wir um '/* 6 Uhr
morgens zum Aufbruche vom JagJIager gestellt: dessen ungeachtei
dauerte es eine volle Stunde, bevor sich unsere mit 13 Personen voll-
gefüllte Coach in Bewegung setzte. Die braven Artilleristen fuhren
über jeden in der Gegend wahrnehmbaren Stein, so dass knapp vor
Tandur eine Feder am Wagen brach und der Rest der Fahrt im Schritt
zurückgelegt werden musste. Der Vicar ul-L'mra, ein Mann, der mein
Herz dadurch gewonnen hatte, dass er uns versicherte, wir Österreicher
seien sehr gemüthliche Leute, die gut zu jagen und zu reiten ver-
ständen und ihm daher sehr gut gefielen, war vorausgeritten und
wartete bereits auf dem Bahnhofe in Tandur. von wo aus uns der
Extrazug nach Haidarabad brachte.
Höchst eigenthümlich gestaltet sind die Felspartien und die
Steinhügel, welche vor der Einfahrt nach Haidarabad sichtbar werden.
Dieselben bestehen aus großer^, runden Granitblöcken, welche regellos
geschichtet und häufig zu dreien und vieren aufeinandergethürmt
sind. Oft ist es kaum begreiflich, wie die ganz schief übereinander-
gestellten und scheinbar hängenden Kolosse sich in solcher Lage im
Gleichgewichte erhalten können. Bei der Einfahrt nach Haidarabad
lallt der Blick zunächst auf einen blau schimmernden Teich, welcher
die ganze Stadt mit Wasser versorgt, während weiterhin zwischen
Bäumen versteckte Paläste und Moscheen her\orlugen.
-Auf dem Perron des Bahnhofes von Haidarabad standen, umgeben
von goldstrotzenden Würdenträgem und Adjutanten, der Nisam und
der englische Resident, Mr. Trevor C. Plowden. Der Nisam, seiner Macht
und seinem Range nach noch immer der erste unter den Vasallen-
Im Verkehre mit Europäern ist er zurückhaltend, ja geradezu schüchtern
und äußerst schweigsam, gegen seine Landeskinder soll er jedoch recht
energisch aufzutreten im Stande sein. Er kleidet sich stets europäisch;
zumeist trägt er einen schwarzen Gehrock, und das einzige, was der
Nisam von seinem heimatlichen Costüm bewahrt hat, ist eine turban-
artige Mütze aus gelbem Zeuge mit goldener Quaste; diese Kopf-
bedeckung legt er nie ab. Gleich der europäischen Tracht scheint der
Nisam auch europäische Sitten zu lieben und nach seiner Weise
angenommen zu haben, obwohl er im allgemeinen Europäern nicht
sehr hold gesinnt ist, was ihm bei den Erfahrungen, die er gemacht,
wohl nicht verübelt werden kann.
Asman Dschäh, der erste Minister des Nisams, zugleich dessen
Schwager, vereinigt fast alle Ressorts in seiner Hand; er ist ein Mann
mit intelligentem, schlauem Gesichtsausdrucke und nimmt eine wichtige
Stellung ein, weil er als Vermittler einerseits zwischen der englisctien
und der einheimischen Regierung, andererseits zwischen dem Nisam
und der Landesverwaltung fungiert, .\sman Dschäh verfügt über
bedeutende Einkünfte, da er von seinem Hab und Gut ein Jahres-
einkommen von 1,000.000 n. ö. W. und nebstbei jährlich einen Gehalt
von 230.000 fl. ö. W, bezieht. Der Minister besitzt in der Stadt Haida-
rabad und auch im Lande selbst verschwenderisch eingerichtete Paläste,
so auch den Palast Baschir Bägh, welcher uns als Absteigequartier dient.
Die Großen des Reiches, Nawdbs oder Nabobs, zumeist Verwandte
des Nisams, haben die hervorragendsten Stellen der Administration in
Händen und zeichnen sich durch Reichthum, insbesondere durch großen
Grundbesitz aus; einige derselben wohnen stets in der Stadt Haida-
rahad und erscheinen in Gesellschaft des Nisams bei allen Hoffesten.
Nawäb bedeutet -.abgeordneter« und ist ursprünglich der Titel der
Administratoren im Reiche der Großmoguln, später jener von Großen
geringerer Macht, englischer Vasallen gewesen, bis schließlich der Titel
N'awäb oder Nabob für Männer gebräuchlich geworden ist, die in Ost-
indien irgendwie zu großem Reichthum gelangt sind. Meist wird in
Hindustan dieser Titel, wie in Italien die «Eccellenza-, jedem ange-
sehenen Manne zugestanden.
Nach Vorstellung der erschienenen Würdenträger und mehrerer
höherer Officiere, sowie nach Abschreitung der Ehrencompagnie,
bestiegen der Nisam und ich mit zwei Adjutanten einen gelb ausge-
ichlagcnen, auf weichen Federn ruhenden Galawagen, der von vier
prächtigen a Ih Daumont eingespannten Schimmeln gezogen wurde.
119
Züc:
V.-.r dem Bahnhofe stand das enplische 21. Husarenrcgiment.
:'r.&< un-! mit je zwei Bscadronen vor dem Wagen und hinter dem-
äp. e sortierte. Dieses Regiment macht einen ausnehmend guten
iruck. Die L'r.if>'rm besteht aus schwarzem Attila^ schwarzen Hosen
reicher, bei der Mannschaft gelber, bei den Öfficieren goldener
■cr.nümnc und weißem Helme. Die Pferde, durchwegs australischer
-.:, >ind im Verhältni>se zu unseren Dienstpferden sehr groß unj
•r. und befinden sich, trotz der eben erst beendeten Manöver in
r Tondition. Der .Ankaufspreis der Remonte beträgt 72"j El. 0. \V
\'om Bahnhof an bis zu unserem Quartiere, dem Palais Baschir
'■'.. h:r. standen Truppen Spalier, und zwar die berittene afrikanische
■wache des Nisams. 2 L'hlaner.reeimenter. 3 Infanterieregimenter
die G'-Ikondaer Infanteriebripade. bestehend aus dem Golkondaer
dem Myseram-ketnmente.
Baschir Bägh dient in der Regel zur Aufnahme von Gästen, s<-'wie
Abhaltung größerer Festlichkeiten, welche der Minister alljährlich zu
in p^'egt. Das Gebäude ist ziemlich groß, mitten in einem kahlen.
;h->nen Ga.^en gelegen und mit einer kleinen Privat -Moschee
;es;atcs:. von der aus der Muezzin seinen einförmigen Gesang
nen lässL Die innere Einrich:ung des Palais ist europäischen
^runces, aber unharmonisch, ;a geradezu conglomeratartig zusam-
_'e=:ell; und besteht zum Thei'e aus Decorationsgegensiänden
■nderücher Art: ein gläsernes Billard; Tische, bedeckt mit mecha-
hen Spie'ereien; Fische und Wild darstellende Farbendruckbilder,
man >:e bei uns etwa auf Jahrmärkten und in Försterhäusern
-•;: ;apan:sch^ Decken; eine .Anzsh! von Gegenständen mannig-
sich bald wieder zurückziizielien. Wir richteten uns nun in unseren
Gemächern häuslich ein und bereiteten uns auf die officieüe Visite
des Nisams vor, dessen Erscheinen für Vi- 'Jhr angesagt war. Dieser
Besuch vollzog sich nach einem, in allen Details streng geregelten,
mir begreiflicherweise ungewohnten Ceremoniell.
C'lam und Cravvford waren um 1 Uhr in die Residenz des Nisams
gefahren, um den Fürsten abzuholen. Als dieser, von einer galop-
pierenden Escadron seiner Leibwache escortiert, angefahren kam,
erwartete ich ihn in Galauniform und in Ordenssternen erstrahlend
nächst der Pforte von BaschirBägh, am Rande eines Teppiches; denn
auch dieser Punkt war genau bestimmt. Nachdem der Nisam und ich
in das Palais eingetreten waren, ließen wir uns auf zwei thronartigen,
nebeneinander stehenden Stühlen nieder. Zur Rechten des Nisams nahm
sein Gefolge, zu meiner Linken meine Suite Platz, so dass wir auf diese
Weise im Halbkreise umgeben waren. Ich und Kinsky bestritten die
Kosten der Unterhaltung, indem wir dem Nisam von dem angenehmen
Aufenthalt in Tandur, von Haidarabad und von seiner Armee sprachen,
leider ohne den Fürsten dazu bestimmen zu können, seine unerschüt-
terliche Schweigsamkeit aufzugeben, da er sich nur auf wenige •Yes-
beschrankte. Nachdem schließlich eine völlige Stockung in der Conver-
sation und damit eine etwas befremdliche Situation eingetreten war,
begann der Resident, aus der Verlegenheit helfend, programmäßig mit
der wechselseitigen Vorstellung des Gefolges und der Suite. Dem Cere-
moniell entsprechend, überreichte ich dem Nisam auf einer großen Tasse
»altar- und -pan-, Rosenwasser und Betclblätter, worauf einer der
Funclionäre dieselben Ingredienzen an die hervorragendsten Persön-
lichkeiten der Versammlung vertheilte. Sobald dies geschehen war,
erhob sich alles; die Feierlichkeit war zu Ende. Unter dem Donner einer
Batterie, die schon den ganzen Tag über Freudenschüsse abgefeuert
halte, kehrte der Nisam in seine Residenz zurück.
Zwei Stunden später erwiderte ich den Besuch des Nisams in
dessen Residenz, dem Palais Tschaumahala. Ein Viergespann prächtiger
l-'üchse, von einem Stallmeister gelenkt, holte mich ab; zwei Esca-
Jronen englischer Husaren und zwei Escadronen eingeborener Madras-
Cavallerie escortierten den Wagen durch das Viertel, das wir beim
Kinzuge in Haidarabad bereits gesehen hatten, und so gelangten wir
hei dem fesiungsartig umschlossenen Paläste des britischen Rcsi-
deiiicn vorbei, über den Fluss in die eigentliche Stadt der Eingeborenen.
Diese trägt völlig den höchst originellen Charakter der alten indischen
Städte an sich, den sie schon uranfänglich gehabt haben mag:
von Menschen wimmelnde Straßen, kleine, schmutzige, einstöcki
Häuser mit vielfachen Holzverzierungen, ICaulläden und Bazars.
dem Kreuzungspunkte der vier an ihrem äußeren Ende durch lii
Steinthore abgeschlossenen Hauptstraßen erhebt sich ein vierecki|
Gebäude »Tschar Minar« mit seinen berühmten vier Minarets,
welchem sich auch die Polizeistation befindet. Überall waren s;
tierende Wachen und Truppen aufgestellt, hinter welchen sich
neugierige, lärmende Menge drängte.
Auf einer von zwei hohen Mauern eingeschlossenen Straße
gelangten wir endlich zum Thore des Palastes, eines Conglomerates
umfangreicher, aber niedriger Gebäude, welche das Gepräge eines
Üefensivplatzes an sich tragen. Vor dem Eingange waren mehrere
Gardisten postiert; an dem Fuße der Haupttreppe empfiengen mich der
Nisam und die Würdenträger des Reiches, in deren Geleite wir einen
schmalen, gewundenen Corridor durchschritten, um uns sodann plötz-
lich in einem prächtigen Hofe von quadratischer Form zu befinden. An
zwei Seiten des Hofes liegen große, mit Säulen versehene Empfangs-
hallen oder vielmehr besondere Paläste, mit kostbaren Mübeln, Spiegeln
und Teppichen versehen, während an den beiden anderen Saiten des
Hofes für Gäste bestimmte Prunkgemächer angeordnet sind, vor deren
Pforten sich Golonnaden hinziehen. Der Hof ist mit niedrig gehaltenen
Gartenanlagen und einem hoch liegenden, ungefähr 100 tu langen
Wasserbecken geschmückt.
Der rings von einer Mauer umgebene Palast des Nisams bedi
mit seinen Häuserlahyrinthen, Pavillons, Nebengebäuden, Harems
Parks einen Raum von über 1000 ha und nimmt ein Viertel der
gesammten Stadt Haidarabad ein. Die Bewohnerzahl des Palastes soll
nach ziemlich sicherer Quelle 7000 Personen betragen; sind ja doch
hier allein .'iöOO Damen, welche der Nisam erhalten muss, vorhanden,
und unter diesen nahezu 3000 Frauen und Veru-andte der vormaligen
Nisams, während der Rest der weiblichen Einwohnerschaft der Residenz
durch die Frauen und Sciavinnen des regierenden Nisams, sowie durch
ein Corps von einigen hundert Amazonen, die als Palastwache für den
Harem fungieren, gebildet wird. Diese Amazonen sind für das Auge
fremder Männer nicht sichtbar; sie sollen sich aber, wie uns eine eng-
lische Dame versicherte, welche die Bekanntschaft dieses Elitecorps
gemacht hatte, durch besonders abstoßende Hässlichkeit auszeichnen.
Begibt sich der Nisam in das Zenana, wie der Harem in ganz Indien
122
ngen
leofl
unoH
heißt, so tritt die Hauptvvache der Amazonen ins Gewehr und leistet
die Ehrenbezeigung. EwIr schade, dass uns dieser Anbück versagt
geblieben!
In der großen Empfangshalle waren unter einem reich gestickten
Baldachin zwei Thronscssel postiert, auf denen wir, der Nisam und ich,
uns niederließen, worauf sich die Visite unter demselben Ceremoniell
vollzog wie jene, welche der Nisam mir in Baschir Bägh gemacht
hatte: jedoch mit dem Unterschiede, dass die Staatsvisite diesmal noch
stiller verlief als zuvor, da der Nisam nun noch weniger oder eigent-
lich gar nichts sprach, und dass uns die Betelblätter in sehr schön gear-
beiteten, silbernen Gefäßen geboten wurden, deren eines ich mir zum
Andenken erbat.
Nachdem wir unsere Gala mit bequemen Civükleidern vertauscht
hatten und durch den Leibphotographen des Nisams ein Bild von uns
aufgenommen worden war, sollte ein Ritt auf Elephanten durch die
Stadt unternommen werden. Wir bestiegen mit unseren Suiten eine
ganze Schar von Elephanten, die alle auf das reichste mit Seidendecken
von gelber Farbe, der LiebÜngsfarbe des Nisams, geschmückt waren.
Dieser Zug wird mir unvergesslich bleiben. Er bot das bunteste und
bewegteste Bild, welches sich eine üppige Phantasie ausmalen kann, ein
von der Cultur noch unberührtes Stück altindischen Lebens, eine Bethä-
tigung urwüchsigen Vergnügens an prunkhal'ten Schaustellungen und
.\ufzügen. Von der beträchtlichen Höhe meines Hofelephanten konnte
ich aus einer Art Vogelperspective meine Beobachtungen anstellen: in
der langen Straße, die vom Palaste in die Stadt führt, wimmelte, Kopf
an Kopf, eine dichtgedrängte Menge, welche durch rücksichtslos drein-
schlagende Polizisten Schritt für Schritt vorwärts geschoben wurde:
die zahllosen Turbans und die in grellen Farben, vonviegend roth,
Kelb und weiß gehaltene Kleidung der Eingeborenen wirkten überaus
malerisch.
Den Zug eröffnete die irreguläre afrikanische Leibwache des
Nisams, die ununterbrochen vor uns sang, wilde Krieg.stänze aufführte
und die Waffen schwang. Es ist sowohl beim Nisam als bei allen
größeren Nawäbs des Reiches Sitte, sich eine afrikanische Leibwache
tu halten, ein aus Angehörigen aller möglichen afrikanischen Stämme,
namentlich aus Somalis, bestehendes, zusammengelaufenes Gesindel,
das bei seiner steten Kauflust Grund zu häufigen Straßenaufläufen und
Kämpfen in Haidarabad gibt. Man konnte wahre Räuberfiguren und
ijalKengesichter unter dieser Leibwache wahrnehmen, deren Mitglieder
I3a
nicht uniformiert sind, sondern beliebige Kleidung und aussch1ie6lii:h
ihre eigenen Waffen, meist lange mit allerlei Zierat beschlagene, ost-
afrikanische oder arabische Gewehre und breite Gürtel tragen, in
welchen die verschiedenartigsten Pulvertiömer, Pistolen und Messer
stecken.
Unmittelbar vor den Elephanten marschierten uniformiene Leib-
wachen und ritten die Adjutanten in Nationaltracht: diese Vorhut hielt
die Ordnung aufrecht, während mehrere Escadronen Cavallfirie den
Zug schlössen. L'nausgesetzt stiegen, wiewohl es hellichter Tag war,
Raketen zum Himmel empor, ununterbrochen donnerten von den um-
liegenden Höhen die Batterien ihre Gruße herab. Sämmiliche Fenster
und auch alle Dächer der Häuser waren von Neugierigen besetzt; selbst
aus den Frauengemächem lugte manch neugieriges Gesicht heraus.
Endlich war der Zug — ein farbenprachtiges Tohuwabohu — am Ende
der Hauptstadt angelangt; das vor uns befindliche Volk wurde durch
die Leibwache in Nebengassen gedrängt, und ich verließ mit dem Nisam
die HiUida.
Begleitet vom 21. Husarenregimente, das mich hier erwartet hatte,
kehrte ich nach Baschir Bägh zurück.
Leider hatte Kinsky wieder einen Fieberanfall, so dass er mich nun
zu dem folgenden Gala-Diner beim Nisam, welches für 8 L*hr angesagt
war, nicht begleiten konnte. Als wir uns dem Palaste näherten, erstrahlten
die Mauern, welche den Palast und den Park umgaben, und A'or allem
das Kingangsthor im Lichte sternförmig angeordneter Lämpchen. In die
Pracht der indischen Märchenwelt glaubte ich mich versetzt, als ich den
groUcn Hof betrat, der von 40.(,XX> Lichtem taghell beleuchtet war; jede
Stufe, jedes Gesimse, jede Säule, jeder Baum, jeder Strauch trug.
herrlicher illuminiert, in Flammen getaucht war, ja von bunttm Feuer
zu glühen schien. Auf den Kieswegen waren Teppiche aufgelegt und
unter Vorantritl einer Escorte von Adjutanten schritten wir in den
Speisesaal, der, auf einer Seite offen, die Aussicht auf den feenhaften
Glanz des beleuchteten Hofes bot. 85 Personen nahmen an dem Parade-
Diner theil.
Ein seltsames Bild — die vielen in Gold strotzenden Pracht-
gewänder der einheimischen Würdenträger neben unseren und den
britischen Uniformen, neben den Toiletten der englischen Damen und
der Tracht der einheimischen Officiere. Die Tafel war mit prachtvollen
Goldaufsälzen, bunten Blumen und riesigen Bonbonnieren wahrhaft
verschwenderisch ausgestattet.
Eine Regimentskapelle der regulären Truppen des Nisams besorgte
die Tafelmusik, die leider mit der gediegenen Pracht, welche uns aller-
seits umgab, nicht in Harmonie stand. Ich habe bisher den Eindruck
gewonnen, dass bei den Festen in Indien überhaupt die europäische
Musik eine stiefmütterliche Behandlung genießt; denn die Inder scheinen
für dieselbe geringes Verständnis, dafür aber Vorliebe für falsches
Clarinett- und Flolengewinsel zu besitzen. Außerdem fehlt es ent-
schieden an rhythmischem Gefühl, wenigstens waren einige der vor
uns concertierenden Musikkobolde ihren Genossen stets um mehrere
Takte voraus, ohne sich hiedurch in ihrer Seelenruhe auch nur im
geringsten stören zu lassen.
Im Verlaufe des vortrefflichen und durch Weine reich gewürzten
Diners brachte ich einen Toast auf die Gesundheit der Königin von
England aus, welchem der Nisam einen Toast auf Seine Majestät den
Kaiser und sodann einen Trinkspruch auf mein Wohl folgen ließ, den
ich mit einem solchen auf den Gastgeber beantwortete. Jeder der
Toaste wurde von den entsprechenden Hymnen begleitet; doch war
unser herrliches -Gott erhalte- kaum zu erkennen. Aufrichtiges Mitleid
empfand ich mit meinem Nachbar, dem Nisam; denn die Nothwendigkeit
loasiieren zu müssen, schien ihm schrecklich bitter zu scm. Gleich nach
der Suppe zog er aus seinem Rock ein langes Papier, auf welchem
die Reden aufgeschrieben waren; das Blatt in den zitternden Händen
hallend, memorierte der Nisam während des ganzen Diners. Bei meiner
keineswegs großen Vorliebe für die Sitte des Toastierens gab mir die
Seelenangst und Pein meines Nachbars einen gewissen Rückhalt, da
ich nun an dem Nisam einen Leidensgenossen hatte, dem die Sache,
wenn möglich, noch unangenehmer war als mir.
k
Zu Ende des Diners wurden jedem Gaste Kuchen serviert, und als
wir dieselben aufschnitten, flog eine Menge kleiner, bunter Vögel henor.
die sich alsbald im Saale venheilten — ein orientalischer Scherz, der
bc?"nders bei den englischen Damen viel Wohlgefallen erregte.
Der schwarze Rock, welchen der Nisam zum Diner angelegt hatte,
trug anstatt der Knöpfe geradezu fabelhaft große Diamanten, welche
mich veranlassten, dem Nisam während des Diners meine Bewunde-
rung solchen Schmuckes auszusprechen, worüber jener sichtlich ver-
gnügt lächelte.
Cigarren und Kaffee »"urdcn im Hofe serviert, wo wir uns auf
Üivans, die in goldenem und silbernem Zierate prangten, nieder-
gelassen hatten. .Alsbald wurde von dem Dache des gegenüberliegen-
den Hauses ein kolossales Feuerwerk mit drei Fronten abgebrannt,
dessen Garben von Raketen. Schwärmern, Sonnen und Fallschirmen
zum dunklen Himmel emporstiegen. Große feurige Schiffe mit voller
Takelage erschienen und zum Schluss erstrahlte die ganze Front in den
buntesten Lichtem mit der Aufschrift: »Welcome to His Imperial and
Royal Highness the Archduke Francis Ferdinand of .Austria-Este.-
Hiemit hatte das orientalische Zauberfest sein Ende erreicht. Mit
vielen Worten des Dankes empfahl ich mich vom Xisam und kehrte,
diesmal mit afrikanischer Escorte. in mein Palais zurück.
Haidarabad, 25. Jänner.
Dichter Nebel venfChleierte die Stadi und ihr Weichbild, als wir
nach 6 L'hr moi^ens in einer vierspännigen Mail-Coach gegen den
Exercierplatz von Sikandarabad hin fuhren, auf dem die große Parade
;anze 21. Husarenregiment, 4 Escadronen in der Stärke von 442
Reitern, daneben ein Regiment Madras-Uhlanen, 410 Reiter, eingeborene
reguläre Cavallerie. schöne, dunkelfarbige Leute, zumeist mit martia-
lischen, bärtigen Gesichtern. Die Uniform besteht aus hechtgrauem
Rocke, dunkelblauen Hosen und sehr praktischen, gelben Schnür-
schuhen, den Kopf bedeckt ein hoher, blauer Turban, und als Waffen
führen die Reiter eine kurze Lanze, einen in einem langen Schaft am
Sattel befestigten Carabiner und eine Art türkischen Krummsäbels,
Die Pferde, theils einheimischer, theils persischer Zucht, sind gut, aber
kleiner als jene der Husaren. Hierauf folgte, mit dem Stande von
347 Reitern, das 4. Uhlanenregiment des Haidarabader Contingenls,
ebenfalls aus Einheimischen bestehend, die von englischen Officieren
befehligt werden. Der .Schnitt der Uniformen ist der gleiche wie bei
den Madras-Uhlanen. nur ist die Farbe dunkelblau mit ziegelrothen
Aufschlägen und gleichfarbigem Turban. Die drei Cavallerieregimenter
und die reitende Batterie bildeten die 21. Brigade, an welche sich die
Artilleriebrigade reihte, bestehend aus zwei englischen F'eldbatterien
mit je G Geschützen, einer einheimischen Batterie des Haidarabader
Contingents mit 4 Geschützen und der Elephanten ■ Batterie mit
45 Geschützen,
.Auf die Artillerie folgten zwei Infanteriebrigaden, deren erste
zusammengesetzt war aus dem 2. englischen SufTolk Infanterieregiment
— mit den bekannten rothen Röcken, weiüen Helmen und weißem
Hiemzeug — in der Stärke von 840 Mann; dem 15, Regiment Madras-
Infanterie, aus Eingeborenen bestehend. 588 Mann, mit krapprothen
Röcken, schwarzen Aufschlägen, schwarzen Pumphosen; endlich dem
'1. Regiment des Haidarabader Contingents, 515 Mann, dunkelgrün,
mit hohen Turbans adjustiert. Die beiden letzteren Regimenter waren
mit Henn»' Martini-Gewehren, das englische Regiment aber schon
mit den neuen Lee-Melfort-Magazinsgewehren bewaffnet. Die zweite
Brigade umfasste das 2. englische Welsh-Regiment, 512 Mann; die
Haidarabader Freiwilligen; das 16. und das 20. Regiment Madras-
Infanterie mit 511, beziehungsweise 319 Mann, Den Schluss bildete
eine Compagnie Sappeure und Mineure, 147 Mann, eine aus der
niedersten Kaste von .Madras geformte Truppe, die sich in allen Keld-
^ügen und Expeditionen stets durch ihre Tapferkeit und .Ausdauer
ausgezeichnet hat; fast bei jeder Gelegenheit, sowohl in Indien als
im Sudan sind diese Sappeure und Mineure ihrer Tüchtigkeit wegen
Verwendet worden und nahezu jeder Mann ist mit einer Medaille oder
deren zwei decoriert Diese Truppe ist mit schariachrolhen Rät
blauen Hosen, hohen, schwarzen Mützen, nach der Alt jenur, wd
die Parsen tragen, adjustiert.
Nach dem Abreiten der Front formierte sioh das gesammte (
zur Defilierung, welche in derselben Reihenfolge stattfand, in welcher
die Truppen vom rechten Flügel aus standen. Die Artillerie defilierte
batterieweise, die Cavallerie mit entwickelten Escadronen und die Infan-
terie mit Compagnien. Die Defllienmg gieng sehr präcis von statten und
bei allen Abtheilungen, auch bei den Eingeborenen, fielen mir das
gute Aussehen und die vorzügliche Haltung auf. Den Glanzpunkt der
Cavallerie bildete natürlich das Husarenregiment; doch blieben bis auf
das minderwertige Pferdematerial die eingeborenen L'hlanenregimtnter
nicht weit hinter den Husaren zurück. Bei der Artillerie stach die
reitende Artillerie durch ihr schmuckes Aussehen und ihre treffliche
Bespannung mit australischen Pferden hervor. Am meisten interessierte
mich jedoch als etwas mir vollkommen Neues die Elephanten-Batterie,
bei der vor jedes der sechs 40pfundigen Vorderladgeschütze zwei
Elephanten gespannt sind, deren Geschirr aus großen, ledernen Decken,
eisernen Ketten und Strängen besteht. Auf dem Kopfe jedes dieser
mächtigen Thiere, die schön ausgerichtet defilierten, sitzt ein Lenker.
Die Munitionswägen sind mit je acht Zebuochsen bespannt, die durch
ihre flinken, behenden Bewegungen auffallen. Die Infanterie defilierte
noch zweimal; zuerst in Bataillonsmassen, ähnlich wie es in Deutsch-
land üblich ist, mit geschulterten Gewehren und gepflanzten Bajonetten:
sodann in Brigademassen, beide Brigaden hintereinander. Eine ganze
Brigade in so gedrängter Formation auf einmal vorbeimarschieren zu
sehen, macht einen imposanten Eindruck. Die Cavallerie und reitende
Batterie defilierten auch im Trab und in einem sehr scharfen Galopp-
tempo, welches beinahe an Marsch-Marsch grenzte. Die reitende
.'\rtillerie und die 21er Husaren kamen im Galopp sehr schön vorbei,
während dieses Tempo bei den Eingeborenen-Regimentern nahezu in
eine wilde Jagd ausartete.
Der Nisam, welcher sich verspätet hatte, kam erst zur Defilierung
imd schien für das militärische Schauspiel nicht viel Interesse zu
empfinden.
Kinc unabsehbare Menschenmenge, darunter sehr viele englische
Dnmen und Herren, zu Pferde oder in großen Coaches wohnten dei
Kl'vul' l'L'i. Zum Schlüsse derselben exercierte auf meine Bitte hin die
iikpbiiiUcn-Bftltcrie. Der Commandunt. Major Leach, lieQ die Batterit
J
abprotzen, sich ins Feuer setzen und wieder aufprotzen, welche Manöver
ungemein rasch vor sich giengen, da die Elephanten dank ihrer Gelehrig-
keit alie Evolutionen genau kennen, ja beim Commandü des Aufprotzens
sich sogar in Trab setzten, um rascher bei den Geschützen anzulangen.
Kur im feindlichen Feuer sollen die Elephanten nicht zu gebrauchen
sein und müssen daher stets aus dessen Bereich gehalten werden, weil
sie besonders das Kleingewehrfeuer nicht vertragen und vor demselben
gleich durchgehen.
Der beleibte Hofphotograph des Nisams hatte diesen bewogen,
sich mit mir zum Zwecke einer photographischen Aufnahme bei ihm
einzufinden, und so ritten wir denn unmittelbar nach beendeter Parade,
begleitet von einer johlenden und schreienden Schar Eingeborener, zu
seinem Atelier. Der unermüdliche Künstler besitzt ein eigenes, schönes
Haus und scheint am Hofe des Nisams eine hervorragende Stellung
einzunehmen, da er überall zu sehen ist und der Nisam sich sehr oft
zu ihm begibt, um sich unzähligemale photographieren zu lassen. Die
unabweisliche Nothwendigkeit, jeden Augenblick einem Photographen
als willkommenes Object dienen zu müssen, scheint ein in Indien
grassierendes übel zu sein.
Xach zahlreichen Aufnahmen konnte ich mich endlich vom Nisam
verabschieden und nach Baschir Bägh zurückkehren, wo auf unserer
Veranda ein förmlicher Bazar etabliert war, da ich einige Waffen händl er
bestellt hatte, um alte indische Waffen zu erwerben. Nach langem
Handeln und Feilschen, was dem Reisenden im Orient leider nie erspart
bleibt, kaufte ich eine große Anzahl der so schön gearbeiteten, oft
phantastisch geschmückten Säbel, Schwerter, Dolche, Pistolen, Schilder,
sowie Lanzen und reihte meiner Sammlung auch mehrere uralte Panzer-
hemden ein; darunter eines aus sogenannten Fischschuppen, sowie ein
anderes, in dessen einzelne Ringe je ein Koransprueh graviert war.
Für 2 Uhr war beim britischen Residenten ein Dejeuner angesagt.
Die Residenz ist ein hohes, in einem von Mauern umschlossenen, großen
l'arlt gelegenes, geschmackloses Gebäude, welches eine endlose Flucht
vm Sälen enthalt.
Der Resident, Mr. Trevor C. Plowden. ein liebenswürdiger, geist-
reicher Herr, der sich für alles zu interessieren schien und sich über
die Verhältnisse meiner Heimat vollkommen orientiert erwies, hatte das
'-nglück gehabt, wenige Wochen zuvor seine Gattin an der Cholera zu
verlieren. Bei dem Dejeuner waren fast alle angesehenen Personen der
«^"Blisclien Colonie anwesend.
Der Nisiim ließ beinahe drei Viertelstunden auf sich warten,
erschien endlich in seinem gelben Galawagen und brachte viele Ent-
schuldigungsgründe vor. Dem Galawagen folgte in einiger Entfernung
ein ganz geschlossenes, fensterloses Wägelchen, welches ungefähr die
Korni unserer Wiener Postpaketwägen hatte. Auf mein wiederholtes
Befragen wurde mir der Bescheid zutheil, dass in diesem Gefahrte sich
Damen «us dem Harem befanden, sowie eingekühlter Champagner
enthalten sei. Seine Hoheit scheint Wein und Weib, als Mittel zur
X'ersohönerung des Lebens, nie entbehren zu können; denn der ominöse
Wagen begleitete den Nisam auch während der Fahrt nach Golkonda,
die wir nachmittags unternahmen.
Während des Frühstückes stellte meine Nachbarin mit mir ein
hochnolhpeinliches \'erhör an über die musikalischen Verhältnisse
Wiens, über die Iflege Beethoven" scher. Wagner'scher Musik, über
die t>per. über Instrumental- und Vocalmusik u. a. m. Die gute Dame
war crsluunt, als ich ihr meine Vorliebe für nicht allziistrenge Musik,
siiwic insbesondere für unseren welteneaibemden Walzer gestand.
.\ls nächste Nummer stand auf dem heutigen Programme der
Besuch der berühmten Kostung Cmlkonda. Bei der Fahrt dahin gelangten
wir durch X'ierlol und \'ort>rte von Haidarabad. die ausschließlich von
Ein_i;cborcncn sowie von indischen Mosleniin bewohnt werden und sich
;*uni Theile durch Kuinenhafiigkeit und Primitivität der Behausungen
au>.':eichnon. Neben Häusern, bemerkenswert durch schone Schnitze-
reien, stehen elende Lehmhütten oder erheben sich gar nur Laubdächer,
unter denen ganze Familien leben, .AulTallend ist in Haidarabad die
j:r.'lje Zahl der architekt«'nisch si' rei::end wirkenden Moscheen mit
^ibschleift worden ist. Einen imposanten Anblick biettil die nach allen«
Seiten hin von Wallmauern umschlossene, thcilweise auf einem domi-
nierenden Hügel gelegene Felsenfestung, insbesondere von der Fluss-
seite her. dort wo der Muti die äußere Ringmauer bespült.
Ein aus massiven Blöcken gefügtes Riesenthor führt in die Stadt
ein. Die Flügel dieses Thores, aus schuhdicken Pfosten gezimmert,
sind mit langen Eisenspitzen besäet, deren Zweck gewesen sein
soll, die Pforte gegen den Anprall der Elephanten zu schützen,
welche def Kriegführung früherer Zeiten gemäß wohl dazu verwendet
wurden, durch Einrennen der Thore den Scharen der Belagerer Bahn
in die Festung zu brechen. Im ganzen zählt die Festungsstadt acht
solcher Riesenthore, von welchen jetzt nur mehr vier, das Fateh-,
Mekka-, Dschamali- und das eben beschriL-bene Bandschara-Thor
benutzt werden.
Die Baugeschichte Golkondas weist drei Perioden auf. Der älteste
Theil, angeblich vom Rädscha von Warungul erbaut, dürfte die Citadelle
Balar hissar auf der Spitze des etwa 100 tti hohen Hügels sein. Hier
stand einst das Königsschloss. dessen Ruinen noch vorhanden sind.
Der zweiten Periode gehört jener Stadttheil an, welcher, zwischen der
Citadelle und dem mit breiten, halbverschütteten Gräben versehenen
Auüenwalle der unteren Festung gelegen ist und allerlei verfallene
Gebäude, kleine Paläste. Moscheen. Schulen und Wohnhäuser des
Gefolges in sich schließt. Der jüngsten Periode endüch entstammen
die Befestigungen im Osten, die sich fast unmittelbar bis an die
Königsgräber hinziehen und von dem ersten Herrscher aus der Reihe
der Xisams errichtet sind. Die Stärke der alten Festung bezeugen noch
die crcnelierten Courtinen des Hauptwalles, dessen Umfang etwa 48 km
beträgt, sowie die aus Granitblöcken errichteten 87 Bastionen. In den
Winkeln der Bastionen liegen zerstreut schön geformte, aber unbrauch-
bare, aus der Zeit der Kutab Schahis stammende Geschütze umher,
welche bei der Eroberung Golkondas durch Aurengzeb sämmtÜch ver-
nagelt oder demontiert worden sind.
Jetzt nur mehr von einem Wachposten besetzt und zur Bergung
einiger militärischer Depots benützt, liegt die ganze Festung, welche
Vüimals 10.000 Menschen Wohnung gewährt hat, still und öde da.
Auf 258 zumeist sehr steilen, rohen Stufen gelangten wir zu dem
höchsten Punkte Golkondas, der Citadelle Balar hissar, hinan. Hier
8<nieGt'man von einer Art casematlierter Terrasse aus eine weile
Rundschau auf Haidarabad mit seinen Gärten und Thürmen, auf die
Spiegel der Teiche im Vordergrund und auf die nahen, bcrühmien
Königsgräber, auf die Trümmer der Stadt und. ihre Wälle, Mauern.
Glacis, Gräben und Bastionen zu Füflen des Beschauers. Es ist ein
düsteres Ruinenfeld, auf das wir niederbücken, doch vermag man die
einzelnen Linien der Festung und ihre Werke noch genau zu verfolgen,
besonders an der Ostseite, dem neuesten Theile der Befestigungen, wo
noch ziemlich viel recht wohl erhalten ist, \'on den Bastionen kleben
manche, Schwalbennestern gleich, an den Felsen. ,^uch die anderen
Fortificationen, bei deren Aufbau die Granitblöcke des Terrains ein-
bezogen erscheinen, die starken Mauern und die mit rohen technischen
Mitteln hergestellten Steinarbeiten, zeigen von der Geschicklichkeit der
Baukünstler vergangener Jahrhunderte.
Das Landschaftsbild ist ein eigenartiges; denn rings um Golkonda
streben chaotisch durcheinandergeworfene Granitfelsen auf, wie dif
Legende sagt, Trümmer, welche der Erbauer des Weltalls, nachdem et
die Berge der Erde gefügt, hier niederfallen gelassen.
Die Mehrzahl der Königsgräber ist während der Belagerang
Golkondas durch Aurengzeb zerstört worden, dessenungeachtet bieten
diese Mausoleen der Könige aus der Dynastie Kutab Schahi mit ihren
Minarets, glasierten Säulen, Kuppeln. Terrassen, ihrer reichen Orra-
mentik, noch immer ein äußerst fesselndes Bild. Sir Salar Dscharj;
Bahädur, der durch seine vortreffliche Verwaltung des Staates Haida-
rabad bekannte, vor kurzem verstorbene Minister des Nisams. hat einen
Theil dieser Grabstätten sorgfältig wieder hergestellt und sie aufs neue
mit Fruchtbäumen und schattenspendenden Gartenanlagen umgeben-
Bemerkenswert ist unter all den Grabdenkmälern namentlich das Mau-
soleum des Schahs Mohammed Kuli Kutab {f 1625). des Gründers der
Stadt Haidarabad, sowohl durch den Reichthum der Verzierungen als
durch die Höhe (51 f«) des von einer 18 m hohen Kuppel Überragter»
Gebäudes.
Der Nisam. dem es Freude machte, uns überall hin zu begleiten •
war auch auf die Citadelle mit uns heraufgestiegen und proponiert^^
mir hier plötzlich ein Rifle match auf geworfene Flaschen und Thon. —
kugeln, wobei mit der Kugel geschossen werden sollte. Ich entschlos^
mich nur sehr schwer, auf diese Auffordenmg einzugehen, da d*^ -
Nisam als bester Schütze in Indien bekannt ist und ganz besonder"*
als Kugelschütze außerordentlichen Ruf genießt. Nur nach langet^*
Zureden seitens der Herren meiner Suite beschloss ich endlich, de:^*
Gang zu wagen.
^^ Zuerst wurden auf 30 Schritte melirere Flaschen aufgestellt und '
auf deren Hälse Thcinkugeln von der Größe eines kleinen Apfels gelegt.
Der Schütze sollte nun die Thonkugeln treffen, ohne die Flasche zu
berühren. Der Nisam schoss als erster und fehlte vier Thonkugeln; ich
folgte ihm. traf abervon vier Kugeln drei, worauf das Gefolge des Nisams
und er selbst in laute Beifallsbezeigungen ausbrachen. Neben den für
das Match bestitnmten Flaschen und Kugeln standen deren noch 16;
kühn geworden, unternahm ich das Wagnis, auf alte 16 Kugeln hinter-
einander KU schießen und es gelang mir 15 derselben zu treffen, wobei
der Nisam mit dem höchsten Erstaunen zusah. Sodann schössen wir auf
in die Luft geworfene Flaschen und erzielten gleiche Resultate, indem
jeder von uns vier Schüsse abgab und mit jedem derselben eine der
Flaschen traf. Ahnlich ergieng es uns bei geworfenen Thonkugeln.
Hieran reihte sich das schwierigste Experiment, nämlich das
Schießen auf geworfene Rupien, welche etwa dieselbe Größe haben
wie unsere Silbergulden. Acht Schüsse waren dem Schützen erlaubt.
Der Nisam traf einmal, ich aber hatte das besondere Glück, drei Rupien
zu durchschießen, obgleich ich bisher nie Gelegenheit und Veranlassung
gehabt hatte, mich auf derartige Kunststücke einzuüben, so dass es
ein sportliches Wagnis war, mich auf sn kleine fliegende Ziele zu
versuchen. Der Nisam machte in liebenswürdiger Weise gute Miene zu
dem bösen Spiele, in welchem er zum erstenmale unterlegen war, und
schlug vor, den Heimweg anzutreten. Ich gestehe, dass ich in meinem
Innern stolz war wie ein Löwe.
Bei herrlichem Mondschein, dessen Licht die Thürme, Moscheen
und Gräber magisch beleuchtete, fuhren wir nach Hause, wo unser
nach kurzer Ruhe ein Gala-Diner im Palais Baschir Bägh bei unserem
Hausherrn, dem Minister Asman Dschäh, harrte.
In einem .Annex des Hauses, einem hölzernen Theater, war die
lf*nge, für 150 Personen bestimmte Tafel gedeckt, an deren Stirnseite
*^h zwischen dem Nisam und einer englischen Dame saß. Auch hier
war das Fest mit orientalischer Pracht insceniert worden, doch machte
Jie große Zahl der Diener, die sich, die Schüsseln in den Händen, von
''^r offenen Bühne stets lawinenartig in den Saal stürzten, einen
tiriiiriick, welcher des komischen Beigeschmackes nicht entbehrte.
''^'"Eniigt saß derHausherrauf seinem Platz und fröhlich lächelnd über-
''''c:l<tc er, dabei einen phänomenalen Appetit entwickelnd, die Schar
''fiin^r Gäste. Eine aus Hindus zusammengesetzte Kapelle besorgte in
'J*l«"enzerrei Bender Weise die Tafelmusik,
Haidarabad. 26. Jänner.
Nach den zahlreichen Festlichkeiten der vorangegangenen Tage
sollte der heutige Vormittag der Jagd gewidmet sein. Bei Morgengrauen
verließen wir unter Führung des Majors Alfsar Dschang in einer großen
t'oach Baschir Bägh, um die Haidarabad umgebende Ebene, das Jagd-
terrain des Nisams, zu erreichen.
Die erste Jagdbeute, die mir schon unterwegs zufiel, waren einige
der fliegenden Hunde, die wir zu Tausenden auf den Bäumen vor
dem Palaste des englischen Residenten hängen sahen. Generalconsul
Stockinger übernahm die Mission, die Insassen des Palastes von dem
bevorstehenden Schießen zu verständigen, damit diese nicht erschräken
oder gar an den .Ausbinjch einer Revolution glaubten. Ich schoss vier
fliegende Hunde herab, worauf die gcsammte Schar lebendig wurde;
der Schwärm hob sich und kreiscliend flatterten die Thiere wie
Gespenster über unseren Köpfen umher.
Auf dem Jagdplatze, — bei Sarur Nagar — der ungefähr \0 km
von der Stadt entfernt war, eiwarteten uns die Jagd-Geparden, Tschilä
genannt, mit denen wir jagen sollten, mehrere Falkenjäger und unsere
Reitpferde. Nach langwieriger Besprechung und vielem Geschrei wurde
beschlossen, zuerst mit Falken zu jagen. In Ermanglung anderen
Wildes, welches erst hiitte aufgesucht werden müssen, wurde einem
kurz zuvor gefangenen Storche die Freiheit geschenkt und. nachdem
dieser einige Zeit gestrichen, der Falke lanciert. Wir galoppierten rasch
hinterdrein und sahen nach wenigen Minuten, dass der Falke auf den
Storch stieß und mit ihm aus der Luft zu Boden stürzte. Das Ganze
war das Werk eines Augenblickes. Ein zweiter Storch wollte durchaus
nicht fliegen; wilde Reiher zeigten sich nicht und so musste denn die
Beize abgehrochen werden.
Nun kamen die Geparden an die Reihe, deren wir zwei hatten und
die mit verbundenen Lichtem auf einem kleinen, von Ochsen gezogenen
Karren lagen. Wir ritten hinter dem Karren her, bis man in der Ferne
ein Rudel Black-bucks entdeckt hatte, unter denen sich zwei starke
Böcke befanden. Wir Reiter blieben nun etwas zurück, während die
Schikäris mit einem Geparden In schräger Richtung an die ganz vertraut
äsenden Antilopen anfuhren. Da. auf ungefähr lÜO Schritte, wird das
Kahlwild flüchtig, doch sind die beiden Böcke noch näher anzupürschen.
Endlich, als der Wagen auf 80 Schritte herangekommen ist, reißen sie
aus, aber im selben Momente zieht ein Schikärt dem Geparden die
,nde von den Lichtern und löst ihn; in einem Riesensprunge setzt
dieser vom Karren herab und verfolgt mit hoch erhobener Ruthe den
einen der Black-bucks, der sich von seinem Gefährten getrennt hatte.
Der Verfolgte, die Gefahr erkennend, eilt in voller Flucht dahin, doch
vergebens; denn nach wenigen Sprüngen schon sitzt der Gepard auf
dem Rücken des Bockes, reißt ihn nieder und beißt ihm in einem Augen-
blick das Genick durch, so dass wir heransprengend das Thier schon
verendet fanden. Gierig leckte der Gepard den reichlichen Schweiß und
ollte anfangs um keinen Preis von seinem Opfer lassen; erst nach
[Vieler Mühe konnten die Schikärls den Gepard wieder bändigen.
So halten wir auch diese interessante Art zu jagen kennen
siemt und beschlossen nun, den Rest der uns leider kurz bemessenen
Zeit mit einer Pürsche auf Black-bucks auszufüllen. Wir trennten uns
in drei Partien; jed'e versuchte ihr Heil in einer anderen Richtimg. Ich
wandte mich mit Alfsar Dschang und Kinsky gegen Norden. Die Jagd-
gelegenheit war eine nur von einzelnen kleinen Hügeln und Terrain-
wellen durchzogene Ebene, auf welcher es Palmenhaine, dorniges
Dschungel, sowie Heideflächen gab, die größlentheils mit verdorrtem,
gelbem Grase bewachsen waren. Auf solchen Stellen stehen die Black-
bucks am liebsten.
Bald stieß ich auf zwei starke Rudel, die im hohen Grase ästen und
gelangte, durch eine kleine Erdfalte mich anpürschend, auf 120 Schritte
an das nächste Rudel heran, welches ungefähr 100 Stück zählte. Vereint
standen hier — ein schönes Bild — starke Böcke mit ihren langen,
gewundenen Hörnern, alle Gaisen und viele Kitze. In diesem Augen-
blicke witterte mich eine der Caisen, wurde jedoch alsbaid mit einigen
Schmaigaisen und Kitzen im Troll flüchtig — jetzt war der Moment zum
Schusse gekommen. Ich nahm den stärksten Bock aufs Korn und gab
Feuer; derselbe zeichnete gut, wie ein aufs Blatt getroffenes Stück Hoch-
wild, gieng aber dennoch flüchtig mit dem Rudel fort, in diesem Augen-
blicke verhofTte ein zweiler capitaler Bock, den ich im Feuer erlegte.
Nun kam ein dritter, erschreckt durch das Stürzen des anderen Stückes,
flüchtig gegen mich heran, ich schob rasch eine frische Patrone in
den Lauf und halte die Genugthuung, den Bock in voller Flucht zu
lUlieren. Die erlegten Böcke mit ihren dunkelbraunen und schnee-
iißen Decken, zierlichen Häuptern und Läufen, sowie dem schönen
ihörne wurden sofort der Meisterhand Hodeks übergeben. Solange
Rudel in Sehweite war, flüchtete es unaufhaltsam, bis es endlich
einem dichten Dschungel unseren Blicken entschwunden war.
aus-
r in
nete
in« H
Ich rilt nun, frisches Wild zu suchen, gegen eine höhere Hügci-
kette, wo ich mir, dem Terrain nach zu schließen, Erfolg versprach
und entdeckte in der That hinter einem großen Felsen ein Hudel. das
aber äußerst scheu war und trotz sehr vorsichtigen Anpürschens aus-
riss, so dass ich nur noch eine Gais erlegen konnte.
In dem hohen Grase sprengte ich mehrere Hasen auf. welche dtt
unserigen ähnlich, jedoch kleiner sind und höhere, durchsichtige» ■!
Löffel haben, ferner auch Rebhühner und Wachteln, die sich hier in
ziemlicher Anzahl vorfanden. Nach längerem Umherstreifen begegnete
ich abermals, hart an der Grenze des Jagdterrains des Nisams, ein« ■
größeren Anzahl von Böcken, deren einen ich streckte.
Die Sonne brannte heiß auf uns herab und die Schikäris zeigtet
schon bedeutende Ermüdung; so wurde denn unter einem großen
Baume ein Stündchen gerastet.
Nach dem Aufbruche beschloss ich, das vormittags zuenst
beschossene, starke Rudel wieder aufzusuchen und fand es auch nach
halbstündigem Suchen auf einer freien Heideflüche stehend. Ich ver-
suchte so gut als möglich anzukommen, musste aber sehr weit schießen.
so dass ich einen Bock nur mit einem Schlegelschuss anschweißte.
Nun wollte ich ihn, da er mir sehr stark schien, unter jeder Bedingung
ausmachen; doch gelang mir dies erst nach vieler Mühe und nachdem
ich bei der Verfolgung noch einen gesunden Bock erlegt hatte.
Es war keine Täuschung gewesen, der angeschweißte Bock war
thatsächlich uralt, hatte ein ganz graues, lichtes Haupt, sowie starke
abgekämpfte imd gebrochene Stangen. Die Schwierigkeit, ein so
schlecht angeschossenes Stück, welches immer wieder außer Schuss-
distanz ausreißt, auf freier Fläche auszumachen, wenn die Zeit gebricht,
es krank werden zu lassen und keine Hunde zu Gebote stehen, kann
nur ein Jäger ermessen, welcher in der Lage war, eine ähnliche .Auf-
gabe unter gleich schwierigen Umständen lösen zu müssen.
Darüber war es Zeit geworden, in das Landhaus des Ministers
nach Sarur Nagar, wo wir uns umkleiden sollten, zu eilen, um ein für
den Nachmittag angesagtes Sportfest nicht zu versäumen. .\u( dem
Wege machte ich noch einen Coup double auf Bock und Gais und
galoppierte dann in das Landhaus, wo uns ein opulentes Frühstück
erwartete. Dieses Haus, der Lieblingssommersitz des Ministers, welches
dem Palais Baschir Bägh auffallend gleicht, dient dem Stammhaller_
des Ministers, seinem fünQährigen Sohn, den mir jener nach dem Essq
mit stolzer Vaterfreude vorstellte, zum .Aufenthalte. i
136
Im Hofe waren fünf einjährige Tiger angekeUel, welche der
Minister im Vorjahre, naclidem er die Mutter erlegt, gefangen hatte.
Sie waren äußerst possierlich, ziemlich groß, spielten ganz nach
Katzenart und ließen sich von uns streicheln und krauen, dass es
eine Freude war. Zu meinem Entzücken schenkte mir der Treundliche
Hausherr zwei derselben, die ich lebend und gesund nach Hause zu
^w bringen hoffe,
^^^ Da Kinsky leider wieder einen Fieberanfall hatte, musste er mit
^rMr. Stevens zurückkehren. Wir aber fuhren mit einem prächtigen
Sechserzug von Schimmeln, welchen der vorzügliche Stallmeister des
Nisams, und zwar vom Bocke aus lenkte, alsbald zu dem Sportfest
in Malakpett. einem etwa 3 Im von Haidarabad gelegenen, großen,
freien Platz, auf dem alle .Arten sportlicher Vergnügungen, wie Rennen,
Tentpegging, Glaskugelschießen u. dgl. m. abgehalten werden. Ein
I geräumiges, geschmücktes Zelt und eine hohe Tribüne waren für die
ivielen Zuschauer errichtet , die gröfltentheils aus Engländern und
Nawäbs bestanden. Infanterie und Cavallerie bildeten Spalier.
r Das erste Event bildete das mir schon von Parel her bekannte
BTentpegging, das Lanzenstechen auf hintereinander in den Boden
Besteckte Holzpllocke, wobei der Reiter füll pace anreiten und die
Pflücke aufspießen muss, ohne einen derselben zu fehlen oder zu ver-
lieren. Sowohl Landeskinder als Engländer betheiligten sich an dieser
schwierigen Übung, in der ein indischer Officier Sieger blieb.
^^^ Überaus heiter war ein Elephanten-Rennen, in welchem acht
^^KMckhäuter starteten und. von ihren Lenkern mit Geschrei, Hieben
^^Klnd Stichen freundlichst aufgefordert, in unglaublich schnellem Trabe
^^BUe Distanz durchliefen. Nicht weniger originell war ein Rennen von
^HKameelen.
Neu wie diese beiden Nummern war mir ein Ringen zu Pferde.
Je zehn Reiter von Native-Cavallerieregimentern auf nackten Pferden
ritten auf das Signal des Starters hin aufeinander los und versuchten
sich gegenseitig von den Pferden zu ziehen. Die Reiter waren bloß mit
Hemd und Hosen bekleidet und trugen als Abzeichen verschiedenfar-
iRc Schärpen, die Pferde waren nur mit Trensen versehen. Mit affen-
rtigvr Geschicklichkeit behaupteten sich die Reiter auf den Pferden,
nnige der größeren Leute klammerten die Zehen unter dem Bauche der
?ferde zusammen und waren, obgleich sich zwei oder drei Gegner
uf sie stürzten, nicht herabzubringen. Ein Mann war bereits vom
IRücken des Pferdes abgestreift, hielt sich aber noch mehrere Minuten
am Halse seines Pferdes fest, bis sich dieses mit ihm nach vorne über-
schlug. Man muss gestehen, dass die Leute bei diesem Spiele sämmtlicb^l
große Ausdauer und viele Bravour an den Tag legten. ^M
Bei einem anderen Event sollten Reiter auf Pontes über eine ■
bestimmte Distanz abgelassen werden, zuerst im Galopp eine Fahne
umreiten und dann mit dem Pferde eine Papierwand durchbrechen.
Derjenige, welcher als erster sein Pony durch die Papienvand gebracht
halte, wäre Sieger gewesen. Leider konnte diese Concurrenz nicht statt-
finden, da der starke Wind, der eben herrschte, die Papierwand jedesmal
zerriss. Vom equestrischen Standpunkte aus wäre es sehr interessant
gewesen, zu beobachten, wie lange es gedauert hätte, bis ein Pony sich
entschlossen, in die Wand zu springen.
An Stelle dieser Nummer wurde ein Wettlaufen von Soldaten
und ein Flachrennen von Ponies eingelegt, welch letzteres der Adjutant
des Residenten gewann. Mit dem Preisschießen wollte man bis zur
-Ankunft des Nisams warten, da er sich an diesem Sport zu betheiligen
pllegt; doch verrann vergeblich Stunde auf Stunde, so dass endlich
ohne den Nisam begonnen werden musste.
Das Preisschießen wurde mit dem Schießen auf geworfene
Flaschen eröffnet, woran sich mehrere Nawäbs, die Adjutanten des
Nisams und ein englischer Officier betheiligten. Auch ich wurde auf-
gefordert, zu concurrieren, schoss aber, wie immer, wenn viele Zuseher
anwesend sind, in welchem Falle mich die für den Kugelschützen so
nothwendige Ruhe der Nerven zu verlassen pflegt, nicht gut, jedenftlUsJ
schlechter als am \'ortage, so dass ich im Schießen auf Klascho^H
und Thonkugeln Zweiter und Dritter blieb. 'M
.Als die beiden Concurrenzen entschieden waren, erschien der
Nisam und nahm nun an dem Schießen ebenfalls theil. Es konnte
ihm nicht schwer werden, als Sieger herC-orzugehen : ich wenigstens
hatte einen entschieden schlechten Tag. Im Match auf Rupien schlug
der Nisam alle -Schützen.
Den .Schluss bildete eine neue Art des Schießens, nämlich nacK
einer an einer Rebschnur pendelnden und schwingenden Flasche. IcVv
versuchte dieses Kunststück zum erstenmal: der Nisam aber schiex^
darauf gut eingeschossen zu sein, da er seiner Befriedigung über die^«
Nummer des Programmes durch Wort und Geberde Ausdruck g^^-^
und mit Lebhaftigkeit selbst die Distanzen und Regeln bestimmte, t^
ließ mich zuerst schießen; mit vier Schüssen von sechsen traf i ^:^^==
die Flasche. Der Nisam erzielte itenselben Record, so dass es nun & '^—
auf die Königin, wie auf Seine Majestät, mich und den Nisam wurde
stets von allen Offideren stehend das Lied: »He is a jolly good feüow«
gesungen. Nach dem Speisen giengen wir auf die Veranda, wo die
Regimentökapelle concertierte und noch eine Reihe -wilder« Toaste
auf unsere Armee, sowie jeden einzelnen der Herren meiner Suits^
ausgebracht wurde. Später trat das Fest in das Stadium der Gesangs*
productionen, wobei jeder, ob nun mit Stimme begabt oder nicht, sein
Bestes an gesanglicher Leistung bot. Auch wir mussten das »Prinz
Eugen-', das .Liechtensteinische« Lied und manch anderes Reiter- und
Soldatenlied singen.
Als die Heiterkeit ihren Höhepunkt erreicht hatte, stürzten sidll
die englischen Officiere auf mich und meine Suite und trugen uns unter
lebhaften Beifallsrufen auf ihren Schultern im Saale umher. Der Nisam
hatte schweigend zugesehen. Wie maßlos war aber sein Erstaunen, als
sich plötzlich mehrere Husarenofficiere auch auf ihn stürzten und ihn
im Triumphe umhertrugen; eine derartige Huldigung war ihm noch nie
zutheil geworden, doch nahm er sie, obgleich wir alle das Gegentheil
besorgt hatten, wohlwollend auf. Der Resident hatte der Entwicklung
der Dinge nicht ohne Bedenken zugesehen, war aber völlig beruhigt, als
der Nisam sich für die Ovation dankend verbeugte.
Dieses heitere Symposion bildete den Abschluss der Festlich-'
keiten und des Aufenthaltes auf Haidarabader Territorium. In vor-
gerückter Stunde nahmen der Nisam und ich von einander und dem
beiderseitigen Gefolge Abschied, wobei der Nisam die Freundlichkeit
hatte, mir als Andenken ein in Gold gearbeitetes Tintenzeug und eine
prachtvolle, goldgestickte Decke zu übergeben. Einer der Herren meiner
Suite hatte da,s Tintenzeug in Empfang genommen und in seiner Tasche
verwahrt. Der Minister des Nisams, welcher diesen Vorgang beobachtet
hatte, machte — in offenbarer, vielleicht durch orientalische Gebräuche
enlschuldhnror Missdeutung desselben — Wurmbrand sofort und nach-
drücklichst aufmerksam, >dass das Tintenzeug bereits in einer fremden
Tasche vcr.';ch wunden sei«.
Besonderer Geschenke seitens des Nisams hätte es nicht bedurft;
denn dauernde und dankbare Erinnerung ist ihm und seinem Lande
gesichert. War doch in den Tagen von Haidarabad auf den Wink des
gastlichen Nisams die Wunderwelt des indischen Märchens in unge-
ahnter. Üppiger Pracht aus tiefem Schlafe erstanden, um sich in ent-
zückender Hcrriichkeit vor mir zu entfalten und eine Spanne meines
Lebens mit ihrem Zauber zu verwcbenl
1
Der Nisani kehrte nach Haidarabad zurück; unsürabur harrte das
schnaubende Dampfross des Extrazuges mit Ungeduld schon seit einer
Stunde. Wir trennten uns nun geyen Mitternacht auch von den engli-
schen Kameraden des 21. Husarenregimentes, in deren Mitte wir einen
I so heiteren, an fröhliche heimatliche Kreise gemahnenden Abend ver-
■ bracht hatten und bestiegen unsere Gefährte. Die jüngeren Officiere
Ibrachten mir noch eine Huldigung dar, indem sie die Pferde meines
■ÄVagens ausspannten und ihn eilenden Laufes eine ganze Strecke Weges
liegen. Noch ein dreimaliges Hurrah und dann flogen wir von flinken
Rossen gezogen, dem Bahnhofe in Sikandarabad zu, hin zu der Stätte
der Prosa, welche die Märchen fliehen macht ....
Gwalior.
Sikandarabad -■ Gwali
. umi 28, Jännei
Von der Station Sikandarabad legten wir bis Dhond dieselbe
Sirecke zuriick, welche wir auf der Fahrt von Bombay nach Haidarabad
durchmessen hatten. Von Dhond an benutzten wir die Dhond-Manmar
Sfatc kaihvay, welche in der Station Manmar wieder in die nordöst-
litl-i e Creat Indien Peninsula Railway mündet. Die Kreuzungsstation
Mur-imar verlassend, zieht sich die Eisenbahn bis Itarsi in nordöstlicher
Hiclntiing; hier zweigt die nach Bhopal führende Linie in nordwestlicher
iiicV-iiung ab.
Wir scheiden aus dem -Südland- Dekhan und treten in Central-
Iniiien ein. Knapp hinter dem Kreuzungspunkte Bhusawal, wo die
Jirtsctc Linie via Nagpur nach C'aicutta abzweigt, übersetzen wir auf
eil» ti r Kroßen Brücke den Fluss Tapti, dessen Mittellauf durch eigen-
ihi» mliche Hügel form ation, enge Defiies und durch Basalte charakterisiert
''^'- Durch coupiertes. zum Theil wildes und wildreiches Terrain weiter-
fabt-«nd, erreichen wir Khandwa und durchkreuzen bei Harda die
\* ^izenregion der südlich von dem Narbadaduss gelegenen Ebene. Bei
Itarsi nordwestlich auf die Strecke der Indian Midland Railway abien-
'"'*^«1, überschreitet die Bahn das enge felsige Strombett der Narbada
" diese fließt der nördlich \'on ihr sireichenden Vindhyakette entlang —
vii^«! tritt nach Überquerung dieser Kette in das durchschnittlich 500»«
lioVit Malwa-Platcau ein. In diesem liegen bereits die Station Dhip und
HW«pal selbsL
i-r yjLi-. Bhcct: z^'-rkr;-:.:----
■"":;rr-.i-. Srhäh DiC-hiJ--fcr. Bt^^-. isr Ti.;"-:ir -^-i 5«:: ]So* der Nach-
v.rd a'i^ klüiic Lini rsr^z&r.czft Frai: cerih— :: >i= btwchni einer: ötiw
■■■■n itr BaJir.^-^iiL'r; är.r'trr.-tr- !i'j.<^tzth~'.t- fiC^^-i.
Von Bhopa; i:eh: .1:= Bahn i^r^r Bhilse. di^ i-^r^fe-onjere durch
:it ■Bhüsa ic-pc:*>' — kür!j-*::ch= ha!bici:i:e'.:~..r:T::i:e Hügel bei Santschi.
"ijLjdrii>iir-che Grabjiäiten — bekar.-; ;>i. DtT jrri-Ele dieser aus Ziegeln
jnd Sit'inen aufgemauener D^-r-. hai -?'6»i im I>jrchmes>ser und eint
vun 14 m.
^B Um 6 Uhr früh fuhren wir in Gwuhor üin — hulb erfroren, vor-*
Kälte klappernd. Kaum glaublich und leider dennoch wahr! Die -ältesten
Leute" in Gwalior erinnern sich einer ähnlichen Depression der Tempe-
ratur nicht, die wohl den bedeutenden Schneefällen zugeschrieben
werden muss, welche eingelaufenen Nachrichten zufolge vor kurzem im
H imälaya-Gebirge eingetreten waren. Ungeachtet zweier Mäntel, die ich
beim Verlassen des Waggon.s angelegt hatte, fror ich empfindlich. Oberst
Pitcher und zwei reichgeschmückte Mitglieder des Staatsrathes von
Gwalior empfiengen mich namens des Maharadschas und des britischen
Residenten und geleiteten uns zu den Wagen, die ims sofort zu dem
Palaste des Herrschers brachten.
Dieser selbst, ein Jüngling von sechzehn Jahren, unter der wohl-
bedachten Vormundschaft und Erziehung eines Engländers stehend,
war abwesend, da er mit dem britischen Residenten zu Besuch in
Calcutta weilte. Der plötzliche Tod seines Vorgängers, eines schwer
zu behandelnden Dynasten, welcher den Engländern viel Mühe und
Sorge verursacht hatte, hat den Maharadscha in jugendlichem Alter
zur Regierung berufen.
Der Ehrenwache im Palaste, den wir zunächst besichtigen wollten,
schienen wir entschieden zu früh gekommen zu sein; denn, noch ganz
verschlafen, traten endlich zwanzig Mann ins Gewehr, einige noch in
tincr Art Nachtgewand, andere in große Kapuzenmäntel gehüllt. Ein
hochbejahrter Officier bemühte sich vergeblich, Ordnung in seine Schar
KU bringen.
Ähnlich wie in Haidarabad besieht auch in Gu'alior die Residenz
Jes Maharadschas aus mehreren Palästen, von welchen drei besonders
hcr\'orragen. Dieselben liegen in einem Parke, der sich über mehrere
OuaJratkilometer erstreckt, Teiche enthält und von Bächen durchzogen
ist: der größte und bedeutendste der Paläste ist zu Ehren der Anwesen-
heit des Prinzen von Wales in Gwalior (1876) erbaut worden und fällt
Jlirch eine eigenthümliche Verquickung indischen und italienischen
''austiles auf. Über mein Befragen wurde mir des Räthsels Lösung
^utheil: ein Architekt aus Florenz ist der Schöpfer des Werkes gewesen.
tinegroßc Freitreppe führt zu dem schönsten Prunksaal empor, welcher
•■''n em flurenlinischen Muster genau nachgebildet, ganz in Weiß und Gold
fii^halten und mit kolossalen Glaslustem geschmückt ist. An den Saal
''*;H ließen sich die Empfangs- und Speisezimmer an, welche theilweise
"'•t uuropäischcn, recht geschmacklosen Gegenständen gefüllt sind. Die
rrivalgemiicher des Maharadschas machen einen wenig wohnlichen.
ja unfVeundlichen Eindruck. Der Kaum, in welchem sicli jener, den
größten Theil des Tages mit untergeschlagenen Beinen auf einer Decke
sitzend, aufzuhalten pflegt, ist eine Halle, welche Säulen tragen, deren
Capitäle mit Bildern aus der indischen Göttersage, zumeist Darstellungen
des Gottes Schiwa, bunt bemalt sind. Überall herrscht unglaubliche
Verwahrlosung und arger Schmutz; Ratten, Tauben und Spatzen hatten
in manchem der V'on-aume, wie es schien, ungestört ihr Quartier auf-
geschlagen, und von der Zweckdienlichkeit des Lüftens und Reinigen^
schien die Dienerschaft des Palastes keine Ahnung zu haben.
Auch in dem zweiten Pataste, der nach 1876 und zwar in rein
indischem Stile erbaut worden ist, betritt man einen prunkvollen Audienz-
saal, dessen Hauptschmuck ein fein gemaltes Bild Schiwas und grüne.
vergoldete Möbel bilden. An den beiden Stirnseiten des Saales sind
vergitterte Fenster angebracht, hinter welchen die Frauen den Festen
und Audienzen ungesehen beiwohnen können. Sehr originell sind die
Zimmer des Harems, den wir, da sich keine weiblichen Wesen in dem-
selben aufhielten, ebenfalls besuchen durften. Die ganze Anlage und
Einrichtung rührt noch von dem verstorbenen Maharadscha her und
ist von dem jetzt regierenden, der vor kurzem ein zehnjähriges Mädchen
zu seiner Gattin erwählt hat, nicht verändert worden. Das Zimmer der
Lieblingsfrau ist ohne jeglichen Schmuck, nur hängen an den Wänden
einige wertlose europäische Farbendruckbilder; das einzige Einrich-
tungsstück dieses Gemaches ist ein niedriger, mitten im Zimmer
stehender Divan, Unmittelbar neben diesem Räume liegt ein überreich
verziertes Gemach de.s gestrengen Herrschers, welches mit kostbaren j
Teppichen und Stoffen geschmückt und verschwenderisch mit Gold. .^ .
Silber und Edelsteinen verziert ist. An den Wänden hängen Spiegel und^^^
glitzern bunte Gläser; das Bett aus schwerem Golde, ruht auf kunsl- ,j
voll gearbeiteten Füßen und ist mit seidenen Decken belegt, währenc^ j
ein Baldachin aus gewichtiger Seide das üppige Lager überragt.
An dieses Schlafgemach, welches einen grellen und sprechenderen
Contrast zu der Einrichtung der anderen Räume bildet, reihen siczzrh
Gemächer an, bestimmt, dem Herrscher tagsüber zum Aufenthalte w in
Kreise seiner Schönen zu dienen. Damit keines Unberufenen Blick in
diese heiligen Hallen dringe und den Mächtigen in seinen Schaf'fc^r-
stundcn belausche, besitzen diese Zimmer keine Fenster, sond^*^
erhalten nur durch einen ins Freie mündenden Schlauch Obcrii'^ '"
— eine bauliche Anordnung, welche im ersten .Augenblicke höc^"**'
befremdlich wirkt.
1
1
J
lOO.ÜiW Gulden an sich: je eine mit Edelsteinen besetzte .Agraffe am
Kopfe und ein gleichartiges Stirnband; fünf lani-e Schnüre, mit GolJ-
rupien (MohiJr) behängt; am Halse zwei Kehlriemen mit viereckigen
Münzen aus reinem Gold besetzt; an beiden VctrdeTtiufen Bracelellen
und unter dem rechten Knie eine dicke, silberne Spange. Der Sattel war
panneauartig mit Seidendecken und golddurchMirktem Brocal belegt,
der Schweifriemen mit großen, goldenen Kugelknöpfen in Filigran-
arbeit besetzt Goldene Bügel und Gunen vervollständigten die kost-
bare, von dem \'ergnQgen des Orientalen an verschwenderischem
Prunke zeugende Ausrüstung. Der Stallmeister und einige schwarce
Grooms, in ihre Nationaltracht gekleidet, ritten die scharf gezäumlen
Pferde ganz in der landesüblichen, fomvährend versammelnden Weise
vor, wobei sie die Thiere zwar arg quälten, aber auch zu den kleinsten
Pirouetten und zu einer durch Spangen und Braceletten stark behin-
deflen Art von PiafTe zwangen. So machten die schäumenden, knir-
schenden Thiere in ihrer reichen, farbenprächtigen Rüstung einen zwar
equesirisch wenig correcten, aber malerisch höchst wirkungsvollen
Eindruck.
Der Rest des Tages war der Besichtigung der Festung Gwali***
gewidmet Gwalior liegt in dem nördlich vom Tschambal. südlich vo**
ändhflusse begrenzten, von isolierten Felsblöcken durchsetzten Hü^^^'
lande. Was Gwalior genannt wird, besteht eigentlich aus drei ger»^^
gegliederten Theilen: der Festung, der an ihrem nördlichen FuÖe ge' ^"
genen .Altstadt und der Neustadt oder Laschkar im Süden. In frühe«"^^"^
Zeiten wohnten die Fürsten von Gwalior und die gesammte städtisch' *
Bevötkemng im Rayon der Festung selbst, \vovon noch Paläste
minenhafte Tempel Zeugnis geben. Nach den Einfallen der Großmogm-»-
entstand im Norden des unterhalb der Festung gelegenen Tliales ^^
mohammedanische, jetzt halbverfallene und veriassene, aber noch imnr»
schöne Moscheen und Mausoleen enthaltende .AlisuJt. Die
*
a
Laschkar (»die Zeltstadt«) endlich, mit dem alten Barah-Palast und d^
•MthJemen Palais* Maharadscha Sindhias. mit neuen englischen BauC
und dem lebhaften Kaufmannsviertel Sarafa. ist auf jenem Lagerpia'
emporgebiüht. welchen zu Anfang des 19. Jahrhunderts Duulat fC
ändhia im Süden der Festung aufgeschlagen hatte. Diese Theile \-<
Gwalior überragt die Festung, welche auf einem isolierten, etwa 2"5
iangen. 03<hn breiten, nach allen Seiten hin steil abfallenden Sandsteil
bügd gelegen, stolz auf das etwa 100 m tief unter ihr beßndlict*
bebaute und besiedelte Land niederblickt.
.^1
i Hauptinteresse der flüchtigen Besucher von Gvvalior concen-
Tiert sich, da die in der Ebene gelegenen Theile der Stadt an Sehens-
ivürdigkeiten von Bedeutung eigentlich nur das jenseits des Flusses
gelegene Grabmal Mohammed Gaus enthalten, selbstverständlich auf
das, was die uralte Festung bietet.
Ein befestigter Weg, welchen der ganzen Länge nach creneüerte
Mauern begleiten, führt zur Festung empor. Von Elephanten getragen,
passieren wir zwei zur Vertheidigung eingerichtete Thore. Dann geht
es steil bergan. Bei der ersten Wegbiegung steht das älteste Denkmal
der ganzen Gegend, der aus dem Felsen herausgearbeitete Wischnu-
Tempel, Tschatr Bhodsch Mandir, dessen Entstehung eine der Inschriften
in das Jahr 876 n. Chr. zurückveHegt. Staunen wir schon, wenn uns
die Geschichte Gwaliors zu berichten weiß, dass diese unzähligemal
bestürmte Festung fast tausend Jahre lang stets der Zankapfel der
Beherrscher Indiens gewesen ist, so muss uns der Anblick eines Heilig-
Ihiimes, welches aus dieser Zeit erhalten ist, wahrhaftig mit pietätvoller
Scheu erfüllen.
Die Felswände neben dem Wege sind mit ausgemeißelten Götter-
S^stalten und Votivbildem, oft sehr realistischer Art, bedeckt und in
•eträchtlicher Höhe birgt der Felsen natürliche Grotten und Höhlen, in
^'eichen Fakire hausen sollen. Leider bekam ich diese Einsiedler nicht
u Gesicht und vermochte sonach keinen Einblick in ihre Lebensweise
J gewinnen, die jener der Eremiten in den Felsenhöhlen von Mar Saba
-i Jericho ähnlich sein dürfte.
Nach viertelstündigem Aufstiege gelangt man durch ein mit farbig
■»taillierten Fliesen und durchbrochenen Steinreliefs verziertes Riesen-
>r^al auf das Plateau der Festung und hier ins Innere des Rayons.
»eses Portal ist von zwei mächtigen, runden, von Säulengallerien und
*->ppeln überhöhten Thürmen flankiert. Rechts vom Eingange, an das
'hör anschließend und mit der Außenfront einen Theil der Festungs-
la.uem bildend, erhebt sich der von Man Singh (i486 bis 1516), dem
'edeutcndslen der Fürsten von Gwalior aus dem Hause Tomara,
srrichtet« Palast — ein bewundernswertes Bauwerk. Es bildet ein
«■■Wei Höfe einschließendes Rechleck {100 »» ; 50 m), das an den
Uangseiten 33 m. an den Breitseiten 20 nt hoch ist; die Nord- und die
Westfront des über dem Erdgeschosse, wie unter demselben je zwei
Stockwerke enthaltenden Gebäudes sind schon fast ganz zerstört.
Allein vielleicht hegt gerade in dem Gegensatze diesef verfallenen
Theile zu den noch erhaltenen prachtvollen Fronten ein Reiz mehr.
151
In die östliche Langseite sinti rünfrunde Thürme eingebaut, welchen
wie die durchaus fensterlosen AuUenwände des eigentlichen Gebäudes.
ungefähr bis auf halbe Höhe nur von Leisten durchzogen, im übrigen
jedoch ganz glatt sind, um weiter empor in reizendster und mannig-
faltigster Architektur sozusagen aufzublühen. Mit wahrhaft orienta-
lischer Phantasie geschmückt, bald eingezogen, bald vorspringend,
mit Gesimsen, Sockeln, Wandpfeiiern verziert, bilden die Thürme
cylindrische Unterbaue, auf welchen, von Pfeilern getragen, sich ofTene,
hohe Kuppeln erheben. Die Mauerwände aber, in der Hohe von
Pilastern und Tragsteinen durchsetzt und von Zinnen gekrönt, endigen
in viereckige, von Kuppeln überdeckte Altane. Die östliche Breitseite
des Palastes hat eine ähnliche, doch minder reich geschmückte, mit
zierlichen Ausladungen versehene Anordnung. Hier sind nur drei
Thürme eingebaut.
Zu dem Reize der Linien, der Profilierung und der Steinarbeiten der
beiden Fronten gesellt sich der Zauber der Farben, welche den mit
vollem Rechte Tschit Mandir, bemaller Palast, genannten Königsbau
schmücken. Die Außenflächen aller Mauern, Thürme und Gesimse der
beiden Fronten sind mit emaillierten Fliesen belegt, zwischen denen
aus weißem Stuck geformte, jetzt zumeist verwitterte Ornamente sich
hinziehen. Allerlei Zierat, Ranken, Blumen, stilisierte Thierfiguren dar-
stellend, schimmert und leuchtet der Schmelz der Fliesen in zartem
Blau, Grün und Gold, das elegante Formenspiel der Thürme, Gesimse,
.Altane durch die Pracht der Farben bereichernd, die sich in buntem
Wechsel und doch in fein empfundener Abtönung über das Bauwerk
ergießen und derart einen ebenso künstlerischen, als stimmungsvollen
Eindruck hervorbringen.
Von dem röthlichen Lichte der sinkenden Sonne Übergossen,
übt der Palast Man Singhs, einer der baulichen Schätze Indiens, eine
außerordentliche, mir unvergessliche Wirkung aus. Man glaubt sich in
die Zeiten zurückversetzt, wo noch mächtige Könige, umgeben von
ihrem glänzenden Hofstaat und Tausenden von Sclaven, hier gehaust
haben; wo Reiter und farbenprächtige Festzüge den Berg heraufkamen
und die königliche Feste von regem Kriegslämi erfüllt war.
Wie das Äußere, so ist auch das Innere des Palastes in allen
Details äußerst kunstvoll gearbeitet. Alle Wände der Innenräume sind
mit den feinsten durchbrochenen Steinarbeiten und bunter Emailglosur
geschmückt. Natürlich ist der Palast unbewohnt und in seinem jetzig«!
Bauzustande auch unbewohnbar.
^^a.T sehr erstaunt, in dem alten indischen Obersten Sita Kam.
der uns als Cicerone diente, einen Mann zu finden, der sich — ein
weißer Rabe unler seinen Landsleuten ^ nicht mit der Zerstörung,
sondern im Gegentheile mit der Erhaltung dieser historischen Kunst-
werke beschäftigt. Überall erkennt man seine fürsorgliche Hand; denn
bald da, bald dort ist ein frischer Stein eingesetzt, eine ins Schwanken
gerathene Wand gestützt, dies und jenes Relief restauriert.
Nebst Man Singhs Palast trägt der Burgberg von Gwalior noch
mf zum Theile ganz schmucklose Paläste. Beachtung verdient unter
ihnen nur der Gudschari- Palast, ein umfangreiches und stattliches, aus
Hausteinen errichtetes Gebäude, und der Karan-Palast mit seinem von
einer originellen Hindu-Kuppel überdeckten großen Saale.
Unser lebhaftes Interesse erregten dagegen die alten, noch immer
in Hindu-Pilgern besuchten Tempel sowohl durch ihre Bauart als auch
jFch ihre Sculpturen. Die Festung birgt im ganzen eilf solcher Hindu-
impel. unter welchen besonders zwei auffallen: der Teli-ka Mandir
id die beiden Säs Bähu-Tempel.
Der Teli-ka Mandir, d. i. -der Tempel des Ölhändlers-, vor mehr
einem Jahrtausend erbaut, hat im Laufe der Zeiten seine Kuppel ver-
Iren. Heute hat er etwa die Form eines an der Spitze abgeplatteten
ickerhutes, eine Gestalt, die sich daraus erklärt, dass das jetzt noch
hoch emporstrebende Gebäude dem Bauplane gemäß nach oben
fxu abnimmt und die Nischen der durch Vorsprünge belebten Faijaden
in spitzige Aufsätze zulaufen. Überdies verjüngt sich der einen qua-
dratischen Raum einschließende, thurmförmige Tempel auch dadurch,
dass gerade der Oberlheil, der einst die Kuppel getragen, viel von
seinem architektonischen Schmucke verloren hat. Die Außenwände des
Tempels sind über und über mit den interessantesten, aus Sandstein
gemeißelten Reliefs bedeckt. An der Südseite sind diese noch in beträcht-
licher Höhe wohl erhalten, indessen die Ostseite oberhalb der statt-
lichen, von Bäumen beschatteten Eingangspforte schon in halber Höhe
fast nur mehr Trümmer zeigt. Ursprünglich Wischnu heilig, ist der
Telt-ka Mandir späterhin dem Gotte Schiwa geweiht worden. Rings um
den Tempel stehen, eine .^rt kleines Museum im Freien bildend, eine
Menge der schönsten Reliefs, Statuen und Bildwerke, die Reste ehe-
maliger Tempel.
Die verschiedenartigsten Göttergestalten, als Ganescha, Hanuman
und Schiwa sind hier vertreten. Mit großer Mühe hat der alte Oberst diese
Stücke ehemaliger Herrlichkeit auf dieser Stelle zusammengetragen
153
und versicherte uns, man brauche nur wo immer in der P'estung nach-
zugraben, um überall derlei Dinge zu finden; denn der ganze Raum
müsse dereinst mit Tempeln und Palästen bedeckt gewesen sein. Zu
meiner grollen Freude schenkte er mir drei der schönsten Relief^
danmter eines von geradezu künstlerischer Ausführung.
Das dem Gotte Wischnu geweihte Heiligthum Säs Bähu (Sahasra
liähu), aus dem 12. Jahrhunderte stammend, besieht aus zwei
Rädscha Mahipal erbauten Tempeln. Der große Säs Bähu-Tempel ii
etwa 30»« lang und 20 m breit. Einst über 30 nt hoch, misst er heute;
da seine Kuppel längst abgestürzt ist, noch etwa 20 m Höhe. Das
oberste seiner drei Stockwerke ist Tast gänzlich verfallen, so dass seine
gegenwärtige Spitze einer abgestumpften, regellosen Pyramide gleicht.
Im Innern erheben sich vier große, massive, gemeißelte Steinsaulen;
diese tragen die pyramidal aufstrebende, eine merkwürdige Verquickung
abwechselnd kreisförmiger und quadratischer Steinbänder darstellende
Decke, die an ihrem höchsten Punkte in ein Viereck endet. Die Basis
der eben genannten Steinsäulen besteht aus großen Steinblöcken:
Säulen und Wände sind wieder mit Göttersculpturen bedeckt. Das
Ganze sieht aus, als hätte es ein Riese aus ornamentiertem Papier-
mache geformt, aber gleichwohl erweckt dieser Tempel, ein geschmack-
volles Erzeugnis alter Kunst und Technik, keineswegs andere Gefühle
als jene der Bewunderung.
Der kleine Tempel Säs Bähu, in Kreuzesform und nach allen viel
Seiten hin offen, ist, wenn auch weniger reich, so doch gleichfalls mit
großem Geschmacke verziert.
Außer diesen beiden hervorragenden Tempeln gibt es noch neun
kleinere Tempel, von denen jeder vom andern verschieden und in
seiner Art beachtenswert ist, wiewohl sie alle die Spuren der nivellie-
renden Hand der Besatzung deutlich an sich tragen. Die Aufzählungi
aller dieser Wunderbauten würde zu weit führen.
In die senkrecht aufsteigenden Felswände des Hügels, der
Feste Gwalior trägt, sind die ob ihrer Zahl und Größe berühml
Reliefs von Urwähi eingemeißelt. Diese Hochreliefs, welche GötU
gestalten aus dem indischen Sagenkreise des Dschaina-Cultus dar^
stellen, erinnern einigermaßen an die ägyptischen Reliefs und sind
hier aus der Fläche der Sandsteinwände ausgehauen worden. Einzelne
Gruppen dieser Sculpturen liegen in natürlichen oder künstlich
hergestellten Grotten, Höhlen und Nischen, über deren Oberkante die
Felswand theils senkrecht aufsteigt, theils überhängt. Manche dieser
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Sieinbillicr stellen Göttergestalten in zwan zigfach er Vergrößerung des
menschlichen Mal3es dar. Die Provenienz dieser Sculpturen von den
Dschainas ist für den Fachmann unschwer erkennbar, da nur diese
Secte ihre Göttergestalten stets unbekleidet dargestellt und überdies
weit rohere Arbeit geliefert hat, als die andern Hindu -Seelen. Den
Rahmen der Figuren bilden allerlei Ornamente, sowie Halbreliefs,
welche Thiere und genrehafte Bilder aus der Götterlehre der Dschainas
darstellen, einer Secte, die sich um die Zeit der Entstehung des
ßuddhaismus vom Hinduismus abgezweigt hat. Beschauliches, der
Welt entfremdetes Klau-snerleben im Innern der Heiligthümer oder, wie
in Gwalior, in Steinhöhlen, ist für die Dschaina-Secte charakteristisch,
und diese Lebensführung im \'ereine mit dem tief religiösen Sinne
der Dschainas ließ aus den urspKinglich wohl nur als Wohnzelien
benützten Grotten bauten' mit der Zeit Heiligthümer entstehen, deren
.Ausschmückung durch — dem Steine abgewonnene — Reliefs die
Frucht vieljähriger, mühsamer Arbeit war. Die Reliefs von Urwähi
allerdings sind nJchl auf solche .Art, sondern auf Befehl zweier
Herrscher von Gwalior aus der Tomara-Dynastie entstanden. Unter
Dimgar Singh (1425) sind diese Arbeiten begonnen worden; unter
Kirti Singh (1454) sind sie schon vollendet gewesen. Die Mehrzahl der
Reliefs ist wenige Decennien später (1527) aus religiösem Fanatismus
durch den Großmogul Baber zerstört worden,
Von den Glacis der Festung aus genießt man, da keine der benach-
barten Höhen den Burgberg von Gwalior überragt, einen Rundblick
weithin auf das Land. Dürr und braun liegt es da, wenn nicht die
Regenzeit auf Hügel und Ebene frisches Grün erweckt hat. Basaltkegel,
rothe Sandsteinblöcke, endlose Hügelketten steigen vor unseren Blicken
auf, und uns zu Füßen liegt die verödete .\ltstadt, die bunte Neustadt
l-aschkar sowie die Ebene, welche sich gegen Süden hin bis zum
Horizont erstreckt. Die Bauten der Städte, die weiß schimmernden
Paläste der Rädschas. die Dörfer der Ebene beieben da.s Bild, dessen
Reiz die eben im Untergehen begriffene Sonne durch selt.same Farben-
ffTecte erhöht.
Die architektonische Physiognomie der Festung wird durch die
von der englischen Besatzung erbauten, langgestreckten Officiers- und
.Mannschaftsbaracken einigermaßen beeinträchtigt. Allein auch diese
Steine reden! Unzähiigemale haben kriegerische Stürme diese Felsen-
feste umbrausl, seitdem Gwalior, mehr als anderthalb Jahrtausende
auf dieser Sandsteinklippe fußend, dem Gläubigen heilig, dem Krieger
kostbar dünkl. Endlich, im Jahre 1770. fiel die so heiOumstrittene Fcsie
in die Hände der Engländer. \'on den Maharatten zurückerobert, doch
diesen im Jahre 1803 abermaU entrissen, um später neuerdings den
englischen Händen entwunden zu werden, ist Gwalior im Jahre 1844
nach harten Kämpfen wiederum britischer Besitz geworden.
In dem großen ostindischen Aufslande der Jahre 1857 bis I8ö9
hat Gwalior eine bedeutende Rolle gespielt. Im Juni 1858 von Sir Hugh
Rose nach verzweifeltem Kampfe mit dem Schwerte in der HanJ
erstürmt, blieb die Festung von Gwaiior bis zum Jahre 1886 von
englischen Truppen besetzt. Die britische Besatzung hoch über seiner
Residenz im Besitze des Schlüssels des Landes zu sehen, war wohl
danach angethan. den Maharadscha Sindhia. den streitbarsten aller
englischen Vasailenfürsten, in ein sehr gespanntes Verhältnis zu den
Gewalthabern der Kaiserin von Indien zu bringen. Nach dem Tode
Sindhias (1886) wurde die Festung dem rechtmäßigen Herrscher zurück-
gestellt, die englischen Besatzungstruppen wurden zurückgezogen und
die frei gewordenen Baracken und Batterien mit Truppen des Maha-
radschas belegt.
Als wir. durch das Gesehene äußerst befriedigt, die Festung
verließen und am Fuße des Hügels zurückblickten, stand der Mond
am Himmel und ergoss sein volles Licht auf die kühne Silhouette des
Burgberges, auf die Thürme und Zinnen des Man Singh-Palastes,
dessen wundersame Emailwände im Widerscheine erglänzten.
Gwalior, 30. JüniH|H
Zwei englische Officiere, Captain Edwards und Lieutenant Cold-
grave ^ von dem Central Indian Horse, einem bekannt guten Regimenle,
und gegenwärtig den inländischen, vom Maharadscha aufgestellten
Regimentern als Instructoren für Officiere und Mannschaft, sowie bei
Manövern als Berather und Führer zugetheilt — hatten mich und die
Herren meiner Suite zu einem Pigsticking, einem Lanzen-stechen zu
Pferde auf Wildschweine, in der Ebene von Gwalior eingeladen. Sehr
gespannt, diesen mir noch neuen Sport, von dem ich bereits viel gehört
hatte, kennen zu lernen, nahm ich die .Aufforderung zur Theiliiahmc
an demselben mit Vergnügen an. Ich muss gestehen, dass dieses
jagdliche Unternehmen hinter meinen Erwartungen nicht zurückblieb;
Pigstickina ist ein ebenso unterhaltender als aufregender Sport, der
bede' ^schicklichkeit und Ausdauer im Reiten erfordert.
^" Vfin Gwalior fiiliren wir \4 km ins Land bis zu tineni kleiner**
Jagdhause des .Maharadschas, wo die Pferde — Dienstpferde, die das
Central Indian Horse gestellt hatte — und berittene Schikäns harrten.
Einer Halsaffection wegen, an der ich schon seit dem Aufenthalte in
Kalawewa litt, sollte ich mich zu meinem großen Leidwesen nicht an
der Jagd betheiligen, sondern musste mich auf Befehl des Arztes
begnügen, im zweiten Treffen mit VVurmhrand nachzureiten.
Das Jagdterrain war eine ausgedehnte Ebene, mit meterhohem
vertrockneten Alanggrase (Imperata cylindrica) bewachsen, von dem
nur einzelne kleine Flächen frei waren, so dass das Galoppieren in
diesem Grase nicht eben angenehm war, indem weder Ross noch
Reiter sehen, wohin der Fuß tritt, und sich überdies in den Savannen
unzählige kleine Erdrisse, sowie insbesondere tiefe, löcherförmige Baue
von Stachelschweinen befinden.
Nach kurzer Suche wurde ein Rudel Schweine aufgestoßen, das
taute »Tallyboo' der Reiter ertönte und alsbald jagten dieselben mit
eingelegten Lanzen füll pace nach. Ich ritt einen sehr unternehmungs-
lustigen Gaul, welcher es nicht verstehen wollte, dass ich der Anord-
nung des Arztes gemäß zurückbüeb, und mich vollauf beschäftigte,
weshalb ich erst bemerkte, dass Wurmbrand gestürzt war, als sein
reiterloses Pferd an mir vorbeikam. Er war bei einem Stachelschwein-
bau rouliert, hatte sich aber zum Glücke nicht verletzt. Ich folgte den
Reitern langsam, die zuerst in gerader Richtung fortsprengten, dann
aber, als sie den Schweinen näher gekommen waren und einen Keiler
abgetrennt halten, demselben mit Geschick nachsetzten, bis er endlich.
Von vielen Lanzenstichen durchbohrt, zu unseren P'üüen lag. Die
Engländer jagen nur Keiler oder überlaufene Keiler und finden mit
erstaunlicher Sicherheit in dem hohen Grase aus einem Rudel sofort
das geeignete Stück heraus.
Bald war in dieser so wildreichen Gegend ein zweiter Keiler
gefunden, und die Jagd nahm ihren neuerlichen Anfang. Der Run war
jedoch rasch beendigt, da einer der Herren gleich bei Beginn desselben
den Keiler mit geschicktem Lanzenstoße getroffen hatte. Bei diesem
Galopp stürzte Captain Edward ziemlich böse auf den Kopf, ritt zwar
die nächsten zwei Runs noch mit, musste dann aber gleich nach Hause
zurückkehren und konnte abends nicht zum Diner erscheinen.
Nun war es an der Zeit, den angestrengten Pferden Ruhe zu
gönnen, doch dauerte dieselbe nicht lange, da ich plötzlich in einiger
Entfernung ein Rudel Schwarzwild erblickte und die Herren hierauf
aufinerkfiaTii machle. Sofort war alles im Sattel. Jetzt aber lieli sich
meine Jagd- und Reitpassion nicht länger eindämmen; die Belehrungen
und strengen Verbote des Leibmedicus waren vergessen, und ich ritt
der eben gegen mich sich wendenden Jagd im Galopp entgegen, einstn
Keiler den Weg abschneidend. Der Keiler stellte sich; rasch benützte
ich dies, um ihn mit der Lanze abzufangen. Mit großer Genugthuung
betrachtete ich meine erste Trophäe im Pigsticking.
Die Müdigkeit unserer Pferde, die bedeutende Hitze und die für
Nachmittag noch in Aussicht stehende Schießjagd bewogen un.sere
Master, den Heimweg anzutreten. Wir waren kaum einige hundert
Schritte geritten, als mehrere Stücke Schwarzwild abermals hnch
wurden. Natürlich konnten wir der Verlockung nicht widerstehen,
ihnen zu folgen, wobei sich die Gesellschaft, da zwei Keiler in dem
Rudel waren, unwillkürlich trennte; Crawford und Coldgrave folglen
dem einen Stücke, die Herren meiner Suite. Fairholme und ich dem
anderen. Der Run dauerte, weil die Pferde schon erschöpft waren, lange.
Zum Schluss entspann sich ein hitziges Gefecht; ein wirres Durch-
einander entstand; der Keiler stellte sich, nahm die Pferde an und schluj;
sogar den Schimmel Pronays am Hinterfuße ziemlich stark. Schließlich
kam es zu einem recht heileren Match zwischen mir und Wurmbrand;
denn wir waren die nächsten zu dem Schweine, hatten aber keine
.Sporen, so dass wir die Gäule nicht näher an den Gegner brachten und
einen Luftstoß nach dem anderen ausführten, bis es uns nach langem
Kampfe endlich gelang, den Keiler zu strecken. Man sollte nicht glauben,
wie schwer es für den Anfänger ist, das erstemal die Lanze gegen
ein flüchtiges Schwein wirksam zu handhaben, und wie oft er fehl
sticht, bevor der Keiler getroffen ist. Die andere Partie, jene Crawfords.
hatte ebenfalls ihr Schwein glücklich erlegt, und so ritten wir nun mit
fünf erbeuteten Stücken in das Jagdhaus zurück, wo ein Frühstück
unser wartete.
Da ich einige Geier in der Luft lireisun sah, ließ ich eines der
Schweine als Luder neben die Villa legen, und in der Thal dauerte
es nicht zehn Minuten, so kamen Schmutzgeier und zum Schlüsse
große Bengalische Geier (Gyps bengalensis) herbei. Mehrere Exemplare
wurden mir zur Beute, leider fehlte ich aber mit einem nicht erprobten
tlcwehre einen Adler, der sehr an unseren Kaiseradler erinnerte.
Nachmittags wollten wir auf Black-bucks und Sumpfwild in
der Umgebung jagen und trennten uns daher in mehrere Partien. Ich
versuchte mit Fuirholme mein Glück zuerst auf Black-bucks, die wir
^^ffBauernwagtn anfuhren. Dit Thiero waren aber durch die mit dem
Pigsticking verbundene Beunruhigung so scheu gemacht worden, dass
Irutz aller Viirsicht ein Ankommen unmöglich war. Wir ritten daher zu
den in der Nähe gelegenen Teichen, um dort VVasserwild zu suchen. Die
Ebene, in der wir jagten, ist von zahlreichen untereinander durch Canäle
verbundenen, Irrigationszwecken dienenden Teichen durchsetzt, welche
dem verschiedenartigsten Wasserwilde als .Aufenthaltsort zu dienen
pflegen. Auf dem ersten Teiche saß ein Schwärm von mindestens vier-
bis fünfhundert verschiedener Enten, deren ich drei erlegte. Durch die
Schüsse wurde allerlei Geflügel aufgescheucht, darunter drei besonders
auffallende, prachtvolle Antigone-Kraniche (Grus antigone).
Unweit dieses Teiches dehnte sich ein zweiter, gröÜerer aus, der
von weitem schon, mit dem Fernglase betrachtet, als sehr wildreich
trschien, und durch dessen hohes Schilf ich behutsam anpürschte.
Auf der Wasserfläche schwamm eine Kette der schönen braunen Rost-
cnten und dazwischen tummelten sich Enten verschiedener anderer
Galtungen. von der kleinen Krickente bis zur großen Kolbenente; in
Jcm Schilfe sah ich die schlanken Hälse und die carminrothen Köpfe
zweier Antigone-Kraniche; in der Luft strichen unausgesetzt Enten.
Bekassinen, Strandläufer, Kampfhähne und Storchschnepfen vorbei.
Ungeachtet aller von mir angewandten Vorsicht hatte mich das Wild
bald wahrgenommen, so dass nur noch ein Kugelschuss auf die
Kraniche zu versuchen war, der aber leider fehl gieng.
Am Rande des Teiches fortschreitend, erbeutete ich noch eine
-Anzahl Enten und zwei gemeine Blässhühner, mehrere Storchschnepfen
lind eine Rohrweihe. Mein ganzes Sinnen und Trachten jedoch war
iiuf die herrlichen Antigone-Kraniche gerichtet, die ich endlich in weiter
tViic in ein Weizenfeld einfallen sah. Zum Glücke lief in der Nähe
Jc5 Weizenfeldes ein tief eingeschnittener Bach in starken Windungen
wrbei; auf diesen baute ich meinen Operationsplan. Ich lieü mich an
Jen steilen Ufern hinab, durchwatete den Bach und pürschte so nahe
hiiran, dass ich mit Coup double beide Kraniche schießen konnte. Der
t'ine lag verendet, der andere war schwer krank. Der Jäger soll jedoch
lit; habsüchtig sein, welch weise Lehre sich jetzt an mir bewahrheitete;
Jt^in kaum hatte ich auf die beiden Kraniche geschossen, so streicht
ülier meinen Kopf ein großer Silberreiher, auf den ich, statt den kranken
"^"^nich auszumachen, schieße; in diesem Augenblicke kommt der
li'anke Vogel auf die Stander, schlägt mit den Klügeln und zieht auf
Mnimerwiedersehcn ab, während ich mit ausgeschossenem Gewehre
nachblicke. So musste ich mich mit einem einzigen Exemplare •iiesa
Riesenvogels begnügen, der mil gestrecktem Halse die Hohe eines
envachsenen Mannes erreicht.
Ein erneuertes Anfahren an die Black-bucks war von ebenso-
wenig Erfolg gekrönt aLs das erste, und so beschied ich mich mil
verschiedenen Enten, darunter I-Öffelenien (Anas clypeata), sowie rnil
einigen Kampfhähnen, und kehrte ins Bungalow zurück, wo ich die
anderen Herren traf, die ebenfalls reiche Beute gemacht hatten.
Herrlicher Mondschein gab uns das Geleile nach Gwalior. Hier
verabschiedeten wir uns nach dem Diner v<ki den Jagdgefährten und
bestiegen den Zug, der uns nach Caicutta bringen sollte.
Calcutta.
Gwalior — Calciitta, 31. Jänner,
Auf dem Wege von Gwalior nach Calculta durchzogen wir die
englischen Nordwestprovinzen, weiterhin die Präsidentschaft Bengalen,
deren Hauptstadt Caicutta an den Mündungen des Ganges, des Haupt-
sCrorrjes Vorderindiens, liegt, und gelangten schließlich, da die Ent-
fernung zwischen Caicutta und der See noch \&) k»i beträgt, in den
Küstenbereich des bengalischen Meerbusens. Vom Plateau von Maivva
senkten wir uns in die Ebenen der Dschamna und des Ganges, welch
l^eide Ströme sich bei .MIahabad vereinigen. Abgesehen von diesen
•Überblicken über die Bodengestaltung und die administrative Ein-
iheilung des nordöstlichen Theiles Vorderindiens, fanden wir auf dieser
'Ute Gelegenheit, flüchtige Eindrücke von dem Reichthume der Boden-
iduclion des Gebietes, das wir durchquerten, aufzunehmen.
Dasselbe gehört, wie fast ganz Vorderindien bis zum Himälaya
"nd zum Pendschäb hin, dem Florenreiche der indischen Savannen an.
Im nordwestlichen Theüe desselben bilden die Bohne, die strahlfrüchtige
»nd die kleine Mungobohne, im Südosten, das heißt in der Gegend des
Cangcs-Deltas mit seinen größeren Niederschlägen, der Pisang, das
Zuckerrohr, Reis und Baumwolle die wichtigsten Charakterpflanzen
Jer Culturzone. Der .Anbau des Weizens ist besonders in den oberen
«cken des Ganges und der Dschamna ein intensiver. Dieser Zweig
«s landwirtschaftlichen Betriebes Vorderindiens erregte mein Interesse
iü3
umsomehr, als ja heute der indische Weizen auf dem Londoner Welt-
markt in Concurrenz mit dem europäischen und amerikanischen Weizen
tritt Die Zahl der Eingeborenen Indiens, die sich von Weizenmehl nähren
— dies ist hauptsächlich in den Nordwestprovinzen der Fall — lässt im
Vergleiche einerseits zu den Reis- und Maisessem in Bengalen unj
m den Küstenstrichen, andererseits zu den indischen Consumenten
von Gerste und Hirse eine Reihe von Betrachtungen über den Sinn öe^M
Spruches zu: »Der Mensch ist, was er isst.« ^M
Auch der Obstbau, der Halbbruder des Feldbaues, nimmt fin|
Lande jener, die aus religiöser Überzeugung Vegetarier sind, eine her-
vorragende Stelle ein. Ich beobachtete während der Fahrt durch Ben-
galen, das am stärksten bevölkerte Gebiet Indiens, den Hauptsitz des
Ackerbaues und der indischen Reiscultur, die zunehmende Zahl der
Bäume, die vielen Mangobaum-Wäldchen mit besonderem \'ergniigen;
mit ernsteren Empfindungen aber die zahlreichen Mohnculturen, deren
Leib und Seele vergiftendes Erzeugnis, das Opium, ebenso unheilvoll
als erträgnisreich ist, und — wie der >Opiumkrieg' zwischen England
und China beweist — selbst eine politische Rolle zu spielen vermag.
Die Hauptpunkte der Route Gwalior — Calcutta, welche wir über
Üschansi nach Kahnpur (Cawnpur) mit der indian Midland und von
Kahnpur nach Caicutta mit der East Indian Raihvay zurücklegten,
sind Kahnpur, ein auch militärisch wichtiger Handelsplatz, Aliahabad,
Mirsapur und Patna. Allahabad, die 'Gottessladt', am Zusammen-
dusse der Dschamna und des Ganges gelegen, ist eine strategisch
und commerciell höchst wichtige, für den Reisenden jedoch nur wenig
anziehende Stadt. Das unscheinbare Eingeborenen -Viertel, die modernen
englischen Stadttheile und die Regierungsgebäude dieses Sitzes der Ver-
waltung der Nordwestprovinzen bilden Sehenswürdigkeiten Allahabads.
Besonderes Interesse bietet die Stadt zur Zeit der Jahreswende, zu
welcher die Handelsmesse und die Heiligthümer dieses Wallfahrtsortes
Hunderttausende von Kauüeuten und Pilgern an den Ufern des Ganges
versammeln. Die Bahn überschreitet auf einer großen Brücke die
Dschamna und gewährt an dieser Stelle Aussicht auf das alte, in der
Gabel der beiden Ströme, Dschamna und Ganges, gelegene Fort.
Mirsapur und Patna sind beide alte Mogulnstädte. Ersteres ist
durch große Teppichindustrie, letzteres als Centrum des Mohnbaues
des nördlichen Districtes bekannt. Besonders stark ist der Mohnbau
Indiens in den Gangesniederungen entwickelt. Die Erzeugung und der
Vertrieb von Opium bilden in Indien ein Monopol der britischen Krone,
A
fehalb jeder der genauer Aufsicht unter! Lebenden Mohnpflnnzer das
gesammte gewonnene Opium der Regierung nach Maßgabe des Licenz-
scheines zu bestimmten Preisen abzuliefern hat, ein Verhältnis, das
an die Einrichtung unseres Tabakmonopols erinnert. Der Händler aber
darf gegen Erlag sehr hoher Abgaben und bei Erfüllung der — nament-
lich in den abhängigen Staaten überaus strengen — Control maßregeln
das Opium nur in den Regierungsdepots erwerben. Infolge dieser
Bestimmungen, sowie der Beschränkung der Mohncultur auf gewisse
Theile des Landes kann der Anbau von Mohn zur Opiumgewinnung
nur langsam zunehmen und die Regierung eine derartige Steigerung
der Verkaufspreise des fertigen Productes erzielen, dass sie von den
etwa 250.000 All umfassenden Mohnculturen im Jahre 1891 einen Rein-
gewinn vtm 65,791.170 fl. ö, W. gezogen hat; eine bedeutende Summe,
aber allerdings aus einer recht odiosen Quelle gewonnen. Übrigens
nimmt der Ertrag des Opium-Monopols alljährlich in dem Maße ab, als
sich die Mohncultur in China ausbreitet.
Calcutta, 1. Februar.
Um 8 Uhr morgens rollte unser Extrazug in die Bahnhofshalle
der Station Haura fHowrah) ein. Daselbst empfiengen mich der Vice-
könig I,ord Landsdowne, umgeben von Adjutanten und von Mitgliedern
der Regierung, der Lieutenant-Governor von Bengalen, Sir C. Elliot, und
eine große Anzahl Schaulustiger. Sowohl auf dem in reichem Farben-
schmucke prangenden Bahnhofe selbst, als außerhalb desselben war
je eine Ehrencompagnie aufgestellt, während die Garde des Vicekönigs,
ausgewählte, über sechs Schuh hohe Inder auf prächtigen, australischen
Pferden und eine Escadron Cavallerie dem ä la Daumont bespannten
Paradewagen, der mich zum Government House brachte, das Geleite
gaberi. Auch hier bildeten den ganzen Weg entlang Truppen Spalier,
und zwar das 6. und 16. Bengal-Infanterieregiment, die schwarz uni-
formierte englische Rifle-Brigade, Marine-Freiwillige, sowie Calcuttaer
Freiwillige zu Pferd und zu Fuß und die jugendlichen Frequentanten
einer Mllilärschule.
Zuerst überschritten wir auf einer großen Brücke den Hugü
iHooghly), wie der westliche .^rm des Ganges genannt wird. Die Länge
Jer Brücke beträgt 506 )k; jedoch nimmt flußauf- und flußabwärts —
immer noch im Weichbilde der Stadt — die Breite des Huglis erheblich
i\i Der für die größten Schiffe fahrbare Theil des Huglis, auf dessen
linkem, also östlichem Ufer das eigentliche Calcutta sich ausbreitet,
esitzl.
hloss^
hatM
während die V'orstaiit Hiiura, von wülclier wir eben kamen,
rechten Ufer liej,'t, hat eine durclischnittlichc Breite von 230 hj. Alle
Schiffe finden Raum, anzulegen; selbst Kriegsschiffe mit bedeutendein
Tiefgange können sich, da der Fluss eine entsprechende Tiefe besitzt,
mitten in der Stadt verankern.
\'or dem Government House hatten mehrere Ehren compagniff
darunter auch Marine - Freiwillige, Aufstellung genommen.
Gebäude ist ein großer, von einer Centralkuppel überhöhter Palast mit
vier durch Gallerien verbundenen Pavillons, mit Freitreppen, Säulen-
hallen u. s. w., alles in jenem Stile, den wir gemeinhin als Empire zu
bezeichnen pflegen. Es stammt aus den Jahren 1799 bis 1804 und ist
von dem Bruder Wellingtons, dem Marquis of VVellesley erbaut worden,
der von 1798 bis 1805 Generalgouverneur von Indien oder eigentlich,
wie der Titel zu jener Zeit lautete, •Generalgouvemeurvon Fort William
in Bengalen« gewesen ist. Ais Vorbild hatte ein englisches SchlosSj^^
Kedlestone in Derbyshire, gedient,
Auf der großen Freitreppe erwarteten mich der Oberbefehlshal
in Indien und Commandant der Truppen in Bengalen, General Lora
Roberts, mit allen Generalen und den Regimentscommandanten, die
Chefs der Regierungs-Departements, die Consuln und viele Hädschas.
Mein erster Besuch galt Lady Landsdowne. wonach ich mich In meine
Zimmer zurückzog, um die Post zu ordnen und mein Tagebuch zu
ergänzen, sowie um eine vom Consul Heilgers geführte Deputation der
in Calcutta lebenden Landsleute zu empfangen.
Gegen Abend machte ich eine kleine Rundfahrt durch die Stadt
und besuchte den zoologischen Garten. In der Umgebung des Govern-
ment House erheben sich große öffentliche Gebäude, das Rathhaus
(Town Hall), das Secretariat, das Legislative Council Office, der Justiz-
palast (High Court) und viele andere Regierungs- und Privatgebäude. —
in antikem, in mittelalterlichem oder auch in keinem, das heißt in
• modernem« Stile — deren stolze Fa^aden Calcutta mit Recht den Bei-
namen -Stadt der Paläste- verschafft haben. Doch wie stolz auch diese
Bauwerke ihre Giebel und Kuppeln zum Ruhme .Mbions erheben, nicht
alle stehen fest; so hat sich in den letzten Jahren der dem Rathhausc
von Ypern nachgebildete Palast des High Court, weil auf Piloten,
errichtet, welche der trügerische, mit Sand durchsetzte Baugrund an»
Flussufer erheischte, bedeutend gesenkt. Zur Zeit meiner AnwesenheiC
war man eben damit beschäftigt, den Palast wieder zu heben, eine mÜ
same und ppf«hn;olle .Arbeit.
^^™ Südlich von dem Complexe, welcher die ÖlTentlichen Gebäude ein-
?;chheüt. östHch von dem Hiigü, westlich von der glänzenden, fast 2 km
langen VillenstraÖe Tschauringhi (Chowringhet; Road) erstreckt sich
der ^!aidan oder die Esplanade. Diese, an der Flusseite von den
reizenden Eden Gardens und weiterhin von dem stolzen Achtecke des
Forts William begrenzt und etwa 780 ha umfassend, ist eigentlich
nur eine Wiese, allein eine solche Wiese wie unser Prater, dessen Name
auf das spanische Wort Prado (Wiese) zurückzuführen sein soll, und,
gleichfalls wie unser Prater, ein Corso und eine Erholungsstätte.
Jahraus jahrein prangen die Rasenflächen des Maidan in frischem
Grün, — ein wahres Labsal in diesen Breiten — Baumgruppen, Teiche,
Bassins, Statuen britischer Staatsmänner und Feldherren schmücken die
von Geh-, Reit- und Fahrwegen durchquerte Fläche. .\lle diese Wege
sind mit Baumalleen umsäumt, welche große Wiesenplätze einschließen,
die allerlei sportlichen Zwecken dienen und weiterhin in den Parade-
platz, sowie am Südende des Maidan in den großen Kennplatz mit der
Flachrennbahn übergehen. Auch einzelne Truppenkörper haben auf
diesen W'iesenplätzen ihre Zelte aufgeschlagen; besonders campieren
dort auf dem Durchmarsche befindliche Abtheilungen. In den Früh- und
.\bendstunden entwickelt sich auf dem Maidan ein äußerst reges Leben
und auf allen Plätzen wird dem Sport gehuldigt: hier spielen Engländer
und Eingeborene mit Unermüdlichkeit auf trefflichen Ponies Polo; dort
wird Cricket geschlagen; viele Golf-Partien, an denen Damen mit Vor-
liebe iheilnehmen, bilden sich. Dazwischen flutet ein glänzender, bunt
tiewcgier Wagencorso; in den verschiedenartigsten Gespannen rollen
Jas High life, Beamte, Officiere und so mancher indische Krösus einher;
zahlreiche Reiter, Herren und Damen, sprengen auf und ab. Man scheint
es in Caicutta zu verstehen, sich die Zeit in angenehmer Weise zu
verkürzen; denn jeder Tag der Woche hat seine Bestimmung; bald gibt
OS Rennen oder Militärsports, allgemeines Polo, Jours fixes und Garden
Parties, woran die ganze Gesellschaft theilnimmt.
»Meine Rundfahrt durch das eben skizzierte Stadtviertel und durch
Maidan brachte mich schließlich zu dem zoologischen Garten, den
kleiner Wasserlauf von dem Südende des Maidan trennt.
Der zoologische Garten gehört einer Privatgesellschaft, wird von
Stadt subventioniert und ist in seiner parkähnlichen .Anlage recht
'■uosch, Die Thiere sind in verschiedenen kleinen Häusern unter-
Kehracht, überall Teiche sowie Baum- und Blumengruppen angelegt.
"'^ Cüllection der Thiere, die Mannigfaltigkeit und Seltenheit der
GatlLiiigen ist hervorragend: nur könnten die Thiere besser untl namei
lieh reiner gehalten sein. Der Inspector entschuldigte diesen Übelstand
durch die P'inanzlage des Unternehmens, für welches durch die binnen
kurzer Frist vollzogene V'erwandlung von ödem, sumpfigem Terrain in
einen Park und obendrein in einen kostspieligen zoologischen Garten
ohnehin das Möghchste geschehen sei.
Im Affenkäfige waren bemerkenswert der auf Java vorkommende
Gibbon, auch Wamvau genannt (Hylobales leuciscus), der uns mit
furchtbarem Geschrei emplieng; ferner ein Orang-Utan und ein böser,
ausgewachsener Mandril. Beim Raubthierhause, welches eine große
Anzahl Tiger, Löwen, Panther und verschiedene andere indische Wild-
katzen enthält, wurde ich auf einen sehr alten Tiger, einen Man
eater, aufmerksam gemacht. Die Bestie soll erwiesenermaßen über
100 Menschen das Leben geraubt haben. Was die Ornis anbelangt,
so waren zu meiner Freude die indischen Arten, namentlich die Sumpf-
vögel, die Tauben und die Kuckucksarten, recht zahlreich vertreten;
ich fand an dieser Stelle Angehörige vieler mir schon von meinen
Jagdausüügen her bekannten Species. Reichhaltig an Exemplaren ist
das Reptilienhaus, welches in einem Bassin auch Krokodile beherbergt,
die sich aber durchaus nicht bewegen ließen, eine ihnen zugeworfene
Knte zu verzehren. Höchst erstaunt war ich, als ein indischer Wärter
in den Kaflg der Cobras eintrat, eine derselben mit sehr geschicktem
Griffe am Kopfe fasste und uns die Giftzähne zeigte. Sein Wagnis
setzte der Mann im Käfige der Pj'lhon- und der Klapperschlange fort,
welche er fortwährend reizte, bis man das Klappern des wülhenden
Reptils deutlich sah und hörte. Übrigens hatte er seine Tollkühnhi
schon zu büßen gehabt, da er bereits zweimal, hierunter einmal leb«
■geRihrlich, von einer Cobra gebissen worden war.
Bei der Rückfahrt war der Corso auf seinem Höhepunkte anj
langt; alle Wagen standen um den Musikpavillon herum und die schöne
Welt bewegte sich in den .Alleen und Avenuen.
Doch — des Lebens ungemischte Freude ward keinem Irdischen
zulheil. Daher fand noch abends im Government Housc ein Parade-
Diner zu 80 Gedecken mit den üblichen Toasten und mit langem
Cercle statt. Die Nachbarschaft der liebenswürdigen Lady Landsdowne,
die mir versicherte, dass auch ihr Gatte und sie selbst angenehmere
Vergnügungen kennten, als ein Gala-Diner, trug wesentlich bei, mir den
Ernst der ceremoniellen Feierlichkeit in milderem Lichte erscheinen
zu lassen.
naen
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Calcutta, 2. Februar.
Kinsky, der sich glückliclierweise von seinem Fieber erholt hatte,
führte mich früh morgens in einem kleinen Kutsch iervvagen durch die
Native-Stadt, welche ich zu sehen gewünscht hatte, die aber nicht
so viel des Interessanten bietet wie in Bombay und Haidarabad. Die
Straßen sind, wenn möglich, noch enger, die Häuser nicht geschmückt
und wenig Abwechslung aufweisend. In den Kaufläden und auf der
Straße herrscht zwar dasselbe Leben wie in anderen Städten; doch ist
das Bild kein so bunt bewegtes, da die Tracht der Eingeborenen meist
nur in schmutzigem Weiß erscheint.
