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Full text of "Tagebuch meiner Reise um die Erde, 1892-1893"

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//  ^  ^ 


TAGEBUCH 


MEINER  REISE  UM  DIE  ERDE 


1892-1893. 


ERSTER  BAND. 


WIEN,  1895. 

ALKKEI»  IIÖLDKK,