Die Reihe der Besichtigungen eröffneten wir heute mit jener des
großen Museums, in welchem die zoologischen, mineralogischen, geolo-
gischen, ethnographischen und kunstindustriellen Sammlungen unter-
gebracht sind. Das Museum birgt recht interessante und wertvolle
Schätze; sie gründlich zu besehen, würde viele Tage erfordern. Nur die
.Aufstellung und Gruppierung der Objecte, die Beleuchtung einiger
Räume, die Reinlichkeit und die Sorgfalt der Instandhaltung in sämmt-
üchen Sälen und Zimmern lassen vieles zu wünschen übrig. Zunächst
wurden wir in die sehr reichhaltige mineralogische und geologische
Abtheilung geführt, die auch manches aus unserem Vaterlande stam-
mende Stück aufzuweisen hat. In einem wenig erfreulichen Zustande
fand ich die zoologische Abtheilung, besonders die darin verwahrten
Säugethiere; das feuchte Klima und mangelhaftes Ausstopfen wurden
ftls Enlschuldigungsgründe angegeben. Jedenfalls sind die Thiere meist
nach einer Schablone ausgestopft und haben fast alte die gleiche
Statur und Farbe, so dass es manchmal schwer fällt, bei flüchtiger
Besichtigung der Schränke eine Otter von einem Mungo oder einem
(»nderen Angehörigen ähnlicher Familien zu unterscheiden. Interessant
1 diesem Saale eine durch Schenkungen entstandene Sammlung
Geweihen und Hörnern aller in Indien vorkommenden Zwei-
hufer, sowie eine vergleichende Zusammenstellung von Menschen- und
Affcnschädeln als Beleg für die •Darwinsche« Theorie, zu deren
Bekennern ich mich übrigens nicht zähle.
An die Säugethiere schlieüen sich die Reptilien an, die sich
in besserem Zustande befinden, wogegen sich die Vögel um so
ungünstiger präsentieren, die mich aber doch lebhaft interessierten,
öS sämmtliche Gattungen der indischen Ornis hier vertreten sind. Mit
einiger Phantasie konnte man sich immerhin zurecht finden und so
Maierial an Namen und sonstigen Daten für die fernere Reise gewinnen.
Die Sammlung von Fossilien ist sehr reich und wissenschaftlich
geordnet: ein besonders großes Megatherium nimmt die Mitte des
Saales ein. Die in den ebenerdigen Räumen untergebrachte Collection
\"on Conchylien, Schwämmen und Korallen ist namentlich durch die ver-
schiedenartigen aus Singapur und aus dessen Umgebung stammenden
Exemplare bemerkenswert.
Den Schluss unseres Rundganges bildete die Bssichtigung der
Sammlung kunstindustrieller Erzeugnisse, welche einen belehrenden
(berblick über die so mannigfaltigen Producte des Landes auf diesem
uebieie gewähn: denn alles tindei sich hier, von den Werken der ein-
fachsten Hausindustrie angefangen bis zu den schönsten, künstlerisch
ausgeführten Gegenständen, bei denen Silber und Kupfer die hervor-
ragendste Rolle spielen.
Angeregt durch das im Museum Gesehene, besorgte ich in der
Calcuttaer Niederlage der Firma S. J. Teilen- & Co. den .Ankauf von
zahlreichen Gegenständen: darunter von Musikinstrumenten absonder-
lichster Form, sowie von atien. gemalten Bildern mit Darstellungen aus
der indischen Göttersage, auf welchen Wischnu als Räma-Tschandra
und in der Incamation als Krischna mit seinen Hirtenmädchen am
häufigsten zu tinden ist.
Für Nachmittag war, und zwar in Gesellschaft des \'icekönigs
und seiner Gemahlin, ein Besuch des berühmten botanischen Gartens
rrojeciien, welcher am rechten L'fer des Huglis, südwestlich von der
Vorstadt Haura liegt.
1^ einer reizenden Dampf-Yacht, die den Namen der Vicekönigin
■Maud- trug, fuhren wir den Hugli hinunter, mitten durch alle '
lunften Viceki.mit;e dient und 20 Jahre im Lande verbracht hat, änc
Spazierfalirt. Die Coach Lord Beresfords brachte uns in der Umgebung
Calcultas durch viele Dörfer der Eingeborenen, dann durch Haura unJ
schließlich über die Hugli-Brücke nach Calcutta zurück, Lord BeresforJ,
welcher den Viererzug selbst lenkte, bewährte sich als vorzüglicher
Kutscher; ist doch das Fahren in den von Kindern, Bettlern, Vieh unJ
Wagen wimmelnden Straßen keine leichte Aufgabe.
Im Belvedere, der officiellen Residenz des Lieutenant-Governors
von Bengalen, jenseits des zoologischen Gartens in der durch ihre
Bambus-Alleen interessanten, entlegenen Vorstadt Alipur, erwartete uns
um '/ü9 Uhr ein Diner. Die Residenz, deren ältester Theil vor mtlir
als hundert Jahren erbaut worden ist, hat im Laufe der Zeiten allerlei
Zubauten und Renovierungen erfahren, so dass der Stil des durch die
schöne Fa^ade angenehm wirkenden Gebäudes ein »gemischter Stil-
genannt werden muss. Ein schattiger Park umfasst das Bauwerk.
Viele Würdenträger und Generale mit ihren Gemahlinnen nahttien
an dem Diner theil, bei dem ich zwischen der Frau des Gouverneurs
und jener des deutschen Generalconsuls. Baronin Heyking, sali. Nur
ein Toast wurde gesprochen, und zwar vom Gouverneur auf Seine
Majestät den Kaiser. Diese Thatsache überraschte allgemein, da es in
Indien noch nicht vorgekommen sein soll, dass ein Trinkspruch auf
einen fremden Herrscher ausgebracht wurde, ohne dass gleichzeitig ein
Toast auf Ihre Majestät die Königin gesprochen worden wäre. Doch
hatte der Vicekönig dies ausdrücklich angeordnet.
Dem Diner folgte eine Soiree, an welcher ungeFähr 300 Personen
theilnahmen, unter welchen einige auffallend hübsche Frauen und
Mädchen zu sehen waren, deren Äußeres sie ohneweiters legitimiert
hätte, ebenfalls an dem Diner theüzunehmen, Auch alle in Calcutta
und Umgebung weilenden Rädschas waren gekommen und wurden mir
vorgestellt, wobei ich durch den Dolmetsch mit jedem einige Worte
wechselte. Man konnte unter diesen indischen Fürsten merkwürdige
Typen beobachten und sich nebstbei an den geradezu fabelhaften
Schätzen, die sie an sich trugen, weiden. Nur wer es selbst gesehen
hat, vermag sich einen Begriff von der Pracht und dem Werte der
Edelsteine zu machen, welche die Rädschas auf dem Turban und auf
der Brust zur Schau stellten. Vor allen zeichneten sich zwei Rädschas
— ein Bruderpaar — durch den Glanz und den Reichthum ihres
Schmuckes aus, indem der jüngere Rädscha ein Collier von sieben
Reihen Perlen trug, welche dank ihrer Gleichheit und Größe wohl den
kVeri einer Million üulden darstellten. Auf dem Turban und dem
3rustschmucke des älteren der Brüder dagegen wechselten kolossale
Smaragdtropfen mit ä joiir gefassten taubeneigroüen Diamanten ab.
Diese Steine stammen, wie behauptet wird, aus dem französischen
<ronschmucke, — auch Kaiserin Eugenie soll sie getragen haben —
A'elcher ja vor wenigen Jahren durch die Regierung der französischen
Republik versteigert worden ist. Die guten Kädschas waren alle sehr
Treundlich und gaben mir durch den Dolmetsch die Hebenswürdigsten
Versicherungen. Gegen Mitternacht erst kamen wir in das Government
House zurück.
Calcutta, 3. Februar,
Auf mein Befragen hin hatte mir ein Beamter des Museums ver-
sichert, dass sich an dem nahe von Calcutta befindlichen Salt Lake sehr
zahlreiches, interessantes Wasserwild vorfinde, und zu einer Expedition
dahin gerathen, mit dem Versprechen, uns die günstigsten Stellen
daselbst persönlich zeigen zu wollen. Jagdlüstern beschlossen wir, den
heutigen Tag dem Waidwerke zu widmen, und eilten schon in aller
Frühe, bis an die Zähne bewaffnet, zum Rendezvous, wo uns der
jagdkundige Mann erwarten sollte. Die Fahrt gieng durch mehrere
Vororte, dann längs eines Canals, wo wir die schwerfällige Fort-
bewegung der Schiffe und Boote durch die Eingeborenen beobachten
kiinnlen. Fast jedes dieser Fahrzeuge war mit Holz beladen und wurde
mittels eines an dem kleinen Mäste befestigten Seiles vom Lande aus
stromaufwärts gezogen. Bei dieser Fahrt lernten wir auch die eigen-
ihümliche Art und Weise kennen, in welcher die Eingeborenen das
Wasser zu Irrigationszwecken aus einem niedriger gelegenen Canal in
einen höher situierten pumpen. Sie machen an den beiden Seiten eines
Hindermagens Stricke fest, stellen sich dann zu zweien an und
schleudern mit Hilfe jenes Sackes, den sie im Takte schwingen, das
Wasser, oft auf beträchtliche Höhe, in den oberen Canal. Bei uns
würde man sich zum mindesten einer einfachen Pumpe bedienen; in
Indien aber, wo die Arbeitskraft so billig ist, scheint jenes Verfahren
rentabler zu sein.
Wer beim Stelldichein fehlte, war unser Gewährsmann; er ließ sich
Jurch Krankheit entschuldigen. Dafür empfieng uns ein Canalaufseher,
»^w erklärte, dass es hier außer Geiern nichts zu jagen gäbe, dass
al^er Boote bereit wären, uns an einen Platz zu bringen, wo wir Geier
schienen könnten. Wenig erfreut über diese Hiobspost entschlossen wir
Lins Jenn, an diu bezeichnete Stelle zu l'iihren und glitten, niichdem lia^
landesübliche Parlamentieren mit den Bootsleuten und deren Geschrei
überstanden war, jeder in einem Bnote den Canal hinab. Während dei
Fahrt erlegte einer der Herren meiner Suite mit sicherem Coup double
zwei Hausenten, die ihm ein Enj^länder als interessante Wildenten
angesagt hatte.
Nach kurzer Fahrt sahen wir eine Menge von Geiern und Milane*^
theils in den Lüften kreisen, theils zu Hunderten beisammen auf de «i
Bäumen sitzen. Wir hatten die Stelle erreicht, an welcher wir ans Lar^ *1
steigen sollten, entdeckten aber bald, dass wir auf jener Stätte angelanfi;!
waren, auf welcher Schutt, Kehricht und Unrath von ganz Caicutta ——
die Beförderung dieser Abfallstoffe erfolgt mittels einer kleinen Eisenbutx i
— abgelagert werden. Kein Wunder, dass Taiisende von Geiern. Weih^ ti
und Milanen, unter denen der indische Schmarotzer- oder Pariah-Mii»_ »i
das Hauptcontingent stellt, diesen reichliche Äsung bielenden Ort züi
ihrem Standrevier ausersehen hatten. Wir fuhren auf Lowries zwisch^ n
zwei nicht gerade sehr reinlichen Wänden von Kehricht hindurch ur» ■J
erreichten eine .Abdeckerei, um welche herum viele abgenagte Knoch^ ti
gefallener Thiere lagen und eine Schar von etwa 400 Geiern saß. Wir
schössen einige derselben, gaben aber die Jagd bald auf. da diese n»--»r
von Aas lebenden Vögel in vollgekröpftem Zustande sich nicht rectnt
fortbewegen konnten und in solcher Umgebung einen widerlichen EiB"^-
druck machten. Auch schienen sie gar nicht scheu zu sein, da man d^ ^
einen oder den andern mit der Kugel herausschießen konnte, ohne da^^-
die übrigen fortstrichen. Ich war froh, als ich diesen mit Bakteri^^^''
geschwängerten, ekelerregenden Platz hinter mir hatte.
Da wir nun den eigentlichen Zweck unserer Fahrt, nämlich eir"^'
Jagd auf Wasserwild, dennoch erreichen wollten, so ließen wir ui — ""*
auf die andere Seite des Canals rudern, um in das nasse Dschung -^
des Salt Lake einzudringen. Wir wateten bis über die Knie im Sumpf *
mussten jeden Augenblick tiefen Wasseradern ausweichen und kämpft^^^
uns nur mit Mühe hindurch — alles, um leider bald die Wahmehmurr3»j
zu machen, dass wir völlig falsch berichtet waren; denn thatsächlic::^ '
war keineriei Wild vorhanden. Zwar sah ich auf einem Mangobaurt — ''
einige Reiher und Störche; doch schienen dieselben nur vorüb^ *"
ziehenden Flügen anzugehören.
Mit einigen kräftigen Segenswünschen für unseren Beralh ^'
verheßen wir ganz durchnässt den Sumpf, frühstückten in den Boot^"
und keg .h Caicutta zurück, im Weichbilde der Stadt bet^egnel^'^
le^ ,|C
^^reinem originellen HocIizeitszLige: voran eine schreiende Menge und '
Träger von Heiligenbildern und künstlichen Blumen; dann auf einem
Palankine der kaum vierzehnjährige Bräutigam, mit einem riesigen
Sonnenschirme bewehrt. In geschlossener, von einer berittenen Escorte
geleiteten Sänfte folgte die Braut, die wir nicht zu Gesicht bekamen;
tlie nächsten Verwandten in Wagen und Diener mit Hochzeits-
geschenken, Feldfrüchten und Obst auf großen, zinnernen Schüsseln,
schlössen sich an.
Gegen Abend machte ich mit Kinsky in den Alleen des ^faidan
eine Spazierfahrt und wohnte durch einige Zeit den militärisch-sport-
lichen Übungen, darunter dem Tentpegging. welches auf dem Renn-
platz abgehalten wurde, an.
Bei Sonnenuntergang kehrten wir längs des Flusses nach Hause.
Die letzten Strahlen des Tagesgestirns vergoldeten jede einzelne 1-iaa
unJ Spiere, den gesammten Wald von Masten der verankerten, wellen-
umrauschten Schiffe.
Um 8 Uhr vereinigte uns ein kleines, gemüthliches Diner, welches
der österreichisch -ungarische Consul Heilgers im kaufmännischen
Uengal Club gab.
Den Tag sollte eine musikalisch-choreographische Soiree bei
Jcm Kädscha Sir Sourindro Mohun Tagore beschließen, der — einer
Fürslenfamilie aus brahmanischer Kaste entstammend und vielfacher
Millionär ^ besondere Passion für Musik und Musikgeschichte ent-
wickelt. Er ist Herausgeber und Verfasser einer ganzen Reihe ein-
schlägiger, selbst dichterischer Werke, ja auch Componist. Eine Anzahl
seiner Werke war 1892 in der Wiener Musik- und Theateraussteilung
«pcmiert.
Nach einer langen Fahrt durch die Native- Stadt waren wir
am Ziele. Die ganze Straße, in welcher die Behausung des Rädschas.
Jcr l'alast I'athuriaghata Rädsch Bati, gelegen ist, war mit Lampions
'"ghcÜ beleuchtet. Die Privattruppe und die Garde unseres Gastgebers,
"■we komisch adjustierte Gesellschaft, bildeten Spalier, an dessen Ende
"nler dam Thoreingange des Palais mich der Rädscha, ein kleines,
iiUes Männchen mit gutmüthig schüchternem Gesichte, empfieng. Er
^f>iH die Decoration der Comthure mit dem Stern des Franz Joseph-
•Jrdtns, glücklich über diese ihm von Seiner Majestät verliehene .Aus-
«ichnung. Ein großer Freund unseres Vaterlandes, ladet er jeden
""Sercr [.andsleiite, dessen er habhaft werden kann, ein und bewirtet
'hn in freund liebster Weise.
Auf der Treppe zu den inneren Gemächern des l'alastes stand eine
noch ganz in alterthümliche Tracht gekleidete, mit langen Schwertern
und ciselierten Schilden bewaffnete Leibwache. Der große Salon sowie
sämmtliche Räumlichkeiten, die wir durchschritten, sind ohne Beachtung
eines einheitlichen Stiles eingerichtet und mit europäischen Bildern,
größtentheils Copien nach Werken italienischer Schulen, überreich aus-
gestattet, so dass wir unter einer ganzen Serie von Venus- und Amor-
Darstellungen Platz nahmen, worauf der erste Theil der Production, die
musikalischen Aufführungen, begann.
Dieselben eröffnete ein mir zu Ehren vom Rädscha in Sanskrit-
Sprache und in dem .Särdülavikri(^ita genannten Versmaße verfasste'r,
sowie nach der Melodie der Volkshymne in Hindu-Musik gesetzler
Segensspruch, der auf verschiedenen indischen Instrumenten gespielt
und von mehreren Sängern vorgetragen wurde. Die Worte dieses
Spruches lauteten: Dikpäläh paripälayantu satatan tvärp Francis
Ferdinand — Kirttis tvadgupamädhuripranayini nityaip samälingatu —
Sarvaträbhyudayo jayascha bhuv ane nityänuvarttyastu te — Kalyänarti
kurutäqi sadaiva bhavato Dhätä Bhavo Mädhavalj. In deutscher Cber-
selzung: Mögen die (8) Welthüter dich stets schützen, Franz Ferdinand!
Möge die Fama, welcher dich die Lieblichkeit deiner hohen Tugenden
theuer macht, stets dich in die .Arme schließen! Möge Sieg und Glück
in dieser Welt nimmer von deiner Seite weichen! Und mögen Brahma,
Mahädewa und Wischnu unaufhörlich ihren Segen über dich ergießenl
Die folgenden Nummern dieses Theiles des Pfogrammes waren:
1. Ein südindisches Lied von Pandit Anantra Sästri, einem Vir-
tuosen aus dem südlichen Indien, begleitet von den Instrumenten Rudra
Vinä, Tumburä, Bänyä und Tablä. Die Rudra Vinä ist ein classisches
Instrument der Hindus, welches in Maisur und anderen Theilen von
Süd-Indien vielfach gebraucht wird, Es hat vier Darmsaiten, auf einem
zweiten Felde drei Drahtsaiten und wird mit den Fingerspitzen gespielt.
Die Tumburä ist ein altes Saloninstrument der Hindus, welches mit der
Spitze des Zeigefingers gespielt wird und angeblich von dem himm-
lischen Musikanten Tumburu erfunden worden ist, dessen Namen es
auch führt, Gewöhnlich wird es gebraucht, um Vocal- oder Instrumental-
musik zu begleiten und gibt den Grundton an. Die Bänyä wird mit
der linken, die Tablä mit der rechten Hand gespielt; sie markieren
den Takt. Diese Instrumente sind neuerer Erfindung. Als Vorbild hat
der Mridanga gedient, dessen unteren Kupf die Bänyä und dessen
oberen die Tablä vorstellt.
■ 2. Kin Vortrag auf Jer Surbähär von Sangitä L'padhyäya Kalt'
Prosonno Banerdschi, einem Eingeborenen von Caicutta und Professor
iin der Bengal Music School, begleitet auf der Tumburä. Die Surbäiiär
st eine große Setär, erfunden durch Mohammed Khan in Lucknau
Lucknow) vor ungefähr 70 Jahren und besonders geeignet für den
Aläpa, das heißt melodiöse Musik.
3. Ein Vortrag auf der Dschallaranga von Babu Kristo Lal
Banerdschi. einem Eingeborenen von Bengalen, mit Begleitung auf der
Tumburä, Bänyä und Tablä. Für die Dschaltaranga oder die musika-
lischen Schalen, welche im Sanskrit als Sapta Scharäva bekannt sind,
wurden in alten Zeiten Terracotta- Schalen verwendet, während jetzt
Porzellan-Schalen üblich geworden sind. Das Stimmen geschieht mittels
Wassers, welches in die Schalen gegossen wird. Die Schalen selbst
werden mit zwei kleinen Stäben geschlagen.
4. Ein Vortrag auf der Nyästaranga von Sangilä Upadhyäya Kali
Prusonno Banerdschi, begleitet auf der Esrär. Die Nyästaranga ist ein
trompetenformiges Instrument; dasselbe wird außen an den Kehlkopf
angelegt, so dass die Vibrationen der Stimmbänder einen klaren, starken
Tt'n erzeugen. Wie behauptet wird, findet man dieses Instrument nur
in Indien, In der Sanskrit-Sprache wird es Upänga genannt. Die Esrär
ist ein Sakminstrument, welches mit dem Bogen gespielt wird und eine
Combination der Setär und Särangi darstellt.
Von der höchst interessanten, fremdartigen Production sehr befrie-
digt, schritten wir in feierlichem Zuge in den Hof des Palais, wo wir
auf einem Balkon Platz nahmen, um den zweiten Theil des Programmes
Umzüge größeren Stiles und mehrstimmige Gesänge — zu genießen.
Der Gesang der Bäuls, begleitet mit der Ananda Lahari,
liyantra, Khanjäni und Mandirä. Die Bäuis sind eine Secte religiöser
Bettler, welche in bunter Kleidung von Haus zu Haus ziehen, Almosen
heischend, tanzend und singend. Mancher dieser Gesänge enthält ein-
fache und schöne Metaphern. Die .4nanda Lahari ist ein Schäfer-Instru-
ment, welches die Bäuls imd andere singende Bettler benützen; es
hat nur eine Darmsaite, welche mit einem hölzernen Schlägel berührt
wird. Die Gopiyantra ist ebenfalls ein Instrument, mit welchem Schäfer-
gesange begleitet werden; es hat eine Saite, welche durch Berührung
mit der Fingerspitze zum Erklingen gebracht wird. Die Khanjäni ist
ein Schäfer-Instrument nach Art des Tamburinets. Die Mandiräs sind
kleine Schalen aus Glockenmetall, deren Bestimmung ist, den Takt
anzugeben.
^K)'
iho^
2. Nagar Ktrlana, begleitet mit dem Kho!, Karatäla und Käm-
sringa. Die Nagar Kirtana ist ein Gesang, welchen im 15. Jahrhundtri
Tschaitanya, der große Religionsreformator von Rengalen, ersonnen hai:
dieser Gesang sollte nach der Absicht Tschaitanyas in den öffentlichen
Straßen ertönen, um das Volk dem Wischnuismus zu gewinnen. Die
Anhänger des Wischnu-Glaubens veranstalten gewöhnlich ein Nagar
Kirtana-Fest, wenn sie ihren geistlichen Rathgeber in ihrem Hause
empfangen. Der Aufzug besteht aus einer Truppe von Sängern, denen
Leute mit Flaggen, Khuntis und anderen Symbolen des Wischnu-
Bekenntnisses vorangehen.
Der Kho! ist eine kleine, mit Leder überzogene Trommel, welche
gewöhnlich die Kirtana und andere Religionsgesänge begleitet. Es ist
eine Abart des classischen Mridanga. Die Karatälas sind Cymbeln zum
Taktschlagen. Die Räm-sringa ist ein Instrument, welches im Freien
gespielt und gewöhnlich bei religiösen Umzügen gebraucht wird,
der Ceremonie erhöhte Feierlichkeit zu geben.
3. Dschäträ, aufgeführt von einer Truppe junger Mädchen
Manipur, im Nordosten von Bengalen. Die Dschäträ ist eine Art mylhi
logischer Schaustellung, welche den Charakter der mittelalterlichen
Mysterien in Europa und jenen einer primitiven Oper vereinigt Dieselbe
erfreut sich in Bengalen großer Popularität. Den Vorwurf bilden in der
Regel die Schäferspiele Wlschnus in der Incarnation als Krischna und
seine Liebesverhältnisse mit den Kuhhirtinnen von Brindäban.
4. Sonthäl-Tanz. Einige Sonihäls, Angehörige eines der Urstämme
von Indien, waren zu dem Feste von Schamsandarpur. einem Landgute
des Rädschas Sir S. M. Tagore — aus Bengalen, im Districte Bankura
— eigens nach Caicutta gebracht worden.
Den dritten, im Empfangssaale vorgeführten Thcil der Fcst-
vorslellung bildete der Nätsch (Nautch), ein Tanz, der in Begleitung
der Instrumente Särangi, Mandirä, Bänyä und Tablä von vier jungen
Tänzerinnen aufgeführt wurde. Die Särangi ist ein alihergebrachles
Instrument, bestimmt, die weibliche Stimme beim Gesang zu begleiten.
Die Nntsch-Girls (Tanzmadchen) sind in kosmopolitischen Kreisen
unter dem Namen Bajaderen (vom portugiesischen Bailadeira = Tan-
zerinl bekannt. Die Musik ist ziemlich einförmig, der Tanz auch nicht
sehr abwechslungsreich; die Mädchen singen und wiegen sich dabei in
den Hüften, nehmen verschiedene graziöse Posen an und drehen sich
wie Kreisel. Die Tänzerinnen sind unermüdlich und tanzen, wenn man
ihn*
Einhalt thut, stundenlang fort Eigenthümliche. mit Perten
M
^Bwäetc Futterale schlössen ihre Ohren ganz ein; die Gewänder der"
Mädchen waren prächtig und ebenfalls mit Juwelen geschmückt. Drei
der Künstlerinnen schienen Vollblutinderinnen mit wenig hübschen
Gesichtszügen zu sein, die vierte Tänzerin hingegen war eine schöne,
junge Jüdin aus Bagdad, die sich durch ihre prachtvollen Augen aus-
zeichnete, was sie übrigens sehr gut zu wissen schien, da sie zum
Entsetzen des würdigen Hausvaters feurige Blicke nach allen Rich-
tungen sandte.
In einer Pause zeigte mir der Musikkönig seine kostbare Samm-
lung von Instrumenten, die einzig in der Well dasteht und sämmtliche
Instrumente Indiens in den originellsten Formen und Gestalten enthält.
Mit einem Theile derselben hatte er auch die Wiener Musikausstellung
beschickt. Die Wände der die Sammlung bergenden Zimmer sind mit
Mitglieder- und Ehren -Diplomen von musikalischen Vereinen und
Musikgesellschaften aus allen Welttheilen geschmückt ; auf diese
Zeugnisse seiner künstlerischen Bestrebungen ist der Rädscha nicht
wenig stolz. Zwischen den Instrumenten stehen kleine, geschmückte
Hausaltare; einer dieser Altäre enthielt Gegenstände, welche der Vater
des Rädschas benützt und getragen hatte, als: seine Kleider, seinen
Turban, sowie, da der Vater ebenfalls ein leidenschaftlicher Musiker
Uewesen ist, dessen Compositionen u. dgl. m. Die Pietät, welche unser
Hausherr für seinen Vater hegt, wunderte mich bei ihm als einem
Hindu ungemein. Auch an einem Kasten mit den zahlreichen Orden
und Decurationen des Rädschas durften wir nicht achtlos vorbeigehen.
Zum Schlüsse der Festvorstellung, für deren Veranstaltung ich
dem liebenswürdigen Tagore sehr dankbar war, wurden wir nach
indischer Sitte mit Kränzen behangen und bekamen vergoldete Betel-
blälter, sowie Sandelöl, dessen Geruch lange nicht zu vertreiben ist;
dann sprach der Haus-Brahmane über mich ncich einen langen Segen.
Unter den Klängen der englischen Hymne und Jenen der Volkshymne
traten wir den Heimweg an.
■ Calcutta, 4. Februar.
Am frühen Morgen wollten wir den berühmten Tempel Käli-Ghät
besuchen, in dem seinerzeit Menschen geopfert wurden, jetzt aber nur
mehr schwarze Büffel und Ziegen dargebracht werden. Wir kreuzten
icu diesem Zwecke ein mir noch unbekanntes Viertel der Native-Stadt
mit zahlreichen Bazars, in welchen kleine Bilder von Hausgöttern ver-
kauf! werden. Der Tempel ist der schwarzen Göttin Kalt, der Gemahlin
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Schiwas gewidmel, welche der Sage nach von ihrem Gatten in Jer Luft
zerrissen worden sein soll. An der Stelle, wo einer der Finger Kalis zur
Krde gefallen war, ist späterhin der Tempel Käli-Ghät errichtet worden,
Der Name des Tempels bedeutet -Stufe (Chat) zu Käli-. Aul
dasselbe Wort wird übrigens auch der Name Caicuttas zurückgeführt,
der im Laufe der Zeit aus Käli-Ghät in Kalkota, Kalikut, Golgota, ja
mit Rücksicht auf die Sterblichkeit im alten Calcutta sogar in Golgalha
(Schädetstälte) verwandelt wurde. Nach der Ansicht anderer Linguisten
hat der Name Calcutta ursprünglich Kälikschetra gelautet. Nebenbei
bemerkt, stammt unsere Benennung des Truthuhnes als -calicutisches'
Huhn von Calicut an der Malabarküste.
Leider sahen wir uns bei der Ankunft arg enttäuscht, da uns
bedeutet wurde, dass die Thiempfer erst später stattlanden, und die
Brahmancn uns den Eingang in den Tempel verwehrten. Schon unsere
Anwesenheit im Vorräume desselben schien einigen Anstoß zu erregen,
da etliche alle Weiber, die eben mit Opfergaben für die Göttin herbei-
gekommen waren, über den .-Anblick der Ungläubigen derart erschraken
und unwillig wurden, dass sie laut schimpfend umkehrten. In der Vor-
halle sahen wir wenigstens die in den Boden gerammten Holzgabeln,
in welche die Köpfe der Opferthierc eingezwängt werden. Es gilt als
günstiges Omen für die Erfüllung der Bitte des Opfernden, wenn der
Rrahmane den Kopf des Thieres mit einem Hiebe vom Rumpfe trennt,
während dem Gegentheile eine ungünstige Bedeutung zugeschrieben
wird. Hie Leute geben sich daher auch alle Mühe, den Hals des Opfers
so viel wie möglich zu spannen, um den Hieb zu erleichtern, wobei
natürlich manche Thierquälcrei unterläuft. Der schlachtende Brahmanc
soll bald zu bedeutendem \'erm5gen gelangen, da er für Opferungen,
wie man mir soffle, bis zu ICKX) Rupien im Tage erhält.
Für 9 Uhr stand die Besichtigung der königlichen Münze zu
Calcutta auf dem Programme, die uns ob ihrer Leistungsfähigkeit und
Großartigkeit der maschinellen Ausstattung gerühmt worden war. Die
Cflicuttaer Münze ist in der Thal bewundernswert eingerichtet. Ein
geradezu kolossales Etablissement. liefert sie täglich 300.000 bis
■100.000 Rupien, ohne an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt
zu sein. Die Silber- und die Kupfermünze bilden getrennte Gebäude:
erstere ist im dorischen Stil erbaut, letztere stellt sich als ein umfang-
reicher Block von Gebäuden dar. Der Dircctor machte den Führer
durch alle Ri^u^und Werkstätten, den Process der Fabrication in
allen Stadii^^^^Bch die Zählung und \'crpackung erklärend und
180
demonstrierend. Wo nur möglich, stehen Maschinen dt'r praktischesten
und sinnreichsten Art in Verwendung und beinahe an ein denkendes
Wesen gemahnt jene Maschine, welche die Sortierung der im Gewichte
richtig ausgeprägten Münzen von den zu leicht oder zu schwer ausge-
fatlenen Stücken besorgt. Die Umwandlung der Silberbarren in blank
und schön geprägte Rupien geht dank den Maschinen mit erstaunlicher
Schnelligkeit vor sich. Man denkt dabei unwillkürlich an die Function
der berühmten Vorrichtung, auf deren einer Seite Hasen gejagt und in
die Maschine geworfen werden, während auf der anderen Seite fertige
Hüte herausfliegen! Wie bedauerlich, dass auch die großartigste Münz-
slälte, die genialste Maschine der Welt dem Preisfalle des Silbers keinen
Einhalt zu thun vermochte; eine Erscheinung, welche der indischen
Regierung noch schwere Sorgen bereiten wird. Außer dem couranten
Gelde für Ceylon und Indien werden in der Calcuttaer Münze auch für
., Afrika bestimmte Münzen und die so zahlreichen englischen Kriegs-
■gnedaillen geprägt.
HB Nachmittags fuhr ich mit dem vicekoniglichen Paare auf einer
■"tiohen Coach zu den Schlussnummern der drei Stunden dauernden
Militärsports, die auf dem Rennplatz vor einer hohen Tribüne statt-
fanden und eine dichtgedrängte Menge von Zuschauern, darunter viele
hübsche Damen, angelockt hatten.
Bei dem Preisfahren mehrerer Geschütze mit ihren Bespannun-
gen mussten in ziemlich scharfen Wendungen mitten zwischen nahe
aneinander gestellten Pflocken hindurch Achterfiguren gefahren werden:
ein einziges Geschütz von vieren löste diese Aufgabe fehlerlos.
Eine Quadrille der Calcuttaer Berittenen Freivi'illigen war gut
gemeint, fiel aber nicht sonderlich gelungen aus. Dieses Corps setzt sich
aus Vertretern des Kaufmannsstandes und ähnlicher friedlicher Berufs-
classen, zumeist aus älteren Leuten zusammen, die sich zweimal
wöchentlich zu ihren sogenannten Übungen einfinden und lebhaft an
vaterländische Bürgergarden erinnern. Ihre Reitkunst, sowie der Zustand
der Pferde gestatten den Schluss, dass dieses Corps dem Feinde kaum
sehr gefahrlich sein dürfte.
Recht gut producierten sich englische Unterofficiere und Sol-
daten im Turnen und Bockspringen. Theilnahme und Interesse höchsten
Grades zeigte sich im Publicum für das Tauziehen, wobei zehn Mann
eines Infanterieregimentes gegen zehn Artilleristen concurrierten. Aus-
gesucht starke Leute standen einander gegenüber und lange schwankte
der Kampf hin und her. Allgemeine Aufregung herrschte bei den Mann-
schalten der beiden Regimenter, die vollzählig im Zuschauerräume
erschienen waren. Wetten wurden eingegangen und von allen Seiten
den Kämpfern anfeuernde Wurte zugerufen. Einmal hatten die Infante-
risten schon acht Mann der Gegner auf ihre Seite gezogen; doch plölz-
lieh wandle sich das Glück, und nach viertelstündigem Kampfe siegten
die .'\rtilleristen. In diesem .Augenblicke stürzten vier Mann vor Anstren-
gung bewusstlos zusammen, erholten sich aber nach einiger Zeit.
Sehr erheiternd war das folgende Tauziehen zu Pferde, das zum
erslenmale von je sechs Eingeborenen auf ungesattelten Pferden ver-
sucht wurde. Die Reiter beider Parteien boten die äußerste Anstrengung
und Geschicklichkeit auf, um sich nicht nur auf den Pferden zu erhallen,
sondern auch die Gegner herab- und herüberzuziehen; doch waren dii;
Kräfte so gleich vertheüt, dass zum Schlüsse, da keine der beiden
Parteien sich vom Flecke rührte, der Kampf als unentschieden erklär!
werden miisste.
Lady Landsdowne vertheilte die Preise an die glücklichen
Gewinner; dann kehrten wir, von dichtem Nebel umhüllt, nach dem
Government House zurück , wo unser ein Gala - Diner und nacii
Beschluss desselben eine Soiree warteten. Dieser Nebel ist charakte-
ristisch für Calcutta: jeden Abend senkt er sich, mit Rauch gemischt,
in unglaublicher Dichte über die Stadt und theilt sich erst des Morgens.
Die äußerst feuchte Atmosphäre und der beständige Nebel sollen
die hauptsachliche Ursache dessen sein, dass das Klima Calcutlas
ungesund und fiebererzeugend ist.
Dem Diner, welchem abermals bei 80 Personen anwohnten, folgte
eine Soiree, zu der über 2000 Einladungen ergangen waren. Ich
gestehe, — sonst kein Freund derartiger Massengeselligkeit — dass ich
auch diesen Abend zu den interessanten Erinnerungen zähle; denn die
bunt durcheinander gewürfelte Menge von Herren und Damen aus allen
Gcsellschallsclassen bot ein ungewohnt fesselndes Bild. Neben Euro-
päern sah man Parsis, Tibetaner und indische Kaufleute. ja selbst die
Gattin eines Rädschas war erschienen.
Den Glanzpunkt des Festes bildeten wieder die zahlreichen von
Diamanten strotzenden Rädschas in ihren National costümen. Aber
nicht bloß ihre äuflere Erscheinung ist es, wodurch die Rädschas die
Aufmerksamkeit auf sich lenken. In früheren Zeiten ein wichtiger
Factor der indischen Geschichte, sind sie heute dank der Suprematie
Englands, selbst in den einer relativen Unabhängigkeit sich erfreuenden
Territorien, zur politischen Bedeutungslosigkeit venirlheilt, soferne es
^
nicht einzelnen gelingt, durch ihre IndividUiilität und ihren Reichthum
eine Rolle zu spieien. Den angestammten Adel darstellend, dessen
Tradition in den Glanzepochen Indiens wurzelt, und zumeist mit
Glücksgütern reich gesegnet, genießen die Rädschas hohes Ansehen hei
den Eingeborenen. Gleichzeitig stehen sie den englischen Machthabern
näher als die große Masse des Volkes. Sie ragen als die Vertreter einer
alten, ererbten Culiur in die Gegenwart herein und sind die nächsten
Objecte der Beeinflussung durch europäische CiviUsation. Beide Ele-
mente — die alte Cultur und die europäische CiviUsation — wirken,
da sie noch zu keiner wechselseitigen innigen Durchdringung und
Verschmelzung gelangt sind und sich gegenseitig beengen, ziemlich
unvermittelt nebeneinander.
Die Engländer fördern die Ausbildung der zu Herrschern — Maha-
radschas oder Rädschas — berufenen Fürstensöhne in besonderen
Rädschkumar Colleges, Akademien, in welchen auch englisch gelehrt,
ja Geschichte und selbst, nach J. S. Mills Werken, Nationalökonomie
betrieben wird. Mitunter ist jedoch die Erziehung der Söhne einzelner,
namentlich mächtigerer Fürsten englischen Erziehern überlassen. In der
Regel treten mit Vollendung des 20. Lebensjahres Volljährigkeit und
Throne insetzung des Herrschers ein; doch wurde die Regierung dem
N'isam von Haidarabad bereits nach Vollendung seines 18. Lebensjahres
übertragen, während bei anderen Herrschern die Mindeijährigkeit sich
mich über das 20. Lebensjahr hinaus erstreckt. Der Herrscher überlässt
die Landesverwaltung zumeist dem Darbar (Staatsrath) , welcher die-
selbe fast immer nur nominell führt, thatsächlich aber dem Einflüsse
des englischen Residenten unterliegt. Dies erklärt auch, dass die
Administration meist gut ist; dort aber, wo englische Einwirkung in
den Hintergrund tritt, erinnern die Zustände in den Rädscha-Staaten
bei der Willkür der Behörden nicht selten an unsere Redensart von
«»rienlali.scher Despotie. Unter den Fürsten findet man alle Spielarten
vertreten — nicht zum wenigsten Londoner Stutzer und genussüchtige
Lebemänner, den Sportsman und Jäger, ja selbst orientalische Barbaren.
Aus dem Nebeneinander der alten indischen und der neuen euro-
päischen Cultur erklärt sich auch die Erscheinung, dass die Rädschas in
ihrem Gehaben und Gebaren den Eindruck einer Art Doppelcullur, oder
— wenn von unserem Standpunkt aus dieses -Zu viel« weit eher als
ein -Zu wenig« erscheint — der Halbcultur machen. Stagnation auf der
gegenwärtigen Stufe dürfte ebenso ausgeschlossen sein, wie ein völliger
Kückschrilt zur alten indischen Cultur oder ein gänzliches Aufgehen
in europäischer Civilisation. Im Laufe der Zeit werden diese Enlwick-
lungsmotive wohl zu harmonischerer Verbindung und Ausbildung
gelangen. Auf die künftige Gestaltung der Dinge in Indien mag es nichl
ohne Kinfluss sein, ob hiebei das eine oder das andere der Motive die
Oberhand gewinnt. Der socialen Politik Englands ist hier auf einem
bestimmten Gebiete eine schwierige, aber gewiss atich dankbare Auf-
gabe gestellt.
Einige der zum Feste erschienenen eingeborenen fürstlichen und
sonst hervorragendsten Persönlichkeiten seien hier genannt: Maha-
radscha von Rewah, Maharadscha von Pattiala, Maharadscha von
Dnrbhanga, Maharadscha von Bettiah, Rädscha Sir Surindro Mohun
Tagore, Hädscha Sir Norendro Krischna, Rädscha Durga Tscham Lnl.
Prinz Mirza Kamar Kadr — ein Sprosse der königlichen Familie vcn
Audh. Prinz Mirza Dschehan Kadr, Nnwäb Abdul Latif Khan ßahädur,
Nawäb Seid Amir Hossein.
Unter den mir Vorgestellten befanden sich auch Officiere der
indischen Regimenter in Calcutta, welche — einem eigenthümlichen, an
ritterliche Sitten gemahnenden Brauche huldigend — bei der Vorstellung
die Schwerter zogen und mir zur Berührung mit der iland darboten.
Eine Symbolik, die offenbar den höchsten Grad der Ergebenheit aus-
drücken soll.
Calcutta, ö. Februar.
In der römisch-katholischen, der Jungfrau Maria vom Rosenkranze
geweihten Kathedrale von Murghihatta (Moorgheehalta) wohnten wir
einer feierlichen Messe an, die der dem Jesuitenorden angebörige
Erzbischnf Paul Goethnls, ein Belgier von Geburt, celebrierte. Vor der
Kirche waren eine Ehrencompagnie mit Musikkapelle und die Zöglinge
des Waiseninstitutes von Murghihatta aufgestellt, welch letztere mich
durch Absingung der Volkshymne erfreuten: ebenso wurde das -Gott
erhalte- in der Kirche vom Chore herab intoniert. Die ganze Kirche
war mit Gläubigen erfüllt, unter denen ich auch Brftgan<;a entdeckte,
welcher des Morgens in Calcutta angekommen war, um einige Wochen
in Indien zuzubringen. Als wir die Kirche verließen, wurde -O, du mein
Österreich« gespielt,
Ich verabschiedete mich von dem Erzbischof, einer liebenswür-
digen Persönlichkeit, und fuhr in das Jesuiten-Collegium St. Xaver, in
welchem 8W '~ der verschiedensten Nationalitäten und Religions-
bekenntnisse ymnasialfiichern unterrichtet werden. Die zahl-
reichen Schulen und Collegien, welche den Jesuiten in Indien gehören,
erfreuen sieh bei den Eingeborenen grußer Beliebtheit; der Zudrang zu
diesen Unterrichtsanstalten wächst von Jahr zu Jahr und selbst die
Engländer erklären sie einstimmig für die besten Schulen im Lande.
Die Jesuiten befolgen dabei das Princip, keine Proselyten für die
katholische Religion zu machen, sondern sie belassen vielmehr jeden
hei dem Glauben seiner Väter und streben nur danach, gebildete und
rechtschaffene Menschen zu erziehen; ein Vorgehen, durch welches sie
Scheu und Argwohn wirksam besiegen. Die Patres sind beinahe durch-
wegs Belgier. Das Gebäude ist sehr geräumig, besitzt eine Kapelle, große
Schulräiime, zahlreiche Wohnzimmer für die Patres u. a. m. Durch
einen großen Spielplatz ist für die Erholung und körperliche Ausbil-
dung der Jugend, worauf die Jesuiten mit Recht großes Gewicht legen,
vorgesorgt. Besonders genannt zu werden verdient auch das physika-
lische Cabinet, in welchem uns der Rector, Pater Lafont, mit lebhaftem
Interesse die Instrumente zeigte, welche er im Laufe der Jahre gesam-
melt hatte, darunter Dynamo- und verschiedene Dampfmaschinen, sowie
einen kleinen Phonographen, welcher den Gegenstand seines besonderen
Stolzes bildet und das "Gott erhalte« fehlerlos ertönen ließ.
Da der Zug, welcher uns nach Dardschiling (Darjeeling) zu
bringen hatte, erst um 4 Uhr nachmittags abgehen sollte, proponierte
mir der Vicekönig, sein nördlich von Calcutta gelegenes Landhaus
Barrackpur zu besuchen. Ich nahm diesen Vorschlag mit Vergnügen
an. Wir bestiegen in der Nähe des Justizpalastes die Dampfbarkasse
•Maud«, fuhren zwischen den zahlreichen Schiffen den Hugli hinauf,
passierten zuerst die große Brücke, hierauf die Verbrennungsstätten, wo
eben drei Hindus in .^sche verwandelt wurden, und befanden uns bald
zwischen grünen, lachenden Ufern, auf weichen kleine Dörfer und eine
{^anze Reihe moderner Hindu-Tempel miteinander abwechseln, .sowie
einzelne Landhäuser reicher Caicuttaer durch das saftige Grün der
Baume schimmern.
Die Hindu-Tempel sind in den mannigfaltigsten Formen gebaut:
bald sind es rundlich zuckerhutartige Gebäude, bald Complexe, aus
einer Anzahl kleiner Tempelchen und Baulichkeiten bestehend, deren
einzelne sogar an die Kuppeldächer der Moskauer Kirchen erinnern.
llci allen Tempeln sind lange Freitreppen zu sehen, welche direct zu
den Fluten des heiligen Ganges führen und von den Gläubigen benützt
werden, indem diese am Fuße der Trt;ppen ihren religiösen Waschungen
obliegen.
r>eraume Zeit gienß es Jen Fluss hinan; dann landete d
am Parke des Landhauses. Durch eine dichte Allee von Bambus, in
der ich einen am Wege sitzenden Mungo erhiickte, erreichten wir die
vtim General -Gouverneur Marquis of Hastings angelegte Residenz
Harrackpur. Diese ist durch ihren im Richmond-Stile gehaltenen, mit"
Wiesen flächen und Solitär- Bäumen geschmückten Park charakterisiert.
Lord Landsdowne hatte leider an einer starken Neuralgie zu leiden,
die ihn zwang, sich zurückzuziehen, während wir mit Lady Landsdowne
und der Gemahlin des Leibarztes unter einer großen Kicus religiosa-,
das Lunch einnahmen. Wir hatten kaum Platz genommen, als schon
Hunderte von Milanen herbeigeflogen kamen, die stets an dieser StellCi
gefüttert werden und eine solche Keckheit entwickelten, dass sie mit
Stangen ferngehallen werden mussten. Während des Speisens fütterten
wir die Milane mit Fleisch und erfreuten uns an der Geschicklichkeit,
mit der sie zugeworfene Stückchen in der Luft auffiengen, und an da
Zahmheit, mit der sie Fleisch von einer Gabel nahmen.
Selbstverständlich war der unvermeidliche Photograph erschienen
und erst nach unzähligen Aufnahmen verabschiedeten wir uns von Lord*
und Lady Landsdowne, die während meines kurzen Aufenthaiti
Caicutta dank ihrer Liebenswürdigkeit meine volle Sympathie errungi
hatten. Der Vicekonig ist vormals Gouverneur von Canada gewesei
residiert jetzt schon vier Jahre in Indien und sehnt sich, im nächsteivj
Jahre, nach Beendigung der vorgeschriebenen fünfjährigen Thätigkeit,
auf seine Güter In Irland zurückzukehren. Kr ist, da die gesammte
Regicnmg und \*erwaltung des anglo-indischen Kaiserreiches in seinen
Händen liegt, außerordentlich in Anspruch genommen, unternimmt aber
gleichwohl alljährlich eine Inspectionsreise in die größeren Stai
Indiens und zu einzelnen Maharadschas: die hei0e Zeit bringt er
dem etwa 2700 m hoch liegenden Simla — im nordwestlichen Indien,
im Pendschäb gelegen — zu. Er scheint ein leidenschaftlicher Garten-
freund zu sein und ist in der Botanik wohl bewandert, so dass sich
das Gespräch oft genug auf Gartenkunst und Landschaftsgärtnerei
lenkte, Fächer, die er mit viel Freude betreibt. Das Ehepaar I^andsdoi
ist mit zwei Kindern gesegnet, die ich gleichfalls kennen lernte; der Sol
obliegt in der Regel seinen Studien zu Oxford, während die Tochter
reizende Erscheinung im Government House blühi.
Um 4 Uhr nachmittags erfolgte die Abfahrt aus dem Bereit
1 aicuttas. Wir vcrlictJen Barnickpur mit der Eustem Bengal Railw
welche m nor*' r Richtung die Gangesniederung durchquert
1
leivl
her
^»1 Damukdia Ghät (Damukdea), auf dem rechten Ufer des Ganges,
norraalspurige Strecke ihr Ende erreicht. Auf einem großen Dampfer
überschritten wir den Strom, um uns von Sara Ghät ab abermals der
Kastern Bengal RaÜway zu bedienen, die von hier als schmalspurige
Eisenbahn in nördlicher Richtung an den Fuß des Himälayagebirges
führt. Die Distanz von Damukdia Ghät zur Station Sara Ghät wird je
nach der Jahreszeit, welche die Strömung des Ganges beeinflussi,
zurückgelegt; unter günstigen Umständen erfordert die Überfahrt die
Zeitdauer von etwa 20 Minuten. Wir benützten diese Frist, um das
Diner einzunehmen, und begaben uns, wieder einwaggoniert, bald
zur Ruhe, soweit die leider gleichfalls schmalspurigen Betten dies
gestatteten. Von Siliguri ab schließt sich an die Rastern Bengal Rail-
way die nach Dardschiling emporführende Berghahn,
^"^
Dardschiling.
üardschiiing.
Dardschiling, 6. Februar.
So fuhren wir denn auf kühnem Gebilde von Menschenhand dem
Hiinälaya, dem höchsten Gebirge der Erde zu! Durch elementare
l^evolutionen entstanden, in schier unerreichbaren Spitzen dem Himmel
entgegen strebend, erhebt sich der Himälaya. das -Schneeheim-, der
''ufossale Bergwall, welcher die Arier von den Mongolen, Indien von
'"nerasien trennt. Nie hat ein Feind ihn überschritten, nur scheu hat er
'hn umgangen, Ober 24 Längengrade sich erstreckend, vom Hindukusch
"'S zum Durchbruch des Brahmaputra reichend, steht der Himälaya mit
''ern Nordfuße auf den öden Plateaus von Tibet, mit dem Südfuße auf
''^■" vorderindischen Tiefebene, als eine Grenzscheidc des Klimas, der
' '1 «.nzen- undThierwelt, der Völker und derCultur zwischen Iniierasien
"f«J Südasien.
Durch die ihm vorliegende Thalmulde nähern wir uns seiner
"■^t^'on; erheben uns zu seiner südlichen Vorkette, die auf blühende,
Si^rendc, üppige, von herrlicher Luft umfächelte Waldberge herabsieht;
'''>cken nach den Gipfeln der Cenlralkette, jenseits deren nördlicher
'"orkcue wildes, kahles, zackiges Höhenland liegt. Über die diese Thal-
rouldc nördlich begrenzenden, von dunklem Waldesgrün bedeckten
Vorberge windet bicli die Bahn bis IJardschilinj; empor, bis zum Fuße der
größten Gletschergruppen der Erde, bis in das Gebiet hinein, in dem
der Dhauliigiri (S17(jh(), der Kanlachindschinga (8585»») und jentr
höchste Gipfel der Erde thronen, den wir Mount Everest {8840 m) nder
Guurisankar nennen hören. Der Kantschindschinga, — »die fünf weißen
Brüder. — dessen Vfjn ewigem Schnee bedeckte, von Gletschern durch-
furchte, aus dichtem Walde aufsteigende Riesenketle wir hier zu
schauen gekommen sind, liegt in Sikkim, jenem kleinen Schutzstaalc,
der wie ein Keil zwischen Nepal und Bhutan sich einschiebt und durch
die kühne, in Dardschiling endigende Bergbahn mit den Schiener-
strängen der Ganges-Ebene verbunden ist.
Von der Hoffnung beseelt, den Zauber dieser unsäglich schönen
und grußartigen Gebirgswelt in voller Pracht bewundern zu können,
lugte ich lange vor Sonnenaufgang aus meinem Fenster, um d'as Wdlei
zu beobachten und daraus Schlüsse zu ziehen, ob wir einen reiner,
nebelfreien Tag haben würden oder nicht. Obgleich der Morgen heiler
war und der Sonnenaufgang schön zu werden versprach, entdeckte ich
doch im Westen kleine, längliche Wolkenstreifen, die in unseren heimal-
liehen Bergen von allen erfahrenen Wetterprophelen als ungünstiges
Omen gedeutet werden, weil sie zumeist Regen oder Nebel prophe-
zeien. Leider halte sich dieses untrügliche Zeichen auch hier bewahr-
heitet; als wir an den Fuß der Vorberge gelangten, sahen wir die
Spitzen bereits in Nebel gehüllt.
Nach 7 Uhr morgens waren wir von Siliguri abgefahren. D**
Bergbahn Siliguri — Dardschiling, die eine Länge von 82 km besitzt UT»'
in eine Höhe von 2180»« steigt, ist wohl die interessanteste Bahn A^
Welt: nicht so sehr, was ihren Bau und ihre Anlage anbelangt, als we^;^
der unvergleichlichen Panoramen und Bilder, deren Anblick sie bie*^
Die Bahn hat eine Spurweite von nur Ul cm, besitzt, um freien Ausbl**"
zu gewähren, offene Waggons und kann unbedingt als ein kühnes l»*
ganz eigenartiges Werk bezeichnet werden. Man bedenke nur: ei'
Bergbahn, die ohne Tunnel eine so bedeutende Höhe erklimmt und *
ganzen — nach der .Angabe des Chef-Ingenieurs — nur 23L0OÜ fl. ö. "^
gekostet hat! Das Räthsel erklärt sich theüweise dadurch, dass *^
Bahn bloß auf einer Schienenlänge von 24 km die Herstellung ei*'»'
besonderen Bahnkörpers erfordert hat, während sie die übrige Stre<= ^
hindurch die bereits vorhandene Gebirgsstraße benützt, um sich emp><^
zuwinden. In den schärfsten Curven und Windungen geht es berga-«-
die Bahn steigt in solchen Serpentinen und Krümmungen, dass an viel *
«teilen das Geleise, welches in den nächsten Minuten befahren werden
soll, schon einige Meter hoch über dem Zuge sichtbar wird. Wo scharfe
Cur\'en und Serpentinen nicht mehr genügt hätten, um eine steile Höhe
zu erklimmen, ist dadurch Rath geschafft, dass der Zug eine Strecke
geradeaus emporfährt, um dann in einem scharfen Winke! in entgegen-
gesetzter Richtung, mit schiebender Maschine, höher aufzusteigen, so
dass man im Zick-Zack aufwärts kommt.
Aber was sind alle diese Künste der Technik gegen die Pracht
und Mannigfaltigkeit der Natur! In der grünen Steiermark geboren
und die Berge über alles liebend, war es immer mein heilier Wunsch
gewesen, den König aller Gebirge, den Himälaya, zu sehen und die
tropische Welt der Berge kennen zu lernen. Wie viel ich auch über
die großartige Schönheit des Himälaya gehört und gelesen — was
ich nun sah, übertraf alle meine Erwartungen und versetzte mich
in unbeschreibliches Entzücken. Schon die leichte, reine Gebirgsluft
wirkte herrlich erfrischend — was Wunder, dass wir alle nach und
nach im Waggon zu jodeln begannen, als wären wir in den ober-
österreichischen Bergen. Obgleich leider der Nebel sämmtliche Spitzen
in undurchdringliche Schleier gehüllt und auch die Fernsicht getrübt
hatte, war doch das, was wir in der Nähe zu sehen bekamen, genug,
diese Fahrt zu einer unvergessiichen zu machen.
Die landschaftlichen Reize ringsum sind wahrhaft entzückend:
iin Gebirge von weit mehr als 8000 m Elevation, bis zur Höhe von
3000 m mit tropischer Vegetation bedeckt, mächtige Gebirgsrücken, tief
t; ingeschnittene Thäler, überhängende Felsen, schroffe Lehnen, steile
Abhänge, unermessliche Abgründe — alie« grün in grün oder ver-
?*chwimmend in zarten violetten Tinten. Und welch ein PÜanzenkleid
unigiirtet den Südrand des Himälaya! Die Vegetation gemahnt an jene
Ceylons: aber noch höher und schöner als die Raumriesen Ceylons
streben hier die Stämme mit ihren üppigen Blätterkronen empor; noch
dichter und wilder schlingt sich hier das Pflanzenwcrk um Stamm und
-^sie, Die Bäume sind bis zu den höchsten Zweigen hinauf mit Farnen,
'Orchideen und anderen Schmarotzerpflanzen bedeckt, \vährend dicke
'-ianen die Stämme untereinander verbinden, und selbst die schroffsten
'-ehnen, die wildesten Abstürze sind mit einem grünen Teppiche dicht
'aneinander stehender Bäume und Sträucher überzogen. Bei jeder
"'egung, jeder Serpentine fesselt uns ein neues Bild; besonders die
^''<ilen, tausend Meter tiefen Abgründe, an denen man auf Schuhbreite
Vorbeifährt, bringen reichen Wechsel in das Panorama.
rl Wie der Charakter des Landes, so hal sich auch die Bevölkerung
geändert — wir sind ja in Sikkim, an der Grenze Tibets und Chinas
Hier, in Sikkim, hausen Volksstämme, die, wiewohl mit indischtra
Blute vermischt und von indischer Cultur beeinflusst, doch im Typu*
und in der Sprache den Tibetanern nahestehen. Die Leptschas, welche '
Sikkim und auch Dardschiling bewohnen, gehören unzweifelhaft, troi?.
manchen arischen Einschlags zu den Halbculturvölkern der monso-
lischen Race. Innerasiatisches Gepräge haben hier die Bewohner der
kleinen, zerstreut liegenden Bergdörfer: reinen mongolischen Typus
die Tibetaner, die als Händler oder Arbeiter vom Norden hieher ein-
wandern. Der Typus der Leptschas ist grundverschieden von jenem
der bisher gesehenen X'ölkerschaften; auf den ersten Blick erkennt
man die Merkmale der mongolischen Race: die gelblichbraune Haut,
das breite Gesicht, die kleinen, schief geschnittenen Augen, die stark
hervortretenden Backenknochen, den niederen Wuchs, das grobe Haar-
den spärlichen Bartwuchs. Sowohl Männer als Weiber sind äußcr&^
hässlich; bei letzteren herrscht die eigentiiümliche Sitte, sich im Wimef'
als Schutz gegen die Kälte, das Gesicht mit Ochsenblut einzuschmiere«^-
was ihnen ein besonders abstoßendes Aussehen verleiht. Am ärgste *^
richten sich aber die Witwen zu, die sich zum Zeichen der Trauer d» ^
Nasen ganz schwarz färben.
Die Kleidung der Männer besteht aus einem farbigen, lange ^^*"*
Kaftan, der durch einen breiten Gürtel, in dem sich die Waffen befinder"" ^
festgehalten wird; hiezu kommen oben weile, unten sich verengend
Hosen und hohe, aus einem Stück geschnittene, farbige Stiefel ode;^^^^^
Schnabelschuhe. Auf dem Kopfe tragen die Leptschas Pelzmützen ode-^^^^'^^
schon stark an chinesische Kopfbedeckungen erinnernde Mützen. De-^^^^
Hals wird durch Siibergeschmeide, kleine Türkis-Amulette oder Koratlen«^"*^
bänder geziert. Manche Männer bedienen sich statt des Kaftans eine ^^*'
.Art Henide.s und darüber eines offenen Rockes aus dickem Loden stufi"'* ^
Die Weiber haben weite, faltige Kleider sowie Gürtel und scheinei» -^^
Geschmeide sehr zu lieben, da sich selbst die ärmsten mit Ketlei»'"« "^
Amuletten und vor allem mit langen Ohrgehängen von Türkise!« '^^
schmücken; manchmal tragen sie auch auf dem Kopfe einen aufrech«"*
stehenden Reif aus Türkisen und Korallen. Der Zopf, welcher beid» -*-^
Geschlechter schmückt, sowie die Finger werden mit Ringen gezierB
Während der Fahrt kamen wir an kleinen Ansledelimgen knapg
vorbei; ja wir streiften beinahe die Häuser mit den Waggons und hattet«
dabei oft Gelegenheit, Einblick in das häusliche Leben der auf eine ■
mögüchst billiger Weise vorgeaommen wird, ist begreiflich, doch kann
planlose \*erwüstung schwere Gefahren nach sich ziehen: der Wald
nicht die ihm gewordene Missachtung. Schmerzliche Empfindunil
btfschleicht den WalJEreur.d. wenn er die Rauchsäulen des Feuers auf-
steigen sieht, welches Bestandcheile einer urwüchsigen Natur vemichltit
— sei es auch, um Boden für die Culcur der Theepflanze zu gewinnen.
Wie groß übrigens deren wirtschaftliche Bedeutung sein mag. diese
k^mn iuch das nicht entschuldigen, dass der Thee Veranlassung oder
\'or\i-and zu zahllosen Soireen und Afcern.jon-teas geworden ist. ... .
Nach 10 L"hr vormittags erreichten wr die Station Kurseong. wo
d;is Hotel Clarendon festiichen Schmuck angelegt hatte, und langten
um I L'hr in Dardschtling. in titetanisccier Sprache »Heiliger Ort-, an.
Hier erwarteten lais der Deputy Commissioner Mr. Waller und Maj.:r
Ommanev , sowie eine ga'de Menschenmenge, aus Europäern und Ein-
geborenen bestehend.
D;irdschLUng, gegrurde; :S.35. ist ;err: der Haupton des gleich-
nartiigen Districtes '^üW im-\ welcher, die Erg!äcder gegen eine
J.i!-:n;srür.te von etwa i.*7?0 :!. o. W. v:i~ iesi Schutzstaate Sikkim,
irtoige semer '-orer. La^i und seines '-erriichen Ktimas ist
^^Rffen aufgespeichert: Messer, mit denen man jede Rupie auf einen
einzigen Hieb durchschneiden kann; merkwürdige Sonnenuhren auf
einem Stocke dargestellt; zahlreiche Götterfiguren in Brunze; originelle
Schmuckgegenstände; endlich verschiedene Musikinstrumente und
Trommeln, darunter solche aus Menschenschädeln, sowie Pfeifen aus
menschlichen Schenkelknochen. Die Trommeln bestehen aus zwei
verkehrt aneinander gestellten Schädeln, deren untere Partien weg-
geschnitten und durch ein Fell ersetzt sind, welches durch einen mit
metallischem Knopfe versehenen .Schlägel zum Tönen gebracht wird.
Die Schädel sollen von Ehebrechern herrühren, die in Tibet zum Tode
venjrtheilt wurden und deren Köpfe dann diese instrumentale Ver-
wendung linden. Abschreckungstheorie in drastischem Ausdruck! Bei
einem deutschen Händler fand ich auch wertvolle Sammlungen von
Schmetterlingen und V'ogeibälgen, die ich für mein Museum acquirierte.
Dardschiling ist, was Schmetterlinge und Käfer anbelangt, der ergiebigste
Fundort in ganz Indien; die Mannigfaltigkeit und die Farbenpracht der
einzelnen Exemplare ist geradezu wunderbar.
Unsere Hoffnung, dass uns ein, wenn auch nur momentaner Aus-
blick auf die Berge beschieden sein würde, verwirklichte sich leider
nicht: der Nebel blieb unerbittlich liegen.
Abends, nach dem Diner, welches wir frierend in einem luftigen
Glassalon des Hotels einnahmen, überraschte uns Mr. Waller mit einem
'ibetanischen Tanze, der auf einem freien Platze aufgeführt wurde,
"bschon sich heftiger Regen in Strömen ergoss, ohne dass hiedurch
Jsr Feuereifer der tanzenden Künstler abgekühlt worden wäre. Die
t'cgieitende Musik ähnelte in ihrer Eintönigkeit, bei ausgiebiger Ver-
«'endung von Pauken und Tschinellen, sehr der indischen Musik;
•^^gegen war der Tanz viel bewegter, ja geradezu wild und so dem
Charakter der unbotmäßigen Gebirgsstämme angepasst. Namentlich die
leimen waren in ihren Bewegungen sehr lebhaft und begleiteten den
Tanz mit einem geheulartigen Gesänge, der wie Kriegsgeschrei klang.
Männer und Weiber tanzten nicht miteinander, sondern nach dem Ge-
^chlechte gesondert. Der Tanz stellte unter anderem auch Kämpfe mit
wilden Thieren dar. Zwei Männer, die fratzenhafte, jenen unserer
ClouTis ähnliche Masken trugen, stürzten sich als »wilde Thiere» auf
einen der Tanzenden und begannen sich mit diesem zu balgen, was
schließlich in einen Wechselreigen der ■Ungeheuer'^ mit dem Tänzer
öbergieng. Drachen, Löwen und Riesenvügel wurden von den Künst-
le™ recht drastisch zur Anschauung gebracht.
DarJschiling, 7. Februar,
Der erste Blick bei Morgertgräiien galt deo Bergen oder eigent-
lich der R'chtuR»:, in welcher die Berge gesehen werden sollten: aber
leider sahen »ir wieder r.ur Nebe'i, nichts als XebeL Tief herabgestimmt
vvidniete ich oiehrere S;under. :r.e:r.e:r. Tigebuche. während die Herren
meiner Suite in der. Baz^ir giengen. um :ur mich Einkäufe zu besorgen.
L'":er anderem brachten sie wn ihrem Be'L::ezi:ge auch einen zottigen
echten Tibetaner öeb;rgsh'.^r.d mit. der. ich sofon in die Heimat sandte:
ein reifendes Thier. 'ani; behaarL schwarz, brata; gehrannt, in der Größe
eines Schäferhtindes, m:t k'.iigen Auger. imd — einem besonderen
Ker.nreichon der Race — schwarzem Maule.
Killte verschiedenarTipär. Oethierss. bes-^sders jene des schönen
Katjer.biren .A:'u:\:s ru'^ens , weiche ich in dem Bazar gesehen hatte.
vi-ranlassien mich, in den Comm:ssi-;ner zti dringen, eine Jagd zu
Yoranstatten. Er erklärte, das* ;\var a"e guten PÜize sehr entlegen
-eien. wir aber imn:erhin einen ir. cer Nähe ber.nd:^chen Waid durch-
stri.'::"en könnten, um dort unser utück au:" \'ögel ru versuchen. Wie-
wohl dies wen;g ;uvirs:ch;I;cr, klar.i. machten v*ir uns dennoch auf
cntl-mg. urge;X~r ;vV' ■« bergab, b:s wtr an einen steilen Bergabhang
getanättcn. der nut au:;rst unriiier "leiretAticr. r*ieckt war. Wir v«-
ei". Wif btfdj.ui-e ich. nicht meine genageit^i^
birge, der sich mir für das ganze Leben tief eingeprägt hat. Als
tten die Geister jener Berge Mitleid mit dem Erdensohn empfunden,
■ aus weiter Ferne hiehergepügert war, um zu den Füßen der unnah-
•en Riesen die Natur in ihrer Herrlichkeit zu bewundern — theilt
h plötzlich der dichte Nebel in den Höhen und entschleiert liegen im
inze der sinkenden Sonne -die fünf weißen Brüder», der Kantschin-
:hinga, vor uns. In scheuer Ehrfurcht nur wagt das Auge sich zu dem
de voll Größe, voll Majestät zu erheben, trunken von Entzücken haftet
daran. Eine Wand von Nebel, wie aus den Thälern emporgewachsen,
;ert bis hin zu den enthüllten Gipfeln, die auf den Wolken zu thronen
leinen. Ein erstarrtes Capitel der Geschichte der Erde, blicken die
rge, das Bleibende im Wechsel, in olympischer Ruhe auf das Werden,
ihen und Verderben der Völker — dieser Eintagswesen in den Äonen
> Seins — herab. Wenig war mir zu schauen gegönnt; doch das
;nige in einer Pracht, dass ich die ganze Größe jenes hehren Anblickes
ahnen vermochte, den voll zu genießen mir versagt blieb. Wie ein
fühl der menschlichen Ohnmacht beschlich es mich angesichts der
tur in ihrer Riesengröße — auch der Nüchternste muss sich in Demuth
igen und in Begeisterung erheben vor einem Anblicke, wie er mir
ichieden gewesen.
Nur ein bitterer Tropfen Wermut in dem Kelche der Freude —
is meine Lieben in der Heimat weilen, in weiter Ferne von mir, dass
nicht theilhaben können an dem herrlichen Schauspiele, an den
en Empfindungen, die es wachruft. Wie wahr ist das schlichte Wort:
theilte Freude, doppelte Freude! , . .
Die Geister der Berge schien es zu reuen, ein menschlich Rühren
pfunden und die jungfräulichen Gebirge, auf denen nie der Tritt eines
nschen wiederhallt hat, so lange dem Auge des Sterblichen preis-
jeben zu haben — die Nebel steigen, werden dichter und dichter,
rosig angehauchten Gipfe! verblassen, ihre Contouren zerrinnen, und
ilich ist das zauberhafte Bild verschwunden.
^P Dardschiling, -S- Februar.
Der Wunsch, den Anblick der herrlichen Berge heute morgens
ärmals zu genießen, war der Vater des Gedankens gewesen, dass die
bei heute verschwunden sein müssten. Mit nichtenl Sie waren noch
mer da, obgleich in der Nacht Sterne sichtbar geworden waren und
r leider den letzten Morgen in Dardschiling zu verbringen hatten.
2f7\ m hoher, ur.i eriVi \l ivt v:-
Se-schiZ ^-cer Tiger Hii: ;u rei:*- \^
:u c:;h: war uT:d an einzelnen
-iii. beschlossen wir. auf den
hier ir.:feTr.i liegenden Moum
" ihr: aus soü man an klaren
HirrXaya, insbesondere den
flr.i'ich kalt und ^c-zz warmer
L >cwf^:icr >;; g".:;;
wie in ei-ez: e.:ror tischen Wintertage,
■ nr.^ -.1-? der ersehr.ii A-shh;» iu: die s:o!zen Berges-
tuhr: fT'eich v;rr. K:;e! ius in Serpenänec sieil hinan
er.^li>,'hir SiT-iTmum für feberirinke Sk-Idazen. die i;^
r.ir, Hius^rr. -ur.:srgthri:h: sir.i -und hier von ihren
:~^ su---.sr A-u.-h iins s:=in= en^iischs Besatzung. w..>hl
r,'. ^r^. .rrsrruniS. der ■.t. w±;iend=n Nebel einer KüpF^
■hir:is- j^-h em nbeiinischer Buddha
-;r V; x:: in uirin .-nüjhe— aenühr-unisj-unkte.
ylindrische Büchse befestigt ist. Im Innern der Büchse ist ein langer,
usammengerollter, mit Gebetsprüchen bedruckter oder beschriebener
'apierstreifen enthalten, welcher mittels einer in der Büchse befestigten
i^le in Drehung versetzt wird. -Schon das Drehen der Gebete wird
em andächtigen Hersagen derselben gleichgehalten und gilt bei den
iuddhisten a!s Bethätigung der Frömmigkeit; übrigens murmeln die
llerfrömmslen Beter, während sie die Spule des CyÜnders drehen, oben-
rein noch den Gebetspruch. Eine noch drastischere und bequemere
"orm des Gebetes besteht in dem hier üblichen Hissen langer über und
iber mit Gebeten beschriebener Tücher, welche auf hohen Bambus-
tangen in der Nähe der Tempel und der Häuser im Winde zu flattern
lestimmt sind und auf diese Weise böse Geister von den Gebäuden
erscheuchen und fernehalten sollen.
Wir hatten das V'erkehrsleben Dardschilings gewiss bedeutend
ingeregt und jedenfalls die Hoffnung erweckt, dass es möglich sein
«rde, noch im letzten Augenblick irgend welche für die Verkäufer
■esonders vortheilhafte Geschäfte mit uns abzuschließen; denn als wir
ms, zur Abreise gerüstet, bereits unter den Thoren des Hotels befanden,
jberfielen uns daselbst unzählige Händler mit Stoffen, Waflen, Hunden,
'asanen, Fellen. Musikinstrumenten der mannigfaltigsten Art und allen
nöglichen Geräthen religiöser und profaner Bestimmung. Zwischen
len Handelsbeflissenen drängten sich Bettelmiinche und Lamas aus
fibet und aus der Mongolei, um Almosen für ihre Tempel flehend.
• Lama- ist der Ehrentitel der Priester des LamaTsmus, das ist
es von Tsongkhapa im 14. Jahrhundert umgestalteten, bei den Tibe-
änern, Mongolen und Kalmücken verbreiteten Buddhismus. Die ober-
ten Priester dieser Hierarchie sind der Bogdo Lama in Taschi-Lhunpo
nd der weit öfter genannte Dalai Lama, Oceanpriester, — das ist der
lenschgewordene, immer wieder neugeborene Buddha — in dem seit
ielen Jahrzehnten den Europäern verschlossenen und wohl voraus-
ichtlich auch noch durch längere Zeit unzugänglichen Lhassa.
Endlich mussten wir dem geschäftigen Treiben rings um uns her,
a die Zeit drängte, ein Ende bereiten und kämpften uns durch die
^stgekeilte Menschenmenge förmlich hindurch, um zu der Station zu
;etangen.
War uns das Wetter während des kurzen Aufenthaltes nicht
ben hold gewesen, so verließ ich Dardschiüng doch lebhaft angeregt
ind seelisch erquickt. Ich war von der Empfindung erfüllt, inmitten der
lerrlichen Gebirge geistige Sammlung gefunden, sowie wohlthuende
nach Siligiiri brachte. Bei Nacht ist der Verkehr der Züge auf der
Bergbahn in der Regel eingestellt, weshalb auch für Beleuchtung der
Strecke nicht weiter gesorgt ist. Für unsere Fahrt jedoch ward auf der
Locomotive ein weithin leuchtendes, helles Licht befestigt, in dessen
Schein die Bäume des Urwaldes, die Lianen, die Bambus wie Gespenster
an uns vorübernogen.
Endlich trafen wir in Siliguri ein, um die Fahrt von hier aus mit
der Eastern Bengal Railway auf der schmalspurigen Strecke bis nach
Manihari Ghät fortzusetzen.
'^»m^:
■^.-a
W
Benäres.
Li
Dardschiling — Benäres, 9. P'ebruar.
Um Vi8 Uhr morgens wurden wir in Manihari Ghät an der End-
slalion der schmalspurigen Bahn geweckt, passierten auf einem Dampfer
den Ganges und setzten von der Station Sakrigali Ghät die Fahrt mit
der Hast Indian Railway auf der uns schon bekannten Strecke bis Moghal
Sarai fort. Das Gebiet, welches wir durcheilten, ist, wenn auch an Üppig-
ceii den Delta -Landschaften nicht vergleichbar, doch sehr fruchtbar,
ita.ik besiedelt und intensiv cultiviert. Das Uferland des Ganges, den
^lluvialbildungen angehörend, allenthalben Handelsgewächse, Brot-
Litid Gartenfrüchte in reicher Fülle liefernd, trägt wie fast jede der
•Kornkammern« unserer Erde, den Charakter der Eintönigkeit in sich.
tias Einförmige der Gangesniederung, ihrer fruchtbaren Ebenen und
K»"ünenden Keldfluren wird nur durch zahlreiche Mangohaine und
'''eine Hügel unterbrochen, welche ihre Eigenart dadurch ausprägen,
*i*ss sie nur spärlich bewachsen und mit regellos übereinander gewür-
felten Felsblöcken bedeckt sind.
Gegen 8 Uhr abends langten wir in Moghal Sarai an, setzten von
"'er aus auf der Linie der Oudh and Hohilkund Railway. eine beiläufig
'idOm lange eiserne Brücke passierend, über den Ganges und trafen
■::'^i:--i-.-fZ it^ :'=Li=iMCär- — v.r. it. är=-
-.^f uT.i Arerj'jubi;
Vlitte des 17. Jahrhundi^rts dem Reiche der üroUmoguln einverleibt,
t>üOte sie ihren Charakter als heilige Stadt der Hindus vorübe rgeliend,
namentlich dadurch ein, dass Aurengzeb, ebenso eifrig als Bekenner
des Islams wie als Verfolger des Brahmanismiis, den Hindus zum Hohne
alle Tempel derselben zerstört und — zum Theile auf den Trümmern
dieser Tempel — dem Ufer des Ganges entlang eine große Zahl von
Moscheen errichtet hat. Nach dem Verfalle der Moguln herrschaft zu
neuer Kraft erstarkt, erbauten die Hindus, die Moscheen verdrängend,
nahezu anderthalbtausend neuer Tempel. Setzt uns auch deren Zahl
und Bauart in Erstaunen, so bemerken wir an ihnen dennoch eine
gewisse Einheitlichkeit des Stils, ein Umstand, der darauf zurück-
zuführen ist, dass eben keiner der gegenwärtig in Benäres bestehenden
Hindu-Tempel weiter als ins 17. Jahrhundert zurückreicht.
Die Sonne hatte kaum die über dem heiligen Ganges wehenden
Morgennebel zerrissen, als wir uns schon am Ufer des Stromes befanden.
Hier mieteten wir eine kleine Barke und ließen uns den Fluss auf- und
niederrudern, um eine Übersicht über die Paläste und Tempel und das
Leben am Ufer zu gewinnen. Oberhalb des Stromufers erhebt sich eine
Reihe von Palästen, welche indische Fürsten, so die Maharadschas von
Nepal, Dschaipur (Jeypore) u. s, w. hier zur Unterbringung der aus
ihren Staaten alljährlich in großer Zahl herbeiziehenden Pilger erbaut
haben. Typisch sind die mit Gallerien geschmückten Krönten, deren
jede von zwei massiven Eckthürmchen flankiert ist. Zwischen diesen
Paliisten erheben sich allenthalben Hindu -Tempel, theils wohlerhalten,
thcils ruinenhaft, deren manche die wühlende Thätigkeit des Stromes
zu Fall gebracht hat, während andere aus der gleichen Ursache in so
schiefe Lage gerathen sind, dass die hier ersichtliche Abweichung von
Jer Geraden jene des Thurmes von Pisa weit übertrifft.
Von der fortlaufenden Reihe der Gebäude führen überall große
steinerne Freitreppen (Ghäts) bis zum Wasserspiegel hinab. Auf diesen
entwickelt sich namentlich des Morgens ein Leben und Treiben, das
anfangs auf den Beschauer verblüftend wirkt und jeder Beschreibung
i^u spotten scheint. Hier strömen alle Pilger und der größte Theil der
E^inwohner von Benäres zusammen, um im heiligen Flusse zu baden
"nd so Befreiung von allen Sünden zu erlangen; hier pulsiert das
'■-''igiüse Leben, Denken, Empfinden und Trachten der Hindus; hier
Wird Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung religiöser Pflichten zu crassem
•■anaiismus. Indolenz zur Begeisterung. Laien und Priester, Männer
und Frauen jeden Alters, Jünglinge, Mädchen und Kinder drängen sich
in liülien Scharen zum Bade. Dort ti\ucln ein armer Greis mit schnee-
weiüen Haaren, vur Kälte zitternd, in die Fluten; hier nimmt eine
Anzahl von Brahmanen das reinigende Bad; ein steinaltes Oroli-
mütterchen naht, geführt von dem Enkelkinde, dem Flusse; weiterhin
baden zahlreiche junge Mädchen, deren Heiterkeit im Glauben nicht
erstickt; zappelnde, kreischende Kinder werden von den Eltern mil
Wasser Übergossen oder in die schlammige Brühe getaucht, Übcnül
aber herrscht der größte Anstand, auch im Wasser werden die lichten
Leinwandkleider nicht abgelegt.
Der Morgen war sehr kühl. — in Mäntel gehüllt saßen wir in
unserer Barke — doch hinderte die empfindliche Kälte die Glaubeni^-
starken nicht im geringsten, ihr Bad zu nehmen und längere Zeit im
Wasser zu verweilen. Die Badenden trinken von dem eklen Wasser,
welchem dank Schiwas Gnade die Kraft innewohnt, den sterblichen
Menschen von seinen Sünden zu reinigen, und opfern Blumen und Reis
oder andere Erzeugnisse des Bodens. Besonders feierlich vollziehen
die Brahmanen die heilige Handlung, indem sie der Sonne einen Blick
zuwerfen, Gebete murmeln und unter den eigenthümlichsten Ceremonien
ihre Opfer darbringen. Pilger nehmen in großen Kupfergefäßen das
wunderthätige Wasser des Ganges, das auch in alle Theile des LanJes
verschickt wird, nach Hause mit. In ganz Benäres sieht man Trüger
dieses heiligen Nasses durch die Straßen eilen.
Gleich oberhalb der Badestelle sind auf den Ghäts über SMen
gelagerte Steinplatten angebracht, auf welchen Brahmanen sitzen,
welche den dem Bade Entsteigenden mit verschiedenfarbigem SanJel-
holzmehl das Kastenzeichen auf Stirn und Wangen malen. -Auch
Rasierer in voller Thätigkeit haben da ihr Lager aufgeschlagen.
Die fürchterlichste Ausgeburt religiösen Paroxismus, wahre Zerr-
bilder der Menschheit sind aber die Fakire, deren es in Benäres Legionen
gibt, .Sie sitzen auf den Ghäts oder auf im Flusse schwimmenden
Brettern, größtenthcils nackt, mit Lehm oder Asche beschmiert, regung^'
los da. Für ihren Lebensunterhalt sorgt die Mildthätigkeit der Gläubigen-
Mitten unter all den Badepliitzen liegen die Verbrennungssläite'^'
an welche täglich zahlreiche Hindu-Leichen überantwortet werdet-
F,s gilt als der Gottheit besonders wohlgefällig, ja als Bürgschaft f^"
den Eintritt in den Himmel, am Ufer des Ganges zu Asche zu wer*.''^"
oder gar daselbst das Zeitliche zu segnen, aus welchem Grunde si*^"
auch viele Sterbende von ihren Verwandten selbst aus weiter FC"*^^
zum heiligen Strome bringen lassen, um angesichts seiner rauschen '1'^'^
h'luien den letzten Seufzer zu thun. Tritt der Tod des Sterbenden
nicht bald ein, so beschleunigen wohl liiiufig genug die zärtlichen Ver-
wandten künstlich sein Ende, um baidmöglichst wieder in die Heimat
zurückkehren zu können. In landesüblicher, pietätloser Weise wird mit
den Leichen umgegangen, da dieselben vorerst unter freiem Himmel
rasiert und gewaschen, dann auf den Holzstoß gelegt und rasch
verbrannt werden, wobei die Angehörigen stumm und theilnahmslos
verharren. Endlich wirft man die letzten Überreste der Todten in den
Ganges, knapp an den Stellen, wo ungeachtet der schwimmenden
Leichentheile Menschen baden und das trübe Wasser schlürfen. Geier,
Raben und Hunde raufen gierig um manchen halbverkühlten Knochen.
Lange blickte ich in dieses Treiben, als müsste ich mich ver-
gewissern, dass ich so Scheußliches wirklich schaue und nicht bloß
träume — dann wandte ich mich mit Ekel, ja mit Unwillen von dem
grausigen, der Menschenwürde Hohn sprechenden Schauspiel ab.
Aus der Flucht der Tempel und Paläste ragt mit ihrem runden
Kuppelbau und den, zwei schlanken, die ganze Stadt überragenden
Minarets die große Moschee Aurengzebs heraus, welche der miichtige
Eroberer an dieser, den Hindus besonders heiligen Stelle hatte en-ichten
lassen. Auf steilen, schmutzigen Steintreppen stiegen wir zum Vor-
platze der Moschee, wo uns ein Muezzin mit Bücklingen emplieng
und demülhig einlud, eines der Minarets zu besteigen. Von der ersten
Plattform, dem Dache der Moschee, strichen, durch unser Erscheinen
erschreckt. Schwärme von Papageien und Tauben ab. Der weitere
Aufstieg ist schwierig, da man sich auf einer engen, mit unverhältnis-
mäßig hohen Stufen versehenen Schneckenstiege emporvvinden muss,
Joch entschädigt für diese Mühe die weite, lohnende Aussicht über
die ganze Stadt und den heiligen Fluss. Die zahlreichen Kuppeln der
Tempel erglänzen im Sonnenscheine; ein Häusermeer liegt zu unseren
PüBen; majestätisch rauscht der mächtige Strom dahin, als verachte er
das wahnsinnige Getriebe dieser, Marionetten gleich von einer dunklen
Xiachl bewegten Menschen.
Eine Wanderung mitten durch die betende Menge führte uns
v-arbei an heiligen Kühen, Eseln, Ziegen, Schafen und Hunden; alle
diese Thiere lungern in der drängenden Menschenmenge umher ^-
Türwahr eine drastische Staffage des sinnverwirrenden Bildes! Eine
5»roße Zahl angekröpfter Geier und Milane sitzt auf den Dächern oder,
s»,lle Abfälle vom Boden auflesend, zwischen den Fußgängern. Ziegen
xinJi .Schafe dringen in die Tempel und Tcmpelchcn ein und fressen
viim Schöße der Götterbilder die diesen geopferten Blumen und Kränze.
Wir gelangen zu einer Stelle, an der ein im Rufe besonderer Heilig-
keit stehender Kakir, unaufhörlich Gebete murmelnd, schon viele Jahre
lang auf demselben Flecke sitzt und von Andächtigen mit Opfergaben
beschenkt wird. Fanatiker, welche die Würde eines Fakirs anstreben.
bemühen sich, den ersten Grad der Abtödtung dadurch zu erreichen,
dass sie den Athem so lange einhalten, bis sie, grün und gelb geworden,
beinahe ersticken. Alltäglich wird diese Übung wiederholt und fon-
gesetzt, bis jener Grad von Vollkommenheit erreicht ist, der dem
ersehnten Ziele zuführt.
ICine (."isterne, der hochheilige Manikarnikä- Brunnen, 12 m im
Quadrat messend, mit Stufen, die zum Wasser niederführen, — angeblich
nach dem V'nrbilde eines mythischen Teiches im Himälaya gestallel
ist eine Stätte besonderer \'erehrung für die Gläubigen; für uns
eine solche des Greuels. Hier baden die Gläubigen, bevor sie in den
Giuiges tauchen - besser gesagt, sie suhlen sich in der Jauche und
schlürfen von der aus faulenden Blumen, vieljährigem Schmutz unJ
übelriechendem Wasser bestehenden Flüssigkeit.
Uber steile Troppen, eine schmale Straße entlang, wanderten «ir
dem Haupitempel Schiwas »Bischeschwar« — der »Goldene Tempel-
genannt zu. Das rnglaubliche ist Ereignis geworden; denn in den
SinilJen und vorzüglich in den Tempeln ist das Treiben der pilgernden
."Scharen noch toller als am l'lusse. Die Straßen selbst bestehen eigent-
lich nur aus ununterbrochenen Keihen von Tempeln mit schöner und
urigineller Architektur, die von hoch entwickeltem Kunst- und Schon*
heitssinne zeuj;t. Tempel und Bilder des Klephanten-Gottes Ganescha,
Tempels das seiner Obhut unvertrautc Bildnis Wischnus hin abgeworfen
haben soll. Heutzutage birgt dieser Brunnen nur faulendes Wasser.
k'on welchem gegen entsprechenden Bakschisch für den Brahmanen
ieder Pilger einen LölTel voll erhält.
Der Goldene Tempel, über den wir von einem gegenüber-
liegenden Balkone einen guten Überblick genossen, ist vor ungefähr
300 Jahren ganz aus rothem Sandstein erbaut und die Vergoldung des
kegelförmigen Daches auf Kosten Maharadscha Randschit Singhs von
Labore ausgeführt worden. Dieser Schmuck hat dem Tempel den Bei-
namen des -Goldenen« verliehen. Innerhalb imd außerhalb desselben,
eines wahren I'andämoniums religiö.ser Exstase, treibt das Leben der
Pilger die höchsten Wogen, Vollständiger Schiffbruch der menschlichen
Vernunft zeigt sich, wenn man hier einen Blick auf das Gebaren der
Gläubigen wirft. Obwohl sonst der Eintritt für Andersgläubige streng-
stens verboten ist, drangen wir doch, geleitet von einem reichlich mit
Bakschisch versehenen Brahmanen, soweit ein, als es die drohende
Haltung der Pilger nur immer gestattete Was ich gesehen, genügte,
um mir ein getreues Bild von dem Innern des größten und heiligsten
Tempels der Hindus, von der Nacht des Irrwahnes zu machen, welche
jene umtangt. Das Hauplidol, in herrlicher, reicher Umfassung, ist das
Sinnbild schaffender Kraft, ein Lingam, umtanzt von einer fanatischen
Menge von Bettlern, Weibern und Männern, welche das Symbol rastlos
bekränzen, bespritzen und salben. Dazwischen tönen Glocken, an welche
Jie Gläubigen schlagen, watend zwischen zertretenen Blumen, Ganges-
wasser und Excrementen heiliger Kühe. Um das Haiiptidol ist ein
förmliches Museum anderer Bildnisse und Götteridole gereiht, deren
jedes seine Anbeter hat. die schreiend und lärmend ihre Andacht ver-
richten. Obgleich mir nur ein Aufenthalt von wenigen Minuten in diesem
Heiligihunie gegönnt war, fühlte ich mich doch durch das plötzliche
f^instürmen so ungeahnter Eindrücke wie von Schwindel erfasst; ins
!■ reie gelangt, athmete ich tief auf. Die Umgebung des Tempels ist von
einer Unzahl bejammernswerter, ekelhafter, verkrüppelter, mit Aussatz
'•ehafteter Bettler und Bettlerinnen belagert, welche das öffentliche
Mitleid anrufen.
Noch grauenhafter, wenn möglich, ist der in der Nähe liegende
lempel.Annapurnas, der »nahrungspendenden« Göttin. Ringsum stehen
Kühe, welche von den Gläubigen als so heilig betrachtet werden,
iass diese, um sich von allen Sünden zu reinigen, ein Gemisch sämmt-
'icher Provenienzen derTempelkühe schlucken. Wohl der entsetzlichste
Aufbruch liL-hcrtiaftcn Glauhcnswahncs! Welch schreiendtn', sehnt
Hoher VViilerspruch — auch hier schöne Architektur, das Zeugnis
blühcmlen menschlichen Geiste!*, als Umrahmung von Schmutz, ünraJh.
Wahnsinn. In der Mille des Tempels, auf einer Art Postament, befinJ«
sich ein fQrsorglich vorbereitetes, sogar mit Moskitonetzen umgebenem
Bett, welches, dem Glauben der Hindus nach, allnächtlich von Wischnu^
Gcmalin, der Göttin Lakschmi, aufgesucht wird, um hier der Ruhe zu
pllegen.
Ich wandte mich nun dem Bazar zu und besah unterwegs noch
die architektonisch reizend geschmückten Fronten einiger Häuser und
mehrerer anscheinend selten besuchter Tempel.
Wir wandern, ntt genug durch die drängende Menge im Fort-
schreiten behindert, an lebendig gewordenen Höltenbrneghels vorüber.
Hier nahl eine Schar Pilger, triefend vom Bade; dort bekränzen Krauen
ein Schiwa-Symbol, den Gott um zahlreichen Kindersegen billenJi
Fakire in den schcuülrchsten Krscheinungen und aussätzige Bettler
schreien um Almosen; Megären unterrichten auf der Straße Kinder in
den Mysterien der Hindu-HeÜgion; Brahmanen heischen von Pilgern
Bakschisch; vornehme liadschas ziehen in feierlichem .Aufzuge, gefolgt
von einem Trosse bunter iJiener und Musikanten, an den Ganges;
Leichen auf Leichen, bloß mit leichten Tüchern bedeckt, werden vorbei-
getragen — ein unaufhörlicher Wechsel von Scenen und Bildern, >iie
nur der Orient in seiner üppigen und wüsten Gestaltungskraft her\'or-
zubringen vermag. Widerwillen, ja Abscheu fasstcn mich an und
erdrückt, überwältigt von dem Gesehenen eilte ich nach Hause, ur"
ermüdet auszuruhen.
Neu gestärkt stattete ich nachmittags dem AflTen-Tempel meine»
Besuch ab. Dieser Tempel ist dem Gölte Hanuman gewidmet u*^'
beherbergt in seinen KAumen eine Unzuh! Aften, die lustig im Inn^*'
des Gebäudes auf dessen Säulen und Capitälcn umherspringen, '^'*-'
den Gläubigen mit SüUigkeiten und Früchten gefüttert. Noch vor kur^*
Zeit gab es hier Tausende heiliger Affen; doch wurden diese durch i*'*
Streiche endlich »olbst den gläubigen Hindus zu arg, da sie in *-*
ganzen Nachbarschaft furchtbare Verheerungen anrichteten und K^
Gegenstand vor ihrer Raublust sicher war. Man half sich nun dadur*^
dass man über tausend AtTun cinfieng. die ganze Gesellschaft in *^
Coupes eines Fxlrazuges sotute und weit ins Uuid führte, um sie '
einem Dschungel wiedur auHEuhissen. Su waren die praktischen Gl^'
bigen die QuälgvistucJu^ geworden, ohne sich gegen deren Heiligk^'
A
^^*ersündigt zu haben. In der Mitte des Tempeis steht eine \erKoliJele
Figur des Gottes Hanuman, die, von Gläubigen und Affen eifriy heim-
gesucht, natürlich des üblichen Schmutzes nicht entbehrt.
Hier producierten zwei Schlangenbändiger ihre Künste mit einer
Anzahl Cobra- und Python-Schlangen. Dieses Schajispiel wiederholte
sich nach unserer Rückkehr in das Palais, indem uns ein Taschen-
spieler unter anderem auch einen interessanten Kampf zwischen einer
großen Schlange und einem kleinen iltisartigen Thierc, dem sogenannten
Mungo, — einer .Art Manguste — vorführte. Letzterer blieb Sieger; er
halte sich äußerst geschickt gleich auf den Kopf der Schlange geworfen
und biss endlich dem Reptil, obgleich dieses seinem Gegner arg zusetzte
und ihn fest umschlang, den Kopf durch. Es verdient bemerkt zu werden,
dass die Gaukler und Taschenspieler in ganz Indien eine hervorragende
Rolle spielen und sich vortheilhaft dadurch von ihren europäischen
^V^Collcgen unterscheiden, dass sie die frappierendslen Kunststücke ohne
^^B lUe Vorbereitungen zum besten geben.
^P Recht bitter enttäuschten uns die Tänzerinnen, welche sich nach
B dem Diner im Palais producierten. Sie selbst waren jeder Schönheit bar,
K ihre Tänze äußerst langweilig, so dass wir bald in recht schläfrige
I Stimmung geriethen,
. Fcbri
Vormittags wanderte ich noch einmal durch die Straßen, die
renipel und den P"luss entlang — dieselben Bilder, die gleiche Wirkung.
Gegen Mitlag kam der Maharadscha von Benäres, Brabhn Narain
Singh Bahädur. mich zu begrüßen. So prachtvoll der gute Mann auch
"i't den kostbarsten Steinen behängt war, so wenig fürstlich war sein
■^urzug; die Staatscarosse, vor allem aber seine Leibwache, die auf
^'■•Hkommen ausrangierten Pferden saß und theilweise alte englische
'-"< formen trug, sahen recht kläglich aus. Er ist ein freundlicher,
heiterer Herr und anscheinend ein passionierter Jäger, da er sich von
^cint-m Express rifle niemals trennt und es von einem Diener sogar bei
*llen Besuchen, allen festlichen Gelegenheiten nachtragen lässt. Auf
'^ein Befragen theilte er mir mit, dass er in seinem Staate bereits
^ Tiger erlegt habe, Dass uns ein Photograph vor dem Palaste in einer
Gruppe aufnahm, braucht kaum ausdrücklich erwähnt zu werden.
Den Gegenbesuch, zu welchem der Mahäräd.scha noch schönere
diamanten angelegt hatte, stattete ich demselben in einem anderen seiner
PalÄsle ab. der sich aber in einem etwas wüsten und vernachlässigten
^UkUndc befand und nur eine Gallerie der gekrOoten Häupler Eurof iiä.
ftCheuÖliche Lithographien, enthielt, u-elche den Hauptscbmuck des
Auditnz^ÄBiitt, biUcten, in dem ich mich mit dem &Iahirädscha lui
dnifie Minuten auf einer Art Thron niederlieB. Nachdem wir un^^ere
Photographien getauscht hatten, schenkte mir der Fürst eine Schnitzerei
au» Elfenbein, deren Kunstwert er sehr hoch hielt. Endlich giengs
In Begleitung des Jklahäräd-schas zum Bahnhofe, von wo uns der Zug
Hilf der Linie der Ea»t Indian Kailway über AUahabad und Kahnpur
niich Agra bringen sollte.
Agra— Bhartpur.
Agra, 12. Fubruar.
■ Die Bahn überschreitet auf einer großen Gitterbrücke den heiligen
■ Dschamna-Strom und mündet in der sogenannten Fort Station. Schon
■ i'om Bahnhofe aus sieht man nach Osten hin im Rückbhclte gegen den
■ JJiiChamna-Strom die Umrisse des weitläufigen Forts, schlanke Thürme
W untl Minarets.
In halbstündiger Wagenfahrt Agra durchquerend, um zu unserem
Absieigequartier, dem uns vom Maharadscha von Dschaipur zur Ver-
^e'Ving gestellten Palaste, zu gelangen, fragten wir uns wiederholt,
i\'<> denn eigentlich die Stadt sei. Etwa 28 km' Flache in den Wällen
^•rj^chließend und im ganzen etwa 165.000 Einwohner zählend, bietet
■^'^^ Allstadt Agra, einst die Heichshaupt- und Residenzstadt der Groß-
"^^"^^uln, und auch heule noch nach Dehli die größte Stadt des
"'^^ren Gangesbeckens, einen sonderbaren Anblick. Zahllose, einzeln
^'^*ncnde Gebäude wechseln hier mit kleinen Häusercomplexen, dann
^^^^dermit großen Schutthaufen und Ruinen, mit Gärten, Feldern und
^^5*'^-* 'S gedehnten Heideflächen ab.
^^k Der Grund dieses seltsamen Stadtbildes liegt einestheils darin,
Hp^-S'SAgra, dessen Geschichte und Bedeutung nicht weiter zurückreicht
^■«ti nur die Großmoguln Baber (1494 bis 1530) und Akbar {1556 bis
**05), den ursprünglichen Plänen seiner Erbauer gemäß, eine räumlich
^"*=il ausgedehntere Anlage darstellen sollte, als es der Lauf seiner
L
baulichen Entwicklung gefugt hat; andererseits darin, dass ein beJeu-
tender Tiieil der Stadt ganz verfallen ist. So ist es gekommen, dass
Agra, mit Ausnahme der aus ancinanderschließenden Häusergruppen
gebildeten Hauptstraße und des Bazars, nur vereinzelt stehenJu,
über die ganze Fläche hin zerstreute und vertheüte Gebäude aufzu-
weisen hat.
Der Palast, den wir bewohnen, hegt in einem ganz verwilderten
Park, in dem es von Pfauen und Papageien wimmelt, da diese den Park
mit ihrer Farbenpracht, leider aber auch mit ihrem Geschrei erfüllenJen
Thiere hier auf Befehl des Maharadschas tagtäglich gefüttert werden.
Von außen betrachtet unscheinbar, erscheint der Palast an seiner Innen-
seite dadurch bemerkenswert, dass keiner der vielen, in demselben
enthaltenen Räume auch nur ein einziges Fenster besitzt, sondern alle
Wohnräume lediglich durch Oberlicht spärlich beleuchtet werden.
Während der heißen Jahreszeit mag diese Einrichtung, da sie die
Gemächer verhältnismüßig kühl erhält, recht praktisch sein; zu der
gegenwärtigen Zeit jedoch und obendrein bei der für Indien abnorm
tiefen Temperatur des Winters 1893 fror es uns in den ganz unwohii-
lichen, an Gefängniszellen mahnenden Räumen des Palastes jämmerlich.
Diese Verhältnisse, welche mich wohl berechtigen dürften, meinem
Absteigequartier zu Agra den Namen des ■»ungemüthlichen Palastes-
beizulegen, bestimmten uns, schleunigst zu der programmäßigen Rund-
fahrt durch das Sehenswürdigkeiten aller Art einschließende Gebiet
von Agra aufzubrechen. Zunächst begaben wir uns nach Sikandra, zu
dem Grabmate Akbars, welches sich im Nordwesten von Agra erhebt.
Diese Fahrt gewährte mir einen Überblick über die Lage und
Gestaltung der Stadt. An dem rechten, dem Westufer der Dschamna,
dieses wasserreichen, fruchtbare Alluvien bildenden Stromes gelegen,
gliedert sich Agra heute in folgende Theile: die Altstadt, unter Akbar
doppelt so stark bevölkert als jetzt und heute nur mehr wenige Merk-
würdigkeiten aus jener Zeit bewahrend, als Agra (1568 bis 1658)
Residenz der Großmoguln von Hindustan gewesen; die fast ganz ver-
fallenen Vorstädte; die englische I.agerstadt im Süden; die Civil lines
mit dem Gerichlsgebäude, den .Ämtern, dem Government College und
dem Centralgefängnis im Norden; endlich knapp am Südoslende der
Altstadt und nächst dem Bahnhofe, das von Akbar erbaute Fort.
Die Geschichte Agras ist in eine für Indien, das Land der tausend-
jährigen Reiche, verhältnismäßig kurze Epoche zusammengedrängt Im
Jahre 1527 liel .^gra, bis dahin eine der Residenzen des mohammeda-
^BSchen Hauses Lodi, in die Hände Zeliir ed din Mohammeds, genant^
Baber (der Tiger), des ersten Großmoguls in Indien. Baber ist der
Begründer jener von Timur Leng (Tamerlan) und Dschengis Khan
stammenden Dynastie — mongolischer Abkunft, jedoch mohammeda-
nischer Religion — gewesen, welche, das Schwert in der Hand, an
der Spitze furchtbarer Reiterscharen die Fürsten Indiens ihrer Macht
unterworfen und hier das Reich der Großmoguln errichtet hat, welches
unter Baber, Akbar, Aurengzeb zu hoher Macht gelangt, endlich an die
Engländer gefallen ist. Seit dieser Zeit als Titularkönige Pensionäre
Englands, doch stets zu Intriguen und Aufständen wider die sich rasch
und kräftig entwickelnde britische Suprematie bereit, haben die Groß-
moguln, wenn auch factisch der Macht, so doch nicht allen Einflusses
beraubt, ein unstetes Leben verbracht. Der Tod Schah Bahädurs (1862),
des letzten »Kaisers«, eines achtzigjährigen Greises, und die Hin-
richtung fast aller seiner Nachkommen nach der Eroberung von Dehli
durch die Engländer (!8ä7) hat die Dynastie der indischen Timuriden
rasch ins Reich der Vergessenheit geführt.
Die Glanzperiode der Moguln begreift die Regierungen Babers,
.^kbars, Dschehangirs, Schah Dschehans und Aurengzebs. Unter diesen
Fürsten hat sowohl die Pracht des Hofes, zu dem Gesandte, Gelehrte,
Künstler, Priester aus aller Herren Ländern strömten, als auch der
Umfang des Reiches der Großmoguln und ihr Machtgebot den Gipfel-
punkt erreicht. Die Epoche des V'erfalles ist durch eine Reihe von
Momenten charakterisiert: einerseits das Anwachsen der britischen
Macht und die Occupation des Staatsgebietes der Moguln durch die
Engländer; andererseits Eingrifte der benachbarten Fürsten in die
Machtsphäre der rasch von ihrer Höhe herabsinkenden Timuriden;
Intriguen politischer Natur; übertriebener Luxus, sinnlose Verschwen-
dung und dadurch hervorgerufene finanzielle Calamitäten; Hofcabalen,
Verschwörungen und dunkle Thaten, in denen Gift und Dolch ihre
"heuchlerische Rolle spielten. Alle diese und noch andere Momente,
»i'elche nicht nur das Schwinden äußerer Macht darthun, sondern
auch von der inneren Decadenz des einst so gewaltigen Timuriden-
*^'esch!echtes zeugen, haben schließlich zum Sturze des Moguln-
reiches, ja zum politischen Eriöschen seiner Dynastie geführt.
Doch ich kehre zu Agra selbst und zu den Resten seines Glanzes
7.urOck. Die Altstadt bot uns während der Fahrt wenig Beachtens-
wertes, immerhin erweckten einige Moscheen und Tempel, sowie das
tj^triebe der Einwohnerschaft unsere Aufmerksamkeit. Als wir den
Thorbogen und die Bastion der alten Dehli-Pforte passiert halten unJ
der alten, mit Meilenzeigern (Kos minar) besetzten -Moguüschen Kaiser-
straße« nach Labore und Kaschmir in der Richtung gegen Sikandra
fplgten, wurden zu beiden Seilen zahlreiche Grabmonumenle und soge-
nannte Baoli {Quellstuben mit zierlich gebauten Ruheplätzen) sichtbar.
Auch muss ich einer mit Fresken bedeckten, vielleicht modernen
Umfassungsmauer gedenken, deren Wandschmuck Aufzüge, Kämpfe
und Jagden darstellt, in welchen Elephanten eine große Rolle zugedacht
erscheint.
Alles dieses tritt aber zurück vor dem Ziel unserer Fahrt, dem
Grabmale, das Akbars Asche birgt. Dieses imposante Mausoleum isi
von einem weitläufigen, im Quadrat gebauten Karawan serai umgeben.
An der Außenseite lediglich einer Festungsmauer gleichend, die vnn
vier Riesenthoren und von mehreren ihrer Spitze beraubten Minarels
unterbrochen ist, diente das Karawan serai, wie schon der auch uns
geläufige Name sagt, zum Obdache für Pilger und Reisende. Die Thore
gewähren Einlass in den von den Mauern umschlossenen Innen-
raum, einen wohlgepflegten, mit Palmen, Mango- und Bananenbäumen
bepflanzten Garten, in dessen Mitte sich das Mausoleum erhebt. Fesselt
uns schon der Anblick der Thore, hoher, elegant profilierter Bauwerke
mit zahlreichen Nischen und Thürmchen, sowie die musivische Arbeit
ihrer Steinfa9aden, so fasst uns geradezu Erstaunen und Bewunde-
rung, sobald wir durch eines der Thore in den Innenraum geschritten
sind und den langen, geradlinigen, von großen Wasserbassins ui
brochenen, mit Steinplatten belegten Weg hinter uns haben.
Da ragt vor uns das Grabmal Akbars auf; ein Bild erhab«
Größe, hehr und ruhig, trotz all der Säulen, Hallen, Vorbaue, Kioske
und künstlich gefügten Faijaden, welche den stolzen Bau verschwen-
derisch schmücken, ohne dass die Zier sein Wesen stört. Von der als
Basis dienenden, aus weißen Steinen gefügten Plattform streben als
Stufenpyrnmide fünf Stockwerke auf, deren Plattengestalt vermöge des
Ircppenförmigen Aufbaues des ganzen Bauwerkes auf jedem der
Absätze Terrassen freiiässt. Um jede der Terrassen nun, mit Ausnahme
jener, welche als quadratische Fläche das Gebäude oben abschließt,
läuft eine gewölbte, offene, von cannelierten Säulen und Kielbogen
getragene Galleric, welche in regelmäßigen Abständen erkerartige, vier-
eckige Vorbaue bildet. Jeder der Vorbaue ist von einem baldachin-
nrtigcn Kiosk mit quadratischer Grunddäche überhöht, dessen platte
Kuppel und weit vorspringendes Dach auf Kielbogen und Säulen mit
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indo-korinlhischen Capitälen ruhen. Auslacientie GelUndur uini allerlei
ornamentaler Schmuck gestalten die Fmlilieruny der Vorbaue noch
reicher.
Der Zauber der Farben, — die vier unteren Stockwerke bestehen
aus rothem Sandstein, all ihre Gallerien, Kioske und Geländer aber und
das ganze oberste Stockwerk aus köstlichem schneeweißen Marmor
— das phantastische Spiel der Ornamente, die zierliche Grazie der
Dtfcoralion, die herrliche Steinarheit der spitzenartig durchbrochenen
Geländer: alles dies bildet mit seinem intimen Reiz einen überaus fein
empfundenen Gegensatz zu den grandiosen Dimensionen und zu dem
im ganzen strengen, fast antikisierenden Lineament des pyramidal
aufstrebenden Mausoleums.
Wie nach den ersten Augenblicken des Entzückens die Prosa des
Lebens wieder in ihre Rechte zu treten weiß, so frug auch ich, noch
angesichts des herrlichen Grabdenkmales, das Dschehangir, der Sohn
Akbnrs seinem Vater errichtet hat, nach dem Wie und Woher des
Baumateriales. Der bei Fatehpur Sikri nächst Agra vorkommende
Sandstein —und dieser hat bei dem Mausoleum Verwendung gefunden —
unterscheidet sich von seinen europäischen Verwandten durch seine
auffüllende Härte, welche es zulässt, dass aus dünnen Platten die feinst
durchbrochenen Gitter geschnitten werden können. Er ist roth, gelb
gesprenkelt oder von gelben Adern durchzogen. Der glänzend weiße,
iuQerst widerstandsfähige Marmor des Grabdenkmals stammt aus
Mnkräna bei Dschaipur.
Was die Dimensionen des Gebäudes anbelangt, so misst seine
Höhe 33 m, die Länge jeder der vier Fronten an ihrer Basis 100 ni.
InderMitle des Gebäudes liegt in einem unterirdischen, mittels einer
schitfen Ebene zugänglichen Räume Akbars Sarkophag, aus weißem
Marmor gefügt und mit arabischen Inschriften bedeckt. Hier ist Akbars
■^sche beigesetzt, während im obersten Stockwerke des Mausoleums
nach asiatischer Sitte ein iCenotaph, ein leeres Facsimile des in der
'"■nifi befindlichen Sarkophags, steht. Vor Akbars Kenotaph erblicken
^ii" ein kleines Postament, welches dereinst den sagenumwobenen
Kuh-i-nnr, »Berg des Lichtes«, getragen hatte, einen der größten
^iHmanien der Welt, der drei Jahrhunderte lang von einem indischen
^cfiaizhause zum anderen, von dem Grabe Akbars in die Hand Nadir
=chühs, des despotischen Usurpators, und schließlich in jene der
"slindischen Compagnie gewandert ist, bis er im Jahre ISöÜ dem
Irilischcn Kronschatz einverleibt wurde.
M
Im Erdgeschosse sind vier mohammedanische Frauen Akbiirs
in prachtvollen, reich geschnitzten und eingelegten Sarkophagen bei-
gesetzt, deren jeder in einer eigenen Halle steht, welche mit Marmot-
mosaik und arabischen Inschriften bedeckt ist.
Jede der vorerwähnten Terrassen an der Außenseite des Mauso
leums, die man auf einer kleinen Stiege betreten kann, bietet etwa
Charakteristisches; am schönsten und geradezu verblüffend ist di
oberste marmorne Terrasse, indem dieselbe von einer aus Marmorplatte
gemeiflellen, ein arabeskenartiges Clitter darstellenden Geländerwan
umgeben ist. Dieses (Ütter zeigt in jedem einzelnen Stücke eine andei
Zeichnung von seltener Zartheit. Mit Ausnahme des rothen Sandsteine
der unteren Stockwerke ist alles blinkender Marmor: das Gitter, d«
Kußboden, die Gallerien, die Kioske und die Sarkophage,
Entzückt von dieser Stätte der Erinnerung an die alte Pracht un
Herrlichkeit der Grolimoguln, verließ ich das Mausoleum, um in de
Hazar von Agra zu fahren und daselbst meiner Gepflogenheit gemä
. nach Acquisitionen für meine ethnographische Sammlung zu fahndei
^m Die Straße, welche den Bazar bildet, ist eng. mit großen Steinplatte
^H gepflastert und zeichnet sich durch die reizenden Fronten der Häi
^H aus; beinahe an jedem Gebäude befinden sich jene kunstvoll geschnil
^H tenen Geländer, Gitter und Säulen, welche charakteristische Merkm
^B von Agra bilden. In dem reichen und belebten Bazar fand ich nad
^M langem Handeln manch Bemerkenswertes, das wohlverpackt in meir
^M Heimat wandern soll.
^1 Du inzwischen der englische Commissioner gekommen v
^H unternahmen wir nachmittags die Besichtigung des Forts und
^P Tadsch Mahal. Leider halte sich das Wetter völlig getrübt. Es gierj
^1 starker Regen nieder, welcher uns der Freude beraubte, diese beide
^1 herrlichen Bauten bei Sonnenlicht zu sehen.
^1 Das Fort ist der befestigte Palast der Moguln und wurde zu KnJ
^1 des 10. Jahrhunderts und im Laufe des 17. Jahrhunderts, zum grÖßtJ
^1 Thcil von Schah Dschehan, dem Sohne Dschehangirs, erbaut.
^1 außerordentlich starke, aus riesigen Sandsteinquadern gefügte, crerj
^M lierto Mauer mit vielen runden Eckthürmen umgibt das P'ort. Rin
^H um dasselbe lauft ein breiter, mit Wasser gefüllter Wallgraben. I
^H massiven, hethürmtcn .Außenthore des Ports gewähren nur durch !
^B liehe, im schiefen Winkel gegen die Hauptmauer gestellte Scitel
^H pforten Hingang in das jeUt mit englischer Besatzung belegte Bollwe|
^L von Agra.
Das erste, wa:
vom Westen her durch das Dehli-Thor ein-
WKlund, zu (lesichte bekommt, sind Casemattcn, Batterien und auf
tinem freien Platze ein ganzes Arsenal ausrangierter Kanonenrohre der
verschiedensten Systeme. Hat man diese Anordnungen der Kriegskunst
passiert, so gelangt man in den eigentlichen Palast der Moguln, der ver-
hältnismäliig noch gut erhalten ist und Reste seiner einstigen, geradezu
verschwenderischen Pracht und Herrlichkeit zeigt. Der Palast ist nach
unseren Begriffen allerdings kein einheitlicher Bau, sondern eine ganze
Reihe von Prachtgebäuden, offenen Sälen, Veranden, Plattformen,
Höfen, Moscheen, Bädern u. a. m., die einen großen Raum bedecken
und sämmtlich durch Gänge und Treppen miteinander verbunden sind,
bedenkt man, dass fast alle diese Gebäude, soweit nicht der landes-
ihümliche rothe Sandstein Verwendung gefunden hat, aus reinem
weißen Marmor bestehen, der mit Gold, Malerei und künstlerischem
Mosaik aus Halbedelsteinen bedeckt ist, so kann man sich annähernd
einen Begriff von dem Luxus machen, der einst hier geherrscht hat.
Zunächst wurde uns in dem neueren Theile des Palastes der
KroÜe, unter Aurengzeb vollendete, von Nord nach Süd 70 m lange
AuJicnzsaal Diwan-i-Am gezeigt, eine nach drei Seiten hin offene
Halle, deren Dach von drei Reihen mächtiger Säulen getragen wird,
«eiche an den Sockeln und Capitälen eigenthümliche, altindische
Formen zeigen. An der Rückwand der Halle erhebt sich in einer Nische
Jcr Marmorsockel, auf dem einst der Thron des Moguls gestanden
liiilte, und über der Nische, deren Wände mit Pietradura-.Arbeiten und
liefreliefs geziert sind, ein mit kostbaren Steinen eingelegter Marmor-
Baldachin. Hier pllegte der Mogul die großen Audienzen abzuhalten,
Deputationen und Vertreter fremder Fürsten zu empfangen.
In dem an die Audienzhallc anschließenden, ringsum von einer
t'iillerie umschlossenen Hofe, der im ersten Stockwerke die einfach
ausgestatteten Frauengemächer enthält, fischte der Mogul zum Zeit-
'■'Grtreib. Das Wasser für diesen Fischweiher musste von Trägern erst
'i^fbeifiebrachl werden ; späterhin wurde es durch ein besonderes
l'umpwerk zugeleitet. Ein Sölter in der Gallerie dieses stillen Hof-
■■'lumes bildete den Lieblingssitz des Gewaltherrschers, der, jahraus
jahrein von Kriegslärm umbraust, von wahrhaft königlicher Pracht
'">ersätligt, Schwert und Scepter mit der .Angelruthe vertauschte, um
nicr träumerisch die Fische zu locken; er, der Ungestüme, ein gedul-
'^'Kcr .Angler, er, dessen Kronjuwelen und Beutestücke die Schatz-
''wimer bis an den Rand füllten, ein seines zappelnden Fanges froher
N!:~~=r:':'^ ^Tibs. vom Für?:t:r
:;r:'it; ii- dieser, jed'-ch in Jet
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die uährend der Belagerung Agras im Jahre 1857 hier einschlug;
ricuchettierend flog das Geschoss weiter und durchschlug ein herr-
liches geschnitztes Marmorgitter nächst der ALidienzhaüe. Auch an
anderen Stellen findet man in den Ornamenten und Schnitzereien
Schäden, die von Geschützkugeln herrühren.
Neben der AudienzhaUe zieht sich eine lange Reihe von Gemächern,
Säulengängen und Plattformen hin, die zu den privaten Wohnräumen
der Moguln gehörten. Sie einzeln zu beschreiben, würde zu weit
führen: ließen sich doch ganze Bände schreiben über diese Pracht,
diese Fülle von Marmor, Guld und Mosaik, über die Reminiscenzen an
die Leistungsfähigkeit, den Fleiß, den Formensinn der kunstgewerb-
lichen Arbeiter und der künstlerisch so feinfühligen Handwerker, die,
von prachtliebenden Bauherren gedungen, von in- und ausländischen
Meistern angeleitet, Agras Ruhm als Schatzkästlein der Bau- und
Decorationskunst Indiens mitbegründen halfen,
Das Geschick für eingelegte Marmorarbeiten mit Arabesken und
Blumenmustern hat sich unter den Werkleuten Agras bis zum heutigen
Tage erhalten. Dass fremdländische Künstler bei der Errichtung und
Ausschmückung der Bauten in Agra Einlluss genommen haben und
namentlich Austin de Bordeaux, unter Schah Dschehan hier in her-
vorragender Weise thätig gewesen ist, wird durch die noch erhaltene
Baugeschichte des Tadsch bekräftigt. Trotz der Seltsamkeit, der origi-
nellen, ja barocken Formen und der mit orientalischer Üppigkeit ange-
häuften Ornamentik der Bauten von Agra erschien uns hier nichts
überladen, geschweige für das Auge beleidigend; im Gegentheilj alles
künstlerisch gestaltet und von eigenartiger Schönheit.
Auf einer der Plattformen des Palastes fand ich in dem Marmor-
boden au.s verschiedenfarbigen Steinen zusammengesetzte Quadrate
Zeichen eingefügt, welche mir auf mein Befragen dahin gedeutet
'den, dass die Moguln hier ein dem Schach ähnliches Spiel
Patschisi — gespielt hätten, wobei lebende Menschen, meist schöne
illädchen, die Figuren darstellten. Jede der Figuren stand auf einem
«Jer Quadrate und musste sich auf Befehl des Herrschers den Zügen
entsprechend bewegen.
Ich darf nicht vergessen, eines besonders schönen, oberhalb der
Wallmauer vorspringenden Erkers zu erwähnen, der von einem Kiosk
4iberdeckt ist und das Lieblingsplätzchen der Moguln bildete. An dieser
llle pflegte der Herrscher jede Bitte willfährig entgegenzunehmen;
Umstand, der dahin führte, dass die Bittsteller aus dem Volke die
Oeleirenheit wahrnahmen. ?ich an der. Rand des Festungsgrabens zu
begeben, um von don aus mi: lauter S;i:nme den auf dem Erker ruhen-
den Kürsten um Gnade ar.zur.eher..
Bemerkenswert sind auch noch die Baderäume im Schisch Mahal.
-Spiegelpalast- : dieselben sind vöUis teRs:er!->s und enthalten in der
Mitte große Marmorbasstr.s mit Springbrunnen und \Va5=erkün^ti;n.
während die Wände gro:eske .\rabesken aufweisen, die mit unzähligen
k!e;nen Sf:egeip!a::er. mosaikan:;; aufgelegt sind.
N^vh tie!er als die Bäder, ir. einer .\r: Kellerraum. liegen die soi^e-
n.u-nicr, Sv'mn?.ervv.,>hnungen. durch Corridore ur.iereinander verbunderik.-.
düstere vWniacher. die in der heifesren Jahreszeit vom Mogul unü
>einen! Ser,iil bewohn: worden sein s-.-Hen. Kleine Öffnungen in JtT
d'cken Mauer sperder diesen Räun-.er. äuäers: spärliches Licht.
Wie bei aller alten Paläs:en xir.i F-:zzs fehlte auch hier nicht
*^;cv.ich, ;ni: eine™ Ocerbatken vergehet:, an welchem die De-inquenstT
'i>;iicii;r: wurden. Pir Kjrrer des Gerichteter. ::e; in einen schlauch-
abgespielt haben, in welcher der erste von England an den Hof der GroÜ-
moyuln abgeschickte Gesandte, dem damals hier üblichen Ceremoniell
gemäß, Seiner mogulischen Majestät auf allen Vieren kriechend nahen
musste. Seit jener Zeit hat ,sich in Indien gar viel geändert, sind die ,
Rollen der indischen Rädscha-s und der britischen Residenten gegen-
einander völlig vertau-scht. Musste der Gesandte Albions vor kaum
zwei Jahrhunderten noch in der Haltung eines Vierfüßlers Palast und
Saal des Moguls betreten, so sieht man heute die Erben der stolzesten
Xanien von Hindustan — bildlich gespruchen — vor jedem der eng-
lischen Machthaber sich beugen; freilich mit verhaltenem Grimm und
vielleicht mit der geheimen Hoffnung im Busen, dass eines wohl unab-
sehbaren Tages das rollende Rad der Zeiten die Geschicke Indiens
wieder nach der Seite der Rädschas wende.
Auch dieser Palast hat seine eigene Moschee, nur ist diese, der
Pracht des Ganzen entsprechend, besonders schön und mächtig gehalten.
Ihr Name ist -Perl-Moschee' (Moti Mesdschid), ein Name, der entweder
die Kostbarkeil der Moschee bezeichnen soll oder von der silberweißen
Farbe ihrer Kuppeln und Säulen herrühren mag. Die Construction dieser
Moschee gleicht jener der meisten ähnlichen Bauten in Indien. Die
Walle des Forts hoch überragend, von Schah Üschehan erbaut und im
Innern auf das köstlichste mit weißem, bläulichem und grauem Marmor
geschmückt, bildet die Moschee als Stirnseite eines weiten, von Marmor-
säulcnhullen umschlossenen Hofes eine luftige, von drei Säulenreihen
getragene Bogenhalle, über der sich drei Kuppeln erheben. Der weiße
Marmor der mit goldenen Spitzen gekrönten Kuppeln, der rothe Sand-
slein der Außenwände und Portale, die Verzierungen, Steinarbeitun,
Inschriften im Innern der Moschee, ihre hohe Lage — alles vereint sich,
lim diesem Kleinode saracenischer Baukunst einen eigenen Reiz zu
verleihen. Im Innern ist, wo nicht Mosaik. Inschrifttafeln oder Nischen
andere Farben zeigen, alles weiß in weiß; sogar der Boden des großen
Viirhofes ist mit Marmorplatten belegt Architektonisch bemerkenswert
ist der Aufbau der Säulenhalle mit ihren dreifachen Säulenreihen und
ihrem spiegelglatten Boden. In diesen sind für die Gläubigen — gegen
Mekka gewandte — Gebetplätze eingelegt, welche sich als in Marmor-
ninsaik ausgeführte Imitationen von Gebetteppichen darstellen.
Ich bestieg das Dach, um von dort eine leider vom Wetter getrübte
Aussicht auf die zahlreichen schönen Bauwerke .\gras zu genießen. Als
ich so hinabblickle auf all die Denkmale einer glänzenden Epoche, die
mirzuFüßtmlsgen, sann ich nach über den wechselvollen Lauf irdischen
Geschickes, über den Gegensatz der »guten alten Zeit« Agras zu dem
Stilleben, das jetzt in den herrlichen Hufen und Palästen der verfallenen
Residenz waltet. \Vi> sich einst die stolzen Großmoguln im Glänze ihrer
Macht, im gleiüenden Schimmer ihres Hofstaates gesonnt, wo farben-
sattes, prunkvolles, vom Genius künstlerischer Gestaltung durchwehtes
Leben und Treiben geherrscht: da erheben sich jetzt im Bannkreise der
goldenen und marmornen Paläste moderne, mit englischen Geschützen
armierte Batterien, schreiten stumm britische Soldaten auf ihren Posten
auf und ab. ertönt vom nahen Bahnhofe her der schrille Pfiff der Loeo-
molive. Für einen Bakschisch darf heute unter Leitung eines schwatz-
haften Führers jeder beliebige Fremdling hier eindringen in Burg und
Hof, in die Geheimgemächer und in die Moscheen der einst unnah-
baren Residenz der Großmoguln, darf in den Trümmern der Nischen und
Säulen wühlen, alles betasten und besehen .... Tempora mutantur!
Aus meinem Sinnen und Träumen weckte mich nur zu balJ
etwas, das unschwer zu errathen ist: etwas, das heute in ganz Indien
spukt und unvermeidlich i>i, als wäre es ein schleichender Krankheii,-
stolT -- nämlich ein zur .\ufnahme bereitgestellter photographischer
Apparat. Der Besitzer dieses modernen Folterwerkzeuges stand vor \in^
und legte beredt die unabweisliche Xothwendigkeit dar. mich und meine
Begleiter in der Moschee stehend als Gruppenbild zu fixieren. Lasst
sich schon darüber disculieren, inwieweit die Mahnung des Korans
■ Du sollet kein Kbenbild do menschlichen Leibes gestalten-, auch au^
photogniphische Portrats anwendbar sei, so musste das Begehren du^
mohammedanischen Phutographen. uns just in der Moschee aufzd"
nehmen, als wären wir frimime Mnslemin. um so unlogischer erscheine •'^ -
begann der Fürst im Jalire 1630 der geliebten Gatlin cÜl's Crabnial zu
setzen, in dem er selbst an ihrer Seite im ewigen Schlafe ruht. Der
Wille Schah Dschehans, seiner Mumtäz-i Mahal ein Denkmal zu weihen,
schüner als jedes andere auf dieser Erde, unvergänglich zu jedem
redend von der Iheueren Verblichenen, hat sich vollauf erfüllt . . .
Nichts schien zu kostbar, nichts schön genug, die Todte zu ehren.
Fremde Künstler, so der Venetianer Gieronimo Verroneo, dann Austin
de Bordeaux und ein byzantinischer Meister haben im Vereine mit dem
Wissen und Können der besten einheimischen Werkleute an diesem
Baue mitgeschaffen.
Ungefähr zwei Jahrzehnte hindurch sollen unablässig zwanzig-
tausend .Arbeiter hiebei beschäftigt gewesen sein. Die Kosten werden
— obschon so manche der Baumaterialien, manche Edelsteine und
Schmuckgegenstände, welche das Grabmal zieren, von den Rädschas
und N'awäbs freiwillig beigesteuert wurden und die Werkleute und
.Arbeiter wohl nur kärglich entlohnt worden sein mögen — von ein-
heimischen Quellen auf die zumal für die damalige Zeit ungeheuere
Summe von etwa 40 Millionen Gulden angegeben. Trotz all dieses
.Aufwandes an Kraft und Geld erscheint es jenem, welcher die Details
Jes Bauwerkes näher besichtigt und die enormen Schwierigkeiten
berücksichtigt, die hier zu überwinden gewesen sind, als ein Wunder,
dass innerhalb der Frist von nur etwa zwei Jahrzehnten all das zu
Ende gebracht zu werden vermochte.
Wer kennt nicht das Bild des Tadsch, seinen schneeweißen Bau,
Seine Bogenpforte, seine Dome, Fa^aden und Minarets? Erblickt nun
»Jer Wanderer, dem Leinwand und Holzschnitt, Bild und Wort den
Tadsch hundertmal vor das Auge gezaubert haben, das Bauwerk
selbst, wie es sich unvergleichlich schön, von üppigem Grün umrahmt,
himmelwärts erhebt: so verblasst alles bisher Geschaute, verfliegt
jedes Wort, welches den Bau stammelnd zu schildern versucht, fällt
<lör Griffel zur Erde, verstummt der verzückte Beschauer.
Ausgestattet mit der vollen Macht unserer herrlichsten Bauten,
heJir wie das Gefüge unserer schönsten gothischen Dome, edel wie
die vornehmsten Blüten der italienischen Renaissance, berückend gleich
*ieii Orient und Occident verschmelzenden Perlen venezianischer
»d-Wst. geschmückt mit jedem Zaubermittel, welches dem Menschen
Kevfährt worden, um der höchsten, reinsten Schönheit Ausdruck zu
^'erleihen — überwältigt der Tadsch jedweden Sterblichen, der zu ihm
aufblickt.
■ Ein marnitirner Traum-, so slehl das Mausnleum Schäti
Dschehans vor uns. Erhabene Bilder, Vorstellungen, Emplindungcn
ziehen durch die Seele des Beschauers, der nicht satt wird, zu sehen,
dass hier Menschenhand das geschaffen, was uns die kühnste PhantasiL-
kaum vorzuspiegeln vermag. Und dabei diese vornehme Ruhe, die^;
unübertreffliche Harmonie des Ganzen trotz aller Kühnheit der Formen.
diese weiße Reinheit des Steines. Keine Statue, kein Bild, kein Allar,
noch Teppich ist zu sehen, nur Stein und wieder Stein — doch dieser
Stein allein schmückt das Ganze mehr als jede andere, noch so köst-
liche Zier. Es ist, als blühe, lebe, rede der Stein. . . .
Der Tadsch steht auf einer erhöhten Plattform, welche 95 m im
Gevierte misst, und ist in quadratischem Grundriss mit abgestumpften
Ecken (Oclogon mit vier längeren und vier kürzeren Seiten) gebaut.
gekrönt von einer mächtigen Kuppel, unterhalb welcher vier kleinere
Kuppeln angebracht sind. Die Bogenportale und Fensternischen in
maurischem Stile sind mit ausgemeißelten Koransprüchen umsäumt
und die Fa^aden überdies, inbesonders an den Sockeln, mit eingelegten
Steinen geziert. An den vier Kcken der Plattform stehen hohe Minarels.
Die höchste Spitze der Kuppel liegt 74 i« über dem Gartenwege.
Ahnlich wie beim Grabdenkmale Akbars tritt man zuerst diuch ci«
hohes, moscheenartiges Thor, das aus rothem Sandsteine gebaut, mit
feinem, an einen Schleier erinnerndem Marmormosaik verziert ist. Üaiiti
folgt der herrliche Park mit seinen dunkelgrünen Bäumen, seinen
blühenden Blumen und seiner schnurgeraden Reihe von Wassenverken
und Springbrunnen, die von dem Eingangsthore bis zu dem Treppen"
aufgang des Mausoleums führen. Sehr effectvoll ist eine CeJern-Alle'J
angebracht, die als Rahmen für den weißen Bau des Tadsch diente
wiihrend der Himmel den .\bschluss bildet.
Wohl jeden, der dieses herrliche Gebäude, dieses Denkmal de^
Schmerzes betritt, überkommt ein melancholisches Gefühl: mystische^
Halbdunkel umgibt die beiden Kenotaphe, leises Echo lässt die .Stimm«^
wicderhallen. Auch hier, in der Halle des Octogons, kein anderer"
Schmuck als Stein, der aber so wunderbar vertheilt ist, dass er deconi—
Uvcr, würdiger und reizvoller wirkt als manches Gemälde, manchi
Statue. Das Innere des Mausoleums macht keineswegs einen ka!l
slairen, im Gegentheile einen warmen, pietätvollen Eindruck.
Geradezu verblüffend wirkt die Pracht und Zanheit der Ausfuhrunj
des die Kenotaphe umgebenden Gilterwerkes, welches aus riesigen
Marmorplatten gefügt ist, die so fein wie Spinnengewebe netzartig
irun^™
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QC1
(wrchmeißelt sind. An den Säulen bewundern wir das Schönste, waa**
die musivische Kunst zu bieten vermag: die zartesten Blumen und
Arabesken aus Halbedelsteinen, wie Carneol. Lapis lazuli, Achat, Jaspis,
Malachit. In einer unterirdischen Gruft stehen die Marmorsarkophage,
welche die sterblichen Reste Schah Dschehans und der Mumtäz-i Mahal
enthalten, während die in dem Octogon aufgestellten Kenotaphe den
Sarkophagen der Gruft nachgebildet und leer sind. Der Sitte, fürstlichen
Personen zwei Steinsärge aufzustellen, ein Kenotaph und den die
Gebeine bergenden Sarkuphag, ist hier ebensn wie in Akbars Grabmal
Rechnung getragen.
Über eine kleine Treppe gelangte ich nuf die Plattform, welche
dachartig die Hauptkuppei umgibt, und von der aus man einen guten
Ausblick auf die beiden Moscheen genießt, die zwischen den Minarets
in der Längsfront des Tadsch stehen. Jede dieser Moscheen ist, für sich
betrachtet, ein Prachtbau, der aber in der Nähe des Marmorwunders
von diesem fast völlig in den Schatten gestellt wird. Das Material, aus
welchem die beiden Kuppelbauten errichtet sind, ist der übliche rothe
Sandstein, der mit Marmormosaik verziert ist.
Ich kehrte in den Garten zurück und um.schritt den Tadsch noch-
mals von allen Seiten, um seine herrlichön Formen dem Gedächtnisse
genau einzuprägen.
Ein bewaffneter Spaziergang im Parke des Palais zu Agra sollte
mir, da ich von all dem Gesehenen entzückt und geistig doch abgespannt
ivar. Erfrischung bringen. Des Morgens hatte ich auf einem der Bäume
iiiiOerhalb des Parkes Marabus (Leptopilus argala) sitzen gesehen,
ivelch widerliche Vögel durch ihre enorme Größe und Flügelspann-
ii'eite. sowie durch ihre schönen Federn auffallen, während der kahle
Kopf mit dem Kropf und die Ernährungsweise des Thieres nichts
weniger als schön und ansprechend sind. Wir pürschten uns an die
Stj hilafbäume der Marabus an und erlegten im ganzen sechs Stücke,
deren zwei meinen Schüssen zum Opfer fielen.
Kinsky erlitt an diesem Tage wieder einen Kleberanrall, sn dass
bis auf vvefteres das Bett hüten muss.
Agra, 13. Februar.
Der Morgen war abermals recht garstig, kalt imd regnerisch, ganz
anders, als man sich -indisches Wetter- \orzustullen pflegt, so dass
wir uns in dicke Kleider und Mäntel hüllen mussten. trotzdem aber
Weutend In unserem Küfigpalaste froren.
Wir stillten nach [■'atehpur Sikri fahren und versahen uns. da dte
Distanz 26 km beträgt, mit unseren Gewehren, was wir nicht zu bereuen
hatten. Die Fahrt selbst bot wenig Reix; die Straße führte durch ein-
töniges, ebenes Land; hie und da passierten wir ein ärmliches Ein-
geborenendorf und sahen im übrigen nur flache, mit vereinzelten Bäumen
besetzte Felder, so dass wir jeden Meilenzeiger zählten, welcher iin^
das Vorrücken gegen das Ziel der Fahrt auswies.
Für die Eintönigkeit der Landschaft entschädigte uns die Fauna.
Unmittelbar nachdem wir die Stadt verlassen hatten, schoss ich vom
Wagen aus mehrere große Geier (Gyps indicus und Gyps bengalensisl
ferner einen der so häufig sichtbaren Schmutzgeier und einige
Schmarotzer- oder Pariah-Milane. Kurz darauf, noch Im Weichbildt
der Stadt, fiel mir ein Adler zur Beute, den ich am Rande seines
Horstes erlegte; wir bestimmten ihn als Aquila mogilnik, sogenannli'ii
Russischen Adler. Ebenfalls vom Horste herab, der auf einem Allec-
baume gebaut war, schoss ich einen Vertreter einer anderen Adlerurt
nämlich einen Fahlen Adler (Aquila vindhiana). Auch zwei Honii;-
Bussarde {Pernis ptilonorhyncha), unserem Wespen -Bussarde ähnlich,
wanderten in den Rucksack. Bei einer Pfütze saßen auf einem Baume
zwei Nimmersatte (Tantalus leucocephalus), die ich mit glücklichem
Coup double herunterholte; es waren selten schöne, große Exemplari'
mit auffallend rosarothen Federn an den Flügeln, Im weiteren Verlaiifi;
der Fahrt erbeutete ich noch Dschungelkrähen (Centropus rufipennis).
einen Sirkier-Kuckuck (Taccocua sirkee) und zwei Sperber-Bussarde
(Butastur teesa).
So gelangten wir endlich, der von Agra her stets genau in süd-
westlicher Richtung dahinziehenden Straße folgend, nach FatehpW
Sikri, der Palaststadt Akbars. Ihre Gründung, um das Jahr 1570, wi*""^
von der Legende auf folgende Weise erklärt; Von Agra aus in Irüb«^*-"*
Gedanken zu dem Sandsteinhügel wandernd, auf welchem heule *,***
Palaststadt liegt, traf Akbar hier den Fakir Selim Tschisti, einen wei-:**^'*
und frommen Bettler, der, des Moguls Trauermiene gewahrend, die \\m *y'
dem weltentrückten Einsiedler, unverständliche Ursache der Betrübt'^**
eines so mächtigen Herrschers zu erkunden suchte. Da klagte Akb •**- '
wohl sei er ein mächtiger Fürst, sein Reich aber drohe nach sein^ ^^
Tode zu verfallen; denn jeder der Söhne, die ihm seine Gattin gebort**
sei, noch in der Wiege, frühen Todes verblichen. »Erbaue«, spra«^"
weissagend der Fakir, »Dein Schloss auf diesem durch meine Gebc?**^
geheiligten Hügel und schlage hier Deinen Wohnsitz auf. Neun Mon*^*^
2U4
\
ch Deinem Einzüge Jurch die Pforten des neuen Palastes wird Dir
1 Erbe geschenkt werden, dem der Himmel langes Leben, Kraft und
acht verleihen wird. Dieser Sohn wird Dir folgen auf dem Thrune
T Großmuguln.« Die Prophezeiung erfüllte sich. In dem neuen Pahiste
in Katehpur Sikri hat Dschehangir, der Erbe Akbars, das Licht der
'elt erblickt
Mit Ausnahme der von der britischen Regierung im Stande
ihaltenen Theile der Palaststadt ist Fatehpur Sikri — an der Stätte
■richtet, wo Schah Baber im Jahre 1527 die Fürsten von Rädschputana
i offener Feldschlacht vernichtet hat — ein Trümmerfeld, aus welchem
lauern, Säulen, Reste von Sälen und Hallen und andere verfallene
auwerke emporragen. All die Erinnerungszeichen der einstigen Grölie
nd Schönheit der Palaststadt sind von einer hohen, crenelierten, mehr
Is 1 1 km langen Ringmauer umgeben, welche den Hügel von Katehpur
likri vüllig umschließt.
Als Hauptursache des raschen Verfalles und der Verödung der
'alaststadt Akbars, eines Riesenwerkes, das — im Widerspruche mit
lern von der Legende behaupteten raschen .Aufbaue Fatehpur Sikris
— lange Jahre hindurch Tausende von Menschen beschäftigt haben
hf<\\, wird angegeben, Akbars Sohn habe plötzlich das Wasser und
Jie Luft hier schlecht gefunden und den Palast einfach verlassen, ihn
den Unbilden von Wind und Wetter preisgebend. Doch unter Indiens
Himmel schreitet der Verfall der Bauwerke glücklicherweise nicht so
rasch vor, dass wir nicht einen Theil der Bauten von Fatehpur Sikri
H'ich wohlerhalten zu Gesicht bekommen hätten.
Wie an anderen Fürstensitzen Indiens herrscht auch hier eine
vnhrtiafte Verschwendung von Raum und edlem Baumaterial. Zunächst
n ü«n Diwan-i-Am eintretend, überblickten wir großartige, von Säulen-
allen eingeschlossene Plattformen und Terrassen, die einst den Schau-
latz festlicher Aufzüge und glänzender Empfänge gebildet haben; an
eiti Diwan-i-Am liegt eine Plattform, welche dem Patschisi-Spiele
gedient haben soll, Weiterhin erheben sich Moscheen, Prunkräume und
Vohngebäude aller Art, welche aus dem bei Fatehpur Sikri gebrochenen
•^'thcn Sandsteine hergestellt sind.
Die schönsten Beispiele dafür, wie wohl die Werkleute in der
Palaststadt den Sandstein zu verwenden und zu schmücken wussten,
bietet das sogenannte Haus der Türkischen Königin (Stambuli Begum).
Hier Ündet sich keine Wand, keine Säule, kein Fleckchen, wo nicht die
allcrfejnsten Ornamente ausgemeißelt wären. L'nweit davon ist das Haus
tlor (Christlichen Krau (Bibi Miiriam Ziimani) erbaut; heute schmucklns,
führte dies Ocbäudc einst, weil innen und außen vergoldet und bemall,
den Niinicn Sunähra Makän, das ist -Goldenes Haus«. Zwischen Jen
beiden Frauenhäusern steht der Chwab Gah {Chäb Ghar), Akbars Haus
der Träume, das in seinem Oberstockc das einfache Schlafgemach -iv»
Gntlimoguls birgt.
Nördlich von Miriams Haus erhebt sich der Pendsch Mahiil,
eine in stufenförmigen Terrassen aufsteigende, mit originellen SüuIlt
geschmückte Colonnade und der Üivvan-i-Khas Akbars. Auf dem
kiesencapitäl der hohen, mit Pilastern geschmückten und prachtvoll
ciselierten Säule, die in der Mitte der Halle aufragt, soll Akbar gethront
haben. Diese Säule ist durch schmale Steinstege mit vier in den Ecken
der Halle angeordneten Sitzplätzen verbunden, welche die vier Vezisrc
Akbars eingenommen haben sollen, wenn .Akbar, auf der Säule thronenJ,
Kiith hielt. Ich konnte mich des komischen Eindruckes nicht erwehren,
den die \'i)rstellung in mir hervorrief, dass .Akbar auf einem die,';er
sclimalen Stege zur Mitte der Halle hin balancierte und dann auf stiner
Säule >!Uin'>aunile-, wahrend die vier Veziere auf ihren Ecksilzen
kauerten. So lächerlich mir dies erschien, si> konnte ich mir dnch
auch nicht verhehlen, dass in dieser Halle des Rathes oft genug über
das Wohl und Wehe ganzer Volker entschieden, dass hier mancher
in meinen (,"onsci.nienzen gewiss noch heute bedeutsame Entschluss
gefassl winde.
He merke n;> wert ist ferner ein langer, gedeckter Gang, der von den
Krauengomiichern zu einem ziemlich weit entfernten Thore führt, von
welchem aus die Frauen des Moguls ins Land hinausblickten, ihren
Von hüftonderer Schönheit ht der Palast Birbnis — eines Hindus
und Ministers Akbars — ein kleines, zweistöckiges Gebäude, welches
innen und aulien so reich und geschmackvoll verziert ist, dass man es
nach V'ictor Hugos Worten zwar den kleinsten aller Paläste, jedoch
das größte aller Schmuckkästchen nennen darf.
Weit umfangreicher, jedoch minder reich geschmückt ist der etwa
in der Mitte der Palaststadt gelegene Palast der Prinzessin Dschodh Bai,
einer der Frauen Akbars und Mutter Dschehangirs.
Ohne mich auf die Anführung der übrigen in der Palaststadt und
unter ihren Mauern liegenden Baudenkmale aus der Glanzperiode dcT
GruUmoguln einzulassen, muss ich noch der Dargah, des «Heiligen
Vierecks-, welches das Grabmal Scheik Seüm Tschistis enthält, sowie
der Moschee Erwähnung thun.
Die Dargah, ein Rechteck, ist von Bogenhallen umgeben, in deren
Mitte ein Wasserbecken liegt; an der Nordseite des Hechteckes steht
Jas Grabmal Selim Tschistis, des Fakirs, auf dessen Prophezeiung hin
Akbar die Palaststadt erbaute. Während fast sämmtUche Gebäude der
l'alaststadl aus rothem Sandstein errichtet sind, schimmert uns dies
Grabmal, eine wahrhaftige Miniaturausgabe des Tadsch von Agra, in
blendend weißem Marmor entgegen, so dass ich auch an diesem Mau-
soleum die Schönheit der Ciseiierungen, die herrliche Arbeit der durch-
brochenen Marmorgitter bewundern musste. Die Gitter tragen farbige
Üandschleifen und bunte Lappen, die von den am Grabe Selim Tschistis
um Kindersegen (lebenden Pilgerinnen herrühren.
An die Westseite der Dargah schließt sich die ungefähr 'Jli m buhe
Mi.ischee an. Für den Reichthum ihres Schmuckes und die stilvolle
.Ausführung der gewundenen und ineinandergeschlungenen Ornamente
Jieser Moschee spricht wohl deutlich der Umstand, dass ich im Innern
derselben einen Zeichner damit beschäftigt fand, diese Unica der
Rächendecoration für ein Werk zu copieren, welches die britische
Regiening über die Perlen indischer Kunst herausgibt.
Als ich die Moschee verließ, hielt ein bakschisch-lüsterner, alter
Muezzin heftig gesticulierend und laut schreiend eine unverständliche,
wunderbar klingende Ansprache an mich.
Südlich der Dargah ragt oberhalb einer den Hügel hinanführenden
l'ryitreppe die berühmte, 43 m hohe Siegespforte Buland Darwaza
i'inpor. Auffallend zahlreiche Nester einer großen Wespenart verwehrten
uns den Aufstieg zu den Zinnen der Pforte, welche eine schiine Kund-
schau gewähren sollen.
Zli P'iilJen der Pforle, aiiüerhalb der Wallmauer, erstreckt sich
neben den verfallenen Badern ein gemauertes Bassin, zu dem jedtr
Fremde geführt wird, um den Productionen beizuwohnen, welche darin
bestehen, dass Eingeborene von der Oberkante der Wallmauer kühne
und keineswegs gefahrlose Tauchersprünge in das mit Wasser gefüllte
Bassin ausfuhren. Zwei Tage vor unserer Ankunft hatte sich einer der
Gilde gelegentlich eines ähnlichen Tiefsprunges den Tod geholt.
Die Umgebung der Moschee lieferte mir ornithologische Ausbeute,
indem ich in dem Trümmerhaufen einen Juggur-Falken (Falcojiigguri
und den seltenen Grauen Nashornvogel {Ocyceros birostris) erleglt.
Staunenerregend war die Menge der gestreiften Eichhörnchen, die auf
den Steinen und an den Bäumen umherhuschten.
Die Rückfahrt war weit angenehmer als die Hinfahrt, da sich da*
Wetter etwas gebessert hatte und die Sonne freundlich aus den Wolken
lugte. Auf dem Heimwege schoss ich nebst einigen Geiern noch eintn
metallisch schimmernden Weißhalsigen Storch (Ciconia leucocephalal,
der unserem schwarzen Storch sehr ähnlich ist, sowie zwei Marabus,
darunter ein besonders altes Männchen mit schneeweißer Brust und
langen Flaumfedern.
Im Palais zu .Agra erwartete mich der Erzbischof Monsignore van
den Bosch, mit zweien seiner Geistlichen, um mir seine Aufwartung zu
machen; er ist von Geburt ein Belgier und wirkt schon lange in Indien.
Agfa— Bhart pur, 14. Februar,
Für den heutigen Tag war eine von dem englischen Residenten
Colonel Martelli im Gebiete des Maharadschas von Bhartpur arrangierte
.lagd auf Wasserwild angesetzt. Ich hoffte hiebei, gewissermaßen nur
aus Versehen, auch ein bis zwei Nilgaus zu schieben, deren Tödtung
im Reiche des Maharadschas wegen ihrer angeblichen .Ähnlichkeit mit
den heiligen Kühen streng verpönt ist und, wie man mir sagte, bloß
dem -zufälligerweise- treflenden Schützen nachgesehen werden könnte.
Schon die ungelahr anderthalbstündige Eisenbahnfahrt von .Agra
westlich nach Bhartpur bietet abwechslungsreiche Bilder, welche die
Jagdlust und die Spantuing auf die Ergebnisse des Tages steigern.
.An einem kl Teiche, den wir passieren, sehen wir Pelikane,
dreierlei Ar Stöld||^ darunter den mächtigen Riesenstorch
(Xenorbync' 'M^^^\ schönen Antigone -Kraniche, Gänse,
Knter ■ Wasserwild, In ein Dschungel llüchtel
^
m» Kudel Nilgaub, "Blaut-r Stiere- (Piirtax pictus), die ich hier zum ■
erstenmale sehe: es sind große Thiere, in der Form zwischen Elch,
Hirsch und Rind; das Haupt ist klein, mit kurzen, gebogenen,
schwarzen Hörnern; der Hals mächtig, mit langem Barte; die Schulter-
partie und die Croupe wie beim Elch; die Läufe sind stark und sehnig;
die Stiere sind grau, an den Extremitäten schwarz; die Kühe und
Kälber rehbraun. Weiterhin wurden der Bahn entlang auch Wild-
schweine sichtbar.
In der Station Bhartpur empfieng mich der Maharadscha Sri
Bridschindra Seiwadsch Dscheswant Dschangh Bahädur, ein kleiner,
äußerst finster und unwirsch aussehender Landesvater, der jedes Wort
wie im Tone des Zornes ausstieß. Er soll seinen Unterthanen ein
keineswegs gnädiger und gütiger Herrscher und in seinem reiferen
.\lter nichl sehr scrupulös in der Wahl seiner Vergnügungen sein.
Er beherrscht einen nominell sich noch der Unabhängigkeit erfreuenden
Staat; doch hat er, wie andere im Bannkreis engUscher Macht stehende
Fürsten, einen Residenten an seiner Seite, der ihm die Last des
Regiments tragen hilft. Der Kürst von Bhartpur stammt von einem
Üschät namens Tschuraman, der Aurengzeb bekämpft und den G!anz
jener Dynastie begründet iiat, welche von Bhartpur aus in den Jahren
1(60 bis 1765 Agra occupierte, seit 1826 aber jeder selbständigen
auswärtigen Politik dauernd entsagen und der britischen Suprematie
sich beugen musste. Die volkreichen Geschlechter der Dschäts sind,
wie manche der Rädschput-Stämme im Zwischenstromlande des Ganges
und der Dschamna, indo-skytischen, das ist arisch-central-asiatischen
Ursprunges und bekennen sich fast ausschließlich zum Lslam.
Umgeben von einer berittenen Leibwache, fuhren wir in einer
l'rachtcaroöse durch die Stadt, die festungsähnlich von einer sehr
starken, ihurmbekränzten Umvvallungsmauer und von breiten Wasser-
gräben eingeschlossen ist. Bastionen und mächtige, fortificatorisch gut
gebaute Thore erhöhen die Widerstandskraft der Festungsstadt.
Die Engländer haben Bhartpur erst nach schweren Kämpfen
und mit dem .Aufwände aller Mittel europäischer Kriegskunst in die
Hand bekommen. Die Belagerung dieses Bollwerkes des Dschätfürsten
Randschit Sindhia durch britische Truppen unter dem Eroberer Hindu-
stans, General Lake, in den Jahren 1805 bis 1806, endigte mit der
Kinnuhmc der insbesondere durch ihre Wasserbauten geschützten,
auf das tapferste vertheidigten Festung erst dann, als Lake, dem lange
Zeit hindurch der für eine regelrechte Belagerung erforderliche Park
iinJ Train mangelten, umfassendere Bclageriingsoperationen durchzu-
führen und die gesummte bengalische Armee heranzuziehen vermocht
hatte. Auch im Jahre !82Ü bot Bhartpur den britischen Belagerern han-
näckigen Widerstand, bis es dem Befehlshaber der englischen Truppen
Lord Cumbermere, nach sechswöchentliciier Belagerung gelang, in einen
Theil der Bastionen Bresche zu schießen und die Festung mit Stumi
zu nehmen.
Die Stadt hat eine Bevölkerung von etwa 60.000 Einwohnern. In
den Straßen stand dichtgedrängt, uns mit lautem Geschrei begrüüend.
eine große Menge Volkes. .Auffallend ist die Schar von Affen, die auf den
Dächern der Häuser ihr Unwesen treiben. Als wir im Palais des Resi-
denten, Colonel Martelli, angelangt waren, stellte mir der Maharadscha
unter einigen in seinen spärlichen Bart gemurmelten Wnrten seine beiden
Sühne vor, einen etwas abgelebten Jüngling von neunzehn und einen
hübschen, intelligent blickenden Knaben von fünf Jahren.
Nachdem der Maharadscha sich zurückgezogen, theilte sich die
Gesellschaft, indem ich mit Wurmbrand auf die Pürsche von Rlack-
bucks und verbotenen Nilgaus fuhr, während die anderen Herren
»auf Wasserwild auszogen. In einem Galawagen mit grüner, silber-
gestickter Kutschbockdecke, wie solche bei uns gelegentlich von Auf-
fahrten zur Frohnleichnamsprocession oder bei besonderen Hoffesten
üblich sind, rollte ich in das Dschungel, herzlich lachend über die
neue Art von Pürschvvagen, den ich benützte. Doch da wahrscheinlich
alles, was in der ganzen Gegend kreucht und fleucht, beim .Anblicke
meiner Carosse schleunigst geflohen wäre, verließ ich dieselbe bald und
drang auf gut Glück in das Dschungel ein. Die Entwicklung von Pomp
und Pracht, das Aufgebot von Galawagen und Escorte hei der Jagd
sind zwar gewiss recht gut gemeint und bezeugen liebenswürdige
Zuvorkommenheit, aber auch geringeren praktischen Jagdsinn, da
doch das Wild sich wie vor jedem anderen Sterblichen so auch vor
einem reisenden Prinzen scheut, der ab und zu die Rolle des gefeierten
Gastes gerne ablegen würde, um dem edlen Waidwerke nur nach den
Regeln der Kunst zu obliegen.
Das erste, was ich in dem dünnen Dschungel erblickte, waren
einige Hasen und ein Fuclis. Am Rande eines kleinen, sumpfigen
Teiches, der mit Unzahl von Wasserwild bedeckt war, äste ein
kud'.-l Hl;i.-i.-l>nc ■'^ßMÖÄCheu waren, so dass ich nur einen
ischwciGcn kiinnte. Auf dem gegen-
üi/,lich eine Gais in voller
d
Flucht aus dem Dschungel hervorkommen und, ihr nachsetzend, ein
pantherartiges Thier, das ich aber der großen lintfernung halber nicht
näher bestimmen konnte.
Weiter pürschend erblicke ich im Dschungel hnks von mir auf
100)« die Läufe und das Blatt eines Nilgaus — ich gebe Feuer, das
Stück zeichnet gut, bald finde ich Lungenschweiß und auf 200 nt
vom Anschüsse verendet einen capitalen Stier, mein erstes Nilgau. Ich
jubelte und Colonel Martelli mit mir. Die alte Geschichte, dass verbotene
Früchte besonders gut munden! Sofort sandten wir das Beutestück
heimlich zur Eisenbahnstation, damit der Maharadscha nichts erfahre
und unser Stier unbehelligt nach Agra gelange.
Dann gieng"s quer durch einen Teich in ein dichteres, wildreiches
Dschungel, wo ich mehrere größere Rudei von Black-bucks antraf,
aber nur einen starken Bock in voller Flucht erlegen konnte. Überali
huschten im trockenen Grase Schakale und Pfauen umher, während
Tausende von Tauben über mir hinwegstrichen. In weiter Ferne sah
ich noch einzelne Nilgaus, doch ohne zum Schusse zu kommen. Ein
gar zu kecker Schakal erlag meiner Kugel.
Nun kam der Hauptbestandtheil jeder In Indien arrangierten Jagd,
das Luncheon, bei welchem ich mit dem anderen Theile der Jagdgesell-
schaft wieder zusammentraf. Von meinen heimatlichen Jagdausflügen
her gewohnt, auf der Mutter Erde hingestreckt, mit etwas kalter Küche
vorlieb zu nehmen, kann ich mich mit der englischen, wenn auch
verschwenderisch gastfreundlichen Auffassung eines Jägerfrühstückes
nicht befreunden. Mit den Empfindungen meines Jägerherzens und der
Poesie des Dschungel- und Trapperlebens lässt sich ein opulentes,
luxuriös ausgestattetes Gastmahl nicht vereinbaren. Müdigkeit, Hunger
und Durst zu ertragen, gehört eben auch zu den stählenden Freuden
des U'aidwerkes. Mitten in dem von Lianen durchzogenen Buschwerke
prangt hier — umkreist von Nilgaus, Schakalen, Tigern, Panthern und
anderen Bestien — ein Speisezelt von riesigen Dimensionen; daneben
erhebt sich ein Küchenzelt zur Bereitung der warmen Speisen und
endlich noch ein Zelt, in welchem die Jäger Toilette machen, ja mitunter
sogar den Frack anlegen sollen. Dem Zwange dieses Kleidungsstückes
füge ich mich im Dschungel nicht, auf die Gefahr hin, dass ich Anstoß
errege; ich bitte ab, doch kann ich nicht anders, das Jagdkleid ist stärker
als der Frack. Im Speisezelte ist eine Tafel aufgeschlagen, wie für
einen Hochzeilsschmaus — silberne Aufsätze, Jardinieren mit Blumen
gefüllt, silbernes Besteck, gedruckte Menu-Karten. Zehn Gänge zählt das
Mahl unJ Weine aus aller Herren Ländern, namentlich Champagner,
fließen in Strömen, Derart wird, was des Waidmanns frugaler Imbiss,
gewürzt durch einen Trunk aus der Feldflasche, sein soll, zu einer Fett;
champetre, zu dem geeigneten Abschlüsse einer allenfalls mit Damen
unternommenen Landpartie. So frühstückten wir denn durch einige
Stunden, um dann, schwer und träge geworden, wieder dem Waid-
werke, der in Aussicht gestellten Wasserjagd, die sich in ihrer Art
ebenso interessant als originell gestaltete, zu obliegen.
Drei große Teiche, nur durch schmale, niedrige Dämme von
einander getrennt, dehnen sich zu einer bedeutenden Wasser- und Sumpf-
fläche aus, auf der es von Wild im wahren Sinne des Wortes wimmelt
Die Teiche sind von dichten, an Wasseradern reichen Dschungeln
umgeben, die einen beliebten Schlupfwinkel für Nilgaus, Gazellen,
Schakale und allerlei Wasserwild bieten. Bevor die ersten Schüsse
gefallen waren, konnte man da Kraniche, allerlei Storch- und Reiher-
arten, Gänse, Enten, Cormorane. Wasserhühner, Taucher, Schnepfen
und Wasserläufer beobachten, während in der Luft -■Xdler, Geier unJ
Weihen aller möglichen Arten kreisten; ein Seeadler holte sich auf
10 Hl von mir einen Fisch aus dem Wasser,
Wir nahmen auf einem der schmalen Dämme hinter Schirmen
.Stellung, Auf ein gegebenes Zeichen begann der Trieb durch das
Röhricht und den Teich gegen uns zu, wobei als Treiber sieben groUe
Elephanten dienten, die ganz willig selbst in das tiefere Wasser giengen
und das Wild aufstöberten. Nach den ersten Schüssen hoben sich wahre
Wolken von Wasserwild, das von der Linie der Schützen eifrig
beschossen wurde. Noch nie habe ich solche Massen von Wasserwild
an einem und demselben Flecke vereinigt gesehen; doch suchten leider
die seltenen und scheuen Exemplare, besonders die Kraniche, Störche
und Reiher sehr bald das Weite, so dass mir nur zwei schneeweiße
Silberreiher (.\rdea alba, im Winterkleide) zur Beute fielen. Lange konnte
ich die in unermess! icher Höhe ziehenden Schwärme von Kranichen und
Störchen mit dem Blicke verfolgen. Unausgesetzt kamen einzelne Exem-
plare sowie ganze Flüge von Gänsen und Enten über unsere Köpfe
gezogen, so dass wir bald über 100 Stück erlegt hatten. Fielen die Flüge
wieder auf einem der drei Teiche ein, so gieng alsbald ein Elephanl
bedächtigen Schri|||§^or, um das Wild neuerlich aufzutreiben. Sowohl
Wurmbrand alf' * ~ lossen Q^se seltener Arten; doch konnten die
gierenden Kulis die erlegten Thiere
fllreiche Knien. gröUtentheils Stock-
ungeschickten,:
nicht finden- '
enlen (Anas boscas), dann Mittelenten (Anas slrepera), Löffelenten und
Spießenten (Anas acuta), sowie Cormorane und fünf Hlässhühner
zur Beute.
Die anderen Herren hatten ebenfalls zahlreiche Enten erlegt,
meistens auch solche Arten, wie sie in Europa vorkommen, nur Captain
Kairholme schoss eine seltene BuntschnabeÜge Ente (Anas poecilo-
rhyncha). Letzterer hatte überhaupt Waidmannsheil, da ihm sieben
Ottern auf wenige Schritte angeschwommen kamen, deren er eine
erlegte. Auf unser Befragen, weshalb er denn die anderen nicht auch
geschossen habe, antwortete er: >VVas hätte ich mit ihnen anfangen
sollen?« Ottern sind eben nicht essbar und die Engländer erlegen
in Indien merkwürdigerweise nur reißende Thiere, sowie genießbares
Wild, während sie andere Thiere, seien sie auch noch so interessant,
in der Regel nicht beachten.
Nach zwei Stunden war die Jagd zu Ende, doch versuchten wir
noch zum Schluss einen combinierten Streif in dornigem Gebüsche.
wobei ich einen flüchtigen, auffallend starken Nilgau-Stier streckte und
einen Black-buck anschweißte, dessen wir jedoch wegen Mangels an Zeit
zur Nachsuche nicht habhaft wurden. Während der Rückfahrt schoss
ich noch vom Damm aus eine im Dschungel niedergethane Nilgau-Kuh.
Die Hora legalis für die Rückkehr nach Agra war stark über-
schritten und der Extrazug wartete bereits seit zwei Stunden, als ich in
Begleitung des Maharadschas, der sich mir in der Stadt angeschlossen
hatte, auf der Station eintraf. Der düstere Herrscher erkundigte sich
lebhaft nach dem Ausgange der Jagd, doch wurden ihm die verpönten
Nilgaus bis auf ein -aus Versehen» erlegtes Stück verschwiegen. Eine
larte Andeutung des Residenten, dass die Nilgaus für die Feldcultur
^ehr schädlich seien, schien der Fürst nicht zu bemerken. Bei der
Abfahrt des Zuges erdröhnten 2i Salutschüsse und nach anderthalb
Stunden waren wir wieder in Agra, wo wir zu unserem Leidwesen
Kinsky noch immer nicht wohler fanden.
^P Agra — Bhartpur, 15. Februar.
Die Jagd und besonders das Jagdterrain des Vortages hatten uns
*o sehr angesprochen, dass wir den Beschluss fassten, noch einen
'au zu einem abermaligen Ausfluge nach Bhartpur zu verwenden und
^lait am Morgen erst des .\bends nach Dehli zu fahren. Um 7a8 Uhr
""Jfgens stand unser Extrazug bereit. Ich ließ den Eisenbahn-Director
bitten, bei dem Teich, auf welchem wir tagszuvor so zahlreiches
Sumpfwild gesehen, Halt zu machen, eine Proposition, die anfänglich
der entgegenkommenden Züge wegen auf Schwierigkeiten stieß, bis
endlich der gestrenge Director fünf Minuten Aufenthaltes bewilliglt
An Ort und Stelle angelangt, sprangen wir aus den Waggons
und feuerten in die Schwärme abstreichender \'ögel. Ein Riesenstorch,
sowie drei Enten waren das Ergebnis der ersten Salve. Eben hatten wir
das Signal zum Weiterfahren gegeben, als ein Conducteur eine Strecke
auf dem Bahnkörper zurücklief und einen prächtigen Rosen-Pelikan
(l'elecanus roseus) brachte, den er stürzen gesehen hatte. V'ermuthlich
war bei der Kanonade auf den Riesenstorch ein rückwärts streichendi;r
Pelikan durch ein Schrotkorn getroffen worden; denn keiner von uns
hatte direct auf einen solchen gezielt.
In voller Fahrt erlegte ich von der Plattform meines Coupes aus
noch einen streichenden Riesenslorch und einen fischenden Metallstureh,
wie wir den Weißhalsigen Storch wegen seines glänzenden Rücken-
gefieders tauften. Der Locomolivführer hatte das Kallen der beiden
großen Vogel bemerkt und hielt den Zug an, so dass wir das WüJ
holen konnten. Nun wurde die Zugsbegleitung von einer wahren Leiden-
schaft für die Jagd ergriffen, und als wir bald nachher ein Rudel Nilgaus
zu Gesicht bekamen, stand der Zug sofort still, worauf WurmbranJ
eine Kuh schoss, die in den Packwagen wanderte.
Kaum wieder in Bewegung gesetzt, wurde der Zug nach einigen
hundert Metern neuerlich gebremst, die Conducteure eilten herbei unJ
zeigten uns ein Rudel Nilgau-Stiere, die in einem dichten Dschungel
ästen. Die Herren waren flugs mit ihren Stutzen aus den Waggons,
während ich nur als Zuschauer fungierte, da ich ja schon tagszuvor drei
Nilgaus erlegt hatte, Clam streckte einen Stier im Feuer, Wurmbrand
schweißte einen anderen stark an, den er nach langer Nachsuche endlich
ausmachte, Prönay fehlte einen Stier in der Flucht. Nun erwachte aber in
mir. obschon ich nur Beobachter hatte bleiben wollen, doch auch die
Jagdpassion, und da Clam so freundlich war, mir seinen Stutzen zu
leihen, eilte ich im Laufschritte der Herde nach und erlegte noch glück-
licherweise einen sehr starken Stier in der Flucht. So hatten wir vom
Zug aus in der kürzesten Zeit drei Nilgau-Siiere und eine Nilgau-Kuh
auf der Decke.
Der Train, geführt von der jagdeifrigen Begleitung, fuhr bald vor.
bald zurück, je nach der Richtung, in der sich die Jagd zog. so dass
wir das erlegte Wild sofort verladen und selbst wieder einsteigen
konnten. Ich habe schon zu Fuße, zu Prerd, im Wagen und im Boote
gepürscht, aber eine »Pürsche mit einem Eisenbahnzuge« zum ersten-
male mitgemacht, kann dieselbe nur als höchst gelungen bezeichnen
und — jedermann bestens empfehlen.
Wir kamen mit einstündiger Verspätung in Bhaitpur an, wo uns
der sehr erstaunte Maharadscha abermals empfieng, nicht ohne ernste
Blicke durch die Fenster meines Waggons zu werfen, in welchem die
großen Vögel zum Trocknen aufgehängt waren. Von den >gewild-
schützten* Nilgaus ahnte er zum Glücke nichts.
Nach einem Frühstücke bei dem liebenswürdigen Colonel Martelli
entwarf ich den Schlachtplan und beschloss mit allen Herren ein:;n
großen Streif durch das ganze Dschungel zu unternehmen, in dem ich
tagszuvor gepürscht und zahlreiche Nilgaus, sowie Schakale gesehen
hatte. Letztere waren jedoch leider nicht zu finden, da sie, durch das
gestrige Schießen beunruhigt, ausgewandert zu sein schienen. Hin-
gegen schoss ich gleich zu Beginn der Jagd drei der kleinen Indischen
Hasen (Lepus ruficaudatus), ferner mit der Kugel einen prachtvollen
Antigone-Kranich mit purpurrothem Kopfe.
Scharen von heiligen Pfauen und Tauben, ferner zahlreiche Nilgaus
und Black-bucks, die aber selbst auf Kugeldislanz nicht Stand hielten,
waren zu sehen. Da das Wild noch viel zu rege war, so bat ich Colonel
Martelli, uns in dem Dschungel streifen zu lassen, welches den einen
der Teiche umgibt und gestern nur von den treibenden Elephanten
passiert worden war. Um rascher dahin zu gelangen, bestiegen wir die
Elephanten und durchquerten einen der Teiche, wobei wir beobachten
konnten, wie sicher die klugen Dickhäuter selbst in tiefem Wasser
giengen, indem sie, langsam schreitend, stets vorsichtig den Unter-
gnmd sondierten, bevor sie die mächtigen Füße aufsetzten. Hiebei
spielten sie ununterbrochen mit den Küssein, nahmen Wasser auf,
spritzten es wieder aus und ästen die zahlreichen Wasserpflanzen ab.
Ich benützte diesen Ritt, um mich für die Jagd in Nepal etwas
cinzuschießen; denn infolge der fortwährenden Unruhe des Elephanten
ist der ungewohnte Schuss aus der Häuda, wie ich mich schon in
'l'andur überzeugt hatte, anfanglich sehr unsicher. Bei dem ersten Ver-
suche fehlte ich auch eine erkleckliche Zahl von Enten und Cormo-
ranen, und nicht besser ergieng's mit der Kugel, da ich gleich nach
Jtm Eindringen in das Dschungel ein Nilgau fehlte. Nur ein Riesen-
storch, dieser herrliche Vogel der hiesigen Sumpfwell, fiel mir zur Beute.
lerall krachten lustig die Büchsen, und als wir auf einer kleinen
Lichtung zusammentraren, hatte der von St. Hubertus stets begünstigte
Clam eine reizende Indische Gazelle, sogenannte Chinkara (Gazella
bennelti) und zwei Schakale aufzuweisen.
Da mir das Reiten auf dem Elephanten und das Fehlschießen recht
unangenehm war, formierte ich mich mit den Herren wieder zu FuS
und drang, nicht ohne bedeutende Schäden an Haut und Kleidern, durcii
das dichte Dornengehüsch, wo die Ausbeute eine reichliche war. PnJnay
und ich erlegten noch je einen Nilgau-Stier; ferner kamen Schakale,
kebhtlhner, Wachteln und Hasen zur Strecke. Wie gewöhnlich in
so dichtem Buschwerke war die Schützenlinie etwas in Unordnung
gekomtnen, so dass es einiger Zeit bedurfte, bis wir uns an dem Kende;;-
vous zusammengefunden halten, um vergnügt über den gelungenen
.Streifzug die Wagen zu besteigen und nach Bhartpur zu fahren.
Aus einem oder zwei nur «aus Versehen« zu schießenden Nilgaus
waren deren neun geworden; ich hoffe aber, dass der Maharadscha,
sollte er je den Frevel erfahren, uns als eifrigen Jüngern Dianens ver-
zeihen und seinem Unwillen nicht an anderen, schuldlosen Wesen Lull
machen werde. Beim .■\bschiede von Bhartpur war der Maharadscha sehr
freundlich, schenkte mir sein Porträt sowie einen aus Elfenbeinstreifen
zusammengestellten Fliegenwedel und ließ abermals Salutschüsse
abfeuern, dass es eine Freude war. Hätte er schon von den Nilgaun
gewusst, die Trennung wäre sicherlich keine so herzliche gewesen!
Als wir nach Agra zurückgekehrt waren, machten wir allerlei
Handelsgeschäfte — in unserem Palais hatte sich ein förmlicher BazW"
entwickelt — kurz ab, nahmen von Kinsky, der seines Fiebers wegen
vorläufig zurückbleiben musste, Abschied und fuhren gegen 9 V)^f
abends noch einmal zum Tadsch; denn, da uns das Wetter bei de*"
ersten Besichtigung einen so argen Possen gespielt hatte und auc^
jetzt der Mond nicht schien, wollte ich Agra nicht verlassen, ohn^
jenes herrliche Bauwerk wenigstens bei künstlicher BeleuchtunfS
gesehen zu haben. Letztere erfolgte mittels bengalischer Kerzen; dies«^
wurden von Hunderten von Eingebornen gehalten, welche auf de*'
Dächern der beiden im Garten befindlichen Seitenmoscheen postiert
waren, und sich da oben ausnahmen, wie Neros lebende Fackeln.
Die Wirkung der Beleuchtung war geradezu feenhaft, und sprachlos
bewunderte ich die ruhige Pracht und Majestät dieses herrlichen
Bildes. In blendend leuchtendem Weiß lag das Juwel orientalischer
Baukunst vor mir, dunkel hoben sich die Contouren der Bäume sowie
des Cedero
ib und ringsum heri-schte tiefe Stille der Nacht. Mir
M
war's, als umfächle meine Sinne der Odem des längst versunkenen
Jahrhunderts, das in seinem Meisterwerlie seine Größe bezeugt. Wir
traten in eine der Moscheen und ließen die bengalischen ICerzen zuerst
verlöschen und dann wieder anzünden, so dass wir durch das Thor der
Moschee den Tadsch wie in einem Kahmen schauten. Da erstrahlten
mild wie Mondschein, die bengalischen Flammen über dem stolzen
Bau, der, als war' er aus Licht gewoben, zauberhaft emporragte — ein
hinreißender Anblick. Versunken in diesen Genuss standen wir lange,
lange, bis Flamme auf Flamme verloschen und das entzückende Bild
in dunkler \acht entschwunden war.
Kurze Zeit danach gieng's auf der Linie der East Indian Haihvay
über Tundla und Aligarh nach Dehli weiter.
Dehli- AI war.
tim'\-A.m»,
Dehli — Alwar.
Dehii. 16. Februar.
h einer nicht eben in behaglicher Wärme verbrachten Nacht
ifcn wir früh morgens bei Regen und Kälte in Dehli ein. O, oft
phesene, ebenso häufig getadelte Wärme Indiens, wo bist du?
Dehli, »das Hom Asiens«, eine der ältesten, grööten und auch
inzendsten Städte des Pendschäb, ja ganz Indiens, war einst die
utikvolle Residenz der Großmoguln. Seit 1803 in britischem Besitz, ist
auch heule noch den Hindus heilig durch den Dschamna- Strom,
n Moslemin verehrungswürdig durch die großartige Moschee Schah
'Chehans. Das heutige Dehli, nordnordwestlich von Agra, am rechten
fcr der Dschamna gelegen, füllt den Norden jener weiten, fruchtbaren
id klimatisch begünstigten Ebene aus, welche, von den Mewät-Hügeln
lerseits, von dem Strom andererseits begrenzt, seit uralter Zeit eine
ädtiscbe, strategisch wie commerziell bedeutende Niederlassung ent-
»Iten hat.
Diese hat jedoch im Laufe der Jahrtausende — bald diesen, bald
"en Theil der Ebene erfüllend — häufig den Standpunkt gewechselt
nd immer wieder dem Verfalle preisgegeben, so dass das Dehli unserer
age, wiewohl eine Stadt mit etwa 200.000 Einwohnern, nur als ein
leiner Theil alles dessen erscheint, was in den verschiedensten Perioden
*ehli dargestellt hat. Umfasst ja doch das Ruinenfeld von Dehli 155 km".
Obwohl Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnhnien, an einem schiff-
baren Strome und im Bereiche wohlbewässerten Landes gelegen, erscheint ■
Dehli, wenn es auch heute noch immer die regste und größte Handels- |
und Industriestätte des gesammten Pendschäb ist, doch aus politischer,
wohl mit der verhängnisvollen Empörung des Jahres 1857 im Zusam-
menhange stehenden Rücksichten nach und nach von der britischen
Verwaltung zu einer Provinzialstadt herabgedrückt.
Durch den strömenden Regen, der uns in Dehli thränenreich
begrüßte, ließen wir uns nicht abhalten, nach kurzer Rast in unserem
Quartiere, dem Metropolitan Hotel, eine Rundfahrt durch die Stadt
anzutreten. Diese stellt nahezu einen Halbkreis dar, wozu der die Stadt
bespülende Theil des Stromes etwa den Durchmesser bildet.
Wir wandten uns zunächst dem Fort zu, das den einstigen Palast
der Großmoguln einschließt. Dieses liegt im östlichen Theile der Stadt,
hoch über der Dschamna und ist dem Fort von Agra so ähnlich, dass
es eine .Miniaturausgabe desselben genannt werden darr. Es ist aus
rothem Sandstein erbaut, von einer hohen. S'/a t:m langen Ringmauer
und von einem Wallgraben umgeben und mit schönen Thoren
geschmückt. Das hauptsächlichste Interesse erweckt selbstverständlich
Jener Theil des Innenraumes, welcher den Palast enthielt, der Schah
Dschehan seine Entstehung verdankt. Während .\kbar vorwiegend zu
.\gra und Labore seine Residenz aufgeschlagen hatte, verlegte Dschehan
seinen Sitz nach Dehli, wo er im Norden der Stadt, welche schon sein
.^hne Humäyün bewohnt hatte, ein neues Dehli gründete, dem er den
Namen .Schäh-Dschehanabad beilegte.
Wie das Fort von Agra, so enthält auch die Burg von Dehli
herrliche Paläste, Hallen, Säle, Moscheen; doch ist ihre Anzahl weil
geringer, als im Fort zu Agra, da die Engländer nach Unterdrückung
des großen .\ufstandes vom Jahre 1857. der in Dehli mit der Ermordung
der hier ansässigen Europäer durch Schah Bahädur seinen Anfang
genommen hatte, einen großen Theil der Baulichkeiten des Forts
schleiften, um an deren Stelle Kasernen und Batterien zu errichten.
Durch die Musikhaile (Nakar khana oder Naubakhana) ein-
tretend, besahen wir vorerst die beiden für Audienzen bestimmten
Räume. Die an drei Seiten offene, von Säulen aus rothem Sandsteine
getragene, große Audienzhalle, üiwan-i-Am, weist allerhand \'erzierungen
auf, insbesondere erscheinen der Thron sowie die Wand, an welcher
sich dieser in einer Nische erhebt, mit Malereien und köstlichen
Mosaiken aufs reichste verziert.
^B Mit den Renovierungsarbeiten, welche die englische Regierung I
in neuester Zeit an diesen und den Wänden vieler anderer Baudenkmale
vornehmen Heß, vermag ich mich nicht zu befreunden; denn so löbüch
auch die Absicht dieses Beginnens ist, scheint mir dasselbe doch etwas
weit zu gehen. Meines Erachtens wirkt die ursprüngliche, alte Flächen-
decoratiun, ob Malerei, ob Mosaik, und mag sie noch so schadhaft sein, in
den sonst unverändert belassenen Hallen weit stilvoller und jedenfalls
stimmungsvoller als die Imitationen mit ihrem frischen Goldglanz und
ihren schreienden Farben, welche an die Stelle der, wenn auch ver-
blichenen und verstümmelten, doch originalen Ornamente treten. Aller-
dings bildet die Frage, ob und wieweit die Renovierung schadhafter
Kunstwerke überhaupt gehen darf, einen Gegenstand steter Controverse
zwischen den Sachverständigen, welche für die vollkommene Wieder-
herstellung der ursprünglichen Erscheinung eintreten und dem vielleicht
unbewusst nicht minder feinfühligen Laien. Ich erinnere hier nur an die
Säuberung der Innenwände der Stephanskirche von der Patina; diese
Restaurierung hat bei der großen Menge die Sehnsucht nach dem
vormaligen, fast mystischen Helldunkel erweckt, welches dem Dome
eine eigenartige, ruhige Schönheit verlieh. Ebenso würde es mir als
l'rofanation erscheinen, wenn etwa der Plan gefasst werden sollte, die
Statue der Venus von Milo durch Hinzufügung der ihr mangelnden
.\rme zu ergänzen.
Der kleine Audienzsaal, Diwan-i-Khas, im Fort von Dehli ist ein
offener, ganz aus Marmor errichteter, mit Goidomamenten und Pietradura
geschmückter Pavillon, An der Ostseite dieses Saales stand einst der
berühmte goldene, mit den kostbarsten Edelsteinen geschmückte Pfauen-
thron (Tacht-i-täus), welchen Nadir Schah, der persische Eroberer
flehlis, als vornehmstes Stück der reichen Kriegsbeute 1739 von hier
fortgeführt hat. In derselben Gebäudeducht befinden sich auch die von
Mamior strotzenden Privat- und Frauengemächer des Großmoguls und
die Baderäume.
An der Westseite des Diwan-i-Khas steht ein überaus graziöses
Bauwerk, die Perl - Moschee (Moti Mesdschid), sehr kunstvoll aus
'''findend weißem Marmor erbaut, mit Reliefs und zierlichen Ornamenten
Von reinstem Ebenmaße geziert, und, wiewohl von kleinen Dirtien-
^Onen, doch durch künstlerische Gestaltung und Reichthum des
^t'hmuckes höchst bemerkenswert. Das Bronzethor der Moschee ist
<!"i Meisterstück getriebener .Arbeit, eines Kunstzweiges, der in Indien
nucb immer erfolgreich im Schwünge ist.
Ks hatte wohl nicht gerade viel Divinationsgabe seitens der finoüA
S, J. Tellcry & Co., welche hier ihre Hauptniedcrlage und Fabnk kunst-
{gewerblicher Objecte besitzt, dazu gehört, unser Kommen, das nun
thatüächlJch erfglgte, zu erwarten. Über dem Thore des Etablissementj
wülblc sich ein anmuthigcr Triumphbogen mit Bänderschmuck in äen
usterreichihchen und den ungarischen I-'arben und mit Spruchbändern,
die in großen, goldenen Lettern die Worte -Hoch« und -Eljen« trugen.
Wir fanden hier so ziemlich dieselben Gegenstände, welche wir schon
Von Bombay und Colcuttu her kannten, Kunstobjecte und Curiositäten
aus allen Uegionen Indien», aber in so großer Mannigfaltigkeit und
Auswahl, dass die Kauflust im höchsten Grade angeregt wurde und
sich zu unersättlicher Begierde steigerte.
Den Nachmittag benützte ich, um die im südlichen Theil Dehlis
gelegene berühmte Moschee Dschama Mesdschid, das großartigste
und schönste mohammedanische Bethaus Indiens, in Augenschein zu
nehmen. Mächtige Freitreppen, auf deren Absätzen allerlei Händler
und Agenten umherlungern, führen zu den grandiosen Pforten empor,
welche in den \'orhof der Moschee Einlass gewähren. Dieser V'orhof.
ein Quadrat von 99 «i Seitenlänge bildend, ist an drei Seilen von
Säulengängen mit Eck-Kiosken umschlossen, welche, von der Außen-
seite der gesammten Anlage betrachtet, das erste Stockwerk der aus
rothem Sandstein erbauten, hohen Mauer gestalten. Die vierte Seite des
Hofes bildet die Moschee selbst, die eine Fläche von 2243 tu' bedeckt.
Die obenerwähnten Pforten tragen über dem Kielbogen des Einganges
(lallerien und Spitzkuppeln, über welche hinaus sich schlanke marmorne,
mit vergoldeten Spitzen gezierte Minarets erheben.
Diese um das Jahr lt!58 erbaute Moschee trägt denselben Stil
zur Schau wie jene zu Agra, und auch hier ist die von drei Kuppeln
überhöhte Fa^ade von Minarets begleitet, während der Unterbau aus
rothem Sandsteine gefügt ist. Die Kuppeln und die Spitzen der beiden
hohen Minarets hingegen sind aus Marmor. Diese an manchen Stellen
unharmonische \'erschmelzung von Roth und Weiß beeinträchtigt den
( lesammteindruck einigermaßen; besonders missfie! mir, dass die weißen
Marmorlareln der Kuppeln abwechselnde Reihen schwarzer Steine auf-
weisen. Ein mir neues ^^IjMfend ich an den Minarets, da der Sockel
jedes derselben einenJ^^^^ben Blumenkelch bildet, aus dem der
schlanke Thunn itnpi^^^^^^IchftrSttner ganzen Höhe entlang von
verticalcn. .m Jvi SpilZi RUiUinme endigenden Streifen durch-
zogen ibt. »
^™ In einer Ecke der Säulenhalle der Moschee sehen wir das eigent-
liche Heiligthum, einen zierlichen Marmorschrein mit Reliquien des
Propheten. In schmucklosen Behältnissen, die jenen gleichen, welche
Insectensammler zur Aufbewahrung von Küfern zu verwenden pflegen,
sind hier geborgen: ein feuerrothes Haar aus dem Barte des Propheten,
die abgetragenen Pantoffel Mohammeds, Koransprüche in der Hand-
schrift der Imams Hiissain und Hassan und — wie wir Jäger uns aus-
drücken würden — die 'Fährte' Mohammeds, das heißt seine in Lehm
abgedrückte Fußspur,
Von der Moschee aus durchschritten wir die Hauptstraße Dehlis,
die lange Tschandni Tschauk, in der sich Laden an Laden drängt,
Geschrei, Lärm jeder Art, Anpreisen und Feilschen von allen Seiten
ertönt, dass die Sinne schwinden könnten.
Der Bazar trägt, gleich der ganzen Stadt, ebenso wie in Agra,
t:in unverkennbar muselmanisches Gepräge zur .Schau. Das lebhafte
Straßenbild von Dehli lässt uns Typen und Trachten schauen, die wir in
Caicutta zum Beispiel vergeblich suchen würden. Das Hauptcontingent
Jer den Bazar belebenden Menge bilden Moslemin mit buntem Turban
und gesticktem Kaftan, mohammedanische, verhüllte Frauen mit farbigen
Uüinkleidern und bunten Tüchern. Zwischen solchen Gestalten bewegen
sich Hindus und in auffällig großer Zahl Afghanen. Es war mir inter-
essant, die hochgewachsenen, kräftigen Gestalten, die energischen, ja
trotzigen Gesichtszüge der bärtigen Afghanen betrachten zu können.
Das selbstbewusste Auftreten, die kräftige Haltung dieser Hochlands-
iöhne machte mir glaubhaft, dass jeder aus diesem unbändigen, räube-
rischen und kriegerischen Volke das eigene Leben so wenig als jenes
f-einer .Mitmenschen achtet und, will's das Schicksal, mit der gleichen
Kuhi; zum Morde wie zur Kichtstätte schreitet.
Bei Tellery, wo ich am Ende des rauschenden Bazars wieder
landete, besichtigte ich die Werkstätten, in welchen kunstgewerbliche
'legenblände nur mit der Hand, ohne Zuhilfenahme irgend welcher
Maschine, von äußerst geschickten, eingeborenen Arbeitern in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit angefertigt werden. Ich hätte den sonst so indolenten
Eingeborenen Indiens solchen Fleiß, gepaart mit Geschicklichkeit, nicht
sJugemuthet, .Mierdings führt ein Landsmann, ein Wiener, mit fester Hand
den Betrieb, In der Werkstätte für Teppiche erzeugen acht- bis zehn-
jährige Hindu-Knaben die schönsten Gewebe, während in einem Xeben-
faume aus verschiedenen Holzsorten bewundernswerte Schnitzarbeiten
kiiirchwegs aus freier Hand angefertigt werden und Metallarbeiter in
Geschichtlich ist der Platz vor dem Mausoleum Humäyüiis dadurch
l'interessant, dass sich hier der letzte Titular-Großmogul, Bahädur, wäh-
Itend des Aufstandes vom Jahre 1857 den Engländern ergeben hat.
pas über Bahädur verhängte Todesurtheil wurde mit Rücksicht auf
}as hohe Alter dieses Letzten (1862 verstorbenen) der Großmoguln in
lebenslänglichen Kerker umgewandelt. Die beiden Söhne Bahädurs,
■die hier gleichfalls in Gefangenschaft geriethen, fanden während ihrer
■■Überführung nach Dehli den Tod, da sich der mit der Escorte betraute
I Oflicier angesichts der Gefahr, diese wichtigen Gefangenen durch die
1 massenhaft den Wagen umdrängende Volksmenge befreit zu sehen,
I gezwungen hielt, die Prinzen eigenhändig mit der Pistole zu erschießen.
Auf der ganzen, 17 km langen Fahrt von Dehli bis Kutab Minar
1, wie gesagt, die Gegend mit Ruinen bedeckt, so dass unsere Blicke
I unauHiörlich ringsum schweiften und unsere Aufmerksamkeit stets aufs
neue erregt wurde.
Schon von weitem winkt uns von einer kleinen Anhöhe der Kutab
.Minar entgegen, der aus der Entfernung den Eindruck eines riesen-
[ haften Fabriksschlotes macht, in der Nähe aber durch seine gigantischen
iFoTTnen, in denen er unversehrt so vielen Jahrhunderten getrotzt hat.
Itinser Staunen wachruft. Der Thurm, eine runde Säule darstellend, hat
leine Höhe von 84 m, der Durchmesser beträgt an der Basis M'Smi,
I an der Spitze, zu der eine Treppe von 378 Stufen emporführt, jedoch
Inur 27 m. Der Thurm gliedert sich in fünf durch Gallerien markierte
|Ab<iälze; die drei unteren, aus rothem Sandstein erbaut, sind cannelierte
I Schäfte, die beiden oberen aus weißem Marmor mit einfach gehaltenen
I Cuinelierungen verziert. Der Sockel des Thurmes erscheint bis zur
I crsien Gallerie empor mit ausgemeißelten, die Cannelierung bedeckenden
I Kuransprüchen geschmückt.
Ober die Entstehung und den Zweck, welcher bei der Erbauung
Jdcs K'utab-ed-din kä Minar vorwaltete, herrschen die verschiedensten
I Meinungen. Nach der einen Version sollte der Thurm als Mazinä
I (Muezzin-Thurm) der benachbarten, jetzt verfallenen Moschee Kutab-el-
IIslam('Pol des Glaubens-) dienen. Andere wollen wissen, der Thurm
' sei zu Ende des 12. Jahrhunderts von einem Fürsten, namens Rai
Pithora, erbaut worden, damit dessen Tochter von der Spitze der Säule
aus den heiligen Dschamna-Strom betrachten könne; eine Erklärung,
Welche der Vaterliebe des Erbauers alle Ehre machen würde. Eine
weitere Tradition besagt, der Kulab Minar sei von den Hindus gebaut.
von den Mohammedanern jedoch umgestaltet worden. Für letztere
257 ,,
Hypothese spräche das Vorhandensein der zahlreichen Ruinen von
Hindu-Tempeln rings um den Thurm, obwohl festzustehen scheint,
dass der Thurm. von König Kutab-ed-din-Aibak (t 1210) begonnen, von
dessen Lieblingssciaven und Thronerben Altamsch vollendet worden ist.
Neben den er\vähnten Ruinen der Hindu-Tempel fallt noch ins
Auge ein prachtvolles, reichgeschmücktes Thor, das, von Alä-ed-din
t,I295 bis 1313) erbaut, einst die Eingangspforte der Moschee Kutab-
el-lslam gebildet hat Bemerkenswert ist an diesem Thore die Ver-
quickung der Hindu-Architektur mit dem mohammedanischen Stil in
der Art dass Reliefs, die offenbar aus älteren Hindu-, beziehungsweise
Dschaina- Tempeln stitmmen, hier in die Bogen und Friese indisch-sara-
cenischen Stils eingemauert sind. Hier hat das Kunstgefiihl den Racen-
hass überwunden!
Ein merkwürdiges Object ist auch die berühmte, viel umstritlene
Eisensäule«. die fast 7 ni hoch und angeblich aus einer Legierung
von Eisen. Kupfer. CuAd und Silber, nach Thompsons .Ansicht jedoch
aus reinem Schmiedeeisen hergestellt ist. Die in halber Höhe der Säule
angebrachte Sanskrit-Inschrift verewigt den Namen des siegreichen
Rädscha Dhawa. der diesen •.Arm seines Ruhmes- im 4. Jahrhundert
errichtet haben soll. \'ermuihItoh hat die Säule einst die Figur Wischnus
getragen. Eine zweite Inschrift, mit dem Namen Anang Pals, des Gründer?
der Toniara-Dynastie, hat \'eranlassung zu der allgemein verbreiteten
Tradition gegeben, die Hisensüule- sei im Jahre 1052 von Anang P«'
errichtet worden.
Ich erwähne noch das kleine, aber mit prachtvollen Verzierungen
geschmückte Orabmal .Al:,i:;isch' und das Mausoleum .Adam Khan=-
blgten, der eine allerliebste zahme Gazelle zum Anlocken des Wildes mit
>ich führte. Das Vorwärtsdringen in diesen Ruinen mit den spitzen
Steinen, den Mauern und den vielen scharfen Dornen war sehr erschwert,
loch wurde die Mühe gelohnt, indem ich mehrere Indische Rebhühner
'Ortygornis pondiceriana), sowie vier Stück des Bunten Flughuhnes
^terocles fasciatus), von den Engländern »Sand grouse« genannt,
erlegte. Nach einer langen Streifung, eigentlich einer unausgesetzten
Steeple chase über Mauern und Steine, kehrte ich mit unserer trefflichen
Artilleriebespanniing nach Hause zurück, um den Abend meinen Auf-
zeichnungen zu widmen. Hiezu flackert wohlthuend prasselndes Feuer
im Kamin, heulen Schakale unter meinen Fenstern ein fremdartiges
Concerl.
Dehli. 18, Februar.
Ich hatte den Wunsch geäußert, ein indisches Strafhaus zu sehen,
wnrüuf mir bereitwilligst Gelegenheit gegeben wurde, die Anstalt zu
besichtigen, welche im Süden von Dehli gelegen ist. Wir passierten das
Dehli-Thor, eines der zehn Thore, welche die 8-8 km lange Wallmauer
der Stadt durchbrechen, und befanden uns nach kurzer Fahrt durch
Jas Trümmerfeld Alt-Dehlis vur dem etwa 500 Sträflinge bergenden
Gefangenhause.
Durch ein doppeltes, wohlverriegeltes Thor, das einer zweifachen
Ringmauer entspricht, betraten wir den Innenraum und sahen ein förm-
liches Stadtviertel kleiner, ebenerdiger Gebäude vor uns, die, zur Auf-
nahme von Gefangeinen bestimmt, von einander getrennt sind, so dass
kttoerlei Verkehr der Insassen untereinander stattfinden kann, wahrend
»Ungewissen Centralpunklen aus eine genaue Überwachung möglich ist.
Im allgemeinen herrscht hier der Grundsatz, jeden Sträfling durch
einige Zeit in Einzelhaft zu haken, bis man ihn kennen gelernt, ich
möchte sagen, seinen Charakter studiert hat. In der Einzelzelle muss
läer Gefangene arbeilen, und zwar auf ganz primitive Weise täglich ein
^'estinimtes Quantum Korn mittels zweier Mühlsteine, die mit der Hand
bewegt werden, mahlen. Ist sein Verhalten ein entsprechendes, so wird
*r zu gemeinschaftlicher Haft und Arbeit mit anderen zugelassen, hat
V jsdoch im entgegengesetzten Falle, oder wenn es sich zeigt, dass er
^ *ineii nachtheiligen Einfluss auf seine Genossen nimmt, die ganze Straf-
*6it in ICinzelhafl zu verbüßen. Besonders schwere Verbrecher, ferner
*<''che, die schon aus einem Gefangenhause entdohen sind, sitzen, an
^ Füßen mit schweren Eisenstangen gefesselt, wie wilde Thiere In
offenen, eisernen Käfigen, an deren Ende sich die ebenfalls offenen,
mit hartem Lager versehenen Zellen befinden. In einer dieser Zellen
kauerte ein alter Mann, der schon dreimal aus einem Strafhause aus-
gebrochen war. Er hatte ein Mittel ersonnen, die dicksten Eisensläbt
zu durchschneiden — Wollfäden, die er sich zu verschaffen gewussl.
und eine Mischung von Öl, Sand und Glassplittern. Hiemit rieb er
eine Stelle des Eisengitters so lange, bis er dieselbe durchgeweLK
hatte und entweichen konnte. Wohl eine der größten Geduld proben!
Zweimal war sie von Erfolg gekrönt, beim dritlenmale wurde et
ertappt. Ein anderer Sträfling hatte sich aus abgekratztem Blei binnen
drei Monaten einen Schlüssel construierl; doch wurde das kunsH'öilt
Werkzeug im letzten Augenblick entdeckt. Einen besonders wiUen
Eindruck machten zwei Afghanen, deren einer wegen Mordes einge-
zogen, der andere wegen einer ähnlichen Übelthat zu 37 Jahren
schweren Kerkers verurtheilt war.
Die Einzeizellen enthalten ein Lager aus Lehm, auf das eine
Strohmatte und zwei Kotzen zu liegen kommen, als Bett; die weitere
Einrichtung bilden ein Trinkgefäß und die schon erwähnte Mühle.
Eine eigene Abtheilung ist für Knaben bestimmt, unter denen man
wahre Galgengesichter sieht; eine andere für Gewohnheitsverbrecher,
welche diese heiligen Hallen schon wiederholt betreten haben; eine
dritte endlich für Weiber, die einige äußerst hässliche und verkonimene
Individuen in ihrer Mitte zählten. 1
Die Kleidung der Sträflinge ist ganz gleichmäßig; sie besteht
aus einem kotzenartigen Gewände, darunter einem Leinwandlappen.
welcher um die Mitte des Leibes geschlungen wird. Zur Nahrung
erhalten sie eine nach unseren Begriffen sehr geringe Ration, und üW'»''
des Morgens zwei flache, ungesäuerte Brote nebst einem Achtelliter D*
(einer Art von Bohnen) mit Butter und Gewürzen, zu Mittag eine H&f*^'
voll gerösteten Weizens, abends grünes Gemüse mit zwei Broten. V^^
doch befinden sich die Sträflinge wohl und sehen gut aus.
Nach der Meinung des Gefängnis- Dircctors soll der einz*^^
Fehler des Strafhauses der sein, dass die Lebensweise der SträflifS
daselbst eine viel bessere ist als die, welche sie außerhalb dessell?*
rühren. Klagen wie jene des Directors verlauten übrigens auch '
unserer i leimat, wo häufig genug Vergleiche gezogen werden zwiscli *
der Lebensführung, deren sich selbst schwere Verbrecher in den Str^'
häusern erfreuen, und den Existenzbedingungen, unter welchen uns^''
Soldaten in den Kasernen ihrem Beruf obliegen. Ich vermag rf^
Ansicht die Berechtigung nicht ganz abzusprechen, dass in der huma-
nen Behandlung der Verbrecher schwerer Kategorie zu weit gegangen
und hiedurch der Strafzweck theilweise vereitelt wird.
Ich durchschritt alle Werkstätten, in welchen die Sträflinge gemein-
samer Arbeit mit den einfachsten Hilfsmitteln obliegen. Sie erzeugen
Cartonnage- und Töpferwaren, Teppiche und aus einem an allen Fluss-
ufern wachsenden Grase hübsche Matten, deren ich eine große Anzahl
für die Corridore von Konopist bestellte. Auch ihre Kleidung müssen
die Sträflinge selbst fabricieren.
Kostbare Zeit gieng verloren, da ich mich verleiten ließ, nach der
Rückkehr in die Stadt das in einem geradezu desolaten Zustande
befindliche städtische Museum of the Institute nächst der Tschandni
Tschaukstraße zu besichtigen. Von dem dort herrschenden Schmutze,
der überall wahrnehmbaren Verwahrlosung und dem Kunterbunt von
Säugethieren, Vögeln, Bildern, Gewändern, allerlei Hausrath und son-
stigen ethnographischen Gegenständen sich einen Begriff zu machen,
ist schwer. Immerhin war es belehrend zu sehen, wie ein Museum
nicht sein soll.
On revient toujours also noch einmal zu Tellery
gewandert, um neuerlich Einkäufe, namentlich von Teppichen, zu
besorgen.
Dann wohnten wir vor unserem Hotel mehreren von einigen Ein-
geborenen veranstalteten Hahnenkämpfen bei. Wie grausam dieses
Vergnügen auch ist, so entbehrte es doch nicht der Anziehungskraft;
denn mit staunenswerter Tapferkeit und Kampfeslust, ja mit Ingrimm
hieben die braven Hähne mit Schnabel und Sporn auf einander ein, bis
kindlich einer der Kämpfer unterlegen war.
Abends entführte uns der Zug nach Alwar (Ulwar), das nord-
westlich von Agra, südwestlich von Dehli, an der die Rajputana-Malwa
Kailway einschließenden Bombay, Baroda and Central-India Railway
gelegen ist, welche über Ahmedabad nach Bombay läuft.
Alwar, 19. Februar.
Morgens 7 Uhr wurden wir mit der Meldung geweckt, dass
Wir demnächst in Alwar ankommen würden. Rasch war ich ange-
^<Wdet und betrachtete vom Coupefenster aus die vollkommen ver-
änderte Gegend — überall direct aus der Ebene emporsteigende steile
'fögel, die sehr steinig und nur von spärlicher Vegetation bedeckt
261
warer; einzelne derselben zeigten scliarf markierte Formen und Cin-
tüuren. In den Feldern neben dem Bahnkörper stolzierten unzatiltge
heilige Pfauen umher.
Der Staat Alwar, welchen ein von den Briten abhängiger Fütm
beherrscht, gehört zu den Staaten Radschputanas, jenes umfangreichen,
zwischen der Dschamna und dem Indus gelegenen Gebietes im Nt^rJ-
westen Vorderindiens, welches bis zur Wüste Tharr, der »Indischen
Sahara«, reichend, gerade an deren Rande die bedeutendste Enhvlckc-
lung aufweist. Unter den neunzehn, in sieben britische Agentien etn-
getheilten Schutzstaaten Radschputanas nenne ich als besonders
bemerkenswert: Dschodpur (Jodhpore, Marwar), Dschaipur, Udoipur
(Mewar), Bikanir, Dholpur, das uns schon bekannte Bhartpur unJ
Alwar. Adschmir (Ajmere) ist bereits dem britischen Gebiet einverleibt
Alwar, in wasserarmer Gegend am Fuße eines vom Fort Alwai
gekrönten, 400 j« hohen Felskegels gelegen und von einer zackigen
Hügelkette gedeckt, ist zu Ende des verflossenen Jahrhunderts von
Pratap Singh, — aus dem von Udaikaran von Dschaipur (1367 Viis 1388i
abstammenden Hause der Karuka — einem Vasallenfürsten des Maha-
radschas von Dschaipur, gegründet worden. Unbotmäßig und ehrgeiiij;
wanderte Pratap Singh aus, verschanzte sich an der Stelle, wo heute
Alwar steht, und gründete, nachdem ihm der Großmogul von Dehli
einen Freibrief ertheÜt, den noch bestehenden .Staat. Alwars Fürsten
gehören zu den Emporkömmlingen und vermögen sich, wenn auch
vornehmen Blutes, doch nicht auf so ehrwürdige Herrscherreihen zu
berufen, wie zum Beispiel der Maharadscha von Dschodpur. welcher
den Beginn seines Hauses angeblich bis in das 4. Jahrhundert n. Chr.
zurückzuleiten vermag, oder wie der Fürst von Udaipur, dessen Ahnen
nachweisbar schon im 8. Jahrhundert n. Chr. regiert haben.
Die Staaten der Rajputana Agency stehen, wie gesagt, unter der
Ägide Englands. Doch wird diese in milder, rücksichtsvoller und
freundlicher .Art ausgeübt, da die Fürsten der Rädschputen (Königs-
söhne) im allgemeinen England sympathisch gegenüberstehen, und
namentlich, weil ihr von kriegstüchtigen Mannen erfülltes Gebiet eine
Schutzwehr wider Afghanistan bildet.
Der jetzt regierende Maharadscha von Alwar, Dschai Singh, der
Sohn und Nachfolger Sawai Mangal Singhs ff 1892), eines ebenso
berühmten Reiters und Tigerjägers als tüchtigen Regenten und Sol-
daten — letztere Eigenschaft hatte ihm die Ernennung zum Obersten
in der englischen Armee eingetragen - ist ein Rädschpute aus dem
sonnengeschlechte» jenes Katschwäha-Stamme:?, welcher in Gwaliur
nen Königsthron gegründet hat, im Doäb aber, das ist im Zwischen-
romlande des Ganges und der Dschamna, heute noch blüht.
Dschai Singh soll sich, wiewohl heule erst etwa zwölf Jahre
Ihlend, nach dem Tode seines Vaters bei den großen Feierlichkeiten
ilässlich seiner Thronbesteigung sehr würdig und höchst energisch
mommen haben. Es herrscht hier nämlich die eigenthümliche Sitte,
ISS der Herrscher bei der Thronbesteigung angesichts des versam-
ellen Volkes auf einen Hasen schießen muss; trilTt er ihn, so ist dies
n günstiges Vorzeichen für seine zukünftige Regierung, erfolgt jedoch
n Fehlschuss, so gilt dies. als böses Omen, Bei jener orakelhaften
lauguration der Regierung wusste sich Dschai Singh ungeachtet der
efangenh'eit, die in einem solchen Falle begreiflicherweise einen
naben dieses zarten Alters überfäüt, so weit zu beherrschen, dass ihm
er prophetische Meisterschuss gelang.
Auf dem Bahnhofe von Alwar wurde ich von dem jugendlichen
[elden dieser Episode, ferner von dem politischen Agenten Englands in
Iwar, Colonel Fräser, der zugleich für die Dauer der Minderjährigkeit
es Fürsten, im Vereine mit dem aus einheimischen Würdenträgern
usammengesetzten .Staatsralhe die Verwaltung des Landes besorgt,
Qwie von den Mitgliedern des eben genannten Staatsrathes festlich
tnpfangen. Dschai Singh ist ein schmucker Junge mit intelligenten,
ffenen Gesichtszügen, dessen Erscheinung ich meines Erachtens am
esten durch das heimatliche Wort -herzig- charakterisiere.
Außerhalb des Bahnhofes hatten eine Ehrencompagnie riesiger
ädschputen mit schwarzen Vollbärten und eine Escadron Cavallerie
- die Mannschaften beider im rothen Rock und Turban — neben einer
lusikkapelle Aufstellung genommen. Die Hädschputen waren gut aus-
ewahlle Repräsentanten der kriegerischen, schön gewachsenen Männer
es Landes, die noch vor kurzer Zeit Waffenkämpfe nach der .Art unserer
littelaltcrlichen Turniere geführt, unter dem neuen anglo-indischen
eglement jedoch sich rasch als vorzügliche Truppe im modernen Sinne
ewährt haben. Die Armee von Alwar zählt etwa 8000 Mann, die unter
em Commando englischer Officiere stehen.
Eine ganze Reihe prächtig geschmückter Staats- El ephanten mit
jichem Geschirre, bunten Decken und vergoldeten Häudas war gleich-
Jls ausgerückt. Daneben standen eigenthümliche Wagen aus dem
larstalle des Maharadschas, eigentlich zweiräderige Karren mit spitz
ulaufenden, mit buntem Zeuge belegten Dächern und Zebuochsen
■i63
als Bespannung. Gegenüber paradierten prächtige Pferde, stark aus-
gebunden, mit schön frisierten Mähnen und Schweifen; meist Hengsie
aus dem naheliegenden Gestüt. Auch eine ganze Reihe von Hof-
Schikäris, theils mit alterthumlichen Lanzen. Iheils mit funkelnagel-
neuen englischen Rifles waren zur Erhöhung der Feierlichkeit auf-
marschiert. Weiterhin stand ein ganzer Trupp Kameele, die, was ich
zum erstenmale bemerkte, auf dem Höcker Kanonen oder eigentlich
für starke Ladung bestimmte Trombons aufgeschnallt trugen, welche
während unserer Fahrt abgefeuert wurden. Ein farbenbiinter, lebhaft
bewegter .Aufzug mit echt indischem Glanz und Pompe!
Der würdige Erzbischof von Agra hatte, da es Sonntag war, die
Freundlichkeit gehabt, einen Kapuziner abzuordnen, um uns in einer
kleinen katholischen Kapelle die Messe zu lesen. Die Katholiken-
gemeinde des Staates AUvar zählt nur elf Köpfe. Der gute Kapuziner
hielt als ehemaliger Unterthan Seiner Majestät des Kaisers — er i'Sl
im Venelianischen, noch zur Zeit der österreichischen Herrschüft
geboren ^ nach dem Evangelium eine in schlichten Worten gehaltene,
warm empfundene Ansprache, in welcher er unser Vaterland unJ
unseren geliebten Monarchen dem Schutze des Alimächtigen empfahl.
Ich miiss gestehen, es ergriff mich tief, im fernen Indien, milten
unter Millionen von Hindus und Mohammedanern, in dieser nur wenige
Quadratmeter messenden Kapelle einen Geistlichen meines Bekennt-
nisses für Seine Majestät beten zu hören.
Nach dem Gottesdienste fuhren wir zu dem von Banni Singh, dem
dritten Herrscher von Alwar aus dem Hause der Naruka, gebauten
Palaste Banni Biläs, der uns zur Verfügung gestellt war. Dieses außer-
halb der Stadt gelegene Gartenpalais macht von außen einen sehr
imposanten Eindruck und weicht in angenehmer Weise von den sonst
meist geschmacklosen Palastbauien der modernen indischen Epoche
ab. Inmitten eines wohlgepflegten Parkes, zeichnet es sich durch
harmonische Verschmelzung von verschiedenen Stilarten, sowie durch
glückliche Anordnung der zahlreichen Veranden und Erker aus, welche
das Gebäude antnuthig beleben. Vor der Hauptfafade des Palastes liegt
ein großes Marmorbassin, in dessen Mitte ein kioskartiger Marmor-
söller aufstrebt. Die innere Einrichtung des Palais ist natürlich euro-
päischen Charakters und dabei wenig geschmackvoll. Vom Balkone
meines Zimmers aus hatte ich einen hübschen Blick auf die Baum-
kronen des Parkes und weiterhin auf die den Palast umsäumenden
steinigen Berge mit ihren Ruinen und Forts.
Nach vielen Tagen schlechten Wetters hatte sich der Himmel
endlich blau angethan und wärmend lachte die Sonne auf uns durch-
frorene Erdensöhne herab. Da das officieüe Programm des \'orniittages
erschöpft war, benützte ich den Rest desselben, um Briefe in die Heimat
zu schreiben. Gegen Mittag wurde mir dann auf dem freien Platze vor
dem Palast eine Anzahl Pferde aus dem Marstalle des Maharadschas
vorgeführt, Producte indischer Zucht, und zwarMarwari und Kattywari,
letztere beinahe ausschließlich Füchse mit Tigerstreifen an den Beinen
und einem dunklen Aalstreifen am Rücken. Die Pferde sahen sehr gut
aus, zeigten hübsche Figur, namentlich schöne Kupfe, und hatten
gute, jedoch für den schweren Rumpf zu feine Füße. Ein Bereiter
des Maharadschas, ein schwarzer Rädschpute, ritt die Pferde vor und
zeigte mit jedem ein anderes Kunststück der höheren Dressur; das
eine piaffierte, das andere gieng in Lanijaden, das dritte auf den
Hinterfüßen, ein viertes kniete nieder und dergleichen Scherze mehr.
Nachmittags stattete ich dem Maharadscha in dessen von den
Engländern «The Royal Palace« oder »The City Palace« genannten
Palaste meinen Besuch ab.
Auch Alwar weist, wie jede der bisher gesehenen indischen Städte,
Eigenthümlichkeiten in der Anlage und Bauart, neue oder neuartig
verwendete Motive bei der Ausschmückung der Bauwerke auf, wodurch
die Stadt ein eigenartiges Gepräge gewinnt. Die Mannigfaltigkeit der
Eindrücke, welche der Besucher von den verschiedenen Städten
empfängt, bietet einen besonderen Reiz des indischen Städtebildes;
ich mochte es dem Reize abwechslungsreicher Variationen desselben
Themas vergleichen. Besonders in die Augen springend schien mir der
von Scheodän Singh (|1874), dem Sohne Banni Singhs, erbaute, nun-
mehr für des ersteren Witwen bestimmte Palast zu sein, welcher sich
durch zahlreiche kleine An- und Vorbaue und Fenster mit zierlichen,
wie in Elfenbein geschnitzten Ornamenten auszeichnet.
Der jugendliche Herrscher empfieng mich umgeben von seinen
Würdenträgem. In gewohnter Weise saßen wir einander durch einige
Zeit auf reich mit Gold geschmückten Stühlen gegenüber, worauf mir
der Maharadscha ein Exemplar der von Th. H. Hendley verfassten
Monographie -Ulwar and its Art Treasures« {London, W. Griggs 1888).
dedicierte, eines Prachtwerkes, welches in vortrefflichen, zum Theil
farbigen Reproductionen unter anderem auch die kostbarsten Stücke
der Waffenkammer, der Bibliothek imd des Schatzhauses von .^Iwar
darstellt.
Durch den Resulenten <
die Waffensammiung, wobei i
uFgefordert, zeigte mir der Maharadscha
1 alter Custos die einzelnen Stücke in
sehr komischer Weise demonstrierte, indem er dieselben nicht nur
selbst anlegte, sondern so gerüstet auch Operetten hafte Kampfesposen
annahm. Wir sahen hier prachtvolle Schwerter mit wertvollen Klingen
und goldbesetzten Griffen, deren eines 20.000 Rupien gekostet hatte,
sowie kleinere Jagdmesser, Dolche und Panzerhemden.
Den weitaus größten Schatz des Palastes bilden aber die alten
Maniiscripte der Bibliothek, die unterhalb der Schriftzeichen feinen
Goldgrund aufweisen und gleich unseren alten Bibeln die herrlichsten
Miniaturmalereien enthalten. Letztere sind von einer Zartheit der
Ausführung, sowie einer Frische des Colorits, wie man sie nur in
den besten Handschriften unseres Mittelalters finden kann. Ja, ich
möchte jene in gewisser Beziehung höher stellen als diese, da die
Perspective eine viel gelungenere, die Auffassung eine tiefere ist aU
bei unseren Kunstwerken der bezeichneten Epoche. Mit besonderem
Vergnügen besah ich diese zahlreichen Bilder, die meist Scenen au*
der Göttersage oder dem Leben früherer Maharadschas, deren Feste
und vorzüglich Jagden, Schlachten und Feldzüge darstellen. Das
kostbarste Stück der ganzen Sammlung, eine 1848 vollendete Abschnft
des -Gulistan- (»der Rosengarten«, eines der beiden Hauptwerke des
persischen Dichters Sädi, aus dem 13. Jahrhunderte), deren Herstellungs-
kosten mehr als 120.000 fl. ö. W. betragen haben sollen, wird zun"»
Theil§ der Kunstfertigkeit eines Deutschen zugeschrieben.
Dass unter Umständen europäischer Einfluss auch verwirrend auf
den Schönheitssinn der Eingeborenen wirkt, konnte ich in der Schatz-
kammer beobachten, wo die Cusloden als hervorragendstes Kunst-
werk eine Uhr im Empire-Stil, ähnlich jenen, die in Genf erzeugt
werden, anführten. Dieselbe enthielt einen singenden Colibri und stw
auf silbernem Tische, über den herab sich Fluten imitierten Wass
künstliche Fische bergend, ergossen — eine scheuüliche Spielerei.
Nicht viel besser ist es mit dem bildnerischen und ornamentale™
Schmucke der Palasträume bestellt. Während einige Wände mit sehr
bemerkenswerten Porträts der Maharadschas geschmückt sind, findet
sich daneben europäische Dutzendware. Im ersten Stocke des Palais
wird mit Stolz ein Gemach gezeigt, das mit kleinen Spiegelplattcn
und mosaikartig gemalter Ornamentik bedeckt ist; trotz des geringen
Umfanges desselben hat die Ausschmückung dreißigjähriger Arbeil
bedurft. An der künstlerischen Ausgestaltung eines anderen Raumes
i staa^_
wird schon seit zwölf Jahren gearbeitet, ohne dass die Beendigung der
Arbeit abzusehen wäre; ja auch während der Besichtigung schabten und
pinselten einige Künstler an dem Meisterwerke. Bei der Arbeitsscheu
der Hindus können übrigens derartige langsame Arbeits fortschritte
nicht Wunder nehmen, und ist das Kunstwerk endlich fertig, so lobt
es nicht einmal seine Meister; denn der Effect ist nichts weniger als
schön und kann höchstens als gesucht auffallend bezeichnet werden.
Welch angenehmer Contrast zu diesen schillernden, gekünstelten
Werken in dem Blicke von der Plattform des Palastes auf dessen
Umrahmung! Unter uns der Teich Pratap Singhs, mit breiten, zum
Wasserspiegel führenden Treppen und zehn im Wasser auf Säulen
emporstrebenden, mit den Uferterrassen durch Stege verbundenen
Kiosken; linkerhand vom Palaste, an der Südseite des Wasser-
beckens, das zierliche Mausoleum Bakhtawar Singhs (f 1815); im
Westen Wischnu-Tempel, an die Felswände des Burgberges gelehnt
wie die von Bäumen beschatteten, kleinen Heiligthümer der Nordseite;
als Abschluss des reizenden Architekturbüdes die Festungsmauern
und die weiß leuchtenden Thürme des Burgberges. Steile Berglehnen,
mit Felspartien und mächtigen Steinblöcken im Hintergrunde und
darüber der tiefblaue Himmel vereinigen sich mit all diesen Bau-
werken zu einer ebenso neuartigen, als anziehenden Scenerie. Leider
durften wir den Blick auf den Palast selbst und die Stadt nicht
genießen, da die hiezu erbaute Plattform auch in die Frauengemächer
Einsicht gewährt.
Der Maharadscha begleitete mich zu Wagen in das Gestüt, ein
großes, hofarliges Gebäude, woselbst mehrere hundert Hengste und
Stuten, gröfltentheils im Freien, gehalten werden. Die Thiere sind an
beiden Hinterfüßen mit Stricken gekoppelt, eine in Indien allgemein
herrschende Sitte, aus welcher sich die häufigen Strickwunden an den
Fesseln und hievon herrührende Krankheiten, wie Igelfuß, Mauken
u. dgl. m. erklären. Unter den Gestütspferden sind alle möglichen
Racen vertreten, vom edelsten Araber bis zum gemeinsten Gaule,
Joch werden als Vaterpferde meist nur Araber und Kattyvvari ver-
wendet. Die Mutterstuten sind aber durchwegs einheimischer Zucht,
tischlag.
Anlässlich der Besichtigung des Gestütes wurden uns Thier-
pfe aller Art vorgeführt, eine Lieblingsunterhaltung der Rädsch-
puten. Rebhühner, Hähne, Widder, welch letzlere, ausgesucht starke
und bösartige Thiere, mit Erbitterung fochten, und Black-bucks kämpften
Jagdlager in Siriska.
*r.
Jagdlager in Siriska.
Ah
-Siriska, 20. Februar.
"Or sieben Tage sollten wir ein 40 km von Alwar bei Siriska —
t durch das Vorkommen von Tigern bekannten, vor uns schon
m Herzog von Connaught besuchten Gegend — gelegenes Zeitlager,
'Iches die Regierung von Alwar hatte errichten lassen, beziehen, um
F Tiger zu jagen. Der Morgen war schön und beizeiten standen
r bereit, den Marsch anzutreten; aber der Aufbruch verzögerte sich
ch lange. Zuerst verlautete, wir sollten direct bis ins Lager theils
Iren, Iheüs reiten, unterwegs nebenbei auf Hühner streifend, bis die
gage Zeit hätte, vorauszukommen; doch lief bald die Nachricht ein, in
r Nähe des einzuschlagenden Weges sei ein Tiger bestätigt worden,
f welchen unverzüglich Jagd gemacht werden würde. Die Folge dieser
jchseliiden Pläne war eine heillose Verwirrung, ein arges Durch-
lander, wie das in Indien fast bei jeder Jagdexpedition der Fall zu
in scheint. Hier vermochte ein Jäger die erforderlichen Gewehre nicht
'fort zu linden; dort fehlten Patronen: da waren zu wenig Wagen;
n Herr schrie nach seinem Koffer, ein anderer nach dem photo-
T&phischen Apparat. Endlich wurden wir flott und traten den Zug
ns Lager zunächst in einem vierspännigen Gesellschaftswagen an.
wÄftfittd die Jüger in anderea Wagen und die Bagage auf zueiräderigen
rr.it Z«bu'»ch')tn beTpannlen Karren folgten. Die berittene Leibgari
und ein ganzes Heer von Kameelen begleiteten uns im Trab, ohti'
anderen efiithtlichen Zweck, als jenen, sehr viel Staub aufzuwicbeir
ific Gegend, die wir durcheilten, bot neue und, da wir &o lange i
der Kbcne geweilt, willkommene Bilder; denn das schmale Thal ist vo
steilen, sehr steinigen Hügeln eingeschlossen, an denen spärliche Vege
talion - verkrüppelte Bäume und domige, undurchdringliche Gebüsch
bemerkbar ist. Die Landschaft erinnert hier an Palästina und S_vrier
(Ifich sind die Berge in dioien Ländern noch kahler als jene von Aiwa
In mehreren Dörfern stand die gesammte Bevölkerung an der Straßi
und Münnlcin sowie Weiblein sangen zur Begrüßung unisono eine Ai
Choral, der übrigens nicht so unangenehm klang, wie die bishervei
nommenen indischen Gesänge.
An einem reizenden Plätzchen wurde Halt gemacht, angeblich ur
Ndchrichtcn über den angekündigten Tiger zu erwarten, in Wirklichkei
(ilx^r, iitn einem Frühstücke zu fröhnen. Die Ruinen eines alten Tempel
lu^;cn unter dein Schatten riesiger Bäume hervor, ein dunkelgrüne
VVciliL-r erfreut diis Auge, steile Lehnen ragen rechts und links empoi
I icr I (iiltpidtz wnr auch das Rendezvous für sämmtliche Jagdelephanten
dir 14 an der Zahl — schön ausgerichtet mit ihren Mahäuls unc
lläudiis ddsliuulen, sowie für sämmtliche Pferde und Tragkameele
Da nKui uns erst in zwei Stunden nähere Nachrichten über Tigei
m Aussicht gestellt liiitte, so benutzten wir die Zeit zu einer Streifung
ilic wir «uf die ULnliegendcn I'elder, auf einen kleinen, aus dem Tha
i'inporrHgiMuk'n Kegel und auf eine der steilen Felslehnen ausdehnten
en ich noch nicht versucht hatte, so dass ich, allerdings auf große
lislanz, einen Caracal (Felis caracal), der an einem Felsrande flüchtig
'urde, und ein gewaltiges Krokodil, das sich am Rande eines Tümpels
ehaglich sonnte, fehlte. Beide Thiere wären prächtige, für meine
ammlung sehr wiilkommene Beutestücke gewesen!
Bald traf auf demRastplatze die Meldung ein, derTiger sei unsicher,
-■) empfehle sich, den Weg ins Lager fortzusetzen. Einige Herren ritten,
:h aber fuhr in einer alterthümlichen Kutsche mit hohen, bogenförmigen
'eJem; bespannt war sie mit vier Pferden, auf welchen zwei alte, weiß-
lilrtige Hindus saßen, die ein Mixtum compositum von englischer und
fidischer Livree trugen. Das Thal wurde immer enger, die Gegend
omantischer; wir durchquerten so manches, jetzt trocken liegende
Vasserbett, in welchem während der Regenzeit wiide Fluten tosen,
allmählich wurden die Stöße und das .Schwanken in der vorsündflut-
chen Kutsche doch zu empfindlich; ich bestieg daher eine kleine
rabische Stute und legte in schnellem Tempo die Strecke zurück, die
ms noch vom Lager trennte.
War schon das Lager in Tandur großartig gewesen, so wurde
s doch weit übertroffen von der Ausdehnung und dem Luxus des
.agers von Siriska, in welchem für unser leibliches Wohlergehen in
erschwenderischester Weise gesorgt war. In grünender Umrahmung
rhebt sich hier, weithin sich erstreckend und sorgsam angeordnet, eine
»■ahrc Leinwandstadt! 46 Zelte sind für mich, meine Suite und die
nderen Herren und Functionäre der Jagdgesellschaft, andere 41 Zelte
ir die Diener und das Küchenpersonale bestimmt; eine lange Zeltgasse,
1 deren Mitte meine Standarte auf einem künstlichen, mit Blumen
lesehmückten Hügel flattert, trennt die schneeweißen- Herrenzelte; das
ipeisezelt mit einem nebenliegenden großen Salon bildet den Abschluss;
linter dem Speisezelte ragt wieder ein künstlicher Hügel empor,
leschattel von einem großen Ficusbaum und umrahmt von Anlagen,
'asenplätzen. Blumenbeeten, Springbrunnen und Bassins mit Gold-
ischen, Den Rand der Beete bedecken aus farbigen Steinchen zusammen-
lefügle Mosaikslreifen, welche Spruchbänder und Jagdscenen darstellen,
ch verfüge nebst dem Wohnzelte noch über einen .Salon, in dem mit
Jold geschmückte Decken und Möbel prangen, jeder der Herren über
!'n Zelt, das mit allem nur wünschenswerten Comfort — die Bade-
^»binen nicht zu vergessen — ausgestattet ist. Wenn nur die .Anzahl
Jer Tiger, die uns zur Beute fallen sollen, im entsprechenden Verhält-
niwe zu der aufgewendeten Pracht steht!
Das Lager breitet sich mitten in einem großen, freundlichen Thal-
kessel aus, der rings von steinigen Hügeln umgeben ist. In Jer JCähe
des Hauptlagers befindet sich noch eine Reihe anderer Lager, deren
jedes eine große Anzahl von Menschen und Thieren birgt und dem
Beobachter manche neue Typen und Scenen zeigt. Da ist zunächst das
Lager der Jagdelephanten, ihrer .Mahäuts und Wärter, wo nach voll-
brachtem Tagewerke die großen Thiere gefüttert und dann, sich i\i
diesem Zwecke oft niederlegend, von den Wärtern geputzt, gestriegelt
und gewaschen werden, An dieses Lager schließt sich jenes der Treiber
und Kameele. femer das der berittenen Leibwache und der Pferde an;
letztere stehen in vier Reihen angebunden und sind gegen die Launer
des Wetters durch warme Decken geschützt. Den Schluss bildet der
Wagenpark mit den zahlreichen Bagagewagen und den als Bespannung
dienenden Zebuochsen.
Die Anzahl der Jäger, der Treiber, der Speer- und Lastträger, d«
Elephantenführer und Wärter, der .\ufseher, der zum Aufstellen der
Zelte bestimmten und jener Leute, welchen die verschiedenartigsten
Dienste und Verrichtungen obliegen, erhebt sich zu der stattlichen Ziffer
von 1793 Mann, 25 Elephanlen, 148 Pferde und 39 Hunde stehen für
Jagdzwecke zur Disposition. Der Train des Lagers umfasst 84 theils
vier-, theils zweiräderige Wagen und Karren. Im Bereiche des l-agers
sind nicht weniger als 2b Buden aufgeschlagen, in welchen Hand-
werker ihrem Berufe obliegen und Krämer Waren aller Art feilbieten-
Eine unter Commando eines eingeborenen Officiers stehende Abtheilung
von 40 Cavalleristen versieht den Nachrichten- und Postdienst, ein
Detachement von 72 Infanteristen den Wachdienst. _
Siriska, 2I.Febnil^|
Die erste Tigerjagd stand auf dem Programme. Schon geger*
9 Uhr morgens kam der den Titel -Head-Schikäri« führende Oberst-
jägermeister von Alwar, Harnarain, ins Camp, um uns zu sagen, der
Tiger hatte gerissen, wir sollten uns bereit halten und gegen 1 1 Uhr
aufbrechen; er seihst gienge gleich voraus, um seine Vorbereitungen zu
treffen und die Treiber anzustellen.
Von einem Elephanten einst bös abgeworfen, hinkt dieser Würden-
träger, in dessen Erscheinung und Benehmen etwas von unwillkürlicher
Komik liegt. Auffallend war uns an ihm die frappante Ähnlichkeit seiner
Gesichtszüge mit jenen des früheren ungarischen Ministerpräsidenten,
ishalb wir ihm den Beinamen -Tisza' verliehen. Der Head-Schiliäri ist
t allen, selbst mit dem Residenten Colonel Fräser, der die Leitung der
pedition übernommen hatte, sehr kurz angebunden, ertheill seine
fehle, schimpft gelegentlich tüchtig, ist aber in Jagdsachen im Staate
.var eine sehr gewichtige PersÖnlichlteit, so dass man als Waidmann,
mentlich der Tiger halber, zart mit ihm umgehen muss. Ich ließ mich
n daher auch feierlichst vorstellen, Neben dem Amte des Oberstjäger-
risters versieht er noch die Functionen des Generalinspectors der
Wässerungen, der Forste und der Gärten. Die Wälder dürften ihm aber
um zu großem Ruhme gereichen, da für Aufforstungen gar nichts
schieht und nur Dornen und verkrüppelte Hölzer dem Boden ent-
rießen, obschon dieser an manchen Orten zur Waldcuitur sehr
:eignet scheint.
Um 1 1 Uhr wurde unter großem Hailoh gestartet, eine Legion Schi-
iris mit Gewehren und Lanzen begleitete uns, die wir auf Elephanten
jszogen. Am Beginne einer engen, sehr romantisch gelegenen Thal-
chlucht wurde Halt gemacht, um das Zeichen des Head-Schikäris, der
,u den Treibern geritten war, abzuwarten. Hier lagen die Überreste eines
.'on einem Tiger gerissenen Büffelkalbes: Geier umkreisten das Aas oder
saüen angekröpfl auf den Bäumen,
Endlich, nach langem Warten zeigte sich auf der gegenüber-
liegenden Höhe jenseits der Thalschlucht der Oberstjägermeister auf
seinem Elephanten, und nun hieß es die Stände einnehmen. Der fast drei
Viertelstunden erfordernde Weg durch die Thalschlucht war zwar sehr
pittoresk, aber auch beschwerlich: denn wir mussten uns jeden Schritt
durch die dornigen Aste der Bäume, die an unsere Häudas schlugen,
erkämpfen, so dass wir an den Händen blutig gerissen wurden. Erstaun-
lich war die Vorsicht, mit welcher die Elephanten vorwärts drangen und
die Geschicklichkeit, mit welcher sie steile und schlechte Saumwege, ich
möchte sagen -Gamssteige-.voUkommen sicher hinanstiegen. Die Häuda
schwankt, hebt und senkt sich, aber der Elephant lässt sich durch nichts
bemen, sondiert vor jedem Schritte mit dem Russe! und dem Fuß und
Irin dann erst fest auf; ist ein Stein oder Baum im Wege, so wird das
Hindernis mit dem Rüssel beseitigt, an größere Bäume stemmt sich der
"lese mit ganzer Kraft an, bis der Stamm bricht.
Wir umstellten in Form eines Halbkreises eine kesseiförmige,
dicht bewachsene Nebenschlucht, in der ein Tiger hausen sollte. Ich
hatte den höchsten Stand und kletterte, in wahrem Sinne des Wortes, mit
meinem Elephanten die rechte Lehne der Thalschlucht bis zur halben
h.ir,ar;. uvr, £rj:zi~ E;r.b'_:;ii :-. d:± Sjh'cch: zu gewinnen. Da«e!b>t
e -jh Hält und hirr:= i=r uir.g±. cit da k-cmoier. ^-She:;. Einigt
: Wirtr. vor. dtrr. i:;r.:er. Dcm^ebQschs freier geblieben und ich
-e:e g:e::au. vvc- ur.d -.vis ich 5oh:e3er: würde, falls der Tiger
rr.e. Der Tneb beiranr. ~:: den; ibuche- Geschrei, wobei d:e Treiber
fr Höhe herabstierer:. Die Abr-jn^ibende S^^ecke war eine ganz
e. aber äU? .Ar.c?: fTlerser. die Treiber r.ur ia::gsam. in Panien zu
4'-' hir.;creirAr.d=r iuf der. bes:e= \Ve;h>e;r: vor, ohne sich in die
-.iieru in we'.^he >ie nur :'■: rrwlhrend Sceine warfen, zu wagen, vi
er Trieb z\\t': S:undin erf: rderre. Ginz wie in Tandurl Cbrigens
; jh dies~il die \'.Tsi Jh: der Treiber zdr.z überflüssig, da der Tiger
liiT-. ersten— A^e s^ ::rh hier Äi.-nbirh:r?che ->ier Rusas .Cenus
>r . und rwir einen ^erlnien Gib.er, ein .Mrüer mi: Kalb und ein
linier; sie ilei.'hen unsere— Hccb,M"iIi, haben aber bei weiiem
Sie schöne S:ir,:r und d:e s::l:e. tdlt Halrun^ uT^seres Körigs der
l; tritt und i~ Ge-.ve-.r.. :bw;>I diss^rre bis zü l',i»Lär.;e
:;n u~^e^nen We
■ kirnten -A-ir att einen: kleinea von
sn un,: ritten au:" den Elephanier.
Alsbald brachen wir ;iuf und strebten liocli zu Rosse den niichsl-
:elegenen Hügeln zu, wo uns ein Schilsäri eilfei-tig entgegen kam, der
inen Sambarhirsch bestätigt hatte. Alle Herren blieben zurück; ich
.Hein pürschte mit dem Schikäri und Janaczek einen überaus steilen
lergrücken hinan, von dessen Grat aus der Schikäri nach der gegen-
Iberliegenden Lehne auf einen angeblich starken Sambarhirsch deutete.
ch konnte diesen jedoch aller Bemühung ungeachtet durch längere Zeit
licht wahrnehmen, da er unbeweglich auf uns herüberäugte und sich
lurch seine braungelbliche Färbung von dem ihn umgebenden trockenen
^rase gar nicht unterschied. Endlich ersah ich den Hirsch; der Schikäri
vollte mich durchaus bewegen, sofort zu schießen, doch schien mir die
Distanz — bei 400 Sehritte — für einen sicheren Schuss zu groß. Da
iber ein Anpürschen durch das zwischenliegende Thal nicht möglich
war, so gab ich dem Drängen des Schikärt nach und schoss von dem
einen Bergrücken auf den andern; der Hirsch zeichnete zu meiner
besonderen Genugthuung gut auf Blattschuss, wurde flüchtig und ver-
schwand auf der anderen Seite des Rückens. Mit großer Anstrengung
kletterte ich über die Steine und das dornige Gestrüpp die eine Lehne
herab, die andere hinan und fand am Anschüsse Schweiß. Der Fährte
folgend, sah ich den kranken Hirsch durch dichtes Gestrüpp ziehen und
schoss noch einmal, fehlte jedoch in der Hitze des Gefechtes.
Die im Thale zurückgebliebenen Herren und die eingeborenen
Jäger hatten nach dem Schusse den Hirsch ebenfalls krank flüchten
gesehen, und nun gieng es mit wildem Geschrei und Durcheinander
hinter dem angeschossenen Stücke her. Der Oberstjägermeister brüllte
mit Stentorstimme Befehle von seinem Elephanten herab, die Schikäris
wollten nach englischer Methode gleich nachlaufen, bis ich mich
endlich, nach vielem Flehen und Schreien, mit den Leuten soweit
verständigte, dass «l!e Eingeborenen sich von meinem Leibjäger in
Ordnung anstellen ließen und, nachdem ich mit den Herren 1000 m
fom Anschuss in der Lehne Posto gefasst, auf ein Signal gleichzeitig
Jnd regelrecht angiengen. In der That kam der angeschossene Hirsch
■•^ch wenigen Minuten in Sicht und endete unter drei von mir und
Wurmbrand abgegebenen Schüssen. Er war ein ausnehmend starkes
^"eniplar, anscheinend ein besonders rauflustiger Geselle, da er ganz
"■'erkämpft war und die Spuren davon an den Läufen, der Decke,
^*ie besonders an den völlig zerschnittenen Lauschern zeigte, so
"iass er. was ich lebhaft bedauerte, nicht einmal zum Ausstopfen
geeignet erschien. Sehr schön waren die schmalen dunklen Grandin.
Während der Pürsche hatten die \%'artenden Herren im Thale sich
die Zeit mit kindlichen Spielen wie »Blindekuh-, •Plumpsack. u. dgl. irt.
gekürzt, zum besonderen Ergötzen des Oberstjägermeisters, der in eine
Art Lachkrampf verfiel, vor Freude auf seinem Elephanten hin und her
sprang und am liebsten mitgespielt hätte, wäre dies mit seiner Würde
vereinbar gewesen.
Nun sollte ein Trieb versucht werden, doch kam abermals ein
Schikäri mit der Meldung, dass in der Nähe noch ein Sambar bestätigt
sei, worauf -Tisza- mich zur Pürsche «befahl' und die Herren auf die
umliegenden Hügelspitzen vertheilte. Ich keuchte, so schnell ich konnte,
den steilen Hang hinan und musste. in einen kleinen Thalkessel gelangt.
unter ähnlichen, nur vielleicht noch ungünstigeren Umständen schießen
wie das erstemal, da der Hirsch spitz stand. Als ich ihn jedoch im Feuer
geschossen hatte und das mächtige Thier, gefolgt von einer Lawine
von Steinblöcken, mit Gepolter in die Tiefe stürzte, kam das ganze Corps
der Schiküris laut jubelnd auf mich zu und beglückwünschte mich
unter den drolligsten Kundgebungen der Freude. Befriedigt lächelnd
emptieng mich der Oberstjägermeister und ordnete den Weitermarsch
an, der alsogleich auf den Elephanten angetreten wurde.
.Aul" einem steilen, steinigen Pfad zog die Karawane über ein Joch
in ein langgestrecktes Thal. da.s mit hohem, trockenem Grase und dichten
Dornen bedeckt war. Bei dem .Abstieg über eine besonders schlechte
Stelle, einen FelsabSatz, setzten ^ich die klugen Elephanten zuerst auf
das Hintertheit. sprangen, auf den Rüssel gestützt, mit den \'orderfüßei
hinab und zogen dann den Hinterleib nach.
\'on den ausgesandten Schikäris kam die Meidung, dass sich
ias Gewirre des Dschungels zu gewinnen; Prönay, Stockinger und
F"airhoIme aber sollten mit den Treibern streifen. Das Erklimmen des
äergabhanges war jedoch leichter gesagt als gethan; denn er war so
steil und mit glatten Steinplatten und Felsblöcken besäet, dass wir nur
ils Quadrupeden kriechend hinaufkommen konnten. Ich postierte mich
in eine kleine Schlucht, die mir als Wechsel nach oben günstig erschien,
\'ach einiger Zeit begann der Trieb, wurde aber so schlecht geführt,
iass wir kein Stück Wild zu Gesicht bekamen, da die tapferen Treiber
ivieder jede größere Dickung umgiengen. Die Anwendung der kleinen
Sammlung hindustanischer Kral'tausd rücke, die ich mir bereits ange-
eignet hatte, fruchtete leider gar nichts, da der Jagdgewaltige kein
Interesse mehr an den Tag legte und sich erst nach Beendigung des
leeren Triebes, mit großer Seelenruhe und verschmitztem Lächeln
nahend, wieder sehen ließ.
Solange noch Schussücht andauerte, streiften wir in der Ebene
beim Camp und brachten zahlreiche Hühner und Sand grouse zur
Strecke. Wurmbrand halte das Waidmannsheü, eine Gazelle zu erlegen.
Die im Lager verbliebenen Herren, darunter Kinsky, hatten nach-
mittags zu Pferde Schweine und Schakale gehetzt und einen Frischling
gefangen, wobei auch Dr. v. Lorenz mitgeritten war, nicht ohne den
strällichen Leichtsinn mit zweimaliger Berührung der Mutter Erde
büßen zu müssen.
Der Abend gehorte der Correspondenz, da die Post den nächsten
Tag abgehen sollte. Leider begann es neuerlich heftig zu regnen und
strömte fast die ganze Nacht hindurch. Das Wetter verfolgt uns mit
seinen Tücken; gerade jetzt, wo wir auf Tiger jagen wollen, müssen
wir eine zweite Sündflut erleben!
Siriska, 23. Februar,
Dichter Nebel bedeckte das Thal, als ich aus meinem Zelte trat;
der Regen halte zwar aufgehört, aber von den Bäumen träufelte es
it>ch und alles schwamm im Wasser. An Tigerjagd war nicht zu
•ierken, da die nur früh morgens mögliche Bestätigung eines Tigers
J<Jrch den Nebel ausgeschlossen war.
Gegen 1 1 Uhr begann der Nebel endlich zu sinken, die Spitzen der
"^fge wurden sichtbar, der Himmel lächelte blau und die Sonne glänzte
" etiniilich, so dass der Head-Schlkäri eine Jagd mit Falken und Luchsen
"^-aracals) arrangieren konnte, die aber besser gemeint war, als sie
lf>atsächlich ausfiel. Die Falken zeigten sich als ungeschickt und
wenig abf;erichtet, da sie auf die zahlreich aufstehenden Hühner nioq
recht stoßen wollten, während die Caracals die Hasen, welche sie ja(
sollten, wenig beachteten und nach einigen Sätzen zu ihren Hern
zurückkehrten.
Inzwischen waren Sambars und Nilgaus bestätigt worden, i
mich der Oberstjägermeister aufforderte, anzupiirschen. Zu sein«
größten Erstaunen überließ ich erstere Wurmhrand, letztere Kinski
der damals, ais wir die verpönten Nilgaus in Bhartpur geschossen,
heftigem Fieber gelegen war. Kinsky erbeutete auch nach langer Pürecll
ein Nilgau und schweißte ein zweites stark an, während Wurmbran
leider unverrichteter Dinge heimkehrte.
Mit den anderen Herren führte ich eine große Durchstreifun^
des ganzen Thaies aus, wobei wir alle kleinen Bodenerhebungen, alle
Dschungel und Lehnen absuchten und in vier Stunden 80 Hühner linii
Sand grouse zur Strecke brachten. Prönay und ich schössen außerdem
je einen Indischen Wüstenfuchs (Vulpes leucopus); auch ein Schakal
fiel mir unter ungewöhnlichen Umständen zur Beute, Wir hörten lautes
Bellen und Heulen von Schakalen und erblickten, über einen Hügel
streifend, in der Ebene acht Schakale, die einer ran2igen Fee folgten,
wobei sie ein Höllenconcert aufführten, sich jagten und bissen, dass
jeden Augenblick einige von ihnen übereinanderkollerten. Ich ließ unsere
TreiberÜnie halten und pürschte, wie es eben gieng, vor, aber leider
war die Ebene ohne gute Deckung, so dass ich nicht näher als aul
400 Schritte herankommen konnte. Clam und Prönay beinerkten difiS
letzterer lief den Schakalen zu Fuß vor, während Clam auf einem PonJ
reitend mir dieselben zutrieb. Das Hauptrudel änderte leider die Directiö«
und passierte außer Schussweite; dagegen kamen zwei Schakale i|
voller Flucht, gefolgt von Clam, auf 100 Schritte an dem Steine vorüba
hinter dem ich mich nothdürftig gedeckt hatte, so dass es mir geiat»!
einen Schakal mit der Kugei zu roulieren.
Wir waren noch im eifrigsten Jagen begriffen, als ein Schikä'
meldete, es seien in den nächstgelegenen Vorbergen Tiger gesehfl
worden. Natürlich wurde alsbald das Feuer eingestellt. Wir galo)
pierten nach dem Lager, wo unserem Medicus Dr. Bem ein Iragikoif
sches Missgeschick widerfuhr, Auch er hatte stolz ein Ross bestiege*^*
doch endigte dieses kühne Vorhaben sehr bald mit einer Berührur»*
der Erde, wobei sein Pferd überdies boshaft genug war, ihn gerac^
über einer dichten Cactushecke abzuschütteln, so dass er mit Stache*-
bedeckt ins Zelt wankte. Daselbst sank er auf das Bett, ein Bild d^'
I
Jammers, wehklagcnii, ein Dorn sei ihm in die I-unge gedrungen und
eine schwere Krankheit, die ihn wochenlange ans Schmerzenslager
fesseln werde, stehe bevor; ja selbst der Tod könne ihm hier, ferne von
der Heimat, in der Wildnis nahen, wo keine theure Hand ihm das
brechende Auge schließen würde. Tief ergriffen von solch düsteren
Bildern und stöhnend lag der Ärmste da. Wir aber umstanden ihn voll
Mitleid und doch wider Wiilen hellauflachend: denn in unverfälscht
böhmisch-deutschem Accent entrangen sich diese Seufzer und Klagen
der gequälten Brust. Endlich waren durch den englischen Collegen
zwanzig groüe Stacheln aus dem Körper des tapferen Keiters entfernt,
der nun frei und getröstet aufathmete, von Krankheit und Tod nichts
mehr wissen wollte, sondern bald guter Dinge war. Nur hatte er, nach
dem Grundsatze, dass, wer den Schaden hat, für den Spott nicht zu
sorgen braucht, die Kosten der Unterhaltung während des Abends zu
bestreiten.
Siriska, 24. Februar.
Nach der ersten regenlosen Nacht war Hoffnung vorhanden, dass
ein Tiger mit Sicherheit bestätigt werden würde. Das Geschäft des
Bestätigens verstehen die hiesigen Schikäris ganz vorzüglich; sie sitzen
Tag und Nacht auf Bergspitzen, Graten und überhaupt hochgelegenen
Punkten, von welchen aus sie eine gute Übersicht über Stellen, an denen
sieh die Tiger am liebsten auflialten, genießen und namentlich die
Plätze, wo die Büffelkälber zur Anlockung von Tigern angebunden sind,
beobachten können. Schlägt ein Tiger das Kalb, so thut er sich in der
Kegel, nachdem er das Stück angeschnitten, in dessen Nähe für einige
Zeit nieder. Bleibt er nun in einem bestimmten von Beobachtern
umstellten Gebiet, einer Thalschlucht oder einem Dschungel, so wird
htevon schleunigst die Meldung ins Lager erstattet, wo alsbald lebhafte
Bewegung entsteht, bis in aller Hast die letzten Vorbereitungen zur
Jagd getroflen sind und die Elephantenkarawane zum Jagdplatz auf-
bricht. Nach dem Einlangen solcher Meldungen schickten wir meist
iinsere Jäger mit den Elephanten voraus und folgten zu Pferd, obgleich
das Reiten auf den verrittenen und zappelnden indischen Gäulen gerade
kein Oenuss ist.
So war's auch heute. Gegen 9 Uhr vormittags kam die Meldung,
Jass zwei Tiger in einem dichtbewachsenen Thale geschlagen hätten und
Jon bestätigt seien. Der Oberstjägermeister ritt auf seinem Elephanten
">'* den Schikäris und Treibern voraus, um alle Anstalten zu treffen ; wir
folgten eine Stunde später nach, durchtjiierten zunächst die Ebene und
ritten dann in einem engen, sehr dicht verwachsenen Thal etwa 'S km i
vor, bis an einen Punkt, wo uns der Jagdgewaltige mit der sehr erfreu-
lichen Meldung eiwartete, dass die Tiger noch da seien, und zwar in der |
Nähe des Platzes, auf dem sie im Morgengrauen ein Büffelkalb gerissen |
hatten. Die Pferde wurden nun mit Jagdelephanten vertauscht; ich i
bestieg das Lieblingsthier des verstorbenen Maharadschas, dessen sich |
dieser bei seinen Tigerjagden stets bedient hatte.
Der Head-Schikäri ordnete nun an, dass ich, da der Tiger sich l
entweder auf dem geschlagenen Büffel oder ganz in der Nähe befinden |
müsse, zuerst allein vorpürschen und anzukommen trachten solle, worauf |
im Falle des Misslingens ein Trieb gemacht werden würde. Meinem i
Mahäut wurde die größte Ruhe beim Vorgehen anempfohlen, damit nicht i
die Aufmerksamkeit des Tigers vorzeitig erregt werde. Ich richtete mich 1
in meiner Häuda so gut als möglich ein und legte zwei Springer'sche
Stutzen geladen neben mich, mit der Absicht, dem Tiger aus meinem
alten 500er Stutzen, dessen ich mich auf heimatlichen Jagden bei der
Erlegung von über tausend Stück Wild bedient hatte, den ersten Gruss
zu senden. Janaczek und der Schikäri, welcher den Tiger bestätigt ]
hatte, saßen hinter mir. So pürschte ich, auf meinem klugen Elephanten 1
thronend, möglichst geräuschlos, den Bäumen und Asten ausweichend,.!
in der Thalsohle weiter, während die Schikäris auf den Kämmen der |
Hügel folgten, um die Bewegungen des Tigers zu beobachten. Hohes,,
gelbes Gras wechselte mit Bäumen und dornigem Gebüsch, und jeden 1
Augenblick glaubte ich das Haupt des Tigers irgendwo auftauchen j
sehen zu müssen.
Bald waren wir an dem Killplatze angelangt, wo das angerissene '
Kalb lag, um welches Geier und Schakale stritten; doch war vom Tiger (
keine Spur. Ich drang noch eine Strecke weiter vor und wollte eben auf |
Anrathen des Schikäri umkehren, als von der jenseitigen Lehne ein i
spähender Schikäri laut »Bägh, Bägh- (Tiger) zu mir herabschrie. In 1
demselben Augenblicke sah ich auf ungefähr 300 m einen Tiger
voller Flucht von der Höhe der Lehne durch das Gebüsch gegen das
Thal zukommen, leider aber auch in einem dichten Dschungel ver-
schwinden. Schon gab ich Jede HotTnung auf, erlheilte aber gleichwohl
dem Mahäut den Befehl, dem Tiger in der Direction, die er genommen,
so rasch als möglich nachzueilen. Zum Glücke hatte Colonel Fräser,
ein vielerfahrener Tigerjäger, der weiter rückwärts im Thale stand, das .
Manöver des Tigers bemerkt und schoss einige Meter vor denselben 1
■
I
hin, um ihn zu einer Wendung zu bestimmen. Der Versuch gelingt; der
Tiger schlägt um und kommt nun in vciller Flucht auf 60 Gänge durch
das Gebüsch an mir vorbei. Ich habe gerade noch Zeit, dem Mahäut
• Teiro« (Halt) zuzurufen, der Schuss kracht — und wie ein Hase
roulierend liegt das mächtige Thier vor mir.
Meine Freude über den ersten Tiger, den ich erlegt, vermag ich
''nicht zu schildern; nur ein Waidmann kann das Gefühl ermessen, das
mich in diesem Augenblicke erfüllte. Mein Jäger musste einen herz-
haften •Juchezer« schreien, worauf die Herren herbeieilten, mich zu
beglückwünschen.
Doch blieb keine Zeit zur näheren Besichtigung des Tigers; denn
nach wenigen Minuten riefen uns die noch auf den Höhen postierten
Späher und die das Thal absperrenden Treiber zu, dass sich noch
ein Tiger im Thale befinde und wir gegen eine Schlucht vorgehend
am Rande derselben Stellung nehmen sollten. Ich hielt es nicht für
wahrscheinlich, dass ein zweiter Tiger nach den Schüssen und dem
Lärm Stand gehalten haben würde und dies um so weniger, da die
Breite der Schlucht höchstens 200 Schritte betrug und die Treiber mit
größtem Geschrei schon bis an den Rand derselben vorgerückt waren.
Doch klärte sich später der Sachverhalt auf; die Treiber hatten Recht;
ein zweiter Tiger hatte sich thatsächüch in der dichtbewaldeten Schlucht
niedergethan und wollte nun das Weite suchen, stieß aber hiebei auf
die Treiberwehr, vor welcher er sich wieder in das Dschungel zurückzog.
Nachdem sich die Aufregung etwas gelegt, giengen wir in Linie
auf unseren Elephanten gegen besagte Schlucht vor, ein Unternehmen,
das nicht ganz leicht durchführbar war, da einige unter uns, zu denen
auch ich gehörte, eine steile, steinige Lehne erklettern mussten. Hiebet
hatte ich abermals Gelegenheit, die Geschicklichkeit und Kraft meines
Elephanten zu bewundern, der mit dem Kopfe sich anstemmend, einen
im Wege stehenden Baum von mindestens 30 bis 40 cm im Durchmesser
abknickte.
An dem steil abfallenden Rande der kesselartigen Schlucht
stellten wir uns im Halbkreis auf, und zwar in folgender Anordnung:
zu oberst stand Clam, dann folgten Stockinger, ich, Wurmbrand, Prönay
und Kinsky, in der Sohle der Schlucht aber schloss sich der Head-
Schikäri mit einigen Elephanten zur Abwehr an; auf der anderen Lehne
hatten sich Colonel Fräser und Fairholme postiert. Dieser Punkt war
eigentlich für mich bestimmt gewesen, doch hatte mich mein Mahäut
in der Aufregung auf die linke Lehne entführt.
Die Treiber gierigen höchst vorsichtig, Schritt für Schritt, Steine ia
die Schlucht rollend, vor. Nach einigen Minuten spannender Erwartunj
klopfte mir mein Jäger auf die Schulter, nach der Thalsohle weisen^
in der ich einen capitaien Tiger tief unter mir ijber eine kleine Bloß«
langsam gegen den Stand Fräsers und Fairholmes wechseln sah —
prächtiger Anblick, wie die große Katze, von allen Seiten bedri
vorsichtig schleichend, kaum die Äste des Buschwerkes streifend, nac^
einem Ausweg suchte, Schon seit langer Zeit wusste ich nicht mehä
was Jagdfieber sei; aber in diesem Augenblicke erfasste es mich wiedet
so wie damals, da ich ais Knabe ein Jünger St. Hubertus werden durfte '
und meine ersten Versuche im edlen Waidwerke unternahm.
Fairholme schoss auf den Tiger, fehlte ihn jedoch, so dass derselbe
in das Dschungel zurückwechselte, um in der Sohle des Thaies zu
entweichen, wo er aber vom Oberstjägermeister mit seiner Wehr sehr
geschickt vertrieben wurde, um sich dann in das dichteste Buschwerk
zu verkriechen. Ich halte diesen Bewegungen mit der größten Spannui
zugesehen und konnte vor Ungeduld den Moment kaum erwarten, iffl
dem Colonel Fräser das Zeichen geben würde, gegen den Tiger vorzil
gehen. Als dies endlich geschehen, spornte ich meinen Mahäut i
größtmöglichen Eile an und kletterte nun auf meinem Elephanten drt
Böschung hinab, wo sich mir Kinsky und Prönay als die Nächst
stehenden anschlössen. So drangen wir in ein wahres Labyrinth v
Bäumen und Buschwerk ein, bis ich, kaum 50 Schritte vorwUrt
gekommen, zwischen zwei Bambusschäften einen gelben Fleck erblicke,
den- ich, schärfer hinlugend, als Tiger ausnehme, welcher auf mich
zurückäugt. Rasch gebe ich dem Mahäut das Zeichen zu halten; doch
der Tiger bemerkt dies und wendet sich. Ich drücke los, sehe sofort
nach dem Schusse den Tiger stürzen und höre ihn über eine kleine
Lehne auf ungefähr 30 Schritte von meinem Elephanten mit großem
Gepolter herabkollem. Im dichten Dschungel verliere ich das Thier aus
dem Auge, sehe es jedoch bald wieder sich erheben und Anstalten
treffen, meinen Elephanten anzugreifen; aber nur ein einziger Sprung
gelingt dem Tiger, dann versagen die Kräfte und er bricht zusammen,
In demselben Augenblick arbeitet sich Wurmbrand von der anderen
Seite durch die Bäume und Äste, gibt dem Tiger einen Fangschuss ü
einen Lauscher und regungslos liegt das gewaltige Thier vor uns,
Da sich inzwischen Jäger, Schikäris und Treiber versammelt hatten^
entwickelte sich in der wilden Schlucht rings um den todten '
eine der lebendigsten Scenen, die ich je gesehen. Oberhalb des Tigar
:iber, die ihn alle aus nächster Nähe sehen wollen; neben dem
Tiger die freudestrahlenden Schikäris, die in ihm einen alten Bekannten,
dem sie so manche durchwachte Nacht gewidmet hatten, begrüßen und
nun ihrer Freude durch Schreien, Jauchzen und fortwährende Ver-
beugungen vor mir Ausdruck verleihen; alle Elephanten im Halbkreis um
den Tiger, darunter einige noch in höchster Erregung trompetend und
schnaubend; mitten in diesem Chaos, hoch in seiner Häuda thronend,
der Head-Schikärt, bald mich beglückwünschend, bald — Jupiter tonans
gleich — schreiend, griihlend und Befehle ertheilend.
Der heutige Tag mit seiner Beute von zwei Tigern im Verlaufe
von kaum einer halben Stunde bildet die schönste jagdliche Erinnerung
^nieines Lebens, und heißen Dank sage ich dem heiligen Hubertus für
^Bplches Waidwerk,
^B Die beiden Tiger waren starke, ausgewachsene Exemplare mit
^^uffallend schönen, tadellosen Decken und nach Schätzung des Oberst-
Jägermeisters fünfjährig. Hodek hatte seinen photographischen Apparat
mitgenommen und verewigte das Trio, nämlich den Tiger, «Tisza>
und mich, gleich an Ort und Stelle. Bei einer Flasche Champagner
wurden die Tiger gefeiert, und fröhlich trat die Karawane den Heim-
weg an: voran die beiden Tiger, auf Elephanten gebunden; dann wir
theils zu Pferde, theils auf Elephanten; hinter uns das ganze Corps
der Schikäris und Treiber. Nach der Ankunft im Lager kam die Ein-
wohnerschaft, Alt und Jung, des in der Nähe gelegenen kleinen Dorfes
herbei, um die Tiger zu bewundern. Dann wurden diese der Hund
Hodeks übergeben, der sie noch denselben Abend für meine Sammlimg
Iäparierte. Die Tigerin hatte vier Junge in der Grolle von Ratten inne.
Noch während des gestrigen Diners, gegen 8 Uhr abends, hatte
plötzlich zu donnern und zu blitzen begonnen. Alsbald entlud sich
ein heftiges Gewitter mit wolkenbruch artigem Regen, welcher die ganze
Nacht andauerte und an unserem schönen Lager großen Schaden an-
richtete; denn wahre Wildbäche flössen durch alle Zelte, deren einige
einstürzten, und des Morgens war das Lager in ein Kothmeer verwan-
delt. Ein großer Kater, der aus dem Dorfe gekommen war, hatte sich
auf meinem Bette häuslich eingerichtet, als wollte er sich, wie bei einer
Sündflut, durch .Aufsuchung höherer Punkte bergen; so ofl ich auch den
Kaier in das nasse Element zurückschleuderte, immer wieder sprang
Siriska, 2.^, Februar,
er auf das schützende Bett. Als ich des Morgens erwachte, flüchletei
zwei andere Katzen aus dem Zelte, die auf meinen Kleidern ein^
wie die vielen umherliegenden Federn bewiesen, aus wilden Taulw
bestehende Mahlzeit abgehalten hatten.
Gegen 8 Uhr morgens hörte der Regen auf, aber leider war jei
Aussicht auf Tiger benommen, da wegen des schlechten Wetters keind
geschlagen hatte. Als Ersatz proponierte der Oberstjägermeister einig
Triebe auf Sambarhirsche; doch versprach ich mir gleich anfangs wenid
von einer solchen Jagd, da der Head-Schikäri eigentlich ein GegnC^
von Treibjagden ist und sie nur pro forma, damit die Zeit vergeht
zu veranstalten scheint.
Vor dem Aufbruche wurde noch ein gefangenes Stachelschw^Äl
gehetzt, wobei die Hunde einen unglaublichen Muth bewiesen, indem
sie das Stachelschwein, obgleich dessen Stachel den Angreifern in den
Kopf und die Schnauze drangen, binnen wenigen Minuten dennoch^
abfiengen. Äußerst komisch war es, als das flüchtige Stach elschweiil
mitten unter die zum Abmärsche bereit stehenden Elephanlen gerathW
war und diese im höchsten Schrecken auseinanderstoben, einen Heidet
spectakel machten, zu blasen und zu trompeten begannen, so dass s
nur mit Mühe zu beruhigen waren.
Wir nahmen sodann mehrere Triebe in anscheinend günstigef
Lagen; allein ohne das geringste Resultat, da der Head-Schikäri kei^
Interesse zeigte und die Treiber langsam und lässig vorgiengen.
ich endlich beim dritten Triebe zum Zeitvertreib in meiner Häuda lai
zu singen und zu jodeln begann, stürzte -Tisza- entrüstet herbd
kanzelte mich in Hindustani-Sprache gründlich ab und erklärte kate-
gorisch die Jagd für beendet. Das Ergebnis dieser Triebe bestand i
einem Schakal, den ich — gesehen hatte.
Während der Jagd kamen wir an den Ruinen eines kleinen JagdiJ
hauses vorbei, welches dem verstorbenen Maharadscha gehört halle, da
hier in seltsamer, jedenfalls sehr bequemer Art vom Anstände aus a
Tiger zu jagen pflegte. So oft nämlich der Maharadscha in mondhellei
Nächten das Jagdhaus bezogen hatte, wurde in einem der unter dei
Kenstern des Gebäudes gelegenen Gräben ein Büffelkalb angebunden, um
Tiger herbeizulocken. Inzwischen schlief, bis ihn die Meldung weckta
dass ein Tiger zur Stelle sei, der Nimrod ruhig auf seinem Pfühle und
feuerte dann, im »Gewände der Nacht«, mit der größten Seelenmb
seinen Schuss auf den Tiger zum Fenster hinaus ab, um nach wenige]
Minuten den unterbrochenen Schlaf fortzusetzen.
Während ich nach dem letzten Triebe auf einem Umwe^je dem
Lager zustrebte, gelang es mir, mit zwei Schüssen auf weite Distanz —
über 300 Schritte — zwei Chinkara-Gazellen, Bock und Gais, äußerst
zierliche, graziöse Thiere, zu erlegen. Gazeilen einer ähnlichen Art hatte
ich schon seinerzeit in Syrien gesehen, aber nicht zu erbeuten vermocht.
Außerdem schoss ich einen auffallend starken Schakal und mehrere
Hühner. Auch die anderen Herren brachten verschiedenes Wild heim;
Clam unter anderem auch ein Exemplar des Gemeinen Flughuhnes
(Pterocles exustus).
Zum Glücke hatte sich der Himmel im Laufe des Tages vollkommen
aufgeheitert, so dass wir einen herrlichen Abend bei prachtvoller Be-
leuchtung der umliegenden Berge genossen. Die Landschaft schwamm
in silberhellem Mondschein und schließlich — Ende gut, alles gut —
traf auch die langersehnte Post vom 13. Jänner, die in der halben
Welt unseren Spuren nachgeirrt war, mit guten Nachrichten aus der
geliebten Heimat ein.
■ Siriska, 26. Februar.
Dem schönen, klaren Tage war eine kalte Nacht vorausgegangen,
dass leider ungünstige Nachrichten über Tiger einliefen. Zwei Tiger
halten zwar gerissen, aber dann nicht Stand gehalten, so dass sie nicht
bestätigt werden konnten. Wir mussten uns daher abermals mit einem
regellosen Treiben an den Berglehnen begnügen und bedauerten dies
umsoraehr, als es der letzte Tag war, den wir im Lager von Siriska zu
verbringen hatten, und das Wetter eine Wendung zum Besseren zu
nehmen schien. Der erste Trieb, geführt vom Head-Schikäri, wurde
wieder mit großem Geschrei, sowie in üblicher Unordnung abgewickelt
und blieb, dem Erwarten gemäß, resultatlos. Nur heilige Pfauen strichen
über uns hinweg; in der Ferne sah ich eine Nilgau-Kuh mit ihrem Kalbe.
Für den jagdlichen Misserfolg entschädigte die Scenerie, da sich ober-
halb der Lehne, an welcher getrieben wurde, steile Felsen und Wände
erhoben, welche die Erinnerung an unsere schönen Gemsjagdgebiete
in den Alpen lebhaft wachriefen.
Gegen Ende des Triebes ertheilte der Oberstjägermeister meinem
Mahäut einen mir unverständlichen Befehl, worauf jener mich, der ich
ihm willenlos preisgegeben war, um eine kleine Hügelkette herumleitete
und auf einem V'orsprung aufstellte, von welchem aus ich trotz ein-
slündigen Wartens weder Wild, noch Treiber, noch Irgend einen der
Herren erblicken konnte. Die lebhafte Zeichensprache, die ich mit dem
Mahäut zu führen versuchte, endigte nur mit Ausbrüchen ungezügelter
Heiterkeit seinerseits, so dass ich mich schließlich in mein Schicksal
ergab und ruhig weiter wartete. Endlich kamen die Treiber und der
Head-Schikäri herbeigeschlichen und fanden sich auch die anderen
Herren, welche auf der gegenüberliegenden Seite des Berges meiner
vergeblich geharrt hatten, ein. Der gute Oberstjägermeister hatte eine
arge Verwirrung angerichtet, ordnete aber jetzt einen neuen Trieb an.
Ein steiler, bewachsener Abhang wurde auf zwei Seiten im Halb-
kreise durch die Schützen umstellt; aber der Trieb dauerte, obgleich er
sehr klein war, endlos, bis es plötzlich hieß, ein Panther sei im Triebe.
worauf sofort die Hälfte der Treiber in den Bäumen saß, von denen sie
um keinen Preis herabkommen wollten. Alles schrie durcheinander, der
Trieb stockte, die nicht aufgebäumten Helden giengen nur zögernd vor,
und endlich kam die ganze Gesellschaft hübsch vereinigt auf einem
Wechsel heraus, ohne die Dickung ordentlich durchstreift zu haben.
Wo war mittlerweile schon der Panther!
Nach Schluss dieser famosen Expedition sprang ein starker
Sanibarhirsch auf, den Pronay anschoss, worauf wir alle mit den
Klephanten concentrisch in das Dschungel eindrangen und den Hirsch
ausmachten. Der Oberstjägermeister selbst schien von dem Verhallen
seiner Leute nicht sehr erbaut zu sein, denn er schimpfte und fluchte
durch eine halbe Stunde ununterbrochen, ritt dann eiligst nach Hause
und ließ sich nicht mehr blicken.
Wir beschlossen noch auf gut Glück, das Thal zu durchstreifen,
wobei wir jeden kleinen Hügel, jedes Dschungel durchstöberten: doch
blieb das Resultat hinter unseren Envartungen zurück, da ich nur einen
Sirtska — Alwar, 27. Februar.
Um '/-.ö Uhr früh war großer Feueralarm im Lager, da eines
Zelte in der zweiten Lagerreihe, welches tagszuvor verlassen
worden war, lichterloh brannte und in wenigen Minuten ein Raub der
Flammen wurde. Zum Glücke herrschte jedoch völlige Windstille, so
dass sich der Brand nicht weiter ausdehnte.
Der Tag war heiTÜch und machte uns das Scheiden von dem
schünen Lager in Striska recht schwer; wir hatten in dem Camp
so angenehme Tage verbracht, dass ich dem Aufenthalte daselbst —
namentlich dank meiner ersten beiden Tiger — eine dauernde Erinne-
rung bewahren werde. Das offlcielle Keiseprogramm forderte mit
unerbittlicher Strenge die Abreise; der Maharadscha von Dschodpur
erwartete mich am kommenden Morgen und mit indischen Fürsten muss
glimpflich umgegangen werden, besonders wenn sie dem englischen
Regimente eben günstig gesinnt sind. So sagten wir denn allen unseren
Jagdgefährten, den Mahäuts, Schikäris und Treibern Lebewohl und
ritten in den frischen, klaren Morgen hinein.
Auf halbem Wege trafen wir mit Mrs. Fräser, der Gemahlin des
Residenten, zusammen, der ich mich vorstellen ließ und eine Strecke das
Geleite gab, der Dame für die freundliche Fürsorge bestens dankend,
welche sie während unseres Aufenthaltes im Lager bekundet hatte.
Mrs. Fräser, die schon wiederholt an Tigerjagden theilgenommen, war
ursprünglich von der Absicht geleitet gewesen, in unserem Lager auch
ihr Zelt aufzuschlagen, da sie eine weibliche Hand nicht nur zur Pflege
für den möglichen Fall, dass ein Mitglied der Expedition erkranken
würde, sondern auch zur Anordnung des Blumenschmuckes auf der
Tafel als nothwendig erachtete. Da ich aber der Dame die Unbequem-
lichkeit des Lagerlebens ersparen wollte, hatte ich General Protheroe
schon einige Zeit vor dem Eintreffen im Lager ersucht, Mrs. Fräser zum
Aufgeben ihres Vorhabens zu bestimmen. Dies hatte Anlass zu einer
längeren diplomatischen Verhandlung zwischen dem General und
dem Residenten gegeben, welche mit dem Compromiss endete, dass
Mrs. Fräser ein eigenes Camp in einiger Entfernung von dem unseren
bezog. Von hier aus flocht und wob sie — nach edler Frauenart Böses
mit Gutem vergeltend — zarte .Aufmerksamkeilen in unser jagdliches
Leben, bald das Menu durch köstliche «Sweets- bereichernd, bald die
Zelte durch Skizzen von der eigenen Hand schmückend, bald Büchlein
sendend, in die wir unsere Namen schreiben sollten.
Unsere von Sinska gegen Alwar ziehende Karawane '
stattlicher Länge. Voran die berittene Garde, dann wir hoch zu Ro&5e,1
hierauf, von den Dienern gefolgt, die Gelehrten, theils auf Elephanten, I
theils in zweispännigen Wagen, sodann die Kameele und zum Schlüsse |
der gewaltige Train der Bagage, die Küche, die Munition und die I
Gewehre auf Ochsenkarren. Zu Ehren der Leiter der Expedition sei I
gesagt, dass alles glatt vonstatten gieng, und als wir gegen 11 Uhr I
vormittags auf der Eisenbahnstation in Alwar anlangten, war das I
Gepäck bald verladen, indessen Wutzier, der Küchenchef, mit Befrie-
digung meldete, dass im Speisewagen bereits ein warmes Frühstück
unser harre.
Am Bahnhof erschien zur Verabschiedung der jugendliche Maha-
radscha Dschai Singh, brachte mir sein wohlgetropfenes Porträt,
besichtigte noch meinen Waggon und ließ sich über unsere Expedition
berichten, wobei er in lebhafter Weise seine Befriedigung über den Erfolg
der Tigerjagd an den Tag legte.
Der Extrazug führte uns gegen Dschodpur. wo wir den nächsten
Margen anlangen sollten. Die Rajputana-MahvaTheilstrecke der Bombay
Baroda and Central India Railway, welche wir zunächst benutzten,
läuft in südlicher Richtung bis nach Bandikui. Von diesem Kreuzungf^-
punkte der einerseits östlich nach Bhartpur und Agra, andererseits
gegen Dschodpur führenden Linien geht die Bahn zuerst westlich
nach Dschaipur und Phalera (Phulcra), sodann südwestlich über
Adschmir nach Marwar. Hier schließt die ebenfalls schmalspurige
Jodhpore Bikanir Railway an, welche in nordwestlicher Richtung
nach Dschodpur führt.
Wir hatten in Alwar den Train bestiegen, den wir schon von
Agra aus nach Bhartpur benützt. Dem Zuge war auch diesmal das
Personal beigegeben, welches sich auf dem .Ausfluge nach Bhartpur
als so jagdfreundlich erwiesen hatte, welchem Umstände wir ver-
dankten, dass nun auch auf der Fahrt von .Alwar gegen Bandiku-,
binnen kurzem auf offener Strecke plötzlich gehalten wurde und die
Jagdfreunde meldeten, sie hätten in der Nähe Gazellen gesehen. Ich
pürschte nun einige hundert Meter vor und erlegte eine Gazellengais
sowie einen Kitzbock, während Wurmbrand auf einen starken Bock
schoss. Nach diesem ermunternden Erfolge hub abermals die heitere
Eisenbahnpürsche an, in deren Verlaufe wir noch dreimal Gelegenheil
hatten, an Black-bucks heranzukommen, so dass ich einen starken
Bock, Clam eine Gais erlegen konnte. Wir standen alle auf der
Plaltform unserer Waggons und schössen in voller Fahrt auf sitzeniJes,
flüchtiges oder streichendes Wild, wobei wir natürlich ganz anders
zielen und schießen mussten als unter gewöhnlichen Umständen. Diese
äußerst anregende Jagdweise lieferte eine Beute von 130 Stücken,
worunter sich ein Schakal, ein Fahler Adler, verschiedene Falken und
Weihen, Rebhühner, Tauben und Papageien befanden. Erstaunt blickten
die Landbewohner und noch erstaunter die Bahnwächter dem eilen-
den ^uge nach, aus welchem ununterbrochen Schüsse fielen, bis die
einbrechende Dunkelheit uns veranlasste, von der Plattform in die
Coupes zurückzukehren.
Dschodpur.
Dschodpur.
^H^ Dschodpur, 28, Februar.
Nächst Adschmir berührt die Bahnstrecke die Ausläufer des
_ Arawali-Gebirges, welches die westliche Grenze des gewaltigen Strom-
gebietes des Ganges bildet. Aus Schiefern, Quarzen und Gneiß
bestehend, ist das Arawali- Gebirge geologisch durch seine Faltung,
geographisch durch seine Rolle als Scheidewand zwischen Ost-Rädsch-
putana und dem schon zum Gebiete der Wüste oder richtiger gesagt
der Mulde Tharr gehörenden Flachlande von Manvar bemerkenswert.
Die Kette der Arawali mag in einer Trüberen Periode die Küste einer
Meereszunge gebildet haben, in welch letzterer das Hügelland von
Dschodpur eine Insel dargestellt hat. Spärlich bebaut und besiedelt,
wasserarm und reich an Sand, weist jener Thei! W'est-Rädschputanas,
den wir durchfuhren, anscheinend denselben landschaftlichen Charakter
auf, wie die Gegend von Alwar. Thäler in der Breite von 16 bis 24 km
erschienen von Hügelketten eingefasst; bebautes Land wechselt mit
ausgedehnten Heideflächen ab, die dort, wo süßes Wasser und Strauch-
werk Tränke und Deckung bieten, ganzen Rudeln von Wildschweinen,
sowie Gazellen und Black-bucks Aufenthalt gewähren.
Schon aus weiter Ferne blickten uns über die kahle Ebene her
die Sandsteinhügel, der hoch aufragende Burgberg, das Fort und ein-
zelne Paläste von Dschodpur entgegen. Um 9 morgens lief unser Zui;
in den Bahnhof ein.
Auf dem Perron empfiongen mich Dschaswant Sinyh Butiädttl
der Maharadscha vun Dschodpur oder, wie sein Reich auch genannt
wird, von Marwar, der britische Resident Colonel Abbott und die
Würdenträger des mächtigen Rädschputenfürsten. Alle trugen ihre so
kleidsamen Nationalcostiime; das Gewand des Maharadschas war mit
den liostbarsten Smaragden und Rubinen geschmückt. Der Empfang
war in jeder Beziehung glänzend. Außerhalb des Bahnhofes harrte eine
große Volksmenge, während Truppen Spalier bildeten. Diese sowie
die uns begleitende Escorte waren von dem Cavalleneregimentc.
welches der Maharadscha der englischen Regierung stellt. Auch reich-
geschmückte Elephanten. mit kostbaren goldgestickten Decken ver-
sehen, und der Marstall waren en plelne parade ausgerückt. Das
Cavallerieregiment sieht ausnehmend gut aus und ist weitaus das
schönste, weiches ich bisher in Indien gesehen; durchwegs aus gut
gewachsenen Leuten recrutiert und mit vorzüglichen, gröUtenlheib
einheimischen Pferden beritten gemacht. Die Adjustierung besteht aus
weißem Rocke mit lachsrotheni Gürtel und weißen Hosen, lichtgraucm
Turban mit kleiner silberner Aigrette; die Bewaffnung aus Lanze mii
Fähnlein und Carabiner — ein malerischer Anblick.
Die Conversation mit dem Maharadscha, der etwa 50 Jahre
zählen dürfte, struppigen, schwarzen Vollbart trägt und ernst in die
Welt blickt, gieng etwas schwerfällig vonstatten, da Crawford jedes
Wort in die Hindustani-Sprache übersetzen musste.
Der Rädschputenstaat Marwar oder Dschodpur, den angeblich
Rao Siadschi, ein Enkel Maharadscha Dschai Tschands, Königs dts
am rechten Gangesufer gelegenen Reiches von Kanodsch (Kanai^jl
im Jahre 1211 n.Chr. gegründet, hat sich seit jeher durch die Tapfer-
keit seiner Fürsten und Krieger hervorgethan.
In der Reihe der Fürsten von Dschodpur erscheinen besonJos
bemerkenswert: Rao Dschudha, der Stifter der neuen, nach ihm
benannten Hauptstadt Dschodpur (1459); Rao Maldco, unter dessen
Herrschaft der Großmogul Akbar Manvar mit Krieg überzog (1561):
Rao Maldeos Sohn, Tschander Sen, bot dem Großmogul 17 Jahre
lang die Spitze; Rao Ude Singh, dem vom Großmogul der Titel
Mota Rädscha und neuer Länderbesitz verliehen worden ist; Suf
Singh (t 1620) und Gadsch Singh, dessen Sohn (+ 1638), genannl
Dalthamban, »die Abwehr des Feindes«, beide große Krieger; J*'
ebenso gelehrte als streitbare, im Jahre 1638 zur Regierung gelang"'
Dschaswant Singh, dessen Macht selbst ein .^ui'engzeb fürchten gelernl
hiitte, und emilich Takat Singh (f !87:i}, ein Seitenspross des regie-
renden Hauses, der während des Aufstandes vom Jahre 1857 auf der
Seite Englands stand. Der Sohn Takat Singhs ist der jetzt regierende
Maharadscha, unter dessen Machtgebot Dschodpur, das, von kleinen
Trübungen abgesehen, seit dem im Jahre 1803 mit England abge-
schlossenen Friedens vertrage der britischen Krone treu anhängt,
modernen Reformen unterzogen wurde und neuer friedlicher Blüte
entgegenreift.
Wir sahen sonach in Dschaswant Singh den Abkömmling der
Räthor, eines Hauptstammes der alt-arischen Sonnendynastie, einen
Urenkel der Sonnenkönige, deren Thaten das Naiionalepos Rämäyana
verherrlicht, deren Städte und Residenzen in altersgrauer Zeit das
Zwischenstromland des Ganges und der Dschamna erfüllt haben. Die
nicht eben zahlreichen Rädschputen sind edlen Stammes und nicht
bloß im Volke, sondern selbst durch englische genealogische Werke
als Nachkommen der glorreichen Geschlechter der uralten Sonnen-
könige beglaubigt.
Das Haus Dschaswant Singhs gehört zu den durch Macht und
Ansehen blühenden Herrscherhäusern Rädsehputanas und ist in der
Lage, sich wahrhaft königlichen Blutes zu berühmen. Gleichwohl sollen
zwischen Mitgliedern dieses Hauses und solchen der großmogulischen
Dynastie abgeschlossene Ehebündnisse wiederholt zu erbitterten Streitig-
keiten und Kriegen zwischen Dschodpur und Udaipur geführt haben,
da die in Udaipur regierende Familie, auf ihre reinblütige Abstammung
stolz, jede Verbindung mit der dem Hause der Großmoguln versippten
Dschodpurer Dynastie als Missheirat betrachtete. Dieser Zwist ver-
mochte schließlich nur unter der Bedingung geschlichtet zu werden,
dass die den Ehen mit Prinzessinnen aus dem Hause Udaipur entstam-
menden Söhne der Fürsten von Dschodpur in der Erbfolge den Vorrang
eingeräumt erhielten.
Der Staat Dschodpur umfasst rund 95.000 km' mit etwa drei
Millionen Einwohnern, worunter 86 Procent Hindus, deren Mehrzahl
auf Rädschputen entfällt, 10 Procent Dschainas und 4 I'rocent Moham-
medaner. Getreide, Opium, etwas Baumwolle, Tabak und Zuckerrohr,
Obst, Vieh, Häute und Wolle, Marmorwaren aus Makräna. sowie
Salz bilden die Hauptproducte des Landes. Großartige Salziager
finden sich als Auswitterung auf dem Boden jener Mulde, welche zur
Regenzeit den 480 km' umfassenden Sambar-See bildet. Die Aus-
beutung dieses Lagers, welches im Jahre durchschnittlich 300.000
englische Tonnen Speiaesaiz liefert, ist im Jahre 1870 seitens-'
der Uferfürsten von Dschodpur und Dschaipur als Hoheitsrecht der
englischen Regierung abgetreten worden, welche den Betrieb und
Verschleiß dieses größten aller indischen Salzwerke rationell einge-
richtet hat.
Abgesehen von den irregulären Truppen zählt die Armee 256
Mann Artillerie mit 7ö brauchbaren Kanonen, 3162 Reiter zu Pferde um
auf Kameelen und 3653 Mann Infanterie. Nebstbei hält der Mahi
rädscha ein Regiment von 600 Mann zu Pferde zur Verfügung di
englischen Regierung — vielleicht die best berittene und adjustierte di
Imperial Service Troops in Indien, der unter Aufsicht der englischi
Regierung stehenden Contingente indischer Fürsten.
Neben dem Galawagen ritt rechts der Bruder des Mahärädschi
der Mahärädsch Adhiradsch Coloiiel Sir Pratap SingH, der allmächti
Reformator von Dschodpur, der eine Reihe von Würden in seini
Person vereint. Er steht als erster Minister (Awal Musahib) an der Spil
der Verwaltung und commandiert nebstbei sämmtliche Truppen sein»
Bruders, dessen Rathgeber er in allen Angelegenheiten ist, Ein eni
gisches, ausdrucksvolles Gesicht bekundet die Fähigkeit dieses Reii
kanzlers und Generalissimus von Dschodpur zu allen seinen Amtei
Er ritt ein schönes englisches \'ollblutpferd, das er bei Gelegenheit
des Jubiläums der Königin in England gekauft hatte. Zur Linken des
Wagens ritt Hardschi Singh, ein Adjutant des Maharadschas, ein seltei
schön gewachsener junger Mann, der sich in allen Sports ganz besi
ders hervorthut und namentlich beim Polospiel und Pigsticking,
echter Rädschpute Schneidigkeit und Ausdauer bethätigend, in seim
Leistungen unerreicht sein soll. Zum Reiter geboren, macht er im
Sattel eine brillante Figur, hat einen beneidenswerten Sitz und scheint
mit seinem Pferde verwachsen.
In einer Art Gartenanlage, Paota Bäg, unweit von Rai-ka Bäg, dem
im Osten der Stadt gelegenen Sitze des Maharadschas, war für uns
mit indischer Pracht und Raumverschwendung ein Zeltlager errichl
worden, das, ebenso wie die bisher bewohnten, eine kleine Stadt
sich bildete. In meiner mit wertvollen Teppichen ganz ausgele]
Behausung fand ich eine Anzahl Genfer Spieluhren und »Werkel-
die ein Gegenstand besonderer Vorliebe des Maharadschas zu si
scheinen. Vor dem Zeltlager dehnte sich eine parkähnliche
Springbrunnen, Marmorstatuen und schattigen Bäumen gezierte Avci
aus; überall standen Wagen, Reitpferde, ja sogar Bicycles zu unsi
Itei^
m
Verfügung; ganze Züge von k'ameelen schleppten ununterbrüclicn
in grulien Schläuchen Wasser herbei, um tlas Löschen des liistigeu
Staubes zu ermöglichen.
Eine halbe Stunde nach meiner Ankunft erschien der Maharadscha
in glanzvollem Aufzug, umgeben von Würdenträgern und Leibwachen,
um mir seine officielle Visite zu machen, die in landesüblicher Weise
verlief. Er und ich auf zwei Thronsesseln; rechts von uns die euro-
päische, links die indische Suite; einige verdolmetschte Phrasen als
Bindemittel. In einer Kunstpause stand der englische Resident auf und
stellte mir die indischen Hofchargen vor, worauf ich dem Maharadscha
Attur und Pan überreichte, ihn mit Blumen bekränzen und ihm einen
Tropfen des so bösen Sandel- und Rosenöles in das Sacktuch geben
musste. Officielle Besuche sind in der Regel die einzige Gelegenheit,
bei welcher sich die Inder des letztgenannten Culturgegenstandes
.bedienen, da ihnen sonst einfachere Mittel genügen.
^ Der Visite musste selbstverständlich sofort der Gegenbesuch
Vblgen, weshalb ich, nachdem zwei eingeborene Herren mich abgeholt
hatten, unter dem unausgesetzt salutierenden Donner der Batterien an
dem Justizpalaste, einem großen, vor kurzem erst vollendeten Gebäude
in indischem Stile, vorbei in die Residenz des Maharadschas fuhr.
Dieser Patast stellt sich als ein eigenthümlicher, runder Bau mit
ebenfalls runden, vorgebauten Thürmen dar, welcher einem großen
Glashause oder einem Ausstellungspavülon ähnelt. Der grellweilie
Anstrich blendet durch HeHectierung des Sonnenlichtes das Auge. Im
Souterrain Hegen offene Gallerien für Pferde. Auf einer sehr steilen,
steinernen, stufenlosen Rampe, welche direct in das erste Stockwerk
führt, emplieng mich Freund Dschaswant Singh, während seine Truppen
im Hofe präsentierten und eine Regimentskapelle unsere Hymne als
Schnellpolka spielte. Der erste Stock des Palais besteht bloß aus
einem runden Empfangszimmer mit kleinen Nebenzimmern, die mit
wenig geschmackvollen europäischen Bildern und Nippsachen angefüllt
sind. Die Gegenvistte unterschied sich vom Besuche des Maharadschas
nur dadurch, dass jetzt ich der leidende Theil war, indem ich mit
Sandelöl bedacht wurde und Betel kaute, den ich zum erstenmale.
auf die Gefahr hin, rothe Zähne zu bekommen, versuchte. Ich fand
ihn ungemein scharf und herb schmeckend, sowie Durst erzeugend.
Unter allen Bewohnern Indiens, die ich bisher gesehen, gefielen mir
am besten die Rädschputen, von welchen freilich nur relativ wenige eine
reinblülige .Abstammung aufzuweisen vermögen, wogegen jeder andere
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Hinilu. iler zu Reichlhum und Ansehen gelangt, bemüht ist, seinen Glani
durch einen apokrypher RAilschpiiten-Stammbaum zu erhöhen. iJic
Männer sind groß, kräftig, schlank, mit schwarzen Schnurr- und Vnll-
bänen, die sie in ganz origineller Weise nach aufwärts bürsten, ja sogar
um die Ohren winden. Sie haben in vortheilhafter Abweichung von den
übrigen, zumeist schlappen und lässigen Hindus ein martialischcK
echt soldatisches Aussehen, das auf den ersten Blick auffällt und wohl
von ihrer jahrhundertelangen kriegerischen Beschäftigung herrührt Stet«^
haben die verschiedenen Fürsten und Stämme, ja sogar benachbarte
Dörfer untereinander in wilder Fehde gelebt; stets gab es Krieg, Raub-
züge und blutige Unternehmungen. Noch heutzutage, wo kaum noch
zehntausend echte FJädschputen in der englischen Sipoi-Armee dienen.
trägt jeder männliche Rädschpute sein scharf geschliffenes Schwert; ja
sogar die Kutscher auf dem Bocke sind mit Schwertern umgürtet. Auch
der Charakter des Landes zeugt von den Kämpfen früherer Zeilen.
indem jede Stadt, jeder kleine Ort, jeder Palast auf das sinnreichste mit
Mauern, Wällen und Bastionen befestigt ist. Auf zahlreichen Bergen
sieht man noch Ringmauern und Auslugthürme sowie die kleii
Burgen, welche von den einzelnen Fürsten gegen die Einfalle
unruhigen Nachbarn errichtet worden sind.
Mit den kriegerischen Eigenschaften der Rädschputen steht offefT
bar im Zusammenhange, dass diese vorzügliche Reiter sind. Nirgends
sah ich so gewandte Naturreiter, so gute und besonders gut gehaltene
Pferde, als in Dschodpur. In den jetzigen friedlichen Zeilen widmen sich
die Rädschputen dem Reitsporte und zeichnen sich namentlich im
Pigsticking, sowie im Polo aus, worin sie durch ihre Geschickiichkoit
zu Pferde alle Engländer schlagen. Tonangebend sind in Sachen des
Reitsportes Sir Pratap Singh und Hardschi SJngh, sowie Major ßcatson,
ein liebenswürdiger und tüchtiger Officier, der sich den einheimischen
Sitten und Passionen assimiliert hat, mit den Eingeborenen reitet, jag!
und unter ihnen besonderes Ansehen und Vertrauen genießt. Er wurde
vor drei Jahren nach Dschodpur gesandt, um die Imperial Service Troops
dieses Staates zu organisieren. Major Beatson erzählte mir, dass es ihm
wahre Freude gemacht habe, mit den Dschodpurem zu arbeiten;
hätten ihm viel guten Willen entgegengebracht und so sei es
Leichtes gewesen, eine vorzügliche Truppe zusammenzustellen.
Der Rest des Tages gehörte der Besichtigung der Stadt
ihrer Sehenswürdigkeiten, Erstere, etwa 60.000 Einwohner zahli
am Südfuße der Hügelkette gelegen, die sich hier aus der El
302
rgen
erhebt, ist von langen, durch sieben Thore untürbrochenen Mauern
umgeben. Zunächst lenkte ich meine Schritte in den Bazar, jenen Oit
der indischen Städte, der das Volksleben in seiner Ursprünglichkeit
zeigt und dem ethnographischen Sammler reiche Ernte bietet.
Dschodpur ist bemerkenswert als Sitz reich entwickelter commer-
cieller Thätigkeit, welcher ein ansehnlicher Theil der Einwohnerschaft
obliegt, wie denn überhaupt ein beträchllicherBruchtheil der Bevölkerung
Indiens im Betriebe verschiedener Handelszweige seinen Erwerb sucht.
Dem Handel in allen seinen Formen, vom Tausche der Feld-
producte gegen kurze Waren angefangen bis hinauf zur Speculation in
VVeltartikeln und Eisenbahnactien, Hypotheken und Wechselbriefen, ist
die Thätigkeit von etwa zehn Millionen Indern, welche verschiedenen
Racen, Kasten und Confessionen angehören, gewidmet. Die Kaufleute,
welche Warenhandel en gros und Geldgeschäfte betreiben, seit alter Zeit
Mahädschan, •große Leute-, genannt, sind, ebenso wie die Krämer,
Handler, Marktfahrer, Hausierer, nach dem Principe, jeden Erwerbszweig
in Kasten zusammenzuschließen, in Gilden und Zünften vereinigt. Der
Einfluss dieser auf dem Gebiete des Verkehrs ist so maßgebend, dass
ihnen in den Hauptemporien Indiens selbst europäische Firmen beizu-
treten pflegen.
Im Range auf die Brahmanen und die Rädschputen, die Adeligen,
folgend, spielen die Banquiers (Parikh), ferner die Großhändler {Rakam
betschnevvätä) und Wechsler (Sarräf) in den Städten eine ebenso wichtige
Rolle, wie die Kleinhändler (Chürdafarosch), die Aufkäufer, die Dorf-
krämer und Darleiher auf dem flachen Lande. Die Könige des indischen
Handels sind die Parsi- Kaufherren, deren Wechsel wie im anglo-
indischen Reiche, so auch auf dem Londoner Platze und in den chine-
sischen Häfen Respect einflößen. Für den Reichthum und die Munificenz
dieser Parsis sprechen zahlreiche öffentliche Bauten und Stiftungen. Die
zahlreichste aller Handelskasten ist jene der Baniyas, die vornehmlich
Export treibt. Die originellsten Figuren weisen die Bandscharis auf,
eine Art von Frachtführern, die, wohlbewafTnet und tapfer, mit Ochsen-
karawanen durch das Land streifen.
Durch die Wüste Tharr, an deren Hand die blühendsten Rädsch-
putenstädte liegen, ziehen von Afghanistan, Herat, Kabul, Ghasna, Kan-
dahar und von dem belutschistanischen Kelat her Handelskarawanen
den lockenden, reichen Stromländern Hindustans zu, die Waren, die
Traglhiere, die Weiber eifrig bewachend; in den Sandhügeln nach
Brunnen, Strauchwerk und Steppengras ausspähend; rastend, wo die
Bauern der spärlichen Dörfer süßes Wasser zur Benetzung der Gänen.
zum Tranke der Menschen und der Herden erbohrt haben. Hyänen udJ
Steppenwölfe durchstreifen die Steppen des Tharr; gefahrlicher aber ab
diese Raubthiere erscheinen den Karawanen und den Herden auf der
Weide die rädschpiitischen Raubritter, die hier, in kleinen, Bteineraen
Burgen hausend, mit ihren Mannen den Marktfahrern und Hirten mit-
lauern, um sie zu plündern.
Weiche Entwicklung der Handelsgeist in Marwar seit altersb«
genommen, zeigt der auf Marwar (Dschodpur) zurückleitende Gesammi-
name der Händler aus dem Nordwesten Indiens: Marwari. Heute jedoch
hat Marwar seine Bedeutung als Brennpunkt der Handelsthätigkeil
Nordweslindiens längst eingebüßt. Dagegen genießt das benachbarle
Adschmir mit seinen meist der Dschaina-Secte angehörenden Kauf-
leuten und seinen berühmten Bazarpalästen den Ruf, der HauptgcIJ-
markt von Rädschputana zu sein.
Gleichwohl herrscht im Dschodpurer Bazar auch Jetzt noch leb-
haftes Treiben der Käufer und Verkäufer, welch letztere nach Kate-
gorien in den einzelnen Theilen des Bazars oder, richtiger gesagt, in
eigenen Bazars vereinigt sind. Wir durchschritten den außerhalb de>
Stadtthores gelegenen Bazar der Schuster und Gerber, welche, der
niedersten Kaste angehörend, für unrein gelten, da sie die Häulc
geheiligter Thiere verarbeiten; ferner den Bazar für Metallwaren, jener
der Geldwechsler, der Händler mit Lehensmitteln u. s. w.
Im Innern der Stadt hatte ich vielfach Gelegenheit, an den
Fronten der steinernen Häuser die reiche Ornamentik, sowie die
schönen, mit Metall verzierten Thore zu bewundern. Fast jedes Haus
erscheint als ein Kunstwerk. \'erschiedene größere Paläste reicher
Rädschputen fallen durch ihre beinahe überreiche Ausschmückung unJ
die in bedeutenden Dimensionen gehaltenen, aus Stein gemeißellen
Elephanten mit Mahäut und Häuda auf, die rechts und links vom Ein-
gangsthore angebracht sind. Viele Tage könnte man verwenden, um all
die originellen und interessanten Formen der Häuser zu betrachten unJ
dem Gedächtnisse einzuprägen.
Meine Wanderung führte mich im Geleite einer johlenden unJ
schreienden Menge auch in eine Seitengasse, in der uns ein EiH'
geborener herbeiwinkCe, um uns einen merkwürdigen, alten Brunnen tv
zeigen, welcher in drei übereinander liegenden, aus Säulen geforrole"
Etagen abgebaut ist, und zu dessen Wasserspiegel beiläufig fünfaß
.Stufen führen. Das Wasser schien schlecht und faul zu sein, was
jedoch eine Anzahl Hindu-Weiber nicht verhinderte, in sehr luftigem
Costüm im Brunnen zu baden und Wäsche zu waschen. In dieser
Beschäftigung durch unsere Ankunft aufgeschreckt, niussten diese
Najaden von Dschodpur zu dem Schaden, in ihrer Behaglichkeit und
Arbeil gestört worden zu sein, obendrein das spöttische Gelächter der
Menge, die uns an den Brunnen begleitet hatte, mit in den Kauf nehmen.
Ein Merkmal Dschodpurs ist die geringe Anzahl religiöser Bau-
werke. Außer einigen größeren Tempeln, unter welchen der die Hoch-
schule Te!aiti-ka-mi\ha! enthallende Erwähnung verdient, sieht man nur
hin und wieder kleine, dem Elephantengotte geweihte Hauskapelien,
Der Grund dieser Erscheinung liegt in dem Charakter der Rädschputen,
die, obgleich gläubigen Sinnes, dem überwuchernden Einflüsse der
Brähmanen Widerstand leisten und infolge dessen nicht allzuviel Wert
auf die Errichtung und Erhaltung von Tempeln legen.
Hierin werden die Dschodpurer von dem jetzigen Minister Mahä-
rädsch Sir Pratap Singh unterstützt, welcher das schwindelhafte Treiben
dei Brähmanen, die es auf .Ausbeutung der Gläubigen abgesehen haben,
einzuschränken bestrebt ist.
Sir Pratap Singh, ein weitgereister Mann, der auch unsere Kaiser-
stadt kennt und wiederholt in freudiger Erinnerung zu schildern wusste,
zeichnet sich überhaupt durch Menschenkenntnis, klaren Blick und
praktischen Sinn aus. Ihm allein ist es zu verdanken, dass der Prunk bei
Hochzeitsfesten, die vormals oft tagelang andauerten und durch ihre
immer kostspielige, ja oft geradezu ruinöse .Ausgestaltung selbst wohl-
habende Familien an den Bettelstab brachten, kurzweg durch staat-
liehe \'erbote abgestellt worden ist, und dass die Eheschließungen in
Dschodpur auf die einfachsten Formen reduciert erscheinen. Bei der
Durchführung dieser Reform ist Sir Pratap Singh selbst mit gutem
Beispiele vorangegangen, indem er anlässlich der Vermählung seiner
Tochter die .Abhaltung Jedweder Festlichkeit verbot, am Hochzeitstage
ohne weitere Ceremonien die Brautleute niederknien Heß. ihnen selbst
seinen Segen ertheilte und sie für Mann und Frau erklärte. Dieses
gewiss einfach zu nennende Verfahren hat als drastisches Exempel für
die Bevölkerung im Vereine mit der Erlassung des genannten Verbotes
zur Folge gehabt, dass die verschwenderischen, überdies oft rohen,
traditionellen Hochzeitsfeste in Dschodpur ihr Ende gefunden haben.
Durch verschiedene Gässchen, in denen fast überall neugierige
Gesichter aus den Häusern auf uns lugten, kamen wir an den Fuß des
Berges, auf dem, stolz die Stadt überragend, das Fort mit seinen
Thürmen, Mauern und Palästen Hegt. Majestätisch erhebt es sich, {
schier unbezwingliche Burg, mit 100»» hohen Mauern und starken
Thürmen, auf einem Felsliege!, dessen Nordseite eine senkrecht zur
Ebene abfallende Klippenwand bildet. Ein steiler, gepflasterter, von
Thoren beschirmter Weg führt hart an den Abstürzen der Felswände in
vielfachen Krümmungen im Zickzack zum Fort hinan. Jedes der Thore
dieses Aufstieges bietet Unterkunftsräume fiir die Wachposten und
ist mit alterthümlichen Feuerwaffen armiert; einige der Außenthore sind
wie in Gwalior mit Eisenspitzen beschlagen, welche auch hier den
Zweck haben, im Falle einer Belagerung des Forts den Ansturm von
Elephanlen abzuwehren.
Wie mein Begleiter, Major Beatson, ein gründlicher Kenner der
Geschichte Dschodpurs, erzählte, hatten in einem der früheren, sii
häufigen Kriege die Angreifer des Forts dieser Eisenspitzen wegen es
vergeblich versucht, eines jener Wegthore einzurennen. Endlich habe
eine Anzahl tollkühner Rädschputen, um dieses Hindernis zu über-
winden, ihren Rossen die Augen verbunden, und das Thor, mit voller
Wucht wider die unteren, von Eisenzähnen freien Planken desselben
anreitend, eingerannt, mochte auch Ross und Reiter zerschmettert in die
Bresche stürzen.
An den Wandmauern des obersten der Thore, durch das mnn
direct in das Innere des Forts gelangt, sind die Abdrücke von schmalen
Frauenhänden sichtbar. Diese mit Gold- und Silberfarbe überzogenen
Handzeichen gemahnen an ein trübes Capitel der Sittengeschichte
Indiens, an die Sati oder Witwenverbrennung, welch ungeheuerlicher
Gebrauch auf den freiwilligen Feuertod Satls, der Enkelin Brahmns,
zurückgeführt wird und den orthodoxen Hindus noch heule so heilig
ist, dass ungeachtet aller Bemühungen der englischen Behiirden, welche
die Beförderer der Sati als Mörder bestrafen, vor nicht allzulanger Zeit
noch Fälle von Witwenverbrennungen vorgekommen sind. Hier in der
Burg von Dschodpur nun legte jede Witwe eines Maharadschas, ehe sie
den Scheiterhaufen bestieg, eine ihrer vorher roth gefärbten Hände an
die weißgetünchte Wand. Diese einzigen Spuren des irdischen Daseins
der durch das Feuer vernichteten weiblichen Wesen wurden als
Merkmale ehelicher Treue bewahrt und zum Zeichen der größten Ver-
ehrung mit Gold und Silber verziert. Welche entsetzliche Todesangst
musste diese unseligen Opfer fanatischer Verblendung auf ihrem letzten
Gonge erfüllen; welche Qualen mögen die jugendfrohen Herzen der
armen Frauen durchtobt haben, angesichts des lodernden, von einer
tosenden Menge umgebenen Sclieiterhaufens, dessen Flammenglut sie
so grausam ergreifen und in ein Häuflein todler Asche verwandeln
sollte!
Nächst dem 'l'horeingange war eine Wache, aus Artilleristen
bestehend, aufgestellt. Von hier gieng es zwischen hohen Mauervvänden
fort, zunächst zu dem Paläste, welchen seit den Zeiten Hao Dschodhas,
des Gründers des Forts (1459), bis auf Takat Singh (f 1873) herab die
Maharadschas bewohnt haben. Die Außenseite dieses aus Sandstein
erbauten Gebäudes ist mit reicher Ornamentik geschmückt, deren
zarte Muster mich lebhaft an den Mauerschmuck der Bauten in Agra
erinnerten. Das Innere des Palastes birgt reiche Schätze, kostbare
Waffen, Juwelen und Geschmeide.
Wiewohl die WafTen Sammlung in einem düsteren Räume auf-
gestellt ist, vermochten wir dennoch einen allgemeinen Überblick über
die ebenso reichhaltige als interessante Collection zu gewinnen. Nächst
der Eingangspforte fallen dem Beschauer dieser bewundernswerten
Rüstkammer seltsam geformte Lanzen und schöne, aus Elfenbein
oder Muschelschalen geschnitzte Pulverhömer auf; weiterhin enthalten
mehrere Schränke Prachtexemplare der so charakteristischen Rädsch-
putcnschwerter, vorzügliche Damascener Klingen, die reich mit Gold
eingelegt sind, sowie Messer und Dolche mit schönen Steingriffen. Eine
complete vergoldete Rüstung erinnert in Bau und Zeichnung an alt-
persische Stücke dieser Art.
Das Wertvollste in der Waffenhalle sind die Gewehre, weiche
uns die Entwicklung des Schießwesens in den Rädschputana-Staaten
von den ältesten Zeiten an bis zum heutigen Tage veranschaulichen.
Luntengewehre primitivster Form mit schmalen, kurzen Schäften
stellen die ersten Feuergewehre dar; daran reihen sich F"linten mit
Feuersteinschlössem und eigenthümlichen, halbmondförmig gebogenen
Schäften, deren Form mir ganz neu war. Die von den Maharadschas
zu Jagdzwecken verwendeten Gewehre sind über und über, insbesondere
an den Läufen und Schlössern, mit den reichsten Goldzieraten bedeckt;
vom kleinsten Carabiner an bis zu langen Entenflinten sind alle Größen,
alle Arten indischer Feuergewehre vertreten. Unter den neueren Jagd-
gewehren finden sich hier auch manche europäischen Ursprunges, die,
obgleich mit wahrhaft orientalischer Verschwendung ausgestattet, bei
Londoner oder Suhler Büchsenmachern erzeugt worden sind. Endlich
gibt es hier noch Schilde, Speere, Lanzen und eigenthümlich gestaltete
Todtschläger.
Bewundernswert ist der Inhalt der unter sicherer Obhut befii
liehen Schatzkammer. Die Fülle der hier angehäuften Kostbarkeiten
findet ihre Erklärung darin, dass die Maharadschas von Dschodpur,
wiewohl ein nur kleines Reich beherrschend, unter den Großmoguln
Akbar, Dschehangir, Aurengzeb Kriegsfahrten durch halb Indien unter-
nummen haben und vorübergehend \'icekönige von Dekhan, Malwu
und (Judsoheriit gewesen sind. Als mächtigen Feldherren, Statlhaltem
und (lünstlingen sind den Maharadschas theils als Kriegsbeute, theüs
iils Ehrengeschenke Schätze zugefallen, die jedem Kaiserpalaste zur
Zierde gereichen würden. Der Wert der Edelsteine, Juwelen und Perlen
im Schatzhause von Dschodpur dürfte viele Millionen betragen, doch
ist genaues darüber nicht bekannt, da der abergläubische Sinn der
Hädschputen eine deren Ansicht nach Unglück bringende Abschätzung
verwehrt. Ein einziges Collier aus Smaragden und Perlen mit Diamanl-
tropfcn in der Größe von Taubeneiern, welches der Sohn des Maha-
radschas bei meinem Empfange gelragen hatte, mag 400.000 bis
500,000 Gulden wert sein. Solcher Colliers liegt aber in den Vitrinen der
Schatzkammer wohl ein ganzes Dutzend. Daneben funkelt eine Reihe
von Diademen, deren eines, mit den prachtvollsten Diamanten und
Kubinen verziert, ganz besonders auffällt. Weiterhin sind sech.s Vitrinen
ungefüllt mit den schönsten, kostbarsten Agrafien, Bracelets, Brochen,
Ringen und Geschmeiden anderer Art. Durch Glanz, Feuer, Farbe, reines
Wasser, kurz alle Vorzüge ausgezeichnet, gewinnen die hier bewiihrten
Edelsteine noch an Wert und Schönheit durch die geschmackv<j|le
Fassung. Schilde, Tafelgeschirr und Aufsätze aus purem Golde, Practit-
stücke der Emailindustrie Dschaipurs, Prunkgeschirre aus getriebenem
Silber für Pferde und Elephanten, silberne und goldene Zellstangen
vervollständigen den blendenden Inhalt des Schatzhauses, dieses Wahr-
zeichens der Pracht und Herrlichkeit des Dschodpurer Fürstenhofes.
Die übrigen Räume des Burgpalnstes, deren architcklonische
und ornamentale Ausgestaltung vornehmlich den Maharadschas Takat,
Adschit und Abhey zu verdanken ist, boten unseren, nun schon recht
anspruchsvoll gewordenen Blicken wenig Bemerkenswertes. Nur ein
durchaus mit Gold und Facettenspiegelchen decoriertes Gemach, dess
Wandschmuck drastische Scenen aus der indischen Göttersage und ^
dem Leben der Maharadschas bilden, verdient hier Envähnung,
?^inen wahren Genuss bot mir die Rundsicht von dem flactlffl
Dache des Palastes über Dschodpur und das umliegende Land. Gegen
Süden und Osten erblickt man scharfgegliederle, kahle. mitMauemunJ
i recht
ur ein j
lach^^
, -Fat
" •ri.
Burgen {jekri'mte Hügelketten; gegen Nurden und Westen aber breitet
sich die Ebene des Tharrgebietes aus, in deren gelbschimmerndem
Bereiche von blauem Dufl überhauchte P'elskegei gleich großen Maul-
wurfshügeln hervorleuchten. Uns zu Fü(3en, rings um den jäh abfallenden
Schlossberg, liegt die Stadt Dschodpur.
Das Bild, welches sich hier dem Blicke darbietet, ist fesselnd
und eigenartig. Vermissen wir auch die grandiosen Linien, die kühnen
Profile, den Farbenschmelz der Hochgebirgspanoramen, so wirkt, wa.s
wir sehen, dennoch mächtig auf uns ein durch den Reiz der unermest.-
lichen Fläche und ihrer stimmungsvollen Färbung. Gelb in Gelb gemalt,
durchsetzt von leuchtenden Punkten, zieht sich melancholisch die Ebene
hin, soweit nur das menschliche Auge reicht.
Wir überblicken Dschodpurs Straßen und Häuser und den steiner-
nen, mit Bastionen besetzten Mauergürtel, welcher die Stadt umschließt.
Als Hauptbollwerk aber thront inmitten Dschodpurs gleich einem
Adlerhorst das Fort auf dem Burgberge, welchem gegenüber, noch
innerhalb der Außenmauer der Stadt, im Norden des Forts eine hohe
Felskuppe aufragt, die in den Fortificationsrayon einbezogen wurde, da
von ihr aus einst das Fort beschossen und beschädigt worden ist.
Dessen eingedenk und der Besorgnis voll, es Itönnle eines Tages von
jener Felskuppe her das Fort neuerdings, zumal mit modernen, weit-
tragenden Geschützen bedroht werden, hat der jetzt regierende Maha-
radscha vor kurzem den Befehl ertheilt, diese Kuppe abzutragen, und
war zur Zeit unserer Anwesenheit in Dschodpur an die Durchführung
dieser gigantischen Aufgabe bereits Hand angelegt worden. Um das
.Fort jedoch völlig zu sichern, wird an dessen Nordseite eine Batterie
ichtet, von welcher aus der Rayon vollständig bestrichen werden kann.
Zwischen der Kuppe und demBurgberge liegt ein kleines, einsames
Thal, in dem eine große Zahl schmuckloser Grabdenkmale sichtbar
ist — es sind dies die Ruhestätten tapferer Krieger, die bei einer der
Belagerungen des Forts den Tod gefunden haben und, ob Freund, ob
Feind, hier beigesetzt wurden. Der Streit, welcher diesen Mannen das
Leben gekostet, war ein »Wasserkrieg-, entbrannt um den Besitz des
Teiches, der, in jenem Thale gelegen, bei der Spärlichkeit der Wasser-
adern im Gebiete von Dschodpur wert genug erschien, Bkit zu vergießen,
um VV'a.sser zu gewinnen.
Militärische Remini.scenzen weckt auch die Hauptbatterie des
Forts, auf einem schmalen Felsrücken gelegen, der seiner Form wegen
der ■■ Pfauenschweif' (Mordhadsch) genannt wird; denn hier, auf der
Plattform der Haiiptbatterie liefen unter freiem Himmel atlertei wunder-
liche Geschütze aus Ahmedabad, (Jhasipur und anderwärts herstam-
mend. Jedes der Geschütze hat ein anderes Kaliber, ein Umstand, der
ihre Bedienung recht erschweren muss. Gemeinsam ist ihnen nur der
»schöne- pechschwarze Anstrich. Auch eine Art Mitrailleuse oder
Höllenmaschine, die jedoch einer friedlichen Säemaschine sehr ähnlich
sah, wurde uns hier produciert, doch versicherte mir der einheimische
Artillerist selbst, lächelnd, dass das Abfeuern dieses Geschützes mil
Schwierigkeiten verbunden sei und weniger dem Feinde als vielmehr
der Bedienungsmannschaft verderblich werden könne. Trotz alledem
soll der Maharadscha nicht wenig stolz auf seine Batterie sein,
Wir vermochten von dieser Stelle aus, da die Luft ganz rein war,
trotz der bedeutenden Höhe, in der wir uns befanden, das Getriebe unJ
Gewimmel in der tief unter uns liegenden Stadt genau zu beobachten,ja
selbst das allen indischen Städten eigenthümliche Geschrei und Lärmen
der Bewohner Dschodpurs deutlich wahrzunehmen.
Gar stattlich sind die runden bastionartigen Vorbaue des Palastes,
(Jit; unterhalb seiner Fenster bis ins Thal abfallen. An einem dieser
Rundpfeiler wurde mir die Stelle gezeigt, an welcher der Mahärädsclia
in seiner Jugend, als er noch der gestrengen Hand seiner Erzieher
anvertraut war, sich nächtlicher Weile an einem Seil ins Thal hinablicfi,
um heimlich in die Stadt zu dringen. Zur Rückkehr in das Fort, den
Palast seiner Väter, bediente sich der Prinz desselben Communications-
mittels. Angesichts der etwa 1 50 ni betragenden Niveaudifferenz zwischen
Fort und Thal, welche der junge Herr lediglich mit Hilfe des Seiles zu
überwinden wiisste, zollten wir der Uncrschrockenheit des Klellcrcrs
alles Lob. Die Fäden, die ihn so mächtig zur Stadt gezogen, dass er ein
derartiges Wagestück nicht scheute, sind wohl nicht minder stark
gewesen, als das Seil, das ihn über den Abgrund hinab- und wieder
emporgetragen hat.
Auf einem weniger seltsamen, dem Serpentinenwege, den wii zum
Aufstiege ins Fort benutzt halten, zur Stadt niedersteigend, durchqutrten
wir Dschodpur und begaben uns auf den großen, vor der Stadtmauer
gelegenen Wiesenpian, wo uns zu Ehren ein Polospiel stattfand. Itfi
war von der Geschicklichkeit, welche die einheimischen Spieler unJ
einige in Dschodpur ansässige Engländer hiebei entwickelten, gaM ent-
zückt, Vor allen zeichneten sich durch vorzügliche Keitkunst Harjschi
Singh, der Minister Sir Pratap Singh, welcher, obwohl Ober fünfzig' Jahre
alt, sein Koss tummelte, als wäre er ein Jüngling, und Major Beul&<m aus
310
Trotz der so scharfen Wendungen und Paraden in schnellster Gang-
art behandelten diese Spieler ihre Pferde nicht roh; die Führung erfolgte
im Gegentheile immer mit erstaunlicher Weichheit und Geschicklich-
keit, über anderthalb Stunden wohnten wir dem fesselnden Kampf-
spiele bei.
Dann hieß es ins Camp zurückeilen, da sich der Maharadscha bei
mir zum Gala-Diner angesagt hatte : doch speiste er, als frommer Hindu,
nicht mit uns, sondern erschien erst am Schlüsse der Tafel, worauf
die wechselseitigen Toaste erfolgten. Hiebet wurde der Trinkspruch
des Maharadschas nicht von diesem selbst, da er des Englischen nicht
mächtig ist, ausgebracht, sondern an seinerstatt vom Minister Sir Pratap
Singh gesprochen. Ein Dolmetsch vermittelte auch die anregende Conver-
sation, die ich mit dem Maharadscha unterhielt, welcher sich trotz seines
mürrischen Aussehens als ein freundlicher und launiger Herr erwies.
Nach dem Diner überraschte uns ein großes Nätsch-Fest, wofür
ein beinahe 60 m im Durchmesser betragendes Riesenzeit gespannt
worden war, in welchem die Tänzerinnen bei Fackelbeleuchtung und
eintöniger Musik ihre wenig berückende Kunst zum besten gaben.
Auch der übliche näselnde Gesang fehlte nicht. Der Maharadscha
erhält eine ganze Legion von Tänzerinnen, deren Schönheit aber sehr
problematisch ist. Dem Alter nach sind in dem Hof-Balletcorps von
Dschodpur alle Stufen vom Kinde bis zur Matrone vertreten. In einem
Punkte unterscheiden sich diese Damen von den anderen Vertreterinnen
der Tanzkunst in Indien, und zwar durch eine geradezu erschreckende
Menge von übereinander getragenen Röcken, die ihnen das Aussehen
wandelnder Glocken geben und beim Tanzen in schwingende Bewegung
gerathen. Sehr komisch wirkte der Eifer eines alten Oberregisseurs oder
Tanzmeisters, der jene Damen, welche sich wegen Ermüdung zurück-
ziehen wollten, immer wieder höchst eigenhändig in den Reigen
zurückstieß.
Dschodpur,
. März
Während der größere Theü der Gesellschaft des Morgens zum
Pigsticking ritt, wollte ich auf Anrathen mehrerer Schikäris mit Wurm-
brand in der Nähe von Dschodpur jagen. Wir fuhren in Begleitung des
Residenten, der sich seiner Kränklichkeit halber nicht activ an der Jagd
beiheiligte, ungefähr 3 iim vor die Stadt bis zu der Stelle, wo uns die
Treiber und ein Jagdleiter, ein ganz junger Mann, empfiengen, welcher
Uns seines vernachlässigten Aussehens halber ein Schikäri zu sein
dünkte, später aber erfuhren wir, dass er die Stellung eines Obercomman-
danten der gesammten Infanterie von Dschodpur einnehme. Das Jagd-
terrain war eine sandige Heide, mit spärlichen Büschen bewachsen; nur
hin und wieder lag ein Feld oder eine mit trockenem, hohem Grase
bedeckte Fläche. Zu Beginn der Jagd begegneten wir nur unglaublich
vielen röthlichbraunen Rattenj welche ihre Baue im Sande hatten und
unablässig vor uns umherhuschten. Weiterhin gab es im hohen Grase
zahlreiche Wachteln, deren ich eine ziemliche Anzahl erlegte. Im übrifien
sah es aber mit dem versprochenen Wilde wohl recht kärglich aus;
doch schoss ich noch einige Adler und Falken, die mir unbekannten
Arten angehörten. Endlich kamen uns nicht einmal mehr Wachteln
zu Gesicht, so dass Ich, nach dreistündigem Waten im Sande, wenig
befriedigt eben nach Dschodpur zurückkehren wollte, als sich in
weiter Feme ein Rudel Chinkara-Gazellen zeigte. Rasch entschlossen
requirierten wir einen mit Zebuochsen bespannten Wagen, durch
welchen gedeckt wir trachteten, an das scheue Wild heranzukommen,
so dass ich einen starken Bock erlegen konnte. Durch diesen Erfolg
angeeifert, wiesen uns die Schikäris eine Jagdgelegenheit, woselbst
wir auf mehrere Rudel Gazellen stießen und auf weite Entfernung
feuernd noch einige Böcke sowie Gaisen erlegten. Im Eifer der Jagd
war die Gesellschaft auseinandergerathen, so dass endlich die einzelnen
Schützen sich nicht mehr wahrnahmen und aus verschiedenen Rich-
tungen, aber in der Direction der anderen Jagdgefahrten, auf dieselben
Rudel Gazellen ein lebhaftes Feuer eröffneten. Die Folge hieven war.
dass von allen Seilen Kugeln durch die Luft pfiffen und jedermann,
mochte er auch sonst der größte Held sein, das Hei! in der Flucht suchte.
n der Stelle, wo diese Mausoleen stehen, wurden die Fürsten
nach ihrem Tode mit ihren Frauen verbrannt. Die 120 Frauen des
Maharadschas Dschaswant SJngh jedoch sollen den P"euertod als so
heilige Pflicht angesehen haben, dass sie, als der Herr und Gebieter im
weit entfernten Lande Kabul gestorben war, wie die Sage berichtet,
zu Fuße dorthin geeilt sind, um sich verbrennen zu lassen. Die hervor-
ragendsten Kenotaphe sind: jenes des Maharadschas Takat Singh
(f 1873), an dessen Grabe die fürstliche Familie und die Würdenträger
des Reiches alljährlich zweimal Opfer und Geschenke darbringen,
ferner jene Rao Maldeos, Mota Rädscha Ude Singhs, Sur Singhs und
das durch seine schöne .Architektur und seine Größe bemerkenswerte
Dewal (Heiligthum) Adschit Singhs,
Zwischen Obstgärten sieht man die Überreste des ehemaligen
Palastes; da steht zunächst, von hohen, schattigen Bäumen umgeben,
eine .Art kleinen Lusthauses, geschmückt mit Agraer durchbrochener
Ornamentik; dann folgen Theile von Gebäuden und Tempeln mit
tiefen, jetzt verfallenen Wasserbecken. Einen gewissen Contrast zu den
sonst stillen Plätzen und Räumen bildet ein von den Gläubigen noch jetzt
besuchter Tempel, der mit Zinnober und Blattgold scheußlich bemalte
fratzenartige Hautreliefs der Göttin Kali, Krischnas und des Elephanten-
gottes birgt. Ein wild aussehender Fakir mit mähnenartigem Haare
sitzt hier singend in Weltentsagung auf einem erhöhten Steine, von
-Almosen lebend.
Dem Tempel reiht sich die noch ganz gut erhaltene Götter- und
Helden-Gallerie mit Darstellungen der ersten Rädschputenfürsten, über-
lebensgroßen, leichtbemalten Hautreliefs aus Stuck an, welch letzterer
mit einer Glasur von Steingut überzogen ist. Alle Fürsten sind mit
gar grimmigen Gesichtern, zu Pferde und in reichem Waffenschmucke
sowie mit den verschiedenartigsten Attributen ihrer Macht dargestellt.
Bei der Bemalung der Pferde scheint der ehrenwerte Schöpfer dieser
Kunstwerke etwas fehlgegriffen zu haben, da alle Gäule entweder
himmelblau oder rosenroth sind. Interessant ist die Beobachtung, dass
Gewänder, Waffen, Schmucksachen und Rüstungen der Reiter, deren
sie sich vor vielen hundert Jahren bedienten, von den heute üblichen
nur wenig abweichen.
Während in den westlichen Ländern das rascher pulsierende Leben
der Völker häufig in nur kurzer Zeit auf den verschiedensten Gebieten
tief eingreifende Umgestaltungen mit sich bringt, vollziehen sich in
Indiens einheimischer Kunst und Cultur selbst im Laufe von Jahrhun-
derten nur ganz geringe VeränJerungen. Dieses langsame VurschreÜi
des Vulksgeistes in Indien beruht einmal darauf, dass hier Cultur und
Kunst schon in altersgrauen Zeiten tiefe Wurzeln geschlagen haben;
dann auf dem Umstände, dass die Inder ihre Traditionen und Gebräuche
theils des steten Connexes mit der Religion halber, theils vermöge der
Gliederung in Kasten, getreu von einer Generation auf die andere
vererben.
Auf dem Rückwege in unser Camp lauerte uns ein Bruder des
Maharadschas, Kischur Singh, ein sehr jovialer Herr, freundlich lächelnJ
vor seinem Landhaus auf. Er begrüßte uns, worauf ich wieder einmal
dem Sandelöl ein Taschentuch opfern musste und endlich von Kischur
und allen seinen Begleitern wie eine gefeierte Opern-Diva mit Blumen
und Kränzen überschüttet wurde.
Abends ergoss der Vollmond sein mildes Licht über unser Lager,
über das Fort und die vielen umliegenden Festungswerke, die sich in
gespenstischen Formen vom Horizonte abhoben; tiefe, nur hin und
wieder vom Bellen eines Schakals oder dem Rufe des Käuzchens unter-
brochene Ruhe umfieng uns. Lange wanderte ich, nachdem ich eine
Reihe vun Briefen für die Heimat vollendet, Gedanken und Träumen
nachhängend, unter den Vorwerken des Forts einher.
Dscbodpur, '2. März.
Der Ruf Dschodpurs, eines der günstigsten Terrains in ganz Indien
für Eberstechen zu sein, bestimmte mich, der Proposition Sir Pralap
Singhs, den heutigen Morgen dem Pigsticking zu widmen, bereitwill
Folge zu leisten. Um guter Beule gewärtig sein z\i können, hiefl
allerdings mit dem Frühesten aufbrechen. Die Wildschweine pUcf
hier in der Nacht von den Hügeln herab in die Ebene auf Äsung nus-'
zugehen und schon im Morgengrauen auf denselben Wechseln
in die steilen Schluchten der Höhenzüge zurückzukehren, um sich hier
für die heißen Stunden des Tages einzuschlagen. Da eine Jagd zu l'ferd«
auf Keiler in dem Hügelgebiete von Dschodpur unmöglich ist, muss der
Moment ausgenützt werden, in welchem das Schwarzwild die AsungS-
plätze bereits verlassen hat, sich aber noch in der Ebene befindet
wurde denn um 4 Uhr morgens gestartet. Bei herrlichem Mondschf
und kühler, angenehmer Morgenluft gienges zunächst zu Wagen dia
der Nähe des Forts gelegenen Hügel hinan, und von hierzu Herde
einer mit Steinplatten belegten Straße weit in die Ebene hinaus, wo
ulap
nach Art wn Vorposten aufgestülU, den Anbruch des Tages erwarteten.
Endlich färbte sich der östliche Horizont röthlich, verblasste der Schein
des Mondes, traten die Umrisse der nahe gelegenen Objecte deutlicher
hervor. Wahrend wir so auf unseren Posten aufmerksam ausspähtefi,
war Hardschi Sfngh in Begleitung eines gewandten Reiters einige Hun-
dert Schritte weit hinausgeritten, um Auslug zu halten. Nach kurzer Zeit
gab Hardschi ein Zeichen, worauf die beiden Reiter in der Direction
unseres Haltplatzes zurückgaloppierten.
Alsbald begann die Jagd mit einem scharfen Run. Das Terrain, auf
dem sich das Eberstechen abspielte, ist nach unseren Begriffen keines-
wegs zu so scharfem Galoppe geeignet. Hohes Gras, das nicht erkennen
lässt, wohin die Pferde treten, wechselt hier mit Dornbüschen und Stein-
platten ab, hie und da gibt es kleine Schluchten und an den Stellen,
wo ein Rudel Schweine gebrochen hat, tiefe Löcher. An dergleichen
gewöhnt, giengen unsere Pferde mit erstaunlicher Geschicklichkeit
füll pace über diese Hindemisse hinweg, wobei allerdings einige Reiter
stürzten. Unser armer General Protheroe kam so arg zu Fall, dass er
durch einige Zeit am ganzen Körper steif blieb.
Ich ritt einen besonders tüchtigen, arabischen Hengst, den Sir
Pralap Singh für mich ausgewählt hatte, und hatte, so beritten, die
Freude, als Erster mit dem Speer einen Keiler zu stechen, worauf
Hardschi demselben, einem starken Stücke mit schönen Waffen, den
Fang gab. Mein Hengst hatte sich sehr geschickt benommen; denn
als der Keiler, sobald ich ihm hinter dem Blatte den ersten Stich bei-
gebracht, mich sofort angenommen halte und meinem Pferde zwischen
die Beine gefahren war, setzte der wackere Hengst mit einem Sprunge
über den Keiler hinweg.
Nach diesem viel verheißenden Beginne wurde die Jagd immer
reger. Sobald die Sonne aufgegangen war, zogen die Schweine gegen
das Gebirge; von allen Seiten her kamen hier ganze Rudel, dort ein-
zelne Stücke heran. Da nur Keiler gejagt werden durften, mussten die
jagdbaren Stücke aus den Rudeln herausgesucht werden, so dass es
manche Fehljagd gab, weil es öfters erst bei näherem Herankommen
an die Stücke möglich war, festzustellen, dass der Jäger irrthümlich
eine Bache oder einen Überläufer verfolgt hatte.
Wir jagten ursprünglich in zwei Partien, deren eine von Pratap
Singh, die andere von Major Beatson geführt wurde, doch trennten
sich oft einzelne der Herren von ihrer Partie ab und folgten einem von
der andtiren Gruppe gehetzten Stücke; mitunter vereinigten sich wohl
auch beide Panien und machten einige Zeit gemeinschaftlich Jagd. Die
schärfsten und längsten Runs gaben immer die geringeren Stücke,
wahrend die starken Keiler sich bald stellten und dann Jeden annahmen,
der ihnen in die Nähe kam. Die Keiler von Dschodpur waren bedeu-
tend b('>ser und schärfer als jene, die wir in Gwalior gejagt hatten und
giengen blindlings auf die Pferde los, so dass mehrere dieser letzteren
geschlagen wurden.
Als Hardschi Singh mir im Verlaufe der Jagd meldete, er wisse
einen Keiler, der sich in einen Dornenhaufen retiriert habe, ritten wir
sofort an Ort und Stelle. Dort sprang Hardschi Singh mitten in die
iJfirnen, die hier von Bauern aufgehäuft worden waren, hinein, worauf
alsbald in der dem Reiter entgegengesetzten Richtung ein starker Keiler
mit auffallend schönen Waffen hinausflüchtete, den ich nach wenigen
Sprüngen erlegte.
Min besonders böser Bursche war der letzte Keiler, den wir jagten.
Dieser führte uns in ein Dornendschungel, wo er alsbald alles, waser
in Sicht bekam, angriff; selbst die Soldaten, die als Ordonnanzen in der
NiUic stunden, wurden nicht verschont. Wir hatten ausgemacht, dass
diesen Keiler Wurnibrand, der noch kein Schwein erlegt hatte, stechen
■loliU'; iliicli kam Wurnibrand leider zu spät an dasselbe heran. Ein Soldat.
wi'li'JK'ni das Thicr stark zusetzte, liess dasselbe auflaufen, wobei der
S|i('i'r ihuvli die Kraft des .Anpralles in Stücke gieng. Damit war die Jagd
zu \\\uU'; die Schweine hatten schon sämmtüch die Berge aufgesucht:
iln' Sonno stand hoch am Himmel und so zogen wir mit unserer Beule
''-' Ki'ilt'rn heimwärts.
I>ii'. lÜKi'biiis dos heutigen Pigstickings befriedigte uns höchlich.
Geschenk annehmen, wobei ich jedoch Jen Vorsatz fasste, dem freund-
lichen Spender nach meiner Rückkehr in die Heimat einen Lippizaner
zu senden.
Nachmittags standen abermals sportliche Unterhaltungen auf dem
Programme. Zuvor aber musste sich der zwölfjährige Sohn des Maha-
radschas, Mahärädsch Kumvar Sardar Singh, vor uns in verschiedenen
Fechtübungen, und zwar zunächst im Stockfechten producieren. Der
junge Herr zeigte sich hiebei äußerst geschickt und anstellig, und hieb
weidlich auf seinen Lehrer los, der ihm übrigens von Zeit zu Zeit auch
einen Schlag auf den Turban versetzte. Später kam das Fechten mit
Holzsäbeln und dann jenes mit Schwert und Schild an die Reihe. Zum
Schlüsse belobten wir den jungen Fechter, was ihn mit Freude imd
Stolz zu erfüllen schien.
Die Erziehung dieses Knaben stellt eine glückliche Vürbindung
körperlicher und geistiger Ausbildung dar. Erstere erfreut sich in den
verschiedenen Formen des Fechtens, Turnens und Reitens aufmerk-
samster Pflege und sichert dem Kinde eine gesunde, kräftige Ent-
wickelung; die geistige Ausbildung wird rationell betrieben und hat
schon jetzt anerkennenswerte Erfolge aufzuweisen, wie sich aus den
staunenswerten Fragen und Bemerkungen des Knaben über Österreich
folgern ließ. Obschon ich mir ganz klar bin, dass die bei diesem fürst-
lichen Sprossen angewandte Methode der Erziehung nicht für unsere
heimatlichen Verhältnisse, geschweige denn für den Durchschnitt
unserer Jugend maßgebend sein kann, so forderte, was ich hier sah,
doch unwillkürlich zur Vergleichung heraus.
Durch Hintansetzung der körperlichen Ausbildung einerseits
und durch Übermaß geistiger, oft übereilter und nur das Gedächtnis
beschwerender AnTorderungen andererseits, wird die allseitige Entwick-
lung unserer heranreifenden Generation verkümmert und in den jungen
Staatsbürgern nur zu häufig der Grund zu den mannigfachsten leib-
lichen Gebrechen gelegt, .allerdings bildet die Aufgabe, das richtige, auf
den Durchschnitt der lernenden Menschheit anwendbare Verhältnis
zwischen der körperlichen und geistigen .Ausbildung zu finden, ein
schwieriges Problem für die Pädagogik; es verdient daher Anerkennung,
dass namentlich in letzterer Zeit manche zweckmäßige Anläufe zur
Lösung desselben genommen wurden. Allein von dem anzustrebenden
Ziele sind wir wohl noch weit entfernt. Ich rede einer rationellen, den
verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen angepassten körperlichen
Ausbildung unbedingt das Wort, nicht nur ihrer hygienischen, sondern
insbesondere auch ihrer ethischen Bedeutung halher. Unter sonsi
gleichen Umständen wird ein körperlich gut entwickelter und gekräfligter
Mann sich in schwierigen, kritischen Augenblicken des Lehens besser
bewähren als die bedauernswerten Producle der überbürdenden geistigen
Treib hauscullur, die dann zu siechen beginnen, wenn steain üppigsten
blühen und gedeihen sollen. Selbst die souveränste Beherrschung der
Classiker, die vollste Vertrautheit mit den siibtilsten Geheimnissen <icf
Mathematik ersetzen im Leben jene Eigenschaften nicht, die den ganzen
Mann ausmachen. Eine angemessene körperliche Ausbildung unscrö"
Jugend scheint mir — ich wage diese Ansicht auf die Gefahr rückschritl-
lieber Allüren beschuldigt zu werden — selbst um den Preis ausgiebiger
Entlastung in scientifischer Hinsicht nicht zu theuer erkauft, weil ja
hiedurch ein Sinken des geistigen Niveaus nicht nothwendig bedingt,
höchstens die geistige Detailbildung hinausgeschoben ist — mens sana
in corpore sano.
Den Productionen des künftigen Maharadschas anwohnend, konnte
ich mich eines Lächelns nicht enthalten bei dem Gedanken an die .W
und Weise, in welcher wohl in der Heimat ein Kind gleichen Alters den
Gästen des Hauses vorgeführt würde. Wenn die glückliche Zeit vorbei isl,
in welcher des jungen Erdenbürgers Aufgabe und Verdienst nur darin
besteht, an Gewicht zuzunehmen, so hört der fördernde Einfluss auf
seine körperliche Ausbildung zumeist auf. Der Geist ist nun Alles; das
Kind möglichst früh, möglichst viel lernen zu lassen, das einzige Streben.
Väter und Mütter fragen nicht, ob der Junge laufe, springe, turne, fechte,
wohl aber, in welcher Ciasse er angelangt sei, wie, mit welchem Erfolge
er lerne, welche Sprachen er spreche; ja, wenn es thunlich ist,
das gequälte Kind sofort eine Probe seiner Fertigkeiten ablegen.
Zu der verfehlten, das Schwergewicht fast ausschließlich auf
geistige Ausbildung legenden Erziehungsmethode gesellt sich nuch
immer weitere Kreise der Bevölkerung erfassende Bestrehen, die Söhne
für die höheren Studien zu bestimmen — ein Bestreben, welches ilen
Sohn des Bauers vom väterlichen Pfluge, den Sohn des ehrsi
Gewerbsmannes vom väterlichen Handwerke hinwegdrängt und so
geistige Proletariat vermehrt, das meistens zugleich auch ein köi
liches ist. Socialpolitiker und Assentienmgs-Commissionen di
hierüber näheren Bescheid wissen.
Auf derselben Wiese, auf welcher uns zwei Tage vorher das
produciert worden war, führten uns die wackeren DhChodpurer n<
einige Reiterspieie vor, so das uns schon bekannte Tentpegging,
1
k-elchcni der kleine Sohn des Maharadschas sich auf einem 17 Faust
lohen Schimmel eifrig betheiligte; dann das im Galopp auszuführende
i^ntzwei hauen von Schafen (Goatcutting). Bei dem letzteren, echt asia-
ischen Spiele muss der Reiter an einem todten Schafe, welches an
inem Galgen hängt, in voller Carriere vorbeireiten und mittels eines
charf geschliffenen Säbels das Schaf mitten entzweihauen. Nur wenn
,uf einen Hieb die eine Hälfte des Schafes zu Boden fällt, ist die Übung
ichtig ausgeführt. Diesmal waren fünf Schafe in Intervallen von je
ünfzig Schritten aufgehängt. Auch hier zeichnete sich wieder vor allen
iardschi Singh aus, der meinen Hengst ritt und einmal rechts, einmal
inks hauend, alle Schafe mit je einem Hieb in zwei Theile trennte.
Wer Gelegenheit gehabt hat, die Dschodpurer bei derartigen halb
Lriegerischen, halb equestrischen Spielen zu sehen, ihre Gewandtheit
ind Kühnheit zu beobachten, vermag wohl gleich uns der herrschenden
ileinung beizupflichten, dass die Rädschputen mit Fug und Recht als
lie vorzüglichsten und tapfersten Krieger Indiens gelten.
In einem mit zwei sehr eleganten arabischen Schimmeln bespann-
en Kulschierwagen kam nach Beendigung der Reiterspiele der Mahä-
ädscha angefahren und lud mich ein, einem großen Wettkampfe seiner
lesten Ringkämpfer beizuwohnen. Da der Maharadscha bereits zu alt
ind zu schwer geworden, um den anderen Sports zu huldigen, findet
■r darin Zerstreuung, eine ganze Schar der auserlesensten Ringer —
iber hundert an der Zahl — zu halten, die alle aus dem Pendschäb
tammen. An dem Hofe von Dschodpur erhalten diese Kämpfer in
lesonderen Schulen durch Trainers die für ihren Beruf erforderiiche
Ausbildung durch tägliche, vielstündige Übungen und entsprechende
lahrung; die Ringer werden bei sparsam bemessenem Trünke reichlich,
Tsbesondere mit Milch und Butter, genährt, müssen sich jedoch an
;em einem Kampfe unmittelbar vorhergehenden Tage von Speise und
Trank völlig enthalten. Der Maharadscha interessiert sich sehr für
eine Schützlinge, kennt die Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen und
bestimmt die Kämpfer, die gegeneinander in die Schranken zu treten
laben, Nach den Kämpfen, die äußerst anstrengend sind, erhalten.die
tinger Geldpreise bis zu je 100 Rupien.
Wir saßen, von zahlreichen Würdenträgern umgeben, in einem
;roßen Zelte, vor welchem sich der mit weißem Sande bestreute
Campfplatz ausdehnte. Eine große Menschenmenge umstand den-
clben und nahm lebhaften Antheil an den einzelnen Phasen des
Campfcs. Besonders die Trainers der einzelnen Ringer geberdeten
sich wie toll und schrieen ihren Leuten unaufhörlich Ermahnungen
zu, Mehrere Ordner leiteten die Kämpfe und wachten darüber, Juss
den genau festgesetzten Regeln gemäß vorgegangen werde. Die Ober-
leitung des Kampfes ruhte in den Händen eines baumlangen, herkulisch
gebauten Mannes, eines ehemaligen Ringkämpfers, der den Titel »def
Heros* führt und seinerzeit der beste, der unbesiegt gebliebene Kämpe
Indiens gewesen ist.
Die Kämpfer schritten, bis auf einen Lendenschurz unbekleidet,
paarweise in den Kreis, um auf ein Zeichen des Maharadschas das Ringen
zu beginnen. Sechs Paare traten in die Schranken: hiebei waren ininief
Angehörige verschiedener Schulen einander gegenüberge.stellt, welcher
Umstand nicht wenig dazu beitrug, die Kämpfer zum Aufgebote aller
Kräfte anzuspornen. Besonders aufregend gestaltete sich ein Kampf
zwischen einem sehr corpulenten Ringer und einem etwas leichler
gebauten Kämpfer. Das Ringen endete mit der Niederlage des Kolosses,
worauf der Sieger — beide Kämpfer waren vor Erschöpfung beinahe
ohnmächtig niedergesunken — von seinen Trainers umarmt und von
der Menge bejubelt wurde. Jeder Kampf galt als entschieden, sobaU
einer der Ringer den Boden mit beiden Schultern berührt hatte: aber
selbst wenn ein Ringer schon »geworfen« war, wendete er sich heim
Falle oft so geschickt, dass er nicht auf den Rücken zu liegen kam.
Die Zähigkeit, Ausdauer und Widerstandskraft der Leute war
bewundernswert, denn nahezu alle Kämpfe dauerten zwischen 40 und
50 Minuten. Angesichts der vollkommenen Ausbildung dieser Ringer
erklärt es sich, dass ein Champion Englands, der nach Dschodpur
gekommen war, nur um sich mit den Ringern daselbst zu messen, nach
wenigen Minuten besiegt war. Zwei Stunden lang Sahen wir dem
interessanten Schauspiele zu; dann aber war es Zeit, an das Diner zu
denken, da unser Zug schon um 9 Uhr abends abgehen sollte.
Auf dem Bahnhofe nahmen wir von Sir Pratap Singh, Hardsclii
Singh, Major Beatson und den anderen Herren, die wir während unseres
nur allzu kurzen Aufenthaltes in Dschodpur liebgewonnen halten, in
sehr herzlicher Weise Abschied. Pratap Singh betheuerte, er habe von
allen Europäern, die er kenne, niemand so sehr schätzen gelernt, wie
mich und meine Landsleute. Wir erwiderten diese Worte mit der Xct-
Sicherung, dass lediglich das längst festgesetzte Reiseprogramm unserem
Bleiben ein Ziel setze und bekräftigten wahrheitsgetreu, dass die
Rädschputen unsere volle Sympathie hatten; auch nahmen wir den
genannten Herren das Versprechen ab, uns in Wien zu besuchen. Dann
riefen uns diese in deutscher Sprache -Waidmannsheil!« zu, ein Wort,
das wir ihnen gelehrt, — der Zug setzte sich in Bewegung und wir
verließen Dschodpur, von dem wir nicht ohne Rührung schieden.
Heller Mondenschein beleuchtete Berg und Thal, während wir
gegen Dschaipur hinsausten. Vor Mitternacht stieg leuchtende Röthe
am Horizont auf und eine halbe Stunde später fuhren wir mitten durch
einen weithin reichenden Steppenbrand. Das hohe, trockene Gras
brannte lichterloh; mit Blitzesschnelle züngelten die Flammen den Boden
entlang, einen Streifen um den anderen erfassend. Gleich feurigen
Riesenschlangen wälzte sich das entfesselte Element dahin; in rothen
Feuersiiulen stieg der dichte Qualm empor gegen den nächtlichen
Himmel, knisternd, prasselnd, knatternd, als ertöne Kleingewehrfeuer;
in Milliarden von Funken wehte die Lohe versengend über die Steppe . . .
Dschaipur.
I
Dschaipur.
Dschaipur, 3. März.
Die festlichen Empfänge in Indien folgen einander; aber sie gleichen
sich so wenig, wie die Städte. Jeder Empfang bietet ein neues Bild
orientalischer Pracht und Originalität, in welchem charakteristische
Eigenthümlichkeiten des Staates oder seines Herrschers zutage treten.
Auf dem Perron von Dschaipur harrten der Maharadscha Sir Mahdo
Singh Bahädur, der vicekönigliche Agent von Rädschputana Colone!
Bradford, der Resident von Dschaipur Colonel Peacock und die Staats-
würdentruger. Xach gegenseitiger Begrüßung und Vorstellung fuhren
wir in Galawagen eine halbe Stunde lang durch eines der merkwür-
digsten und interessantesten Spaliere.
Der Maharadscha stellt der indo-britischen Regierung keine
Truppen, auch befindet sich in Dschaipur keine englische Garnison;
hingegen obliegt diesem Staat im Kriegsfalle die Beistellung von
400 zweiräderigen Transportwagen mit 1000 gut eingefahrenen Ponies
und 666 Mann. Ein Detachement dieses Trains war nun — die Mann-
schaft in griinfarbiger Adjustierung — zur Bildung des Spaliers aus-
gerückt und dem Bahnhofe zunächst aufgestellt.
Die Fußsoldaten und die Reiter des Maharadschas, welche weiter-
hin ebenfalls Spalier bildeten, stellten eine höchst drollige und bunte
Horde dar. In den Reihen der Infanterie standen neben halbwüchsigen
Iiinnoii >ilbi'ibnilino liroisc; die ('icwühre, theils an defecten Riemen.
ihoiK (in Sihmlivn noiriigon, );i:li''n'^ii '■Icn uriiltesten, schier unglaub-
luhcn S_\>U'nion un, j.» soj^nr Foiicrsiein- und Wallbüchsen waren zu
m'Ih'H, die Adii'^iK'ninji, v*clcho jener europäischer Truppen nachge-
l>iK1i'l 1^1, ioi.-lineie >ich, oKvclion grCU^lc Parade angesagt war, durch
i'iiu-n /»-.iund « itlivhrtrt kliiiiliclicr VerUimpung aus. Die ",)fticierd
(l'-\\,»luu-n wenn i«;'');'''"!'' 'l«-"" AnMick ncich größerer Vemahr-
l.v>in\.i; äN »lio MaiinMiialV die (\*r5iniandos schienen auf die Ab:he:-
hiAs.-n nui woili*; V^iidnick ni machen, Hio Verfassung der (.' avallere
Will um ;iiv-lil> tvss<-r, d,-»> IVrdemaioha! klein, schlecht gewane:
uiU dsv NalJ.-l^ouj; v.\n j?i-radcf.i; des.ilaier BeschaffenheiL Das Au?-
>.'!i.-!i ,101 Tn^i'^iVLi ,ic> XlÄ^Ärjädi-cIi.is verräih auf den er&ien BücIl
.U-v^ .!.^:Vi , « :c«-.^!i] K-i.iN.'^V'"'- '"•J" >i"i'"'f ATnit'e keinerlei l:i:erej>:
>.-V; - -' .^■>■^■^ fr--;';.^!-; \ lolnic-: . \»'i>' ■-i.T- m^t,, gi.r.: u:>d \\>i: dem Hartr;.
i' -.•;> i'>:«,-'':x'..;jo:-. ":''..->c/'.;.-k ^; .-.ii-ii" "ichii^r: das Litfoige -rc
ind, als Bespannung von Kquipagen tüunend, -Hof-Ochsen-. Letztere,
velche mit grünen oder rothen Schabracken bedeckt waren, hatten,
ier Feierlichkeit entsprechend, die Hörner vergoldet oder mit grünem
l'uch umwunden. Mehrere, an verschiedenen Stellen placierte Musik-
japellen ließen unsere Volkshymne in allen möglichen Tonarten und
Fempi erklingen.
Unter dem Donner einer aus drei Kanonen bestehenden Batterie
;ogen wir in die englische Residenz ein, wo wir als Gäste des Mahä-
'ädschas unsere Wohnung aufschlugen. Vor den Thoren des Palais
itand eine Ehrencompagnie — aus Räubern bestehend. Diese Elite-
ruppe von Dschaipur ist thatsächlich aus den Räuberbanden, die
'rüher im Lande gehaust haben, recrutieit. Der Maharadscha konnte
dieser Plage nur dadurch Herr werden, dass er die Räuber zu einer
sauber uniformierten Leibwache umgestaltete, welcher Vorgang eine
gewisse Analogie mit der hie und da in der Heimat zu beobachtenden
Erscheinung zeigt, dass Wildschützen zu Jagdhegern bestellt werden.
Die Dschaipurer Räuber fanden an dem mit wenig Mühe und ver-
hältnismäßig gutem Leben verbundenen Dienste Geschmack, hängten
ihr früheres Handwerk an den Nagel und stehen nun eifrig Schild-
wache vor den öffentlichen Gebäuden,
In der Residenz empfieng mich Mrs. Peacock, die Gemahlin des
Residenten, mit ihren zwei Töchtern und deren Erzieherin. Ich und
Wurmbrand waren im Palais selbst untergebracht, während für die
anderen Herren in der Nähe ein Zeltlager aufgeschlagen war. Mit Rück-
sicht auf das begreifliche Bedürfnis nach größerer Bequemlichkeit und
Kühe hätte ich allerdings vorgezogen, gleichfalls im Zeltlager Quartier
nehmen zu können, entsprach jedoch dem Wunsche der Mrs. Peacock,
welche sich nicht nehmen lassen wollte, für unsere Bewirtung und
gesellige Unterhaltung zu sorgen. Voraussichtlich dürften wir infolge
dessen auch genöthigt sein, wenn wir von der Jagd ermüdet zurück-
kehren, in die grässlichen Fracks zu schlupfen, um mit den nach
englischer Sitte in großer Toilette erscheinenden Damen zu dinieren
und zu conversieren, anstatt in zwangloser Herrengesellschaft über
die Erlebnisse des Tages zu plaudern.
Der Maharadscha hatte mich bis zur Residenz geleitet und wollte
mir nach Ablauf einer kurzen Pause, die er mit einem Rundgang im
Garten ausfüllte, seine officielle Visite machen, doch erlitt diese eine
kleine Verzögerung, da das Laden der Geschütze der trefflichen Drei-
Kanonenbatterie, unter deren Donner der Besuch sich vollziehen sollte.
nicht rasch genug vonstatten gieng. Endlich krachte der erste Schus:
der Maharadscha trat ein und die Ceremonie der Darreichung von AI
und Pan sowie der Bekränznng nahm den üblichen Verlauf.
Hochgewachsen und von kräftiger Statur, stellt der Mahärädsi
eine stattliche Erscheinung dar, die durch das reiche Kleid und
prächtigen Schmuck — er trug nebst anderen Kostbarkeiten ei
herrlichen, mit großen Diamanten förmlich besäeten Säbel — auf
vorth eilhafteste zur Geltung gebracht wurde. Die Physiognomie d«
Fürsten aber zeigte den .^Xusdruck völliger Passivität; ich vermissie
in seinen Blicken jenen Feuergeist, der aus den klugen Augen vor-
nehmer RädschpLiten zu strahlen pflegt und schenkte willig jenen
Glauben, die den Maharadscha als ein gefügiges Werkzeug in den
Händen Englands bezeichneten. Von seinem Vorgänger Räm Singh
(1835 bis 1880) an Kindesstatt angenommen, hat der jetzige Fürst
von Dschaipur, ein Seitensprosse des uralten Dynastengeschlechtes
der Katschwaha-Rädschputen, wohl deren Blut, keineswegs aber ihre
Thatkraft geerbt.
Haben doch die früheren Katschwaha-Fürsten das Gebiet,
dem ihr Stamm vom Jahre 9t37 an herrscht, durch WaPfenthaten ;
erobern, zu vergrößern und zu erhalten, die Hauptstädte des Land
aber, Amber und Dschaipur, durch Künste des Friedens zu Metropot
zu gestalten gewusst, deren Bauten an Großartigkeil und Schönhi
mit den berühmtesten W'erken der indischen Architektur wetteifern. I
hat Amber, einst der Sitz der Minas, nach deren Unterwerfung aber fj
sieben Jahrhunderte lang (bis 1728) die Hauptstadt jenes Gebietes, dl
heute Dschaipur heißt, durch die Pracht seiner von Man Singh
Sivvai Dschai Singh geschaffenen Marmorbauten selbst den Neid tJl
Großmoguls Schah Dschehan erweckt. Das von Dschai Singh H., -d«
Astronomen* (1699 bis 1742) erbaute Dschaipur mit seiner elegant«
Schönheil gilt — dank der Regelmäßigkeit seines Grundplanes ua
vermöge seiner Luxusbauten, Paläste und Gärten — als einer 4
schönsten Orte Indiens.
Die Geschichte des Landes weiß von unzähligen VVaffenÜiiM
seiner ebenso klugen als tapferen Fürsten zu berichten. Von derÜW
macht der Großmoguln endlich gebeugt, wusslen sich die Fürsten J(
Reiches Amber-Dschaipur dadurch in ihrer Macht zu behaupten, das
sie als Kronfeldherren der Moguln deren Heere zu Stegen führten, >
welche, wie wir bei unserem Einzüge zu erfahren Gelegenheit gcM
halten, noch heute die Fahnen der Dschaipurer Truppen erinnern solKl
späterhin war Dschaipur, dessen Fürsten, der Oberherrschaft der ent-
arteten Moguln milde, die Maharatten als Befreier ins Land gerufen
hatten, in jene langwierigen Fehden verflochten, die erst mit der Unter-
jochung der Maharallen-Staaten durch die Engländer ihr Ende gefunden
haben. Doch schon im Jahre 1803 war der Maharadscha von Dschaipur,
den Wechsel der politischen Lage erfassend, in Beziehungen zu der
anglo- indischen Macht getreten und britische Truppen halfen den
Rädschputenstaaten das Joch der Maharatten abzuschütteln.
So wenigstens nach dieser Seite zur Unabhängigkeit zurück-
gekehrt, steht der Staat Dschaipur seither als willkommener Bundes-
genosse an der Seite Englands und unterhält seit Kam Singhs Regierung,
zumal aber seit der durch britischen Einfluss geförderten Thronbestei-
gung des jetzigen Maharadschas, die allerfreundlichsten Beziehungen
zu der anglo-indischen Krone.
Vorläufig stellt Dschaipur, wie bereits gesagt, zu dem Contigente
der anglo-indischen Armee nur Traincolonnen, Die einheimischen Streit-
kräfte — gegen 1000 Mann Artillerie mit 281 Kanonen aller Art, auf
31 Forts vertheilt, 16.000 Mann Infanterie und 4500 Mann Cavallerie —
sind, wie sich dem prüfenden Auge schon beim Einzüge offenbarte,
recht mangelhaft bewaffnet, adjustiert und beritten. Immerhin würde im
Falle eines Krieges diese Mannschaft zur Vertheidigung des Landes
brauchbar sein und, bei der zahlreichen Bevölkerung und den ergiebigen
Hilfsmitteln des Landes, leicht vermehrt und besser ausgerüstet werden
können.
Auf einer Fläche von 39.500 km' fast zwei Millionen Einwohner
zählend, gilt Dschaipur, dessen fast durchwegs ebenes Gebiet gut
bewässert und sonach fruchtbar ist, dank seiner zahlreichen, gewerbs-
neißigen und handelsthätigen Bevölkerung als einer der biühendsten
Staaten Rädschputanas. Das Jahreseinkommen des Maharadschas wird
mit etwa 4'/a Millionen Gulden ö. VV, beziffert.
Kaum hatte sich der Mahärädsha mit stummem Gruß entfernt,
so fuhr ich, nachdem ich das abermalige Laden der Geschütze abge-
wartet hatte, von ihrem Donner geleitet, nach der Stadt zum Palaste des
Fürsten, um diesem meinen Gegenbesuch abzustatten. Der Weg nach dem
l'alast war, weil die Residenz in beträchtlicher Entfernung außerhalb der
Stadt liegt, ziemlich lange und führte in einer Allee bis an das Siadtthor.
Dschaipur liegt am Fuße einer Hügelkette, die zu den Ausläufern
des Ära wali- Gebirges gehört. Diese Hügelkette schließt die auf dem
Hoden eines ehemaligen Ssebeckens angelegte, gegen Süden zunächst
von bcwits^frlüii (iärtcn. weiterhin von sandigem Terrain begreniie
Stiiilt an drei Seiten ein. Hier steil abfallend und die Stadt durch hoch
fielegL-ne Forts beschützend, senkt sich die Hügelkette im Norden
iiihniililich und birgt dort am Rand einer bewaldeten Schlucht di;
Koste der lUten Residenzstadt Aniber. Die Situation Dschaipurs in dem
nach Süden hin offenen Thulkessel hat der Anlage der jetzt nahez'j
liiO.iKX* Kinwohner zahlenden Stadt sowie deren Envetterung vollauf
Raum j-eboten. I>er im Westen Dschaipurs dem Tschambalstrome zu-
eilende KUiss, der jiroüe Teich Man sajiar, künstliche Wasserbehälter
und Hrunnen versorgen die Stadt und deren grünes Weichbild mi!
Trink- und Nuizwasser. I>or Cberlluss an Wasser, das günstige Klima.
die Keinlichkeit der breiten, mit Sieinlliesen belegten Straßen, die zahl-
reichen i."i;inen, die großen Plätze, die Straßenbeleuchtung — alle> ■ik-
veivinig! sich, um Dschaipur den \\»rzi:g einer äußerst gesunden Stad:
.:u Mchonv
hl IVchaipur, das wie a'-e Rädschriiu-r.städie stark befestigt unJ
\ i»!i einer h\>her. Wa'.Sniauer umschtossen is:. faSien sofon zwei eigen-
:h;:"',^ic'5e Krschei:'.'.;"};!.".- ay:. r.ä:^:lich die im rechter. Winkel gebauier.
brn-.ti':'. S:r.i;>e:'. d:o r..ich ihrer .Vnlajie wei: m-'hr in eine m-j-iier-t;
S;.ui: .i'.s hu-her i;ehörer. w>;rde:;. ur.d der S-e^'^l"-*^-g«- rosenfait-rje
.:.-.: d.-s El,-such=.'s dis t>:::.-;n v--. W-Ües. da danials au:" Befehl Je*
i;;;.:.-c~: v»>r.i^.-. "Uäs:;-, vi'^".i:-.c>.. «-.i -.--.in sj-::. die Frc-nten zah!-
■■•,^; .;>■■•• '.•:.•.;: ü.; \':r":;^^ wi.'iri Mihiriischi SIrr, Sirghs rü:
ver, Phag oder auch Abir genannt, bewerfen — dem Abfalle der Farbe,
welcher die Priester an diesem Feste das Idol Krischnas schmücken,
s hat zur Folge, dass sich der größte Theil der Bevölkerung an
sieht und Kleidung roth bestäubt präsentiert. Wenn auch bei diesem
icrze die rothe Farbe sich vorzugsweiser Beliebtheit erfreut, so
d doch auch Dunkelblau, Grün und Gelb nicht verschmäht; ja man
it zur Zeit des Holi-Festes Knaben, welche in greulicher Weise mit
imtlichen Farben des Regenbogens überhaupt bestrichen sind, in
jleitung von Musikkapellen von Haus zu Haus ziehen. Der Mahä-
scha pflegt sich am ersten Tage des Festes persönlich in den
ißen an dem Werfen des Pulvers zu betheiligen.
Wie man erzählt, soll der Maharadscha von Indor beim letzten
li-Fest ein eigenthümliches, jedenfalls sehr summarisches Verfahren
gewendet haben, um allen seinen Frauen das Vergnügen zu bereiten,
chzeitig mit rothem Pulver bestäubt zu werden. Er ließ die Frauen
linen Hof führen, das rothe Pulver in eine Kanone laden und diese
m gegen die armen Geschöpfe abfeuern, deren etwa zwölf diesen
:herz-< mit dem Leben büßten.
Der Maharadscha empfieng mich, meinen Gegenbesuch erwartend
l von seinen Würdenträgern umgeben, in einer offenen Säulenhalle
Palastes. Am Hofe von Dschaipur besteht die löbliche Einführung,
s während der Staatsvisiten ganze Scharen von Tänzerinnen ihre
iste vor den Thronsesseln producieren, ein Schauspiel, welches
ürlich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zieht und so
löglicht, den Austausch höflicher Phrasen auf das Unumgängliche
zuschränken.
Noch während der Aufführung langte die Meldung ein, dass
veit von der Stadt ein Tiger bestätigt sei und wir daher baldigst
dem Jagdplatze eintreffen möchten. Rasch empfahlen wir uns beim
härädscha, eilten in die Residenz, Gewehre und Jäger zu holen, und
ren dann in südöstlicher Richtung etwa 7 km hinter die Stadt, zu
er Stelle, wo bereits Pferde auf uns warteten. Auf dem Wege dahin
ncn wir an zahlreichen Ruinen von Tempeln imd Palästen vorbei,
en eine, jene eines alten, mitten aus einem Teiche aufragenden
astes, besonders erwähnenswert ist.
Hoch zu Ross einer gut erhaltenen Straße folgend, durchquerten
nun pittoreskes Hügelland. \n dem ersten Thale, das wir nach Über-
zung des Kammes der Hügelkette durchzogen, liegt, von hohen
.imen anmulhig eingefasst, ein Teich, der, durch einen großen
33 1
Querdamm abgeschlossen, das Wasser des von den Hügeln tienS
strömenden Baches aufspeichert. Oberhalb des Teiches, auf iea
Abhänge der waldigen Hügel erhebt sich der jetzt verlassene, von Man
Singh im Jahre 1600 begonnene Palast, der zur Zeit, als Amber noch
die Hauptstadt des Reiches war, vor den Maharadschas bewohnt wurJe
Die knapp bemessene Zeit gestattete leider nicht, dns Innere diese»
berühmten Bauwerkes, seine Höfe, Hallen und Pavillons zu besichligen
Von außenher konnten wir nur die großartigen Dimensionen des
langgestreckten, in mehreren Stockwerken aufsteigenden Fürslen-
schlosses, welches an die Bauwerke Dschodpurs und Gwaliors erinnert.
conslatieren.
Die Stadt Amber, am Westende des Teiches gelegen, ist heute zum
größten Theile zerstört und öde, bloß einige Priesterfamilien hausm
im Bannkreise der zahlreichen Tempel- und Palastruinen, die, zwiscbK
belaubten Bäumen malerisch gruppiert, ihre Spitzdome, Säulen, Tbönn-
chen imd Terrassen als Wahrzeichen einstiger Größe und Schönheit
erheben. Beinahe völlig erhalten sind die alten Stadtthore, sowie die
Befestigungen, welche im Zickzack laufende, mit strategischem Ceschid
ausgewählte Punkte der im Rücken der Stadt liegenden Hügelicetie
krönen. Diese mit zahlreichen kleinen Warten und mit Auslugthürmen
bewehrten Festen, welche crenelierte, mit Wartthürmen durchsetzle
Fliinkenwäüe und Mauertreppen zu Thal aussenden, blicken gleichsam
in stolzer Trauer hinab auf die Reste des einst so herrlichen .Ambef,
welches jetzt todl und verlassen daliegt, ein den Beschauer emsl
stimmendes Wahrzeichen des Wandels im Schicksale großer StäJle.
Der Weg wurde immer schlechter und steiniger, so dass wir nur
mehr im Schritte vorwärts kamen, bis wir endlich in der Nähe desJagJ-
platzes angelangt waren, wo wir Elephanten bestiegen. Die Ürtlichkeit.
in welcher der Trieb stattfinden sollte, — ein dschungelartig bewachsen«
Bergabhang, der in eine Art Thalkessel übergieng — versprach zva^
viel; weniger aber entzückten mich die künstlichen Vorbereitungen,
die gelrofi'en waren und sich so gar nicht mit der Jagd auf Tiger
zusammenreimen ließen. Da gab's zwei aus hohen Pfosten constniiert«i
mit einladenden Bänken versehene Hochstände, zu welchen ein durch
das Dickicht geschlagener, bequemer, mit feinem Sande bestreuter F^i"'
weg führte. Wenn man erwägt, wie lange die Eingeborenen infolge ihfct
Saumseligkeit wohl gebraucht haben dürften, um derartige Anlagen
auszuführen, und welcher Lärm bei dieser Gelegenheit im Thale w'ieitJ-
hallt haben dürfte, so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dass hieduP*
, aass nieoui*" g
ir etwa hier hausende Tiger in seiner Ruhe arg gestört wurde, und
Lss er Zeit hatte, diese Kunstbauten hinlänglich genau kennen zu
"nen, um ihnen nie in die Nähe zu kommen.
Das Terrain war gut eingeschlossen; einerseits war es durch
ne alte Befestigungsmauer, andererseits durch eine Felswand begrenzt
id im Thale durch die Elephanten, die in einer langen Reihe aufgestellt
aren, abgesperrt. Das Ergebnis des Triebes gestaltete sich meiner
3fürchtung gemäß. Eine große Schar Treiber war aufgeboten worden;
irunter wirkten auch einige hundert Soldaten mit, welche das
schungel mit ergrifiFenem Säbel durchsuchten. Allenthalben gab es viel
eschrei, kleine Raketen wurden abgebrannt, Musikkapellen schlugen
n — aber der Tiger ließ sich bei den Ständen, deren einen ich einnahm,
ährend alle anderen Herren auf dem zweiten postiert waren, nicht
icken. Einen Augenblick allerdings hatte in der Treiberlinie große
ufregung geherrscht; denn es hieß, ein Tiger sei nach rückwärts aus-
^brochen, worauf die Treiber sofort zurück und dann wieder vorwärts
^ordert wurden, was sie mit noch größerer Vorsicht und Langsamkeit
is zuvor, aber auch mit dem gleichen negativen Ergebnis wie das
"Stemal ausführten. Als der Trieb beendet war, erlegte ich einen knapp
ov den Treibern flüchtenden Sambarhirsch.
Im wundervollsten Mondscheine ritten wir nach Hause. Träu-
lerisch lag der stille See unter- dem Bergpalaste und den Ruinen der
tadt vor uns — ein Anblick, der theilweise für die misslungene Jagd
ntschädigte.
Dschaipur, 4. März.
Ich benützte die Zeit bis zum Einlangen verlässlicher Nachrichten
iber die Bestätigung eines Tigers zunächst, um die Sehenswürdigkeiten
)schaipurs, und zwar in erster Linie das dem Maharadscha gehörige,
inter Dr. Hendleys Leitung stehende Museum zu besichtigen. Dieses,
■■OT der Stadtmauer in dem etwa 28 ha umfassenden, prachtvollen Stadt-
?arke gelegen, imponierte mir durch seine Reichhaltigkeit, die zweck-
näßige Anordnung der Objecte und durch den überraschend guten
-rhaltungszustand. Das Museum zeigt, dass Dr. Hendley den ihm
f^ Vertrauten Schätzen mit Lust und Liebe vorsteht und mit Feuereifer
ir die Sammlungen arbeitet.
In den geräumigen Sälen des Erdgeschosses liegen alle Arten
Jnstindustrieller Erzeugnisse Indiens, nach Staatsgebieten und nach
^Zeugungsorten geordnet und sehr anschaulich gruppiert. Von den
333
Producten der priniilivsten Handarbeit dar Eingeborenen, so von Jen
höchst einfachen Schmuckgegensianden und Götterbildern an, bis in
den wertvollsten Erzeugnissen des Kunstgewerbes, ist hier die Ent-
vvickelung derkunstindustriellen Productlon in allen Stufen und Stadien
vorgeführt.
Im ersten Stocke befindet sich eine reichhaltige, naturwissen-
schaftliche Sammlung, Diese ist insbesondere dazu bestimmt, durch
Ermöglichung unmittelbarer Anschauung belehrend auf die Ein-
geborenen zu wirken, da Dr. Hendley von dem richtigen Grundsatie
ausgehl, dass diese Form des Unterrichtes den nachhaltigsten EinHiiss
zu üben vermag. In dieser Ablheilung sind Skelette und (Juerschniüe
der Hausthiere, Darstellungen ihrer Krankheiten, die Krniihrungsmillel
dieser Thiere — in einem anderen Räume alle giftigen .Schlangen Indiens.
die gebräuchlichsten .Arzneipflanzen, die zu Bauzwecken üblichtu
Materialien u, dgl. m. vereinigt, Jedes Ohject ist mit einer passenden
Aufschrift versehen und in systematisch richtiger, leicht fasslicher
Weise untergebracht.
Eine besondere Abtheilung bringt in 'l'erracottn- Figuren, Jic
wahrhaft künstlerisch modelliert und mit peinlicher Genauigkeit bcmail
sind, Typen des gesammten Volkslebens in Indien zu plastischer Dar-
stellung. In einem Schranke sind in dieser Weise die sämmtliclier
Gewerbe Indiens, in einem anderen volksthümliche Gebräuche, Hoch-
zeilen, Festmahle und Begräbnisse veranschaulicht; der Durchsclmill
eines Hauses zeigt dessen Räume und seine Einwohner, letztere tei
ihrer täglichen Beschäftigung; auch sind alle .Arten von Fakiren mit
den verschiedenen Formen der krankhaften Selbstkasteiung hier zu
sehen, Zu meiner Befriedigung erklärte sich Dr, Hendley bereit, (Iff
mich eine Collection dieser plastischen Darstellungen anlegen unJ
nach Wien senden zu wollen.
Rings um das Museum dehnt sich als weiterer Sclimuck desSUiB-
parks der zoologische Garten des Maharadschas aus. Dieses Vivariiim
fiel mir nicht bloß durch seine Reichhaltigkeil, sondern auch gi""
besonders durch das gute, sorgfältige Pflege bezeugende Aussehen der
Thiere angenehm auf; umsomehr, als mir die Thiere in den zoologischen
Gärten Indiens, welche ich bisher besucht hatte, durchwegs nicht (p)'
gehalten erschienen waren. Große Volieren bergen zahlreiche u»!
höchst interessante Vögel, darunter Angehörige mir noch unbekanc'*''
Elster- und Kuckuck-Arten in buntschillerndem Federkleide, fcrnf
Sumpf- und Wassergeflügel aller Arten. Die Familie der Raubthie«'"
sehr vollständig vertreten: desgleichen das Geschlecht der Affen, deren
einer, ein PaviHn (Hamadryas), in der besonderen Gunst des PuhUcums
steht, da er, ausnehmend bösartig, unter den greulichsten Grimassen
alle Umstehenden zu deren lebhaftem Vergnügen mit Steinen imd Sand
zu bombardieren trachtet. Kin nettes Haus, zahme Ottern enthaltend,
und eine Collectian von Hirschen verdienten besondere Erwähnung.
Spannend war ein Kampf zwischen zwei Rhinocerossen, in welchen
die beiden Dickhäuter aus irgend einer Meinungsdifferenz gerathen
waren, so dass sie nun einen äußerst erbitterten Strauß kämpften, dem
erst die Vermittlung mehrerer mit Stangen bewehrter Warter ein Ende
bereitete. Eigenthümlich ist der hier herrschende Gebrauch, die Rhino-
cerosse ganz mit einer schwarzen, glänzenden Farbe anzustreichen.
An den Besuch des zoologischen Gartens schloss sich jener der in
der Stadt gelegenen Kunstindustrieschule an, welche, dem Tellery'schen
Institute in Dehli ähnelnd, eine große Anzahl von Arbeitern bei der
Erzeugung von Schmuck und artistischen Objecten beschäftigt. In
einem Zeichensaale werden Knaben unterrichtet, die später als Modell-
zeichner in der Anstalt Verwendung finden.
In die Residenz zurückgekehrt, erfuhren wir, — zur raschesten
Überbringung von Nachrichten aus dem Jagdgebiete war zwischen
diesem und der Stadt ein Estafettendienst eingerichtet — dass leider
der kühlen Witterung wegen kein Tiger bestätigt worden sei; wir
pürschten daher in der Umgebung der Stadt auf Black-bucks.
Schon während der Fahrt nach Dschaipur waren mir von der Bahn
aus die Menge der Black-bucks und deren starke Gehörne aufgefallen,
eine Beobachtung, deren Richtigkeit sich bei unserer Pürsche bestätigte ;
denn die Bücke waren in der That nicht nur viel stärker, sondern auch
weit zahlreicher als in Haidarabad. Das Jagdterrain bildet eine Reserve
des Maharadschas, in der, ihn und den Residenten ausgenommen,
niemand einen Schuss machen darf; doch scheint keiner dieser Herren
dem Wilde daselbst eifrig nachzustellen, weshalb die Black-bucks hier
auch nicht so scheu sind wie anderwärts. Ich bediente mich zur Pürsche
eines fürchterlich stoßenden Ochsenkarrens, angesichts dessen das
Wild übrigens gut standhielt, und verständigte mich mit dem äußerst
gesprächigen und alleriei Geschichten zum besten gebenden Lenker
dieses Gefährtes pantomimisch, so gut es eben gieng. In dieser Weise
erlegte ich nächst einem kleinen Teiche einen jungen Riesenstorch,
einige indische Wildgänse (.i\nser indicus), sowie acht Black-hucks und
ein« Chinkara-Gazelle, letztere mit einem Coup double auf diese und
einen Black-buck. Mehrere der erbeuteten Böcke waren geradezu capi-
ta!e Exemplare. Die anderen Herren, die in verschiedenen Richtungen
gejagt hatten, brachten neun Biack-bucks heim.
Zum Schlüsse streifte ich noch einen Wasserlauf entlang und
erlegte zwei schöne, himmelblau gefärbte Porphyrhühner (Porphyrifi
poliocephalus), eine schätzenswerte Bereicherung meiner Sammlung,
Nach dem Diner, an welchem Mrs. Peacock mit ihren Töchtern
theilnahm, fanden sich zahlreiche W'affenhändler vor der Residenz ein.
die daselbst ihre Schätze auslegten und uns zu Ankäufen verlockten.
Dschaipur, 5. März,
Wir hörten zunächst in einer kleinen Kapelle die sonntägliche
Messe und fuhren sodann bei Regen, der uns jede Chance für die Tiger-
jagd verdarb, in den Palast des Maharadschas, um dieses Bauwerk einer
eingehenden Besichtigung zu unterziehen. In der Mitte der Stadt gelegen
und ringsum von einer hohen crenelierten Mauer umschlossen, bedeckt
der Complex von Palästen, Thürmen, Hallen, Höfen, Stallgebäuden,
Parkanlagen, Gärten, Teichen, welcher »Palast des Maharadschas«
genannt wird und im wesentlichen Dschai Singh seine Entstehung
verdankt, eine bedeutende Fläche, deren Langseiten je etwa 800 m
betragen. Der günstige Eindruck, welchen die ganze Anlage durch den
l'nifung, die Zahl und die pittoreske Anordnung der Bauten, den Reiz
der Baum- und Blumengärten beim ersten Anblicke hervorruft, wird
iirg beeinträchtigt, sobald man diesen Herrlichkeiten näher tritt; denn
allciithiilbcn macht sich arge Verwahrlosung, an den meisten Gebäuden
Unser Weg führte uns in den Marslall, in Jessen KeithaUe eine
inzahl vvohlgem ästete r, einheimischer Rosse von schönen Knmien in
er üblichen Weise vorgeritten wurde, wobei die Stallmeister, um die
.evaden, Pirouetten, Piaffen u. s. w. zu erzielen, recht unbarmherzig mit
ohen Hilfen arbeiteten. Schließlich wurde in einem der länglichen Hofe
les Marstalls ein Paar dicker Schimmel eine Viertelstunde lang in voller
'arriere umhergehetzt, bis die armen Thiere keuchend und pustend
hre Pflicht, uns von der Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit des Land-
chlages zu überzeugen, gethan hatten. Die Sattelkammer zeichnete
ich nur durch die Buntheit des Sattelzeuges und der Geschirre aus.
,Aus der Waffen kam mer wehte uns pestilenzialischer Geruch und
!ci- Hauch eingesperrter Luft entgegen. 0, Wohlgerüche Indiens!
n einzelnen Räumen der Wnffenkammer vermochte man überhaupt
lichts zu sehen; in anderen, in welche durch kleine, unsaubere Fenster-
;cheiben wenigstens etwas Licht fiel, fand ich eine sehr wertvolle
iammlung aller Üschaipurer oder, besser gesagt, Rädschput-Waffen:
eich mit Gold eingelegte Schwerter mit Damascener Klingen, zahlreiche
Eostbare Dolche und Handspeere, eine große Anzahl aus Elfenbein
)der Muschelschalen geschnitzter Pulverhörner, deren eines ich mir vom
^lahärädscha als Andenken erbat, und manche andere Kostbarkeiten.
Von der Waffenkammer aus machten wir eine Art Distanzmarsch
Kirch die Garten und Gartenhäuser des Palastes, um zu den beiden
lerühmten Krokodil- Teichen zu gelangen. Diese Teiche sind im Viereck
gebaut und enthalten schmutziges, grünes Wasser, in welchem die
•Crokodile sich besonders wohl zu fühlen scheinen. Der niedrigen
Temperatur halber waren die Thiere bei unserer Ankunft unsichtbar;
loch versprach ihr Wärter, dieselben herbeizulocken, zu welchem
Zwecke er die an einem Strick befestigte Leber eines Ochsen wiederholt
luf die Wasserfläche klatschen ließ, hiebei seine Schutzbefohlenen mit
Jen zärtlichsten Ausdrücken, wie -Komm', mein lieber Bruder, komm'!-
inrufend. Die »Brüder» schienen jedoch kein Verlangen nach der Lock-
>peise zu verspüren; denn sie regten sich nicht, und nur meterlange
Kiesenschildkröten schnappten, die plumpen Köpfe über den Wasscr-
üpiegei erhebend, nach dem leckeren Bissen, um alsbald wieder zu
verschwinden. Endlich, nach langem Rufen, tauchte ein Krokodil aus
jer schlammigen Flut empor und kam langsam gegen das Ufer, um
iiich daselbst an der Leber güUich zu thun. In dem benachbarten,
kleineren Teiche lagen, umschwirrt von SU)rchschnepfen, sechs groüe
Krokodile, auf den Schlammbänken sich behaglich sonnend. Die
-,. ^^ .I;- s.-.!« .idie vri hmr ^-^ ernst genommen, dass, als jünjisl
■i_ -.r- .:=;: "^^si i«i ^rnL ■■■"■m den Bestien erfasst, um Hilfe
-^■:?^ ^= s= Tti^cicuntien Anitehörigen nichts zu ihrer Ketlun);
-i-'Trw^.rr ~= bre^Ti Schmksaie überließen, um nur ja die f;eht!i-
t ^-riisr- iizzu:. r. -IKT Süsidenz noch immer keinerlei Mei-
.:r^ "~isr ri;nij;ijii:KT .vur. i.> bejjaben wir uns abermals in Jer
•u-.-j:^ -=r -^ilk:^ -l:: ^s -uud. Cwn Wasserlauf, an dem ich j^estem
■'.T— - — uiitÄf ;rr=ir tucji. i^streifend, erbeutete ich noch fünf
■— c ^=s4E ~<z:.'.:isx rSoiCis. Dass ich hiebei ein Dschunjjel-
, ■i','^;-^ • T mr m^ j«ni Sumpfe flüchtig wurde, sghüss,
- : ' -;-,^r j.^^- moh bej:JeHenden englischen Herren, wektn;
-"iT: _=- -s;r 'ipTcecrrii: Ausschließlich vorbehalten betrachten,
^ --■.=> u,!-^- ^"rx:^ ViTcthtn. — analog dem Schießen von Füchsen
, >- ■= 't. ,-;;- • -.i. huniing geweihten Boden — dass sie mich
^-^ "Ä-i' i jsTAdczu beschworen, solches Verschulden nie
=•■ .-r^ i'.>e-. zur Pürsche auf Black-bucks angeschickt. al>
.«'". v-^ssi ir.v. Reiter mit der Meldung angesprengt kam.
.' -iji-ü-SÄ- Kasch eilten wir in die Sladt, um Kinsky, der
;■ »:ir i^.r^holen. leider aber auch, um einem schlimmen
*v.vt.v^-" — -iie Residentin wünschte uns »viel Glück-.
- ■>- ■» jLCvttÄr.ner jeder Zweifel über den Ausgang Jcr
-.■>v
^ur unweit der Sladt in einem Thatkessel beslälij;!
-:t>- r"<r^.dnten. und zwar an den Fuß einer Lehne
der gegenüberliegenden Lehne durch das Gebüsch auf mich
chnüren sah. Im nächsten Augenblick schon musste er auf einen
eren Platz gelangen, wo ich ihn aufs Korn nehmen wollte; doch leider
plötzlich ein neben mir postierter Schikär?, ofiFenbar zur Warnung,
Treibern das Wort >Tschitä« (Panther) zu. Alsbald lassen diese
1er Richtung gegen das gefürchtete Thier einen Hagel von Steinen
l Felsblöcken niedergehen; der Panther schlägt um; ich sende ihm
s Geradewohl etwa 300;;/ weit eine Kugel nach; Pronay und Clam
;en meinem Beispiele — leider vergebens, in voller Flucht hatte der
ither bereits die Treiberwehr durchbrochen und war verschwunden.
Die F'lut meines sich über die hasenherzigen Schikäris und Treiber
ießenden Unwillens wurde durch einen Schikäri unterbrochen,
eher mit der Nachricht herbeistürzte, dass der Panther in einem
eren Thale neuerdings eingekreist sei. Nun hub eine wilde Jagd
jeder Schikäri versicherte sich eines oder zweier Schützen sowie
iv Anzahl Treiber und rannte mit diesen blindlings auf irgend
in Punkt des Thalrandes oder der Anhöhen zu; jeder wollte den
ther gesehen haben; die Treiber giengen planlos vor, hier schreiend
1 brüllend, da Büsche abklopfend, aus denen nur erschreckte Amseln
flogen, dort, Titanen gleich, Felsblöcke thalab rollend. Die Schützen
ssten, kaum auf einer Höhe postiert, thalwärts kollern, um sofort
der eine Lehne hinanzukriechen; denn bald hieß es, der Panther sei
Thale, bald, er habe sich den Hügeln zugewandt. Der eingerissenen
wirrung gegenüber blieb der die Jagd leitende Resident machtlos,
dass er den Dingen ihren Lauf lassen musste. Erst als die Sonne
:er den Bergen verschwunden war, gelang es uns, leidliche Ordnung
nachen und einen halbwegs planmäßigen Trieb zustande zu bringen;
er blieb aber alles vergeblich, vom Panther war keine Spur,' und nur
Sambarhirsch fiel der Kugel Clams zum Opfer.
Wieder in der Residenz angelangt, nahmen wir daselbst an dem
er mit den Damen des Hauses theil, sind aber nicht frei von der
.orgnis, dass die Ermüdung, ihre Rechte geltend machend, die Leb-
ligkeit unserer L'nterhaltungsgabe etwas beeinträchtigt haben dürfte.
Dschaipur, 6. März.
Dschaipur ist durch die daselbst üblichen Thierkämpfe berühmt,
che in dem Maharadscha einen eifrigen Förderer finden. Dieser
: für jenen Sport einen ganzen Zwinger von Thieren, die zu den
•.VM)
Kampfspielen ganz besonders trainiert werden. Früher dauerten ci;
Kampfe slei< bi* zur Kampfunfähigkeit, bis zum völlii:i;n L'mertieger.
des einen der Streiter, was sich jedi>ch dank dem Einflüsse der Eng-
länder, welche bestrebt waren, die Kämpfe ihres blutigen und grau-
sijmen Charakters zu entkleiden, insofeme geändert hat. als nunmehr
die Thiere knapp vor dem entscheidenden Moment getrennt werden,
l'ns zu Ehren wurde heute eine ganze Suite von Thierkämpfen Jer
verschiedensten An aufgetuhn.
In dem Hofe, wo tagszuvor die Pferde des Marstalles pn.iducier.
worden waren, standen, zum Strauße bereit, die verschiedensten Thiere.
Wie schon in .Ahvar mussten auch hier alleriei befiederte Recken -
Wachteln. Reb-. Stein- und Haushühner — ihre Kräfte messen. Die
wildesten Leidenschaften dieser, zum Theile äußerst zierlichen Kämpfer
waren, ebenfalls M'ie in Alwar, durch den .Anblick und die Lockrufs
des ewig Weiblichen, Hennen in Käfigen, entflammt.
Je mehrere Paare von Black-bucks, Gazellen und Schweinsbirscher
— letztere besonders erbitterte Streiter, die wüthend aufeinander lii>-
stürzten. so dass weithin das .Aneinanderschlagen der Gehörne schalli;
— fochten grimmig. .Auch Widder und mächtige Sambarhirsche. Jie
nur mit .Anstrengung getrennt werden konnten, sowie Büffel. Mauer-
brechern gleich daherstiirmend, betraten die Wahlstatt. Einen Glanz-
punkt des Schauspieles bildete der Kampf zwischen Wildschweinen.
wobei paarweise alle .Altersstufen, von Frischlingen angefangen bis zu
capttalen, achtjährigen Keilern, ringen mussten. welch letztere mit der-
selben Erbitterung kämpften, die man zur Rauschzeit auch in unseren
Thiergärien beobachten kann.
innerhalb der Arena Gallerien itngebracfit sind, unter uelchi;, durch
niedrige Thüren schlüpfend, jene Leute sich bergen kiinnen, dunen die
Aufgabe gestellt ist, die Thiere zum Kampfe zu reizen.
Auf ein Zeichen des Maharadschas iiffnete sich ein Thor, aus dem
ein mächtiger, mit gewalligen Stoßzähnen bewehrter Elephant in den
Kampfplatz trat, erstaunt um bich blickend und langsam d^n roth-
gekieideten Leuten folgend, die ihn durch Geschrei, Steinwürfe und
Schwenken von Tüchern zu erbosen suchten und, sobald der Elephant
sich näherte, sofort in die Rettungsplätze verschwanden. Endlich sah das
kluge Thier das Nutzlose seiner Bemühungen ein und blieb in der Mitte
des Hufes ruhig stehen. Nun wurde aus einem anderen Thore hervor-
schrcitend ein zweiter Elephant sichtbar, und sofort giengen die Thiere
hnchtretend im Trabe mit erhobenen Rüsseln und aufgestellten Ohren
auf einander los. Dröhnend prallten sie mit den Köpfen zusammen,
suchten sich mit den Rüsseln zu fassen, attaquierten sich mit den Stoß-
zähnen in der Flanke, so dass der eine den anderen fast in die Luft
hob. und jagten sich im Hofe umher.
Unserer gespannten Envartung auf den weiteren Verlauf des
Kampfes wurde jedoch ein vorschnelles Ende bereitet, da der um das
Wohl seiner Elephanten sehr besorgt scheinende Maharadscha, sobald
der Kampf ernster zu werden begann, die Thiere trennen ließ. Dies
gelang nur mit grotier Mühe und unter Zuhilfenahme von Feuerwerks-
kijrpern. die, zwischen die Kämpfenden geworfen, in Brand geriethen.
Übrigens geht es bei diesen Schauspielen nicht immer so glatt ab;
mitunter ist auch der Verlust von Menschenleben zu beklagen, da es
den wüthend gemachten Thieren zuweilen gelingt, eines oder des
anderen ihrer VVäiter habhaft zu werden; erst kürzlich wurden bei
einem derartigen Kampfe mehrere Leute getödtet.
Noch während der Production war die Botschaft eingelaufen, dass
etwa IQkm von der Stadt ein Tiger bestätigt worden sei. Wir brachen
alsbald auf, legten theils zu Wagen, theüs zu Pferde denselben Weg,
den wir am vorgestrigen Tage kennen gelernt hatten, bis zur alten
Stadt .Amber zurück und bogen dann rechts in ein Seitenthal, in dem wir
dank dem guten Boden die restlichen !ß km fast ganz im Galopp nehmen
krmnten. Das Jagdterrain — eine bewachsene Ebene, die aus weiter
Entfernung gegen die mit Wehren besetzten Höhenränder zu abge-
trieben werden sollte — ähnelte jenem, auf weichem die erste missglücktc
Tigerjagd stattgefunden hatte, und auch heute bemerkte ich zu meinem
Schrecken ähnliche kunstvolle Vorbereitungen, Hochsitze und Park-
nnlngen, wie bei jener ersten Jagd, st) dass ich mich auf das gleicht
Ergebnis gefassl machte. Der Trieb währte überlang, ohne dass der Tiger
sich hätte blicken lassen. Ich bekam nur — das einzige Intermezzo J«
Jagd — eine Hyäne zu Gesicht, die erste, welche ich in Indien gesehen.
Ein rascher Ritt brachte uns gerade noch rechtzeitig in Jk
Re-sidenz zurück, um uns für das bei dem Maharadscha um 8 l'hr
angesagte Bankett in Gala werfen zu können. Ich hatte zwar ersucht
von dieser Festlichkeit Umgang zu nehmen, doch bestand der Maha-
radscha auf derselben, nicht nur weil auch die Fürsten, welche ich vur-
her besucht, mich in dieser Weise gefeiert halten, sundern insbesondere,
weil er sich verpflichtet fühlte, des unbefriedigenden Erfolges der Jagden
halber ein übriges zu thun. Die mit Lampions und kleinen ÖUämpchen
taghell erleuchteten Höfe des l'alastes durchschreitend, betraten wir
die geräumige Säulenhalle, in welcher die Tafel gedeckt war und der
Maharadscha mich empfieng. Keider zog er sich nach der Begrünung
zurück, da ihm als Hindu seine religiösen Satzungen die Theilnahme an
dem Mahle, bei dem ich zwischen Mrs. Peacock und einer ihrer T&chtcr
saß. verwehrten, Er erschien erst zum schwarzen Kaffee wieder in der
Halle, worauf die üblichen vier Toaste — an Stelle des Mahnridscha<^
sprach dessen Minister — gehalten wurden.
Nach dem Diner producierte sich in einem glänzend beleuchtclen
Hofe das gesammte Balletcorps von Dschaipur mit seinen mimolonen
Tänzen und Gesängen. Die Bürde der Regierung scheint den Mahn-
rädscha kaum besonders zu drücken; man sollte vielmehr glauben.
d«ss ihm seine einen abgesonderten Theil des Palastes bewnhnendc
,\rmee von Frauen, wie man sagt 5000 an der Zahl, weit quälenderv
Sorgen bereitet. Jedenfalls sucht und findet der Maharadscha J«nn
Zerstreuung, dass er allabendlich bis zum Morgengrauen in einem der
Palasthöfe den Productionen der Tänzerinnen beiwohnt.
Hin Feuerwerk markierte den Schluss des Festes. Lächelnd wei-
dete sich der Maharadscha an dem Anblicke der Raketen, Schwärmer,
Sonnen, bengalischen Lichter, an dem Krachen, Sprühen und Zistrhen
der aufleuchtenden Fronten, imd in heiterster Laune machte er unsaui'
pyrotechnische Effecte aufmerksam, die sein Wohlgefallen besondtm
erregten.
Dann nahmen wir Abschied von dem licbenswlirdigen, ptft-
frcundlichen Maharadscha, nicht ohne die Taschentücher neuerlich dem
Sandclöl und die Uniformen der besonders für die Guldsorlcn abtriJt'
liehen Einwirkung feuchter Blumenkränze preisgegeben zu habea
^
Dschaipur — Agra, 7. März.
Die Kinwaggonierung der umfangreichen Bagage erwies sich als
ein so langwieriges Geschäft, dass unser Extrazug erst um die neunte
Morgenstunde flott wurde. Von Dschaipur aus strebten wir über Agra
den Jagdlagern in dem Gebiete von Xepal zu.
Die Erfolge der bisher ausgeübten Eisenbahnjagden veranlassten
mich, den ganzen Tag diesem originellen Sport zu widmen, und sn
stand ich, während der Zug in östlicher Richtung auf der Linie der
Bombay Baroda and Central India Railway über Bandikui und Bhartpur
gegen Agra rollte, mit Clam auf der Plattform meines Waggons, in
voller Fahrt alles Wild beschießend, das der Strecke entlang sichtbar
wurde. Ich erlegte auf diese .Art 208 Stücke, darunter Geier, Falken,
Reb- und Steppenhührer und eine große Zahl von Wildtauben,
Gegen Abend erreichten wir wieder das Gebiet des Maharadschas
von Bhartpur, woselbst es von Nilgaus wimmelte. Hatten wir nun, unge-
achtet des diese Thiere schützenden Jagdbannes, schon aniässlich
unseres Aufentlialtes in Bhartpur dem Maharadscha mehrere Nilgaus
vorweg genommen, so konnte ich jetzt, wo ich nicht als Gast dieses
Staates, sondern nur als Durchreisender Bhartpurer Boden unter mir
hatte, umso weniger der Versuchung widerstehen, noch einige dieser
Riesenantilopen niederzustrecken. Der Leiter des Zuges, der uns schon
bekannte passionierte Jäger — auf diese Eigenschaft wies auch seine,
für einen Eisenbahn -Director allerdings seltsame Kleidung, ein Jagd-
gewand, hin — postierte einen der Zugsdiener auf das Dach des
Waggons und hieü ihn mittels eines Fernglases Auslug halten. Dieses
.Arrangement bewährte sich vortrefflich; denn plötzlich, inmitten eines
dichten Dschungels, stoppte der Train, kam der Zugsleiter herhei-
gestürzl und machte mich auf ein Rudel Nilgaus aufmerksam, die etwa
500»! von uns entfernt ästen, Ich verließ den Waggon, pürschte mich an
und erlegte einen starken, schön gefärbten Stier, der sofort aufgebrochen
und in den Waggon gethan wurde. Der Zug gieng sausend weiter, um
eine halbe Stunde später abermals Halt zu machen, worauf Wurmbrand
einen NÜgau-Stier anschweißte, den er jedoch nicht auszumachen ver-
mochte. Knapp vor Einbruch der Dunkelheit pürschte ich mich abermals
an zwei Stiere an und war glücklich, beide Stücke zu erlegen. So
verließen wir denn das Gebiet von Bhartpur mit einer Beute von drei
Nilgaus, hoffend, dass auch diesmal dem Maharadscha unser Wild-
schützcnzug ein Geheimnis bleiben werde.
tin Agra hallen wir dtn Zug zu wechseln. Wir Tanden liastHlK
den Matrosen wieder, der fieberkrank zurückKeblieben war, dodt haut
sich dieser so wenig erholt, dass ich ihn direcl nach Caicutta expedieren
tieü. Hier wurde auch John sowie ein zweiter indischer Diener, die sirh
beide durch besondere Saum sei if^keit ausgezeichnet hatten, entlaawn.
Wir nahmen noch von Dr. v. Lorenz, der von Agra aus zunächst
naeh Caicutta und dann nach Wien zurückkehren sollte, Abschied tin.!
setzten hierauf unsere Reise fort.
. jß?fc*v
Nepal.
Jagdlager in Dakna Bägh.
\'on A^'ra aus hatten wir in nordwestlicher Kichtung bis Aügarh
lit! East Indian. von Aligarh ab in nordöstlicher, beziehungsweise öst-
icher Richtung die Oudh and Kohiikund Railway benützt. Um 6 Uhr
ruh langten wir in Bareilly an und liefen hier in die schmalspurige Linie
1er Rohilkund Kumaon Railway ein, welch letztere uns an unsere nord-
östlich liegende Endstation Pilibhit zu bringen hatte, von wo aus die
;roße Expedition nach Nepal ihren .Anfang nehmen sollte. Der Morgen
rar klar und sonnig, und unmittelbar nachdem wir die Station Bareilly
erlassen, winkten uns die Vorberge des Himälayas in bläulichem Duft
ntgegen. Wie glücklich war ich, wieder Berge mit grünenden VVäl-
iem begrüßen zu können; ihr Anblick versetzte mich in die gleiche
;ehobene .Stinnmung, die mich damals erfüllt hatte, als ich gegen
)ardschiling gefahren war. Allmählich tauchten hinter den Vorbergen
ilendend weiß, in Eis und Schnee starrend, die elirwürdigen Häupter
les Himälayagebirges empor; ein eigenthümlicher Contrast — die
[elbe ausgedorrte Ebene, aus dieser schroff aufsteigend die bläulich
H:himmemden V'orberge, und hinter ihnen, weithin leuchtend, in
najestätischer Ruhe aufragend, die Spitzen des Himälayas.
- Mr. Ma-pn.-r- -..
.-.-r;inL:i;mi.'n!? :"l'
«:r uns Jor ni-pü-
--.. J■,■^t'l üF?i.i;cr
^;-.l .»cncn \V;ilJ-
•..:. si.-inL-> H..1Z.--
■■,: unseren Ki^-hur.
ji-L-rannt i^t, J^n;
:r.-:'::!v:ho S^-Jiluri-
.:j;-',;il Lind :iiii:h
:=rUVf,'Z..-v..r:
..-r-. bald dUR-i;
-,-:=-(.•> Vieh cir
::. ..renzoXeraS
-^:-,-^ KeMdenU'::
KxpL'diiii'a iilicr-
- ■■-::. n.^ficbicienJi.-
j;'. nieinen Jji.u'ii-
ire !<r...k..di!e.Jio
welcher die Natur keine Scliranken kennt, alles sich entwickelt, Redeiht,
zugrunde geht, ohne dass die regulierende Hand des Menschen ein-
grifle: hier sollten wir auf reißende Thiere jagen und das Leben und
Wehen der Thierwelt im Urwalde belauschen. Volt der schönsten
Hoffnungen betraten wir den Boden Nepals; hatten wir uns ja schon
wahrend der ganzen Reise auf diese Expedition gefreut und bei
mancher festlichen Gelegenheit sehnsuchtsvoll an die Jagdlager und
die Tiger gedacht.
Gleich der erste Eindruck war ein sehr günstiger und viel-
versprechender. Die herrlichste Gegend, su grundverschieden von der
zumeist monotonen indischen Ebene — im Hintergrunde Berge, überall
Dschungel — und ein Zeltlager nach meinem Herzen empfiengen uns.
Da gab's keinen Blumenschmuck, keine Gärten mit Springbrunnen.
keine Stein- und Mosaikzier, Jeder von uns hatte ein kleines, prak-
tisches Zelt, das mit einer Liegerstatt, einem Sessel und einem Tische
versehen war und genügenden Raum für Unterbringung der Effecten.
Gewehre und Patronen bot. Um die Zelte lagerten in großer Zahl die
Schikäris, die Elephanten- und Kameeltreiber und Kulis, welch letztere
das Lager aufzustellen und abzubrechen hatten. Dasselbe war unter
mächtigen, schattenspendenden Bäumen, an einer im N'olksmunde
• Dakna Bägh« benannten Stelle aufgeschlagen und hatte uns bald
gastlich aufgenommen.
Der Staat Nepal ist ein eigenthümliches und im allgemeinen noch
wenig bekanntes Land, das im Norden an Tibet, das große Nebenland
Chinas, im Westen und Süden an die indischen Nordwestprovinzen, im
Osten an Sikkim grenzt. Wie Bhutan, von welchem es durch Sikkim
getrennt ist, hat sich Nepal bis auf den heutigen Tag dem anglo-indi-
schen Reiche gegenüber, welches mit Ausnahme Nepals und Bhutans
das gesammte Himälayagebiet und damit die strategisch wichtigen
Pässe nach Turkestan und Tibet beherrscht, seine Selbständigkeit zu
bewahren gewusst. .\n dieser Thatsache hat die .Anerkennung der
englischen Suzeränität seitens Nepals ebensowenig geändert als der
Umstand, dass das anglo-indische Heer unter seinen Sipois eine nam-
hafte Zahl nepalischer Krieger, Ghurkas, — lö Procent des gesammten,
nach der letzten Volkszählung aus i 10.000 .Mann bestehenden Sipoi-
Continge/its — zählt. Denfi diese Ghurkas oder Khas, wie die kräftigen,
kriegerischen Hochländer Ost-Nepals, des Districtes Ghurka, ohne Rück-
sicht auf die verschiedenen Racen, denen sie angehören, heißen, dienen
nur außerhalb ihres Stammlandes und, bis auf ein kleines von Nepal
Stromgebiete des Ganges angehörige Wasserläufe beleben und befruch-
ten, wird überall Terrassencultur getrieben, Gerste und auch Weizen
gebaut; in den nach Indien zu abfallenden tieferen Territorien gedeiht
selbst noch der Reis. Einzelne Landstriche, wie das etwa 20 km lange,
stark bevölkerte Kesselthal, in welchem Katmandu. der berühmteste
Marktort des Landes, dann Nayakot, die einstige Winterresidenz der
Fürsten von Nepal gelegen sind, zeichnen sich durch subtropische
Vegetation, herrliche PVuchtgärten und reiche Bewaldung der Höhen
aus. Eisen- und Kupferwaren, sowie Papier aus der Faser der Daphne
cannabina, Harze und andere Producte des Waldes, Pelze, Opium,
Wolle, Tuch, Salz, Türkise und Goldstaub, ferner die kleinen, vortreff-
lichen Pferde des Landes und endlich Moschus von den vormals hier
zahlreichen Moschusthieren (Moschus moschiferus) bilden neben den
Erzeugnissen der Bodencultur die wesentlichsten Productions- und
Handelsartikel Nepals. Der Handel ist sowohl nach Tibet, als auch
nach Nordwest-Indien hin ein reger, wiewohl ihn allerlei Zölle und
Taxen belasten und der Transport der Waren über manchen der Pässe
ein höchst schwieriger ist. Für das Jahr 1892 wird die Einfuhr nach
Nepal auf 11,759.314 fl. ö. \W. und die Ausfuhr aus diesem Lande
auf 10,071.685 fl. ö. W. bewertet.
Die geographische Gestaltung Nepals ist in ihren Details noch
wenig bekannt, da der Maharadscha, welcher eine sehr begreitliche
Abneigung gegen kartographische Aufnahmen des Landes besitzt, dem
Eintritte von Europäern, insbesondere aber von Forschungsreisenden,
die größten Hindernisse bereitet. Es ist denn auch nur selten ein
Forscher hier eingedrungen, und der größte Theil der Routen im Innern
Nepals lediglich durch einzelne von der anglo - indischen Regierung
entsendete, verkleidete Panditen — Eingeborene, die bei Vermessungen
und P2rforschungen in den Europäern verschlossenen Gebieten Verwen-
dung finden — ausgekundschaftet worden.
Das Areal des Staates wird auf etwa 154.000 ä';;/-, die Zahl seiner
Bevölkerung — X'olkszählung ist hier wohl durch Schätzung ersetzt —
annäherungsweise auf 3 Millionen angegeben.
Die Einwohner Nepals stellen ein Gemisch von Völkerschaften
dar, in welchem tibetanische Elemente überwiegen, doch findet sich
hier auch viel arisches Blut. Insbesondere rühmen sich die Ghurkas,
oder Khas wenn auch meist mit Unrecht, echte Hindus zu sein und der
Kriegerkaste der Kschatriya anzugehören. Der Typus der Nepalesen ist
fast ausschließlich mongolischer lugenart.
351
Tibetanischen Ursprunges war auch das, dem Volke der Newa:
angehörige Fürstenhaus, welches, in Kirtipur nächst Kalmandit residit-
rend, im Jahre 1707 von den Ghurkas entthront worden ist. Das gegen-
wärtit; herrschende Ghurka-Haus Sahi rühmt sich der Abstammung vnr
den Rädschpulfürsten von Udaipur — ob mit Recht, bleibe dahingestflll.
Die Newars, welche die Mitte des Landes rings um dessen Haupt-
stadt bevölkern, stellen auch heute noch das reinste nationale Klemcnl
der Nepalesen dar. Die politischen .Aspirationen und die Sitten im Südtn
und im Westen des Landes tragen vorwiegend hinduisches, jene im
Norden und Osten tibetanisches Gepräge.
Von 1792 an, nach einem unglücklichen Feldzuge der GhurkA?
gegen Tibet, kurze Zeit hindurch nominell zum chinesischen Reiche
gehörig und seither demselben tributpflichtig, suchte Nepal eine
Annäherung an England, die jedoch in der Folge zu kriegerischen
Verwicklungen mit diesem führte (1814), welche mit der Abtretung Jer
Gebiete Kumaon und Garwhal. sämmtlich im Westen des Reiches gelcften,
endigten. Auch wurde der ostindischen Compagnie zu jener Zeit der
Transithandel über nepalisches Gebiet mit Tibet zugestanden. Aus der
Geschichte Nepals sind ferner hervorzuheben der Krieg, den dieses im
Jahre 1855 gegen Tibet geführt hat, und die Erweiterung des nepalisch«!
Gebietes gegen den Brahmaputra zu (18)37),
Für den gegenwärtigen, noch minderjährigen Maharadscha Adhi-
radsch Bikram SchamschirDschang (geb. 1874) führt der erste Minister.
Hir Schamschir Dschang Rana Bahädur die Geschäfte der Regierung.
Die hohe Stellung eines Ministers in Nepal soll aber eine ziemlich gefiihr-
lichc und grftßtentheils von kurzer Dauer sein, da die Minister hier,
sobald sie einige Zeil ihre Functionen ausgeübt haben, zumeist eines
({ewultsamen Todes sterben. Es gibt in Nepal eine Menge kleiner
Parteien, und wenn der Minister der einen Partei unbequem odef
zu grnüe Einllussnahmu in Hofkreisen missliebig geworden ist,
einfach aus dem Wege geräumt.
Der Maharadscha besitzt eine Heeresmacht, welche nach neueren
yilellun aus 17.1X^1 Mann regulärer, mit Enfield-Gewehren bewaffneter
und i;t,(XX) Mann irregulärer Truppen bestehen soll. Die Einkünfte des
Fürnlon bulfiufcn sich auf einen Wert von etwa 11,550.000 fl. ö. \
Diu llnupt- und Residenzstadt Katmandu, ihrer Bauart
nahcxii rein tibetanischen Gepräges, mit einer Ei nwi>hn erzähl
"(I,IK10 Seelen, liegt im Innern des Landes, H4 l:m vim der nächste"
Klitunliiilinnlalkon untferni.
Iciner I
ueren I
hcter
jdes I
; Gegend, in weicher wir durch mehr als zwei Wochen jagen
sollten, ist das obenerwähnte Tarai -Gebiet, eine schmale, sumpfige
Ebene, die zwischen dem Grenzflusse Nepals, Sarda, und den Ausläufern
des Himälayas liegt und durch ihren Wildreichthum bekannt ist; auf
Befehl des Maharadschas geniei3en hier selbst die Tiger einer gewissen
Schonung. Nicht ohne Schwierigkeiten ist die Eriaubnis zu erhallen,
in diesem jagdlichen Paradiese dem Waidwerke obliegen zu dürfen. In
der Rege! werden nur in jedem zweiten oder dritten Jahre größere Jagd-
expeditinnen zusammengestellt, welche dieses Gebiet während einiger
W<ichen durchstreifen. An dem letzten Jagdzuge hat der seither verstor-
bene Herzog von Clarence theilgenommen; vor ihm hatten der Herzog
von Orleans und im Jahre 1875 der Prinz von Wales hier gejagt. Auch
der britische Resident in Nepal, durch dessen Vermittlung ab und zu
einzelnen englischen Sportsmen die Bewilligung ertheilt wird, in den
Grenzgebieten zu jagen, weilt des öfteren während der Wintermonate
hier, sein Waidmannsheil zu versuchen.
Leider ist gerade der die besten Jagdplätze enthaltende Theil des
Landes durch die daselbst herrschenden Fieber übel berüchtigt und dünn
besiedelt, da die Bevölkerung durch Krankheiten aller Art decimiert
wird. Die Regierung thut das Möglichste, um das Land zu bevölkern,
Iheilt Grund und Boden unentgeltlich aus und begünstigt Nieder-
lassungen in jeder Weise, ohne jedoch bisher ein wesentliches Resultat
erzielt zu haben.
Bei Jagdexpeditionen von dem Umfange der unseren, bildet die
Verpflegung so vieler Menschen und die Ernährung so zahlreicher
Thiere eine besondere Schwierigkeit. Hatten wir ja doch einen Ver-
pllegungsstand von 1223 Mann und 415 Thieren, darunter 203 Ele-
phanten! Erwägt man, dass ein Elephant täglich an Futter etwa 75 kg
Heu oder Gras sowie Brot und Körner bedarf und dass selbst diese
Futterstoffe aus weiter Entfernung herbeigeschafft werden müssen, so
lässt sich ein Schluss ziehen auf die GröUe des Apparates, welcher
lediglich für die tägliche Approvisionierung des Lagers in Bewegung
gesetzt werden musste. Der Bedarf für unsere Küche kann nur vim
Pilibhit, also einer Entfernung von 41 km, gedeckt werden, da das
Jagdgebiet bloß das liefert, was wir an Wild erlegen.
Das Arrangement der Jagden wird von dem Residenten im Vereine
mit einem Oheime des Maharadschas, namens Kesar.Singh, und dessen
.Stihne Prem Schamschir besorgt, welch letztere der Maharadscha zu
diesem Zweck entsendet hatte.
Di» tfs lioi uiisorom EintrL'ffen in Dakna Bägh noch früh an Jer
Zoit war. wünschlc ich die rni^öhung des Lagers zu durchstreifen,
wonuil" der kesidont sofort .W Elcphnnten zur Treibjagd beorderte. In
dem tlebieie, in welchem wir uns befanden, kann bloß mit Elephanlen
jjeliieben werden, du das Uschiingel viel zu hoch und dicht ist, als
iliiss ein KuiJiiJinjier durchzukommen, j-eschtteige denn Wild heraus-
:;uii\'iben venHiWhtO- .\uf das ».\»mni,indo 'Line« stehen in wenigen
.\ui<enbhcken >ämmtliche Klephanien in einer Linie gerade ausgerichw
di>, die cinjrelnen "Phierv jiemlich nahe aneinander; die Schützen ^inJ
in ihfx'n lläudAs in bestimmten Intervallen einpelheilL Trotz mancher
l "nebeiiheiten des rerrains und r,-»hlTeicher Hindemisse rückt die Linie
»n \\«Hsier **rdnui\i; \\*r. fa^t wie es bei einer wohlgeregelien und auf-
gesteckten Haseni.-»j;vi i" B^'hmen der K,»!! ist.
M'ssJich bU-ib; :';:r die uns scroti bekannte Schwierigkeit, au-
,ter ll,i',:da sicher ;;; schteöe:;. Ir. ,;eT Regel gesjaaea die L'msiänJe
■■,!C^:, de« K;erhA:;:e-' ha;:en ru Uisser, s^>>n^em der Schflue mus« meis
>e:->'^'! Sv->;viss A;-i\!br,';j:sr- si:c^e^. wihrvr;^ die ^ewalüpe Masse i:;
Hi^we»:',:'>i: -s;. Nur we^-:^ es si.-h ■,;"• Ss.-?:C;s*e r:ti: der Kui^fi handelt, die
~,v>-: j;at iü rT>k.:;:n: \v.i.nirr, r,:-^. — d.-r der: Mihit:: dAS \\\»r: -Rök
HdL- iJ^ ,-^i,:'ec?>. wr; \v:r sc?r..'-- -.viöe<^>-t ii^'ihnK:, :Äe Hlüda. auch
w^— j;t K>r->J.-: ■■ i;? Hiw-'^'J."*: — ■ehX':- -?-.<h ?«ieu:err>f schwarfe.
L>j.-'v cjr V..'(-,:x:.-i ■:- -i^r. ■T'j.> ;r^r jd^-i'^i^urr: zuLLnsijiep. 3r.-^ übri»:ens
>.■>,■;■ -j-C'- ws".-.^vr- r^i'^r- s;;;-r ■'aurrÄ K'JÄs'sotCÄ?* s^U^ wy: jeni
ÜV" b; ".^^ ö'js .'ju-rs -^ sei'-- ■Aeserrci»:*! •Kn ixn il^Avr.
_ v -■■,'--.--■."' -.■^■■s:i.-v-..>-.'.-;-;r*: b~;-i^J'e- iuf ces- ■irscirsc fcc^c-xwr:
einstimmen, um überdies durch ganz unzwcideuligü Geberden ihrer
[ieringfichätziing des hilflosen Jägers Ausdruck zu geben. Anfänglich
ist der Jäger Gegenstand sorgfaltiger Beobachtung seitens des Mahäuts,
ier, wenn der Schütze Hich als wohlbewandert in der Handhabung
ier Büchse und treffsicher erweist, bald Vertrauen zu demselben fasst
und sein Möglichstes thut, ihn zum Schusse zu bringen.
Der unternommene Streif lieferte uns einen Schweinshirsch (Cervus
porcinus), mehrere Geier. Falken und Frankoline, sowie einen .Schakal.
Kntzückt von dem prächtigen Schauspiele, welches die in den
Strahlen der sinkenden Sonne ePfectvoll beleuchteten Gebirge darboten,
kehrten wir hei anbrechender Dunkelheit in das Lager zurück.
, DaknuBägh, a März.
Am Morgen lief gute Botschaft ein. Tiger hatten nicht weit vom
Lager mehrere Stücke Vieh gerissen. Alsbald eilten wir auf Reit-
elephanten nach dem Rendezvous, während die Begleitung auf Jagd-
elephanten folgte. Die nepalischen Reitelephanten sind wie Pferde
gesattelt und bewegen sich äußerst rasch vorwärts, so dass die
Benützung derselben, namentlich auf längere Strecken, jener der Jagd-
elephanten, welche die schwankenden Häudas tragen, weit vorzuziehen
ist. Am Jagdplatze angelangt, harrten wir der Bestätigung der Tiger
durch die vorausgesandten Schikäris.
Mittlerweile wurden unter Leitung des jungen Schamschir 21.X) Ele-
phanten zur Jagd rangiert, und boten die gewaltigen Dickhäuter, alle
in einer Reihe aufgestellt, einen imposanten .Anblick. Neben uralten
Thieren mit langen Stoßzähnen, deren Spitzen alljährlich abgesägt
werden, standen kleine, kaum zwei Jahre zählende P^lephanten. Einer
der letzteren hatte die Rolle des Clowns übernommen, da er seine
Genossen ununterbrochen neckte und allerlei Unarten zum besten gab.
Wie die Folge zeigte, benahm er sich seiner L'n Vertrautheit halber
bei den Jagden höchst ungeberdig, indem er jedes aufspringende .Stück
Wild mit einem Trompetenstoße begrüßte, gelegentlich auch umkehrte
und durchgieng, bis ihn die Schläge seines Lenkers wieder auf den Pfad
der Pflicht brachten. Ein junger, mit heiterer Lebensauffassung begabter
Elephant bringt durch die drollige Beweglichkeit seiner ungeschlachten
.Masse überaus komische Eindrücke hervor, und nur die Bedachtnahme
auf die Schwierigkeiten des langen Transportes hielten mich ab, einen
dieser heiteren Gesellen für die Heimat zu erwerben.
Nach je 20 Treiber- Elephanlen war immer ein Häiiiia-Elephani
einj^elhcilt, für welche Kunctiun würdiye Greise ausersehen waren, Jic
schon manches Tigergefecht mitgemacht und sich hiebei durch nihiges
Standhalten und Furchtlosigkeit bewährt hatten. Jeder der Treibcr-
Eiephantcn trägt außer dem Mahäut noch einen Mann, dessen Aurgahi:
es ist, das Thier mit einer hiilzernen Keule zu bearbeiten. Die BehanJ-
lung des Etephanten durch seine Leiter ist sehr unsanfl. da das Thi«
oft wegen der geringfügigsten Unart oder, um es zu rascherer Ganßart
anzutreiben, so heftig geschlagen wird, dass das Blut herabläuft.
In der Mitte sowie an den Flügeln der langen Elephanlcnlinii;
sorgen Commandanten für die Aufrechthaltung der Ordnung; außerdem
patrouilliert der Ober-Schi käri, seine Befehle ertheilend, auf einem sehr
raschen Elephanten fortwährend hinter der Linie auf und ab.
Nachdem wir eine hafce Stunde gewartet hatten, erschienen die
ausgesandten Schikäris mit der Meldung, dass sie einen Tiger in cinon
dichten Dschungel bestätigt hätten. Flugs kletterten wir in diu HAuJa.s,
die Elephantenlinie machte linksiim und zog im Gänsemarsch eilig in
den Wald.
Diese Wälder enthalten meist hohe Sal-Bäume, die vielfach von
nmidicken Lianen umrankt sind und ein dichtes Blätterdach bilden
Der Boden ist mit kniehohem, sehr dichtem, geihem Gnise bedeckt, das
unserem Schilfe völlig ähnelt. Manche der Dschungel sind von Lich-
tungen unterbrochen, auf welchen das Gras besonders üppig wuchert
und eine solche Hohe erreicht, dass man in der Häuda stehend, eben
mich über die Spitzen desselben hinwegsehen kann. Mit solchem Grase
verdeckte Wasserläufe, Erdri&sc und Lachen durchziehen das Tcmiin.
Wild aller Art findet daselbst sichere Schlupfwinkel und baut (ürmliclie
Tunnels, in denen es sich niederthut oder schleichend auf Äsung unJ
Haub ausgeht. Hier hausen der Tiger und der Panther, von kleineren
Raubthieren der Schakal, der Zibcthniarder (Viverricula mnlacccnsis\
die verschiedenen Mangusten; Rudel von Wildschweinen brechen an
den versumpften Stellen; schöngefleckte Axishirsche (Cervus axis). J«
Schweinshirsch mit seinem rehbockartigen Geweih imd der rothhnninc
Bellende Hirsch oder Muntjak (Cervulus muntjac) tinden sich hier,
während der mächtige Sumpfhirsch oder Barasinga (Cerx-us duvaucelü
und der Sambarhirsch seltener zu sehen sind; das Stachelschwein
errichtet da seinen weitläufigen Bau; vereinzelt kommen der einem
Meerschweine nicht unähnliche Erdhase (Lepus hispidus) und dff
gemeine Indische Hase vor.
4
\'un Vögeln sind am liiuiligsli^n Pfauen zu beobachten, die, liier
glücklicherweise nicht heilig, geschossen werden dürfen, ferner das
Krankolinhuhn, das sehr seltene Sumpf-Frarkolinhiihn (Francolinus
gularis) und das schöne Bankivahuhn, gemeinhin Dschungelhuhn
(Gallus ferrugineus) genannt, von dem unsere Haushühner stammen.
Auf den zahlreichen dürren Bäumen sitzen die verschiedensten Galtungen
von Adiem, Geiern und Falken, während naseweise Krähen und Kolk-
raben mit heiserem Geschrei die Plätze umkreisen, an denen ein ver-
endetes oder gerissenes Stück Wild liegt; mitunter begegnen wir
dem grauen Nashornvogel (Ocyceros hirostris), einem gelben Pirol
mit schwarzem Kopfe tOriolus melanocephalus). einem prachtvollen
rothen Mennigvogel (Pericrocotus speciosus), sowie mancherlei bunten
Spechten; von Tauben zieht besonders die herrliche Bronzetaubc
(Chatcophaps indica) mit ihrem metallisch grünen und violetten Gefieder
unsere Aufmerksamkeit auf sich; scheue Eulen huschen mit geräusch-
losem P"lügelschlag aus Baumlöchern hervor; von allen Seiten ertönt
das Geschrei der Papageien. Affen, die in Nepal sehr häutig sind, dürfen,
weil von den Eingeborenen als heilig angesehen, nicht geschossen
werden.
Wir mochten etwa anderthalb Kilomeier schweigend hintereinander
geritten sein, als plötzlich der Ober-Schikäri einen Theil der Elephanten
und Schützen nach rechts, den anderen nach links abschwenken und
eiligst einen Kreis bilden ließ, so dass die Lichtung, in der wir uns
befanden, von einem undurchdringlichen Ringe von Elephanten um-
schlossen war. In der Mitte der Lichtung stockte zwei Meter hohes,
dichtes Röhricht und Gras. Da der Kreis kaum 80»« im Durchmesser
hatte, so zweifelten wir, mit dieser Art zu jagen nicht vertraut, daran,
dass nach all dem Lärme, welchen das Schließen des Ringes verursacht
hatte, ein Tigeraufdem kleinen Platze standgehalten haben könne, Ja dass
es überhaupt möglich sei, einen Tiger mit so apodiktischer Sicherheit
zu bestätigen. Bald sollten wir jedoch eines Besseren belehrt werden.
Als der Kreis geschlossen war, ritten drei Schikärts auf besonders
verlässlichen Elephanten in das dichte Gras. Nach einer kleinen Weile
machte einer der Elephanten, laut trompetend, mit erhobenem Rüssel
und aufgestellten Ohren einen Sprung nach vorwärts, ein sicheres
Zeichen, dass er auf einen Tiger gestoßen: gleich darauf sah ich die
Spitzen des Grases sich bewegen, aber nur so schwach, als ob eine
Schlange oder ein kleines Thier am Boden schliche — kein Zweifel, ein
Tiger befand sich im Kreise. Unsere Erwartung war aufs höchste
357
};i-NiMiiiH, rn;ui^j;o>ol2i rincn die Schikäris im Dschungel umher: JeJcn
Aiiiicnbliol; ir\>mpcioitf einer der Elephamen: die Spitzen de* Gra,*e>
smonen Nild da Kild don. cinij-enial in meiner nächsten Nähe — d..>ch
ki>nnu" K-h don Tijior nichl 2U liesichi bekommen,
KasJ eine Xienei^iunde snvöier Spannunj; für alle Schulzen «a.-
vcnv'nnen, bis die Klep^amen dem Tig«- endlich han auf der Fei^
wäre:', und er, nw tietri:!! aus dem Dschungel g^?en den ResJdenien zu
hi.T\ i'rschioÄMid, den KfvJs ru Jurchbre>clien suchie. Durch da* Ges:?irei
d;T KH-j>*ijr!ien:;;^rtT •i:T\äcks;-c^'J:euch: , l;e:' der Tiger an ungelX*::
:.''> K;e;'*i*:;;eT; i:: voV^er Kti40?5: v,*:*« ;;r~i »\v?]:e rf»ein ir, das benienJi
vlTas^-u-iiJCh: j-JiTniok, A^s :ch äu;' ihr: feuere- l>er Re^-den: tr,d -e:r
-^A»:eT ^J«;eJ; der*. I'^pcr "JtcJi de^ic Schusse «üiaen geseh««, d-vh wi'
>^»-ie >i\i.;« -K-jf-hnir^ SvH^CsSi :- djjs tX'.-fcchi ii^si>. N'-in scfe.-*;«-
^iT ["■.4-^, jl-'- dii'; v^ i.';>c:"? .'!>;>« 1- ~ii;:i- vir~r\5>«: irr. ,\r!s«Äu>se '.'.^zi-
,:>. ■."„■ssii^^ s<.i-a..-^ .'.■SiriMT -liir.-srrü T:j:ir -~ fo^cs; s*ii:r.
■V'j.:>ici'.-c~ ■'.■^i- si.--~ ^dJc -1."-"^ Rl-c« ier 'Vcri^r:^ =cär^-i
■U>rx;r !(_' &r;'c i"so.r"tf!iJ. ■" ,■■;!- "K-sis 'ri,~eir> w<.' ■?!>; iin Teffl-!;!:^!;?
S<i'-''.---'-.;i_vT 4U' i'^«s, -Äxs soT jii -Cirr:;. irifSriitsr. Ddi wur £■■■?•:"
eftiinMftj- we. 3QaA >fca <»tia StJinai Manwa Oufci
in der Hinterprante, der andere zwei Schüsse am Schlegel. Das zuerst
von mir erlegte Thier, eine capitale Tigerin, hatte zum Glücke nur
meinen Schuss, auf den hin die Katze gestürzt war. Auf der Strecke
lagen im ganzen außer der alten Tigerin noch drei ziemlich ausge-
wachsene Tiger, anscheinend Junge vom vorigen Jahre. Von letzteren
gebürte einer dem Captain Fairholmc, während das Schiedsgericht von
den beiden Tigern, welchen ich den Kangschuss gegeben hatte, den
einen dem Generalconsul Stockinger, den andern aber Prönay zusprach,
da der Schlegelschuss von einer Expansivkugel herrührte und nur
Pronay solche Kugeln führte.
Die Vertheilung der Beute war nicht so einfach, da einige der
Herren in der Hitze des Gefechtes und der mit einer Tigerjagd ver-
bundenen Aufregung eine ganze Reihe von Schüssen abgegeben hatten.
Die Strecke von vier Tigern hätte übrigens noch um einen bereichert
werden können, w^enigstens behaupteten die Eingeborenen, dass, als
der Kreis während der Jagd gelichtet wurde, ein fünfter Tiger, durch
das hohe Gras gedeckt, entwischt sei. Jedenfalls war der Beginn der
nepalischen Expedition ein herrlicher und erfüllte -uns mit Freude,
welche auch die Eingeborenen theilten, indem sie uns mit unausgesetzten
Seläms begrüßten.
Der Resident ordnete die Fortsetzung der Jagd an, worauf bald
ein neuer Kreis geschlossen wurde, in welchem die Schikäris einen
starken männlichen Tiger, welcher in dieser Gegend schon längere Zeit
sein Unwesen trieb, vermutheten. Diese Annahme erwies sich jedoch
als irrig; nur einige wunderschöne Dschungelhähne standen erschreckt
auf, und über unsere Köpfe strich ein Nashornvogel mit weißem Leib
und schwarzgelb gebänderten Flügeln von seltener Größe; er gehörte
einer Art an, die ich nicht kannte.
Die Schikäris gaben die Hoffnung nicht auf und giengen mit ihren
raschen Elephanten auf Suche, während wir ein PVühstück einnahmen.
Neben dem Dschungel, in dem eben gejagt worden war, hatten wir ein
schattiges Plätzchen unter einem großen Sal-Baume erwählt und thaten
uns gütlich, als plötzlich neben uns der Ruf »Bägh, Bägh« (Tiger)
erscholl. Wir sprangen sofort auf und bestiegen so schnell als möglich
die Elephanten, welche in unserer Nähe standen. Ich war kaum in meiner
Hauda, als mein Mahäut schon nach den sich bewegenden Grasspitzen,
hart neben der Stelle, auf der ich gesessen, deutete, mir zuflüsternd, dass
dort ein Tiger sei. Dies schien mir unglaublich; denn wir hatten diese
.Stelle, wenn auch in Abständen von einander, bei Schließung des zweiten
3n9
Kreisi-'s passiert, kaum 20 Schritti; von dcr.scibcn beim Frühstücke laut
gesprochen und yelachl; ja ich halte dort überdies auf ein über miraul-
f;ebaiimles Dschungelhuhn ßeschossen. Und doch war dem so, wie mein
Mahäut gesagt.
Die geschickten und findigen Eingeborenen schlössen mit ihrtn
Klephanten sofort einen Kreis um den kleinen Grasbusch, ich drang ein
und im selben Augenblicke sprang rechts von mir ein Tiger hervor, dem
ich einen Schuss nachsandte, worauf der Tiger flüchtig wurde und einij:t'
Klephanten des Kreises annahm, die sich trompetend und schnaubend
herumdrehten und ein gewaltiges Getöse machten. Nach einigen Secun-
den kam der Tiger in der Flucht wieder aus einem Grasbusch auf eine
kleine Blöüe hen'or, auf der ihn Ciam mit einem Blattschusse roulierte.
Eine Reihe von Schüssen wurde dann noch auf den verendenden
Tiger abgegeben, eine hier übliche Unsitte, die ich nicht billigen kann,
Meil sie Zweifel darüber her\'orruft, wem ein erlegter Tiger zuzusprechen
,^ei, und weil sie wegen der Gewehre großen Calibers, welche die Eng-
länder führen, den \'erderb des schönen Felles nach sich zieht; vnr
allem aber, weil sie nicht waidmännisch ist. Doch gelten in Indien eben
wesentlich andere Anschauungen über waidmännische Kegeln als in
unserer Heimat. Der Unterschied ist etwa jener, welcher zwischen den
.Vnsichten eines Sportsman und eines waidgerechten Jägers besteht.
Unter den Eingeborenen verlautete, dass der zuletzt erbeutete
Tiger, ein stärkeres Männchen, mit jenem nicht identisch sei, auf Jon
ich geschossen hatte. si>ndern dass letzterer mit durchbohrter Kinn-
lade, nachdem er die Klephanten angenommen, entkommen sei. Ich
theilte diese .Ansicht jedoch nicht und glaube vielmehr, den Tiger im
zu unterscheiden war, so dass man ungefähr folgern konnte, worauf
der Nachbar wohl geschossen haben mochte. Unsere Strecke betrug
51 Stück. Ich selbst hatte zwei Schweine, mehrere Axishirsche, Pfauen,
PVankoline und eine schwarzbrüstige . Bengal-Trappe (Sypheotides
bengalensis), welche in der Größe die Mitte zwischen der Zwerg-Trappe
und unserer großen Trappe hält, erbeutet.
Den Abend verbrachten wir in dem die Mitte des Lagers ein-
nehmenden, kleinen Speisezelt, in heiterster Stimmung die jagdlichen
Ereignisse des Tages besprechend.
Dakna Bägh, 10. März.
Es war 9 Uhr vormittags, als wir aufbrachen, um in einem mit
Röhricht dicht bedeckten Sumpfe, in dem mehrere Tiger bestätigt worden
waren, zu jagen. Das Terrain zeigte einen wesentlich anderen Cha-
rakter als jenes des gestrigen Tages, da es sich als eine ausgedehnte
Sumpfregion darstellte, in der sich fast undurchdringliche Röhricht-
partien befanden, w-elche gute Schlupfwinkel für Tiger bilden. Wir
schnitten einige Stengel des hier vorkommenden Rohres ab, welche bis
zu G m maßen, eine Längendimension, die man geneigt sein könnte,
für unglaublich zu halten. In gewohnter Ordnung und Schnelligkeit
wurde an der geeignetsten Stelle ein Kreis gebildet; doch leider ohne
Resultat — in jedem Dschungel können eben nicht fünf Tiger hausen.
Wenn wir auch nicht zum Schusse kamen, so boten doch der Eifer und
die Geschicklichkeit, welche die Eingeborenen an den Tag legten,
Interesse genug. Hier vollzog sich jede Bewegung ohne Geschrei und
Zeitverlust, bloß unter einigen kurzen Commandos, ganz in militärischer
Alt, so dass sich die Nepalesen zu ihren Gunsten wesentlich von ihren
indischen Brüdern unterschieden, bei denen Unentschlossenheit und
Lärm unentbehrliche Erfordernisse jeder Jagd zu bilden scheinen.
Die Schikäris entschuldigten sich ob des Misserfolges, wollten
ihr (jlück wiederholt versuchen und kreisten noch zweimal ein, aber
ebenfalls vergeblich, so dass nur zwei der seltenen Sumpffrankoline die
ganze Beute des letzten Triebes bildeten. Ein auf einer kleinen Insel
sich sonnendes Krokodil von riesigen Dimensionen schoss ich an, ohne
desselben habhaft werden zu können, da es nach dem Schusse in tiefes,
schlammiges Wasser glitt und darin verschwand.
Die Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen wurde von den Schikäris
dadurch erklärt, dass das Wasser infolge der jüngsten Regengüsse
gestiegen sei und die Tiger vertrieben habe. Thatsächlich stand das
Wasser im Sumpfe 50 hoch, dass unsere Elephanten bis an den Bauch
im Schlamme versanken und sich nur mühsam durcharbeiten konnlcn.
Xach dem anstrengenden Marsche durch den tiefen Sumpf gönnten wir
den braven Elephanten et^vas Ruhe, um dann, wieder in langer Linie
aufgelöst, ein Gebiet, in welchem SalAVälder mit Dschungeln abwech-
selten, zu durchstreifen. Hier gab es reiche Ausbeute; unter anderem
schoss Wurmbrand einen auffallend starken Keiler und Kinsky einen
Sumptliirsoh -Spießer, während ich ein Thier gleicher .^rt erlegte. Der
Sumpfhirsch, welcher sich, wie schon sein Name bezeugt, in der Regel
in feuchten Rieden aufhält, ist ein wenig verbreitetes Wild, das sich
hauptsächlich durch seine Größe, welche jene unseres Hochwildes weil
übertrifift. auszeichnet, Charakteristische Merkmale sind die langen
bartähnlichen Granen am Vorschlage, die zolltiefen, ovalen Thränen-
gruben und der schuhlange Wedel: die Farbe der Decke entsprich!
jener unseres Hochwildes: die Thiere sind schwächer und lichter
getarbt als die Hirsche. Unmittelbar naL-hher erlegte ich auch mein erstes
Stachelschwein, das in der N'ähe meines Elephanten hoch geworden
war und in der Flucht einen höchst befremdlichen, komischen .Anblick
dargeboten hatte. Die tiesammtslreckc belief sich auf 57 Stück ver-
schiedenen Wildes.
Bein\ Passieren einer SimipfaJer gerieth ich in eine nicht sehr
erfreuliche Situation; denn mein besonders großer, schwerer Elephart
war an einer tieferen Stelle stecken geblieben und sank um so weiter
ein, je heftigere Versuche er machte, vorwärts zu kommen. Seine Beile-
gungen wurden .-ichltetiüch so ungestüm, dass ich mich, die Gewehr.:
erf.is^end, mit aller Krait .ir. die Wand der HAuda anklammem mussle.
IjeJHgt wurden und das unisomchr, als nuch während dus Krülistticks
'ast gleichzeitig zwei erlreuliche Botschaften eingelaufen waren. Diu
iine besagte, dass in der Nacht ein Tiger aus einer kleinen, 15 ü'iii vom
^ager befindlichen Ansiedelung ein Stück Vieh geraubt habe und vun
Jen Bauern bestätigt worden sei; die andere, dass die mit den Ele-
Dhanten ausgesandten Jager in der Nähe des Lagers zwei Tiger in ein
ÜbchLingel wechseln gesehen und dasselbe gleich eingekreist hätten.
IJa hieü es nicht zaudern; im Nu waren wir auf unseren schnellen
Elcphanten und eilten der Stelle zu, wo wir den Kreis bereits gebildet
Tanden.
Der Resident wies jedem rasch seinen Platz an, die Lücken im
Kreise wurden noch durch die Reitelephanten ausgefüllt und drei
Schikäris drangen wie an den vorhergehenden Tagen in das innere des
Kreises ein. Zu meiner rechten Hand befand sich junger Wald, zu meiner
linken und vor mir hohes Schilfdschungel. Nach wenigen Augenblicken
hiirc ich rechts von mir die Elephantenführer schreien, ihre Thiere zeigen
L'nruhc und durch das Stangenholz sehe ich ein tigerähnliches Kauh-
ihier in voller Flucht gegen das Dschungel wechseln. In dem Momente,
da es in das Dschungel setzen will, schieße ich zweimal und glaube gut
abgekommen zu sein. Die Schikäris tummeln sich mittlerweile noch
immer im Gras und Röhricht umher, bis Kinsky und drei seiner Nachbarn
feuern, worauf ich das Gras in dem Dschungel sich so bewegen sehe,
als ob daselbst ein gröberes Stück im Verenden liege. Ich ritt nun zu der
Stelle hin und fand da einen sehr starken, bereits verendeten Panther,
den Kinsky erlegt halte, während dort, wo ich hingeschossen, ebenfalls
ein auffaltend starker, dunkelgefärbter Panther mit zwei Blattschüssen
lag. Die Kugein hatten so nahe nebeneinander eingeschlagen, dass sie
sich dann beim Zerwirken des Panthers in dessen jenseiligem Schulter-
blatte aufeinanderliegend fanden, Der Irrthum der Schikäris. welche
anfänglich die Panther für Tiger gehalten hatten, erklärte sich aus der
seltenen Stärke der Panther, deren einen erlegt zu haben, mich umsu-
mehr beglückte, als er mein erster war. Doch war noch nicht aller
Tage Abend; es sollte noch besser kommen.
Der Jagdralh, bestehend aus dem Residenten imd den einheimi-
schen Leitern der Expedition, beschloss, trotz der Entfernung von 15iH(,
auch jenen Tiger aufzusuchen, der sich zum Morgenimbiss ein Stück
Vieh bei den Bauern geholt hatte. Was ist auch diese Distanz für
begeisterte Nimrode, wenn ihnen die Hoffnung winkt, einen Tiger zu
erlegen!
Als wir an Ort und Stelk- angelangt waren, gahen uns enlgcgcn-
komtncndc Schikaris die frohe Kunde, dass drei Tiger bestätigt worvkn
seien, jedoch das Dschungel Schwierigkeiten bereite, sonach der ErfolR
unsicher sei. Der erste Theil der Botschaft wirkte elektrisierend, sd
dass wir das Eintreffen sämmtlicher Elephanten kaum erwarten konnlitn,
der zweite entmuthigte nicht, obwohl die Schwierigkeit, das Dschungtl
zu durchstreifen, sehr bedeutend war. Wir hatten in einen mit Lianen
völlig überwucherten, dichten Wald einzudringen, der zwar dem Auge
ein malerisches Bild bot. aber uns auch zwang, jeden Schritt zu
erkämpfen; Elephanten und Messer mussten zusammenwirken, um
einen Weg zu bahnen. Eine Fulge des fast undurchdringlichen Dickichts
war, dass ein Schikän mit den ihm anvertrauten Schützen, zu wolchtn
auch Wurmbrand, t'lam und Kinsky gehörten, die Richtung verlor, urnl
ich nur mit l'röniiy und den englischen Herren an der Stelle, wo der
Kreis geschlossen werden sollte, anlangte.
Das hnhe Grasdickicht, in dem sich die Tiger befinden sollten,
maß kaum 50 Schritte im Durchmesser und bildete einen regelmäßiKt-n
Kreis, der ganz von dicht stehenden Bäumen umgeben war. Bcvnr
an das Auftreiben der Tiger gegangen werden konnte, hatten die
Kluphanten noch eine harte .Arbeit zu verrichten: sie mussten nämlich
alle am Rande des Dschungels stehenden Biiume im Umkreise vm
ungefähr zehn Metern stürzen, damit ein ausbrechender Tiger nicht
etwa, von einem Baume gedeckt, entweichen könne, und falls ein
Tiger einen der Elephanten anspringe, der Ausschuss nicht behindert
sei. In der unglaublich kurzen Zeit von einer Viertelstunde war diese
herkulische Arbeit vollbracht. Die Elephanten stemmten sich mit dem
Kopf und den Stoßzähnen gegen die stärksten Bäume, diese ivi
Strohhalme knickend; Buschwerk und kleinere Bäume wurden mit
Hilfe des Rüssels entwurzelt. Fast schien es, als ob diese Leistung
mächtigen Thiercn keinerlei Anstrengung kostete.
Nachdem die Elephanten rasch noch vor der Schützenlinie
fiTtis niedergetreten hatten, drangen die Schikaris gegen die Mitte
Dschungels vor. Einer ihrer Elephanten kündigte alsbald durch dnen
Trompetonsttiß die .■Anwesenheit eines Tigers an. der gleich darauf in
voller Flucht zwischen mir und einem der englischen Herren auszu-
brechen suchte. Durch das plötzliche Erscheinen des Tigers erschreckt,
machten einige jüngere Elephanten Miene, auszureißen, wurden aber
durch kriiftige Hiebe bald zur Besinnung gebracht. Mein EleplianI
hatte wie eine Srtule Standgehalten, Durch Geschrei zurückgescheuchl,
3(U
mit
wandte sich der Tiger wieder gegen das Dsciiuiigel, nicht ohne dass
mein Nachbar, vom Jagdeifer hingerissen, versucht hätte, ihm Icnapp
vor mir einen Schuss beizubringen. Glücklicherweise gieng der Schuss
fehl, worauf ich dem Tiger eine Kugel nachsandte, auf die er, sich im
Dschungel bergend, mit Gebrüll antwortete. Die Schikärfe streiften
unentwegt im Dickicht hin und her, so dass bald danach auf dem
schon vom ersten Tiger benützten Wechsel ein zweiter Tiger hervor-
stürzte, auf den ich zweimal, Cntwford einmal feuerte.
Durch die Schüsse in die richtige Direction geleitet, waren endlich
auch die verirrten Schützen angelangt und hatten in der Kreislinie Stel-
lung genommen, wobei C'lam und Kinsky neben mir zu stehen kamen.
Innerhalb des Kreises wurde es immer lebhafter, die Elephanten trom-
peteten, die Tiger brüllten: ja plötzlich wandte sich ein Tiger gegen
einen zurückweichenden Elephanten und sprang, beide Pranlen ein-
schlagend, auf dessen Croupe. Nicht minder kritisch war die Situation,
als ein Elephant, den ein verwundeter Tiger plötzlich ansprang, durch
den Überfall erschreckt, bei einer raschen Wendung stürzte, so dass der
Mahäut und der Schikäri in Gefahr kamen, abgeschleudert und vom
Tiger erfasst zu werden. Diese ernsteren Intermezzi liefen jedoch ohne
Unfall ab, da die Tiger vom Angriff ablassend, sich in das Gras bargen,
wo ich dem bereits venvundeten Tiger den Fangschuss gab. Kinsky
schoss, kurz nachdem er angelangt war, den von mir angeschweißten
Tiger — ein prächtiges Exemplar — nieder. Wenige Minuten darauf
stürzten sich in unmittelbarer Aufeinanderfolge abermals zwei gesunde
Tiger brüllend in riesigen Sätzen gegen den Elephanten Clams.
Crawford eriegte die eine, Clam die andere der Bestien.
Auf der anderen Seite des Kreises war mittlerweile abermals ein
Schnellfeuer eröffnet worden, dessen Ergebnis ein vielfach zerschossener
und Zerfetzter, geringer Tiger war, welcher dem englischen Arzte der
Expedition zugesprochen wurde. Die Betheiligung desselben an der Jagd
wollte meinem Leihjäger nicht einleuchten, welcher der Meinung war,
dass der Arzt im Lager der Verwundeten harren solle, den;n es jedoch
glücklicherweise keine gab, obwohl seitens einiger Herren hitzig auf
jeden Grasbusch, in dem sich etwas zu bewegen schien, geschossen
wurde, ja sogar der schwere Paradox-Stutzen eines der Schützen sich
unmittelbar oberhalb unserer Kopfe entladen hatte. Auch darauf wurde
keine Rücksicht genommen, in wessen Nähe ein Tiger sich befand und
wer daher berufen war, zuerst zu schießen, doch wussten wir immer
genau, wer von uns den ersten Schuss gethan und wer getroffen hatte.
so dass, da wir aulJerdem unsere Schlisse kannten, darüber kein Zwtifd
bestand, dass ich zwei und Clani einen Tiger erlegt halte. Andernfalls
wäre eine Entscheidung recht schwierig gewesen, da alle Tiger durch-
löchert waren wie Siebe.
So waren denn auch heute fünl'Tiger zur Strecke gebracht worden.
An zwei Tagen, bei nicht sonderlich günstigem Wetter, zehn Tiger und
zwei Panther! Fürwahr ein VV'aidmannsheil, das keiner von uns zu
träumen gewagt hätte. Dieses glänzende Resultat ist nur dem trefflichen
Arrangement der Jagden, der Geschicklichkeit und dem Eifer der Kin-
geborenen. die ich nicht genug zu rühmen vermag, zuzuschreiben. Da
die wackeren Häthis (Klephanlen) sich sn besonders ausgezeichnet
hatten, erließen wir ihnen zum Lohne ein Cieneral-shooting und kehrten
linea recta ins Lager zurück, von wii wir einen Boten nach dem 41 km
entfernten Telegraphenamte abrertigten, um die Nachricht von unseren
Jagderfolgen in die Heimat zu senden.
Hndek widmete seine künstlerische Hand den erbeuteten Tisi'm.
während wir am Abende die Strecke des Tages gebürend feierten.
Dakna Bägh, IL'. MüT
Nachts hatte es wieder stark geregnet, so dass, obschon der Himral
am Morgen heiter lächelte, kein Tiger bestätigt worden war. Der Resids|
proponierte daher ein General-shnoting, das unmittelbar bei dem L
beginnen und, in einem großen Halbkreise durchgeführt, gegen Aban
wieder in der Nähe des Lagers enden sollte. Geschäfte hielten i
Residenten von der Theilnahme an der Jagd ab, deren Leitung er 6
Arzte der Expedition übertrug. Letztere Verfügung schien die i
geborenen zu verdrieüen; auch wir zogen vor, uns lieber der bewährt*
Führung der Nepalesen anzuvertrauen. Kaum war die Linie formiert,!
knallten derselben entlang auch schon Schüsse auf mannigfaltiges WTM
ich schoss einen starken Keiler, Clam ein Stachelschwein; auch wurd*^
mehrere Hirtiche, sowie Pfauen und Frankolinhühner, die vor unsal
standen, erlegt.
Wir mochten ungefähr eine halbe Stunde gejagt haben, als recM
von mir ein Kugelschuss Kinskys fle! und der Ruf -Tschitä, Tschilfi
(Panther) erscholl. Gewaltige Aufregung erfasste die lange Linie; i
Schikäris riefen ihre Commandos, die Mahäuts spornten die ElephartW
durch unbarmherzige .Schläge zu schnellstem Laufe an. und schon
glaubte ich die ärgste Unordnung, völlige Debandade eingerissen, als ich
zu meinem Erstaunen einen regelrecliten Kreis gebildet und die Schikäns
in dessen Mitte umherreiten sah, um den eingekreisten Panther aufzu-
scheuchen. Die Schnelligkeit und Sicherheit, mit welcher die Nepalesen
verstehen, eine lange Elephantenünie durch Vorschieben und Einziehen
der P'lügel zu einem Kreise um eine bestimmte Stelle zu gestalten, ist
geradezu bewundernswert. Der Panther, dem Kinskys Schuss geg<ilten.
hatte sich mitten im Kreise in einem kleinen Grasbusche nach Katzenart
geduckt, sprang aber bald wieder vor und wurde nun von Kinsky mit
zwei Kugeln erlegt. Es war ein starkes männliches Thier mit lichter,
schim gefleckter Decke.
Nach diesem interessanten Intermezzo wurde die Streuung fnrl-
geselzt, in deren Verlauf ich zunächst einige Bellende Hirsche erbeutete,
die immer knapp vor dem Elephanten aufstanden und, in dem hohen
Grase kaum sichtbar, llüchtig wie Hasen ausrissen. Ein sehr .stark
aufhabender Axishirsch und drei Stück Thiere aus einem Rudel liclon
mir unmittelbar darauf zu.
Ich hefasste mich eben mit der Verludung dieser \ier Stücke auf
Elephanten, als abermals rasch nacheinander Kugelschüsse, von dem
Kufe -Tschitä, Tschitä- begleitet, ertönten. .Prönay und Stockinger
hatten auf einen Panther im hohen Grase geschossen und ihn gefehlt.
Mit meinem schnellen Elephanten kam ich eben noch zurecht, um den
Panther vorsichtig in das Dschungel wegschleichen zu sehen. Ich gab
Eeuer, roulierte den Panther und rief den herbeikommenden Herren
zu, nicht mehr zu schielien, da das Thier bereits verendet sein müsse,
als der Panther plötzlich wieder hoch wurde und unter heftigem Brüllen
den noch nicht ganz geschlossenen Kreis durchbrach. Auf Nimmer-
wiedersehen, dachte ich; doch hatte ich nicht mit den scharfen Augen
und der Gewandtheit der Eingeborenen gerechnet; denn während es uns
unmöglich gewesen wäre, die Richtung anzugeben, in welcher der
Panther gellüchlet, halten die SchikärTs dieselbe sehr wohl bemerkt und
den Flüchtling bald wieder eingekreist. Auch diesmal brach er, obwohl
schwer angeschweiUt, durch, ohne dass wir einen sicheren Schuss hätten
anbringen können, retirierte, a vue von einer wilden Jagd gefolgt, in
einen Stachel-schweinbau und war kurz darauf neuerdings eingekreist.
Die Mahäuts sahen den Panther am Rande der Röhre niedergethan und
deuteten nach der Stelle, die ich jedoch des gelben Grases halber nicht
ausnehmen konnte; endlich schien dem Panther die Situation doch
zu bedenklich, so dass er in voller Flucht hervorstürzte und einen
Elephanten attaquierte, indem er mit beiden Vorderpranten auf dessen
Croupe sprang, worauf ihm Pn'may .schließlich den Fangschuss gaK
Obschon meine Kugel im Blatte sail, hatte iJef Panther «loch nudi Jic
Kraft gefunden, zweimal auszubrechen und einen AngrifT auf nncn
Elcphanten zu unternehmen, — geuiss ein Beweis erstaunlicher Lebens
zähigkeiL
Wir gönnten nun uns, dem Jagdgefolge und den braven Ele-
phanten eine kurze, durch ein Frühstück geuürzie Rast, welche nach
dem erfolgreichen Waidwerke, das wir vollbracht hatten, eine wohl-
verdiente genannt werden durfte. Der Sammlungseifer ließ uns jedoch
auch während dieser Pause nicht völlig zur Ruhe kommen, so dass wir
unausgesetzt nach Beute ausspähten. Hiebei war ich insofeme v-m
filücke begünstigt, als ich in unserer unmittelbaren Nähe im Grase di«
Haut einer über 5 m langen P>'thon -Schlange fand. Nach dieser Unler-
brechung wurde die Jagd wieder aufgenommen.
Das Terrain, welches wir durchstreiften, war besonders reich an
Wild, namentlich an solchem seltener vorkommender Arten. Clam und
ich erlegten je einen Erdhasen, ich außerdem zwei Zibethmarder; reiche
Beute lieferte ein von Famen und Lianen über^vucheries Dschunprl,
der Ueblingsaufenthalt von Bronzetauben und Dschungelhühnem. AI*
diese schönen Hühner mit dem gelb und metallisch schillemiii'ii
Gefieder und den rothen Kämmen vor uns herliefen, konnten «ir
glauben, in einen Hühnerhof gerathen zu sein; fliegend hingegen
streichen sie ebenso rasch wie unsere Rebhühner. In der Regel atwr
bekommt man sie selten zu Gesicht, da sie ungemein schnell unJ
undauernd vorlaufen und erst, wenn sie am Rand eines Dschungel-'
oder an einem Wasserlauf angelangt sind, aufstehen, um hoch abiu-
streichen. Wir waren jedoch überaus begünstigt, so dass wir im gun«"
52 Dschungel hühner erlegten.
Die Gesammtstrecke des Tages betrug 100 Stücke, wonjnter
16 Hirsche verschiedener Arten. Abends im Lager versicherte uns J*f
Resident. — und die Nepalesen stimmten zu — dass eine so reiche
Strecke noch niemals an einem Tag erzielt worden sei. Kein WunJef.
dass die beste Laune im Kreise der Jagdgefährten herrschte und J"-'
Ergebnisse des Tages unerschöpflichen Stoff zu anregendster l'ntet*
haltung boten.
Bei den großen Streifungen sind immer zahlreiche Terra! nhinJc-
nisse zu übcru-inden; namentlich Flusslaufe und tiefeingeschnittene, a"
der Sohle versumpfte Grüben und Schluchten. Die Flusslaufe dur
ziehen in mäandrischen Krümmungen die Ebene; die Ufer liegen ho^
i
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Ü
M
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i^*e
Nepal.
^diager in Barbatta Tal
L Beli-Katni
- Dechta Boli -
Bhanderia.
Barbatta Tai. 13. März.
Zeitlich morgens schon herrachte lebhafte Bewegung im Lager
kna Bägh, welches abgebrochen und !0 km südöstlich in Barbatta
1 aufgeschlagen werden sollte. Das Abbrechen eines so großen Lagers,
: das unsere war, erfordert geraume Zeit und nimmt daher bereits mit
gesgrauen seinen Anfang; zwei Stunden vor dem Abmärsche wird
lon an den Zelten gerüttelt, so dass an Schlafen und Ruhen nicht
hr zu denken ist; zuerst werden das Küchen- und das Speisezelt,
in die übrigen Behausungen, unsere zuletzt, abgebrochen; in langer
ihe stehen Lastkameele bereit, um mit den Zelten bepackt zu
irden; jedes Kameel wird auf einer Seite mit der um die Zeltstangen
wickelten Zellleinwand, auf der anderen Seite mit einem großen, die
öcke enthaltenden Sacke beladen; die Elephanten werden gesattelt,
; Zugthiere vor die Karren gespannt, auf welchen die Bagage und
e Zelteinrichtung untergebracht wird. Was in den Karren nicht mehr
atz findet, nimmt ein Tross von Kulis auf die kräftigen Schultern.
Endlich ist die Karawane zum Aufbruche bereit — ein langer,
inter, lebhafter Zug, den wir von der Höhe unserer Reitelephanten über-
ihauen: voran, im Gänsemarsche, alle Elephanten mit den Häudas;
dann die Kameele mit ihrer Last; hierauf die Kulis, an deren Tmg-
stangen Geräthe alter An, solche intimster Beätitnmung nicht aus-
geschlossen, schwanken; unter Bedeckung einer bewaffneten Escor«
schließen sich die Karren an, gezogen von den wunderlichsten Bespttn-
nungen. Hier sieht man V'iererzüge, aus Ochsen und Büffeln zusammen-
gestellt; dort theilt fm Zweigespann ein Büffel mit einer Kuh Jes
Weges und der Last Beschwerde; da müht sich mageres JungvieS
ab, einen Karren zu schleppen; auf jenem Vehikel thront ein nepa-
lischer Beamte, Babu genannt; dort sitzt stolz der Koch, wohlbeleibt,
wie es sich ziemt; hier flattern Bettdecken aus einem Karren, auf
welchem Perlhühner fröhlich gackern; todbringende Gewehrein trauter
Gemeinschaft mit friedlichen Küchengeräthen lagern auf diesem Fahr-
zeuge; jenes führt die Kiste mit dem literarischen Rüstzeug, den trans-
portablen Flaschenkeller und all die Gifte Hodeks. Hin und wieder
bleibt wohl im aufgelockerten Weg einer der Wagen stecken, der müh-
selig genug mit Vorspann wieder Hott gemacht werden muss. Nach
mancher Fährlichkeit aber ist der Zug am neuen Lagerplatze in guter
Ordnung angelangt, wo die Soldaten der Kscorle llugs den Raum
abstecken, und die Zeltstadt, an einem reizenden, von mächtigen Sa!-
Bäumen beschatteten Fleck Erde gegründet, in kurzer Zeit erbaut isl.
Auf dem Lagerplatze wurden wir mit der angenehmen Nachricht
begrüßt, dass in dem Dschungel, wo wir zwei Tage zuvor gejagt.
Tiger seien. Die Schikäris baten, vorauseilen, die Tiger bestätigen
und allenfalls den Kreis schließen zu dürfen; wir sollten günstige
Botschaft abwarten und dann auf den Rertelephanten folgen. Wir Itialen
unterdessen, was wir nicht lassen konnten, will sagen, wir ergötzlen
uns an einem Frühstücke, nach dessen Beendigung einer um den
andern aus der Gesellschaft in sein neu errichtetes Heim verschwand.
der süßen Ruhe zu pflegen. Bald lag das ganze Lager in sanllen'
Schlummer.
Plötzlich wurden wir aufgescheucht — von Zell zu Zelt lief die
Kunde: sechs Tiger sind bestätigt. Vorbei war's mit der Ruhe, dem
Schlummer, alles stüi-zte aus den Zelten, warf sich in die Sättel und [ort
gieng'b in die Sumpfregion, wo unser bereits ein geschlossener Kre'*
harrte. Hier schmolzen die sechs Tiger bald auf einen einzig*^"
zusammen, allerdings ein ausnehmend starkes Exemplar, welches ili^
in das Dschungel eindringenden Elephanten mit Gebrüll empfleng, sofo"
hoch wurde und im dichten Grase umhersauste, ohne sichtbar zu werden.
Kndlich schoss ich auf ein Röhricht, hinter dem ich irrigerweise den
Tiger vermuthete; Wurmbrand folgte, fehlemi, meinem Beispiele, bis
Clam, dessen Elephanten der Tiger angriff, demselben einen Blattschuss
beibrachte, worauf ich ihm den Fangschuss gab.
Bei prachtvollem Sonnenuntergänge — der Himälaya, über dem ein
schweres Gewitter aufzog, leuchtete in fahlen Farben ^ kehrten wir in
unser Waldlager zurück.
Dechta Bnli, 14. März.
tObschrin der Platz für das Lager in Barbatta Tai gut gewählt war
die Umgegend, nach den Erfahrungen des Vortages zu schliefen.
gute Beute zu versprechen schien, wurde das Lager doch schon am
frühen Morgen abgebrochen, um 1 1 tut östlich nach Dechta Boli veriegt
zu werden.
Während die Traincolonne den kürzesten Weg einschlug, streiften
wir mit etwa 100 Elephanten durch dichte Dschungel gegen den neuen
Lagerplatz. Hatte das Jagdterrain anfänglich auch vielverheißend aus-
gesehen, so trafen wir hier doch nur auf wenig Wild, so dass ich bloß
einen Schopf-Schlangenadler (Spilornis cheela) und einen Bellenden
Hirsch erlegte; erst in der Nähe eines Flusses, an dessen Llfer unser
Lager, fast schon völlig aufgeschlagen, sich erhob, standen Pfaue und
Dschungelhühner auf, deren wir einige erbeuteten.
Nach dem Eintreffen im Lager sah ich den Ober-Schikäri, gefolgt
von einer Anzahl Elephanten, gegen das nördlich vom Flusse gelegene
Walddschungel reiten, woraus ich schloss, dass im Laufe des Tages
noch auf eine Tigerjagd zu hoffen sei. Ich hatte mich nicht getäuscht;
denn zwei Stunden später bestimmte uns ein Bote, dem Oher-Schikäri
bis an eine Stelle zu folgen, an der in einem Dschungel, mitten im
prächtigen Walde, ein Tiger eingekreist war. Ich stand an einer dicht-
bewachsenen Mulde, aus welcher nach kurzer Zeit der Tiger brüllend
hervorstürzte, um sich, durch zwei meiner Kugeln getroffen, gegen Clam
zu wenden und, von diesem mit einem Fangschusse bedacht, verendend
in das Gras zurückzustürzen. All dies hatte sich innerhalb weniger
Augenblicke abgespielt. Jubelnd umdrängten die Nepalesen den starken
Tiger, den sie so vorzüglich bestätigt hatten, und der auf dem Rücken
eines Elephanten festgebunden, — ein imposanter Anblick — alsbald
ins Lager gebracht wurde, wo ihn Hodek übernahm.
So oft dieser einen Tiger abzieht, ist er von Eingeborenen um-
lagert, die auf den Augenblick lauern, in welchem der Präparator seine
.Arbeit gethan; dann stürzen sie wie die Geier auf den Tiger, von dem
sie ein Stück zu erhaschen suchen, da dem Tigerfleische besonders heil-
kräftige Wirkung zugeschrieben wird. Als Arcana werden am meisten
die Leber und das Pett geschätzt.
Nach Anbruch der Dunkelheit sahen wir in weiter Feme einen
starken Dschungelbrand — ein Schauspiel, das man übrigens sehr oft
genießen kann, da die Eingeborenen das dürre Gras häufig in Brand
stecken, um das Henorsprießen neuer Keime zu befördern.
Dechta Boli, 15. Mari
Da kein Tiger gerissen hatte, wurde ein General-shooting unter-
nommen und zu diesem Zwecke nach Passierung des Flusses der Weg
an einem Dorfe vorbei eingeschlagen.
Wir konnten hier aus nächster Nähe die armseligen Rohr-
hütten, sowie die primitiven Haus- und Feldgeräthe der Nepalesen
beobachten. Rings um die Hütten ist dem Dschungel etwas Boden ab-
gewonnen und dieser durch die Eingeborenen bebaut worden, welche
trotz ihrer Armut und des fieberigen Klimas nicht so herabgekommen
und verwahrlost aussehen, wie mitunter deren indische Verwandte, die
Hindus, \iolc der Orisinsassen befassen sich mit X'iehzucht und nehmen
sogar Vieh aus Indien auf ihre Weiden; doch ist das Aussehender
Herden ein geradezu schreckliches; denn die einzelnen Stücke \ie''
scheinen nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Krankheiten und
roilJcndc Thiere, namentlich Tiger, fordern zahllose Opfer, da im Tar»'
(■icbieie Kinder und Büffel in halbwildem Zustande umherlaufen, so
dtiss man häutig mitten im Walde an Orten, wo weil und breit kei^*
Niederlassunj; ;*.u sehen ist. einer Herde begegnet, die scheu vor li*^
n Anliegen wurde zwar willfahrt, doch gienß dies gegen die
ursprünglich von den Jagdleitern gefasbtcn Pläne, wet.halb wir ziemlich
rath- und ziellos auf einer großen N'iehtrift umherzogen, ohne ein
gutes Dschungel zu finden. Doch bot auch dieses Gebiet jagdliche Aus-
beute, nämlich Hasen, deren wir eine für Indien sehr erhebliche Anzahl
zur Strecke brachten. Endlich entschloss man sich zum Frühstücke,
— immer ein probates Auskunftsmittel — wonach wir, da die Jagd-
leiter sich wieder zurechtgefunden hatten, einen recht hübschen Streif
längs eines Wasserlaufes machten, in dessen Uferbereiche sich zahl-
reiches kleines Wild fand und einmal sogar — angeblich — ein Panther
gespürt wurde, da plötzlich der Ruf -Tschitü, Tschitä« erscholl; ja
mehrere Leute wollten, wie dies bei ähnlichen Gelegenheiten schon
zu gehen pflegt, den Panther bestimmt gesehen haben; doch lieferte
der mit gewohntem Geschicke sofort formierte Kreis kein Ergebnis.
^H Dcchta Boli, 16. März.
^^ Wir hatten uns noch immer mit der Hoffnung getragen, Tiger zu
erbeuten. Aus diesem Grunde war das Lager noch nicht abgebrochen
worden. Da jedoch bis 10 Uhr vormittags keine Meldung eingetroffen
■war, ordnete der Resident einen großen Streif in den günstigsten, das
heißt in jenen Theilen des Dschungels an, die, wie behauptet wurde,
Tigern zum Aufenthalte dienten. Wir bekamen zwar auch hier, während
<ier den ganzen Tag erfüllenden Jagd keinen Tiger zu Gesicht, dafür
jedoch allerlei anderes Wild; so erlegte ich allein 10 Stück .-^xiswild,
S Stück Schweinshirschwild, einen Bellenden Hirsch, ein Stück Schwarz-
wild, einen Schopf-Schlangenadler, einen mir bisher noch unbekannten
liabi cht ähnlichen Adler (Spizaetus nipalensis), — zur Gattung der
-Haiibenadler gehörig — verschiedenes anderes Federwild, darunter
«inen der prachtvollen zinnoberrothen Mennigvögel. Pronay schoss
«inen .Sumpfhirsch von sechs Enden.
Bei dieser Jagd gieng es zunächst durch lichten Wald mit
<.'irasuntervvuchs; dann, nach einer großen Schwenkung und nach
Durchquerung eines Flusses, in coupiertes Terrain mit gemischtem
Vnterwuchs. Ein großer Theil des hier besonders zahlreichen Wildes
fcrach — was selten zu erfolgen pflegt ^ durch die Elephantenlinie
zurück, gleichwohl gelang mir zu meiner Freude ein coup double auf
einen starken Axishirsch und ein Wildschwein, die in der Flucht an mir
vorbeiwechselten.
Plötzlich entstand der falsche Alarm, es sei ein Panther erblickt
worden, aber die Aufregung, die sich angesichts solcher Verheißung
unser bemächtigte, machte leider rasch tragikomischer Enttäuschung
Platz; denn das als Panther angesagte Stück erwies sich als ein — Wild-
schwein !
Der Streif führte uns zu einer von zwei Flussläufen eingeschlos-
senen Halbinsel, deren Formation die Schützen einander ganz nahe
brachte; da nun aber jeder mit seinen Schüssen dem andern zuvor-
kommen wollte, gab es eine große Zahl eiliger und deshalb schlechter
Schüsse. Hier wurde selbst auf die allerweiteste Distanz noch die Büchse
abgedrückt, dort in der Überstürzung ein Stück Wild von mehreren
Herren zugleich gefehlt.
Ein kleines .Abenteuer war dem guten Hodek vorbehalten. Der-
selbe hatte meine Erlaubnis erbeten, an der Jagd theilzunehmen: allein
gegen Mittag überkam ihn schwere Sorge um die Bälge und Felle,
welche zum Trocknen aufgehängt und noch nicht verpackt waren. Von
Pflichteifer erfüllt, trennte er sich von uns, um zum Lager zurückzu-
kehren, nachdem sein Häudist. das ist der Eingeborene, der mit ihm in
der Häuda saß, über den kaum eine Stunde betragenden Weg insUger
genau instruiert worden war. .\\s wir des ,\bends von der JagJ ein-
rückten, war aber noch immer kein Hodek da. Es schlug 9 Uhr, als er
uns endlich wieder vor Augen kam, mit Recht unwillig darüber, dass
ihn sein Mahäut, immer aufs neue den Weg verfehlend, so viele Stunden
lang in halb Nepal spazieren geführt.
Guleria, 17. Mä«
zustatten kam. Die unfreiwillige Pause unseres Jagdlebens wurde —
nicht ohne mancherlei Erwägungen über die respectiven Vorzüge von
Schreibfeder und Büchse — zur Erledigung der Post benützt.
Mit Beginn der Dunkelheit ballten sich schwere Wolken zusammen
und es regnete in Strömen. Wiewohl die Zelte sich als regendicht
erwiesen, hatten wir von dem recht unliebsamen meteorologischen
Phänomen insofern zu leiden, als im Innern der Zelte alle Gegenstände,
insbesondere die Kleider und die Wäsche ganz feucht wurden.
Beli, 18. März.
Der Abbruch des Lagers Guleria bereitete Schwierigkeiten, da die
nassen Zelte sich schwer zusammenlegen und rollen ließen. Von Tigern
war keine Meldung eingelaufen. Da es eben nicht regnete, sollte in Form
eines General-shootings zum nächsten, 23 km in östlicher Richtung
entfernten Lagerplatze Beli gestreift werden; die Linie war jedoch kaum
aufgestellt, als sich die Berge neuerdings mit Wolken umhüllten und
ein starker Regen niedergieng, der mit kurzen Pausen den ganzen Tag
andauerte, um gegen Abend an Intensität zuzunehmen.
Das Terrain der heutigen Streifjagd war besonders schwierig,
da wir zum mindesten zwanzigmal einen der sich in Schlangen-
windungen dahinziehenden Flüsse mit seinen steilen Ufern zu passieren
hatten, eine harte Arbeit für unsere Elephanten. Überdies mussten wir
meistentheils durch dichtes Baumdschungel ziehen, so dass die Köpfe
der Elephanten und die Messer der Eingeborenen viel zu thun hatten.
Gleich im Anfange wurde ein Tiger gespürt, das Schießen auf
anderes Wild eingestellt und nur nach dem Tiger gefahndet; doch da
sich die Fährte in Bälde verlor, kam wieder die Ordre, alles Wild zu
bejagen. Ich erlegte in der Folge meinen ersten Sumpfhirsch, der leider
nur ein Spießer, im Wildpret jedoch so stark war wie ein sehr guter
jagdbarer Hirsch unserer Wälder; im übrigen war aber das so dichte
Dschungel, auf welches die Eingeborenen viel Hoffnung gesetzt hatten,
sehr wildarm.
Als wir auf eine größere Viehtrift heraustraten, sah ich einen
Vogel in der Größe einer Zwerg-Trappe vor mir wegstreichen, den ich
nicht ansprechen konnte. Da der Vogel sehr scheu war und vor dem
Elephanten nicht aushielt, so schlich ich ihn zu Fuß an und erlegte in
ihm zu meiner großen Freude einen seltenen Ibis (Geronticus papil-
losus) mit stahlblaufarbigen Flügeln, braunem Leib und rothem Kopfe.
379
In demselben Augenblicke strich ein großer Adter knapp über mir
hinweg; ich hatte gerade noch Zeit, eine frische Patrone zu laden, um
ihn aus der Luft zu holen. Im weiteren Verlaufe der Jagd traf mich da«
Missgeschick, bei einem schwierigen Cbergange, der meine HäuJa
bedeutende Schwankungen brachte, einen besonders schönen Nashi
vogel zu fehlen.
Der Regen wurde stets heftiger, die Klephanten ermüilel
infolge der vielen Terrainhindernisse und des nassen, schlüpfrigen
Bodens halber; wir waren bis auf die Haut durchnässt; die Gurten unJ
Riemen der Häudas verschoben sich immer mehr — so kamen wir
denn schließlich in recht kläglichem Zustande im Lager von Bell an.
Hier sah es trübselig genug aus; zwischen den Zelten blieb man beinah«
im Kothe stecken: kein Feuer wollte brennen; alles war feucht utuldw
Arzt lief fortwährend mit Chininpillen umher, jeden, dem er begegnete.
damit überfallend, um das Gespenst der hier stark grassierenden Malaii»
zu bannen.
da«
1
Bell. 19.
J
{dleit -
unsj
rigtiffl
gefO^
Die ganze Nacht hindurch hatte es unaufhörlich geregnet. Geg**^
Morgen legte sich das Unwetter, so dass wir, da kein Tiger bestätig
war, wenigstens zu einer StreiQagd in ein nahe am Lager befindlich®
Dschungel ausziehen konnten, das sich jedoch nahezu wildleer erwi ^
kaum jede halbe Stunde hörte man einen Schuss. Als wir den JagdleiC^ *
den \'etter des Maharadschas, deshalb interpellierten, erklärte er uiü
habe dergleichen geahnt, da man ihm aber gemeldet, dass ein Tig(
diesem Walde gespürt worden sei, habe er den Streif dahin ]
Um allen weiteren Erörterungen ein Ziel zu setzen, befahl ^*
das Frühstück herbeizubringen und ordnete eine Rast an. womit ich, ^
bei unseren bisherigen Expeditionen das Frühstück schon oft eine se
günstige Wendung in die Schicksale des Jagdtages gebracht hatc3
zufrieden war, besonders weil wir bald wieder aufbrachen, um in e.
besseres, gemischtes Dschungel zu gelangen.
Ich hatte eben eine kleine Schlucht passiert und die ganze Lin.
war in ein sehr hohes Gras- und Schilfdschungel gekommen, als ic^
Theile eines von einem Tiger frisch gerissenen Rindes im Grase fnn^
Ich machte die neben mir reitenden Schikäris und Jagdleiter darauf au
merksam, welche, nachdem sie den Killplatz genau untersucht, d^
Häupter schüttelten und mit lebhaften GesticulatJonen eine längei —
Besprechung abhielten, der ich entnahm, dass sich der Tiger nicht we *
lässt. Beim Aufbrechen fand man im Magen die noch ganz erhaltene
Hälfte einer Kuh mit Decke, Kopf, Ohren u. s. w.. ebenso beim Abstreifen
meine Schrote unter der Decke genau auf dem Blatte sitzen. Ich hob sie
mir als trauriges Andenken auf. Bei all dem war ich sehr erfreut, das«
gerade Wurmbrand, der bisher noch kein W'ai dm annsheil gehabt, den
Tiger erlegt hatte. Die weitere Fortsetzung des Streifes ergab nichl
mehr viel Wild, dafür aber als Vertreter einer für uns neuen Art, zwei
Zibethkatzen (Viverra zibetha), welche durch intensive und zahlreiche
dunkle Flecken und Streifen ausgezeichnet sind.
Gegen .Abend, als wir schon ins Lager zurückgekehrt waren, gieng
ein heftiges Gewitter nieder, bei dem es ohne Unterbrechung donnerte.
Der niederströmende Gussregen war keineswegs danach angelhan, die
Feuchtigkeit des noch von gestern her nassen Lagers zu vermindern.
Beim Abendessen gab"s auf einmal Tigeralarm. Einige ängstliche
Kulis stürzten mit der Meldung herbei, ein Tiger habe einen Büffel
gerissen und sitze auf ihm. Die um die Thiere besorgten Leute zündelen,
um den Tiger zu verscheuchen, allenthalben Feuer an; die Meldung
erwies sich jedoch als falsch, so dass es beim bloßen Schrecken bli
Katni, 20. Mäf
Die Eingeborenen und namentlich die leitenden Führer hatten
uns schon tagszuvor erklärt, dass bei .i^ndauer des Regenwetters an e
Abbrechen und Fortschaffen des Lagers nicht zu denken sei, da sär
liehe Kameele und Wagen im Kothe stecken bleiben müssten und fl
dies die nassen Zelte beim Verpacken Schaden leiden würden. Da a
auch zugegeben wurde, dass die Gegend, in der unr uns befani
keine sonderliche Jagdausbeute, insbesondere keine solche an Tigj
erwarten lasse und wir auf Erfolge erst im nächsten Lager rechl
dürften, so drang ich mit allem Nachdrucke darauf, das Lager i
brechen und unter jeder Bedingung zu versuchen, die nächste Sta
Katni, zu erreichen. Nach langen Debatten gelang es, die Jagdleiter^
überreden, und zeitlich morgens schritt man daran, das Lager ahj^
brechen. Das Fatalste bei der Sache war, dass wir einen langen Mal
von 23 km in südöstlicher Richtung vor uns hatten; dafür lugte «bei
Sonne hervor und trocknete wenigstens unsere durchnassten Klfiifl
Wir ritten mit den Reit- und Jagdelephanten vor-ius. da ein 1
in der Nähe des neuen Lagerplatzes gekillt hatte; die Karawane s
folgen. Im Verlaufe unseres langen Rittes sahen wir aber mit Besorg
ie Verwüstungen, welche der nachhiiUige Regen an den Waldpfaden
ngenchtet hatte; denn überall gab es Wasserlachen und Koth. so dass
nsere Elephanten allerorts tief einsanken; die sonst trockenen Erdrisse,
/eiche die Wege kreuzen, waren stellenweise meterhoch mit Wasser
ngefüllt.
Auf dem Lagerplätze von Katni lief bald die Meldung ein, die
Carawane sei völlig stecken geblieben, könne nicht vonvärts und
i'erde, da alles umgeladen werden müsse, wohl nicht vor dem nächsten
borgen anlangen. Die Kameele glitten nämlich in dem kothigen Terrain
lerart aus, dass ein Weitertreiben derselben nicht möglich war, und
lie schwächlichen, schlecht genährten Ochsen und Büffel waren nicht
m Stande, die unpraktisch gebauten, zweiräderigen Karren fortzu-
ichleppen.
Auf Strohbündeln sitzend harrten wir, während die Schikäris mit
ien Elephanten auszogen, um den gemeldeten Tiger zu bestätigen, der
iinge, die da kommen sollten. Nach und nach trafen einige \'orboten
ies Trains, die Kulis mit ihren Lasten und einzelne Soldaten der
iscorte ein. So mochten wir ungefähr fünf Stunden gewartet haben,
ils die sehr erfreuliche Botschaft kam, es sei den Schikäris gelungen,
Jen Tiger zu finden und einzukreisen. Im schnellsten Laufe, dessen
Elephanten fähig sind, gieng's an den bezeichneten Platz, wo wir ganz
iurchgerültelt ankamen, aber zu unserer Befriedigung den Kreis in
schönster Ordnung fanden; rasch waren die Plätze vertheilt, und die
gewöhnliche Arbeit der Schikäris nahm ihren .'\nfang.
Der Jagdplatz war sehr hübsch gelegen, ein dichtes, grünes Gras-
Ischungel, umgeben von hohen Sal-Bäumen und anderen, mir unbe-
iannten Bäumen, die wohlriechende, rosarothe Schmetterlingsblüten
rügen. Der Tiger riss bald vor den Elephanten aus, schlich einige Zeit
n dem Dschungel umher und fuhr dann plötzlich gegen Kinsky, der
hn fehlte, heraus, um sofort wieder im Grasdickichte zu verschwinden;
lach einigen Minuten stürzte derselbe mit Gebrüll abermals her\'or und
lahm meinen Elephanten an. Ich rouHerle den Tiger nun zu den l-'üßen
neines tapferen Häthi, der sich nicht gerührt hatte, worauf der Tiger.
ier einen Hochblatlschuss hatte und auf dem Boden lag, das Haupt
jegen mich wendete, brüllend den Rachen Öffnete und mir die Zähne
vies. Ein prachtvoller Anblick, über dem ich vergaß, dem Tiger noch
Hnen Fangschuss zu geben, so dass das mächtige Thier plötzlich wieder
lOch wurde und sich, wenn auch noch von einer zweiten meiner Kugeln
getrofTen, neuerdings in das Grasdschungel zurückzog.
Nun begann eine sehr aufregende Jagd, da der schwerverwunJelc
Tiger sich auf das energischeste vertheidigte und alles annahm, was ihm
in die Nähe kam. Wir durften unsere Stände Im Kreise nicht veria^sen,
weil sonst Lücken entstanden wären, durch welche der Tiger hätte eni-
wischen können; so ritten denn die Schikäris in das Gras, um ihn
herauszutreiben. Der Tiger war jedoch schon zu schwach, um den Platz,
auf dem er lag, zu verlassen, und vertheidigte nur mehr in sitzenJer
Stellung sein Leben. Ein besonders tapferer Elephant gieng ihn direct
mit dem schrillen Kampfesrufe, welchen diese Thiere bei solchen
Gelegenheiten ausstoßen, an, warf sich auf ihn und brachte ihm mit
den Stoßzähnen eine tiefe Risswunde am Schlegel bei; doch hatte Jer
Tiger noch hinlängliche Kraft, den Elephanten anzuspringen und sich
in einen Vorderfuß desselben zu verbeißen, so dass das Blut in Strömm
hervort|uoll. Nach einigen .Attaquen dieser Art hörten das Gebrüll und
der Kampf endlich auf; der Tiger war verendet.
Wir konnten bei dieser Scene nur als Zuschauer ftjngieren ufJ
keinen Fangschuss anbringen, da der Elephant mit seinem Mahäut unJ
der Tiger immer knapp aneinander waren und wir befürchten mussLer,
den Elephanten oder den Mahäut zu treffen. Der Tiger, ein alles
Männchen, das über 3 m maß, war der stärkste, den ich bisher erbcuiei
hatte; erst als er verendet war, konnten wir die klaffende Wunde in d«
Flanke beobachten, welche ihm der Elephant mit den Stoßzähnen bei-
gebracht; aber auch dieser war schlimm zugerichtet, hob schmerzerfüÜi
den Kuß empor und sog das strömende Blut mit dem Rüssel auf.
Nachdem der Tiger noch photographiert worden, nahmen wir
fröhlich den Weg zum Lager, wo uns abends wieder ein Tigeralann
.Stoff zur IMterhaltung bot. Das angebliche Erscheinen eines Tigere
hatte unter den Kulis große .Aufregung hervorgebracht, bis sich scMiell-
lich hcniusstellte, dass der -Tiger- nur ein seinem Wärter entkommenef
lUlffcl wiir, welcher in der Finsternis mit einem anderen Büffel kämpfte
Katni. 21. Märt
Morgens hieß es. ein starker Tiger habe in der Nacht gerissen und
«Di in einem nicht sehr entlegenen Dschungel ziemlich sicher bestätigL
EtttKi'K<;n dem Kalhc des Residenten, unsere Jäger mit den HäuJa-
KkphimU'n vorausKUSchieken und erst eine Stunde später selbst nach-
RuIiilttDH, ungen wir es vor sofort mitzureiten und wurden, auf dem
Slülkllclicln nnpclHnpt, vom Oheim des Maharadschas mit der Naclirichl
3S4
cfen, dass der Tiger noch jung wäre und sieh beim geschlagenen
Stücke befände. Als die Flügel voreilten, um den Kreis zu formieren,
wurde aus dem Tiger ein Panther und, als der Kreis geschlossen war,
aus dem Panther — nichts. Ziemlich enttäuscht verließen wir das
Dschungel; doch da die Eingeborenen mit Bestimmtheit auf einen Tiger
rechneten und uns versicherten, dass ein solcher sich in der Nähe
befände, wurde die Linie gebildet und ein Streif in einem ziemlich
lichten, benachbarten Dschungel unternommen, wobei aber auf kein
anderes Wild als auf Tiger geschossen werden sollte.
Dem hervorragenden Spürsinne der Schikäris widerfuhr glänzende
Genugthuung; denn wir mochten ungefähr eine halbe Stunde gestreift
haben, als vom linken Flügel her der Ruf -Bara Bägh- erscholl. Tch
befand mich mit Wurmbrand und Kinsky in der Mitte und musste
stehen bleiben, während die Flügel von den Schikäris zur Schließung
des Kreises beordert wurden. Mein Mahäut wies, mir •Bägh» zurufend,
beständig gegen einen ziemlich entfernten Grasbusch hin, ohne dass
ich jedoch etwas wahrnehmen konnte, da ich beim Halten der Linie in
eine sehr ungünstige Position, in eine von Bäumen umgebene Vertiefung
gerathen war. Um die Anordnungen der Eingeborenen nicht zu beirren,
verharrte ich auf meinem Posten und sah, als die Flügel bereits
anfiengen, den Kreis zu schließen, in beträchtlicher Entfernung von
mir einen Tiger zwischen den Bäumen sich im Trolie fortbewegen.
In demselben Augenblicke fiel ein Schuss Kinskys, der Tiger stürzte
getroffen und that sich bei einem großen Baume nieder. Kurz darauf
schoss Wurmbrand links von mir auf einen schwachen Tiger, den ich
nicht sehen konnte und der sich, auch getroffen, in einem Grasbusche
verbarg. Unmittelbar nachher sah ich, ebenfalls sehr weit von mir,
einen dritten Tiger über eine kleine Blöße direct gegen Clam wechsein,
der ihn roulierte, worauf das Thier noch bei Kinsky durchzubrechen
versuchte, von diesem aber einen Fangschuss erhielt.
Bei dem Einschwenken des linken Flügels zur Schließung des
Kreises war eine kleine Verwirrung dadurch entstanden, dass ein
vierter Tiger durchbrach und Fairholme denselben mit einigen Eie-
phanten besonders einzukreisen versuchte. Stockinger und Prönay
wollten die hiedurch eingerissene Lücke verstellen, verloren aber hiebei
die Direction, erschienen im Jagdeifer plötzlich mitten im Kreise vor
uns und eröffneten hier, auf den von Wurmbrand angeschossenen Tiger
stoßend, auf diesen ein wohlgenährtes Schnellfeuer, so dass er zum
Schlüsse von sieben Kugeln durchbohrt auf die Strecke gebracht wurde.
^8-1
Erlegung von Tigern besonderer Erlaubnis, welche dann ertheilt wird,
wenn ein Tiger unter den Viehherden der benachbarten Ortschaften
große Verheerungen anrichtet.
Leider wurde abermals ein Nashornvogel gefehlt; Fairholme erlegte
einen Black-buck, den ersten, den wir bisher in Nepal gesehen.
Gegen Ende unseres Streifs, schon ganz nahe am Lager, begannen
zwei Elephanten aus unbekannter Ursache miteinander zu kämpfen,
wobei der eine derselben mit einem Stoßzahne dem Mahäut des anderen
Elephanten eine tiefe Riss- und Quetschwunde in der Kniekehle bei-
brachte und den Mann hiedurch so schwerverletzte, dass der Bedauerns-
werte das Bett wohl durch viele Wochen wird hüten müssen.
Im Lager statteten wir dem armen angeschossenen Elephanten
einen Besuch ab und fanden ihn eben unter der Behandlung des Arztes,
wobei ich die Klugheit und Geduld des Thieres bewundern konnte. Auf
Befehl des Wärters legte sich der Elephant auf die rechte Seite und sah
mit den klugen Augen nach dem Arzte, der die Wunde mit der Sonde
untersuchte, ohne dass sich hiebei die Kugel gefunden hätte. Empfand
der Elephant Schmerz, so verzog er nur die Lippen, verhielt sich
aber im übrigen, ebenso wie bei der noch schmerzvolleren Operation
des Auswaschens und Einpinselns der Wunde ganz ruhig, als wüsste
er, dass ihm diese Procedur nützen würde. Die Ruhe des Thieres war
um so höher anzuschlagen, als nach den Thränen, welche den kleinen
.■\ugen entquollen, zu urtheilen, die Schmerzen, welche der arme Häthi
7A\ ertragen hatte, nicht geringe waren.
Katni, 22. März.
Der heutige Jagdtag war ziemlich missglückt, doch der richtige
Jäger muss ja des Sprichwortes stets eingedenk sein: »Es ist alle Tage
Jagdtag, aber nicht alle Tage Fangtag.« Das Wetter war so herrlich,
A'ie es in unseren Ländern an besonders schönen Septembertagen zu
sein pllegt.
Der Morgenrapport lautete, dass ein starker Tiger auf 11 km
lördlich vom Lager gerissen habe, weshalb wir sofort nach dem Kill-
platze aufbrechen sollten. Die Jagd- und Hauda-Elephanten waren bereits
w'orausgcgangen, wir folgten denselben, einen genussreichen Ritt durch
3inen grünen Sal-Wald bis zum Jagdplatz unternehmend, der fast un-
mittelbar am P'uße des Gebirges gelegen war. Daselbst emptiengen uns
die Schikäris mit dem Ausdrucke der Enttäuschung in ihren Mienen und
meldeten, dass sie bereits einen großen Kreis gemacht, den envartcten
38:
'Jö*
fanden zwischen Hals und Blatt eine ganz eingekapselte Rundkugel
größten Calibers, die ihm seinerzeit gewiss viel Unannehmlichkeiten
bereitet haben dürfte.
Die Eingeborenen schienen, da in den letzten drei Tagen vier
Tiger gefallen waren, ohne dass ich einen derselben erlegt hatte, mit
dem Resultate der Jagd nicht einverstanden; sie eilten daher sofort ins
Lager, wohin wir ihnen eine Stunde später folgten, zurück, um nach-
mittags einen Panther aufzusuchen, der in südlicher Richtung vom Lager
gerissen hatte. Bei dem Eintreffen im Lager hieß es jedoch, der Panther
sei nicht gefunden und als Ersatz für die Jagd auf diesen könne ein
General-shooting unternommen werden.
Als wir uns zu diesem rangierten, fiel mir auf, dass hinter der Linie
einige Leute Feuer anzündeten, um einen im hohen Dschungel sicht-
baren Bau auszuräuchern. Auf mein Befragen wurde mir bedeutet, es
handle sich hier nur um eine Spielerei der Leute, worauf wir beruhigt
von dannen zogen, eine Ebene am Rande eines größeren Flusslaufes
durchstreifend, in der ich wieder eine der schönen Bengal -Trappen mit
weißen Flügeln, einen capitalen Schweinshirsch mit hohem, starkem
Geweih und zwei Zibethmarder, sowie verschiedenes kleineres Wild
erlegte.
Leider entkam uns eine alte starke Hyäne auf eigenthümliche Art.
Ich passierte eben ein hohes Grasdickicht, als einige Elephantenführer
in meiner Nähe mir auf nepalisch etwas zuriefen und gleich darauf
unter Schreien und Gesticulationen ein Stück Wild verfolgten, das sie
auch bald eingekreist hatten. Ich frug den neben mir reitenden Resi-
denten, was es sei, worauf mir dieser bedeutete, es sei nur ein Zibeth-
marder, den man in dem Grase nicht erblicken könne, weshalb ich auch
nicht zu der Stelle reiten möge, wo das Thier stehe, da ja doch jedes
Bemühen vergeblich sei. Infolge dessen meinen Weg fortsetzend, gerieth
ich jedoch in nicht eben freudiges Erstaunen, als ich, zurückblickend,
aus dem Dickicht, welches früher leicht zu erreichen gewesen wäre, eine
gewaltig große Hyäne springen und flüchtig werden sah. Ihr eine Kugel
nachzusenden, verwehrte mir der Umstand, dass sich zwischen der
Hyäne und meinem Standpunkte Leute und Elephanten befanden. Clam
und Crawford vermochten nur auf weite Distanzen einige erfolglose
Schüsse abzugeben.
Als die Jagd beendet war, brachten uns Leute zwei junge Hyänen
ins Lager, die sie aus dem Baue, den ich schon bei Beginn der Jagd
wahrgenommen, ausgeräuchert und erschlagen hatten; somit hatte ich
hinvveggcschleppt hatte. Dieser schien ein erfahrener Tiger zu sein,
der wohl auch schon eine Jagd mitgemacht hatte; denn als wir am
Stelldichein anlangten, meldeten uns die Schikäris, sie hätten einen
Tiger gesehen, ihn aber nicht einkreisen können. Vermuthlich — das
wollten sie nicht eingestehen — war ihnen der Tiger auf irgend eine
geschickte Weise entschlüpft. '
Da wir den Tiger nunmehr in der Richtung, die er genommen,
suchen sollten, wurde die Linie gebildet und ein schöner Wald durch-
streift. Wie selbstverständlich war die Parole ausgegeben worden,
hier auf kein anderes Thier zu schießen. Doch fügte der Zufall, wie fast
stets in solchen Fällen, dass uns eben hier eine große Anzahl des
interessantesten Wildes zu Gesicht und in beste Schussnähe kam;
capitale Axishirsche, Bellende Hirsche, selbst scheue Sumpfhirsche
wagten sich nahe an unsere Elephanten heran. Nach langem Streifen
gaben endlich die Schikaris die Hoffnung auf, den Tiger zu finden.
Ein Frühstück sollte nun die nothwendige Berathung versüßen.
Schon wollte ich frohlocken; denn kein Frühstück war zur Stelle, da
die Leute, denen es anvertraut worden war, sich mit ihren Elephanten
in dem Dschungel verirrt hatten; aber kaum eine halbe Stunde später
kamen die Proviantträger, durch die von Hunger und Durst erpressten
Rufe unserer englischen Gefährten auf den rechten Weg gebracht, herbei,
so dass eine Stunde lang gefrühstückt werden konnte.
Mittlerweile waren die Schikäris mit den Jagdelephanten voraus-
geeilt, einen anderen Tiger abzuspüren. Wir folgten auf Reitelephanten,
kamen an dem verlassenen Lagerplatze von Katni vorbei und fanden
die Schikäris endlich am Ufer eines Flusses in einem hohen Schilf-
dschungel, wo sie zwar keinen Tiger, wohl aber einen Panther ein-
gekreist hatten. Wir waren kaum in unsere Häudas geklettert, als sich
auch schon das Schilf bewegte und der Panther in voller Flucht an einer
der weniger dicht mit Elephanten besetzten Stellen den Ring durch-
brach, ohne dass in dem Schilf ein Schuss angebracht werden konnte.
Doch das brachte die an derlei schon gewöhnten Schikäris nicht
aus der Fassung — einige Commandorufe, der Kreis öffnete sich, die
Plügel liefen neuerdings aus, um sich nach 200 Schritten wieder zu
schließen, so dass nach wenigen Minuten der Panther abermals ein-
gekreist war. Er versuchte es von neuem mit dem Durchbrechen, kam
aber diesmal an eine dichte Phalanx von Elephanten und wurde in
entgegengesetzter Richtung flüchtig, um schließlich von mir rouliert
zu werden. Dieser Panther war noch stärker als jener des Vortages.
393
Auf Jeni Heimwege von der Pantherjagd, der durch einen dichten
Wald iKnoniüien wurde, widerfuhr unserem Generalconsul Stockinger
tfi;: kLiJ-isis Missgesohick, indem ihn ein herabfallender Baumast so
hv'iii;; J.:r. Kopfe traf, dass die Stime die blutunterlaufenen Spuren des
Svhl^ue* reiste.
y^-t klarem Mondscheine wurde das südlich von Katni bei
ya.uTii>;nji duiä:oschla»:ene Lager bezogen.
Bhanderia — Sohela, 26. März.
H>.'Utu hiüü es Abschied nehmen von dem schönen Nepal ; Abschied
imcii vk'n di;n nepalischen Eingeborenen, namentlich den Jagdleitern
j is."hiiiäns. diesen prächtigen Leuten, die wir während unseres allzu-
I ^eii Auieuthalces so sehr schätzen gelernt hatten; Abschied nehmen
I Liis-cien bi-uven Hdchis. die uns drei Wochen hindurch so fleißig
.! Ltvu aul manch schwierigen Märschen und Jagden getragen hatten.
\'.>ll der sciionsten t^rinnerungen an die so gelungene, hoch-
cK-^iiiic ,'ai;d:!e!C. an merkwürdige Erlebnisse und an ein freie?,
i;i.>iiiidctie-i .'^-lilebeii tu der L'r\valdnatur, verließen wir Nepal. Ms
':\w Uli- viel- Himmel das Scheiden recht schwermachen, war der Tag
t^w-\ '.uivi ur'ikeiilos: die blauen Berge und die Gletscherspitzen
i.v^t'.t 'iii:^ v'Meii AoschiedsgruL) zu: das grüne Dschungel mit seinen
,iii;,.>Lt S>i; MäuiiKii lag so einladend vor uns, als sollten wir neuer-
n Nepalesen kam heran, um mir
iszusprechen. Der Onke! und der
Dann kamen die Unterbeamten, die Mahäuts, die Soldaten der
Escorte, mit einem Worte jedermann aus dem ganzen Völkchen, mit
dem wir drei Wochen in angenehmster Weise verlebt hatten, heran,
um mir aufzuwarten und mir seinen Seläm zu machen, worauf die
Auszahlung der Leute erfolgte. Es war ein hübsches Bild, als sie alle,
die Mahäuts auf ihren Elephanten voraus, vorbeidefilierten, Lohn und
Trinkgeld in Empfang nahmen und hiebei ihre Danksagungen zum
Ausdrucke brachten. Eine komische Figur bot unser einheimischer Post-
meister, als er, sofort nach Empfang des ihm gespendeten Geldbetrages,
um Ausfertigung eines Certificatcs bat, des Inhaltes, dass er, der Post-
meister, auf redlichem Weg in den Besitz dieser Summe gelangt sei.
Auch die anderen alle baten dringend um schriftliche »Wohlver-
haltungs-Zeugnisse«', ein Begehren, dessen Erfüllung uns den ganzen
Morgen über in Athem hielt, da das Niederschreiben, Fertigen, Siegeln
der Briefe gar kein Ende finden wollte. Eine rechte Freude äußerten die
Leute über das Roth-Weiß der Stampiglie meiner Kammervorstehung,
da diese Farben die Landesfarben von Nepal bilden.
Endlich war das Lager abgebrochen, alles verpackt; wir winkten
all den Freunden noch einen letzten Abschiedsgruß von unseren
Elephanten zu; dann setzte sich die Karawane in Bewegung, um die
Grenze zu überschreiten und sich in südlicher Richtung gegen Sohela,
den letzten Lagerplatz, zu wenden. Wir hatten vorgehabt, während
des Marsches auch auf dem indischen Gebiete bis nach Sohela hin zu
jagen, da, wie in Nepal, auch hier günstige Dschungel sind, doch die
Nepalesen, Onkel und Vetter des Maharadschas an der Spitze, waren um
keinen Preis zu bewegen, anglo-indisches Gebiet zu betreten.
Wiewohl hiedurch meine Jagdpläne behindert wurden, konnte
ich den Nepalesen so starres Festhalten an der Theorie vollkommener
Absperrung ihres Landes gegen anglo-indisches Gebiet nicht verübeln.
Die stete Besorgnis vor der Annexion ihres Reiches durch England
scheint eben, angesichts der Mcdiatisierung der benachbarten, vormals
unabhängigen Fürsten, wohlberechtigt und die systematische Ein-
schränkung des Verkehres zwischen Nepal und Indien das einzige
Mittel zu sein, Nepal wenigstens vorderhand selbständig zu erhalten.
Die freundlichen Beziehungen jedoch, welche uns mit den Nepa-
lesen verbanden, ein Verhältnis, das vielleicht durch die persönliche
Überreichung der Hirschfänger noch bestärkt worden war, bestimmten
die Bevollmächtigten des Maharadschas von Nepal mir gegenüber
zu besonderen Concessionen. Diese bestanden darin, dass sich die
395
waren und nur erschreckte VVasserrallen aufflogen. Wie es schien,
kannte der Oberforstmeister den ihm zugewiesenen District nicht ganz
genau, und nur ein besonderes Waidmannsheil führte uns zufällig
in ein äußerst günstig gestaltetes Dschungel, in dem wir auch sofort
auf Wild, namentlich auf Pfaue trafen.
Plötzlich hörte ich links von mir die Pfaue laut schreien und sah
ein ganzes Bouquet derselben aufstehen, das sicherste Zeichen, dass
sich größeres Raubwild in dem Dschungel befinde. In der That ertönte
gleich darauf der willkommene Ruf »Bägh! Bägh!« und instinctiv
stürmten alle Elephanten concentrisch dem Punkte zu, von dem der
Ruf erscholl. Der Kreis ist bald geschlossen, zwei Schikäris reiten in
demselben längere Zeit umher; endlich bewegt sich auch das Gras, die
Elephanten trompeten — aber statt des Tigers wechselt ein sehr starker
Keiler gegen mich. Ich schieße denselben und frage mich, ob denn die
Treiber nur so ins Blaue hinein »Bägh« gerufen haben sollten? Dies
war bei der großen Erfahrung der Nepalesen nicht anzunehmen, schien
aber trotzdem auf Wahrheit zu beruhen; denn im Kreise rührte sich
nichts mehr und alle Mahäuts kamen mit den Elephanten herbei, um
den Keiler zu betrachten.
Da springt zwischen zwei Elephanten ein Panther, der sich bisher im
Grase geduckt und nicht gerührt hatte, auf, durchbricht in dem Tumulte,
den sein unerwartetes Erscheinen hervorruft, die Linie, und flüchtet,
ohne dass geschossen werden kann, in das benachbarte Dschungel.
Nun aber zeigten sich die braven Nepalesen wieder in ihrer ganzen
Tüchtigkeit; im Nu hatten wir den Panther eingekreist, und ich gab,
als ich dann durch eine kleine Lücke ein Stück gefleckter Decke sah,
Feuer; der Panther zeichnete, wurde im Grase flüchtig und setzte eben
zum Sprunge gegen meinen Elephanten an, als ihn ein Fangschuss des
neben mir stehenden Residenten streckte. Der Panther war klein, so dass
ihm leider die großcaliberige Kugel des Residenten das ganze Haupt
zerschmettert hatte, während meine Kugel am Stiche saß.
Obgleich sich noch einige sehr einladende Dschungel in der Nähe
zeigten, baten die Nepalesen, mit dem größten Theile ihrer Elephanten
nach Hause zurückkehren zu dürfen, um noch vor Einbruch der Dunkel-
heit heimisches Gebiet zu erreichen. Wir konnten ihnen die Bitte nicht
abschlagen, und so ritten wir auf Reitelcphanten in unser Lager Sohela,
das 16 km vom Lager Bhanderia entfernt lag, indes die Nepalesen in
langen Linien nordwärts zogen. Wie gerne wären wir den Jagdgenossen
1. 1
Das Lager stand knapp an einer eben im Baue begriffenen Bahn,
die von Mailani aus, einer Station der Rohilkund Kumaon Railwny.
nördlich über den Sardafluss bis knapp an die nepalische Grenzeluhren
soll. Mit der Herstellung dieser Zweigbahn wird hauptsächlich der
Zweck verfolgt, die unermesslichen Wälder zu erschließen, die sich *n
der Grenze befinden und in ihren Beständen einen sehr bedeutenden,
gegenwärtig ertraglosen Capitalswert darstellen.
Den letzten Abend, den wir im Zeltlager verbrachten, widmeien
wir der ZusammenstelUmg der Schussliste über die nepalische Expe-
dition, Welche Fülle von Erinnerungen an frohe und glücklich verlebt«
Tage wurde hiebei wach!
Sohela — Lucknau - Calcutta — Diamond
Harbour — Pulu Besar.
Obwohl die Bahn, wie ei^wähnt, erst im Baue begriffen und
■erst nur der Unterbau, anscheinend recht flüchtig, hergestellt ist, so
irde doch auf dem provisorischen Geleise ein Zug abgelassen, der
s und unsere Bagage in langsamem Tempo von Sohela bis an den
^nzfluss Sarda zu der Stelle brachte, wo die Eisenbahnbrücke eben
er Vollendung entgegenschritt. Hier wurde das Gepäck durch Kulis
3r eine in der Nähe befindliche Schiffbrücke getragen, während wir
einem von einem Bahningenieur gelenkten Boote das andere Ufer
eichten. Dies war jedoch mit Schwierigkeiten verbunden, da der
ht ganz schiffkundige Mann uns zweimal mitten im Fluss auf Sand-
ike führte, so dass wir von Wellen umspült ganz fest saßen, bis uns
beiwatende Kulis aus dieser unerquicklichen Situation befreiten.
Auf dem anderen Ufer harrte ein Extraziig. der uns, nachdem
■s verladen war, auf der Linie der Rohilkund Kumaon Railway nach
cknau brachte. Ein schweres Gewitter stand am Himmel, es donnerte
i blitzte, Regentropfen begannen zu fallen, als der Zug sich in
.vegung setzte. Zuerst führte die Bahn durch schöne Dschungel,
en ahnlich, die wir in Nepal gefunden, durch Teak- und Sal-VVälder;
m nahm die Gegend wieder den monotonen Charakter der indischen
Ebene an. Schlaf und Lecmre verkürzten uns die Zeil, bis wir gege:;
7 L'hr abends in Lucknau eintrafen. Da wir hier Wagenwechsel hatter
und die U:nladunp des Gepäckes die sofortige Abreise venvehne.
benützten wir die uns gegönnte Rast zu einem Spaziergange in der
lauen Nacht, wobei der Mond in schönstem Glänze strahlte.
Um 1 1 L'hr bestiegen wir den Zug, der uns ohne Unierbrechun:;
zunächst auf der Linie der Oudh and Rohilkund Railway über Dschaun-
pur -Jaunpur- und Benäres nach Moghal Sarai und von hier auf der
Linie der Eas: Indian Railway nach Caicutta bringen solhe.
Lucknau — Ca! cutta. 28. Marx.
.\uf bekannter Strecke eüten wir Caicutta zu. Allenthalben waren
die Fruchte der Felder bereits gereift und überall sah man Menschen
emsig beschäftigt, die Ernte einzuheimsen. Die Hitze hatte bedeutend
zugenommen und wurde in der. Waggons fast unerträglich. Drückenii
schwül lag die .Atmosphäre über dem Lande, das melancholisch. |n^u
in Grau, weithin vor unseren Blicken >ich dehnte; heißer Wind wirbete
ab und zu dichte Staubwolken auf — so machte die indische Ebent
noch zum .Abschied einen recht ;r'.'-t!'>sen Eindruck.
t"it!ci;:!.^ Diamond Harbour. 29. Mär;
Morgens 7 l'hr :r.iien wir in Caicutta ein und wurden auf dem
Bahnhofe von dcni .Müitärsecretär des Vicekönigs und einem .Adjutanten
doselben empfitrger. Diese Herrc" celeiteten uns nach dem GovemmerT-
Hi'Use, wo r:i:ch der XicekOrii:, sich'.üch erlreut über den so befri*;-
em Generalconsul Stockinger, der uns während der ganzen Reise durch
idien begleitet hatte und nun in die Heimat zurückkehren sollte. Wir
lle haben Stockinger nicht nur als liebenswürdigen, charmanten Gesell-
chafter, sondern auch als gründlichen Kenner Indiens schätzen gelernt,
/oselbst er während der zehn Jahre seines amtlichen Aufenthaltes sich
ie wesentlichsten Verdienste um die Heimat erworben hat, dabei stets
jbhaftes und dauerndes Interesse für alle Verhältnisse Indiens an den
\ig legend.
Nach zweistündiger Fahrt durch ein von zahlreichen Wasser-
iufen durchzogenes, stark versumpftes Gebiet langten wir in Diamond
larbour ein, wo mich Schififscommandant v. Becker empfieng, um mich
Ti Galaboote durch einen Seitencanal nach der » Elisabeth ^^ zu geleiten,
lie in dem Hugli vor Anker lag. Ich war freudig bewegt, nach einer
Vbwesenheit von dritthalb Monaten unser schönes Schiff wieder zu
eben und ein Stück heimatlichen Bodens zu betreten. Die Volkshvmne
irklang, die Mannschaft war an den Salutstationen und die Geschütze
ionnerten, als ich mich einschiffte. An Bord wurde ich von den Herren
des Stabes begrüßt, die manch interessantes Erlebnis von der langen
Fahrt über Goa, Colombo, Trincomali nach Calcutta, bis wohin die
* Elisabeth« gelangt war, zu erzählen wussten.
Erst nach Sonnenuntergang ließ die drückende Schwüle etwas
lach, und eine frische Brise gewährte Kühlung, als uns der Abend mit
fen Herren der englischen Suite zum Abschieds-Diner am Achterdeck
ereinigte. Bussatto, der Koch, hatte sein Bestes gethan, die Bordkapelle
eß die schönsten Weisen ertönen, so dass ungeachtet der bevorstehen-
-n Trennung von einigen unserer Reisegefährten in Indien bald eine
cht animierte Stimmung herrschte und die allseits ausgesprochene
oftnung auf baldiges Wiedersehen für das Auseinandergehen einiger-
^>-ßen trösten konnte. Gleichwohl sahen wir Kinsky, sowie die Herren
^ englischen Suite, General Protheroe, Captain Fairholme und Mr.
^iwford sehr ungern ziehen; denn wir hatten uns im Laufe der
rrieinschaftlichen Kreuz- und Querzüge durch Indien, alle Eindrücke
^^i Erlennisse theilend, an das Miteinanderleben gew^öhnt und waren
eine einheitliche Reisegesellschaft so sehr zusammengewachsen,
^ss wir die Auflösung derselben nur als den schmerzenden Riss eines
nippenden Bandes empfinden konnten. Die Freunde, von denen wir uns
'^nncn sollten, waren nicht bloß angenehme Begleiter gewesen, sondern
'^^Uen sich auch wichtige, den Erfolg der Reise sichernde Verdienste
•^Worben: Kinsky durch die trefflichen Vorbereitungen, die englischen
403
20*
Herren durch die fürsorgliche, umsichtige Leitung aller Fahrten u
Expeditionen, durch das unermüdliche Bestrehen, die Reise zu eii
wahrhaft genussreichen zu gestallen.
Die vier Sowärs, eingeborene Cav allen e-Unterofficiere der BrigaJe
des Generals Protheroe, welche die ganze Reise mitgemacht und sich
durch musterhafte Aufführung, sowie durch gewissenhafte Erfiillung
ihrer Pflichten, namentlich bei der ihnen übertragenen Obsorge für die
Bagage und als Büchsenspanner ausgezeichnet hatten, waren ebenfalls
an Bord gekommen. Sie konnten über das prächtige Schiffe sie hulUin
noch nie ein Kriegsschiff gesehen — nicht genug staunen; die Bofd-
kapelle versetzte sie geradezu in helles Entzücken. Reich beschenkt
kehrten sie ans Land zurück.
Als Kinsky, General Protheroe. Captain Fairholme und CrawforJ
nach herzlicher Verabschiedung gegen Mitternacht vom Schifte abslie-
ßen, ließ ich Blickfeuer abbrennen und die englische Hymne spielen
Mit einem dreimaligen Hurrah verschwanden die Reisegefährten im
Dunkel der Nacht.
In See nach Singapur, :W, Märt.
Heiße Nacht umlieng uns in den Cabinen; die Sonne hatte l»p-
vorher brennend niedergestrahit und drückende Schwüle lagerte übet
dem Hugli und den Sümpfen. Trotz mancher Verbesserungen, die iii
meiner Cabine vorgenommen worden waren, sank die Temperatur
nachts nicht unter 30° Celsius und der Schlaf, welcher endlich ded
doch die ermüdeten ,^ugen schloss, war nicht erquickend.
Früh morgens lichteten wir die Anker und traten unter Führu
eines alten englischen Piloten, dessen Gesichtszüge an die uns geläufig
FalsIalT-Physiognomie erinnerten, die Fahrt, den Hugli abwärts, an. D^^
Uft-rland trug völlig den trübseligen Charakter, welcher den untere f*
Thcilen des Deltas eigen ist, nirgends Grün, überall nur hohe, schwirr
kcndc, farblose Rohrgewächse von jener .\rt (Typha elephantinÄ-)*
welche in Bengalen «Hugli- heißt und auch dem Flusse seinen Name
gegeben hat.
Der Hugli, der bedeutendste Arm des Ganges-Deltas, hat s
bei Diamond Harbour eine Breite von 3889 m, bei der Mündung d*
solche von 22.224 m. Trotzdem bietet dieser Flussarm der Schiffahrt
infolge der sich fortwährend verändernden Barren und Sandbät»*^^
bedeutende Schwierigkeiten, so dass die Schiffe oft mehrere Tag*
brauchen, um die offene See jtu erreichen. Selbst die Strandung ^'O"
404
teraiu"
ihrunH
läufi^^
n.D^^
nler&n
hwa»T
ntinÄ-)*
ne dii*^
hiffen im Laufe derThalfahrt ist keine seltene Erscheinung. Obgleich
r Curs, welchen die Schiffe zu nehmen haben, durch Wachtschiffe
irkiert wird, bedarf es sehr tüchtiger Piloten, um die Fahrzeuge
gefährdet durch das Labyrinth von Hindernissen hindurchzuführen.
Um 3 Uhr nachmittags wird der Lotse auf eine kleine Segel-
gg überschiHt; die Ufer sind nur mehr in nebelhafter Ferne, in kaum
ihrnehmbaren Umrissen erkenntlich: ein letzter Blick (liegt noch dem
lischen Festlande zu — und wir schwimmen in offener See neuen,
nen Reisezielen entgegen.
Indien ist in den Ocean versunken, — Indien, von dem sagen-
d rnärchenumwobene Kunde schon in altersgrauen Zeiten nach dem
■nen Westen gedrungen ist, — das aus dem Dunkel der mythen-
denden Zeit allmählich immer mehr in den Vordergrund geschicht-
her Ereignisse hervorgetreten ist, um heute eine der Grundlagen für
iglands Machtstellung zu bilden und so als ein die Schicksale Europas
leinflussender Factor zu erscheinen, — das Eroberer und Entdecker
igelockt. Gelehrte, Kaufleute und Touristen angezogen hat und
izieht, — das Dichter, Künstler und Schriftsteller begeistert hat. Als
'iege einer vieitausendjährigen autochthonen CuUur, welche in ent-
ickenden Meisterwerken der Kunst blendende Lichtbilder, in düsteren,
tieußüchen Gebräuchen Nachtseiten des Menschenthums aufweist, —
s der großartige Schauplatz einer stürmisch bewegten, nur zu oft auch
Husamen Geschichte, in deren Verlaufe Millionen von Menschen auf
ni Schlachtfelde fielen und Ströme von Blut flössen, mächtige Reiche
tstanden und blühten, um zugrunde zu gehen, — als Gebiet von
hier unerschöpflichem Reichthum an Gütern alter Art, wirkt Indien
Ichtig ein auf unser Denken und Träumen.
Es ist eine zauberhafte Fernwirkung, weiche von diesem Lande
sgeht, und der auch ich unterlegen bin, als ich den Plan gefasst,
lindienwärls zu steuern. Dritthalb .Monate habe ich Indien durch-
st — eine kurze Frist, und dennoch vermochte ich innerhalb derselben
le Fülle von Eindrücken der mannigfachsten Art in mich aufzu-
htnen, welche ich als dauernden Gewinn, als bleibende Bereiche-
ng verzeichne. Die umsichtige Fürsorge, welche die Regierung Ihrer
ajestät der Kaiserin von Indien meiner Reise zugewandt, die groB-
tige Gastfreundschaft, deren ich mich auf indischem Boden zu erfreuen
*tte. haben der Kürze des Aufenthaltes ungeachtet, den vollsten Erfolg
sr Reise gesichert. Ich habe einen großen Theil dieses Juwels der
ritischen Krone kennen gelernt, Einblick in das Wesen, Leben und
Treiben der Bevölkerung gewonnen und häufige Gelegenheit gefunJen.
mir ein ürtlieil über die culturellen Verhältnisse und Zustände des
Landes zu bilden, sowie dessen politische Lage und vielfach verzweigte
Administration zu würdigen.
Wie in einem Wandeldiorama Bild um Bild an dem Beschauer
vorüberzieht, so tauchen alle Eindrücke, die ich empfangen, alle Vur-
stellungen, die jene wiichgerufen, vor mir auf. Von der Entfernungen
verschlingenden Locomotive gezogen, durcheile ich die weite indische
Ebene, klimme ich dort, wo früher wohl nur Saumthiere und Träger
unter Lasten seufzend aufwärts geklettert sind, steile Bergesabhänge
empor; ich wandle umher in den glänzenden, gewühlerfüllten StraÜen
Bombays und (.alcuttas, mächtiger Emporien des Handels, die in
ihrer heutigen destallung einem alten Stamme aufgepfropften, üppigf
Früchte tragenden Reisern gleichen: all die anderen Städte, die ich
besucht, durchwandere ich unter den kriegerischen und den künst-
lerischen Bauten, den zum Theile schon ruinenhaften Zeugen einer
ruhmvollen Vergangenheit: in kostbarem Juwelenschmucke strahlenJ.
erscheinen, geluhrt vom Nisam von Haidarabad, die Maharadschas und
Kädschas, an deren Höfen ich geweilt und deren Paläste ich besucht:
ferne im Hintergrunde tauchen die gmßen, historischen Gestalten d«
.Moguln auf, welche der Geschichte Indiens bleibende, mit Staunen und
Scheu erliillendtf Spuren aufgeprägt, der Nachwelt künstlerische Schatte
in wunvierbaren Bauwerken überliefert haben: diesen Gewaltmensch^^
sehe ich ihre Heere, in bunter, farbenprächtiger Gewandung und n"»'
phantastischen WatTen bewehrt, zum blutigen Streite folgen; unt-^
klingendem Spiele marschieren vor mir zur Parade englische u.t^
So fließt, indem ich der in Indien verbrachten Zeit nachsinne, Wahrheit
und Dichtung, Gegenwart und Vergangenheit fast unterscheidungslos
ineinander.
Indien wird oft genug ein Land der Wunder genannt, ich möchte
es vielmehr ein Land der Räthsel heißen und die Berechtigung hiefür in
den Gegensätzen erblicken, die allenthalben in reicher Fülle ohne Ver-
mittlung nebeneinander liegen und, soferne sie sich der befriedigenden
Erklärung nicht gänzlich entziehen, derselben doch Schwierigkeiten
bereiten und jedenfalls von überraschender, befremdender Wirkung sind.
Auf den Ankömmling stürmen anfänglich so massenhafte Eindrücke
geradezu sinnverwirrend ein, dass er sich versucht fühlt, sich der-
selben zu erwehren, bis er lernt, sie zu beherrschen und richtig zu
beurtheilen. Der oberflächliche Beobachter läuft Gefahr, sich durch eine
gewisse Gleichförmigkeit der Erscheinungen auf den verschiedensten
Gebieten täuschen zu lassen — und doch welch unerschöpflicher
Reichthum an Mannigfaltigkeit tritt jenem entgegen, der zu schauen,
zu erfassen versteht!
Das Land selbst trägt den Stempel einerseits monotoner und
andererseits doch überaus wirksam contrastierender Gestaltung an sich.
VV^eithin, schier endlos dehnen sich Ebenen aus, um ihre Grenzen am
Fuße der mächtigsten Bergriesen dieser Erde zu finden. Wo Hügelland
die Flucht der Ebenen unterbricht, ragen meist kahle, steinige, von nie-
drigem Dornengebüsche bedeckte Hänge auf, doch findet sich auch
hügeliges Gelände, welches dem Blicke anmuthige, selbst wirklich
'*>chöne Bilder darbietet. Heiß, trocken, dürr, den Charakter der Wüste
^^ sich tragend, liegt hier die Landschaft vor uns, dort ist sie von
unzähligen Wasseradern, Flüssen und mächtigen Strömen durchzogen,
^n deren Gebieten sich üppig grünende Vegetation entfaltet und Cultur-
S^ Wachse aller Arten gedeihen. An Gegenden, die nach dem Charakter
^^r Flora die Kraft des tropischen Klimas nicht ahnen lassen, schließen
Sich Gefilde an, welche im üppigsten tropischen Schmucke prangen;
^uf ganze Landstriche, die des landschaftlichen Reizes völlig entbehren,
^<^lgen solche, welche dem verwöhntesten Naturfreunde Bewunderung
^nd Entzücken abringen. In letzterer Hinsicht bezeichne ich als Perle
^^^ciiens, soweit ich in der Lage war, mir selbst ein Urtheil zu bilden,
^^s Himälaya-Gebiet, wohin derjenige seine Schritte lenken möge, der
^^ Naturgenusse zu schwelgen gedenkt und der in anderen Theilen
^^s von mir durchreisten Indiens geringe und seltene Befriedigung
finden wird.
407
eP 1
e* f
Weite Strecken Lmides scheinen öde und unbewohnt, jeder
menschlichen Niederlassung bar, dann drängen sich Ortschaften und
Städte auf engbegrenztem Raum. In der Unzahl von Städten, welche in
den vtm unserer Reiseroute durchzogenen Landstrichen gesiiet sind, —
wir hahen dieser .Ansiedelungen eine stattliche Anzahl gesehen und
dürfen hievon auf andere schlieDen — ist wohl auch nicht eine, welche
nicht der anderen gliche, aber auch keine, welche nicht durch ein gani
eigenartiges Gepräge von allen anderen scharf abstäche.
In so miinchen Gebieten Indiens glaubt man tagelang wandeiDJu
können, ohne auch nur einem Menschen zu begegnen, während ar
vielen anderen Stellen die Dichtigkeit der Bevölkerung einen geraj«u
unglaublichen Grad erreich! hat. Nicht weniger schwer ist die Eatillost
Menge von Bevßlkerungselementen begreiflich, welche Indien in dem
denkbarsten Kunterbunt des Nebeneinander birgt, und die, in so mancher
Hexiehung ausgeglichen und nivelliert, doch in vielfacher Hinsichl m
scharfem Contraslc zueinander stehen. Am auffallendsten war mir dei
Gegensatz zwischen den eher weich, weniger thatkräftig, unentschlossen
erscheinenden anderen Hindus und den Rädschputen. sowie Je*^
Ghurkas, die — groß, kräftig und schön gebaut — in ihrem gante
Wesen kriegerische Vergangenheit, soldatischen Sinn und Eretg*
bezeugen.
In verblüffender Untermengung finden sich zahllose Religione^"^
inid sectenartige Abzweigungen derselben, so das Christenthum mi"^
seinen verschiedenen Bekenntnissen, der Brahmanismus, der Buddhis—
mu.s, der Islam und viele andere Lehren, Hart neben den zartcsteu
Blüten, welche religiöses Lehen getrieben, erhalt sich roher Fetischis-
mus, gedeihen wührhafto .\usgeburten religiöser Verirrungen, wie die
auf offener StraUe ihr Unwesen treibenden Fakire, die ekelerregenden,
ubscöncn Riten und Gebräuche, welche wir in Tempeln gescham. der
helle Wahnwit?^ dem wir in Benärcs begegnet sind. Großartige Werke
und Unternehmungen, welche von lief religiösem Sinne, von wahrer
Menschenliebe zeugen, lassen alle edlen Saiten in uns erklingen,
wÄhrond uns ein hnitalcr Mangel an jeglicher Pietät dort, wo Todte
vvrbrnnnt und halbvcrkohll ins Wasser geworfen werden, schaudern
mAcht und uns unhcxuingl icher Wideru-ille befallt, wenn wir die
KAtime betreten, in welchen bresthafte und sieche Thiere das Kndc
\hns Dn^oins ubwarlen. Das Erhabene und das Gemeine, das SchOne
und das Hlsslichc. das Ernste und das Lächerliche stoßen in Indiens
weilen Gauen überall hart aneinander.
Wenn mir manch interessanter Einblick in die polili&chtMi Ver-
hältnisse und die Administration Indiens und in das ganze, vielfach ver-
schlungene Gewirre von Fäden gegönnt war, welche in Alt-England?
ordnender, vertheilender Hand zusammenlauren, so danke ich Uti,
nicht zum geringsten Theile der Offenheit, mit welcher die Engländer
über indische Einrichtungen und Angelegenheiten Fremden gegenüber
sprechen, dem Freimuthe, wnmil sie selbst Mängel ihrer Institutionen-
rückhaltlos darlegen. Ungeachtet solcher Mängel haben die England«
in Indien wahrhaft großartige Leistungen aufzuweisen — StaatskUQ)
und Colonialpolitik haben Triumphe gefeiert. Waffen, Geld und dipl^
matische Künste, welch letztere in der Eifersucht und Zwietracht d
einheimischen Fürsten willkommene Objecte fanden, mussten zusai
menwirken. Und wenn ab und zu in dem bald gewaltsamen, bald frie4
liehen Hingen Englands mit widerstrebenden Kräften aller Art jeH
Feinheit der Empfindung vermisst werden sollte, welche allein ennä(
licht, immer sehr streng in der Wahl der Mittel zu sein, wer vermocht
dies zu tadeln?
Indien ist unstreitig eine Zierde der britischen Krone und dd|
halb muss England um diesen Besitz auch wie um eine KoslbaTlc(|
besorgt sein. Indem es sich Indiens freut, muss England zittern \xm
vorbauen. Mag sein, dass erfahrene Continental- und Cnlonialpolitikerl
dem Gedanken einer Imperial Confederation, eines engeren Zusammei
Schlusses der britischen Cnlonien untereinander und mit dem Muttd
lande ein nicht zu verwirklichendes Traumgebilde sehen — ich erlaube
mir dafürzuhalten, dass hierin nur die Einrenkung der über den Erdball
verstreuten Glieder eines Ganzen zu einem Organismus erblickt werden
könnte, welcher es England möglich machen würde, seine Macht-
stellung nachdrücklicher zu behaupten, als es bei dem jetzigen Zustande
einer doch nur sehr losen Aggregation der Bestandtheile der Fall ist.
In See nach Singapur, 31. März.
Bei herrlichstem Welter schwimmen wir auf der tiefblauen See
nch der In^el Singapur zu steuern. Das
.!.(■ verhältnismäßig gi-oQen
-.il. .Auf dem Achterdeck
-l L>- in den Cabinen und
■ ■ i'iinetcr eine fast s
fast siändifl^l
In See nach Singapur, 2. April J
.Schon um 5 Uhr l'rüh verließ ich die Kajüte und gleng auf die
Brücke, mich an dem Schauspiele des untergehenden Vollmondes und
des gleichzeitig aufgehenden Tagesgestimes zu ergötzen. Einige am
Kirmamcnte schwebende V\'olken verschönerten das Bild durch ihre
grotesken Formen und ihre eigenthümlichen Färbungen,
Vormittags war — wir feiern Ostersonntag — Gottesdienst, dessen
AbhultUHH auf hoher See mir immer tiefen Eindruck hinterlässt: der
Altar auf Deck, von unserer Standarte überragt; davor die Handvoll '
Menschen, ein Spiel der Elemente, allein auf Gott vertrauend; Musik in
feierlichen Klängen ertönend; dazu das leise, geheimnisvolle Kauschen
des ewigen, unendlichen Meeres.
Nach der kirchlichen Feier widmete ich mich den ganzen Tag
hindurch der .Arbeit und namentlich den für die Heimat bestimmien
Briefen.
In See nach Singapur, 3, .Apr'^i'
Der Himmel ist stark bewölkt, und eine heftige Regenböe seht «t*
schweren Tropfen nieder, die auf Deck prasseln, aber alsbald in 4*'
Wärme verdunsten. Der Gottesdienst findet daher in der Batterie st«- *■
Noch vormittags kommen die Sayer-lnseln, die der Panga-Hal *'
inscl vorgelagerte Insel Salang und nachmittags die Brothers-Inseln "*"
Sicht. Alle diese kleinen Eilande scheinen, nach dem Rücke durch d ■*'-^
Fernrohr zu urthcilen, vulcanischen Ursprunges und dicht mit tropiscl» *'
Vegetation bedeckt zu sein,
Tagsüber beobachteten wir die in der Straße von Malakka ^
hüufigcn Tide Rips oder Strom-Kabbelungen: es sind dies durch e*"^..
gegengesetzte Strömungen entstandene Wellenbewegungen, die s«^^
streifenförmig durch die sonst ganz ruhige See ziehen und das Steue '^
indom sie das Sehiff vom Curs ablenken, wesentlich erschweren. %■ ^^
möchte diese Strömungen mit einen-
üowfisser vergleichen, das an seiner
Wellen wirft.
In auffallender Zahl tummeltei
Scharen von Dclphini
verfolgten, aus dem
wieder größere schar^^^^| "-«^•.•V
vermochte, nachzogei
ich dahinflieSentA '
\ schäumende, Unzei» *
Der Abend war lau und mild, so dass ich, bevor ich mich zur
le begab, noch ein Stündlein auf der Brücke verbrachte, umfächelt
i der kühlenden Abendbrise, versunken in den Anblick des südlichen
menhimmels, welchen ich übrigens an Mannigfaltigkeit, Schönheit
1 Glanz der Sternbilder dem nördlichen Firmamente nachstelle.
•
In See nach Singapur, 4. April.
Wieder herrliches Wetter und ruhige See. Vormittags kam in
ter Ferne die zu den britischen Straits Settlements gehörende Insel
u Penang, auch Prince of Wales Island genannt, in Sicht. Ich hatte
prünglich die Absicht, dieselbe anzulaufen und einen Tag dort
venveilen, um die Vegetation kennen zu lernen und nach neuen
icies der Ornis zu fahnden. Da ich aber die Versicherung erhielt,
s mir die Umgebung von Singapur in beiderlei Hinsicht das Gleiche
:en werde, und da ich danach strebte, den malayischen Archipel und
a baldigst zu erreichen, so gab ich jenes Vorhaben auf und wir
ielten den Curs auf Singapur weiter bei.
Von Zeit zu Zeit erblickten wir die nebelhaften Umrisse der Halb-
3I Malakka und die bläulichen Contouren ihrer Bergzüge.
Zum erstenmale begegneten wir einem der kleinen malayischen
jclboote, Praus genannt, welche, den Warentransport vermittelnd oder
1 Fischfange dienend, zwischen Sumatra und der malayischen Halb-
2l hin und her segeln. 'Ganz eigenthümlich ist die Bauart dieser
mpen Fahrzeuge und vor allem deren Takelage; die Segel bestehen
i kleinen, länglichen, rothbraunen Strohmatten, welche an Stangen
cstigt sind; sollen die Segel gerefft werden, so lassen die Bootsleute
scs Gefüge von Matten zusammenklappen wie eine Ziehharmonika.
Gegen 4 Uhr nachmittags kam der mitten in der Malakkastraßc
?ende vulcanische Kegel, der Pulu Dscharak (Jarak) in Sicht, eben-
s ein guter Orientierungspunkt für die Schiffahrt. Wir fielen, um ihn
ler betrachten zu können, etwas backbord ab; derselbe erhebt sich
^'unz runder Form bis 152 m aus dem Meere und ist bis zum
isserspiegel hinab mit üppiger, tropischer V^egetation bedeckt. Die
Jbkronen der mächtigen Bäume wurden von der imtergehcnden
nne effectvoll beleuchtet.
Zahlreiches Treibholz, namentlich Palmenholz, schwamm auf den
3gen — Trophäen, die das Meer in ununterbrochenem Anstürme
t\ Lande abgerungen hatte.
413
In See nach Singapur^Pulu Besar. 5. ApriL
Einige Meilen vun der Küste der Halbinsel Malakka entfernt,
nahmen wir unseren Curs derart, dass wir unausgesetzt reizende AuSr
blicke sowohl auf die Küste, die Hügel und Berge der Halbinsel, woselbst
der in Dschohor (Johore) gelegene Ophir bis zu 1 1 75 m hoch emporragt,
als auch auf die kleinen Inselgruppen, die sich längs der Küste vorlÄgern,
genossen. Selbst mit unbewaffnetem Auge war das üppige PflanzenkIciJ
erkennbar, welches die Halbinsel wie die Inselgruppen ziert.
Zahllose malayische Fischerboote segelten auf der ruhigen Stc.
deren intensiv smaragdgrüne Färbung einen wirkungsvollen Omtrnsi
zu dem tiefen Blau des Himmels bildete. Erstaunlich ist die weile
Entfernung, aufweiche sich die malayischen Fischer mit ihren C«ioes
in die hohe See wagen, und die Geschicklichkeit, mit der sie bei
hohem Seegang arbeiten. Diese Canoes sind fast noch kleiner als unsere
Sandolinen oder Seelentränker; je zwei Mann sitzen in den Booieti
und bewegen dieselben mit Doppelrudern vorwärts; manchmal wird
sogar ein kleines Segel beigesetzt. In weitem Umkreise war die See
förmlich bedeckt mit solchen Canoes, deren Insassen mit ihren kleinen,
stechenden Augen die stolz vorbeifahrende, mächtige .Elisabeth-
neugierig anstarrten. Als Kopfbedeckung trugen die Fischer ;
glockenförmige Strohhüte, während der Rest der Bekleidung, der Hid
und der Beschäftigung entsprechend, sehr mangelhaft war.
Im Verlaufe der letzten Tage hatten wir auffallend wenig Seid
gesehen, bekamen aber heute mehrere Dampfer in Sicht.
Da ich erst am nächsten Morgen in Singapur einlaufen wollte ij
uns noch einige Stunden zur Verfügung standen, beschloss ich.
der vielen, der Küste entlang liegenden Inseln zu besuchen. Die Km
wurde zurathe gezogen und auf derselben bald eine Insel, BcSiff
genannt, zur Gruppe der Water Islands gehörig, südöstlich von d^t
einst so mächtigen Handelsstadt Malakka gefunden, wohin die Exp*'
dition gehen sollte. Ich warb Theilnehmer und binnen kurzer Fri^^
hatte sich ein Häuflein von Naturfreunden und Jägern, nebst n^''
und meinen Herren noch aus Sanchez, Bourguignon, Regner u *^^
Mallinarich bestehend, gefunden, die Insel zu durchstreifen.
Die Water Islands bilden eine Gruppe kleiner Inseln, deren griit^'^
Besar ist. Sie sind sämmtlich mit reicher Vegetation bedeckt und, na-*-
der Karte zu urtheilen, unbewohnt; nur auf Pulu Undan, der äußerst'*^"
dieser Inseln, befindet sich ein Leuchtfeuer.
Nachdem die »Elisabeth« eine halbe Meile von der Insel vor
Anker gegangen war, stieß das Expeditionscorps in zwei Booten ab
und landete in einer kleinen Bucht, die von Korallenrificn erfüllt war
und nur in einer schmalen Passage Durchfahrt gestattete.
Auf dem Ufer stellte ich die Herren in einer Linie an, nach je
einem Schützen zwei Matrosen einreihend; ich selbst wollte die Mitte
der Linie einnehmen, Sanchez und Regner aber sollten die beiden
Flügel bilden — in dieser Weise beabsichtigten wir die Insel zu
durchqueren. Das war nun sehr schön gedacht; bald aberzeigte sich,
iass ein derartiger Streif, so vortrefflich er zweifellos in den heimat-
ichen Rübenfeldem ausgefallen wäre, auf einer Insel in den Tropen
nicht durchführbar ist. Kaum waren wir etwas vorgedrungen, so
stellten sich uns schon fast unüberwindliche Hindernisse entgegen, da
der Pflanzenwuchs in seiner Üppigkeit und Dichtigkeit ein Weiter-
kommen nahezu ausschloss.
Von dem hier herrschenden wuchernden Wachsthume der Bäume,
Sträucher, Kräuter und Lianen vermögen demjenigen, welcher die Natur
in ihrer zeugenden Urkraft nicht selbst geschaut, bildliche Darstellungen,
die ja immer nur einen schwachen Abglanz der Wirklichkeit bieten,
r<ein richtiges Bild zu geben. Allenthalben liegen, auf dem Boden hin-
p^estreckt, mächtige, den Elementen, dem Alter und der langsam aber
sicher würgenden Thätigkeit der Lianen zum Opfer gefallene Stämme,
bedeckt mit Moosen, Farnen und Orchideen; über diesen Zeugen der nie
rastenden Zerstörung wölben die verschiedenartigsten Bäume ihr hoch-
ragendes Blätterdach; armdicke Lianen verbinden, Schlangen gleich,
in todbringender Umarmung einen Baum mit dem anderen; Baum-
farne, sowie Bambus, Bananen und Rhododendren bilden einen dicht
geschlossenen Unterwuchs, in welchem jeder Schritt mit dem Messer
erkämpft werden muss. Ich schwelgte im Anblick und im Genüsse
dieser Pracht, die mich fesselte und mich wiederholt in der schweren
Arbeit, dem Urwald einen Pfad abzuringen, innehalten lieli.
In der That war es keine geringe Mühe vorwärts zu dringen;
namentlich bei 45** ('. und unter fast senkrecht herniederbrennenden
•Sonnenstrahlen. In dem Kampf um den Raum, den wir, das Messer in
ier Hand, führten, troff der Schweiß von der Stirne, als wären wir
n einem Dampfbade. Bald war auch die Direction verloren, die Ord-
iUng löste sich auf, die schön ausgerichtete Linie war unterbrochen,
! ie Matrosen giengen nicht mehr zwischen uns, sondern hinter uns drein,
i nd jeder der Gesellschaft bahnte sich seinen Weg so gut wie möglich.
41.-)
Die Thierwell war spärlich vertreten; nur einige Vögel waren zu
hören, aber selten einer derselben in dem undurchdringlichen Meere
von Blättern zu erblicken. Gleichwohl gelang es mir, eine Fruchttaube,
deren Gefieder in allen Karben des Regenbogens schillert und einen
Schwarzen Kuckuck (Eudynamis hnnorata) zu erlegen, während Regner
eine prächtige Nektarine (Arachnechthra pectoralis) schoss.
Die Verbindung miteinander immer mehr verlierend, mus&ten wir
uns, um völlige Trennung zu verhindern, gegenseitig fortwährend
zurufen und die Rufe beantworten. Endlich waren wir darüber einig,
dass weitere Versuche vorwärts zu kommen nutzlos seien, und drangen,
lim die Insel zu umkreisen, gegen die Küste heraus, wo u-ir mit
Mallinarich zusammentrafen, der sich schon früher von uns getrennt
hatte und mit zwei Mann auf den Fang von Krabben, Schwammen,
Mollusken und ähnlichen \'ertretern der Meeresfauna ausgezogen wir
Bald fanden wir im Sand eine Fährte, welche, nachdem sämml-
liche fährtenkundige Waidmänner zusammenberufen worden waren, als
jene eines Einhufers, und zwar der Species Equus caballus erklStl
wurde. Dies deutete, da Pferde hier nicht indigen sind, auf die Nihe
menschlicher Wesen, so dass die Insel keineswegs unbewohnt w
sein schien, wie wir nach der Angabe der Karte angenommen hatten.
Eine Bestätigung der Richtigkeit dieser, unseren Forsch ungsdrnng
herabstimmenden Thatsache ergab sich daraus, dass ich unter cinec^
großen Baum einen — Coeur-. 'achter fand, welcher den letzten Re*'
der Illusion, als hätten wir ein noch jungfräuliches Eiland belreter»-
• ausstach«.
Und in der That, als wir abermals eine Wendung gemacf*
hatten, standen malayische Fischer vor uns, welche die europiiischff^*
Eindringlinge zuerst sehr erstaunt betrachteten, dann aber in freunc:^"
liebster Weise, uns und unsere Matrosen zu laben, Wasser aus einec"*
tiefen Brunnen schöpften. Einige elende Rohrhütten, an welchen NetiS^
zum Trocknen hiengen. dienten den Fischern als Behausungen, i
deren Nähe sich zwei allerliebste Scheck-Ponies tummelten, wodun:
die räthselhafte Fährte ihre natürliche Erklärung fand, Rings um di
Hütten war von den Insulanern der Urwald niedergebrannt worder"'
offenbar um Raum für irgend eine Cultur zu gewinnen.
Wer beschreibt nher unser Erstaimen, als wir, auf einem kleine^
Fußsteige fortschreitend, uns auf einmal zwei Buddha-Tempeln und eine^^
kleinen, sehr reinlich gehaltenen Ansiedelung von Chinesen gcgcnübi
befanden. Die beiden Tempel, sowie das größte der Wohnhäuser Ware
4t fi
aus himmelblau bemaltem Mauerwerk erbaut: in der Nähe standen
mehrere Rohrhütten, nach Gepflogenheit der Malayen auf Pfählen
errichtet. Im Schatten großer Bäume gelegen, machte diese Nieder-
lassung einen so überaus einladenden Eindruck auf uns, dass wir,
zumal hier Aussicht geboten war, eine Erfrischung zu erhalten, unseren
Misserfolg als Erforscher von Besar willig in den Kauf nahmen. Mit
freundlicher Miene kamen uns die eingewanderten Kinder des himm-
lischen Reiches entgegen; eine sehr heitere, geschwätzige, alte Chinesin
schien über den unerwarteten Besuch ganz besonders erbaut zu sein.
Die Chinesen wandern bekanntermaßen in großer Menge aus
ihrer Heimat aus und überschwemmen, nach Westen und Osten vor-
dringend, aller Herren Länder. Dass wir die bezopften Brüder schon in
C^alcutta getroffen, war nicht zu verwundern; immerhin musste es aber
Befremden erregen, dass selbst dieses abgeschiedene Eiland hinläng-
liche Anziehungskraft für chinesischen Erwerbssinn bot.
Die Leute brachten Stühle und zur willkommenen Erquickung
Zwieback sowie vortrefflichen Thee herbei, und jeder von uns leerte
einige Schalen dieses Getränkes, während die wackere Alte, Uichend und
unermüdlich, immer neue Quantitäten herzutrug. Als wir endlich zum
^Aufbruche rüsteten und unsere Erkenntlichkeit durch Verabreichung
einiger Geldstücke bezeigen wollten, lehnten die Chinesen jeglichen
Dank ab und waren trotz allen Drängens nicht zur Annahme einer
Bezahlung zu bewegen. Schließlich half Clam aus der Verlegenheit,
indem er mit zierlichen Verbeugungen der freundlichen Alten Blumen
ciarbot, welche jene unter einer Lachsalve ins Haar steckte. Sanchez
reichte der Inselwirtin seinen färbigen Gürtel dar, worauf wir mit
h) erzlichem Händedruck von unseren Gastfreunden schieden.
Wir zogen nun weiter der Küste entlang. Drei blau und weiß
i^-e färbte Baumlieste (Halcyon chloris), sowie mehrere Exemplare einer
-A rt von Zwergreihern (ButoroYdes javanica) fielen uns zur Beute.
/^i^il mblätter, die ich unterwegs abhieb, sollten zur Ausschmückung
un^seres Achterdeckes dienen. Bald änderte die Küste ihren (liarakter,
"Meiern an Stelle des weichen Wellsandes große, rundliche Felsblöcke
^'*^^t:cn, über die wir springen oder, Equilibristen gleich, hinwegklettern
^**^ci balancieren mussten. Manche dieser Steine des .Anstoßes waren
'^^i^ic:ht, so dass wir auf denselben gar nicht Fuß fassen, sondern uns
*^^^^»"^n nur mühsam anklammern konnten. Der X'ersuch, einen mehr
'^'^ deinwärts gelegenen Pfad ausfindig zu machen, scheiterte bald an
^^^^Ti Terrain, welches daselbst noch unwegsamer war, und so kletterten.
417
27
krochen und glitten wir denn im Gänsemarsche vorwärts; Kleiderund
Schulie waren bald in trostlosem Zustande; die Flut stieg immer höher:
die Brandung schlug brüllend über die Felsen — und endlich lagen wir
bei einem besonders schwierigen Übergänge von einem Felsen zu einem
andern allesammt im Wasser,
Nach mancherlei Fährlichkeiten waren wir schließlich an der Stelle
angelangt, wo die Boole lagen, und befanden uns bald, herzlich müde,
in zerrissenen und durchnässten Kleidern, an Bord der •Elisabeth-, wi'
wir schleunigst unsere Lagerstätten aufsuchten, um erst am späten
Abend zum Diner auf Deck zu erscheinen.
.Msbald wurde die Fahrt auf Singapur fortgesetzt. Spät abend-
kam das Feuer von Pulu Pisang in Sicht.
Singapur Dschohor.
Singapur — Dschohor.
Singapur, 0. April.
Gegen 5 Uhr morgens wurde ich durch ein heftiges Gewilter
.geweckt, das sich mit Vehemenz entkid. Ein Donnerschlag folgte dem
I andern; der Regen fiel so dicht, dass man selbst auf wenige Schritte
[ keinen Auslug hatte und der Commandant sich bestimmt sah, hei
Alligator Island, unter dem Leuchtfeuer von Kaffles Island, vor Anker
zu gehen. Da unter solchen Umständen an Schlafen nicht mehr zu
denken war, stieg ich auf die Brücke und genoss. mitten im strömenden
^egen, das elementare Schauspiel. Eine halbe Stunde später ließ die
li^e nach und bald schimmerte der blaue Himmel hervor, so dass wir
>J'e Fahrt fortsetzen konnten.
In weiter Ferne sah man rechts die Umrisse von Sumatra, während
'■"^s links die Halbinsel Malakka und kleine Inseln begleiteten. Endlich
^<-ichten im Frühnebei die Signalstation, einige Schiffe und dann nach
•Jnci nach die größeren Gebäude von Sinj^apur auf. Der Lotse kam an
'^^^fii und führte uns auf die Rhedc. wo wir imgefähr ir» Meilen weit
^'*-*r»i Land Anker warfen.
Gleich darauf erschien in \'ertretung unseres, auf Urlaub befind-
'*cHen Consuls der belgische Generalconsul, M. J. de Bernard de Fau-
*^Orfcval. mit der Meldung, dass in Singapur die Cholera ziemlich heftig
aufgetreten «ei. dass di^se UJckJ«che Krankheit «ich auch sdnxi uruif
den Eun^päeni Opfer au&«rsehen habe und endlich, das» beim SuJti'
von Dscbohor keine gröfleren Jagden abgehalten wcnjcn kiVinlen. tte
der Herrscher ^Ibst nach KarMmJ verreisi und auch die Saison nicht
als günstig zu bczei^men seL
Ich hatte ursprüngltch die Absicht einige Tage In Dsdwbnr
zuzubfingen. da mir die Gastfreundsdiaft und <£e vorzfl^ichefl Sigä-
gdrielc des Suhans oft gerühmt »vurden waren, entschloss mich 4tw
angesichts all dieser Hitfb-^H^ten n«»thgcilrungen. in Singapur nur
so lange zu verweilen, als erfurdedich ist. um die Stadt und Jercn
L'mgcbung kennen zu lernen, um einen AusQug nach dem luiien
Dschoh*«- zu uniemuhmen. sowie um Kohlen einzu^chiGTen, und J«nn
gteicti na^h Bata\ia weiterzurahren-
Xun begann eine Reihe von Be^^uchen. Vor allem kam der Gou-
verneur der Straits Settlements Sir (ecil Clement! Smilh. und nach ihm
der (Kommandant der siamesischen Vachl -fbon Burathid«. Die.*eni
gab als Dolmetsch ein Bekannter aus Wien, eine ständige Figur Jr
Kingstraße und der Freudenauer Kennen, der Siamese Nai Glinn. J»>
Geleite, welcher durch längere Zeit als Lieutenant dem 7. Dmgtw-
regimcnte zugetheilt gewesen und vor kurzem in seine Heimat zurück-
gekehrt w-ar, um dieselbe, wie er mir sagte, bald wieder mit Je
Bestimmung als Militär- Attache nach Bedin zu verlassen. Ich warrcChl
erTreut. Nai Glinn - er bekleidet jetzt den Rang eines Capiian^ unJ
führt den Namen l.uang Salyooth — wiederzusehen. In voller l'ftraJ';>
als Lieutenant der Lothringen- Dragoner, erschien er. um Bescheid '■"
holen, wann ich den zu meiner Begrüßung nach Singapur t;nl>andi<-
Halbbruder des Königs von Siam empfangen wurde.
iiner Kajüte, woselbst mir Prinz Bidyalab ein Schreiben des Kiniigs
»erreichte, entspann sich eine längere, durch Nai Glinn verdolmetschte
)nversation.
Die Sendung des Prinzen verfolgte hauptsächlich den Zweck, mich
i bestimmen, direct von Singapur nach Siam zu kommen und die Reise
ich Java, sowie nach Australien einem späteren Zeitpunkte vorzu-
:halten, da sonst der herannahenden Regenzeit wegen die Jagden und
imentlich der Fang von Elephanten in Frage gestellt wären. Zu meinem
ndwesen musste ich mich jedoch darauf beschränken, durch den
inzen dem Könige meinen Dank, sowie mein Bedauern darüber aus-
rechen zu lassen, dass ich die Reiseroute im gegenwärtigen Zeitpunkte
cht zu ändern vermöchte. Der Prinz schien über das Scheitern seiner
plomatischen Mission nicht eben erfreut zu sein und verließ nach
istausch einiger Höflichkeiten unter dem Donner der Geschütze, sowie
Uer den Klängen der siamesischen Hymne das Schiff.
Ich fuhr sonach an Bord der Yacht des Prinzen, traf aber weder
n, noch einen der Officiere, sondern nur einen siamesischen Unter-
ücier an, der nicht verstand, was wir wollten.
Nachmittags setzte mich unsere Barkasse ans Land, um die Stadt
ngapur zu besichtigen. Singapur, »die Löwenstadt«, heute eine Groß-
adt und der Kreuzungspunkt der wichtigsten Schiffahrtslinien des
idischen wie des Stillen Oceans, ist rasch zu der Bedeutung gelangt,
eiche es als Centrum des Transithandels zwischen Australien, Ost-
sien, Polynesien, Indien einerseits und Europa andererseits besitzt.
Nach der Rückgabe Javas an die Holländer (1815) wendeten die
Engländer, darauf bedacht, einen Ersatz für jenen herrlichen Besitz
LI linden, ihre Blicke nach der Südspitze des asiatischen Festlandes,
ich dem Fußpunkte der Halbinsel Malakka, welcher von ihnen in
rategischer wie commerzieller Hinsicht mit Recht als überaus günstig
itrachtet wurde. Zunächst erwirkte Sir Thomas Stamford Raffles,
► rmals Statthalter der Englisch-ostindischen Gompagnie auf Java, im
Hre 1819 von der Regierung des Sultanats Dschohor die Bewilligung,
Lt'der Insel Singapur britische Niederlassungen zu gründen. 1824
!^ng die Insel durch Kauf in den Besitz der Englisch-ostindischen
->inpagnie, 18(37 durch einen neuen X'ertrag in das Eigenthum der
i tischen Krone über.
Die Insel Singapur, welche 43 km lang und 2.'^ km breit ist,
^vi zu deren Bereich noch etwa 70 kleine Eilande gehören, ist von
'111 Festlande, der das Sultanat Dschohor darstellenden Südspitze der
423
malayischen Halbinsel, durch eine Wasserstraße, Salat Tabras, getrennt.
welche, im Durchschnille I bis 1 öJtiii breit, die nördliche Hälfte des
Eilandes in der Form eines Halbkreises von etwa öj km Länge umlangt
Derart dem gegenüberliegenden Festlandc ganz nahe, hat die Insel m;l
diesem auch die geologische Siructur gemein. Sandstein und Granit
bilden das Gerüste, fruchtbare Alluvien die Decke der Insel, Vun
Bachen durchzogenes Hügelland wechselt hier mit Flächen ab, welche,
einst mit L"rwäldem und Sümpfen bedeckt, sich heute zum groSten
Theilc in Culturliindereien venvandelt haben. Auf den einstigen Sumpf
und l'rvi'aldböden gedeihen nun. im Schöße üppiger Vegetation,
tropische Feld- und Baumfrüchte in solcher Fülle, dass Singapur seinen
malayischcn Namen •Tamsak«. das ist 'Liebesgarten«. mit volbttm
Rechte tragen darf.
Aus Sümpfen auch hat sich die Stadt Singapur erhoben, v^che
die Engländer im Jahre 1819 an der SQdostküste der Insel an derSwIlc
des uralten, im Laufe der Zeiten zum ärmlichen Fischerdorfe henb-
gesunkenen Singhapura angelegt haben. Zum Freihufen erklärt und
rasch bevölkert, blühte die neue Stadt, dank ihren vortrefRichen .Anker-
plätzen und der unvergleichlichen geographischen, wie commcrzielien
Lage, rasch empor; um so rascher, als es den an ihren weitausblicken-
den [Bestrebungen beharrlich fe-ith alt enden Engländern gelungen ist, im
Laufe der Zeiten und Dinge einen bedeutenden Thcil, etwa drei Künftel
der malayischen Halbinsel, theils als Schutzstnalen, theils als unmitUl"
bare Besitzungen, letzlere unter dem Namen Straits Settlements, ihrcW
.Machtgebiete einzuverleiben.
Die malayischen .Schulzslaaten. zu welchen auch das als sou-
verän anerkannte Sultanat Dsch()hor gehört umfassen 86.000 hw' n^''
(iO.VO0O Einwohnern. Die unmittelbaren Besitzungen, nämlich die Ins«*^"
Penang und Singapur, sowie einige auf der malayischen Halbin^^
gelegene Gebiete messen 3908 km' und zählen 312,342 Einwohn ^
I>avon entfallen auf die Insel Singapur allein ä>5*w' und 184.554 E» *
wohncr. so dass dieses im Jahre 1819 nur von wenigen FischerfaroÜi ^^
besiedelte und als Zufluchtsort malayischer Piraten berüchtigte Eila*"^
heute Sli'i Einwohner per Quadratkilometer aufweist — gewiss ei^*'
großartige Entwickelungl
Die Straits Settlements stehen unter einem Gouverneur, w»
zugleich Oberbefehlshaber di
gerichles, auch die Bezi
zunehmen hat. Seine Resi
Für die commerzielle Bedeutung Singapurs, dem ja der Löwen-
heil des Verkehrs zufällt, sprechen folgende Ziffern: Im Jahre 1891
rüg iter Wert der Einfuhr 254,182.6^1 !1 ü. W., jener der Ausfuhr
i,332.632 (1. ö. W. In demselben Jahre betrug die Anzahl der ein-
fenden Hochseeschiffe 4184 mit 3,324.680/ und jene der Küsten-
rzeugö 7293 mit 260.672 /. In der That herrschte auch bei unserer
kunft in der alten Rhede, an den Ankerplatzen für kleine wie für
iße Schiffe, im neuen Hufen mit seinen Docks und Anlegeplätzen, an
1 Quais und an den Landungsbrücken das regste Leben. Insbesondere
der Neue Hafen, New Harbour, in dem einerseits von der Insel
igapur, andererseits von den Inseln Blakan-Mati und Ayerhrani
bildeten Canale mit den Etablissements der Peninsular and Oriental
lam Navigation Company und den Docks, welche eine Wassertiefe
zu 6 m besitzen, unaufhörlich Bilder eifrigster Thätigkeit, Ohne
terjass liefen gro[3e Dampfer ein und aus; überall wurden Waren
öscht, Kohlen gemacht, eilten die verschiedenartigsten einheimi-
len Fahrzeuge, große malayische Praus, chinesische Dschunken, die
inen Canoes der Sundancsen geschäftig hin und her.
Gleich lebhaft ist das Treiben an der langen Landungsbrücke, dem
inston Pier, sowie in den angrenzenden Straßen des europäischen
jrtels, in welchem sich Geschäftshäuser. Kaufladen, öffentliche
bände. Hotels und Clubs der Europäer befinden. Hier wogt, die Quais
lang, nächst den Docks, rings um die Magazine, ein vielfarbiger,
s Vertretern der verschiedensten Viilker und Racen gebildeter Men-
lenstrom.
Noch origineller ist das Bild, welches der südlichere Theü der Stadt,
eigentliche Geschäftsstadt sowie der Wohnsitz der Eingeborenen
d der Chinesen, bietet. Malabaren drawidischen Stammes, doch
layischer Zunge; Tamilen, hier Kaiinga (Klings) genannt, Hindus
1 der Südostküste Vorderindiens; Malayen, die L'reinwohner von
Igapur; Chinesen, welche heute schon mehr als die Hälfte sämmt-
ler Bewohner der Insel bilden: jede dieser Gruppen ist in -Singapur
gesiedelt und in besonderen Vierteln sesshaft.
Den Hauptbestandthei! der nichteuropäischen Bevölkerung der
idt stellen die Chinesen dar; diese haben sich hiervon der Gründung
igapurs an festgesetzt und bewohnen im südwestlichen Theüe der
idt jenseits des Singapurflusses ein besonderes N'iertel, welches
rch seine himmelblau bemalten Häuser, die zahlreichen chinesischen
hriftzeichen an deren Fronten und anderes mehr sofort kenntlich ist.
Üa herrscht allenthalben das Gewühl, die Geschäftigkeit, der Bienen-
tleiü, welche den Sühnen des Reiches der Mitte eigen sind. Keinen
Augenblick stehen sie müßig; unaufhörlich wird gearbeitet, gehandelt
und gefeilscht. Mitten im Drange der Geschäfte suchen sie dann wieder
Erholung in den zwischen den Kaulläden angebrachten Thee- und
Opiumbuden oder in den nahebei aufgeschlagenen offenen Theatern,
wo es den ganzen Tag über X'oritellungen gibt.
Unweit von dem Chinesen -Viertel liegen die von Indem und
Malayen bewohnten Stadttheile. Rings um die Landseite der SlaJi
erstrecken sich chinesische und malayische Niederlassungen und am
nordöstlichen Ende Singapurs ein malayisches Dorf, dessen kleine
Hütten als Pfahlbauten das Ufer des Rohere River beleben. WahrenJ
die chinesische Bevölkerung von Tag zu Tag an Zahl. Reichthum unJ
Macht zunimmt und die übrigen asiatischen Elemente unwiderstehlich
verdrängt, schwindet die Menge der Malayen, infolge deren Indolenz.
zusehends, umsomehr, als zahlreiche Einwanderer aus Süd-China sith
mit Malayinnen verbinden und deren Nachkommenschaft chinesische>
Gepräge annimmt.
Das europäische Viertel, am linken LTer des Singapurilusse^
erbaut, bedeckt eine beiläutig halbkreisfiirmige Fläche, deren mehrere
Kilometer Linger Durchmesser durch Hen Quai der Rhede gebildei
wird. Dieser Quai sowie die benachbarten StraÜen dienen vomehmlicli
der geschäftlichen Thäligkeit der Europäer. Landeinwärts ziehen sich
die übrigen Theile dos europäischen Viertels bis zu den drei Hügeln
hin, welche >tch im Westen der Stadt erheben. .Auf einem dieser Hügel-
dem Go\emment Hill, ist das Palais des Gouverneurs erbaut; auf Jem
JMese lisplanadü. an welclier sich tiucli das elegante Gymkhana-(_'luLv
haus erhebt. Die Kathedrale und dii; Retfierungsgebäude verleugnen
ebenfalls den Stil ihrer Erbauer nicht.
Das RafTles-Museum, welchem mein erster Besuch galt, sobald
ich das Land betreten hatte, enttäuschte mich einigermaßen, da die
Sammlungen weder quantitativ, noch qualitativ meinen Erwartungen
entsprachen. Die zoologische .'\btheilung ist ziemlich lückenhaft, nur
einige mir unbekannte Vertreter der Ornis von Malakka und ein auf-
fallend großes Krokodil, das in der Nähe von Singapur erlegt worden,
erregten hier meine Aufmerksamkeit, Die ethnof^raphische .Abtheilung
befindet sich in ziemlich verwahrlostem Zustande.
Das Government House, ungefähr 4ökm vom Centrum der Stadt
entfernt, liegt, von den reizendsten Gärten umgeben, auf dem bereits
genannten Government Hill. Hier einen schönen Garten anzulegen,
bietet wenig Schwierigkeit: das nächste beste Dschungel wird gelichtet,
mit Wegen durchzogen, die üppig wuchernde Natur sich selbst über-
lassen und der prächtigste Garten ist fertig.
Der Gouverneur, der mir. wie gesagt, schon morgens seinen
Besuch an Bord abgestattet hatte, empfleng mich in dem elegant einge-
richteten Palais mit der Nachricht, dass er noch am selben Tage
nach Pulu Penang abreisen müsse. Diese Mittheilung schien den
niich begleitenden belgischen Generalconsul zu befremden, und auch
ich war erstaunt, den Gouverneur unmittelbar nach meinem Ein-
treffen abreisen zu sehen. Vermuthlich stand diese plötzliche Reise mit
unaufschiebbaren Regierungsgeschäften anlässüch des Ausbruches der
Cholera in Zusammenhang.
Die Kahn in das Bungalow des belgischen Generalconsuls gewährte
mir einen Überblick über die Lage Singapurs und verschaiTte mir
Gelegenheit, einen Theil der Landsitze in Augenschein zu nehmen,
welche in einem weiten Bogen westlich von Singapur die Stadt umgeben.
Diese Bungalows, fast ausnahmslos auf Hügeln errichtet, deren Abhänge
Tiit reizenden Gärten geschmückt sind, bieten ihren allabendlich aus
Jeni Amts- und Geschäftsviertel Singapurs heimkehrenden Bewohnern
erquickenden Aufenthalt. In beträchtlicher Höhe über dem Meere
gelegen, gewährt ein derartiges Bungalow herrliche Aussicht über die
^'adt hin nach der von Schiffen belebten See, frische, reine Luft und
J^n Heiz tropischer Vegetation rings um das wohnliche Gebäude.
'jrüne. von weißschimmernden Bungalows gekrönte Hügel reihen sich
hier aneinander und meilenweit dehnt sich diese Villenstadt aus.
Auf den vortrelTiichen, diese Ansiedelung durchziehenden SlraÖen
rollen zahllose kleine, geschlossene, je mit einem Pony bespannte
Wagen lustig einher; in der Stadt selbst werden vorH-iegend die
sogenannten Dschin-Rickschas. in der Regel kurzweg Rickschas genanm
' das ist -Mann- Kraft- Wagen« — benützt, zweiräderige, bunt bemalk
Wägelchen, jenen ähnlich, welche wir in Colonibo gesehen. Chinesische
Kulis ziehen das Gefährte, In den Straßen Singapurs eilen unaufhörlich
solche Rickschas, deren es hier 2200 gibt, auf und nieder, und es isl
staunenswert, wie rasch und auf wie weite Distanzen hin die armen
Kulis diese bequemen Gefährte fortzubewegen vermögen. Freilich fällt
die Mehrzahl der Kulis binnen wenigen Jahren diesem beschwerlichen
Transportdienste zum Opfer, weil die damit verbundene Anstrengung
die Lunge der bedauernswerten menschlichen -Gespanne« in hohem
Grade angreift.
Beim belgischen Generalconsul nahmen wir mit \'ergnügen die
Erfrischungen an, welche der liebenswürdige Herr des Hauses uns anb"t
denn die starke Hitze hatte uns nach solch willkommener Kühlung
lechzen gemacht. Neugestärkt nahmen wir sodann eine reichhaltJRe
interessante CoUection malayischer Kopfbedeckungen näher in Aui
schein, welche uns der Generalconsul, der bei all seinen vielfact
Arbeiten auch noch Muße findet, praktische Ethnographie zu treil
fachkundig erläuterte. M. de Bernard, der ein .Allerweltsconsul zu
scheint — augenblicklich vertritt er nicht weniger als vier Staaten
wusste uns allerlei interessante Details über Singapur zu berichten
Unter anderem wies er auf die Feuchtigkeit des KÜmas hin, — Regen
gibt es hier fast tagtäglich — welchem Umstände die Insel ihre hi
liehe Vegetation verdankt, die Bewohner aber mancherlei Ungei
zuschreiben. Ein weiterer Übelstand ist das massenhafte Aufli
von Termiten, welche fälschlich, wenn auch allgemein, weiße .\me\
genannt werden; den.se!ben fällt oft fast der ganze Hausrath zumO]
Thalsächlich wies das Mobiliar in dem Bungalow bedeutende Spi
der verderblichen Thätigkeit dieser Insecten auf, und so hat denn
dieses paradiesische Eiland wie alles hienieden seine Schattensi
Der hierauf besehene, nahegelegene botanische Garten
Singapur ist eine sinnreich disponierte, aber noch junge Anlage.
Baumreihen und Anpflanzungen versprechen, diese der Wissenst
gewidmete Stätte binnen weniger Jahre in einen schattigen Garten
verwandeln, der nicht nur Belehrung, sondern auch Erholung bii
wird. In systematischer Anordnung sind hier neben dem LabjTinthe
lutlR
i
Gehwege Gruppen gebildet, welche die Vegetation dcv malayischen,
tropisch-immergrünen Kegion, insbesondere fast alle Gattungen Palmen
dieser Zone, in verschiedenen Exemplaren darstellen.
Mit dem botanischen Garten ist auch ein kleiner Thiergarten
verbunden, welcher Vertreter weniger, dafür aber seltener Arten der
Fauna der indo-malayischen Subregion birgt; so einen gefleckten
Tapir {Tapirus indicus). ein zahmes Thier, welches, an einer Schnur
lose befestigt, mitten im Wege lag und jeden Besucher freundlich
beschnüffelte; dann einen gewaltigen Orang-Utan von Bornen; mehrere
tigerartiß gezeichnete Katzen, die mir völlig neu waren; malayische
Honigbären; schöne Nashornvögel; ein in Sumatra indigenes, kleines
Oschungelhuhn mit violettem Kamme; Reiher, Kasuare u. s. w.
Unweit von hier liegt der Park und der Palast des Sultans von
Dschohor, welchen dieser prachttiebende Fürst, ein Freund der Bau-
kunst, hier in jüngster Zeit — der Palast war erst zwei Monate zuvor
fertiggestellt worden — hatte errichten lassen. Der Palast erhebt sich
mitten im Park auf einem dominierenden Hügel, der eine schöne Rund-
sicht auf die zahlreichen (iilrten, Parks und Bungalows, auf den ganzen
Kranz der Villenstadt von Singapur bietet. Das groLie viereckige, in
-gemischtem Stile gehaltene Gebäude verdankt einem malayischen
Architekten seine Entstehung: es ist mit fürstlicher Raumverschwen-
dung angelegt, mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet und durch-
wegs in höchst luxuriöser Weise eingerichtet.
Die zuweilen unvermittelte \'ermengung der europäischen mit der
orientalischen Geschmacksrichtung ist auf einen besonderen Umstand
zurückzuführen. Sultan Abu Bekr, welcher bekanntlich alljährlich den
Sommer in England oder auf dem Continente zubringt und insbesondere
zu vviederholtenmalen mehrere Monate hindurch in unserem welt-
berühmten Karlsbad verweilt hat, pflegt nämlich von seinen Reisen
zahlreiche Gegenstände heimzubringen, mit welchen er seine Paläste
schmückt, Diese Objecte nun, so kostbar und schön sie auch sonst sein
mögen, stehen mit dem orientalischen Schmucke der Palastgemächer
nicht völlig im Einklänge. Originell sind hingegen die zahlreichen ver-
zierten Elephantenzähne, die in all den Gemächern auf dem Boden
liegen.
Auch in .Xbwcsenhoil des Sultans äulieite sich dessen Zuvor-
kommenheit, indem uns in dem Palaste in prachtvollen goldenen GefäÜcn
Champagner und Kaffee serviert wurde, worauf wir an den Bungalows
der verheirateten englischen Officiere vorbei, deren jeder mit seiner
[■"iimiliü ein eigenes, nettes, in einer parkähnlichen Anlage siluiertes
lioini bewohnt, nach Singapur zurückkehrten. Als wir uns der Stadt
näherten, war es bereits so dunkel, dass die Fahrt durch das Chinesen-
Viertel sich nun noch anziehender und interessanter gestaltete als bei
'rajjc. Zu'ar pulsierte dasselbe Leben, dieselbe fieberhafte Thätigkeit in
Straüe und Haus, doch boten die unzähligen bunt schimmernden, hell
riinkelndcn Lampions und Lämpchen, die taghell beleuchteten Verkaufs-
liitlen. die Ruddha-Tempel, Theater und Restaurants, in welchen die
Menge wogte, ein neues, ebenso fesselndes als fremdartiges Bild. Ein
besonderes Merkmal ist in diesem N'iertel die Nettigkeit, welche trotz
der zahlreichen Werkstätten und der vielen Buden, in denen Fische unJ
allerlei andere Producte der See und des Landes von Garküchen und
llJtndlom feilgeboten werden, allenthalben herrscht. Mag diese Sauber-
keit vielleicht aucli nur an der Oberfläche sitzen, so bildet sie doch
ein angenehmes Widerspiel zu dem entsetzlichen Schmutz all der
N'alivo-V'iertel in den Städten Indiens. Die Geruchsnerven des Hum-
piiers werden allerdings hier wie dort in ebenso seltsamer als wenij;
eriVoulicber Weise articien.
In der .Studl besuchte ich noch zwei grolie Kaufläden, in welchen
viele von den malayischen Inseln stammende, ethnographische .Artikel
feilgehalten wurden, konnte aber mit den Händlern angesichts der
jrefordorten, ubertriot'cn hohen Preise nicht handelseins werden, so
dass ich ntich unvorrichtetor Dinge an Bord zurückbegab.
Singapur, ;
Slaumind und cril/.ückt bleibt das Auge an den Wundern hiiflen,
welche die Natur in den Kindern Floreni? hervorzaubert. Während ich
für Ceylon das Vorherrschen der Palme und des Banian-Baumes als
charakteristisch bezeichnen möchte, zeigt sich hier bunt wechselnde
Mannigfaltigkeit der Bilder. Bambus, Mango- und Durianbjiume säumen
die Straße ein; dahinter stehen Kaffee- und PfetTerbäume; Urwald, aus
dessen unentwirrbarem Dickichte die Sago- und Arekapalme, sowie die
Baumfarne aufragen, schließt sich an, Zahlreiche kleine Ansiedelungen
von Malayen und Chinesen bringen belebende Farbentöne in das saftige
tlrün der Landschaft,
Zwei Stunden etwa waren wir gefahren, als wir endlich an das
Ende der Insel gelangten und, nur durch die schmale Wasserstraße
Salat Tubras getrennt, die Stadt Dschohor vor uns liegen sahen. Der
erste Anblick von Dschohor ist ein äußerst lieblicher. Aus der tiefblauen
See erheben sich, links vom Sungei (Bach) Tschat durchströmt, grüne
Hügel, parkähnlich geschmückt und von Bungalows gekrönt: in derMitte
die Istana Laut, das Palais des Sultans; rechts davon die Hegierungs-
gebäude und das ehemalige Scräi des Sultans; links die kleine blühende
Stadt mit lichtruthen Ziegeldächern; dazwischen Gruppen von Bäumen
und grüne Rasenplätze. Wahrlich, wenn wir nicht wiissten, dass eine
Meeresstraße vor uns liegt, könnten wir uns an das freundliche Gestade
eines Binnensees versetzt wähnen.
An der diesseitigen Landungsbrücke von zwei Neffen des Sultans
empfangen, wurde ich auf einer schmucken Barkasse an das Dscho-
horer Ufer geleitet, wo sich der erste Minister, sowie die sammtlichen
Würdenträger und hier weilenden Europäer versammelt hatten. Eine
hübsche Dampf-Yacht des Sultans lag vor Anker. Zu Fuße gieng's
in das Palais, in welchem mich der Thronfolger, ein hochgewachsener
ISjähriger Jüngling von sehr sympathischem Wesen, sowie ein jüngerer
Bruder des Sultans begrüßten. Der Palast ist ein lange.s, zweistöckiges
Gebäude, dessen Äußeres sich schmucklos präsentiert, während das
Innere geschmackvoller und wohnlicher eingerichtet ist als jenes des
Palastes in Singapur. An Gastzimmern herrscht kein Mangel; denn der
Sultan übt Gastfreundschaft in großartiger Weise und jeder Europäer.
der nach Singapur kommt, besonders aber jeder Seeofficier ist bei ihm
gerne gesehen.
In einer \'orhalle der Istana wurde Thec genommen und das Pro-
gramm für den Tag besprochen, wobei die maßgebenden Persönlich-
keiten offenbar nicht ganz einig waren. Am Hofe des Sultans scheinen
— ■i-:-:^± £_• ciir. l:t zü^rt Theile ein ziemlich bewegtes Leben hinti-r
-i-:r. -iT'ir i-lrr.t- --r.d nicht im besten Einvernehmen miteinar.ie'
irr-ir-. i^-.d-irr. i:v;r^lerenden Ansichten huldigen, sowie persörlk-h.;
■-T3ri~~ti': "irT'fzi". "ach entscheidendem Einllusse auf den Sulur
t- znch^är. Vr.Zir anderen lebt hier ein Schweizer, der jetzt eine Kaffee-
T'hiT.r^r.ic dü<- i>ii'.'Jir.s in Pacht genommen hat und am Hofe wahrenj
-r:s«;n;s Aurcrrhahiis al> Arrangeur und Dolmetsch fungierte; ferne:.
Tüberr anderer! Bnten. ein Schotte, der als Ingenieur nach Dschohi-:
zek-mmer: urd jetzt Besitzer einer großen Dampfsüge ist.
Ijer T^n'nf'>l;jer scheint dem Einflüsse dieser Fremden. obglei;h
ir 5->nsi cjinen entschiedenen Charakter zur Schau trägt, ziemlich
jnterwi'rien zu =ein; er bekleidet eben erst seit kurzem die WiirJc
eines riironl'ilgers. da der Sultan früher einen anderen seiner Ver-
wandten in E.-^gland zu dieser Würde heranbilden ließ, densdNm
■ed"crT, jis er nicht nach seinem Wunsche gerieth. dieses Hanges utine
v:ei Lrnschweife ba!d wieder verlustig erklärte und zum Chef der Polizei
s:m.i:-!-:e, W"rauf der jetzige Thronfolger zum Erben des Reiches vnr
l»schohor designier, wurde.
Nach Beendii^ung der Discussion über das Tagesprogramm wurJt
^•■iTc Kalirt Tili: dem Üampfboote unternommen und zwar in dem
Mcerc>iinnc. der die Insel Singapur von dem Festlande trennt. Zuer,-i
■üh;' uriser Schiff längs des kleinen Städtchens, dann an mehreren
ltlaii.;!.mgcn wrbei und schließlich steuerten wir zwischen L'rwalJ
d«b;", der an beiden L't'em bis an den Strand reicht, eine entzückende
lüiriihifung der Meeresstral3e bildend.
( >a-i:> rolgtc ein ■.>pulentes Frühstück, wobei ich Gelegenheit hatte.
vornehmlich aus den auf die Einfuhr von Opium und vun Spirituosen,
sowie auf die Ausfuhr von Gambir, Pfeffer und anderen Bodenproducten
gelegten Zöllen, welche übrigens die einzige Auflage bilden, mit welcher
.die Bevölkerung von Dschnhor besteuert ist.
Das Innere Dschohors, ob Sumpfland, welliges Terrain oder bergig,
ist durchwegs mit dichtem, tropischem Dschungel bedeckt, wie denn
überhaupt unter dem Einflüsse der fast täglich erfolgenden Regen, der
starken Thaufälie und der großen Luftfeuchtigkeit hier überall immer-
grüne \'egetation zu finden ist.
Palmen, wie die zuckerreiche Cabongpalme, die Cocos-, die Sago-
iind die Arekapalme, Guttaperchabäume (Isonandra gutta), Kampfer-
bäume (Camphora officinalis) und vortreffliches Bauholz liefernde Hoch-
stämme des jungfräulichen Waldes charakterisieren die Baumzone;
Harze, Öle und Gifte liefernde Sträucher bilden den Unterwuchs der
Dschungel. Das Culturiand ist insbesondere der Production von Keis,
Mais, namentlich aber von Pfeffer tmd Katechu, des gerbstoffhaltigen
Extractes aus den Zweigen de.'; Gambirstrauches (Uncaria Gambir),
einer Rubiacee, gewidmet.
Die starke Cultur von Pfeffer und Gambir-Kalechu, welche vor-
zugsweise in der Nordwestprovinz Muar und fast durchwegs von
Chinesen betrieben wird, kommt auch in der .Ausfuhr Dschohors zum
.Ausdrucke, da die beiden genannten Producte die wichtigsten Export-
artikel bilden. Die Einfuhr begreift vor allem Keis, das hauptsächlichste
Nahrungsmittel der Bevölkerung.
Bisher sind relativ nur wenig Ländereien in Culturboden umge-
wandelt; die Waldungen werden an vielen Stellen des Reiches gar nicht,
im übrigen nur irrationell ausgebeutet, woher es denn kommt, dass
die Dschungel Dschohors noch zahlreiche Affen der Gattung Gibbon
(Hylobates), dann Semnopithecus obscurus u. s. w., vereinzelt auch
Elephanten, Rhinocerosse, Tapire, Bisons (Gaur), Bären, ja den Malayi-
schen Tiger, femer Sambarhirsche und die kleineren Kidschangs
(Cervus muntjac), dann Krokodile, Schlangen, endlich mancherlei Vögel
bergen.
Die Mineralschätze Dschohors sind bis auf Zinn, woran ja die
ganze malayische Halbinsel außerordentlich reich ist, und Gold so
ziemlich unerschlossen. Letzteres findet sich insbesondere im Umkreise
des Ophir (Gunong Ledang), des höchsten Berges im Gebiete von
Dschohor, dessen jäh aufsteigende Spitze wir schon am n. .April von
der See aus erblickt hatten.
Polizeistation, wo die Arrangeure das Misslingen der Jagd damit ent-
schuldigten, dass ihnen die Zeit zu besseren, Erfolg versprechenden
Vorbereitungen gemangelt hätte. Obschon nämlich die Nachricht, dass
meine Ankunft bevorstehe, in Singapur und in Dschohor bereits fünf
Wochen früher bekannt geworden war, soll der belgische General-
consul, vielleicht durch die gleichzeitige Vertretung von vier Staaten
zu sehr in Anspruch genommen, den Hof von Dschohor von meinem
Eintreffen doch erst kürzlich verständigt haben. Der Generalconsul
hatte auch an der Jagd nicht theilgenommen, sondern mich ersucht,
die Zeit zur Besichtigung des Staatsgefängnisses benützen zu können,
so dass er seines Antheiles an dem Sturzbade, das wir. abbekommen
hatten, verlustig gieng.
Während der Rückfahrt genoss ich die Gesellschaft des Prinzen-
Thronfolgers, welcher mit Entzücken von Wien, das er vor kurzem
besucht, und von Frankfurt am Main, wo er ein halbes Jahr geweilt
hatte, sprach. Der Sultan hat große Neigung für abendländische Cultur
und pflegt seine Verwandten zur Ausbildung nach Europa zu senden.
An einem Gala-Diner im Palais nahmen wir mit dem Prinzen,
einer größeren Anzahl von Würdenträgern und dem von den Engländern
abgesetzten Fürsten von Pahang theil. Dieser, vormals der selbständige
Fürst eines 25.900 km^ umfassenden, an der Nordgrenze Dschohors
gelegenen Reiches, war von den Engländern wegen angeblicher Unruhen
in seinem Lande einfach depossediert worden und hatte sich grollend
und schmollend nach Dschohor zurückgezogen, wo demnächst eine
Verbindung seiner Tochter mit unserem Gastgeber stattfinden soll, und
zwar auf besonderen Wunsch des Sultans von Dschohor; doch scheint
der Prinz mit diesem Plane nicht ganz einverstanden zu sein und sich
vorläufig noch ablehnend zu verhalten. Beim Diner war neben mich der
Premierminister zu sitzen gekommen, ein freundlicher und verständiger
alter Herr, mit dem ich mich durch Vermittlung eines Dolmetsches lebhaft
unterhielt. Er wusste viel von unserer Heimat und von allen Officieren
der Missionsschiffe unserer Marine, die hier zu Gaste gewesen, zu
erzählen. In Abwesenheit des Herrschers führt er die Regierung und
genießt den Ruf, ein sehr geschäftskundiger, thätiger Mann zu sein.
Die goldenen Aufsätze, welche die Tafel schmückten, waren,
wenn irgend möglich, noch kostbarer und prachtvoller als jene, die wir
des Morgens bewundert hatten. Ein recht gutes Privat-Orchester des
.Sultans besorgte die Tafelmusik und gleich nach dem Diner die Beglei-
tung zu einem malayischen Tanze, bei dem sich als Mädchen gekleidete
435
OQ«
28
Knaben im Kcigen drehten; das weibliche Geschlecht ist nach der hier
geltenden Anschauung von der Theilnahme an öffentlicheii Tünicn
ausgeschlossen. Die Vorstellung war übrigens ziemlich interesbeios,
obgleich die armen Bursche ihr Möglichstes thaten.
Nachdem ich von dem Prinzen und den Herren in Dschohor herz-
lichen Abschied genommen, besuchte ich noch eine chinesische Spiel-
bank, die, früher in Singapur etabliert, nun hier, mehr geduldet ai^
gestattet, ihr Heim aufgeschlagen hat. Die Chinesen fröhnen dem .Spielt
mit wahrer Leidenschaft, ihm den Erwerb mühsamer Arbeit opfemJ,
und ziehen an jedem Feiertage in ganzen Karawanen aus Singapur in
die Spielbank von Dschohor. Der Spielsaai ist recht sauber eingerichtet
Nebenan befindet sich ein Restaurant und eine Opiumhöhle. Das Spiel
ist ein sehr einfaches Hazardspiel, da hiebei auf vier Nummern gesetn
und durch Drehung eines Würfels die Knischeidung herbeigeführt wirJ.
Als abgesagter Feind des Hazardspieles, das mir — nebenbei
bemerkt — weder Unterhaltung noch Interesse bietet, empfieng ich
in dieser Spielhöhle einen geradezu widerlichen Eindruck. Gleichwohl
versuchten wir, um auch dies mitgemacht zu haben, unser Glück unJ
kehrten um einige Dollars erleichtert, in herrlicher, lauer Tropennach!
dahinfahrcnd, auf dem heute morgens eingeschlagenen Wege un Bord
der "Elisabeth- zurück, wo wir spät am .Abend einlangten.
Singapur,8. .ApiiL
Zunächst unterzog ich vormittags eine Sammlung ethnographi-
scher Gegenstände aus Neu-Guinea, Sumatra, Nias und Bomeo, die ein
ehemaliger Capitan der Handelsmarine im Laufe der Zeilen zusammen-
gestellt hatte, einer eingehenden Besichtigung, welche nach langem
Handeln mit dem Ankaufe der ganzen Sammlung endete. Dieselbe ent-
hält interessante Gegenstände von großem ethnographischen Worte,
besonders Waffen primitivster Art, ohne Verwendung von Eisen oder
sonstigen Metallen angefertigt; ferner Schmucksachen, Dolche urJ
Messer aus Menschenknochen; Heihen von geschnitzten Ahnenbildcm,
die auf Nias zur Umfriedung geheiligter Orte verwendet werden; eine
Unzahl von . Fetischen, Haus-, Fischerei- und Jagdgerälhen u. dgl. m.
Während Wurmbrand und Clam die Verpackung der Gegenstände
besorgten, machte ich noch mehrere andere Einkäufe, in einem rn.scbcn
Kiekscha von Laden zu Laden fahrend; auch vermehrte ich die BoT
menagerie durch zwei allerliebste Affen und einige Papageien.
430
4
r ^
Die VerrichtLing von Geschäften in der liei(3en Zone vcrniaj;
auch einen sehr ruhigen Temperamentes sich erfreuenden Europäer
in gelinde Verzweiflung zu versetzen. Das unvermeidliche, endlose
Handeln und Feilschen bedingt eine erschreckliche Zeitvergeudung.
Der .Ankauf eines Hutes oder eines Paares Sehuhe wird daher zu einer
sehr ernsten Angelegenheit, die unter zwei Stunden kaum zu erledigen
ist. Meine Einkäufe eiforderten den ganzen Vormittag, namentlich da ich
der Mitwirkung des Generaiconsuls, der nicht Bescheid wusste. ent-
rathen musste, so dass ich schließlich den Lluydagenten zu Hilfe rief.
Zu Mittag an Bord zurückgekehrt, entsandte ich einige Boote, um
die ethnographische Sammlung noch rechtzeitig einschiffen zu können.
Der Rest des Tages war dem Ahschiednehmen und Vorbereitungen für
die Fahrt nach Java und für die Expeditionen daselbst gewidmet.
11
Tandjong Priok— Batavia -Buitenzorg
Garut — Tj iandj ur.
Tandjong Priok
Batavia — Buitenzorg — Garut —
Tjiandjur.
In See nach Java, 9. April.
Bei Morgengrauen lichteten wir die Anker, um den Hafen von
Singapur zu verlassen. Für's erste wurde der Curs durch die zwischen
den Inseln Batam und Bintang führende Riostraße genommen. Allent-
halben wurden lachende Eilande sichtbar, a!s führen wir auf einem
überaus breiten Strome dahin; in der Ferne zeigte sich die Küste
Sumatras, tauchten hohe Berge empor. Die .Annehmlichkeit der Fahrt
wurde dadurch erhöht, dasb die See ganz glatt und ruhig und die Hitze,
ausgenommen in den Cabinen, nicht übermäßig war. So schön aber
die Fahrt für den Reisenden erschien, so schwierig war sie in Hinsicht
der Navigation; denn in den engeren Meeresstraßen unseres Curses
befanden sich an allen Stellen nicht nur Strömungen, die zuweilen
recht heftig waren, sondern auch Sandbänke und Untiefen, welche sorg-
fältig vermieden werden mussten. Doch unter der bewährten Leitung
unseres Commandanten und jener des Linienschiffs-Lieutenants Gratzl,
eines vortrefflichen Navigationsofflciers, zweier Herren, die ohne Rück-
sicht auf ihre Gesundheit Tag und Nacht fast unausgesetzt und in
eifrigster Erfüllung ihrer Pllicht auf der Brücke weilten, konnten wir
getrost die schwierigsten Passagen durchfahren.
spielte, nach Wahl der Arrangeuie des Festes, ein kleiner Tiroler, dessen
pausbackiges Gesicht mit den großen, biauen Augen im Vereine mit der
blonden Perrücke, dem decolletierten Gewände und allerlei Bänder-
schmuck und Geschmeide, die Illusion hervorrief, Amphitrite werde von
einem jungen, anmuthigen Mädchen dargestellt. Eine baumlange Amme
schleppte in ihren Armen mühsam den schon ziemlich erwachsenen
Sprössling des Gölterpaares, der recht ungeberdig unaufhörlich schrie
und weinte. Diese drollige, den natürlichen Humor unserer Mannschaft
bezeugende Gruppe, erregte unsere Lachlust auf das lebhafteste. Die
Gestallung der Gruppe that aufs Neue in bewundernswerter Weise dar,
wie wohl unsere Matrosen, sobald man ihrer angeborenen Lustigkeit die
Zügel schießen lässt, es verstehen, mit den allerbescheidensten Hilfs-
mitteln komische Wirkungen hervorzubringen.
Hinler dem Festwagen kam das Gefolge Neptuns einher; der
Astronom, der Leibarzt, der Barbier, rabenschwarze Wilde und ihre
Khegesponsinnen, Tritonen u. a. m. Nun verlässt Neptun den Festwagen,
besteigt mit Amphitrite eine kleine Tribüne, gebietet Ruhe und stellt an
den Commandanten die üblichen Fragen: Woher er komme, wer ihn
abgesandt und wer der Eigenthümer des Schiffes sei. Dann befiehlt
Neptun dem Leibarzt und dem Astronomen ihres Amtes zu walten.
Ersterer ruft den Chefarzt des Schiffes, vergewissert sich, ob das Schiff
einen Gesundheitspass habe und ob nicht ansteckende Krankheiten
an Bord seien, während letzterer die astronomischen Messungen und
Peilungen in komischer Weise carikiert, was allgemeine Heiterkeit
hervorruft: alle astronomischen Instrumente sind aus Holz täuschend
nachgebildet. Zum Schlüsse zieht der Sterndeuter, der sogar englisch
kann, ein Riesenfernrohr aus der Tasche und meldet dem Gotte, dass
der .\quator bereits zu sehen sei und wir uns in seiner nächsten Nähe
befänden. Nun sendet Neptun seine Gattin zu mir auf die Tribüne. Mit
tiefem Knix und einigen huldigenden Worten überreicht mir Amphitrite
einen aus Werg sehr kunstvoll consfruierten Meerespudel, während die
schwarzen Gemahlinnen der Wilden mir kniend in Muscheln die ver-
schiedensten Früchte darbieten.
Hierauf wendet sich Vater Neptun an mich und hält, nachdem er
zuerst sein unausgesetzt schreiendes Kind durch einige derbe See-
nriannsdüche heruhigt, eine Anrede, in der er hervorhebt, wie glücklich
er sei und wie sehr es ihn freue, im Verlaufe von einigen Jahrzehnten die
Äquatorialtaufe an dem vierten Mitgüede des Kaiserhauses vollziehen
zu können. Dann wünschte er dem Schiffe eine gute Fahrt und sprach
vollgefüllt gefunden und gießt den Inhalt einem ahnungslosen Kame-
raden über den Kopf; ein rabenschwarzer Wilder ist zu einem Schecken
geworden, da die eine Seite seines Körpers von der Dampfspritze
behandelt worden war, indessen die andere Seite noch schwarz glänzt;
alles läuft, eilt und spritzt durcheinander.
Doch auch hier, inmitten dieser übermüthigen Scherze, gedachten
wir als treue Söhne des Vaterlandes unseres all ergnädigsten Herrn.
Plötzlich gebot Neptun Ruhe und der Commandant brachte auf Seine
Majestät den Kaiser ein Hoch aus, welches unter den hehren Klängen
der Volkshymne in einem hundertstimmigen, begeisterten, donnernden,
dreifachen Hurrah von uns allen Wiederhall fand. Dann betrat Neptun
seine jetzt ganz durchnässte Tribüne und übergab mir mit weihevoller
Anrede ein reizendes Diplom, in welchem der Meergott mir bestätigt,
dass ich den .-Äquator passiert hatte; dieses künstlerisch ausgeführte
Diplom war von Ramberg gezeichnet und mit sinnigen Emblemen und
Ornamenten geschmückt.
Neuerdings wüfhete hierauf die Wasserschlacht, die sich jetzt,
da schon viele der Offleiere sich in ihre Cabinen zurückgezogen hatten,
um die Kleider zu wechseln, hauptsächlich unter der Mannschaft ab-
spielte. Es hatten sich nämlich ungefähr 30 Mann versteckt, um sich so
der Taufe zu entziehen; das aber HeUen die Kameraden der .Ausreißer
nicht zu; das ganze Schiff, jeder seiner Winkel wurden durchsucht,
endlich die Opfer aus ihren Verstecken geholt und zur Strafe minuten-
lang mit dem Kopfe direct unter die Pumpe gehalten. Einzelne wurden
in den Booten, andere unter den Geschützen oder zwischen Kisten
und Bagage verborgen im Schiffsraum aufgefunden. So oft Preuden-
geschrei kundgab, dass einer der Flüchtlinge entdeckt worden war,
drang sofort ein ganzer Schwärm auf ihn ein, um den Taufact zu voll-
ziehen. Einer der Matrosen war gar bis zur höchsten Spitze des GroÜ-
mastes geklettert, doch auch dieser Fiüchtling wurde imverzüglich
von dreien seiner Kameraden herabgeholt, eine Scene, die von Deck
aus betrachtet umso possierlicher erschien, als sich unter den Verfolgern
eines der Negerweiber befand.
Ich stand eben bei einer Gruppe von Matrosen, als plötzlich die
Losung ausgegeben wurde: »Jetzt holen wir den Hofkoch!- Diese Idee
fand auch meinen Beifall, und ich freute mich schon zum voraus, den
dicken Bussatto unter die Pumpe gehalten zu .sehen; aber bald kamen die
Leute mit der Meldung herauf, dass sich der schlaue Italiener in seiner
Cabine eingesperrt habe. Der wohlgemeinte Rath, die Thüre derselben
. " ^: j.r. — -^i^,,,^ jz -din^iT'JtiW'andung erklärten sie
-VV.I ":t'r . j:Äj-ri ^,;::r^ -ussäcd. lür üe Matrosen endlich <
^.v:- • .:i!tc - .:-,i::T2?*^r-*£Er "2Jisr .imi rnr itngen wollten, eine n
>*,. . $;5ir?ftittntÄ!» --=:: ^z^roes- AacTtsrcMSser ergriffen und
- ^iL.-**!.**-*'*'!';-^ _:r'ssr >Hßase rftibcmir srgK>ssen hatte; diese a
-^^z** .^- -rie=n rleae -in Siiö* reniacht, indem sie Bus
,,_.. ^» .*r^. ~*x -innenci^. ia^ scri^n zum Diner bereit st
^ ^. --_c^:ct. !minmr Siuctin fotgen ließen und dann den
- : ^.^:c:i -;c:iite jui Homsignal das lustige Treiben
-.^^> -voraite Bu^siUto uns ein Diner fertigstellen, da er
_ .;;^. . - c-ereus vollendeten Gerichte seien theilweise i
>^ . ;...Ac:t:?c ^urch >^iz\vasser zugrunde gerichtet worde
,- .u.v.n ceui Fleckchen auf dem Schiffe, das ni<
^^,. .u;r- >^^i^ '-^^i ?'"^«^^'^^ri Bälge hatten durch das S
. ^;, >,iK«.Mi Vir ?ttc iert Herren des Stabes, deren einig«
^ ^_ ^rcin !* i<>i!TC^ck5e beisammen und besprachen die
In See nach Java, :
;v . iv^.i-v ,.ai :^ ^ V>r lecen wir in die Bankastraße ein. S:
v^...^^x^v4i vv.4vS;.^t^<'tvx:> vKjwölk ließ eine Böe mit starkei
.-vi I.JC -vii^ ^'nwetter vorbei, so dass wir d
V V V -V ^* ^
'>i oi^micuur^ passierte die »Elisabeth« die
A .i-s-v .nKs Vjusch:rfes. welches mit einer Kohle
Baiavia, 11. April.
Nach 6 Uhr morgens ließ ich mich wecken und gieng sofort auf
die Brücke, da wir in einer halben Stunde in Batavia landen sollten. Der
Himmel war stark bewölkt und die Temperatur auf Deck sehr behaglich.
Wie bisher, war ich auch hier insofern angenehm enttäuscht, als ich
befürchtet hatte, dass wir in den Tropen, insbesondere aber in den
äquatorialen Regionen, von Hitze viel zu leiden haben würden; doch
fand ich es ganz leidlich, die Bleikammern, das heißt die Cabinen,
ausgenommen, in welchen die Temperatur namentlich zur Nachtzeit
fast unerträglich zu nennen war.
Das erste, was wir von Java erblickten, waren die beiden hohen,
erloschenen Vuicane Salak (2215 m) und Gede (2962 m). die gerade
oberhalb Batavia oder, besser gesagt, südlich davon oberhalb Buiten-
zorg liegen. Nach und nach erkannte man auch die grüne Küste und
den schönen Hafen Tandjong Priok, in welchem die Masten vieler
Schiffe sichtbar wurden. Der Lotse kam an Bord und führte uns in den
Innenhafen, in welchem Momente die hier liegenden Handelsschiffe
die große Flaggengala hissten.
Nach dem Ankern leisteten wir den Territorialsalut, der alsbald
von einer Landbatterie erwidert wurde. Ganz nahe von uns lagen drei
holländische Kriegsschiffe und zwar das Hafenwach tschiff »Gede«, der
Kreuzer -.Atjeh« und die Panzerdeck-Corvette »Sumatra-, alle Offleiere
und die Mannschaften standen auf Deck, um unser Einlaufen zu sehen
und aus mancher Stückpforte lugten auch Damenköpfe, mit Gläsern
und Guckern bewehrt, hervor.
Zunächst kam unser Consul Dirk Fock und gleich darauf, vom
Generalgouvemeur gesendet, Oberstlieutenant Nepveu an Bord, um
mich zu begrüßen und mir das Programm für den .Aufenthalt in Java
vorzulegen. Die Besprechung dieses Programmes that mir dar, welche
Fülle von Sehenswürdigkeiten die schöne Insel birgt und welche
große -Anzahl herrlicher Streifzüge auf derselben ausgeführt werden
können. .Allein da ich auf meiner Reise um die Weit noch an so vielen
anderen Punkten zu verweilen vor hatte, sah ich mich genöthigt, das
Programm für meinen Aufenthalt in Java der kurzen Frist von 14 Tagen
anzupassen, Nach langen Verhandlungen gelang es festzustellen, was
innerhalb dieser Spanne Zeit ausführbar sei, wobei das Interessanteste
wiederholt hinter das Sehenswürdige und zugleich leicht Erreichbare
zurücktreten musste.
Unserem Einzüge wohnte vor den Häusern und in den Straßen
eine große Menge von Chinesen, Malayen, Javanen und Europäern bei,
die, bunt durcheinandergewürfelt, in lebhafter Weise ihr Interesse für
uns an den Tag legten. Ich hatte hier zum erstenmale Gelegenheit, das
luftige Costüm zu sehen, dessen sich die Europäerinnen, wie man mir
sagt, auf ganz Java bedienen; als Kleid dient der Sarong, ein großes
Stück Tuch, das malerisch um die Lenden festgeknüpft, rockartig
herabfällt; den Oberkörper verhüllt eine mit Ausschnitt versehene Jacke
aus Leinwand. Diese sehr einfache, den Temperaturs- und sonstigen
klimatischen Verhältnissen angepasste Toilette, welche die Trägerinnen
namentlich in jüngeren Jahren reizend kleidet, ist bei allen weiblichen
Mitgliedern europäischer Familien üblich und wird auch in den höheren
Gesellschaftsclassen tagsüber bis zur Stunde, da für das Diner Toilette
gemacht wird, getragen. Bis zu ihrem 12. oder 13. Jahre begnügen sich
Mädchen mit einem Hemdchen ä la baby. Da die körperliche Ent-
wickelung der Kinder in den Tropen rascher vor sich geht, als in den
Ländern der gemäßigten Zone, macht es auf den Ankömmling einen
befremdenden Eindruck, Mädchen, die schon ganz erwachsen scheinen,
in dieser Tracht zu begegnen.
V^or dem Hause, welches von der Regierung gemietet worden
war, um mir als Absteigequartier zu dienen, erhob sich ein großer,
aus Bambussen und blühenden Palmenzweigen kunstvoll gefügter,
mit unseren Farben und der niederländischen Tricolore geschmückter
Triumphbogen.
Das Haus — ebenerdig, wie fast alle Gebäude auf Java, da diese
Insel von Erdbeben heimgesucht ist — liegt in einem kleinen Garten an
einer der lebhaftesten Straßen Batavias. Geräuschvoll und schleifend
saust vom Morgen bis zum Abend die Dampftramway an dem Hause
vorbei, auf dem nahe gelegenen Canale schaukeln sich melancholisch
kleine Bambusflöße. Auch das Innere des Hauses trägt das Gepräge
der javanischen Bauten; hinter der großen, gedeckten Veranda ist ein
weitläufiger Raum, der, als Speisesaal und Salon zugleich dienend, die
Eingänge in die verschiedenen Wohngemächer enthält. Die Fenster und
die Thüren pflegen hier selbst bei Nacht fast niemals geschlossen zu
werden; deren Stelle vertreten zumeist spanische Wände. Die Räume
sind durchwegs hoch und luftig, die Fußböden mit Strohmatten bedeckt,
die Himmelbetten, welche das Lager bilden, zwar geräumig, lang und
breit, jedoch so hart, dass sie lebhaft an die Pritschen in unseren
Gebirgshütten mahnen. Offenbar legen die Erfahrungen der localen
atte, dass ich ja gern auf jeden Comfort, jede Bequemlich-
bte, wo es sich um Jagd handelt. So wurde denn endlich
Sion in der Dauer von zehn Tagen in den südlichen Theil der
Andschaften zum Beschluss erhoben. Nur erbat sich Herr
1 eine Frist von fünf Tagen, um die nothwendigen Anstalten
n, Jäger und Träger zu bestellen u. s. \v. Diese Frist wurde
k und beschlossen, dieselbe zum Besuche Buitenzorgs und
Ifr. int eres sanier Punkte Javas zu verwenden.
tth konnte ich schon heute dem Jagdvergnügen huldigen, da
iswürdige Resident von Batavia für den Nachmittag eine Kro-
i anberaumt hatte, zu der wir, sobald der Regen einigermaßen
(sen hatte, aufbrachen. In der Vorstadt Weltevredcn passierten
1 lange Straße, welche auf beiden Seiten ausschließlich von
, bewohnt ist. Auch hier in Batavia macht sich der 'Gelbe
tschon sehr stark bemerkbar; es zählt unter 1 14.864 Einwohnern
f Chinesen. Auf Gelderwerb erpicht, wie kaum ein anderes Volk,
ibtilem Handelsgeist und erstaunlicher' Genügsamkeit ausge-
j haben diese echten Mongolen nicht bloß in Batavia, sondern
1 allen anderen javanischen Handelsplätzen festen Fuß gefasst, so
^Uf Java überhaupt unter einer Bevötkeiimg von 22,754.749 Seelen
i Armee und die Bemannung der Flotte nicht inbegriffen — neben
Sl Europäern, 13.995 Arabern, 2843 anderen Orientalen und
10.553 Eingeborenen 241.727 Chinesen gezählt wurden.
Der misstrauische und hinterlistige Charakter der Chinesen, ihr
5 In crassem Egoismus verzerrendes Wesen und andere ihrer Eigen-
Schäften machen mir dieses schon äußerlich unsympathische Volk
widerlich, so wenig ich leugne, dass es auch Vorzüge besitzt. Ungemein
rührig und erfindsam in gewerblicher Thätigkcit, voll Geschick in tech-
nischen Fertigkeiten, intelligente Acker- und Gartenbauer und, wo es
der Betrieb der Urproduction erfordert oder wo der Vortheil lockt,
selbst die schwerste .Arbeit nicht scheuend, streben die Chinesen vor
allem dahin, im Wettbewerbe des Güteraustausches und bei Geld-
geschäften auf welche Art immer Gewinn zu erzielen. Die meisten
treiben Handel, thcils als Hausierer (Klontongs), Krämer, Laden besitzer,
Agenten, theils als Commissionärc, DetailHstcn, Gouvernementspächter,
Geldwucherer, Banquiers. Die übrigen Chinesen er\verben als Hund-
werker, Hausdiener, Schreiber, Kutscher, Köche ihren Unterhalt, bis
auch sie, von kleinauf. zunächst mit crediticrter Ware beginnend, als
Händler ihre mercantile Findigkeit verwerten können.
Eine bunte Menge, auf beiden Ufern dichtgedrängt, folgte neu-
gierig unserer Fahrt. Weiterhin erschienen kleine Ansiedelungen, ab und
zu eine malayische Dorfschaft, dann wurden Pflanzungen von An'owroot
«'Maranta arundinacea), welche das bekannte Nährmehl liefern, sichtbar.
Zwischen diesen Pflanzungen und niedrigem Buschwerke dabinschwim-
mend, legten wir endlich an der Mündung eines schmalen, natürlichen
Seitengrabens an, welcher, in der Art eines Dschungels verwachsen,
mitten durch dichtes Tamarisken- und Myrtengebüsch führte.
Es waren hier, wie mir schien, allzu viele Anstalten in der Absicht
getroffen worden, die Jagd auf die in diesem Graben zahlreich vor-
handenen Krokodile zu begünstigen. Das Gebüsch war gelichtet worden.
damit es uns den Ausblick nicht benehme; den Canal entlang waren,
um das Auswechseln der Krokodile zu verhindern, Verhaue gemacht
und zu denselben aufwärts wie abwärts Wächter postiert.
Gleich bei der Ankunft an dem Canale hatte ich kleine, aus dem
Wasser hervorragende Punkte, die Lichter und die Nasenspitzen einiger
Krokodile wahrgenommen, doch waren diese rasch untergetaucht und
erst einige Zeit später kam ein sehr starkes Exemplar wieder zum
Vorscheine. Ich erlegte das Thier mittels eines Kopfschusses; in den
letzten Zuckungen schlug es mächtig umher, Wasser und Schlamm
weithin emporschleudernd, bis es endlich mehrere Minuten lang ein Rad
schlug, um dann leblos hinzusinken. Nun warfen die eingeborenen Jäger
dem Reptil eine Tauschlinge um den Hals und zogen es an das Land.
Hierauf schritt ich längs des Ufers auf und nieder und entdeckte
bald ein zweites Krokodil, welches sich, durch den von mir abgegebenen
Schuss erschreckt, in den weichen Schlamm so tief eingegraben hatte,
dass ich nur wahrnehmen konnte, wie sich hier das Erdreich abwech-
selnd hob und senkte. Ich schoss auf gut Glück nach der Stelle hin,
an welcher ich das Haupt des Thieres vermuthete und alsbald bewies
eine Schweißspur, sowie das Umberschlagen des aus dem Schlamm
auftauchenden, gezackten Schweifes, dass ich das Krokodil getroffen
hatte. Fortan blieb jedoch alles ruhig, da sich die Reptilien nicht mehr
blicken ließen; sie hatten sich unter Wasser im tiefen Schlamme ver-
krochen und erst, als mehrere Leute mittels langer Bambusstangen auf
das Wasser schlugen und das Erdreich auf dem Grunde des Canals
durchstocherten, kam wieder Leben in den Canal. Die Krokodile nahmen
diese Operationen sehr übel auf und fuhren schnappend und beißend
auf die Stangen los. So oft sich ein Kopf zeigte, gab ich auf die Lichter
oder auf den Halswirbel, die einzig verwundbaren Stellen der Krokodile,
I'cucr und vcrniuchle auf diese Art noch sechs starke Exemplare zu
erlegen, so dass meine Strecke acht Krokodile betrug, deren jedes
über 2 Hl maß.
Die FUrbung der einzelnen Exemplare war sehr verschieden,
sie variierte zwischen schwarz oder grünlichgrau und hellgelb mit
schwarzen Rändern. Welch dicke, undurchdringliche Haut und welch
harte Schädelknochen das Krokodil besitzt, konnte ich an einem Stüclu
beobachten, welches, in einer Entfernung von etwa 25 Schritten auf-
tauchend, nur das Haupt hatte sichtbar werden lassen. Ich schoss mil
meinem Kxpress, Caliber 500, dreimal hintereinander auf die Schädci-
deckc des Thieres zwischen dessen Lichter; allein nach jedem Schusse
tauchte das Krokodil, ohne das geringste Schusszeichen zu geben,
unter, um alsbald an die Oberfläche zurückzukehren; erst der \-iene
Schuss traf knapp oberhalb des Lichtes, worauf das Thier sich über-
schlug und verendete. Nachdem das Krokodil ans Land gezogen worden
war, fand ich bei genauer Untersuchung, dass die drei ersten Kugein
nicht eingedrungen, sondern an der Schädcldecke zwischen den
Lichtem wie von einer Panzerplatte abgeprallt waren, ohne dort, wx)
sie aufgeschlagen hatten, mehr als kaum wahrnehmbare Flecke tu
hinterlassen.
Die erlegten Krokodile wurden in ein Boot verladen, dieses ii-oo
unserer Klotille ins Schlepplau genommen und nun kehrten wir auf
demselben Wege, den wir schon vorher gesteuert, mitten durch il
jetzt hell erleuchtete und sich daher äuUerst malerisch präscnttereoitad
Chinesen-N'iertcl heim, um uns zu dem beim Generalguuvemetir Kn|
siiglen Diner umzukleiden.
Der Oeneralgtjuvcmcur Dr. C. Pj-nncker Hordijk. dessen Kesidci
sich in Ruitenzoix belindel. besitzt in ßatavia, dem Sitze der Re|
ein sch(>nes, ebenerdiges Palais, in welchem er und seine Genwbti
mich erwarteten. In dem großen Speisesaal, der mit den Wappen u
lünblemen der Heimat Reschmückt war. herrschte leider n-ährend d«f]
nun fo^nden Diners drückende Schwüle. Ich saß zwischen der Frau
\t«n Hause und dem ViccadmirsI Jonkheer J. A. Rocll. Dieser, eine
liebenswürdige IVr^mlichkeit. erzählte mir allerlei Interessantes ober
die seil dem Jahre 1873 wfthrenden kri^rerischen Expeditiunen <
Niedeiiilnder gegen das ihrer Macht widerstrebende, immer niNzh a
hftrtingc Ktiich .Mschin i.AIjeh) auf Sumatra. An dem Diner, wöl
v!es-sen eine MUitArkapelle ihre Weisen erklingen liefl. nahmen a
l'iKUQMndaat der rüederlindisch-oättndischen .Armee Gcnerallieutei
-A. K, VV. Gcy van Pittius, der Generalsecretär Sweerts de Landas und
andere Würdenträger, darunter mehrere Mitglieder des Käthes von
Indien (Raad van Indie) theil.
Die Tafel, welche sich durch Fehlen der Toaste und des Cercles
auszeichnete, war bald aufgehoben und so konnte ich in meiner
Wohnung mit unserem Schiffscommandanten noch die Fortsetzung
der Reise besprechen.
Batavia— Buitenzorg. 12. April.
Der Wunsch, das Museum von Batavia und andere Sehenswürdig-
keiten dieser Stadt in Augenschein zu nehmen, hatte mich veranlasst,
die Fahrt nach Buitenzorg, welche dem Programme gemäß schon für
den gestrigen Abend anberaumt gewesen war, auf den Nachmittag des
heutigen Tages zu verschieben, um vorher eine Rundfahrt durch
Batavia und dessen Vorstädte antreten zu können, zu welcher wir
sohim früh morgens aufbrachen.
Die Gründung von Batavia ist auf das Jahr 1614 zurückzuführen.
Zu jener Zeit errichtete der holländische General gouvern cur Pieter Both
auf einem kleinen, auf dem Ostufer des Tji Liwung gelegenen Grund-
stücke, welches er im Jahre 1611 für 3000 holländische Gulden von
dem Häuptling von Dja-Karta, einem Vasallen des Reiches Bantam,
erkauft hatte, eine befestigte Factorci, -Nassau« genannt. Diese Factorei
der Holländisch-ostindischen Compagnie, jener mercantil wie politisch
mächtigen Handelsgesellschaft, welche, 1602 gegründet, nach vielen
Jahrzehnten des Glanzes mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts
erlosch, bildet den Ausgangspunkt Batavias.
Von dem Kasteel beschützt, von ebenso emsigen, als klugen
Bürgern besiedelt, entstand hier unter der Venvaltung fernblickender
Behörden im Laufe weniger Jahrzehnte ein zukunftsreiches städtisches
Gemeinwesen. Seit 1619 offlciell den Namen Batavia führend, hat sich
die Hauptstadt Holländisch-lndiens so rasch entwickelt, dass sie zu
Beginn des 19. Jahrhunderts unbestritten der bedeutendste Hafenpiatz
Südostasiens war. Seit dem Aufschwünge Singapurs hat Batavia in
seiner commerziellen Thätigkeit einen starken Rückschlag erlitten,
doch ist es, dank der reformaturischen Fürsorge der niederländischen
Regierung, auch heute noch unleugbar ein sehr bedeutendes Handels-
centrum für allerlei Colonialproducte. Außer den schon früher erwähnten
27.270 Chinesen zählt Batavia 8613 Europäer, 2622 Araber, 104 andere
Orientalen und 76.246 Eingeborene.
Dlt Hufen TiindjonR Priok weist freilich eine weit geringere Zahl
vi'ii lliimlclsschiffun auf, als andere Emporien des Welthandels; allein
die dichte Hcvölkcrunfi Javan, die intensive Cultur des überaus fruch:-
liarcn, k"slhiire i'ioducte liefernden Bodens, der Ausbau der Verkehr^-
wene. vor iillem aher die tinanzielle Weisheit der Holländer sichern
dieser Mühenden Ackerbaucolonie, der schönsten aller malayischen
Inseln, auch fernerhin volles Gedeihen.
l>or \'crkehr und das städtische Leben in Batavia sind eigenaniß.
In den europäischen Vierteln herrscht nach außenhin eine gewisse
Soninolen/; unlor der schlummernden Oberfläche jedoch bethäti^ sich
.lolhewus-l. zähe und euisip der Xationalcharakter der Niederländer,
lüo Kuriipäer bewohnen die südlichen Vorstädte Noorjwijk und
Kii'-wi.tk, sowie d.is von diesen südöstlich gelegene Weltevreden: Jit
liöheivsi. südlichen Thei'.e der S:aJt sind die gesündesten; die in lier
NälU' der See .co'c.co^x':^ «.'.oschäftsvienel haben von dem feuchten
K'::v,) |!:i;,;\:;i> .i:;: :",c-,s:on r.M ■.oiden. Die Heimstätten der Eur^jpäcr
;ii»i;c- '"icv ,-;;:v;'«ciL> da?; vi^rräjre der Nettigkeit. Reinlichkeit unJ
Wo'.- •" c'Vc : .■w,>c''.c- w :-.".Ci:-r:'=^e- Gi.re:i mit reichem Blumen-
'.'■ ,■■■,:■,•■ -c'.: .Vi c>c-c-cici" H^iUSi-r, weiche vermöge ihrer sozu-
-Aj;v ■ c., v"-^ c": cc - ";%.=..;.■.-: .i;- l.:.': freier, Durchz-Jg gewähren. Auf
.iv^ ,-.-,v i:.-^,. — ;; "-..,> c.-j '..iT--- i.:-: h:;r. ;«-;>;■'-=- ien mit Bildern
.: •,■ "• , ■, c.- - ," V ■ ,-,,- - i.\:^- -"_^^;;- Wir.ien. hslter. auf Ottomane
• ^ ■■ . ■ ,■ , '- - . , ■,-.-. ■ ■ ..-"c-; iir ^c:->er. Ticesstunden die
Der Konings-Plein ist ein ausgedehnter, 4 Im grüßer, viereckiger
Rasenplatz, welchen Tamarindenalleen begrenzen. An den Außenseiten
dieser Alleen sehen wir das neue Palais des Generalgouverneurs, dann
jenes des Residenten, Kirchen, das Museum, die Bahnstation Konings-
Plein und andere öffentliche Gebäude. So schon die Umrahmung des
Platzes auch ist, so wenig bietet der baumlose, mit schlechtem Grase
bewachsene Konings-Plein selbst. In dem angenehmen .Schatten der
Alleen tummelt sich gegen Abend die ganze Gesellschaft Batavias, in den
verschiedenartigsten Equipagen frische Luft schöpfend: auch wimmelt
es hier von Fußgängern, selbst einzelne Reiter wagen sich heivor.
Bei meiner Fahrt durch Weltevreden begegnete ich einrückenden
niederländischen Truppen und zwar einem Bataillon Infanterie und einer
Kscadron Cavallerie. letztere durchwegs mit ganz kleinen, javanischen
Ponies beritten; die Reiter haben eine wenig kleidsame blau-gelbe
Uniform, sitzen mit ungemein kurz geschnallten Bügeln im Sattel und
tragen den Carabiner derart, dass er. am Sattel befestigt, über dem
rechten Schenkel liegt — eine Tragweise, die ich nicht praktisch
finden kann.
Während die von Europäern bewohnten Stadttheile durch verhält-
nismäßige Ruhe ausgezeichnet sind, herrscht um so regeres Treiben
in dem ("hinesen-Viertel. Da wird unablässig gefeilscht und gearbeitet;
kein Garten unierbricht die lange Reihe der Häuser; da hier alles nur auf
das Praktische und auf Gewinn basiert ist, wäre ein Ziergarten über-
flüssiger Luxus. Die bezopften Leute sitzen vor ihren Werkstätten, ent-
wickeln eine beinahe fieberhafte Thätigkeit und tragen, sobald sie
etwas erworben haben, einen Theil des Gewinnes in die Opiumhöhlen
oder Spielhäuser. Meine Rundfahrt brachte mich von den lebenden
Chinesen auch zu den todlen. Die Ruhestätten dieser liegen im Osten
der Stadt, hauptsächlich in den Pagansan und Sentiong benannten
Stadttheilen; daselbst schlafen unter Palmen und Bananen auch die im
vorigen Jahrhunderte dem Hasse der Bevölkerung zum Opfer gefallenen
.Söhne des himmlischen Reiches. Die Gräber springen durch ihre cigen-
thümliche Bauart ins Auge; gar manche derselben sind schon verfallen
und über ihnen wuchern üppige Schlinggewächse oder ziehen sich
Felder und Palmenpllanzungen hin.
In der Nähe dieser Begräbnisstätten findet man neben der alten
Kirche der Altstadt das Haus Pieter Elberfelds, des Verräthers von
Batavia, der im Jahre 1722 hingerichtet worden ist; eine Steinplatte,
oberhalb deren sich ein aus Stein gemeißelter, von einer Lanze durch-
i.|i>'ii<.i l>i.|l<>iilci|'l i'iliflil. IrüKt eine Inschrift mit der [iarste'lü-j
I I liiii iiii'l Hill >t<'ii) lli'lfhif. ilitss an «.licsur Stelle bi!> in die Evsigk:::
|i< iii'lit )i>'1»iiii w>'i.l<<ii >IUi-k>.
til'' \ l'MiiM, Hdilu' \"ii den KinKehiircnen Javas bewohnt werJe-,
uii'ii "In.'M 11'"''''" Kiinni t'in iiiui Irajtcn den Charakter von Dörfery.
iiM it,\i\y tinli'i IVtlnicn und Hananon versteckt erscheinen. Auch die^f
"l«'!!''!!!'»»''!». Uiinii'unK^ «»der Dessus K'-'nannt. tragen den Stemp:;;
I t'J.Mili. hU.'il lind Ni'tliKkoil an sich; ein swi" wohlthuender Unier-
ti.,t vwi-i. li.n ili'ii Mi'liiuiMiniton der Javanen und den schmutzigen,
.|ii..li.n.t.'ii. \.'i\MihiltiNlcn Wohntuiscn der Hindus in Britisch-
li.-ii iM liii'i hrm.'iKt'ar I>ii' cinzolncn Hütten sind zumeist ai:-
nil'nn (i.LiiiKl. d;!-« IViv'h und die Soitenwändc bestehen entwejer
• ll,Mid>iiMl.'. liiw.'ik, \lrt II jrs'-'sS'».' 'locht "Vier einfach aus trockenen
imM.ui.Mi. \\,-l.li,' .imvli ilitv lö-ötV und ihre ziemliche WiderstanJ*-
M..Kvii .1-1 Mii''^ ii:^i ^!'.!l^r,-s R-»u;iialerial ^ilden. Sehr häutig stehen
ttt.M. ■' ,*ii. '■• <i\:: V:;i','\':'- On- ^\lc^o;■, meistens sowohl nach vorrc
, • i, ■• ,-., ^vv .",■■;*■ '■■■■ ^^■■■'■.■^■■,^;:•■'■■:, >c>ch«;;er. kleine CiaHcrien <•■}<::
• !-,,.;:e~ ■>: c-.r^c sehr einfache: Jenr
cv'-v' S*;;t. Ais Ber:>teHcn dieni-r
■ ?v,-j:-: «-o'-iir.. vor. anderen M;.^e!:
V j. i.-::.■^^ C-:-.U:c RiTib-JSSJ^tmt :
im Werte von etwa 10 fl. ö. VV. liefert. Wie mir der Resident versicherte,
benutzen die Leute häufiß zum Sammeln der C'ocosnüsse abgerichtete
Affen, weiche die glatten, hohen Stämme emporklettern und die reifen
Früchte herabwerfen. Will der .'Vffc eine noch unreife Frucht pflücken,
so erhält er mittels einer Schnur einen Huck, worauf er alsbald davon
ablässl und eine reife Frucht auswählt. Ein zu solchem Dienste gut
abgerichteter .Affe soll für seinen Eigenthümer eine große Einnahms-
quelle bilden, da dieser das Thier vielfach an Besitzer von Cocos-
palmenplantagen vermietet.
Nebst der Reinlichkeit berührt den von Britisch-Indien kommen-
den Reisenden auf Java noch ein zweites Moment aufs angenehrtislc
— die große Ruhe, mit welcher die Malayen alles vollbringen, so
dass man wohl öfters an einem von Bäumen umhüllten Kampong
vorüberschrei len würde, ohne seiner Existenz gewahr zu werden, wäre
das Auge nicht, welches die Hütten zwischen dem Baumgrün hervor-
lugen sieht. Das Ohr, zumal wenn es von dem Lande der Hindus
her durch deren ohrenzerreißenden, betäubenden Lärm, ihr eigenthüm-
liches Geschrei und Geheul einigermaßen an Empfindlichkeit für
Geräusche verloren hat. vermag selbst in der Nähe der Kampongs
nichts Auffallendes wahrzunehmen.
Von dem malayischen Viertel, wo die Natürlichkeit noch ziemlich
ungetrübt waltet, thaten wir, bildlich gesprochen, einen gewaltigen
Sprung, indem wir den Platz besahen, auf welchem im Herbste 1893
eine Weltausstellung en miniature ihre Schätze ausbreiten soll. So
hat denn das Expositionsfieber auch die ruhigen Bewohner Javas
ergriffen! Nicht ohne Slo!z wies der Resident auf die allerdings noch
im Anfangsstadium begriffenen Vorbereitungen hin; einige Gerüste
ließen einstweilen die künftige Pracht noch nicht ahnen. Immerhin ist
der gewaltige Gegensatz fühlbar: dort im Kampong Volkslehen, das
Jahrtausende lang in gleichförmiger Weise zum Ausdrucke kommt; hier
Zurüstungen für die Verwirklichung einer jener Ideen, in welchen das
Culturleben der Völker in der allermodernsten Fassung zur Darstellung
gelangt!
In der Folge halte ich auch Gelegenheit, die javanischen Ponies
zu beobachten, kleine, höchstens 12 Faust hohe Thiere, welche die
unschönen, landesüblichen Wagen im schärfsten Trabe durch die
Straßen ziehen. Diese Ponies stammen zumeist von den Sunda-Inseln
Sumbawa und Sumba fSandelhout) her. Nebst den Producten der
einheimischen Pferdezucht, unter welchen insbesondere jene der
5;i,;-::i_r:i ■.inrerz-r-^er.e 4[u~e'^T' si
■:r ieTi zroden '.
Ti-en.
«•:iw:-
'.'■■TZ i.]^r..t. '..~'<- idv..- is: i:= rrurririTJ.tisr're Sarnmiurrg är.^d
!:■: -:■.-:.. M^'-rr..'.: ^u- A-ir Hsrrsr LOnJe— er.eiilt. u-r^r a:
-i-j:'- :;-= I ■!=;:;■-■■■- Pdr'i-iiluEii^i-eri ur.dMünzer. '"~tarri;>
vVi:--^?^: i:: -.virr/'/l-iti Münze h=:T'.j.:Iicr:er. L'^rrurTyre* u-i:
'•i'iV;.T::;ri-Ij-j. ■.".:- -iU~ -=rr Jahrd t:*;^5 ?<;tn.
[j:- -:;rT ur-?,;r.;:c:i«-!,:i ar--hü-.->i'.>!2i:'N:?:= Sa-nmtung ■>: ■
n-j-i.-r.T Z--:' cr.>:ir.d,'r. Ja T:..ir :r irüheren Jahren in Java
Ir.-.;-;^-; VjT A!:ir.:-;ii;T!er jr Jsr: Ta^ :?ele!it hat Einzeir^i ij
h-x'j':-. -■s^. -.r. ^.■'■■:'r.-'. ■.■;rdi<;r.<t:-''\'.-ir \\'i\-i<i der Erforschung de;
I^-.-'-<-T-.i!,-r d--r [-r~v' ^u^i-uard:. vv- .bei festiiesietlt w-urde. d^
>::'. i,-r ;.i a.-ii-wT.-r T j:T'.rü:':?aL;:ec. unbeachtet einiger AbvA'eicn
l'ii'f-.i": a:: jjr..-:-; \"'TJ jdrJi'j::- i;r;nnert. Diese Enjcheinunj rirc
na:L.r::.::; KrUr-^n^; d.irin. das- -n früheren Zeiten der Brahnra'
Darstellungen, so snkhe Schiwas, der Dreieinigkeit Brahma, Wischnu
und Schiwa, des heiligen Stieres Nandi. jene der Göttinnen Lakschmi
und Kali sowie des Elephantengottes Ganescha in allen möglichen
Stellungen; ferner waren mehrere Lingams, Urnen der verschiedensten
Grijfien, Säulenpiedestale u. a. m. zu sehen.
Eine Sammlung aufgefundener oder ausgegrabener Metallgegen-
stände ist sehr bemerkenswert; auch hier begegneten wir den ver-
schiedenen Gottheiten der brahmanischen Theogonie, in Bronze, Silber
oder Gold gestaltet, — einzelne dieser Nachbildungen zeigen künst-
lerische Vollendung — femer mannigfaltigen Tempelgeräthschaften,
besonders Glocken, Gongs. Opferkesseln, sowie Lämpchen und Schmuck-
gegenständen.
Den Hauptanziehungspunkt und zugleich den wertvollsten Theil
des Museums bildet die in langen, großen Sälen untergebrachte ethno-
graphische Sammlung, welche nicht allein Java, sondern auch die
ganze Inselwelt des asiatischen und des australischen Archipels umfasst
und sich durch ihre ungewöhnliche Reichhaltigkeit auszeichnet. Die
genauere Besichtigung all der Objecte, welche die verschiedenen Cultur-
stufen der malayischen Volker, von den Kannibalen angefangen bis
hinauf zu den schon ziemlich hoch entwickelten Javanen. darstellen,
würde Tage, ja Wochen in Anspruch nehmen.
Da sieht man zunächst Modelle verschiedener Behausungen,
höhlenartiger Bambushütten von Borneo und schön geflochtener Häuser
von Java, femer alle Geräth Schäften, deren sich die verschiedenen
V'ölkerstämme bei der Jagd und der Fischerei bedienen. Eine Unzahl
der merkwürdigsten Waffen ist an den Wänden angebracht. Nicht bei
allen Völkerstämmen, deren Erzeugnisse hier für oder gegen sie
sprechen, ist die Steinzeit schon durch die Eisenzeit verdrängt; daher
sind denn vielfach Speer- und Lanzenspitzen, sowie Beile noch aus
sehr hartem Gestein oder aus Holz angefertigt; manche der Waffen sind
mit schnellwirkenden Giften imprägniert. Aus dem Lande der Dajaks
auf Biirneo stammen Blasrohre mit vergifteten Pfeilen.
Mit großem Fleiße sind alle Arten von Kleidungsstücken, deren
sich die Inselvölker bedienen, zusammengetragen. Die Schaustellung
der Garderobe mancher dieser Inselstämme hat wenig Mühe und
Schwierigkeit verursacht; die Tracht ist mitunter sehr nothdürftig und
von unseren Stammeltern im Paradiese ziemlich getreu überkommen.
Hingegen finden sich aus Java Tanzcostüme, Brautkleider und Proben
von Kain.s, gewebten Kleidern, die einen ziemlich bedeutenden Wert
repräsentieren. Danehen stehen Pajungs (Dislinctionsschirme) unj in
großer Zahl Masken zu dem Topeng- Tanze, sowie Wajang- Figuren unO
Musikinstrumente der abenteuerlichsten Formen für den Gamelang. JajJ
javanische Orchester, hierunter riesige Gongs, cymbalähn liehe Instru-
mente und ein höchst eigenthümlich gestaltetes Instrument. Anklong
genannt, bestehend aus gestimmten Bambusrohren . welche durch
Schütteln zum Tönen gebracht werden.
Der originellste Theil der hier aufgestapelten Schätze besteht in
der groJ3en Menge von Fetischen und Götzen, sowie von Schmuck-
gegenständen der Kannibalen, vor allem der Papuas, der Dajaks,un>J
der Battas. Diese Fetische und Götzen stellen sich als sehr realislbcli
aufgefasste, scheuüliche Fratzen dar; einige sind bemalt und mit Haaren
geschmückt oder mit Muscheln ausgelegt.
Die Schmucksachen sind in phantastischer Weise aus Vogel-
fedem, Muscheln und Knochen oder Zähnen von Thieren, mitunttf
aber auch aus Überresten menschlicher Körper hergestellt; so sah mm
hier Schädel, einzelne Knochen oder Haarbüschel, ähnlich den Indianer-
Scalps, und als Halszierat Colliers aus aufgefädelten Zahnen von
Menschen. Das Material, wenn ich mich so ausdrücken darf, zur Her-
stellung all dieser Schmucksachen liefern den Kannibalen die Leich-
name der von ihnen erschlagenen Feinde. Herrscht ja doch auf Bomeo,
Sumatra u. s. w. die greuliche Sitte, dass ein Jüngling von den Ältesten
des Stammes erst dann für mannbar erklärt wird, sobald er uine geH-i?.sc
Anzahl Schädel erschlagener Menschen vorzuweisen vermag ^ eine
Anforderung, welche an die Jünglinge auch bei der Wahl einer BrauL
bei gewissen Festen und bei dem Tode eines Häuptlings geslelll wird
Die Roheit, welche in dieser unser Gefühl auf das tiefste verletzenJcn
Sitte zum Ausdrucke gelangt, lässt darauf schlieflen, dass bei derartigen
Kopfjagden .Schädel wohl nicht nur im Kampfe, sondern auch durch
Meuchelmord erbeutet werden.
Hin besonderer Raum, die Goldkammer, welche durch Panücr-
platten gegen etwaige Einbrüche gesichert ist, birgt die wertvollsten
Gegenstände; so mit Gold und Silber eingelegte Wnflen und Schmueh-
gegenstände, die Reichskleinodien aus dem Nachlasse des Sultannls
Bandjermasing und kostbare Objecte holländischer Provenienz, die noch
aus der Zeit der Ostindischen Compagnie datieren.
Mehrere Stunden hatte ich der Besichtigung des Museums
gewidmet und besorgte sodann bis zur Abfahrt nach Buitenzorg. Jie
um 4 Uhr nachmittags erfolgte, noch einige Bestellungen und Einkäufe.
Der Weg von Batavia nach Buitenzorg. den wir in anderthalb-
stündiger Fahrt zurücklegten, führt zumeist durch cultiviertes Land,
insbesondere durch Reisfelder, Er bietet landschaftliche Reize in Fülle,
da er unausgesetzt schöne Ausblicke auf den Nordabhang des den
Hintergrund dieser Stadt bildenden Gebirges und auf das tropische
V'egetalionsbild des Vorlandes gewährt.
In Biütenzorg, das wesentlich höher gelegen ist als Batavia,
wehte uns angenehme, durch eines der täglichen Gewitter abgekühlte
Luft entgegen. Das Sanssouci von Batavia — Buitenzorg bedeutet
-AulJer Sorge- — ist die Gesundheitsstation der javanischen Haupt-
stadt und die Lieblingsvilleggiatiir der reicheren Stände Batavias. Der
erste Eindruck, den wir hievon empfiengen, war ein äußerst angenehmer,
und wir begriffen sehr wohl, wie reizend ein längeres Verweilen in
der lieblichen, am Fuße des Gebirges gelegenen, von immergrüner,
üppiger Vegetation umgebenen Niederlassung sein müsse.
Wie in Batavia finden wir auch hier ein europäisches \'illen-
viertel sowie malayische und chinesische Kampongs, nur mit dem
Unterschiede, dass die Europäer hier noch mehr als dort den Ton
angeben. Auch hier dieselbe Reinlichkeit und Nettigkeit, derselbe
gemüthliche Ton. dieselben Sitten und Gewohnheiten. Ich kam gegen
Abend an. als die Bewohner Buitenzorgs eben bei den Klängen einer
Militärkapelle unter den großen Bäumen der Hauptstraße lustwandelten,
und hatte hier Gelegenheit, viele audallend hübsche Holländerinnen zu
bewundern. Eurasier, das sind Mischlinge von Europäern und Ein-
geborenen, die sich europäisch kleiden, deren Gesichtsfarbe und Typus
aber doch immer vorwiegend malayische Merkmale zeigen, waren in
großer Zihl zu sehen.
Das Leben und Treiben in den Straßen Buitenzorgs ist des
Morgens und am .Abend ein sehr buntes, da die Stadt an der Haupt-
straße nach den Preanger Landschaften liegt. Neben schweren, mit
Ochsen bespannten Karren, sind es leichtere, von kleinen, schnellen
l'onies gezogene Gefährte, die den Wagenverkehr vermitteln; ganze
Karawanen halbnackter Kulis, welche auf ihren Schultern Producte des
Landes tragen, ziehen einher; da sieht man Kulis, die mit Keishalmen,
mit Paketen von Palmen;!ucker, mit anderen Lebensmitteln oder mit
frischem Grase für Viehfutter schwer beladen sind. Alles das ist
ungemein geschickt und sauber verpackt. Die Verpackung, mag sie
in der Form von Stäben, Fasern oder Körben erscheinen, ist unab-
änderlich aus Bambus hergestellt; denn diese Pflanze spielt auf Java
Der Handlung dieser Lelakons liegt beinahe immer dasselbe, den
verschiedenen F'ällen angepasste Thema zugrunde: ein König will die
Hand seiner Tochter einem Prinzen gewähren unter der Bedingung,
dass dieser eine besonders schwierige und kühne That vollbringe; diese
|[^elingt dem Prinzen nicht; nun unternimmt sie ein aus einer feindlichen
Dynastie stammender kühner und glücklicher Rivale; inzwischen wird
die Prinzessin v-on einem Riesen geraubt, aber alsogleich von dem
Rivalen wieder befreit; der erste Werber fordert sodann den zweiten
zum Zweikampf heraus, unterliegt jedoch, und der glückliche Held
führt, von dem Segen des Vaters begleitet, die Königstochter heim.
Diese romantische Handlung ist je nach den Erfordernissen des
einzelnen Falles variiert und ausgeschmückt. Die Aufführungen ziehen
sich oft durch die halbe Nacht hin; ja im Wajang Wong am Hofe zu
Surakarta (Soerakarta) dauern sie nicht selten mehrere Tage lang.
Der uns zu Ehren aufgeführte, für den Wajang Wong vor etwa
fünf Jahren verfasste Lelakon ist ein offenbar modernisiertes Product,
das nur durch indische Namen an die alten Sagen erinnert. Die Schau-
spieler traten in bunten, phantastischen Costümen mit Masken auf; den
Königen folgten tanzende Sclavinnen. Die Vorstellung muthete uns,
besonders da uns die begleitenden Worte unverständlich waren, recht
komisch, aber ihrer Fremdartigkeit halber auch fesselnd an. In den
Bewegungen und namentlich in den Schritten der Schauspieler war
eine gewisse Anmuth nicht zu verkennen; insbesondere die Tänzerinnen
ersetzten, was ihnen an körperlichen Reizen fehlte, durch (irazie.
Buitcnzorg — Garut, 13. April.
Da der Extrazug, der uns an einige interessante Punkte im Innern
des Landes zu bringen hatte, bereits um halb 7 Uhr früh abgehen sollte,
trat ich schon früh morgens eine Rundfahrt durch Buitenzorg an.
Ivs begann eben erst zu grauen; viele der geflügelten Sänger waren
erwacht und schmetterten ihr Lied in den Wipfeln des botanischen
(iartens. In dem Chinesen-Viertel schickten sich die lleißigen Bewohner
gerade an, ihre tägliche Arbeit zu beginnen. Durch einen prächtigen
Wald, in dem sich zahlreiche Malayen-Ansiedelungen befanden, und
weiterhin durch Reisfelder eilend, betraten wir in einem tief gelegenen
Thale den Badeplatz Sukaradja (Soekaradjaj, der von einer l'nzahl
badender Männlein und Weiblein bevölkert war, welche da ihre
rituellen Waschungen vornahmen.
46r>
hi'- iriinn'iiisfliL'n IliUiser in diesem Thale bilden ein eigener
\'l"(li'l, ilfi'i ^i^■||. wii- (Ins ciiropiusfhe Viertel in Batavia, durch \ettig-
Im-iI, \\''iliiili''likL'il iiml iluTi Schmuck zahlreicher Gärten auszeichnei
V'ni il''i Km'h'IIIi' iitul iluni Obclisktin. der hier einem Gouverneur zu
Khri'pi mim-lzl ist. zifhl sich his zur Huhnstation Buitenzurg eine Alltrc
\>iii m lilmiU itcwiichsoncn, sehr hohen Bäumen — ich schätzte sie auf
miiiil.'.li'H'. I-I »I bis IS»; hin. die, wie ich zu meinem größlen
l'>'ilmini'ii ciiiihr, hintu-n vier Jahren diese Höhe erreicht haben solicn.
Uli" dilrlli'ii wohl >lio schiiclhvCldisitisten Büiime der Welt sein!
ItiiM M'i/io sjoh unser Triiin mich tiamt (Garoet) in Bewegung. Dit
Mr.'iKi' .lifM'i' Huhn lauU von lUiitonzorü ah in südlicher Kichtung unJ
liiH iirt.'hsl diT StiUii'u 'rjitjuruj: i'rjitjoomcg) in das Gebiet der Resideni-
-.1 hiill nI.'i rii'iinKi'r 1 iindsohnricn ein, sich von da gegen Osten wendenJ
I >ii' I ';ihil bN ,u uiisotor Kndstiition f.arui ist ungemein anziehend
Oi.^ 1 ju\.N«h,tll li.uil oiiioii hobUchou «.'haraktor; der Reisende wahnt
I. h 111 iiii.'iu l\uK." mit lr.'iM>v-her Vogolation, von welchem aus sich
1,1 iiyi.' Vu'^Mukv' all! Uoi>rc und Höhenzüge, besonders aber auf die
-.|'ii ,'11 K,'';,-l V i>''„"i- \"iiU'ane ,i;u-bicten. an denen ganz Java so reich i>L
l;i u,'! ,'!h;,'v,-'«tmi:,-;-,';' IViale:-;'! und SchUu-hicn mit fast senkreohi
.iMi.:. •.-■..':■ l :, ■ ;^ ■.i;;v,:io-, V";;>vo o.ier M,.-he. die wir erst entdeckten.
v\, • - w ■ ■•,! ; ,i ■■ l ,■■:,; -.ic .■.'. >;,■".-. -,i;' waren. Der Eisenbahn-DireciiT,
\\. ;>■•,■■ V:,"- >,x'. ;>'--■- s-".^ ■""■■ ■■"•> m\'ork lammend st er Cicerv,>ne aüe
■ . \\ , •■.,"■.,■• V, "v ,;■■-. ->,,•■■ ;. •,- :>-,i:;.' >:c> v.;ch; wenig slolz auf seine
!t. ..>-■• • , , V , ■• - ■•„, u. ■ W •d;:T-:i:er. ^ur^-h das Land ziehL
, ■-, . •. '^.■■.,'-.- •■ , "■■,- ,"i, ,\.-.>.>,-—-. Ä;;f kühnen Brücken über-
mit dem schilfähnüchen Alang-Alang bewachsen sind, welches keine
andere Pflanze aufkommen lässt und so dicht steht, dass es für den
Menschen kaum durchdringbar ist.
Wer anders, denn ein Fachmann, welcher die Flora von Java
erforscht hat, vermöchte die Üppigkeit und Schönheit, die Formenfülle
und die Eigenart der Pflanzenbilder nach Gebür zu schildern, welche
uns die aus dem Ocean emportauchende, durch gleichmäßige Wärme
und durch Regenfall begünstigte Insel in ihrem tropischen Tieflande, in
ihren subtropischen, jungfräulichen Bergwäldern und in den auch mit
zahlreichen europäischen Pflanzenformen bekleideten Höhenregionen
der vulcanischen Gebirgszüge bietet!
Tropisch immergrüner Wald, Palmen, — darunter die Nipapalme
(Nipa fructicans), deren Blätter zur Herstellung von Cigaretten (Rokos)
dienen, während der Saft braunen Zucker und Palmwein liefert —
Bambus, Pandanen schmücken das von Alang-Savannen durchsetzte
Tiefland; eibenfthnüche Nadelhölzer, Eichen- und Teak-Bäume, blüten-
reiche Zingiberaceen, breitblätterige Musaceen, ferner hochstämmige
Karnbäume, bedeckt mit Orchideen und Lycopodien. überwuchert von
Moosen und Famen, füllen die Urwälder und Schluchten der mittleren
Höhen; Schachtelhalme, Brom beerarten, an Cypressen erinnernde Nadel-
hölzer, Sträucher und Kräuter einer gemäüigten Zone steigen bis an
die grünen Abhänge der Krater empor, an deren Rändern eine eigen-
artige Flora gedeiht.
.So bietet schon das autochthone Pflanzenkleid Javas in Tausenden
von Arten, von welchen erst gegen 7001!) botanisch bestimmt sind, eine
Fülle von Gewächsen, welche Nahrungsmittel, Gewürze, Hölzer, Flecht-
material, Arzneimittel, alleriei PVüchte. Säfte und Harze liefern und
iillen Bedürfnissen der Eingeborenen wie der Pflanzer und Kaufleute
zu genügen scheinen. Und dennoch hat der nimmermehr ruhende, weit-
blickende, immer wieder nach Neuerungen strebende Geschäftssinn der
Europäer die javanischen Fluren mit Handelsgewächsen besiedelt, die,
wiewohl Einwanderer, heute mit Fug und Recht in der allerersten Reihe
der pflanzlichen Culturproducte Javas stehen. Afrika hat den Kaffeebaum,
Südasien das Zuckerrohr, den Thce, die Baumwolle, den Zimmt, China
den Reis, Amerika den Cacao, die Cinchona, die Vanille, den Tabak
gesendet -- Pflanzen, welche die wichtigsten Exportartikel Javas liefern.
Auf dem Bahnhofe des Städtchens Tjiandjur (Tjiandjoer), dem
Sitze eines eingeborenen Regenten, envartete mich dieser sowie der
niederländische Resident der Preanger Landschaften, der mich auf der
weiteren Tour begleiten sollte. Eine einheimische MusikkapeHe. nach
Landessitte auf dem Boden kauernd, spielte auf dem Gamelang ilie
Volkshymne, welche in den weichen Accorden der gestimmten t jinbat*
und kesselartiyen Instrumente recht angenehm erklang. Da es rudihar
geworden, dass ich cjrnithoiogische Objecte sammle, brachten die Ein-
geborenen eine große Anzahl lebender V5ge! herbei, deren ich einip:
auswählte.
Nach einem Aufenthalte von zehn Minuten gieng es weiter und
erst in Bandung (Bandoeng) hielt der Zug wieder. Hier, am Sitze der
Hesidentschal't der Preanger Landschaften, wurde mir von dem Resi-
denten ein Frühstück in seinem Palais angeboten, eine Hinladung, dsr
ich gerne Folge leistete. Eine große Menschenmenge, die gröÜtenthciK
aus Eingeborenen, doch auch aus Europäern bestand, halte sich «u(
dem Bahnhofe eingefunden. Ein vierspänniger, schier antediluvianischer
Wagen brachte uns in das Regierungsgebäude, welches, im .Stile aller
javanischen Häuser gehalten, ebenerdig gebaut ist und in einem sauber
gepflegten Garten Hegt.
ÄuUersl drollig nahm sich eine javanische Escorte aus, die vf.r
dem Wagen und hinter demselben einherstürmte. Einheimische Büi-
germeister und Stadträlhe waren es, welche, angethan mit einem Mixtum
compositum von holländischer und einheimischer Kleidung, mit gani
kleinen, javanischen Pontes beritten, uns das Ehrengeleite gaben.- Die
Heiter hatten gelblackierte, breite Hüte; holländische, bluue, mit gol-
denen oder silbernen Tressen gezierte Gehröcke — jenen, welche unsere
Hofkapellensänger tragen, ähnlich und wohl schon manches Jahr im
liesitz ihrer Herren: einen kurzen Sarong: einen krummen PoUzeisähd
en bandouliere und weiße Hosen. Die Reiter waren barfüUig und hielte»
mit der großen Zehe die Steigbügel krampfhaft fest. Das Sattel- und Ricm-
zeug bestand zum Theile nur aus Stricken. Da die kleinen l'nnies sich
oft störrisch zeigten, kam mancher der .Stadiväter in sehr kriltsche
Situationen, die meine Lachmuskeln auf das lebhafteste erregten, dort
genierte oder kränkte das die ehrenwerten Mitglieder des Raiideriui
nicht im geringsten: denn sie selbst brachen in solchen Fallen in hoa^
risches Gelächter aus, so dass die Fahrt unter allgemeiner Heiter
endete.
In den Straßen stunden die Eingeborenen, nicht allein aus i
Stadt, sondern auch aus der L'mgebung, dichtgedrängt und bezeig
bei der .■Xnnäherung des Wagens ihre Ehrfurcht, indem sie sich|
hockende Stellung niederkauerten und den IJlick zu Boden senkten. B
Kingehorcnen sehen bei dieser merkvvürJijjcn, allgL'müin üblichen An
des Gruües jenem, weichem ihr Gruß gilt, nie ins Gesicht; ja manchmal
wenden sie sich von dem Begrüßten sogar ganz ab und hfihergestellte
Javanen, besonders Regenten und Beamte, veiToUstandigen noch den
Gruß, indem sie die Hände oberhalb der Stime zusammenschlagen. Ich
beobachtete häufig, dass javanische Regenten und selbst eingeborene
Fürsten, wenn sie von dem Generalgouverneur oder von einem der
Residenten angesprochen wurden , sich diesem nur in kriechender
Weise näherten und dann vor dem Würdenträger mit gesenkten Blicken
hockend oder knieend verweilten. Da es in den Gegenden, die wir durch-
eilten, bekannt war, dass ich mich des Extrazuges bediene, und da
überdies die Locomotive Fahnenschmuck trug, so kauerte sich auch,
wäiirend der Zug vorbeiflog, die gesammte Landbevölkerung in den
Feldern oder bei den Ortschaften wie auf Commando nieder, was einen
äußerst befremdlichen Eindruck machte.
Zwischen Bandung und Garut, welch letzterem wir uns nun
näherten, bot die Eisenbahnfahrt einen besonderen Reiz durch den Aus-
blick auf das Thal von Garut. Der Zug war noch höher zum Gebirge
emporgeklettert, bis wir nach Passierung einiger hoher Brücken und
V'iaducte. aus einer Biegung der Strecke hervorsausend, plötzlich das
üppige, wasserreiche, von mächtigen Bergspitzen und Vulcankegein
umschlossene Thal von Garut erblickten. Allüberall schlängelten sich,
im Scheine der Abendsonne glänzend, Flüsse und Bäche gleich silbernen
Fäden durch das herrliche Grün. Dieses, wie ganz Java, von reichen
Wasseradern getränkte Thal bot ein entzückendes Landschaftsbild dar.
In Garut war der Empfang ähnlich gestaltet, wie in Bandung:
der antediluvianische Wagen mit dem dunkelfarbigen, in rothem,
betresstem Rock imd in lackiertem Cylinder prangenden Kutscher, der
mich unwillkürlich an einen Acteur aus der Affenkomödie erinnerte;
das Banderium, die Menschenmenge und — selbst hier ein Schneil-
photographl
ich stieg in einem sehr reinlichen und bequem eingerichteten,
aus mehreren Pavillons bestehenden Hotel ab, welches inmitten eines
Gartens gelegen war, in dessen Büschen und Bäumen morgens und
abends zahlreiche Singvögel lustig concertierten.
Nachdem ich noch ein wenig in dem Städtchen auf- und nieder-
gegangen war und eine Menge fliegender Hunde beobachtet hatte, die
alle in der gleichen Richtung ihren Schlafslätten zueilten, wurde gespeist.
Dann gab es im Hause des Regenten abermals einen Wajang.
■ K;- ;■:-::-. Ur-.r: W_-s~--i ^-^ B^'i-r/i s;
^■ir.z .'.i.a '^iIÖLjr j;«;s;r an iinüm larrir'.'r "n" cs;
V. j.i- ■ ■.r".\:h:-"'i:c\-.^Zd A::2aii:her! ^ür U'^ir^t ü>
r- .4.,-a:i:i ji: ■'.uci'.. ja lucri ich wur^ie -'.xdr.i üiTi:
aufzulachen. Der Negent, ein ziemlich bejahrter Mann, hatte um seine
Staats uniform ein langes, himmelblaues Band geschlungen, dessen
Enden er graziös in den Händen hielt. Er erschien in Begleitung einer
jungen, seinem Hofstaat angehörenden Malayin, deren eigentüche
sociale Stellung ich aber nicht zu ergründen vermochte. Dieses Hof-
fräulein hatte eine dem heißen Klima entsprechend luftige Kleidung
angelegt und begann den Tanz, indem sie zunächst die Strophen
eines Liedes im gewagtesten Discant sang und sich dann rhythmisch
um ihre eigene Achse drehte. Nun entwickelte auch der Regent mit
züchtig gesenkten .Autien seine choreographische Thätigkeit, indem
er sich in den drolligsten Wendungen um seine Partnerin drehte und
einen Grotesktanz aufführte, der die Mitte hielt zwischen dem Pas
einer Prima Hallerina und dem Benehmen des Birkhahnes, wenn er
sich in voller Balz befindet. So oft sich der Tänzer seiner Dame mit
zierlichen Sprüngen näherte, markierte dieselbe ein fluchtartiges Ent-
rinnen, so dass aus dem Tanz eigentlich ein getanztes »Fangspiel-
vvurde, das an Komik und Originalität nichts zu wünschen übrig ließ.
Als endlich die Kräfte des alten Herrn zu versagen anfiengen, kam
ein Unterbeamter in feierlichem Schritte herangehüpft und credenzte
dem müden Künstler perlenden (.'hampagner. Der Regent umtanzte noch
eine Weile hindurch den schäumenden Becher und ergriff ihn schließ-
lich, um ihn mit sichtlichem Behagen zu leeren, während das Hoffräulein,
das leer ausgegangen war, sich mit einem Zipfel ihres ätherischen
Gewandes den Schweiß auf der Stirne trocknete.
Nach diesem köstlichen Feste kehrte ich in mein Hotel zurück.
Zwischen den Palmen des Gartens schwirrten Hunderte von Leucht-
käfern durch die laue Tropennacht.
Garut, 14. April.
In Java, dem typischen Vulcanlande reisend, konnte ich dem Reiz,
einen noch thätigen Vulcan zu besteigen, umsoweniger widerstehen,
als der bekannte Papandajan, einer der Gipfel des südöstlichen Hoch-
gebirges der Preanger Landschaften, von Garut aus leicht zu erreichen
ist. So brachen wir denn mit dem Frühesten auf und gelangten in etwa
dreistündiger Fahrt zu dem KuUe des Papandajan. Der Weg dahin ist ein
schwieriger; er ist ungemein steil, führt unausgesetzt bergauf, bergab,
worin er allen Straßen Javas gleicht. Diese sind zwar an und für
sich sehr gut, haben einen festen Unterbau, gute Einrichtungen für
die Ableitung des Wassers, feste Brücken und ähnliches; die Art ihrer
471
l-nliriirit; i^t juilouli eine recht primitive, weil meist die linca re^ta
llluT lliTK ii'ul l'lii'l Kt^"''''i" ^^irJ und Serpentinen sowie ähnliche («h-
nj'ii'hi- AnliiKcn zur fberwindunj; von Höhen den Erbauern der Straßer
IdVif' iinlK'knnntc i'tlcr vtin ihnen wenigstens nicht angewandte Hill>-
nitll<'l MMd,
l 'iiscrcni WiiKcn waren vier javanische Ponies vorgespannt, die ein
iH'n'ndi'M 'IVnipo «icnHen, Sie wurden von dem Kutscher und außerdem
nml» viin zwei mit lannen IVitschen bewehrten Burschen angetrieben.
wcK'hi' nul di-r Ilinlenichse des Wagens standen und von Zeit zu Zü'a
iih'.pr(umen. iini vurzulautcn imd die Pferde aufs neue anzufeuern.
All»' Stt'iKunj;i'ii wurden in voller (arriere genomnien; die drei I,eiik'
hieben vereint auf den X'icrcrzuj; ein, und im Nu war die Höhe erreicht;
nlu••^len iovloi'li SteiKHHKen (jenomnien werden, die gar zu bedeutend
wiuvn iider 7U lunjie wiihrton. so spannte man vor den Wagen noch
?\\oi vtarko IliltVol. so dass wir mit einem Sechserzuge fuhren. Da
\\'.iH''iibremNe oder Kadschuh hier unbekannte Dinge sind, wissen
••iili die .la\ iuien bei Kahrten im Bergland auf ganz primitive Art r.u
Ivlii'lleti, um an Med borgalMiihrenden Stellen des Weges das allzu-
Li-iOhe AbiMllon des Wagens ?» verhindern. In solchen Fällen werden
an d.-m Wa.nen Stnoke befestigt, an welche >ich etwa zwanzig Kuli^
Iiai^j;.-!!, d.ivii \u!j:abe es ;n;n i>t, durch ihr Körpergewicht das Rollen
i!.-«- ;vi);;ib o^K'tid--;'; <"<,-'ah;';c> ru \erl,^n>rsamen.
\\:\ d.-; .i^.i-'vo:" l"o;;r '■■.::"'. Paraiid-ijan befanden wir uns unter
,1,-iv V'-;:; 0 v.';-^ Ivoo;:,', :■ Oi;-.e-. Wedaras iider Demangs iDistrict?-
i r%Mv' :,M p „:-,\^ l'»is-;; !-;;,;i;-::;:-i.c, i'r;s\%->rsiändei neb^t einer Anzahl
>.■• IV- „ ..-..■• -..".•. ,■•.•,•.■■,■- Vi ^^:■c>^^^T-.or: Einwohnern miiriiten. Diese
l."v,-.s:-:, • >,•„-, \s. ..s. .■■-. •■•■cl- k,.T,:scherc Rilöer als die Reiier-
nllnemejncn schlank und wolilsebaut, vnn kleiner Statur, mit liüll-
brauner, bronzearti^jer Hautfarbe; der Bartwuchs ist sehr spärlich;
das lange Haupthaar wird in einem verschlungenen, das Hinterhaupt
bedeckenden Knoten getragen. Die Weiber, bedeutend kleiner als die
Männer, erfreuen sich ebenfalls wohlproportionierten Kfirperwuchses.
Die Kieidung ist eine sehr einfache; die Männer tragen zumeist
eine bis zur Hüfte hinabreichende Jacke (Badju) aus Kattun und eine
Art Frauenrock, Bebed genannt, auf dem Kopf ein turbanartig geknüpftes
Tuch, dessen Knden bei den Westjavanen vom Haupte abstehend
getragen werden; die Frauen tragen den Sarong (Kain), der um die
Taille festgeschlungen wird, dann ein Brusttuch, welches, etwa in der
Art des schottischen Plaids geknüpft, den Oberleib bedeckt, und darüber
eine Jacke (Kabaya) aus Kattun. Die Kulis sind oft nur mit einem
Lendentuche bekleidet, während die Kinder zumeist völlig unbekleidet
umhergehen.
Von Schmucksachen sieht man im Volke nur wenig; dagegen
prangt im Gürtel jedes Mannes die Liehlingswaffe, der Kriss oder
Duwong, ein dolchartiges, scharf geschliffenes Messer, dessen Scheide
je nach den Vermögen sverhällnissen des Besitzers mehr oder weniger
reich geschmückt ist.
Der arme Javane lebt meist nur mit einer einzigen Frau bei-
sammen; der Reiche jedoch richtet seinen Hausstand, den Satzungen
des Islams gemäU, polygamisch ein. In allen Fällen nehmen die Frauen.
auf deren Schultern die Hauptlast der Arbeit ruht, eine vollkommen
untergeordnete Stellung ein. Eigenthümlich ist die Art. in welcher
die javanische Mutter ihren Säugling trägt; dieser sitzt, in ein Tuch
eingeschlagen, oberhalb der Hüfte seiner Trägerin.
Der Gesammteindruck, den ich von den Javancn emplieng, war
ein recht günstiger. Zu diesem Urtheile veranlassten mich insbeson-
dere zwei Momente: die wohlthuende Reinlichkeit der Behausungen
der Javanen, sow'ie deren respectvolle und zugleich freundliche .-\rt,
den Fremden zu begegnen.
Am Fuße des Vulcans harrten unser nächst dem Haus eines
Kegierungsbeamten Reitponies, welche uns nach einer kurzen Rast
den steilen Pfad emportragen sollten.
Auf dem freien Platze vor dem Hegierungshause waren mehrere
Gamelangs postiert, die durch ihr Zusammenspiel einen betäubenden
l.ärm verursachten. Hier konnte ich die verschiedenen histrumente. deren
Stich die javanischen Musiker bedienen, genau besichtigen; vor allem den
mil zwei Mctallsailen bezogenen Rebah, eine Art schmaler \"ioline mit
gekrümmtem Sireichstocke; dann den Gendeer, einen Complex auh^chl
stehender Bambusrohre, die mit kleinen Hämmerchen geschlagen werd«!
und entsprechend ihrer verschiedenen Gröüe auch in verschiedene
Tönen erklingen: ferners den Gambang kaju, ein Instrument, welches.
unserem Xylophon ähnlich, aus einer Kiste besteht, auf welcher Hwli-
oder Metallplatten liegen, die mit hölzernen Klöppeln geschlagen werden:
diu verschiedenartigen B()nongs, Metallbccken, die zwischen ßambui-
lullen hängen, sowie große Ciongs, Pauken und trommclartige Instni-
mente, welche den Gamelang completieren.
Kndlich war alles besehen; wir .saQen auf und nun gieng e$.
anfangs im Trab, dem Gipfel des Papandajan zu. Der Weg zog sich durch
Gärten, Kaffee- und Cinchona-Plantagen; dann kamen wir auf freie, mit
.Mang bewachsene Stellen und endlich in noch jungfräulichen Urwali
der uns fast bis zu dem Krater hin begleitete. Der Ritt inmitten ia
tropischen, üppig schönen Waldes, den unzählige klare [iSchc und
Quellen durchrauschten, war herrlich. Der Pfad stieg aihnähiich immer
>chArrer an und war im Dunkel des Waldes so glatt, dass unsere
kleinen Pferde nur mit der größten Anstrengung weitcrklettem konnten
Auf 1 km vom Krater ändert sich der Charakter der Landschaft,
die gr\>Den ß&ume, die Baumfame und Palmen treten zurück uni
machen strauchartigem Myrtengebösch Platz. Längs des Weges findet
ninn bereits Lava und Schwcfelstücke; die aus dem Boden brechenden
Quollen sin«! hetH und stark eisen- oder schwefelhaltig; die Atmosphäre
läKNt bereit!' die Nähe des Kraters ahnen. Bei einer Biegung des Pfadi»
h^it wie mil einem Schlage alle Vegetation auf; wir befinden uns in
üii\cin Stctntnccre; u'eiScs, von Schwcfctadern durchzogenes Gestein
ttmgibl uns t^Vn.tfle, nadctc Fdsblöcke liegen witd durcheinander; nackl
>Chimi«ert auch das Gestein der beiden diese Wüste begrenzenden
Mwruwftnde; kein Vi>}^ kein Schmelterting, kein Insect; alles ist tndl
tllKl oiitl<^^^. In einiger Entfernung sieht man bereits die nebelarttgcn
I Mimcte des Krater» emporstogca, wir sind an der Stelle, wo die IdzU
l'i-uplion l\tr ewige Zeiten «n kaUes Trütiuncrfeld geschafTen und m
\WA\i*U\%M\<*te ^uren IwntwUsscn hat.
Kfnot mute <Acr Vulcan IHipan>Siv'ut (ns zu der Hi'Vhe von nahezu
ihUWiM a\i\\ vhv*» «rii.ite'*^ %v» etwa 50 Jahren ein außergewöhnlich
\\%\y, ■ \. • * x^MgK ^esMQ der Bas eine gewaltige Stetnmasse
\ . . :> J»e t^Ocr saskAc so dass der eigentliche Krater
\vi 1 ^ . M> iMter den Meere Bi«L
4;«
Noch gab es ein sehr steiles Stück zu überwinden; unserü Pl'eriie
kletterten wie üiegen über das Gestein, dann standen wir am Rande des
Kraters, Der Papandajan ist einer der wenigen Vulcane, deren Krater
bestiegen werden kann, und gestattet sonach aus nächster Nähe einen
Einblick in das VVahen unterirdischer Kräfte.
Der Krater hat die Form eines Kegels, der über und über mit
verbranntem, bimsstein artigem Gesteine, sowie mit gelbieuchtenden
Sohwefelkrystallen und Schwefelstücken absonderlichster Form bedeckt
ist. Diese Schwefelproducte entstehen aus dem Niederschlage der allmäh-
lich sich abkühlenden Dämpfe, welche übelriechend und die Atmo-
sphäre mit Stickluft füllend, unter zischendem Brausen aus zahlreichen
kleinen Öffnungen dringen. Auch kochendes Wasser stößt der Vulcan
aus und vielen Löchern und Rissen entquellen heil3e Sprudel. Wir
stachen mittels Stangen, die wir mitführten, in diese Öffnungen, und
warfen in dieselben Steine, die alsbald in heifJcm Zustande wieder aus-
geworfen wurden; auch versuchten wir an mehreren Stellen den Boden
aufzugraben; kaum waren wir einige Centimeter tief eingedrungen, so
spritzte schon kochendes Wasser hervor oder flogen, von Schwefel-
gasen getrieben, unter pfeifendem Gesurre Steinstücke empor. Der Kegel
des Kraters ist durchwegs hohl; überall tönt und haltt es; an manchen
Stellen ist es sogar gefährlich zu gehen, da die brüchige Rinde sich nur
allzuleicht spaltet und einstürzt. Erst vor kurzem war ein Malaye in
einer solchen Spalte versunken und auf Nimmerwiedersehen ver-
schwunden. Das Brausen, Zischen und Sausen, die stechenden und
brennenden Dämpfe betäubten uns fast, so dass wir erst viele Hundert
Schritte vom Krater entfernt wieder frisch aufathmeten; leider machten
wir zugleich die unangenehme Bemerkung, dass alle aus Gold beste-
henden Gegenstände, die wir bei uns trugen, schwarz geworden waren,
Noch im Bereiche des Kraters hatte die Regierung aus Anlass
meines bevorstehenden Besuches eine groLJe Bambushütte erbauen
lassen, in der uns ein opulentes Frühstück ser\-iert wurde; doch muss
ich gestehen, dass mir andere Gastmahle schon besser gemundet haben.
da in dieser Atmosphäre alle Gerichte mit Ingredienzien der Hexen-
küche versetzt zu sein schienen. Auch Musik gab es hier oben;
unablässig ertönten, während wir auf dem Gipfel des Vulcans weilten,
die monotonen Klänge der einheimischen Bambusinstrumente.
Nachdem ich noch einige Gesteinsproben aufgelesen, verließ ich
nach allzu kurzem Aufenthalle den Gipfel des merkwürdigen Vulcans,
der uns grollend einen letzten Grufl nachsandte.
,\n der Stellt:. W'm die WaKen bereit standen, veranstalteten dir
KinKcborcnen einen Widderkampf, welcher von den Thieren mit grüßier
KrhitturunK K^^führt wurde. Dieses Schauspiel unterschied sich v>r
ähnlichen, die wir in Indien gesehen hatten, dadurch, dass die Leuic
hier die Widder auskämpfen ließen, bis der eine der beiden Streiter Jen
Kampf aufgab und als geschlaf^en den Platz räumte-
Ijer Kefcenl, der von meiner Sammetpassion gehört hatte, wars.-
freundlich, nach unserer Rückkehr auf dem Platze vor seinem Palais
in flanit eine förmliche ethnographische Ausstellung zu arrangierea
aus welcher ich die für meine Zwecke passenden Gegenstände wählcfi
konnte, \)a gab es allerlei f'reräthschaften, deren sich die Eingeborenen
bei Bebauung des Bodens sowie in ihren Wohnungen bedienen: ferner-
Werkzeuge für Handwerker, als Schmiede, Töpfer u. dgl.; einzelne
Musikinstrumente und vollständige Gamelangs; Waffen, zumeist Pfeile
Bogen und Krisse.
Abends genossen wir abermals die Aufführung eines Wajangs iinJ
zwar diesmal eines Wajangs Kulit, bei dem aus 1-eder geschnittenL-
und bunt bemalte Marionetten als Schattenfiguren hinter einer weißen
Papierwand bewegt wurden. Wie bei anderen Wajangs erklang Mu^ik
und ertönte aus dem Hintergrund eine näselnde, die Handlung erläu-
ternde Stimme, welche eher eine einschläfernde Wirkung hervorbringt,
.Am Schlüsse der \'orstellung erfreute uns das holde Paar, der
Regent mit seinem Htiffrüulein, abermals durch einen Tanz. Dieser
wurde, offenbar im Hinblick auf die Erfolge der Tänzer am verflossenen
.•\bendc. noch weit feuriger executiert und endete mit einer gesteigerten
Nuance, indem diesmal nicht bloü ein Ganymed erschien, sondern eine
fanden wir stark cnupiciles Terrain, so duss abermals Kulis die Wagen
an steilen Stellen schieben oder hemmen mussten. um unseren so wacker
galoppierenden Pferdchen das Ziehen der Gefahrte zu erleichtern. In
einem ziemlich tief eingeschnittenen Thal angelangt, bemerkte ich mit
Kr^taLme^ viele Hunderte von Menschen, die sämmtlich mit Kind und
Kegel herbeigekommen waren und in malerischer Gruppierung alle
umliegenden Hohen besetzt hatten, um dem Schauspiel einer filrsl-
lichen Jagd beizuwohnen.
Alles war im Festgewande, den landesüblichen Hut auf dem
Haupte, erschienen; schlaue Händler hatten hier rasch einen ganzen
Bazar aufgeschlagen, in welchem sie dem Volke Esswaren und Erfri-
schungen feilbolen. Auf der einen Lehne des Thaies war aus Bambus ein
Haus errichtet, welches mit Fahnen in unseren und den niederländi-
schen Farben, sowie mit Blumen und Cuirlanden reich geschmückt war.
Auf der im ersten Stockwerke gelegenen Estrade sollte ich in einem
mit grünem Sammet ausgeschlagenen Fauteuil Platz nehmen und von
hier aus meine Geschosse auf die Schweine schleudern, als sei ich
ein altrömischer Imperator, den die Lust angewandelt, auch einmal und
zwar in allerbequemster Weise zu jagen. Den Eindruck, dass es sich
hier um ein cäsarisches Jagdfest handle, verstärkte die Ausschmückung
der Zufahrtsstraße zu dem Hause; denn diese war als Via triumphalis
mit Ehrenpforten, Flaggenstangen und BUimengruppen auf das präch-
tigste ausgeschmückt. In einem der Nebenräume des Hauses walteten
Mundschenken ihres .-^mtes, nur floss hier nicht Falerner, sondern
schäumender Wein aus der Champagne in .Strömen. Eine unseren
Blicken entzogene Musikkapelle brachte während der Jagd rastlos und
fortissimo die Volkshymne zum Vortrage.
Das Thal und die uns gegenüberliegende Lehne waren zum Theil
abgeholzt und mit einem dichten Bambusgitter umgeben, welches bis an
das Haus heranreichte, so dass sich das Treiben auf .Schweine offenbar
auf ein eingestelltes Jagen beschränken sollte und das Ganze somit kein
u'nidmännischcs Unternehmen, sondern vielmehr eine Art Volksfest war,
das mich durch seine komischen Vorbereitungen und die Ansprüche,
die es auf den Titel Jagd machte, höchlichst amüsierte.
Treiber in großer Zahl, geführt von eingeborenen Würdenträgern,
warteten auf der jenseiligen Thallehne das Zeichen zum Beginne des
Triebes ab und drangen, sobald dieses gegeben worden war, mit infer-
nalischem Geschrei und Geheul in die Grasdickung ein, wobei sie eine
Meute von ungefähr vierzig Kotern aller .Arten losließen. Sofort hub der
Spectakel an, da die Hunde die Schweine bald gerunden halten und
Hals gebend in dem UntenvLichs umherjagten. Dieser war trotz Jet
erfolgten Lichtung an den noch mit hohem Grase, Bambusbüschen und
Kamen bedeckten Stellen so dicht, dass uns selbst starke Schweine nur
auf .Augenblicke zu Gesicht kamen. Jeden Moment stellte sich ein Slück.
worauf CS dann viele geschlagene Hunde gab, die klagend zu ihren
Herren zurückkehrten.
Das erste Opfer meiner Büchse war ein kecker Frischling, den
ich auf der jenseitigen Lehne eräugte und wie eine Gemse herabschos^
Überhaupt waren die Schüsse an und für sich interessant und keines-
wegs leicht, da das Wild sehr flüchtig kam und an der steilen Lehne
oder in der tiefen Thalsohle immer nur auf Momente sichtbar wurde.
Frischlinge, die nicht größer waren als Hasen, boten in der Kntfemimi;
von 100 Schritten Gelegenheit zu schönen Schüssen,
Äutierst unterhaltend war die unbeschreibliche Angst der Treiber
und ihrer Führer vor den sehr harmlosen Schweinen. Kam ein Schwtin
in die Nähe der Helden oder versuchte es, von Hunden gehetzt, die Linie
zu durchbrechen, so waren die Treiber wie die Würdenträger alsbald
auf den Bäumen. Es war ein .Anblick von übcnvältigend komischer
Wirkung, wenn so ein Würdenträger, mit den blinkenden und gleitenden
Insignicn der amtlichen Stellung angethan, vor einem schreienden Frisch-
linge flüchtend, in seiner schon an und für sich die Lachlust erregendtn
Uniform mit affenartiger Geschwindigkeit cine'bchlanke Palme hinan-
kletterte, so dass diese sich unter der ungewohnten Last niederbKR.
Drohte keine Gefahr, so giengen die Treiber in acht orientalischer Weise
ohne Ordnung planlos im Trieb umher; die Würdenträger folgten ihnen
mit gezückten Schwertern; die Hunde vergnügtan sich in irgend einer
Ecke damit. Frischlinge zu fangen und natürlich' anzuschneiden, soda:>»
von vielen derselben nur mehr einzelne Oberreste zur Strecke gebm
wurden.
Ich schoss im ganzen 21 Stücke, danmter aber nur einen gil^
Keiler. Die Schweine zeigen hier einen ganz anderen Typus als u
sie sind kleiner, haben eine beinahe nackte Schwarte, nur am Wurf flbl
dem Gebrech eine Art Backenbart von dichten Nadeln, ferner sehr an|
gesprochene Backenknochen und viel längeren, spitz zulaufenden Wid
die Waffen sind der ganzen Statur des Schweines entsprechend aue
geringer. Die Eingeborenen unterscheiden zwei Arten: das Feld- und il
Waldschwein (Sus verrucosus und Sus vittatus); doch konnte ich kei^
wesentlich verschiedenen Merkmale herausfinden.
Ein Frischling wurde lobend in einem großen Reisighaiifen
gefangen; wir banden dem Thier die Läufe zusammen und sandten es,
in einem Rucksacke verwahrt, direct nach dem Hafen von Tandjong
Priok aufs Schiff, wo es sich wahrscheinlich durch seine besondere
Wildheit auszeichnen und daher den Zähmungskünsten meines Thier-
wärters Biaggio eine harte Aufgabe stellen dürfte.
Die Jagd \var beendet,, das Volk brach in ein unarticuliertes Freu-
dengeheul aus und in einer Art Triumphzug verließ ich den Schau-
platz der lustigen Saujagd. Bei der Rückfahrt nach Oarut genoss ich —
der zu Beginn der Jagd trübe Himmel hatte sich völlig aufgeheitert —
einen prächtigen Blick nuf den rauchenden Krater des Papandajan.
Nachmittags hatten wir uns von dem freundlichen GaruC verab-
schiedet und waren noch am selben Abend in Tjiandjur, wo mich der
Regent, ein sehr liebenswürdiger Mann, welcher den Titel und Namen
Raden Adipatti Frawira dij redja trug, in seinem Hause gastlich auf-
nahm. Das I'alai.s erstrahlte in festlicher Beleuchtung. Als llluminations-
kürper dienten hier Stöcke des unvermeidlichen Bambus, die, in Bündeln
gruppiert, die Triumphpforten und Fa^aden efTectvoH schmückten. Die
ausgehöhlten Bambusstücke waren mit Öl gefüllt, in dem ein brennender
Docht schwamm; solch ein Stock vermag stundenlang zu leuchten.
Der Regent scheint gleichfalls ein passionierter Jäger zu sein, denn
mit Stolz zeigte er mir seine Gewehre, sowie Häupter von erlegten
Hirschen (Cervus hippelaphus), von Bantengs, dem wilden Rinde der
indischen Inseln, und von Rhinocerossen. Als lebendes Beutestück von
einer Banteng-Jagd erfreut sich hier seines Daseins ein sehr zahmer.
als kleines Kalb gefangener Banteng-Stier, welcher der besondere Lieb-
ling des Regenten ist und täglich von ihm eigenhändig gefüttert wird.
Eine zweite Leidenschaft dieses Würdenträgers ist die Malerei;
doch sind seine Erfolge auf diesem Gebiete nicht sehr hervorragend
und die Erzeugnisse seiner Kunst derart, dass selbst eine Jury des
Salon des refuses in — Tjiandjur ihr Haupt dazu schütteln müsste.
Dessenungeachtet hat der hochgeborene Meister von Tjiandjur die
Ausstellung zu Chicago beschickt.
Die Weltausstellung am Michigansee scheint den guten Javanen
überhaupt sehr in den Kopf gestiegen zu sein ; denn allüberall hört man,
dasB dies oder jenes in das ferne Amerika gesandt worden sei; ja Herr
Kerkhoven hat dahin gar ein ganzes javanisches Dorf entsendet, in
welchem graziöse, javanische Mädchen Thee aus den Plantagen ihres
Herrn verkaufen sollen.
Zum schwarzen KiifTee nach dem Diner erschien ein ganzem* RuJci
von Tänzeiinnen, eine garstiger als die andere, die sümmtlicli dfnjc
Bete] kauten und uns durch ihre langweiligen, rhythmischen Tänze in
so schläfrige Stimmunj; versetzten, dass wir schleunig unser Lager
aufsuchten.
Tjiandjur, I6,ApriL
Auch dieser Regent wollte mir ein Jagdvergnügen verschaffen. Er
lud mich daher zu einer Hirsctijagd in seinem Privat-Lieblingsnmn
Panumbangan (Panoembangan) ein. Tjiandjur lag noch im Schlaf. .il'
wir das Städtchen verließen: nur hie und da wurde ein Chinese sichtbar.
der sich anschickte, seinen Kaufladen zu öffnen. Doch die unermüdliclie
Escorte war schon auf dem Platz und begleitete uns in flottem Oali^pe,
welcher nun allerdings wieder manchem der Herren schlecht anschlu};:
denn nach den ersten paar Paals i Pfahl; I Paal ^= IHCKi-O m) holte sich
die früher bedeutende Anzahl der lieiler auf ein Minimum rcduciert, da
sich einige v<m ihren [Jossen getrennt hatten, andere aber ihre Gäule
absolut nicht an den am Wege liegenden Häusern vnrbeizusteuem
vermochten.
Wir benützten diesmal nicht wie bei früheren Gelegenheiten eine
große Staatscarosse, sondern einen ganz leichten, mit einem Dacht:
versehenen Jagdwagen, der zwar rascher von der Stelle kam. dagegen
aber den großen Nachtheil hatte, dass er nur für die kurzen Beine iJ
Eingeborenen berechnet war und wir daher üußerst unbequem \
Zuerst gieng's in der P^bene durch ein mit vielen Ortschaften bea
delles Thal fort, in dem zahlreiche Reisfelder sichtbar waren:
bogen wir in nordöstlicher Richtung ab und erreichten ein gebirgiges
Terrain, das neben vereinzelten Plantagen zumeist Alang -Savannen unJ
Waldungen aufwies.
In dem gebirgigen Terrain kamen wir natürlich, obschon unsere
Ponies eifrig ausschritten, weit langsamer vorwärts als zuvor in der
Ebene: manche Steigung konnte nur mit Hilfe einer ganzen Heerschar
von Kulis überwunden werden, die sich, während die Kutscher schrieen
und mit den Peitschen knallten, hinter jedem Wagen schiebend. sloUtfiJ.
zerrend drängten.
Eigenlhümlich waren die vielen Bambusbrücken der durch f.ahrencii
Strecke. Flüchtig besehen, machen diese filigranartigen Bauten einen
keineswegs sehr vertrauenerweckenden Eindruck; denn die Unterlaßt-
balken bestehen nur aus etwa 30 cm starken Bambusstöcken. währeiiJ
die Querbalken noch weit dünner simj. Pfeiler yibl es nicht; stets
schwebt die Brücke frei über dem Thal oder über dem Fluss an Barn-
busstricken, die auf beiden Ufern an Bäumen befestigt sind; solide
Brückenstreu fehlt ebenfalls; sie wird durch ein Geflecht aus Bambus-
fasern erselüt, das einer Matte ähnelt. Fährt nun ein Wagen über eine
solche Brücke, so schwingt und knarrt das ganze Machwerk sehr bedenk-
lich, obschon dem elastischen Materiale große Tragkraft nachgerühmt
wird. Der niederländische Resident schien allerdings anderer Meinung
zu sein und den Brücken in seiner Kesidentschaft kein allzugroßes
\'ertrauen entgegenzubringen: denn er bewog uns wiederholt, den
Wagen zu verlassen und Brücken zu Fuß zu passieren- Sehr naiv
benahmen sich in solchen Fällen die Kulis; in der Meinung, hiedurch
die Belastung der Brücke zu vermindern, trugen etwa ."lO solcher Bur'^che
den Wagen hinüber.
Nach dreistündiger Fahrt kamen wir endlich mit unseren ganz
erschöpften Pferden bei dem zierlich aus Bambus gebauten Jagdhause
des Regenten an. Der freundliche Hausherr bot uns zunächst einen
Imbiss an, um während der Zeit, welche die Mahlzeit in Anspruch
nahm, noch die letzten Vorbereitungen mit den Jägern besprechen
zu können.
Auf einer Berglehne erblickten wir eine unzählbare Treiberschar,
die, schön ausgerichtet, vom Thal an bis zu der Höhe des Berges empor
aufgestellt war. Die Jagdgelcgenheit zeigte sich diesmal als eine baum-
lose, mit hohem, dichtem Alanggrase völlig bewachsene Hügelkette,
welche gegen uns zu durchgetrieben werden sollte. Längs eines Fuß-
weges, der sich die Lehne hinanzog, wurden uns die durchwegs aus
Bambus gefügten Hochstände angewiesen, welche Ausschuss* in -das
Grasdschungel boten. Die guten Leute hatten meinen Hoch'stand ,nlif
{gekreuzten schwarz -gelben und roth -weißen Flaggen geschmückt;
So sehr ich über diese .Aufmerksamkeit gerührt wa*r, bat ich'doch,"die
Fahnen zu entfernen, da sie das Wild wohl verscheucht haften. '.
Ich nahm den äußersten Stand am rechten Flügel ein;: an -mich
anschließend waren die anderen Herren der Begleitung verth§llt.'.Auf ötn"
Zeichen des Regenten hin begann nun der Trieb mit e'ine'nv furchtbärerl
Lärm der Treiber, welche von allen Hügeln concentriscH gegen' unserii
Stande vorzugehen hatten und hiebci auf Klappern aus Bambus Tlustig
loshieben, was sich wie ein Pelotonfeuer in der" ganzen"Linie JfortV
pflanzte. Merkwürdigerweise gieng der Trieb, obwohl. sehnjürigsani^
doch in Ordnung vor sich. , '..
(ili'iL'li zu AnliiiiK ilcs'l'ricbus sah ich ein Thier und ein Kalb ir^
(irnlicr l'jill'LTriiinH vorübcm'cchscin; nucli kurzer Zeit kamen sie. etwas
nilhcr, in \iilli;r l'luclit ziirück, wobei es mir gelang, das Thier zu erlegen.
AI-. *lii' 'l'ci'ilHT sich auf ungefähr 800 Schritte genähert hatten, zeJKlen
••ich i'iri starkes 'l'liier unii ein Spießer, die auf meine Schüsse nach
i'iiiigi'n l''luclilcn vcrcndond ziisiimmenbruchen. Endlich — die Treiber
wiireii si'hon knapp beim Stande ■ ■ wurde aus einem kleinen Rohr-
ilii'kiclil oiii ituU'i- Hirsch IKichtij;. der gerade die Richtung auf mich
.'U nahm und von mir gelrulTon im Feuer roulierte.
N'un don anvk'ron Schulzen war leider nichts erlegt worden; Wumi-
brand halle vcixi'blicli aul' weite Distanz nach einem Thiere geschossen.
wahrend bei einem aiulorcn der Herren Wild schon aus dem Triebi-
llib'luin wurde, als der Schütze eben bei seinem Stande anlangte.
hii-- Sov'hsi-rjicweih des von mir erlegten Hirsches war ieicer
nivli un Uasio, Hio Hir>che in Java sowie jene in Indien scheinen keine
b.<slnun)te AbwuHVeit :\i haben: denn zu i;leicher Zeit kommen Hirsche
mil nun/ \evschlii};enem ^iewoihc. Hirsche im Bast und solche nii:
.(l\>:o\\orU>non Stan.con vor.
Tbov dio V'i>iK-he;'. des s:ori:ij:en Ergebnisses der Jagd befras;:.
oik;,i!U-n die o;;ii:oborc;-.o:i J.i!;or den gegenwärtigen Zeitpunkt a!>
ciiu'^i :;;: d:,- Hvsch'Uird bcso'i^iors iirgünstigen, da jetzt des reichlich
>;,!.t':,- ■,:•. Kcj:,— s '■a!>.T das «.'»ras :-och viel zu hoch stehe, was Ja*
\>--i\ v ,•„■> \\ :\U-^ v. -d d.is .".■.iTc:-. wcser.::'ch erschu-ere.
r:v .;,>v :-; ,;,;> i;'vii-i- \V::d -.r; ir;*r:2 Java schon stark abge-
^,:',-^^c • -■ .■ .'..;;.•- s. V , ."...■ v,-~.or.r.cr ,\ivar.er sind eifrige Jäger
, ',■ ,, ,',■,.:-,■■ \« ,: ,■.-,■-.,—>.■-.-.-: ,C;s beschossen, dessen man
Stückt: wurden neben dem Stande gestreckt, und alsbald stand ich
in einem förmlichen Platzregen von Hüten, da die ganze mich dicht
umdrängende Schar, um ihren Beifall neuerdings kundzugehen, ihre
riesigen Stroh- und Bambushüte in die Luft warf.
Noch origineller gestaltete sich der Zug zum Jagdhause hin.
Dieser wurde vnn den uniformierten Unterheamten eröffnet, die, wie
einst König David vor der Bundeslade, vor dem auf Stangen getragenen
Wild einen Freudentanz autTührten: dann kamen die 2000 Treiber, in
deren Mitte ich sozusagen eingekeilt war, alle schreiend, heulend und
mit den Bambusklappern lärmend. Ein Unbetheiügter, dem dieser Zug
betjegnet wäre, hätte glauben müssen, eine Legion Tollhäusler sei ihren
Asylen entsprungen und genieße in tobender Weise die wiedererrungene
Freiheil. Beim Jagdhau;-c legte sich zum Glücke die Begeisterung.
r
i
t
t
Jagdlager in Tjipandak Buitenzorg
Batavia Tandjong Priok.
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Jagdlager in Tjipandak — Buitenzorg
_ Priok.
Batavia — Tandjong
P Tjiandjur — Tangjjeng, l>. April.
Mit dem heutigen Tage begann die Jagdexpedition nach Tjipandak,
welche uns durch die Urwälder der Preanger Landschaften führen sollte.
Schon vor 5 Uhr morgens wurde Reveille geblasen, und bald darauf
gieng der Extrazug ab, der uns binnen einer halben Stunde nach
Tjibeber brachte. Hier hieß es von unseren bisherigen Begleitern und
dem Residenten .abschied nehmen und uns der Führung Herrn Kerk-
hovens sowie des Barons van Heeckeren van Walien, der beiden
Hauptarrangeure der Jagden, anvertrauen, welche uns mit den Pferden
erwarteten, deren wir uns von hier aus bedienen sollten. Nachdem
Sattelung und Zäumung untersucht worden waren, setzte sich die Kara-
wane in Bewegung: das nöthige Gepäck war schon tagszuvor durch
Kulis vorausgeschickt worden.
Unsere Cavalcade war recht eigenthümlich zusammengestellt und
hätte wohl manchem europäischen Beschauer ein Lächeln entlockt. An
der Spitze des Zuges ritt ein einheimischer Beamter mit zwei Dori'räthen
auf ganz kleinen Ponies; dann kam ich mit den Herren der Begleitung,
wir al)t: in den -tropischebten- Costümen auf vorzüglichen, von tlcii
beiden PIlHiizem beigestellten Pferden; die Qucuc der Colonne biUMtn
unsere Diener, deren mehrere lieute zum erslenmale zu PfenJe itäm
und sich auf ihren zappelnden Sandelhout-Ponies recht komisch Mls-
nahmen. ferner Hi>ilel< und sein (iehilfe. sowie eine große Schar vun
Dorfrätlion mit gijldverzierten Hüten und in halb holländischer, halb
javanischer Adjustierung.
Bei sehr schönem, verhiiltnismäüig nicht warmem Wetter gieng's
im Gänsemärsche dem Gebirge zu. Da wir anfangs eine kleine Ebene
durchritten, hätte ich gerne einen Trab angeschlagen: doch \vie.s Heir
Kerkhoven darauf hin, dass das toupierte Terrain, in dessen Bereich
wir demnächht gelangen sollten, den ganzen Tag hindurch nur Reiten
im Schritte gestatte. Diese Perspective entzückte mich umsoweni^er.
als wir einen langen Marsch von 47 km zurückzulegen hatten. In der
That begann nach kurzer Zeit der Weg steil bergan 2U gehen; die Strnflc
wurde steinig und für unsere Pferde recht schwierig.
Im Laufe des Tages fanden wir für das unausgesetzte Reilun im
Schritt in der Pracht der Gegend, welche wir durchzogen, reichliche
Entschädigung. Die einförmigen Reisfelder der Rbene hatten ein Ende
genommen und eine X'egetation ganz anderen Charakters umtlenguns.
Wo sich nicht Kaffee- oder Chinabaum-Plantagen befanden, ragte herr-
licher Urwald auf Hinter uns lag die Cullur, vor uns die Natur! Da
standen zu beiden Seiten der Straüe himmelhohe Rasamala - Bäumr
(.AUingia excelsa, zur Familie der Hamamelideen gehörig), deren bis
zu 4ö Mf emporwachsende Stämme nächst dem Teak-Baume das bcsW
Zimmerholz liefern; Palmen aller Arten; Bananen und ßaninnen; Utu-
stigmji-Artcn(Urosligma rcligiosum,altissimum Kailerlei niedere Urwald-
bäume, wie Kicus valida, obovata, javanica und Myristica-.Arten; dichte
Gruppen von Bambusaceen u.s.w. Dazwischen wuchern auf das üppigste
kraul- oder baumartig alle erdenklichen Farne und in reichster Btütcif-
pracht und in hunderteriei Formen Orchideen, malayisch Angrck geniinnt
Hier sah ich zum erMenmale solche Pflanzen im Freien blühen und
schwelgle in dem .Anblicke der fast überreichen Fülle zauberhalt schrmcr
Blüten.
Der Weg schlängelt sich unablässig bald über Hohen. Kamme.
Sattel hinab in grüne Thäler, bald steil empor zu schroffen Bergen: di«
SiruUe scheint Imtz ihrer Breite nie von Wagen befahren, sondern nnr
von Keilern und KuÜgängern benutzt zu werden. Die Erhaltung iei
.SlmÜe ist wegen der bedeutenden Steigungen und der starken kcxcn-
güsse dieser Zone eine außerordentlich schwierige; nlle 4 m bis 5ni
steht ein mit einer Nummer versehener Stein, der je die Strecke
bezeichnet, welche partieweise von den Bewohnern der nächstgelegenen
Diirfer zu erhalten ist.
Von Zeit zu Zeit erblickt man, insbesondere wo Plantagen nahe
sind, kleinere Ansiedelungen, die, ganz aus Bambus gebaut, einen
netten, freundlichen Eindruck machen und der vielen Regen halber fast
au(snahms!os auf Pfählen angelegt sind. Trotz der Wildnis, in der wir
uns befanden, waren Ausläufer der Cullur auch schon in diese Dörfer
gedrungen: Beweis dessen, dass ich in einem der Häuser eine Singer-
Nähmaschine vorfand!
Die Bevölkemng dieses Gebietes scheint noch devoter zu sein als
jene im nördlichen Theile; denn schon in großer Entfernung von uns
nahmen hier alle, ihre Ehrfurcht zu bezeigen, die übliche hockende
Stellung ein. wobei Kopf und Blick gesenkt gehallen wurden, als sei
niemand würdig, uns in das Antlitz zu sehen.
Ich ritt auf dieser Tour einen alten, aus Australien importierten
Schimmel Namens "Ratu-. der mich trotz seines hohen .Alters in
einer Art Schnellschritt in 4'/^ Stunden zu den Cinchona-Plantagen in
Sukanagara(Soekanagara) brachte. Hier lud uns der Administrator Herr
Vlooten ein, in seinem sehr nett eingerichteten, ebenerdigen Hause bei
einem Frühstücke zu rasten. Mit großem Vergnügen nahm ich das
freundliche Anerbieten an und verweilte eine halbe Stunde in dem
Herrenhause zu Sukanagara, in dem ich zu meinem Erstaunen auch
einen Ofen vorfand. Auf mein Befragen erklärte mir Herr Vlooten, es sei
hier in 877 m Höhe über dem Meere besonders des Morgens im August
zuweilen so kühl, dass er sich gezwungen sehe, zu heizen. So nahe
am .\quator hatte ich dies nicht für möglich gehalten!
Wieder im Sattel, traten wir, die ausschlieOüch mit finchona
bebaute, ziemlich ausgedehnte Plantage hinter uns lassend, in den
Urwald ein. Wir hatten in Sukanagara Pferde gewechselt und ich ritt
nun eine zierliche, von Baron van Heeckeren gezogene Vollblutstute,
die früher auf der Rennbahn manchen Preis davongetragen hatte.
Kaum im Walde, wurden wir an die noch herrschende Regenzeit
durch einen heftigen Guss erinnert; zuerst fielen schwere Tropfen
und endlich gieng ein tüchtiges Gewitter nieder, welches durch seine
Wucht im Verlauf einer halben Stunde alle Rinnsale, Bäche und Flüsse
so anschwellen lieü. dass wir nur mit aller Mühe zwei sonst ganz harm-
lobt: Flüsschen zu passieren vermochten. Das erste Wässerchen, der
"Sr.^r ^-mi:':c::.":ccus mauru
—-.:-• ::- ar.j:->:h\vänzigen '
..:-:.: .:r. V^c auf, der lehm
:. 1; '•jrj.= -rvi:: \ :;:r:g, so das
• ..„ .::. :ur: -^CiLlinweise auf|
:.■,.-*• ..:..-r. ?'a::: -:i:r.acht, die
■" ' . -j: Xl^i dirrcf hohen,
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Tanggeng---Sindangbarang, 18. April.
Auf den heutigen Tag, den ersten des Monates Savval nach dem
Ende des Fastenmonates Ramelan (Ramasän) oder Pasa, fiel das Idul-
Fitr-Fest der Javanen. Dieser Tag, — Garebeg Puwasa-Tag — welcher
von den Eingeborenen als Neujahrstag betrachtet wird, wurde uns im
Laufe des heutigen Rittes dadurch ersichtlich, dass allenthalben in den
kleinen Ansiedelungen, die wir zu passieren hatten, Musik ertönte und
Feststimmung vorherrschte.
Nach langem, erquickenden Schlafe brachen wir auf, um zunächst
einen Berg auf einem Wege zu erklimmen, dessen Steilheit jener unserer
Gebirgspfade nicht nachstand. Der Himmel hatte sich völlig geklärt,
die Sonne stand hoch und wir genossen während des Aufstieges eine
wunderbare Aussicht empor zu unzähligen Bergspitzen und Vulcanen,
niederwärts zu den Hügelketten und Thälern des Umkreises; ein großer
Theil der Residentschaft der Preanger Landschaften, ein herrliches Stück
Westjavas lag uns vor Augen und zu Füßen.
An dem vollen Genüsse dieses entzückenden Panoramas behin-
derte uns allerdings zuweilen die Sorgfalt, die wir auf dem schwierigen
Terrain unseren Pferden zuwenden mussten; denn der Regen des verflos-
senen Tages hatte die an den steilsten Wegstellen in die Berglehne
geschlagenen Stufen so überaus glatt und schlüpfrig gemacht, dass
unsere Pferde nur mit der äußersten Anstrengung hinaufklettern
konnten. Endlich waren wir mit Mühe auf dem Kamm angelangt, der
die Grenzscheide der Districte Djampang wetan und Tjidamar bildet,
und wurden hier von dem Chef des Districtes Tjidamar mit vielen
Bücklingen begrüßt.
Unsere sehr ermüdeten Pferde bedurften kurzer Rast, worauf es
auf einem verhältnismäßig guten Wege bergab, bergauf weiter gieng.
Das Landschaftsbild übertraf an Schönheit selbst jenes, welches tags-
zuvor unser Entzücken wachgerufen hatte. Das war echter tropischer
Urwald, in dem ein malerisches Bild das andere verdrängte; ein jedes
aber war reizend und eigenartig. Hier säumen hohe Baumriesen den
mit dichtem Rasen bekleideten Pfad ein; dort schießt wucherndes L'nter-
holz auf einer Rodung empor; dann umfängt uns wieder dichter, viele
Meilen Landes bedeckender Hochwald, in seinem Schöße dem Wilde
Schlupfwinkel bietend, welche für den Jäger unerreichbar sind. Ob
Baum, ob Strauch, Kraut oder Moos, hier war jede Pflanze üppig und
schön, die Mannigfaltigkeit der den Boden schmückenden Gewächse
401
1 freilich bedeutenden Schaden erlitten, su dass wir unter
Heiterkeit und allerlei Kurzweil in ziemlich mangelhafter
l das Rasthaus zurückkehrten.
fflen Kamelanfeste zu Ehren war abends im Dorf allj^e-
[feel, so dass ich, um meine Kenntnisse der Sitten und
' Java zu vermehren, noch einen längeren Rundgang
h bot dieser nicht viel Neues oder Bemerkenswertes. Einige
B Damen bearbeiteten wieder, im Tacte singend oder eigent-
nd. mit Bambusstäben einen ausgehöhlten Baumstamm,
in der Nähe große Menschengruppen um ein Wajang
leses Wajang, welches mich lebhaft an ein ins Javanische
•Wursteltheater- erinnerte, war dem Schattenspiele, das
iit gesehen hatten, ziemlich ähnlich.
^is spat in die Nacht hörte man die eintönigen Schläge des
Ute melancholische Musik des Gamelang ertönen, was nicht
mg des allen so nothwendigen Schlafes beitrug und uns
terungen' des Beifalles" als solche des Unmuthes entrang.
Sindangbarang — Tjipandak, 19. April.
Ine Folge des uns wenig willkommenen Ramelanfestes war
pass wir am Morgen unsere l^ferde absolut nicht bekommen
B Und weder Pferdewärter, noch Kuüs, noch Dorfälteste zu finden
r alles ergab sich nach den Freuden des gestrigen Tages noch
me und wir wurden, obgleich um '/n-'» Uhr morgens bereit, doch
gegen 6 Uhr in Sindangbarang Hott. Schlaftrunken bewegte sich
Karawane dem Meere zu.
Der Ritt in dem weichen Sande der Uüne war dadurch reizvoll,
ä uns die vorge-schri ebene Koute beinahe unausgesetzt längs der
'te führte, und wir so das weite, blaue Meer mit seinen mächtigen,
Ufer anprallenden Wogen zur Rechten, die grünen Hügel der Küste
Linken hatten. Der Morgen war vor Sonnenaufgang angenehm kühl,
zudem erfrischte uns und unsere Pferde der feine Wasserstaub,
die Brandung aufwarf; nach zwei Stunden nahm die Flut immer
ir zu und oft schlugen die .Ausläufer der Wellen unter den Füßen
•erer Pferde durch. Die gewaltige Brandung an der Südküste Javas,
die sich die riesigen Wogen der offenen See heranwälzen, um sich
r an einem unüberwindlichen Walle schäumend zu brechen, ist
CS jener erhabenen Naturbilder, welche das Auge nicht müde wird
/.ii sL:liaui;n, welche ilits Gedächtnis auf immerdar bewahrt. Gcwallis-
imcrmcsslich. heilig ist die Macht der Kiemente; wie schwach und klein
duneren der Mensch!
Taiisendc von Krabben liefen auf dem warmen Sande hin unj
her, auf dem wir große Stücke porösen Bimssteines fanden, welche
viin der See ausRcworfen, vom Ausbruche des Krakatau im Jahre I8S3
herrühren sollen.
Bei dem Cadaver eines gefallenen Pferdes beobaclitete ich einen
Seeadler mit ganz weißer Brust und gleichfarbigem Kopfe; später sah
ich ein zweites Exemplar auf einer dürren Palme sitzen.
An einer Stelle verwehrten Felsen den Pfad an dem Strande, so
itiiss wir mit einem Umwege tiefpr ins üferiand zogen; doch auch
hier stellte sich uns noch manches Hindernis entgegen, vor allem der
ziemlich breite Tji l'djong (Oedjong), der sich in solchen Windungen
forlbewcglc. dass wir ihn auf einer ganz kurzen Strecke dreimal über-
nueron miis.sten: das erstemal mittels einer improvisierten Fähre, auf
welcher auch die Pferde einzeln verladen wurden; die beiden anderen-
niiOo watend, wobei wir ziemlich tief ins Wasser kamen. Ein besonders
^lörri-ches Pon\- sprang viin der Fähre in den Strom, schwamm aber
lustii; an das andere l'for, ?o dass dieses Intermezzo keinen anderen
Nachtlioil Iiatic. als dass der Reiter des Pony sich in einen von WassiT
trii'lcndon Scitlol sci;:en inussie.
Ita^ Hurchwalen dos Flusses bot zumal bei der Tiefe de«
Wa-^voiv ein hübsches Bild: als erster riit stets der ortskundige Führer
liiiidiir.il : i^ai-'n Vollste ich ai;:' :v.ciner SchinimeLstute, die sich übrigen>
un W.i-- ,■! -dir \ •.■■■;:;::"'"::i; '.>c:'.'i^ri. hierauf kamen die anderen Herren
wir Herrn Borrel, einen FYeund Kerkhovens, der einige Tage vor uns
hiehergeeilt war, um dieses Lager zu schaffen. An dem Ufer des blau
schimmernden Tji Pandak, der einem Gebirgsstrom ähnlich rauscht,
lagen zwischen grünen Bäumen die Hütten, welche aufs luftigste ganz
ans Bambus gebaut waren, während Palmenblätter die Wände und das
Dach bildeten. In der Mitte des Camp stand auf Pfählen unter einem
Palmendach eine Art Plattform, die uns als Speiseraum dienen sollte,
rechts davon befand sich meine Behausung, links jene der Herren
meiner Suite; im Hintergrunde lagen Hütten, welche für Hodek und
die Diener bestimmt waren. Für die Pferde war durch offene Ställe
vorgesorgt. Vor dem Camp erhob sich im Wasser eine kleine Hütte,
um das Baden auch im Sonnenbrande zu ermöglichen, ohne dass man
Gefahr lief, vom Sonnenstiche getroffen zu werden.
Das war alles, aber auch das Richtige für ein Lager im Urwald.
Herr Borrel hatte mit vollem Verständnis für die Sachlage den klima-
tischen und localen Verhältnissen Rechnung getragen und jeden
unnöthigen Comfort bei Seite gelassen; man konnte hier eigentlich
ganz im Freien leben, war aber gegen die Sonne doch geschützt und
genoss in der Nacht, insbesondere dank der Nähe des Flusses,
angenehme Erfrischung.
So gedenken wir denn in unserem kleinen Thale, von der Welt
abgeschnitten, in wahrhaft idyllischer Weise zu leben; die Stunden,
die nicht der Jagd gewidmet sind, wollen wir plaudernd und ruhend in
der Speisehütte verbringen, um ab und zu in die Fluten des Gebirgs-
flusses zu tauchen, der mit seinem klaren, kühlen Wasser ein köstliches
Bad spenden und uns laben soll; da soll uns keine Post, kein Tele-
graph, keine schnaubende Locomotive die wohlthuende Ruhe stin'en.
Sei mir gegrüßt, jungfräuliche Natur, die du uns hier lieblich umfängsti
Heute noch sollte gejagt werden. Das Ziel meiner Wünsche war
nämlich, einen Banteng zu erlegen und dessen prachtvoll gehörn-
ten Kopf als Trophäe heimzuführen. Stellt doch der auf den indischen
Inseln, dann in Siam und Birma in Herden lebende Banteng (Bos
sondaicus) die größte aller Arten des wilden Rindes der Jetztzeit dar.
Herr Borrel meldete, dass alles bereit sei und stellte sich auf
einem Sandelhout-Pon}' als Führer an die Spitze des Zuges. In der
Xähc des Lagers waren ganz frische Fährten von Bantengs gefunden
worden, und so sollten denn dort zwei Triebe gemacht werden. Der
Weg zum Platze war für die Pferde abermals sehr anstrengend, da wir
sehr steile Lehnen zu passieren hatten und den Fluss an drei Stellen
40.')
durchwitltn miisslen; die lirslun beiden Übergänge giengen ganz-.
vonstatten; heim letzten aber kamen wir so tief in das reißende W*
dass die kleinen Pferde nur mit Mühe hindurclikanien.
Die Gegend, in der wir jagen wollten, trug einen andeS
Charakter als jene, die wir bisher durchzogen hatten. Die Formation
war allerdings dieselbe; doch war hier das vnn Thälem durchschnittene
und vnn Schluchten erfüllte Hfthenland nicht mehr gleichfiirmig mit
Wald bedeckt, sondern wies zwischen vereinzelten Waldstreifen aus-
gedehnte, mit Alanggras bewachsene, grüne Flächen auf; ofTenlwr
halten hier vnr Zeiten große Waldbrände gewüthet und den Boden^f
zahlreichen Stellen freigelegt. W^
Dieser Landstrich bildet den Liehlingsaufenthalt der BantengSP
welche tagsüber in den Dickungen der Wälder weilen, gegen AbcnJ
jedoch auf jene Stellen hinausziehen, wo das Alanggras junge Triebe
zur Äsung bietet. Die einzig mögliche .Art, hier auf Bantengs t.ü
jagen, ist das Treiben, da an ein Pürschen in den undurchdringlichen
Dickungen nicht zu denken ist. Nach Ahlauf der Hegenzeil, iilw
anfangs Mai, zünden die Eingeborenen all die trockenen .Alangfläctien
an, so dass dann das Wild in einer Waldparcelle leicht abzuspüren
und zu bestätigen ist, und Triebe sofort unternommen werden künnen.
Leider fiel meine Anwesenheit auf Java noch in die Regenzeil, weshalb
denn das Jagen zu dieser Zeit überall durch den hohen Stand iJc»
noch grünenden Alanggrases ungemein erschwert war. Das Abspüren
von Wild war fast unmöglich und selbst Wild, welches aus der
Dickung hervorbrach, in dem hohen, dichten Gra.se nur in dcf
Entfernung weniger Schritte sichtbar — stand doch das Alanggras an
vielen Steilen so hoch, dass in ihm nicht einmal ein Pferd gesehen
werden konnte, ja die Spitzen der Grashalme mitunter sogar übenfcr
Kopf des Reiters hinaus emporragten.
Die Triebe auf Bantengs werden in der gegenwärtigen Epwchc
auf folgende Weise durchgeführt: die Treiber umstellen eine Dickung
und bilden eigentlich nur .\bwehren, indem sie nach dem Hebschus«
mit ihren Bambiisklappern kolossalen Lärm verursachen, während w
zelne Jäger auf den Wechseln eindringen und. sobald sie eine fihiu
gefunden haben, die Hunde losen, worauf diese alsbald Laut geben iii*d
das Wild auftreiben. Ist nun diese Methode nicht von Erfolg bellte''
so werden, soweit möglich, auch die Wehren zum Vorgehen beordert
was jedoch bei der in den südlichen Gegenden allüblichcn Mi su
jagen, mit wenig Erfolg geschieht.
4»C
I
irdnung, Lässigkeit und Zeitversplitterung seitens der Tiüiber
machten sich ieider auch heute recht bemerkbar; bei systematischem,
correctem Treiben müsste es meiner Ansicht nach nicht allzuschwer
fallen. Bantengs zu erbeuten. Allerdings würde dann diese seltene
Species bald ausgestorben sein; denn offenbar ist es nur der Mangel-
haftigkeit des Jagdbetriebes zu verdanken, dass heute so mächtige
wilde Rinder überhaupt noch nicht völlig ausgerottet sind.
Als oberster Leiter unserer Jagden fungierte ein mohammeda-
nischer Priester (Hädschi), der hier als der tüchtigste Sachkundige in
Jagdangelegenheiten gilt und sich auch nach Kräften der Sache ange-
nommen hatte.
Der erste Trieb war zu Ende gegangen und völlig resultatlos ver-
laufen. Ursprünglich bestand die Absicht, dem ersten Triebe einen
zweiten folgen zu lassen, doch glaubte HeiT Kerkhoven davon absehen
zu sollen, da in dem Triebe Wild bereits flüchtig gespürt worden
war. so dass keine Hoffnung bestand, bei einem neuerlichen Versuche
besseren Erfolg zu erzielen. So kehrten wir denn, den Fluss wieder
dreimal überquerend, in unsere Palmenhütten heim, wo unser ein von
einem javanischen Kochkünstler bereitetes Mahl wartete, nach dessen
Beendigung wir zu früher Nachtstunde unser Lager aufsuchten.
Ich schlief bereits fest, als ich plötzlich durch lautes Geräusch
geweckt wurde, da in unmittelbarer Nähe meines Lagers eine Thter-
stimme ertönte. Aufspringend wurde ich des Thieres, dessen Laute
mich so jäh geweckt hatten, alsbald gewahr. Es war ein Gecko,
eine jener großen Eidechsen, deren brüllender Ruf dem Neuling wohl
den Glauben beibringen kann, es schreie ein großes Thier. Der Feuer-
schein einiger Zündhölzchen, die ich rasch in Brand gesetzt hatte, ver-
scheuchte den Störefried, welcher in dieser Nacht nicht wieder zum
'erscheine kam.
Tjipandak, 20. .April.
Der Schauplatz der heutigen Jagd auf Bantengs lag von dem
Camp bedeutend weiter ab, als Jener des gestrigen Triebes; denn erst
nach etwa dreistündigem Marsch erreichten wir unser Ziel. Der Ritt, in
dessen Verlaufe wir, wie am Vortage, mehreremale den Fluss zu über-
schreiten hatten, führte, ohne dass wir andere besondere Terrain-
schwierigkeiten zu überwinden gehabt hätten, fast unausgesetzt durch
Alanggras. Nur einmal war eine ungemein steile Schlucht zu passieren,
welche für Pferde unübersteigbar schien, von unseren einheimischen
Kleppern jedoch in wahrhaft bewundernswerter Weise genommea
wurde, da jene rutschend, gleitend, auf den Hinterbeinen sitzend ohne
Unfall die Schlucht hinab- und fast aufrecht kletternd aus der Tiefe
wieder emporgelangten, indessen wir zu Fuße nur mühsam über Jie
Steinplatten und den glatten Lehmgrund der Schlucht hinwegkamen.
Während des Rittes sah ich auf einem der Hügel von ferne da>
Haupt eines Hirsches aus dem hohen Grase ragen; der \'ersuch, mich
an das scheue Wild anzupürschen, blieb jedoch erfolglos.
Auch diesmal wurde in thalwärts gelegenen Wäldern getrieben,
die Stände aber wurden längs eines Hügelkammes eingenommen. Heer
Kerkhoven stellte mich zu unterst auf und hatte die Absicht, oberiialb
meines Standes, in der nächsten Nähe desselben, einen meiner Herren
zu postieren. Durch ein Missverständnis des Eingeborenen, den Htr
Kerkhoven mit dem auf dieses Arrangement bezüglichen Befehle zurück-
gesandt hatte, kam jedoch nicht einer meiner Herren, sondern Herr
Borrel neben mir zu stehen. Ich saß unter einem Baume und hatte, da
dieser fast gar keinen Schatten spendete, während des drei Stunden
andauernden Triebes von Hitze viel zu leiden, umsomehr, als es im
Interesse der Jagd geboten erschien, sich ganz ruhig zu verhalten. So
konnte ich denn nur still sitzen bleiben und die Legion von Ameisen
beneiden, welche, der Hitze ungeachtet, munter um mich her ab-
und zuliefen. Der .Ausschuss rings um den Stand war ein ziemlich
beschränkter.
Nach dem Hebschusse hörte ich vor mir sehr starkes Brechen.
l!;ih nur von einem mächtigen Wilde herrühren konnte, doch war balj
wieder alles still. Einige Zeit später fiel bei meinem Nachbar ein
und hörte ich nichts mehr wie das einförmiKi
vom Knie abwärts schneeweiß. Zieht Bantengwild durch die Dickung,
so hört man schon von weitem das Brechen und Prasseln der Stöcke,
Avelche von den Thieren niedergetreten werden. In den Wäldern, die
wir heute durchstreiften, fanden wir allenthalben große Mengen von
Bambusstöcken gebrochen und verdorrt — offenbare Spuren der wuch-
tigen Bantengs.
Herr Kerkhoven, der einigermaßen missvergnügt darüber schien,
dass der Stier nicht von mir, sondern von Herrn Borrel erlegt worden
war, hatte in der Ferne eine Banteng-Kuh gesehen; ebenso hatte
Wurmbrand drei Stücke erblickt, die auf weite Distanzen vorbeigewech-
selt hatten.
Obgleich die Zeit noch gestattet haben würde, die Jagd fortzu-
setzen, wurde zum Rückzuge geblasen, weil am Horizont ein schweres
Gewitter drohte und unser Jagdleiter befürchtete, dass ein heftiger
Regenguss den Fluss gänzlich unpassierbar machen würde. Doch
verzog sich das Gewitter und wir bekamen nur einzelne Regentropfen
zu spüren.
Da sich Jäger, Treiber und Hunde bereits verlaufen hatten und es
daher mit dem Jagdsport für heute zu Ende war, so wollten wir, ins
Camp zurückgekehrt, den Rest der Zeit noch dazu verwenden, im Flusse
dem Fischfange zu obliegen. Es war nicht eben eine schöne Art des
Fischereisports, die wir hier ausübten. Wir wendeten nämlich Dynamit
an, was jeder unserer rationellen Fischer mit Recht perhorresciert haben
würde, allein uns handelte es sich vorzugsweise darum, zu ergründen,
ob sich überhaupt Fische im Flusse befänden und, wenn dies der
Fall, welche Arten. Auch hatten die Eingeborenen berichtet, der Fluss
enthalte Krokodile. So war denn Dynamit das schnellste und sicherste
Mittel, über diese Fragen klar zu werden.
Der Fluss wurde auf einige hundert Schritte stromabwärts mit
einem Netz abgesperrt; dann giengen die holländischen Herren daran,
die Dynamitpatronen zu adjustieren, wobei ihnen mein Jäger als
ehemaliger Unterofficier des Geniecorps mit Rath und That beistehen
musste. Mit der größten Seelenruhe hantierten sie mitten unter uns in
der Speisehütte mit Dynamit und Zündschnüren, und nachdem sie,
ohne dass die mit Recht gefürchtete Explosion eingetreten wäre, alles
vorbereitet hatten, wurden die Patronen nach Entzündung der Schnur in
den Fluss geschleudert. Die Explosion erfolgte alsbald, aber vorläufig
ohne den gewünschten Erfolg; denn an der Oberfläche des Wassers
erschien kein Fisch.
499
32*
Wir, ich lind einige Herren, hallen uns minler\vcile uui ein Fahi-
zeug verfügl, welches aus zwei durch Bambus verbundenen Canoe'
hergestellt war, und erwarteten, auf Fische zu stoßen. Indem wir uns
vermaßen, das Fahrzeug mit Hilfe von Batnhusslöcken selbst zu
lenken, spielten wir eine klägliche Rolle, da unser Dnppelbool entwoJc
in drehende Bewegung gerieth oder mit lautem Krach an das Ufer
anfuhr, so dass wir die allgemeine Heiterkeit der auf dem Lande zurüdi;-
gebliebenen Eingeborenen erregten. Fische fiengcn wir nicht, d«ßf
aber fiel Clam mitten im eifrigsten Rudern an einer sehr tiefen Sieik
kiipfüher ins Wasser und kam mit dem Haupt unter ein Canoe. wurde
aber mit vereinten Kriiften dem Strome wieder entrissen.
Nach diesem Intermezzo hielten wir es für rathsamer. unsere
nautischen Fähigkeiten nicht länger zu erproben, sondern schifßcn uns
aus, um die weiteren Effecte des Sprengmittels vom Lande aus m
beobachten. Da längere Zeit hindurch kein Wasserthier im Flusse
sichtbar geworden war, kehrten wir endlich heim. Eine halbe StunJt
später brachte uns ein Eingeborener einen Korb voll Indter Fische und
erzählte, es seien viele Hunderte Fische den Fluss hinabgescbwenunt
worden, ohne dass man ihrer hätte habhaft werden können, da dit
mit dem Netze versehenen Leute sich bereits entfernt hatten. Meine
Kenntnisse auf dem debiete der Ichthyologie genügten leider nicht, um
die dem Dynamit zum Opfer gefallenen Exemplare naher zu bczcicbnöi.
Einer der Fische von auffallend rolher Färbung der Schuppen schit-n
mir möglicherweise als Barbe classificicrt werden zu können.
Tjipandak, 21, Apnl
Die Aussichten. Bantengs zu erbeuten, waren keine sehr gün-
NtlKcn; Herr Korkhoven fühlte sich morgens unwohl und beschUiss.di3
I lnuH zu hüten: unser Oherjägcr. der mohammedanische Hädschi. abe:
hiilt« die Nnchricht erhallen, dass in der Nacht seine Tochter nnch
lieun«lündiKcr Krankheit am Fieber gestorben war, weshülb der
Murin »Ich unverzüglich auf den Weg in sein entlegenes Heimat!
niiu'lilv, um der Boslnttung des verblichenen Kindes beizuwuhi
So rillen wir unter Leitung Baron van Heeckerens in das Revier. in
Wiijifhinvi wir um Tage vorher gejagt hatten, und wo heute die unseren
HKMlrlMoii Sllln^lun gegenüberliegende Lehne abgetrieben werden soWe
llur l'rlwh wilhilc «bomiuls drei Stunden lang. Ich hatte einen Mbr
"I liDncn HlimO mit gulom .Ausschüsse; vor mir eröffnete sich ein Ibi.
hniff I
m
das sehr einladend aussah, aber leider kam nichts; ich glaubte zwar
einmal brechen zu hören; auch behaupteten die Treiber, einen Banteng
gesehen zu haben; doch dürfte, da keiner der Schützen etwas bemerkt
hatte, dieser Stier nur ein mythischer gewesen sein.
Die Hitze war, wenn auch empfindlich, doch nicht so drückend
als tagszuvor, so dass auf mein Drängen noch ein Trieb improvisiert
wurde. Die Treiber zündeten an allen Seiten das Gras an und drangen
eine Strecke weit in den Wald ein, traten aber auch alsbald wieder aus
der Dickung heraus. Infolge der Müdigkeit der Treiber und ihrer Unlust
verlief auch dieser Trieb ohne Erfolg.
Nach dem üblichen Bade bei Durchwatung des Fiusses waren wir
schon gegen 4 Uhr im Camp, wo wir Herrn Kerkhoven nicht vorfanden.
weil er sich auf die Pfauenpürsche begeben hatte; ein gutes Zeichen
für seine Genesung.
Es erschien uns noch zu früh, um zuHause zu bleiben, wir ergriffen
daher die Schrnigewehre und streiften in den Dickungen neben unserem
Lager umher, um die ornithologische Sammlung zu vervollständigen.
Obwohl das Fortkommen in den Dschungeln und dem fast undurch-
dringlichen Alanggrase sehr schwierig war, so dass wir uns beinahe
jeden Schritt erkämpfen mussten, erlegten wir in der relativ kurzen
Zeit doch recht ansehnliche Mengen von Vögeln und darunter solche
interessanter Arten, so die vielfarbige javanische Papageitaube (Osmo-
treron vemans); dann Fruchttauben (Carpophaga aenea); ferner braune
Schweiftauben (Macropygia emiliana); Bartvögel (Cyanops lineata),
rothe Mennigvögel; Reisvögel (Munia oryzivora) und mehrere Exem-
plare eines glänzend dunkelgrünen Singstares (Calornis chalybea),
sowie Schwalben verschiedener Arten. Am Abende kehrte Herr Kerk-
hoven mit einer sehr schönen javanischen Pfauenhenne von seinem
Jagdzuge heim.
Als wir im Lager versammelt waren, stellte sich .starker Gussregen
ein. der sogar die Dächer unserer Hütten durchbrach; gleichwohl ver-
trieben wir uns die Zeit in sehr gemüthlicher Weise, indem unsere Jäger
jodelten und Hodek ganz famose Gedichte Stieters in obderennsischer
Mundart vortrug.
Kein Wunder, dass mich eine leise Mahnung von Heimweh über-
kam, dass mitten aus dieser herrlichen Tropenwelt die Gedanken in die
Heimat flogen, dass mancherlei Erinnerungen an schöne, in Oberöster-
reich verbrachte Tage wach wurden — gerade jetzt wach wurden, da
in der Heimat der Frühling ins Land zieht, die Natur nach winterlicher
Erst nach 5 Uhr abends ließ der Regen etwas nach, worauf wh*
IS trotz der großen Feuchtigkeit entschlossen, noch einen kleinen
arschgang in der Nähe des Lagers zu versuchen. Ich erstieg die Höhe
Dcrhalb der Hütten, wo sich zwischen Alangflächen Palmenhaine aus-
weiteten. Mehrere Tauben, darunter insbesondere Fruchttauben, fielen
ir zur Beute; von weitem sah ich auch zwei Affen und einen schönen,
)er leider sehr scheuen javanischen Pfau auf einer dürren Palme auf-
3baumt. Der Versuch, mich anzupürschen, misslang, da die Dickung,
e mich von ihm trennte, ganz undurchdringlich war. Überhaupt ist das
npürschen an irgend ein Wild in diesen Gegenden schon wegen des
armes, den man beim Anschleichen unwillkürlich verursacht, nahezu
nmöglich. Ebenso konnte ich keinen der javanischen Nashornvögel
•beuten, deren im Laufe des Tages mehrere hoch über die Bäume hin-
eggezogen waren.
Von der Höhe streifte ich an den Meeresstrand hinab, traf dort mit
ideren Herren zusammen und kehrte erst bei vollkommener Dunkelheit
ach dem Camp zurück.
Tjipandak, 23. April.
Da der Regen — offenbar dem Umstände zu Ehren, dass wir den
tzten Tag in Tjipandak verbrachten — aufgehört hatte, verließ ich,
Dwohl es bei Anbeginn des Tages noch sehr drohend aussah, mit
em Frühesten das Lager, um auf dem Wege zur Banteng-Jagd noch
.if Pfauen zu pürschen. Doch konnte ich keinen Pfau zu Gesicht
iikommen und schoss bloß einen javanischen Dschungelhahn. Fatal
ar mir auf der Pürsche, dass ich mich auf den Versuch beschränken
lusste, meinem malayischen Führer nur durch Geberden verständlich
A werden, was aber nicht von Erfolg begleitet war; denn jener führte
lieh unter fortwährenden Bezeigungen seiner Ehrfurcht, das heißt
idem er der Landessitte gemäß sich immer wieder niederhockte und
abei die Hände emporhob, unaufhörlich im Kreise umher und ver-
:heuchte durch seine Gesten alles Wild.
Mit den Herren meiner Gesellschaft wieder vereinigt, ritten wir
nen neuen Weg, der an Schwierigkeit und schlechten Passagen den
1 den vorangegangenen Jagdtagen zurückgelegten nichts nachgab;
ur ersparten wir uns das Durchwaten des Flusses. Es gieng wieder
srgauf und bergab und als man uns endlich erklärte, dass wir auf den
tänden angelangt seien, bemerkten wir, dass derselbe Trieb genommen
erden sollte, in welchem drei Tage vorher Herr Borrel einen Banteng
503
erlegt hatte. Doch wurde diesmal in umgekehrter Weise getrieben, waS
scheinlich um uns durch eine kleine Kriegslist zu täuschen. So hstlt
ich denn von vumherein wenig Hoffnung auf Erfolg.
Da die Sonne glühend brannte, ließ ich mir aus Palmenblüttem
einen Schirm bauen, hinter dem ich mich mit einem ganzen Arsenal
von Gewehren niederließ und mit Hodek der Conversation pflog. Der
im Grunde ein nur kleines Gebiet umfassende Trieb währte drei vtilir
Stunden lang, was mich annehmen ließ, dass auch die Treiber einige
Zeit -im Schatten kühler Denkungsart« verbrachten. Gegen Mittag gieng
wieder schwerer Regen nieder, der uns innerhalb weniger Minuten
völlig durchnässte.
Nach langem Warten kamen endlich die Jäger und Treibei
einzeln herangeschlichen und erzählten von frischen Fährten, ntin«
jedoch bestimmte Angaben machen zu können. Die E."cpediti"n M'ar
somit in Bezug auf großes Wild und besonders auf Bantengs ganz
resultatlos verlaufen. Die einheimischen Jäger pHegen eben weit später
zu jagen, denn in der gegenwärtigen Jahreszeit ist offenbar nicht mit
Sicherheit auf Beute zu rechnen. Überdies erzählte uns ru guterielzl
Herr Kerkhoven. dass in diesem Jagdgebiete allenthalben Spuren um
Wilddieben gefunden worden seien, Hütten, Fährten u. a. m.
Trotz des Misslingens der Jagd — unseres eigentlichen Zweckes
— werde ich diese Expedition nie bereuen; denn ich habe durch die-
selbe Einblick in von der Cultur noch unberührte (regenden Javas
gewonnen, mich an den Herrlichkeiten des tropischen Urwaldes ergfita
und einige angenehme Tage in unserem gemülhlichen Hüttenlagcr am
ITer des schönen Tji Pandak verlebt.
Abends machte Hodek noch einige photographische Aufnahmen;
dann streiften wir bis zum Einbrüche der Dunkelheit umher uai
brachten einige Stücke für die ornithologische Sammlung heim. LciJ«
hatten wir zwei Marode zu verzeichnen; Wurmbrand litt an den Folgen
einer heftigen Erkältung, so dass er die letzte Jagd nicht halle mii-
machen können, während abermals einer unserer Leute von «ioern
Marken FicberanfaUe heimgesucht worden war.
Tji pandak — Sindangbarang, 'i4. -V'-
Schon um 5 Uhr morgens wurde unsere Ruhe durch die Kulis
UoiiUW, welche beizeiten ans Werk giengen, um die Bagage mch
tJur nüchNtcn Marschstation — Sindangbarang — zu schaffen. Spittfj
^riießen wir das hübsche, gemüthliche uns so lieb gewordene Jagd-
lager in Tjipandak und folgten dem Trosse zu Pferd auf demselben
Wege, den wir bei dem Marsche zum Lager eingeschlagen hatten.
Anfanglich gedachten wir untenvegs auf Pfauen zu pürschen, ließen
aber dann dieses Project fallen und ritten ohne Aufenthall bis Sindang-
barang, wo wir gegen Mittag anlangten.
p;;inige der Pferde, welche infolge der anstrengenden Ritte der
letzten Tage kleine Schäden erlitten hatten, mussten in der Karawane
an den Zügeln geführt werden.
So lange sich der Weg längs der Meeresküste hingezogen hatte,
war die Temperatur dank der starken Brandung noch leidlich gewesen;
je mehr wir uns aber von der Küste entfernten, umso empfindlicher
wurde die Hitze. Die .Atmosphäre war von drückender Schwüle erfüllt,
die sich nachmittags in einem starken Gewitter entlud. Unsere
Thätigkeit zu Sindangbarang war nicht eben eine bedeutende zu
nennen; denn den ganzen Nachmittag hindurch huldigten wir dem
.Schlafe, während die .Abendstunden mit der Erledigung der Post aus-
gefüllt wurden.
Sindangbarang — Tanggeng. :
. April,
Bei leidlichem Wetter starteten wir in üblicher Art von Sindang-
barang. Gleichwohl boten die Wege bis Tanggeng, welche durch die
fortwährenden Regengüsse gründlich verdorben waren, unseren Pferden
bedeutende Schwierigkeiten. Einen Theil des Weges — jenen so steilen
Abstieg vom letzten Höhenrücken — mussten wir zu Fuß zurücklegen,
da die Pferde nur unbelastet hinabzuklettern vermochten.
Die Beschwerlichkeiten des Rittes wurden reichlich aufgewogen
durch den Genuss, welchen wir in der abermaligen Betrachtung der
prachtvollen landschaftlichen Scenerie fanden.
An der Grenze derDistricte Tjidamar und Djampang wetan nahmen
wir von dem Chef des ersteren Districtes herzlichen Abschied; das
Gebiet dieses Würdenträgers hatte uns zwar bei Tjipandak in jagdlicher
Hinsicht sehr wenig geboten, doch war er selbst höchst zuvorkommend
gewesen und hatte sich namentlich um die Durchführung der Expe-
dition viele Verdienste envorben.
Bei unserem Einreiten in Tanggeng hatte sich der Himmel
drohend umzogen und bald öffnete er alle seine .Schleusen: ein Walken-
bruch gieng nieder, der an Heftigkeil alles bisher Gesehene übertraf.
Nicht mehr in Tropfen, sondern in dicken Strahlen ergoss sich die Flut
V.^ -i.iiTc liles .ir.rer Wasser; um unser Haus
= : z_' ,li~:ie und Flösse schwollen in kurzer
•■:-4Dj:r:. var^r: die Kulis, welche wir mit der
-er^:;s är-rr TjJiigeng hinausmarschien, ur.i
-.•.IT. ^liTir. ia=s wohl sämmtliche Efteclen.
-■-■n ■■■.!ik,/:T!mer: durchnässt werden würce:^.
r-in-r'^r. ^= Seiürchtung aus, dass die Träge:
.■■.\j:~icr^,\z ^.= ~ch'Ti auf dem Ritte zur Küste
■:i.LZ\t. v-.-hi Äautn würden durchwaten können.
^'-'iien Absrd — der Regen hatte noch immer
? Tr-^ii •.■•:z vi.Ad'i mit ganz durchniisster Bagage
, y^\: '-'rd^^ic irkiiirten, der erste zu durch-
.i■^--■:'^^ i-'iie:;, iass ein Passieren desselben ganz
:-^--r-- "'•:'.l aer Kuli:?, welcher früher aus-
:.:-^:i r'.-ii vjch zu übersetzen vermocht
1..-. :::-^-^.:r. ^>;nn unter solchen Verhältnissen
r iji- .-■"■--' -^icht übersetzen. Längeres Ver-
:-3r ■-:!::-- i::i- ^anze weitere Programm arg
.;■■ V.l;.,c ---lIcc der Extrazug auf der Station
■rif ?=: i^ezi '.leneralgouvemeur slattfinJen
-■JJ-— ■ ■: Tandjong Priok dampfklar sein,
;,-:;- -.vjjjr dem Eisenbahn-Directop, noch
.-;- j^iir. Sch-.:^scommandanten konnten wir die
:.'.. ij.<i' -.vs von Tjibeber und damit von
..-■■^-<c:::v.::jit seien. Da auf den Bahnen Javas
Unsere Stimmung wurde eine um so trübere, als Herr Kerkhoven
erklärte, dass selbst in dem Falle, als es uns Reitern gelingen sollte, am
nächsten Tage bis Tjibeber vorzudringen, die Bagage nicht rechtzeitig
die Bahnstation erreichen könne.
Schließlich wurden wir der Wetterbeobachtungen müde und legten
uns 7Air Ruhe.
Tanggeng — Buitenzorg, 26. April.
Um 1 Uhr nachts hatte der Regen endlich ein wenig nachgelassen.
Kurze Zeit darauf war die erfreuliche Botschaft eingelaufen, dass es
doch möglich sein werde, den Fluss zu passieren, da es im Gebirge
weniger stark geregnet zu haben scheine und das Wasser rasch falle.
Diese Nachricht wurde selbstverständlich mit großer Freude aufge-
nommen. Um 7^ 4 Uhr morgens waren wir schon zum Aufsitzen bereit,
allein da die Eingeborenen offenbar keine besonderen Freunde des
Frühaufstehens sind, so währte es noch einige Zeit, bis sich unsere
nächtliche Karawane in Bewegung setzte; denn die Pferde mussten
erst gesattelt, die Führer geweckt werden und zum Schlüsse fehlten
die Laternen und Fackeln, ohne welche es unmöglich war, in der stock-
finsteren Nacht von der Stelle zu kommen. Energische, mitunter nicht
ganz salonfähige Worte brachten schließlich die verschlafenen Leute
auf den Platz, und etwas nach 4 Uhr morgens ritten wir im Gänse-
marsche, zwischen je vier oder fünf Reitern einen Fackelträger, von
Tanggeng ab. Der Ausdruck Fackelträger ist insofern ein euphemisti-
scher, als die Fackeln lediglich in brennenden Holzspänen — natürlich
wieder einmal Bambus! — bestanden.
Der stark angeschwollene Tji Buni wurde auf einer Brücke pas-
siert; dann gieng es ins Gebirge, wo wir aber oft absitzen mussten,
da die Pferde unter der Last des Reiters auf dem glatt gewaschenen,
steilen Pfade nicht recht von der Stelle kamen. So rückten wir leidlich
vorwärts und als wir bei der durch den nächsten Fluss führenden
Furt anlangten, deren Übergang als besonders gefährlich hingestellt
worden war, graute bereits der Morgen, so dass wir sofort mit aufrich-
tiger Freude wahrnehmen konnten, wie sehr das Wasser inzwischen
gesunken war. Der Übergang vollzog sich sonach ohne besondere
.Schwierigkeit; die Pferde kamen zwar tief ins Wasser, erreichten aber
dennoch anstandslos das andere Ufer. .So rasch, ja plötzlich solche
Gebirgswässer auf Java gießbachartig anschwellen, ebenso rasch fließt
das Wasser ab, so dass der Fluss bald wieder seinen gewöhnlichen
507
Auf halbem Wege hatten die Herren Kerkhoven, Baron van
feeckeren und Herr Borrel den Zug verlassen, um auf ihre Plantagen
urückzukeh?en. Die drei Herren waren dank ihrem natürlichen und
emüthlichen Wesen die ganze Dauer der Expedition hindurch ange-
»hme Jagdgenossen gewesen, die ich sehr schätzen gelernt hatte, so
ISS sich der Abschied recht herzlich gestaltete.
In Buitenzorg, dessen Hauptstraße wir noch von zahlreichen
paziergängern belebt fanden, verfügte ich mich in das Palais des
eneralgouverneurs, bei welchem ich das durch Schilderungen des
ufenthaltes im Lager zu Tjipandak gewürzte Diner einnahm.
Buitenzorg — Batavia — Tandjong Priok, 27. April.
Die Spanne Zeit, die mir in Buitenzorg noch gegönnt war, bevor
:h Java verließ, benützte ich, um zwei Objecte in Augenschein zu
lehmen: ein VV^erk friedlicher Thätigkeit, den botanischen Garten, und
ine militärische Anstalt, die Kaserne.
Der weltberühmte botanische Garten (*s lands plantentuin), welcher
m Jahre 1818 unter Generalgouverneur Baron van der Capellen von
tinem Deutschen, dem Landbaudirector Professor Reinwardt, geschaffen
vard, dient zur Cultur von Pflanzen für wissenschaftliche und Unter-
ichtszwecke und enthält selbstverständlich nur solche Gewächse,
i^elche in dem tropischen Klima Buitenzorgs gedeihen. Um Pflanzen
:ühlerer Zonen cultivieren zu können, hat man eine Anzahl botanischer
löhenstationen auf verschiedenen Stufen des Gede-Gebirges, an dessen
uße Buitenzorg gelegen ist, sowie auf dem Gipfel des Pangrango
rrichtet. Dort werden von der Leitung des Buitenzorger Gartens jene
rewächse gezogen, welche eine Höhenlage von 985 ni aufwärts bis zu
700 m erfordern.
Dieser Garten, welcher etwa 60 ha umfasst und gegen Norden in
en zum Palais des Generalgouverneurs gehörigen Park übergeht,
eichnet sich beim ersten Anblicke vor allem durch die Schönheit seiner
age aus. Nach Süden hin erheben sich die grandiosen Gipfel der
blauen Berge«<, das ist der erloschenen \'ulcane Salak und Pangrango.
"on dem diese beiden Gipfel verbindenden Sattel senkt sich wellenför-
liges Terrain nach Buitenzorg nieder. Der Palaisgarten selbst ist sanft
bgedacht, im Osten vom Tji Liwung begrenzt, mit schönen Laub-
äumen, Palmenallccn, Bambusgebüsch, Rasenflächen und Wasser-
ecken geschmückt.
509
Im ganzen werden hier etwa 9300 Pflanzenarten (300 Familier.
2500 Geschlechter) cultiviert. Ich hatte von diesem Garten viel reden
gehört und war von vielen Seiten auf seine Pracht aufmerksam gemacht
worden, so dass ich ihn mit Erwartungen betrat, welche allerdings nichl
vollauf in Erfüllung giengen. \'om wissenschaftlichen Standpunkte aus
besitzt dieser mit einer Fachbibliothek und einem »Landbau-Museum«
ausgestattete Garten unzweifelhaft einen außerordentlich hohen Wen:
alljährlich kommen Gelehrte aus Europa nach Buitenzorg, um hier
Studien zu obliegen und Forschungen anzustellen. Allein das Bestreben,
auf einem immerhin beschränkten Raum eine wahre Unzahl der ver-
schiedenartigsten Gewächse der tropischen Region aller VVelttheile und
speciel! der malayischen Zone unterzubringen, führt dazu, dass hier
Vieles allzu dicht gedrängt nebeneinander steht, manches nicht zu
völlig freier Entwicklung gelangt, anderes doch nicht alle jene Bedin-
gungen vorfindet, welche Boden und Klima den Pflanzen auf ihrem
natürlichen Standort oder bei vollkommener Acclimatisation bieten.
Die Anordnung des Gartens ist eine streng wissenschaftliche,
so dass der Fachkundige unverzüglich orientiert ist. In einem Theile
des Gartens sind zum Beispiel ausschließlich Palmen der verschie-
densten -Arten, in einer anderen Partie nur Eichen oder Coniferen
gcpllanzt, weshalb denn in jeder .Abtheilung eine gewisse Eintöni^ei:
der Formen vorwaltet. Diese .Anordnung ist allerdings den Zwecken
der Boobuchlung äußerst dienlich. Der Laie aber blickt auch in derlei
Anlagen vorzugsweise nach dem Schönen oder Originellen, nach male-
rischen Gruppen, üppigen oder curiosen Solitärbäumen, nach dem
Reizenden oder dem Merkwürdigen aus. Er folgt, um es kurz zu sagen.
Exemplare, einzeln oder in Gruppen, interessantester Pflanzenfamilien
und Pflanzenarten enthält. Unter anderem fallen insbesondere auf: eine
aus riesigen Canarienbäumen (Canarium altissimum) gebildete Allee,
in welcher jeder Stamm mit einer anderen Gattung Orchideen bedeckt
ist; in den verschiedenen Wasserbecken, welche der Garten enthält,
prächtige Exemplare von Nymphaeaceen, wie die südamerikanische
Victoria regia, die Nymphaea lotus, die Nymphaea pubescens (javanisch:
Taratte ketjil), die Nymphaea stellata (Taratte biru); dann Exemplare
von Nelumbium speciosum (Taratte gede) u. s. w.
Der Besuch der Kaserne gab mir erwünschte Veranlassung, mich
über die actuellen Land- und Seestreitkräfte Niederländisch-Ostindiens
näher zu informieren.
Die niederländisch -ostindische Armee besitzt gegenwärtig eine
Stärke von 33.339 Mann mit 1360 Officieren, darunter 26.536 Mann
(697 Officiere) Infanterie; 3120 Mann (83 Officiere) Artillerie; 832 Mann
(29 Officiere) Cavallerie; 646 Mann (12 Officiere) Genie, und 2205 Mann
(539 Officiere) andere Truppen, als Stäbe u. s. w. Diese Armee ergänzt
sich ausschließlich durch Anwerbung sowohl aus Europa, insbesondere
aus dem Deutschen Reiche, wie aus den Colonien. Von den Mann-
schaften sind 13.847 Europäer, 19.437 Eingeborene, 55 Afrikaner.
Als Commandant der ostindischen Landmacht fungiert General-
lieutenant A. R. W. Gey van Pittius, welcher in dieser Function dem
Generallieutenant T. J. A. van Zyll de Jong am 4. April 1893 nach-
gefolgt war.
Die indische Flotte gliedert sich in die Kriegs-Marine, welche in
die indische Militär-Marine und das Auxiliar- Geschwader zerfällt, und
in die Gouvernements-Marine. Die Militär-Marine zählt 25 Fahrzeuge —
darunter 2 Segelschiffe — mit 5273 Netto-Tonnengehalt, 14.913*5
indicierten Pferdekräften, 87 Geschützen und einem Bemannungsetat
von 1340 Europäern und 643 Eingeborenen. Zu der Militär- Marine
gehören noch 2 Wachtschiffe mit 10 Geschützen, sowie mit 557 Euro-
päern und 313 Eingeborenen an Bemannung. Das Auxiliar-Geschwader
umfasst 4 Fahrzeuge mit 4040 Netto-Tonnengehalt, 11.932 indicierten
Pferdekräften, 58 Geschützen und einem Bemannungsetat von 832 Euro-
päern und 282 Eingeborenen. Der Gesammtstand der Schiffsbeman-
nungen beträgt sonach 2729 Europäer (281 Officiere), hievon 519 Mann
(50 Officiere) Marine-Infanterie, und 1238 Eingeborene. Die Gouver-
nements-Marine besteht aus 17 See-Dampfbooten, 5 Fluss-Dampfbooten
und 10 kleinen Segclfahrzeugcn (Avisos). Die Dampfboote haben
511
hst wurden die Wachlocale und Arreste
-li der Commandant in die Mannschaftszimmer,
I F-jngehorene, compagnieweise getrennt, ihre
unterscheiden sich nur in den Lagerstätten,
■ Betten benützen, während die Eingeborenen
li-chun schlafen. In den durchwegs überaus
rscilto peinliche Ordnung und Sauberkeit.
■cmdcti.*. war, in einem unter tropischem Himmel
le so grolle Menge Eisen verwendet zu sehen;
mit Wellblech gedeckt und zwischen je zwanzig
angebracht, an welchen die Leute ihre
haben. Meiner Ansicht nach würde Bambus hier
m wie Eisen, welches ja doch nothwendiger-
:ie Hitze in den Räumlichkeiten wesenthch zu
^Ite ich die Uniform — das schwere blaue Tuch
Sihelm. welcher den Kopf und vor allem den Nacken
jt — Hir priiklisch. Sehr reichlich ist die Mannschaft
, Jndum jeder Mann pro Jahr drei Paar ganz
otzdeni gehen die Eingeborenen -Compagnien
£(Uful3.
'ist das Berdun- Gewehr eingeführt; doch sind jetzt
ftuinlichcr in Erprobung; als Seitengewehr dient ein
Jien Haubajonett und Handschar. Dieses Messer ist
"Buschkappen", das ist Abhauen von Ästen, Lianen
ion Bambus in den Dickungen des tropischen Urwaldes
ftückentheil der Messer, welche die Unterofficiere führen,
I und schön sind die Unterofficierszimmer sowie die
hebstbei haben die Unterofficiere eine Messe und eine
t-das sich wohl mit mancher europäischen Officiersmesse
B ließe. In der Messe, deren Wände mit zahlreichen Bildern
■sehen Emblemen geschmückt sind, ist schönes Geschirr und
SGebrauche, während im Casino, einer luftigen Halle, für den
p durch allerlei Spiele, für die Erquickung der Besucher aber
^ Büffet vorgesorgt ist. an welchem ein besonderer Kantinen-
I&nke ausschenkt. Die Sanitätsofficiere nehmen Einfluss darauf,
r Genuss von »slerken drank» (Liqueuren) die für das Klima
snormalen Grenzen einhalte, übermäßiger Genuss von Spirituosen
513
ist ja hier nicht nur an und für sich schädlich, sondern stört auch nÖJ
insbesondere den AccÜmatisationsprocess, welchen jeder Europäer bei '
längerem Verweilen auf der Insel durchzumachen hat.
Auch die Mannschaft der europäischen Compagnien hal eine
ähnliche Recreationshalle wie die Unleroffi eiere.
Eine ganz eigenthümliche Einführung ist, dass sämmtlichen Sol-
daten, Europäern wie Eingeborenen, gestattet ist, in der Kaserne Frauen
bei sich zu haben, die ihnen als Wäscherinnen, Näherinnen und Ess-
warenverkäuferinnen Dienste leisten. Auch ins Feld Kcht, wie zur Zeit
der deutschen Landsknechte im 15. und 16. Jahrhunderte, der ganze
Troas von Weibern mit. Diese werden dann sämmtlich in regelrechte
Compagnien zusammengestellt, in welchen die Frauen der Unter-
offidere das Commando führen, während ein Officier, wie bei Jen
Landsknechten der »Weibel«, mit der Aufsicht über das ganze Ama-
zonencorps betraut ist. In den Vormittagsstunden werden, wenn Ji«
Mannschaften außerhalb der Kaserne sind, alle diese Damen in einem
großen Räume vereinigt, wo sie ihren häuslichen Verrichtungen nach-
kommen und nebstbei auch für ihre ziemlich zahlreiche Nachkommen-
schaft die Mahlzeit bereiten. Hier geht es dann oft recht lebhaft zu iinJ
mag es gar nicht leicht sein, diese große Anzahl • ärarischer Damen-
mindester Kategorie immer im Zaume zu halten. Ich besuchte auch das
besagte Zimmer, in dem sich eben etwa hundert Weiber befanden unJ
in welchem entsetzliche Unordnung herrschte. Die Frauen der Einge-
borenen müssen in der Nacht unter den Pritschen auf nacktem Boden
schlafen. Für die Kinder sorgt theilweise die Regierung, da die meisten
europäischen Soldaten, wenn sie nach vollendeter Dienstzeil in lüe
Heimat zurückkehren, ihre Familien einfach zurücklassen und dieselben
sonst dem Elende preisgegeben wären.
Beim Besuche der Küchen setzte mich die im Vergleiche zu der
Verpflegung unserer .Soldaten so reichhaltige Kost der Mannschaft in
Erstaunen, Morgens erhält jeder Mann Kaffee, sowie Eier und Butter
oder Schinken: um II Uhr Suppe, eine sehr große Portion Fleisch
und eine ausgiebige Ration Gemüse; um 4 LIhr wieder Fleisch und Reis.
Nun wurde ich noch in den Turnsaal, den Schulsaal, die Werk-
stätten und Magazine geführt. Letztere sind zum irnterschiede von
unseren Magazinen sehr dürftig ausgestattet und enthalten bloß «in
ganz geringes Quantum von Vorräthen, da stets alle Lieferungen sofort
an die Truppen ausgegeben werden, und die nöthige Ergänzung diwd
durch das Haupt-Verpflegsmagazin in Batavia geschieht.
■ Obschon die niederländische Regierunp und namentlich das
Kriegs-Departement die letzten Jahre her eifrig bemüht waren, die
militärischen Einrichtungen zu Verbessern und in jeder Beziehung für
das Wohl der Armee zu sorgen, so bleibt denn doch noch viel zu thun
übrig, wie dies unter anderem auch mancher Misserfolg im Kriege mit
Atschin auf Sumatra gezeigt hat Welche Umstände in diesem Kriege
von schier endloser Dauer zu Ungunsten der Niederländer mitgespielt
haben, und ob hieraus auf ein Zurücktreten des miÜtärischen Geistes
des holländischen \'olkes vor dessen bedeutendem Colonisationstalent
und dessen hoch entwickelten commerziellen Fähigkeiten geschlossen
werden dürfe, ist wohl schwer zu entscheiden.
Dass die Niederländer ihre kriegerischen Occupationen in Ost-
indien durch eine angemessene ColonialpoHtik zu fordern verstehen,
scheint unzweifelhaft. Die Verwaltung der Colonien ruft den Eindruck
hervor, als sei sie eine vortreffliche. Überall zeigt sich Wohlstand, tritt
bei den Europäern sowohl als auch bei den Eingeborenen Zufriedenheit
mit der Regierung in weit höherem Maße zutage, als dies in anderen
Colonialreichen der Fall ist.
Vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, sind mir jedenfalls
die Holländer auf Java als gastfreundliche und gemüthUche Leute
erschienen, die mir durch offenes, herzliches Entgegenkommen sowie
dadurch in bestem Angedenken bleiben werden, dass sie ihre Ein-
richtungen und Eigenschaften nicht überschätzen — ein Vorzug, dem
man nicht überall begegnet.
Auf dem Bahnhofe von Buitenzorg nahm ich vom Generalgouver-
neur und von allen anderen holländischen Herren Abschied, um nach
Batavia zurückzukehren, wo ich von un.serem Consul Fock zum Früh-
stück geladen war. Frau Fock, eine imposante Erscheinung, machte in
dem sehr nett eingerichteten Hause in liebenswürdigster Weise die
Honneurs.
So manches in dem Speisezimmer brachte uns die Heimat in
freudige und anheimelnde Erinnerung. Da standen die Bilder Ihrer
Majestäten des Kaisers und der Kaiserin; der Tisch war mit Blumen
und Bändern in unseren Farben geschmückt; selbst die Menüs trugen
Photographien mit Ansichten aus den geliebten Gebirgsländem Öster-
reichs und aus dem schönen Wien.
Ein E.Ktrazug brachte uns nach Tandjong Priok, wo ich mich
wieder an Bord der -Elisabeth- einschiffte. Die Handelsschitfe im
Hafen hatten bei meinem Eintreffen Flaggengala angelegt.
Die Herren meiner holländischen Suite besiciitigten die •Elisabeth
eingehend, deren artilleristische Armierung und sonstige moderne Ein-
richtungen besonders den Obersten Dö Moulin lebhaft interessierte; er
ließ sich unter anderem die sämmtlichen Geschütze bis in jedes
Detail demonstrieren.
Endlich verabschiedeten wir uns auf das herzlichste von Jen
Herren der holländischen Suite; die Anker wurden gelichtet und unter
den Klängen der holländischen Nationalhymne verließen wir mit Curs
gegen Australien das schöne Java.
Port Kennedy auf Thursday Island
In See nach Sydney.
i
k
i
f
trt Kennedy auf Thursday Island — In See nach Sydney.
In See nach Von Kennedy. 28. April.
Das gewohnte Bordleben ist wieder in seine Rechte getreten. Eine
sechzehn tägige Fahrt steht uns bis Sydney bevor. Wir beginnen die
lange Muße auszufüllen, indem wir uns der Verpackung und Stauung
der von der Landexpedition mitgebrachten Gegenstände und der Ver-
vollständigung der vernachlässigten Tagebücher widmen. Jäger und
Diener haben eifrig Hand anzulegen, um alle die Schäden wieder gut
zu machen, die an unseren Gewehren und Jagdutensilien infolge der
steten Regengüsse eingetreten sind.
Die Regenzeit, welche heuer in diesen Breiten abnorm lange
dauert, macht sich noch sehr fühlbar, Häufig genug trübt sich der
klare Himmel binnen wenigen Minuten und fegen Gewitterböen mit
tropischen Güssen über das Schiff hinweg.
Gegen 2 Uhr nachts passierten wir die Boompjes-Eilande ; mittags
Hatten wir backbord die Karimon Djawa-Eilande, steuerbord die sehr
bergige Küste von Java mit dem Cap Mandelika.
Im Laufe des Tages zeigen sich einige holländische Segelschiffe,
die wahrscheinlich Tandjong Priok zusteuern, und ganz kleine Fischer-
boote, die sich, da die See ruhig ist, sehr weit ins Meer hinauswagen
und in der Nacht die Navigation erschweren, weil sie keine Lichter
aussetzen und man deshalb oft Gefahr läuft, eines dieser Boote, dessen
man erst im letzten Augenblicke gewahr wird, zu überrennen.
Der bei der Saujagd in Garut erbeutete Fnschling gib! dtd
lautes Schreien seine Existenz kund, und eine in Java eru'orbetie jufl
VVildltatze erweist sich sehr bösartig. Leider gehen infolge des feuchl
und unbeständigen Wetters viele der Papageien ein. Dafür erfreuend
unsere beiden Affen -Fips* und «Mucki', die auf dem Achterdeck unltf-
gebracht sind, durch ihre gute Laune und ihre heiteren Spränge:
namentlich während des Diners sind sie recht possierlich und (reiben
manchen Schabernack.
Von der Brücke aus beobachtete ich im Laufe des Tag
mehreremale große Züge von Fischen — eine Art Makrelen, die, v
sie wahrscheinlich im Laichen begriffen waren, unablässig aus dd
Wasser sprangen; Schwärme von Möven begleiteten die ziehend
Fische, Häufig wurde ich fliegender Fische gewahr, deren wir z
die sogar bis in die Batterie geflogen waren, fiengen.
In See nach Port Kennedy, 2fl. Api
In der Nacht gegen 1 Uhr gieng ein starkes Gewitter nieie
welches durch seine heftigen Donnerschläge alle Schläfer weckte, t
der Regen, von einer frischen Brise gepeitscht, durch die Lucken in
die Räume drang, ertönte das Commando: «Lücken schließen-. Gegen
Morgen lachte blauer Himmel auf uns nieder — eine Stunde später
sandte er aus einem Wolkenraeere Regengüsse herab. Die See blieb
bei dieser schwankenden Witterung stets ruhig.
Gegen Mittag befanden wir uns in der Sapudi-Straße zwisch
Madura und der Insel Sapudi, In der Ferne erblickt man den I290l|
hohen Vulcan Baiuran (Baloeran) an der Ostküste Javas, im Distrii
Panarukan der Regentschaft Besuki gelegen; diesem Feuerberge \
der letzte Gruß, den wir Java zusandten; denn nun nahmen wir CuB
gegen die Insel Lombok.
Während der Fahrt wurden in hoher See viele Schlangen
bar; zum erstenmale ersah ich auch »Seeschlangen« , und zwar 6
meterlanges, ganz weißes Exemplar, sowie ein kleineres schwarsU"*
gelb gestreiftes.
Die Aussicht gegen Lombok und die westlich von diesem geleg*
Insel Bali, beide zur Timor-Gruppe gehörig, war leider durch Dunst W
Wolken getrübt; doch kamen Bali und der Berg Agung (Agoefl
3200 m) immerhin, wenn auch nur für Momente, zum Vorschein, Abcfl
erfreute uns endlich wieder herrlicher Mondschein, so dass dw E
iberaus wirkungsvoll war, als wir uns der Insel Lombok näherten. Der
/ulcan Rindjani, welcher die bedeutende Höhe von 3800 m erreicht,
iteigt beinahe senkrecht aus der See empor und gewährt einen impo-
santen Anblick; anfangs war seine Spitze durch dichtes Gewölk ver-
lüUt, doch plötzlich theilte sich der Schleier und vom Monde silberhell
)eleuchtet lag der Bergkoloss vor uns. Da wir nur wenige Meilen von
1er Küste entfernt fuhren, so konnte man die Contouren des Berges
;elbst mit unbewaffnetem Auge genau wahrnehmen.
Die Inseln Bali und Lombok bilden eine selbständige Resident-
chaft. Die Pacificierung Lomboks, dessen rohe, zum Theil am Brahma-
lismus hängende, zum Theil mohammedanische Bevölkerung unter der
'ührung des Rädschas, eines Balinesen, den Holländern großen Wider-
tand leistet, macht bedeutenden Aufwand an Geld und Truppen seitens
er Niederländer nothwendig. Für die Hartnäckigkeit des Widerstandes
eugt, dass, wie uns kurz vor der Abfahrt von Java berichtet wurde,
wenige Tage zuvor auf Lombok ein Gefecht stattgefunden hatte, in
.'clchem ein Officier und eine Anzahl Soldaten der Colonialtruppen
efallen sind, während auf dem bei dieser Action betheiligten Kanonen-
oot einer der Seeofficiere schwere Verwundungen davongetragen hat.
In .See nach Port Kennedy, 30. April.
Noch nachts wurde in der Hundswache zwischen den Pater-
oster -Inseln und der Bank Maria Reigersbergen Medang passiert,
lorgens kam die unter dem Oberbefehl des Gouverneurs \-on Celebes
tehende Insel Sumbawa mit dem 2756 m hohen Wilcane Tambora in
• icht. Für alle diese verhältnismäßig kleinen Inseln sind die Berge
liarakteristisch, welche sich direct aus der See steil emporheben und
u bedeutenden Höhen aufragen. So viel mit dem Fernglase zu unter-
crheiden war, tragen sie auch reiche, tropische Baumvegetation, welche
ie und da von lichteren, wie es scheint mit Gras bewachsenen Stellen
nterbrochen ist.
Gegen Mittag sahen wir noch die Insel Sangeang, die eigentlich
ur aus dem Vulcane (Gunung, Goenoeng) Api, einem 1884;;/ hohen
I^cgelberge besteht, dessen letzte starke Eruption im Jahre 1820 statt-
Cifunden hat. Späterhin erschien die Insel Flores, deren westlicher
"heil dem Gouverneur von Celebes untersteht, während das übrige
riselland zur Residentschaft der im Obten von Sumba liegenden Insel
"imor gehört — und nun befanden wir uns in der Flores-.See.
521
I^iim ersitfr-n'-A'-e !>eoi'ach:e;e ich mehrere Fregattenvögel 'Tachy-
}HMos .■»qiir.u?\ \ve!chs iirser Schiff umschwännten : ich schoss auch
oinijicniiitiL' : vi^'ch war dit' P:s;dr:: sine zu bedeutende, als dass ich mei.i
^^itfl onvich: h-tb^:-. würde.
IVr v»-.', Rfi:vi'tS>er. h^ilber, die wieder rdedergegangsn waren.
h,wo difr \.io:;csd;?r;?: heute ir. der Batierie =tartgefander_ Er.d:.i:b
hellTs- sich di^r H;--:r'.e; .v^f und rl-er du \\"e"er bis zun Aber.ce cor-
sl,v>:, s,> d,i## vv- «tcdsr i--.r.~iZ e r.er: herrliche:: >?:Trer.j.-:;rgi-;:
:=r3ii:r
n Revolverschießen ohne jede Übung, die Flaschen häufig fehlte. Dem
cheibenschießen folgte ein sehr heiteres Matrosenfest mit den ver-
:hiedenartigsten Spielen: den ersten Theil des Festprogramms bildete
as bekannte Sacklaufen, bei welchem Leute in Säcke völlig ein-
snäht wurden und sich die komischesten Stürze und Unfälle ergaben ;
ann kam ein Tauziehen, in welchem zumeist die riesenhaft starken
eizer Sieger blieben; ferner ein Wettlauf zwischen paarweise an den
üßen aneinander gefesselten Matrosen. Die Hauptnummer des Pro-
"amms aber bestand aus einem Tauchen nach Geldstücken in einer
eterhoch mit Wasser gefüllten Balje. In diese wurde ein Dollar ver-
jnkt; dann band man den Tauchern die Hände auf dem Rücken
jsammen, worauf die Leute den Dollar mit dem Munde herausholen
)llten. Natürlich gelang dies nur nach wiederholten Versuchen. So
lanch er versank ganz in der Balje und musste herausgehoben werden,
ier kam nach einiger Zeit ohne Resultat aus dem Wasser her\-or, was
e Zuseher stets mit wahren Lachsalven begleiteten. Die L^nterofficiere
theilten ihren Schützlingen gute Rathschläge. Brachte einer der
aucher endlich das Geldstück ans Tageslicht, so wurde er von den
ameraden mit lautem Jubel empfangen. Die Leute amüsierten sich
-ächtig, und wir freuten uns der L^nterhaltung, welche ihnen dieses
piel gewährte. Den Beschluss machte noch eine sehr schwierige
t)ung, nämlich das Erklettern eines ungefähr 5 m langen dicken Taues,
i-S über und über mit Talg beschmiert und daher glatt war wie die
^ut eines Aales. Viele versuchten vergebens das Kopfende des Taues
i erreichen; meist mussten sie schon auf halbem Wege wieder von
rem Vorhaben abstehen, da sie die Kraft verlassen hatte. Man sah,
ie die Kletterer sich anstrengten und selbst mit den Zähnen nach-
^Ifen; doch alle Bemühung blieb vergeblich. Da trat ein kleiner
'limächtiger Mann vor, von dem alle glaubten, er würde nicht 2 ;;/
^porkommen; allein, behende wie ein Affe, hatte er mit einigen
Jcken das Tau erklettert, wofür ihm lauter Beifall und ein schöner
'^is zutheil wurde. Nachdem noch zwei anderen Matrosen das schwie-
ge Kunststück gelungen war, beschloss ein Tanz der Mannschaft
ts improvisierte Maifest.
Die sinkende Sonne beleuchtete den Horizont und die See auf
^s intensivste; zu gleicher Zeit aber wälzte sich von weitem schon
Ti schwerer Regen heran, der sich über uns ergoss, als wir eben
A'ischen 6 und 7 Uhr die von den Inseln Kanibing und Wetter
ankierte Wetterstraße passierten.
523
In See nach Port Kennedy, 2. Mai,
Am Morgen sahen wir in der Ferne die Inseln Timor und Kisser,
erstere steuerbord, letztere backbord. Beim Nordostende von Timor
nördlich vom Eilande (Nusa, Noesa) Besi liefen wir in die Arafura-See
ein, südlich der Eilande Letti, Moa und Leilcor steuernd. Gegen Mittag
kam noch die Insel Sermata in Sicht; dann waren wir in ganz offener
See und nahmen direct Curs auf die den Indischen mit dem Stillen
Ocean verbindende Torresstraße.
Der Tag war schön und klar. Südlich von Sermata stellte sich
leichter Ostmonsun ein, welcher allmählich auffrischte, doch nie die
Stärke 4 der Windscala überschritt. Die See war nur mäßig bewegt.
Während des Tages fiel nichts Bemerkenswertes vor; das Leben
an Bord gieng seinen gewöhnlichen Lauf. Wir beschäftigten uns haupt-
sächlich mit Leetüre von Reisewerken und Studium von Karten, auf
diese Weise unsere Kenntnisse über Australien bereichernd, das wir
ja demnächst betreten sollen.
Manchmal zogen große Möven, Fregattenvögel, sowie kleine
schwarze Sturmvögel vorbei. Als ich auf einen sehr hoch über dem
Schiffe streichenden Fregattenvogel geschossen hatte, ließ derselbe,
anscheinend getroffen, aus dem Schnabel einen fliegenden Fisch auf
Deck füllen, der alsbald in Spiritus wanderte. Im Contre-Carre fiengen
die (adelten einen fliegenden Fisch neuer Art mit schönen, intensiv
schwarzgülb gefärbten Brustflossen, welcher durch ein Seitenlichl
hereingellogen war.
.Abends wieder schöner Mondschein.
In See nach Port Kennedv, 4. Mai.
Der heutige Tag ist ein trauriger Gedenktag für mich und so
schwieg auch die Bordmusik, die uns sonst zweimal des Tages durch
ihre heiteren Weisen erfreut.
Am Morgen sahen mehrere Herren eine Strecke der See mit einer
großen Menge gelber Blüten bedeckt, die wahrscheinlich ein Sturm von
der australischen Küste hergewirbelt hatte.
Der Abend vereinigte wie gewöhnlich die Mitglieder des Stabes
auf dem Eisendeck und auch ich gesellte mich zu den Herren. Einige
derselben gaben interessante Erzählungen von ihren weiten Reisen
zum besten. Die lange Seefahrt, das stete Beisammensein auf dem
Schiffe bringt einander immer näher; das kameradschaftliche Leben
befestigt sich und bildet die einzige, aber willkommene Erholung. Hat
man das Glück, einen so angenehmen Kreis v^on Officieren um sich zu
haben, wie jenen, der auf der »Elisabeth^< eingeschifft ist, so fühlt man
sich bald als Mitglied einer großen Familie, die Freud und Leid theilt.
Spät abends zwischen 10 und 11 Uhr frischt der Wind auf; der
Mond blickt klar auf uns herab. Diese Zeit bietet die angenehmsten
Momente des ganzen Tages, und auf der Brücke stehend, erquicken
wir dann, die erfrischende Kühle einathmend, Leib und Seele.
Port Kennedy, 5. Mai.
In einer gewissen Aufregung eilte ich heute morgens zu der
Brücke empor. Erblickten wir ja doch um die achte Stunde einen
neuen, den zuletzt entdeckten und, wie die Wissenschaft behauptet,
den allerältesten Welttheil, Australien. Vorerst blieb uns allerdings der
insulare Continent noch verborgen; dagegen kam uns aber ein, wenn
auch kleines Stück Oceaniens zu Gesicht: die der Xordspitze des
australischen Festlandes, dem Cap York vorliegende Prince of Wales-
Insel und das Booby Island mit seinem weithin sichtbaren Lcucht-
thurme, den wir von Südwesten anliefen, um in den Normanby-Sund
zu steuern.
Allmählich waren die Contouren dieser Inseln bestimmter hervor-
getreten. Dann tauchten aus der blauen See immer wieder neue, grüne
Eilande empor, bis wir endlich die Einfahrt zwischen der Goode-Insel
und PViday Island deutlich wahrnehmen konnten. Nördlich von Goode
Island starrten uns die traurigen l -berrcste eines zugrunde gegangenen
523
das letztgenannte Eiland bildet, tragen, vielleicht zum Gedächtnisse
der Tage, an welchen sie entdeckt wurden, vorwiegend Namen der
Wochentage; so finden wir von Osten her in rascher Folge die Inseln:
Tuesday, Wednesday, Thursday, Friday.
Port Kennedy bietet uns sofort ein Beispiel für den echt britisch-
australischen Unternehmungsgeist und Eifer, welcher an den Küsten
des Continents, dem wir uns nähern, in überraschend kurzer Zeit ver-
hältnismäßig Bedeutendes zu schaffen gewusst hat.
Im Jahre 1878 ist die Ansiedelung Somerset von Cap York, wo sie
sich bis dahin befunden hatte, auf die Thursday-Insel verlegt worden.
Vor acht Jahren, wie die Segelhandbücher besagen, nur fünf Häuser
zählend, ist Port Kennedy seither zu einem ziemlich ansehnlichen
Gemeinwesen emporgeblüht, welches, wie der Lotse mit Stolz erzählte,
ein Regierungsgebäude, fünf Hotels und 36 — Billards besitzt. Diese
lapidare Statistik des alten Seebären sei durch die Mittheilung ergänzt,
dass gegenwärtig auf Thursday Island Fortilicationen erbaut werden:
schon erheben sich Militärbaracken und die Grundfesten eines Forts.
Dieses ist zwar vorläufig noch mit alten Geschützen bestückt; aber
schon der nächste englische Dampfer soll moderne Kanonen und die
zukünftige Garnison, 30 Artilleristen, hier ans Land* setzen.
Seine rasche Entvvickelung verdankt Port Kennedy einerseits dem
Umstände, dass die Insel den die Torresstraße passierenden Schiffen
viel bequemer liegt als Cap York; andererseits jenem, dass sie den
Mittelpunkt der in diesem Gebiete sehr bedeutenden Perlmutterfischerei
darstellt.
Der Hafen wird von vielen Dampfern angelaufen, theils um hier
die Kohlenvorräthe zu ergänzen, theils um Passagiere für die Linie
Singapur — Hongkong aufzunehmen.
Der erste, der, sobald wir Anker geworfen hatten, an Bord
erschien, war der britische Resident Mr. Douglas, ein sehr alter Herr,
welcher den größten Theil seines Lebens in Australien und auf Neu-
Guinea verbracht hatte. Wir bestürnitcn ihn alsbald mit Fragen,
wie es in der Umgebung von Port Kennedy mit der Jagd aussähe
und wie wir Perlmuscheln und Korallen zu erwerben vermöchten, doch
zeigte er sich auf diesem Gebiete gar nicht versiert und sprach nur
von einem Afternoon tea, den er mir zu Ehren veranstalten wolle. .So
beschloss ich denn, am Nachmittage auf eigene Faust eine Expedition
nach der Insel Hörn auszurüsten, welche auf unserer Karte irriger-
weise als unbewohnt bezeichnet war.
527
' ' ■■■ r.-ebracht. Die Unordnung und Bizarrerie
. nicht im entferntesten an das Chaos und
j solch einer Negrito- Ansiedelung heran,
ticilfn last gar nicht, ihr einziger Lebenserwerb ist
welcher ihnen merkwürdig construierte und mit
j^Kchmückle Boote als Fahrzeuge dienen. Mit diesen
oft viele Meilen weit zwischen den Riffen und
TnrresstiaßL' umher, hauptsächlich auf den Fang von
1 bedacht, die zur Nachtzeit die Bänke besuchen, um
legen.
l,.dunkelfarbiijer Kerl, wie es schien der Häuptling der
uns entgegen und unterhielt sich mit uns in
giisch. Wir baten ihn, uns eine Stelle zu zeigen, wo
1 Wasserarm , der sich auf hundert Schritte von der
in£og, passieren könnten; er zeigte sich bereit und
j wurde zunächst der Wasserarm übersetzt, worauf
Kn Linie vertheilt, in das Innere der Insel eindrangen,
l freilich leichter vorwärts zu kommen, jils in dem
Iflde von Putu Besar, wo wir ja auch eine ähnliche
nternommen hatten; denn der Wald der Insel Hom
g das den meisten nördlichen Territorien des austra-
s eigenthüniliche Gepräge: niedrigere, weit von ein-
r Bäume mit starren, lederartigen, von den Achsen
i Blättern; die Bäume selbst unschön; ihre Stämme des
;hmuckes, der Lianen, entbehrend; die Färbung kein
■ün, sondern graublau oder blaugrün; wenige Blüten; der
wuchernden Unterwuchs, mit kümmerlicher Humus-
gelblichem Riedgrase bedeckt oder kahl und sandig.
Jiattenlnsigkeit, leblose Starrheit, Einförmigkeit in Form
: Waldbäumen bemerkte ich hier namentlich die traurigen,
[halmartigen Casuarinen, Myrtengewächse und Eucalypten.
trübseligen Charakter dieses Waldes entsprach hier auch
Kerwelt. Säugethiere fanden wir nicht, Vögel in geringer Anzahl.
ptrnnde beobachteten wir einige Uferläufer; weiterhin Biencn-
eine Drongo-.\rt CChibia bracteata) und einige kleine Sänger.
Ifreter zweier Spt^ciüs IJL'len uns besonders auf: jene der einen
;ahen wie kleine Nashornvögel aus, gehörten jedoch in die für Austra-
iun charakteristische, überaus formenreiche Familie der Honigfresser
529
(Melipiiagidcn) und wurden als Philemon argenticeps bestimmt:
Angehörigen der anderen Species waren australische Kiesenßsi^
oder Jägertieste (Dacelo leachii), welche eine Höhe von über 50n
erreichen und zu den größten aller bekannten Fischer zählen. '.
australische Kiesenfischcr führt auch den Namen -Laughing Jockasj-
(lachender Hans), da ihn sein lautes Geschrei im Walde schon aus
weiter Ferne verräth.
Wir waren ungefähr 3 tm in das Innere der Insel vorgedrungen,
der schwarze •Bürgermeister« aber sowie ein Jäger, den er uns im
Verlaufe der Wanderung als Führer beigesellt hatte, bereits seit einißcr
Zeit verschwunden, als unversehens ein Platzregen, der schon längst
drohend am Himmel gestanden, niedergieng und uns in wenigen
Minuten ganz durchnässte. Solche plötzliche, wolkenbruchartigc Gübse
hat ein Theil Australiens mit sämmtlichen Äquatorialgegenden gemein-
sam. Mit einer Heftigkeit, die wir in Europa kaum zu ahnen vermöjien,
stürzt das Ungewitter nieder und im Nu ist alles unter Wasser; überall
bilden sich Bäche und Wasserläufe, da der Boden trotz seiner auBcr-
ordentlichen Durchlässigkeit nicht vermag, so ungeheuere, jäh nieder-
fallende Wassermengen aufzunehmen. Nun hieß es an die Rückkehr
denken, denn es war schon hoch an der Zeit; wir wateten also an
den Strand zurück, wo inzwischen Mallinarich eine hübsche Collection
von Muscheln und Kerbthieren gesammelt hatte.
Auch als wir uns wieder auf unserem Schiffe befanden, dauerte
der Regen noch immer an. so dass wir nicht einmal wie gewühniidi
auf dem Achterdeckc speisen konnten. Erst gegen 10 Uhr ließ das
Unwetter nach, und mühsam genug brach sich der Mond Bahn dutch
die dichten Wolkenschichten.
rj(
Port Kennedy.
r Resident, welcher doch auch zur Bereicherung meiner S«t
lung von Vogelbälgen behildich seip wollte, hatte uns für den heltl
zum Kuhleneinschiffen auf der »Elisabeth« bestimmten Tag eine Fahrt
an das australische Festland proponiert und hiezu in sehr freundridiw
Weise den Regierun gsdanipfer -.Mbatross«, eine kleine Yacht, zur Ver-
fügimg gestellt. Beizeiten holte uns der Resident selbst mit dem genann-
ten Dampfer ab. und wir traten in Begleitung mehrerer Herren dicFahtl
an, die sich um das C'ap York herum bis in die Somerset Bay ausdehnen
sollte. Als Gäste nahmen drei Herren an dem Ausflüge theil: ein (W-
zösischer Missionär, der eben aus Ncu-Guinea gekommen war, wo O,
530
M
Fahrt ■
2ine Erzähluntjen bewiesen, genaue Kenntnis des Landes und
seiner Leute gewonnen hatte; ferner der Capitän eines englisclien
Kriegsschiffes, der seinen längeren LTrlaub dazu benützte, um im Nor-
den des australischen Continentes und in Neu-Guinea Schmetterlinge zu
fangen, endlich ein Botaniker, dessen Ausrüstung aber auf nichts weniger
denn auf seine friedlichen Zwecke hindeutete, da er statt der gewöhn-
lichen Berufsutensilien, als da sind: Botanisierbüchse, Schaufeln und
dergleichen, nur eine Menge von Kevolverpatrnnen umgeschnallt trug
und überhaupt das Aussehen eines echten Squatters hatte.
Der Morgen war schön, nur wehte ein ziemlich frischer Ost, der
unseren etwas altersschwachen • Albatmss-, als wir nach Passierung der
Nordküstu von Horn-Is!and in die Flinders-Passage gekommen waren,
derart umherwarf, dass wir nach und nach beinahe alle von dem bösen
Übel der Seekrankheit befallen wurden. Überdies war uns die starke
Strömung entgegen, so dass die See sehr kurz gieng, was ein bedeu-
tendes Stampfen des Schiffes zur Folge hatte. Nach etwa vierstündiger
Fahrt erst liefen wir in den Albany-Pass ein und giengen gegenüber der
Insel Albany in der Somerset Bay vor Anker.
Für die etwas stürmische Fahrt und deren bedauerliche Folgen
entschädigte uns zweierlei: das Bewusstsein, nun endlich das austra-
lische Festland zu betreten, und die schöne landschaftliche Scenerie
der Bai. Auf der einen Seite erhebt sich die Insel Alhany, auf der ande-
ren Seite das Festland mit seinen bewaldeten Hügeln, deren einer ein
groÜes Gebäude trägt, das, weiDschimmernd weithin sichtbar ist und,
von den grünen Bäumen des Hintergrundes sich wirksam abhebend, die
Bai dominiert. Die Bai von Somerset hätte ursprünglich das werden
sollen, was jetzt Port Kennedy ist, nämlich Hafen- und Kohienslation
für die Dampfer, welche die Torresstraße passieren, doch erwies sich
späterhin der Somerset-Hafen als minder günstig gelegen, zu klein und
zu seicht, so dass Thursday gewählt wurde.
Wir bestiegen den Hügel und betraten das schon vom Schiff
aus wahrgenommene Gebäude. Ursprünglich, zu der Zeit nämlich, als
Somerset zum Haupthafen der Torresstraße ausersehen war, zum
Sitze der Localbehörden bestimmt, dient das umfangreiche, ringsum
mit Drahtzäunen umgebene Bauwerk gegenwärtig einem reichen
>Pächter« und den .Seinen als Wohnhaus. Ich nenne ihn hier .Pächter-;
doch konnten wir nicht recht feststellen, wer und was er eigentlich sei.
Die einen nannten ihn einen .Sportsman, die anderen bezeichneten ihn
als Squatter und betonten, dass er große Viehherden besitze. Den Mann
selbst bekamen wir nicht zu Gesicht, da er, wiewohl v
Besuche im vorhinein verständigt, es vorgezogen hatte, den Tag aii6er
Hause zu verbringen.
Durch das Räthselhafte, welches über der Person dieses «Pächters«
waltete, neugierig geworden, befragten wir seine beiden Söhne, welche
uns der Resident schon an Bord des -Albatross- vorgestellt hatte, und
die Frau des geheimnisvollen Mannes, welche uns in dem Hause aufs
freundlichste empfieng. Diese, Jardine mit Namen, in Farbe und Gesichts-
bildung eine typische Südsee-Insulanerin, steigerte nur unsere Neugier,
indem sie erklärte, sie sei die »Nichte des Königs Malietoa von Samoa«.
Die beiden Knaben aber berichteten, ihr Vater sei vormals lange Jahre
hindurch auf dem Meere gewesen und habe viele Schiffe besessen;
jetzt aber habe er das Seefahren aufgegeben und nenne nun ungeheuere
Viehherden sein eigen.
Dieser Hinweis auf den früheren Beruf und auf den Reichthum
des •Pächters"; derUmstand, dass dieser unserem Besuche ausgewichen
war; die Beziehungen zu Samoa durch seine Verbindung mit einer
Häuptüngstochter; endlich verschiedene auffallendere Schiffsbestand-
theile, die wir in seinem Hause bemerkten: alles dies zusammen-
genommen wäre geeignet gewesen, den Glauben zu erwecken, dass
der »Pächter" vor Zeiten in den Gewässern zwischen Samoa und dem
Korallenmeere kühne Schiffahrlsunternehmungen bclrieben habe. Weil
zurückliegende Reminiscenzen aus Cooper und aus Walter Scoil.
Gestalten wie "der rothe Freibeuter« und 'der Pirat- tauchten vor mir
auf; ein Eindruck, der aufs neue lebendig wurde, als wir, gegen .AbenJ
von der Jagd zurückkehrend, den -Pächter« in einem kleinen Kutter
Sobald wir den Jungen erklärt hatten, dass wir jagen und Vögel
schießen wollten, führten sie uns an die besten Stellen, machten uns
auf Fährten und Scharrplätze von Känguruhs aufmerksam, zeigten uns
seltene Blumen und andere Pflanzen — alles gleich echten Kindern
des Waldes. Der ältere äußerte schon eine bedeutende Energie, com-
mandierte und traf mit Bestimmtheit seine Anordnungen; der kleinere
war ein rechter Schlingel, der uns auf die Frage, ob er diu Schule
besuche, mit einem gewissen Pathos antwortete: »Früher pflegte ich in
die Schule zu gehen, jetzt aber habe ich es aufgegeben.- Und dabei
war er erst acht Jahre alt!
Wir trennten uns in verschiedenen Partien zu je zwei Herren und
ich drang mit Regner unter Führung des älteren Knaben in den Wald,
der im aligemeinen ähnlichen Charakter trug wie jener, den ich tags-
zuvor auf Hörn Island besucht hatte. Nur erschien im Waide von
Somerset an Stellen, wo mehr Feuchtigkeit v'orhanden war oder kleine
Bache rieselten, die Vegetation reicher, üppiger; ja zuweilen erinnerte
sie an tropischen Wald. Da fanden sich hohe, schöne Bäume, dazwischen
Palmen und farnailige Kräuter; selbst Orchideen und rankende Lianen
fehlten nicht. Ich erlegte Exemplare verschiedener Arten der austra-
lischen Vogelwelt, doch konnte ich leider weder Kakadus, noch Papa-
geien zu Gesicht bejiommen. Der Tag war ziemlich heiß; brennend
sandte die australische Sonne ihre Strahlen auf uns herab. Endlich kam
ich an einen größeren Bach, der zu meiner Freude einen heimatlich
klingenden Namen: Pola River trägt und ganz dunkelbraunes, eisen-
haltiges Wasser, gleich jenem unserer Hochmoorbäche führt. Hier war
die Vegetation besonders reich zu nennen und die schönsten bunt-
farbigen Schmetterlinge, darunter manche von erstaunlicher Größe,
flatterten umher.
Am Ufer des Pola River fortschreitend, kam ich mit VVurmbrand
und Clam zusammen, von denen letzterer das Waidmannsheil gehabt
hatte, das erste Känguruh zu erlegen — ein Zwergkänguruh aus der
Gattung der Hasen springen, das aber immerhin von der Nase bis zum
Schwanzende 175>« maß. Der kleine Führer der beiden Herren hatte
zwei Haushunde in den Wald mitgenommen; diese gaben plötzlich
Laut, worauf das Beutelthier bei Clam in voller Flucht vorbeikam, so
dass er es mit einem Kugelschusse strecken konnte.
Im Schatten der hohen Bäume hielten wir einen Augenblick Rast,
welche Ramberg benützte, um mehrere photographische Aufnahmen zu
machen. Dann gjeng's wieder quer durch den Wald und an mehreren
Gräbern von Eingeborenen vorbei nach Somerset zurück, wo n-ir
bereits Prönay und Bourguignon vorfanden. Letzterem war ein L'nfall
zugestoßen, welcher leicht von den übelsten Folgen hätte begleitet
sein können. Bourguignon hatte nämlich, da seine Patronen durch
den gestrigen Regcnguss feucht geworden waren, mit weißem Pulver
geladene Patronen Prönays benützt, denen jedoch das Gewehr nichi
gewachsen war. Nach einigen Schüssen platzte die Kammer und es
bildete sich eine Öffnung von mindestens 10 cnt Länge, wobei das
infolge der Explosion wegspringende Stück des Laufes den Schützen
ziemlich bedeutend am Arme verletzte. Hätte Bourguignon das Gewehr
in etwas geneigterer Lage gehalten, so wäre eine sehr bedenkliche
\'envundung unvermeidlich gewesen. Er war nach Somerset zurüi;k-
geeilt, wo die Frau des «Pächters- seine Wunde auf das beste verband.
Überhaupt erfüllte die «Nichte des Königs von Samoa« ihre
Pflichten als Hausfrau In der allerfreundlichsten Weise; denn sie
beschenkte mich mit Orchideen und Citronen aus ihrem Garten und
gestattete uns auch, die Wohnräume des Hauses zu besichtigen, in
welchem alles in malerischer Unordnung und vernachlässigt durch-
einanderlag; nur ein wahres Arsenal von Gewehren und Revolvern
machte hievon eine Ausnahme. Diese Waffen waren sämmtlich in vor-
züglichem Stande, doch konnte man sehen, dass sie häufig in Gebrauch
genommen worden waren. Darob befragt, erklärte unsere Wirtin, die
Gegend von Somerset sei in früheren Jahren so unsicher gewesen,
dass die Bewohner der .Ansiedelung jeden Augenblick eines Überfalles
seitens der Eingeborenen gewärtig sein und stets Waffen zur Hand
haben musslen. Sogar der achtjährige Schlingel nannte zwei Gewehre
dieses Gebietes im Namen der Königin, das erstemal die britische
Flagge gehisst worden war. Die Matrosen hatten trotz der verhältnis-
mäßig schnellen Fahrt eine Schleppangel ausgehängt; plötzlich hieß
es die Maschine stoppen, ein großer Fisch hatte angebissen und mit
vereinten Kräften zogen der Capitän und seine Leute einen mehr denn
1 m langen Fisch an Bord, der in seinem Aussehen an einen Thun-
fisch erinnert und hierlands King fish genannt wird.
An Bord der »Elisabeth« war noch alles mit dem Einschiffen
der Kohle beschäftigt, was in Port Kennedy keine Kleinigkeit war;
denn sonderbarerweise besitzt dieser Hafen hiefür weder Lichterboote,
noch sonstige praktische Hilfsmittel. Der Commandant war sonach
gezwungen gewesen, die »Elisabeth^« an einen kohlenführenden Hulk,
der mitten im Hafen verankert war, anzulegen und die ganze Kohle
über Deck einzuschiffen — eine langwierige und äußerst schmutzige
Arbeit. Auch war das Anlegen an das altersschwache und bereits ganz
morsche Kohlenschiff bei Seegang und Strömung keine Kleinigkeit;
denn ohne die allergrößte Vorsicht hätte unser Eisenkoloss mit seinen
hinausragenden Thürmen die Bordwand des Hulks nur allzuleicht
unversehens eindrücken können.
Port Kennedv, 7. Mai.
Einer der Herren, die tagszuvor ans Land gegangen waren, um
die Stadt zu besehen, hatte einen Jagdkundigen ausfindig gemacht.
Dieser, wie es hieß, der beste Jäger von Thursday Island, wollte uns
an eine gute Stelle führen, wo wir reiche Ausbeute an Flugwild finden
sollten. Das Ziel unserer Expedition, die früh morgens von Bord
abstieß, war diesmal Prince of Wales Island, auf welches die Dampf-
barkassc mit Booten im Schlepptau zusteuerte. Wir suchten an der
Insel einen Anlegeplatz, den wir endlich in einer Bucht fanden; das
Wasser war zwar auf eine weite Strecke hin sehr seicht, die Barkasse
musste bald stoppen, aber mit Hilfe des kleinen Jollbootes und der
Putzjolle konnten wir landen.
Das erste, was wir da fanden, war ein verlassener Lagerplatz
der Eingeborenen, auf welchem Überreste von Fischen und Schild-
kröten, zerbrochene Flaschen und Feuerstellen sichtbar waren. Unser
Führer berichtete, dass die Wilden hier vor wenigen Monaten ein
großes Fest und einen Schmaus abgehalten hätten, an dem auch er
theilgenommen habe. Das Auffallendste auf diesem Platze war aber
das Grab eines Häuptlings, ein Hügel, weithin kenntlich durch drei in
535
einer Reihe siehende abgestutzte, gabelförmige Baumstrünke, deren
Zahl auf einen hohen Rang des Todten zu deuten schien; denn der-
artige rudimentäre Zierate pflegen in diesem Gebiete von den Ein-
geborenen nur auf Gräbern angebracht zu werden, welche Leichen
Vornehmer bergen. Der Grabhügel, den wir besichtigten, war sonder-
barerweise mit einer Menge von Flaschen, bunten Glasstücken, Blech-
büchsen und anderen glänzenden Gegenständen bedeckt. Offenbar
leitet die Eingeborenen das Bestreben, die Grabstätten ihrer Vornehmen
so reich als möglich auszuschmücken, wozu jeder beliebige Gegenstand
verwendet wird, vorausgesetzt, dass er bunt oder glänzend ist.
Unter Führung des Jagdkundigen drangen wir, in gewohnter
Weise in Linie vertheilt, in den Wald ein, der sich längs einer Hügel-
kette hinzog. Im .Anfange zeigten sich Vögel verschiedener .Arten.
Ich schoss hier eine selten schön gefärbte Papageitaube; Prönay eine
enorm große Nachlschwalbe. .Allmählich jedoch wurden auch die
\'ertreter der Vogeiwelt seltener und schließlich, als die Bäume siiA
enger ancinanderschlossen und wir in einer hübschen, von einem Bache
durchrieselten Thalschlucht standen, schien die Jagd zu Ende zu sein.
Der Jagdkundige zeigte sich sehr erstaunt und versprach uns zu
einer Lagune zu führen, die viel Wasserwild enthalte und uns bessere
Jagdgeiegenheit bieten werde, weshalb wir eine ziemlich weite Strecke
in der angegebenen Richtung vorwärtsgiengen. Einige Riesenfischer
flogen schreiend von Baum zu Baum; einer der Herren sah auch
Kakadus. Jeden .Augenblick versicherte uns der Führer, die Lagune
mit dem vielen Wasserwilde könne nur mehr wenige Schritte entfernt
sein, bis wir endlich, nach einer weiteren halben Stunde, den Mensehen
gestand.
Die Ebbe war eingetreten; da diese hier ungemein stark ist, fanden wir
die Stelle, an welcher wir am Morgen gelandet waren, jetzt durch eine
über 600 Schritte lange Strecke tiefen Schlammes von den Wellen der
See getrennt. Unsere Boote lagen, ein trübseliger Anblick, schief am
Landungsplatze; die Barkasse aber, welche der Ebbe weichend, weiter
ins Meer hinausgefahren war, erschien nur noch als ein kleiner, dunkler
Punkt am Horizonte.
So beschlossen wir, uns ins Unvermeidliche fügend, das Wieder-
eintreten der Flut abzuwarten.
Unsere Matrosen hatten inzwischen unter einem Mangrovebaum
aus Riemen und Sonnenplachen ein nettes Zelt construiert, worin wir
während der heißesten Stunden Rast hielten, die mitgebrachten Mund-
vorräthe verzehrend. Als wahre Landplage erwiesen sich hier die
Myriaden von Fliegen, die uns in Schwärmen nachzogen und jeden
Versuch zu ruhen oder zu schlafen vollkommen illusorisch machten;
mit wahrem Ingrimme stürzten sie sich auf ihre Opfer, so dass wir
uns ihrer unablässig zu erwehren hatten.
Späterhin untersuchten wir das Grab des Häuptlings. Nur mit
Hirschfängern und Messern versehen, giengen einige Herren daran,
den Hügel zu eröffnen, in dem wir Schmucksachen oder doch wenig-
stens den Schädel des Todten zu finden hofften. Allein weder die
ethnographische, noch die anthropologische Sammlung an Bord der
«Elisabeth» erfuhr durch die hier angestellten Ausgrabungen irgend-
welche Bereicherung; denn, als die vielen Flaschen und C'onserven-
büchsen hinweggeräumt waren und wir nicht ohne Mühe bis zum Innern
des Grabes vorgedrungen waren, fanden sich nur wenige verkohlte
Knochenüberreste und ein großer Stein, welchen wir seines Gewichtes
ungeachtet als Andenken mitnahmen.
Da die Zeit vorgerückt war, mussten wir endlich doch daran
denken, die Barkasse zu erreichen. Noch immer zeigten sich die
ersehnten Flutwellen nicht, obgleich seit unserer Rückkehr von der
Jagd mehrere Stunden verflossen waren. So blieb denn nichts anderes
übrig, als uns der Schuhe zu entledigen und, auf die Überfahrt mit
den Booten verzichtend, den Weg zu der Barkasse zu Fuße zurückzu-
legen. Das war bei der zu durchmessenden bedeutenden Distanz kein
leichtes Beginnen; wir versanken bei jedem Schritte bis über die Knie
in dem tiefen Schlamm und zerschnitten uns die bloßen Füße an
scharfen Muscheln und Korallenstückchen. Nach geraumer Zeit, ganz
durchnässt, schmutzig und mit blutenden Füßen erreichten wir endlich
537
Hut auf dem struppigen Haupte und dem nie fehlenden Revolver im
Leibgurte ; daneben erscheinen Austral-Neger, Südsee-Insulaner, Chi-
nesen, Japaner, sogar Singhalesen.
Hier machte ich zum erstenmale unangenehme Bekanntschaft mit
den übertrieben strengen Vorschriften der englischen Sonntagsfeier.
Nach unserer Fußwanderung durch die Straßen Port Kennedys wollten
Gratzl und ich in dem ersten Hotel der Stadt eine Erfrischung zu uns
nehmen und bestellten bei der Wirtin eine Flasche Bier, welche wir auf
der Hotelterrasse leeren wollten, um hier zugleich die Aussicht auf den
Hafen zu genießen. Doch sofort erklärte die Wirtin unser Vorhaben, auf
der Terrasse Bier zu trinken, für undurchführbar, weil derlei, wie sie
beifügte, heute, am Sonntage, öffentliches Ärgernis erregen würde. Sie
könne uns im besten Falle gestatten, in einem abgeschlossenen Raum
alkoholisches Getränk, selbst wenn es nur Bier sei, zu uns zu nehmen.
Wohl oder übel mussten wir uns fügen und unser Bier, anstatt im
Freien bei kühler Abendluft, in einem heißen, dunklen Zimmer trinken.
So sehr ich jeden auf religiösen Gründen beruhenden Gebrauch zu
achten gewqhnt bin, schien mir doch diese subtile Rigorosität zu
weitgehend und ungereimt.
Wir kehrten auch der kühlen Blechstadt mit ihren sonderbaren
Bewohnern bald wieder den Rücken und eilten an Bord, wohin ich
den Residenten zum Speisen geladen hatte. Beim Diner verschaffte ich
voraussichtlich einem unserer vaterländischen Artikel ein neues Absatz-
gebiet; der Resident war nämlich von unserem Gießhüblerwasser so
entzückt, dass er betheuerte, er werde unverzüglich für seinen eigenen
Bedarf eine Sendung dieses vortrefflichen Säuerlings bestellen.
Abends erschien eine aus drei Personen bestehende Deputation
von Perlmutterfischern, um mir eine Adresse zu überreichen und zu
gleicher Zeit verschiedene Gattungen von Perlmuscheln, darunter auch
mehrere mit eingeschnittenen Figuren, darzubieten. Das Geschäft der
Perlmutterfischer ist hier ein sehr rentables, die Leute besitzen eine
ganze Flotte von kleinen Kuttern, mit welchen sie an geeignete Plätze
fahren, um dort aus bedeutender Tiefe durch Taucher die Muscheln
heraufholen zu lassen. Die Muscheln werden dann geputzt und
kommen sofort zur Verpackung und Versendung. Der Preis pro Tonne
Perlmuscheln stellt sich jetzt auf 1320 fl. ö. W. Äußerst selten finden
sich hier Perlen; es ist eben auch nur Perlmutter, die innere .Schicht
der Schale der Perlmuschel, welche gewonnen werden soll. Da die
seichten Stellen in der Umgebung Thursday Islands schon so ziemlich
539
ausRefisohl sind, müssen die Taucher in bedeutende Tiefen bis zu 30
und 40 III hinuntorgelien, wobei sich sehr viele Unt^lücksfälle ereignen:
ja iillmonutlich sollen deren durchschnittlich fünf bis sechs mit löj-
Hcheni AusRantic vorkommen.
Port Kennedy. 8. Mai.
Die Art der Kohlenverladung war eine so primitive und daher zeit-
raubende, dass wir am Morgen, obschon ununterbrochen und mit dem
(;rölitcn Kleiße seiirbeitet worden war, noch immer nicht den nöthigen
Hcdarf an Bord hatten und erst gegen Mittag mit dem Verladen fertig
wurden. Da sich um diese Zeit die Ebbe und starke Gegenströmung
fühlbar machten und wir nur mehr I Fuß Wasser unter dem Kiele
hatten, so hieU os noch einen Tag warten, bevor die Weiterreise nach
Sydney angetreten werden konnte. •
Den Wirmittag verbrachte ich an Bord und erlegte vom Eisen-
lUvk aus einen Seeadler, -- ein sehr schönes Exemplar von Haliaetus
k'uoogastcr - der auf ein im Wasser schwimmendes Stück Fleisch
gestolSen hatte.
Nachmittags stand uns die Wahl offen, der Jagd zu obliei;tf!i
oder nach Korallen und Muscheln zu fischen.
Ich entschloss mich zu letzterem und so fuhren der t'ommandanl
ULUi ich auf ein in der Karte verzeichnetes Rifl" zwischen Goode Island
und Hammond Uland, während die anderen Herren auf HammonJ
Irland, einer bis jelzt von uns noch nicht betretenen Insel, landeten.
uiu d<'rl /u jagen. Wir versahen uns mit allem, was zum Fischen der
Ki'iallen erforderlich i;.t, mit Hauen. Hämmern und Brechstangen, und
es nach der anderen Seite, sich allmählich verflachend, gegen das Land
zu verlief. An der tiefen Stelle verankerten wir das Boot und sprangen
auf das Riff, wo uns das Wasser nur bis zu den Knien reichte.
Wir befanden uns hier an einem der für den Sammler entzückend-
sten Punkte, die ich je gesehen. Obwohl ich zahlreiche Abbildungen
derartiger Korallenriffe in der Hand gehabt und manche Beschreibung
derselben gelesen hatte, fand ich meine Erwartungen hier weit über-
troffen und war durch das, was ich hier an Ort und Stelle in Augen-
schein nehmen konnte, auf das freudigste überrascht. Das Korallenriff
glich einem mit Blumen der verschiedensten Art und Farbe gefüllten
Gartenbeete, hervorgezaubert durch eine in unfassbarer Menge und
Mannigfaltigkeit auftretende Thierwelt. Da gab es zunächst Korallen-
stöcke, die in ihrem vielfach verästelten Bau an Geweihe erinnerten;
armdicke Stämme, die baumartiges Gezweige trugen; fächerförmige
Platten, grosse Klumpen, die trotz ihres groben Aussehens bei näherer
Betrachtung eine äußerst zarte und feine Gliederung aufwiesen; dann
in zahllosen Arten Schwämme, Mollusken, Holothurien und andere
Thiere niederer Ordnung, die sich alle durch bunte, grelle, intensiv
leuchtende Färbung auszeichneten. Kein Maler — und besäße er die
Palette eines Makart — vermöchte die prismatischen Farbeneffecte, die
schimmernde Pracht, den Glanz, die Leuchtkraft, die unendliche Scala
der Farbentöne darzustellen, mit denen diese Kinder der See so herrlich
geschmückt sind.
An dem grauen Gerüst einer Madrepore zum Beispiele hängen
Hunderte und aber Hunderte von Stachelhäutern und Weichthieren, die
in den feinsten Nuancen des Regenbogens, in allen Schattierungen des
Farbenspieles erglänzen. Zwischen den Sträuchern, Vasen, Kugeln,
Ästen jener Polypenstöcke, den so vielgestaltigen, kalkigen Skeletten
der Korallenthierchen, erscheinen allerlei merkwürdige Fischchen, See-
sterne, Krebse, Schnecken, und selbst in den Stöcken der Korallen ist
noch allerlei Gethier verborgen und vergraben. Und hier und da und
dort; über, neben, unter einander; an hundert, an tausend Stellen des
Korallenriffes: immer wieder eine überwältigende Unzahl organischer
Wesen — ein ungekanntes, unfassbares Schauspiel!
Der Commandant, die Matrosen und ich wateten unablässig in
dem seichten Wasser über Korallen hinweg und bei jedem Schritt ent-
deckten wir etwas Neues, das ins Boot wanderte, um der Sammlung
an Bord einverleibt zu werden. Wir kamen in schieben Eifer, dass nur
das allzuschnelle Sinken der Sonne uns veranlasste, an die Rückkehr
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artigen Korallenriffe, welches sich der Ostküste Australiens parallel etwa
von Cap York bis zum Sandy Cap^ das ist vom 10. bis zum 25. Grade
südlicher Breite, hinzieht. Dieses Barrier Reef bildet eine beiläufig
1200/;/« lange, nach Osten hin scheitelrecht ins Meer abfallende Wand
wider die Brandung des großen Oceans und schließt die an der Küste
gelegene, durchschnittlich etwa 30km breite Passage gegen den Ost-
wind vollkommen ab, so dass die See hier fast stets ruhig ist. Dieser
von der Natur gebildete (3anal bietet seichtes, von einzelnen tiefen
Strömungen durchzogenes Fahrwasser, und zahllose Korallenfelsen,
Klippenreihen, Sandbänke, Inselchen engen die Passage an vielen
Stellen auf das äußerste ein. Auch ist die Lothung noch nicht überall
vollkommen durchgeführt und hinlänglich verlässlich, so dass vor
kurzem erst ein Dampfer an einer nach der Seekarte passierbaren
Stelle auf einen Felsen auffuhr und mit Verlust zahlreicher Menschen-
leben sank. Einzelne Klippen und Untiefen sind zwar mit Baken und
Zeichen besetzt; immerhin ist aber ununterbrochene und gespannte
Aufmerksamkeit erforderlich und bei eintretender Dunkelheit der Dienst
eines Lotsen unentbehrlich, weil sowohl die in den Seekarten als auch
die in den Segelhandbüchern enthaltenen Daten über die Strömungs-
verhältnisse unzureichend sind und die Baken, sowie die Zeichen meist
nur aus Stangen mit Körben oder aus hölzernen Pyramiden mit Röster-
werk bestehen, die nachts nicht wahrgenommen werden können. Der
Commandant entschloss sich zur Fahrt durch die Riffe, der Route
folgend, welche von manchen Dampfern eingeschlagen wird. Ich wusste
ihm viel Dank dafür; denn diese P'ahrt ist landschaftlich weit schöner
und interessanter als jene in offener See, wo uns außerdem der sehr
frische Südost-Monsun tüchtig umhergeschaukelt hätte und wir wahr-
scheinlich den größten Theil der Reise bei steifem Gegenwinde gegen
hohe See hätten aufdampfen müssen.
Kaum hatten wir die Albany- Passage hinter uns und die New-
castle Bay erreicht, so frischte der Wind bedeutend auf, ohne sich
jedoch recht entwickeln zu können, so dass die See verhältnismäßig
ruhig blieb. Im Osten stiegen Gewitterwolken auf, die sich aber bald
verzogen und uns ungestört ließen.
Die in Thursday eingeschiffte australische Kohle machte sich
durch ihre schlechte Qualität sehr unangenehm bemerkbar, so dass das
Schiff unaufhörlich in einen dichten Qualm gehüllt und am Achterdecke,
unserem gewöhnlichen Aufenthaltsorte, ein Verweilen unmöglich war;
ja selbst in alle Cabinen drang Kohlenstaub ein. Dafür wurden wir
543
In See nach Sydney, 10. Mai.
ii Morgengrauen wurde der Anker gelichtet und die Fahrt fort-
i und zwar durch die Weymouth Bay, bis wir das Cap Wey-
If-Und die Insel Restoration in Sicht bekamen.
■
lese war vor wenigen Wochen der Schauplatz eines blutigen
Ein unternehmender Fischer hatte sich mit 30 Genossen hier
lelt und betrieb sein Geschäft zwischen den umliegenden Riffen,
wurde bei Nacht die gesammte Colonie von wilden Ein-
len überfallen und. bis auf den letzten Mann niedergemacht.
Überfällen sind viele der abseits hausenden australischen
[er, namentlich hier in Queensland, ausgesetzt, doch üben die
nur Repressalien für die schonungslose und oft grausame Art,
IfM" sie von ihrem Stammlande verdrängt, ja einfach ausgerottet
«1. So sollen, wie behauptet wird, zu Beginn der Colonisierung
iiens durch Engländer Eingeborene durch Brot aus dem Wege
kafft worden sein, welches, mit Arsenik versetzt, den Unglück-
ais tödliche Lockspeise in die Nähe ihrer Behausungen gelegt
te. Auch andere Greuel und allerlei Grausamkeiten, ja wahre
Ischenjagden sollen von manchen Europäern im Namen der»Cultur<',
'».Civilisation« gegen die beklagenswerten Ureinwohner Australiens,
ja doch nur ihr Leben und ihren Besitz vertheidigtcn, verübt worden
1. Jedenfalls ist die eingeborene Bevölkerung, wenn sie uns auch
liger romanhaft und heroisch vor Augen steht, als die Rothhäute
•damerikas, gleich diesen seitens der weißen Eroberer unzw^eifel-
t mit barbarischer Härte behandelt und verdrängt worden. Die Errich-
g neuer »Stationen« und »Runs« auf Territorien, welche bis dahin
i Eingeborenen besiedelt waren, Vernichtungskriege zwischen den
schiedenen, aus ihren Jagdgründen verdrängten Stämmen, Dämon
Chol, Krankheiten und anderes mehr haben die Zahl der Ein-
orenen in West- und in Süd-Australien sowie in Queensland auf
'a 200.000 Individuen herabgebracht.
Das nächste Cap, an dem wir vorbeisteuerten, war Cap Direction,
sen Gestalt seinem Namen entspricht, da es weit vorspringend in
See ragt und aus bedeutender Entfernung ein gutes Directions-
3Ct bietet.
Zu beiden Seiten unseres Fahrwassers tauchten wieder zahlreiche
sin und niedrige Riffe auf; so unmittelbar nach dem Cap Direction
Rocky- und Chapman- Inseln, die Inseln Night, Binstead, Lowrie,
30
Proviantschiff. Wahrlich, die Männer vom Leuchtschiffe haben kein
beneidenswertes Schicksal, bei solchem Anachoretenleben müssen
Geist und Seele dieser Verbannten in einen Zustand vollkommener
Lethargie verfallen.
Wie untertags war auch, bei Nacht die Luft von besonderer
Reinheit. In ungetrübter Klarheit leuchteten die Sterne auf uns herab.
Das Kreuz und der Stier sind die einzigen auffallenden Sternbilder des
südlichen Himmels. Ein alter Bekannter aus dem Norden gibt uns
noch immer das Geleite — der Große Bär, welcher knapp am Horizonte
erscheint. Eine Eigenthümlichkeit der südlichen Milchstraße sind die
zahlreichen Sternenlosen und daher dunkel erscheinenden Flecken,
welche deren weiße Linie unterbrechen. Bei der Reinheit der Luft konnte
man heute mit freiem Auge die Sterne unmittelbar über der Kimm aus
dem Meere aufsteigen sehen.
Nach wiederholten Cursänderungen erreichten wir die Howick-
Inseln, die sich als schwarze Linien am Horizonte projicierten. Gegen
1 Uhr nachts rieth unser Lotse, vor der großen Insel Lizard vor Anker
zu gehen, da die Passage zwischen dieser und den Riffen der Eagle-
Insel in der Nacht zu schwierig sein würde. Der Commandant entsprach
diesem Rathe und ließ das Schiff verankern. Der Lotse erwies sich als
sehr geschickt und zuverlässig und trotz seiner 67 Jahre stand er
Tag und Nacht auf der Brücke, seine Befehle gebend. Vormals war er
Capitän auf großen Handelsdampfern der australischen Marine gewesen
und hatte zumeist die Linien nach China und Japan befahren. Nun-
mehr schien er das Lotsengeschäft einträglicher zu finden; um die
> Elisabeth« ja nicht zu verfehlen, hatte er, von Sydney kommend, in
Thursday bereits volle sieben Wochen unsere Ankunft erwartet. Seinen
Reden nach hatte ihn der lange Aufenthalt in Thursday nicht gerade
entzückt.
In See nach Svdnev% 11. Mai.
Lizard Island hat ebenfalls von einem Überfalle Weißer durch
Eingeborene zu erzählen. Vor acht Jahren hatte sich ein englischer
Fischer mit Frau und Kind und einef kleinen Anzahl Diener auf der
ganz unbewohnten Insel niedergelassen. Als einst der Mann dem
Fischfange oblag, überfielen Eingeborene, die wahrscheinlich vom
Festlande herübergerudert waren, die Ansiedelung, in welcher sich die
Frau mit den Dienern einige Zeit wacker vertheidigte. Endlich flüchtete
sich die Bedauernswerte mit ihrem Kinde und einem Diener in eines
547
35*
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• >.
Wiederholt sahen wir hohe Rauchsäulen zum Himmel aufsteigen,
die von Waldbränden herrühren, welche die Eingeborenen legen, um
des vor dem Feuer flüchtenden Wildes, besonders der Känguruhs,
habhaft werden zu können.
Eine Stunde nach Sonnenuntergang wurde bei Cap Grafton der
Curs gewechselt und bei den Inseln Fitzroy und Frankland vorbei
genommen, bis gegen Mitternacht die Lichter von Johnstone River in
Sicht kamen.
In See nach Sydney, 12. Mai.
Bei schönstem Wetter fuhren wir. stetig weiter. Früh morgens
passierten wir die Palm-Inseln, in der Halifax Bay späterhin die Insel
Magnetic und das mit einem Leuchtfeuer geschmückte Cap Cleveland.
Der Mittagspunkt lag heute östlich von Cap Bowling. Die Küste tritt
nunmehr zurück und nur in undeutlichen Contouren erscheinen uns
die Berge und Hügelketten.
Gegen Sonnenuntergang nähern wir uns wieder dem Festland
und fahren nahe an der Insel Gloucester vorbei, einem ziemlich großen,
bergigen Eilande, das uns schon in der Ferne durch seine dichte und
reiche Vegetation aufgefallen war; näher gekommen, erkennen wir
einen ganzen Wald der schönen Araucaria Cunninghamii und Bidwillii,
— dieser echt queensländischen Coniferen — die mit ihren dunkel-
grünen, weit ausladenden Ästen die Hänge bedecken. Mit Freude
begrüßen wir nach langer Zeit das erste Nadelholz, den deutlichsten
Beweis, dass wir uns immer mehr aus der tropischen Region ent-
fernten.
Noch bei genügender Beleuchtung, die alles in violettem Dunst
erscheinen lässt, passieren wir die landschaftlich reizende Whitsunday-
Durchfahrt mit den Inseln Hook und Whitsunday. Das hell strahlende
Licht eines Leuchtschiffes erleichtert die Navigation. In der Nacht
steuern wir an den Cumberland-Inseln vorbei.
In See nach Sydney, 13. Mai.
Bei sonst ruhigem Wetter ist die See bewegt, so dass die ?► Elisa-
beth-^« stampft. Diese Bewegung scheint der Ausläufer einer hohen, von
Osten kommenden See zu sein. Wir sichten die Northumberland-
und Percy-Inseln, sehr steinige Eilande, welche durch die steil abfal-
lenden Felsufer und die spärliche Vegetation wieder die Erinnerung
549
Jedermann beseelt die bald nur heimlich genährte, bald laut aus-
gesprochene Hoffnung, dass unser in Sydney lang vermisste Nach-
richten aus der Heimat harren werden. Ein wahrer Nachrichtenhunger
hat uns befallen, da wir in der letzten Zeit postalische Entbehrung
gelitten hatten. In Indien schon war eine fällige Post ausgeblieben und
das gleiche Schicksal war uns in Singapur und in Batavia beschieden
gewesen, L'm übrigens keine Correspondenzschuld auf uns zu laden,
widmen wir uns in der Voraussicht, dass wir einem reichhaltigen, die
Zeit ausfüllenden Programme entgegengehen, der Vollendung der für
die Heimat bestimmten Briefe. So wollen wir den Aufenlhalt auf
australischem Festlande mit der Absendung von Grüßen nach unserem
lieben alten Continente beginnen.
Anhänge.
Anhang I.
Das Reisegefolge :
Leo Graf Wurmbrand -Stuppach, k. u. k. Generalmajor, k. u. k. Käm-
merer; Kammervorsteher.
Julius Prönay von Töt-Pröna und Blatnicza, k. u. k. Oberlieutenant
des Husaren-Regiments Nr. 11, k. u. k. Kämmerer; Dienstkäm-
merer.
Heinrich Graf Clam-Martinic, k. u. k. Oberlieutenant in der Reserve
des Uhlanen-Regiments Nr. 1, k. u. k. Kämmerer.
Karl Graf Kinsky zuWchinitz und Tettau, k. u. k. Legationssecretär,
k. u. k. Lieutenant in der Reserve des Husarenregiments Nr. 5,
k. u. k. Kämmerer.*)
Franz Stockinger, k. u. k. Generalconsul. *)
Anton Sanchez de la Gerda, k. u. k. Linienschiffs-Lieutenant.**)
Dr. Ludwig Lorenz Ritter von Liburnau, Custosadjunct am k. k. natur-
historischen Hof-Museum.***)
Eduard Hodek, Taxidermator.
Die Dienerschaft:
Franz Janaczek, Leibjäger.
Blasius Paskoevic,
Ludwig Libra,
Josef Kammermai er,
Mahmud,
Luigi Bussatto,! .
D • A r> A r Koche.
Raimund Rada, )
Diener.
•) Während der Reise auf Ceylon und in Indien.
*•) Von Jokohama ab.
•••) Bis zum Beginne der Jagdexpedition nach Nepal.
.);)o
Anhang II.
S. M. Schiff »Kaiserin Elisabeth«.
Der Torpedo-Rammkreuzer »Kaiserin Elisabeth« wurde im Con-
structionsarsenale der Kriegs-Marine in Pola aus vorzüglichem inlän-
dischen Stahlmateriale erbaut und am 25. September 1890 vom Stapel
gelassen. Das Deplacement dieses Schiffes beträgt 4064 Tonnen, seine
Länge 104 und seine Breite 15 Meter. Die beiden Schiffsmaschinen
indicieren 9000 Pferdekräfte, die Maximalgeschvvindigkeit des Schiffes
ist 19*7 Seemeilen stündlich. Ein gewölbtes Panzerdeck schließt das
Unterschiff ab und schützt dessen vitale Theile gegen das Eindringen
schwerer feindlicher Geschosse; an beiden Bordseiten sind längs der
Maschinen- und Kesselanlagen Zellen angeordnet, die im Vereine mit
jenen des Doppelbodens und der sonstigen Auftheilung des Schiffes
ober und unter dem Panzerdecke mehr als hundert kleinere Räume
bilden, durch welche Wassereinbrüche localisiert werden können und
die Schwimmfähigkeit des Schiffes gehoben wird.
Die beiden 35 Caliber langen 24 Centimeter-Hauptgeschütze sind
vorne und achter in zwei panzergeschützten Thürmen auf Krupp'schen
hydraulischen Lafetten gelagert. Sie feuern en barbette mit einem großen
Bestreichungswinkel, der sich von der Kielrichtung nach den beiden
Bordseiten erstreckt. Diese vorzüglichen Geschütze, deren Rohrgewicht
je 27 Tonnen beträgt, erreichen bei 16° Elevation eine Schussdistanz
von 16 Kilometer.
Sechs lange 15 ('entimctcr-Geschütze sind in stählernen Erkern
an beiden Seiten des Schiffes derart installiert, dass in der Kielrichtung
nach vorne und nach achter je vier, nach jeder Breitseite je drei dieser
Geschütze in Action treten können. Elf Schnellfeuergeschütze, welche
an den Bordwänden und in den Gefechtsmarsen der beiden Militär-
masten vertheilt sind, ferners zwei 7 Centimeter-Uchatiusgeschütze, für
den Boots- und Felddienst bestimmt, vervollständigen die artilleristische
Armierung, welche noch durch 6 Torpedo-Lancierkanonen ergänzt wird.
557
I* />
^ M I»
K. u. k. Seecadet Alfons Wünschek.
» Seecadet Edmund Bügel.
-> » Seecadet Johann Kitter Gründorf von Zebegeny.
Marinecaplan Johann Kuralt.
* » >• Linienschiffsarzt Dr. Arthur Plumert.
^ » » Fregattenarzt Dr. Jaroslav Bern.
* *» * Maschinenbau- und Betriebs-Ingenieur 1. Classe Paul Eyb.
^ * >• Maschinist 2. Classe Josef Zrzaveckj'.
* > - Maschinist 2. Classe August Turina.
V • > Maschinenbau- und Betriebs-Ingenieur 2. Classe Hugo Herr-
mann.
* » » Maschinist 2. Classe Lucas Modes.
* >• >» Maschinist 3. Classe Anton Perkon.
- > » Maschinist 3. Classe Karl Svvitak.
> >• ^ Marine-Commissariats-Adjunct 2. (-lasse Karl Pietzuk.
Marine-Commissariats-Eleve Anton Gamisch.
> n» >»
K. u. k. Linienschiffs-Lieutenant Friedrich Freiherr von Schleinitz,
zugetheilt Sr. k. u. k. Hoheit Erzherzog Leopold Ferdinand.
Mannschaft:
Unterofficiere und Matrosen 386.
Civilgruppe:
Stewarts, Diener, Köche etc. 21.
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Anhang lli.
Reiseübersicht.
Datum
Von
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26,1 bis 20, 1
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Inhalts -Verzeichnis und Verzeichnis
der Illustrationen, der Anhänge sowie
der Karten.
Inhalts -Verzeichnis.
Seite
Triest -Port Said — Steamer Point — Aden 1
Abfahrt von Triest '^; in See nach Port Said 5; Festzug an Bord 7;
Ankunft und Empfang in Port Said 9; Jagd auf dem Menzalch-See 10;
Spaziergang in Port Said 12; Abfahrt von Port Said 12; in See nach Steamer
Point 12; Fahrt durch den Suez-Canal 12; Fahrt durch das Rothe Meer 14;
der Lotse Achmed Ali 15; in offener See 15; VVeihnachtstag 17; Ankunft in
Steamer Point 20; das Gebiet von Aden 21; Besuch des Residenten 22;
Steamer Point 22; Besuch beim Residenten 23; Aden 23; die Cistcrnen 24;
Thürmc des Schweigens 24.
Colombo — Kandy 27
Abfahrt von Aden 29; in See nach Colombo 29; Reisebibliothek 30;
Sylvesterfeier 31 ; Begegnung mit der Corvette »Fasana« 32; Ankunft und
Empfang in Colombo 35; Quecn's House 37; Fahrt durch die Stadt 37;
Besuch des Museums 38; Ausflug nach Mount Lavinia 40; P'ahrt nach
Kandy 42; Ankunft und P)mpfang in Kandy 43; Deputation einheimischer
Edicn 44; der Zahn Buddhas 45; Garten von Peradenia 45; Diner im
Government House 46 ; Perahera-Proccssion 46.
Jagdlager in Kalawewa — Kandy — Colombo 49
Von Kandy nach Kalawewa 51; Buddha-Tempel auf dem Felsen
Dambul 52; Teich von Kalawewa 54; Jagdlager 55; Elephanten-Jagd 50;
Jagd auf Vögel 59; Elephanten-Jagd 61; große Eidechse 61; Elephanlen-
Pürsche (2 Elephanten) 63; Jagd auf Wasserwild und Seeadler 67; Büffel-
jagd üS; Tcufelstanz 68; Rückkehr nach Kandy 69; Factorei Kawada-
pella 7ü; Nutzpflanzen auf Ceylon 70; Diner im Pavillon 72; feierliche
Mes^e 72; Morgenspazierfahrt in Kandy 72; Rückkehr nach Colombo 73;
Teufelstanz und verschiedene Productionen 73.
Bombay 75
Abfahrt von Colombo 77; in See nach Bombay 77; Adamsbrücke 77;
Bombay 78; Empfang in Bombay 82; Fahrt nach dem (iovernment
House 82; Bevölkerung Bombays 83; Government House 85; Diner im
Government House 86; Thürme des Schweigens 87; Pindschrapol 88;
Markthallen CCrawford Market; 88, Hinduverbrennung 89; Museum 91;
S. J. Tellery & Co. 92; Lunch im Yacht Club 92; Elephanta-Tempel 93;
567
Seite
I>ardschiling 1 89
Der Himälaya 1 9 1 ; die Bergbahn und die Route Siliguri-Dardschiling 192 ;
Sikkim und die Leptschas 194; die Flora 195; Theeplantagen 195;
Dardschiling 196; Besuch des Bazars 196; tibetanischer Tanz 197;
Jagd 198; Ausblick auf die Berge 198; Ausflug nach dem Mount
Sentschal 200; Besuch des Bazars 200; Abfahrt von Dardschiling 201.
Benares 205
Von Dardschiling nach Benarcs 207 ; Ankunft in Benares Cantonment 208 ;
Benäres 208; Bootfahrt auf dem Ganges 209; steinerne Freitreppen (Chats)
209; Verbrennungsstätten der Hindus 210; die Moschee Aurcngzebs 211;
eine Wanderung die Chats entlang 211; der Manikarnikä-Brunnen 212; in
den Straßen von Benares 212; der Brunnen der Erkenntnis 2 12; der Coldene
Tempel 213; der Tempel Annapurnas 213; Cang nach dem Bazar 214; der
Affen-Tempel 214; Productionen von Schlangenbändigcrn und Taschen-
spielern 215; Besuch des Maharadschas und Cegenbesuch 215; Abfahrt
von Benares 216.
Agra-Bhartpur 217
Der erste Eindruck Agras 219; der Palast des Maharadschas 220; Fahrt
nach Sikandra 220; Lage und Cestaltung Agras 220; historische Notizen
220; die mogulische Kaiserstraßc 222; das Crabmal Akbars 222; Besuch
des Bazars 224; das Fort 224; Audienzsaal Diwan-i-Am 225; der Fisch-
weiher des Moguls 225; Audienzsaal Diwan-i-Khas 226; der Thron der
Moguln 226; Patschisi-Spiel 227; Audienzerker 227; Baderäume im Schisch
Mahal 228; Sommerwohnungen 228; Hinrichtungskammer 228; der älteste
Theil des Forts 228; die Pcrl-Moschce 229; der Tadsch Mahal 230;
bewaffneter Spaziergang 233; Fahrt nach Fatehpur Sikri 234; Jagd vom
Wagen aus 234; Fatehpur Sikri 234; Diwan-i-Am 235; Haus der
Türkischen Königin, Haus der Christlichen Frau, Haus der Träume 235;
Pcndsch Mahal und Diwan-i-Khas 236; Birbal-Palast 237; die Dargah 237;
die Moschee 237; Siegespforte Buland Darwaza237; Tauchersprünge 238;
ornithologische Ausbeute 238; vonAgra nach Bhartpur238; der Maharadscha
239; Bhartpur 239; Jagd auf Black-bucks, Nilgaus und Wassenvild
240; Lunchcon 241; Rückkehr nach Agra 243; von Agra nach Bhartpur
243; Jagd vom Eisenbahnzuge aus 244; Jagd in Bhartpur 245; Rückkehr
nach Agra 246; Bazar im Paläste 246; Besichtigung des Tadsch Mahal 246;
Abfahrt von Agra 247.
Dehli — Alwar 249
Ankunft in Dehli 251 ; die Stadt Dehli 251 ; das Fort 252; die Audienz-
hallen, Diwan-i-Am und Diwan-i-Khas und Renovierungsarbeiten daselbst
252; die Perl-Moschee 253; S. J. Tellery & Co. 254; Moschee Dschama
Mesdschid 254; Straße Tschandni Tschauk 255; der Bazar 255; S. J. Tellery
& Co. 255; Umgebung Dehlis 256; das Crab Humäyüns 256; Kutab Minar
257; das Thor der Moschee Kutab-el-Islam 258; die »Eisensäulec 258;
das Grabmal Altamsch' und das Mausoleum Adham Khans 258; Jagd in der
Umgebung Dehlis 258; Besichtigung des Gefangenhauses 259; Museum of
569
S«lta
Nagdlager in Dakn« Bägh 345
TVon A(!ra lach Dakna Bägh 347; das JaeJUger 349; Nepal 349;
iTsrai-Gctiicl 353; VerpOegungsstand des Lugers 3ö3; Streiijagd 3ä4;
£ut 3,'>4; die Hlcphanlcn 355; die Dschungel und Wildreichthum
erjngd (j Tiger) 357; Gencral-shooling 360; Tigeijagd 331 ; Streif-
; Panther- und Tigerjagd (2 Panther und ü Tiger) 363; General-
g (2 Panlher) 306.
Igdlager in Barbatta Töl — Deehta Boli — Guleria — Beli — Katnl —
[Bderia 371
Abbruch dt;^ Lagers in Dakna Bügii 373 ; Jagdlager in Barbolia Tal 374;
;crJHgd (1 Tiger) 375; Jagdlager in Dechta Boli 375; Slreiljagd 375;
«erjagd (1 Tiger) 375; General -shooling 376; Ansiedelung der Bin-
nen 376; schwieriges Jagdterrain 370; Hasen 377; Slreiljagd 377;
uer Hodeks 373; Jagdlager in Guleria 378; Streirjagd 379; Jagd-
n Bell 330; StreiQagd 380; Tigerjagd (1 Tiger) 380; Jagdlager in
J82; Tigerjagd (1 Tiger) 383; Tigerjagd (3 Tiger) 384; General-
is 386; Tigerjagd und Gcneral-shQOling 387; Tigerjagd (1 Tiger)
if General-shooting (HySnen) 389; Tigerjagd (1 Panther) 390; General-
iling 392; Elephnntenrennen 392; Jagdlagcr in Bhanderia 392; Tiger-
Hl {I Panlher) 1192 ; Abschied von Nepal 394 , von Bhanderia nach Sohela
ftj Slreiljagd (l Panther) 396; Lager in Sohela 397.
— Lucknau— -Calcutta — Diamond Harbour — Pulu Besar 399
Von Sohela nach Lucknau 401; von l.ucknau nach Caiculta 402;
^kunll in Calcutla402; Abschied von Generalconsul Slockinger 402; von
ach Diiimond Harbour 403 ; LinschiRung auf der .Hli.sabeth. 403;
Abschieds -Diner und Abschied von Graf Kinsky sowie von der englischen
(Suite 403; dieSowär^i 404; Abfahrt von Diamond Harbuur 404; Kijckblick
n Aufenthalt in Indien 405; in See nach Singapur 410; malayische
'Fischerboote 414; Pulu Besar 414.
ir — Dschohor 419
Ankunft in Singapur 421; Kmpfang von Besuchen 422; der Abgesandtt:
s Königs von Siam422; Singapur 423; die Chinesen und Malayen 420;
das europilische Viertel 426; das Raffl es -Museum 427 ; Government House
427; Bungalows 427; Dschin-Kickschas 42S; Bungalow des belgischen
Gene ralcon suis 428; botanischer Garten 428; Thiergarten 429; E'ark und
Palast des Sultans von Dschohor 429; Chinesen- Vitrtel 430; von Singapur
nach Dschohor 430; die Stadt Dschohor 431; im Palais des Sultans 431;
der Thronfolger 432; Fahrt mit dem Dampfboot 432; Fiühstück 432; das
Reich Dschohor 432; Jagd auf Hirsche und Wildschweine 434; Galu-
üiner 435; Besuch einer Spielbank 436; ^Vnkauf einer ethnographischen
Sammlung 430,
Tati<(jong Prioii — BaUvia — Buitenzorg — Garul — Tjiandjur 439
Abfahrt von Singapur 441; in See nach Java 44 1 ; Äquatortaufe 442 ;
Ankunft im Hafen Tandjong Priok 447; Feststellung des Programmes 447;
Fahrt nach Batavia 448; Atikunft und Empfang in Batavia 448; Fahrt in
die Stadt 448; der Saron;; 449; unser Absteigequartier 449; Programm
für die Jagdexpedition in das Innere Javas 450; Cl)inescn in Batavia 451;
das Kasteel 452; Krokodiljagd 452; Diner beim Generalgouvcmcur 454;
Rundfahrt durch Batavia und Vorstädte 455; die europäischen Viertel 456;
Waterloo-Plein und Konings-Piein 456; Infanterie und Cavallerie 437:
Chinesen-Viertel 457 ; das Haus Pieler Elberfelds 457 ; Malayen- Viertel 458 :
WelUusstellungspIatz 459; die javanischen Ponies450; das Museum 460:
von Batavia nach Buitenzorg 463; Buitenzorg 463; Diner und ein Wajang
in der Residenz des Generalgouvemeurs 464; Rundfahrt durch Buitenzorg
465; von Buitenzorg nach Garut 466; Flora von Java46T; Aufenthalt in
Tjiandjur 467; Aufenthalt in Bandung 468; das Thal von Garal 409;
Empfang in Garut 469; die Regenten 470; der Pajung 470; Wajang und
Tanz des Regenten in Garul 470; Fahrt zum Fuße des Papandajan 471;
begleitende Escorten 472 ; die Javanen 472 ; der Gamelang 473 ; Besteigung
des Papandajan 474; Widderkampf 476; ethnographische Ankäufe 476;
Wajang Kulit und Tanz des Regenten 476; Saujagd 476; beim Regenten in
Tjiandjur 479 ; Hirschjagd 480.
Jagdlager in Tjipandak — Buitenzorg — Batavia — Tandjong Priok 4S5
Jagdexpedition nach Tjipandak 487; von Tjibeber nach Tanggeng
487; von Tanggeng nach Sindangbnrang 491 ; von Sindangbarang nach
Tjipandak 493 ; Jagdlagcr in Tjipandak 494 ; Jagd auf Banlengs 495 ; Fisch-
fang im Tji Pandak 499; Bantcng-Jagd und Jagd auf Fedcru-ild 500;
Erinnerung an die Heimat 501 ; Regen 502; Pürschgang503; Pfauenpursche
und Bantcng-Jagd 503; Aufbruch aus dem Jagdlager 504; von Tjipandak
nachSindangbarung504; vonSindongbarang nach Tanggeng 505; vonTang-
geng nach Tjibeber und Buitenzorg 507; botanischer Garten in Buitenzorg
509; Armee und Flotte 511; die Kaserne in Buitenzorg 512; von Buitenzorg
nach Batavia und Tandjong Priok 515; Abfahrt von Tandjong Priok 516.
Port Kennedy auf Thursday Island — In See nach Sydney 517
In See nach Port Ktnnedy 519; der I. Mai 522; Maileier 522;
Verzeichnis der Illustrationen.
Seite
S. M. Schiff »Kaiserin Elisabeth«, den Hafen von Tricst verlassend. 3
Steamer Point 25
Kine Partie aus dem botanischen Garten von Peradenia 29
Kine Singhalesen-Ansiedelung 47
Der Teich von Kalawewa 51
Der erste erlegte Elephant 74
Der Kclsentempel auf der Insel Elephanta 77
Die Thürme des Schweigens 102
Das Jagdlager in Tandur 105
Auf der Suche nach Tigern 114
Eine StraÜe in Haidarabad 117
Kitt auf Elephanten durch Haidarabad 141
Das Kort von üwalior 145
F^clief aus Gwalior, Schiwa und dessen Gattin Parwati darstellend 160
Der Hugli bei Calcutta 1G3
Ein indisches Musikinstrument (Alabu-Vina) 187
Die Bergbahn nach Dardschiling 191
Der Kantschindschinga 203
Eine Partie der Ghats in Benares 207
Das Kuh-(jhat in Benares 216
Das Fort von Agra 219
Der Tadsch Mahal 247
Das Grabmal I lumavüns 251
Das Mausoleum Adam Khans 269
Aufbruch zur Tigerjagd 273
Der erste erlegte Tiger 293
Das F'ort von Dschodpur 297
Eine Straße in Dschodpur 32 1
Ein Platz in Dschaipur 325
Ein Kampf zwischen Büffelstieren 344
Die Jagdelephanten in Nepal 347
Das Jagdlager in Dakna Bagh 369
Das Jagdlager in Barbatta Tal 373
P73
Badende Elephantcn
Eine Partie des Urwaldes auf Pulu Besar. .
Kin mnlayisches Fischerboot (Prau)
Die malayische Ansiedelung in Singapur. .
Früchte der Tropen
Das Chinesen -Viertel in ßatovia
Kine Brüeke auf Java
Im Dschungel von Tjipnndak
Jagdlajjer in Tjipanduk
Port Kennedy auf Thursday Island
Auf der Jagd in Sommcr-.et
Anhänge.
Anhang I. Das HeisegefolRC und die Dienerschaft. .
Anhang II. S. M. SehifT .Kaiserin Elisabeth.
Anhang 111. Reiscühersichl
Karten.
Übersichlskarlc für die Koisü von Triest bis Jokuhar
Spccialliarlc fl'ir die Keise in Indien.
Speeialknrte Tür die Heise in Java.
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Stanford UniTersity Libraries
Stanford, California
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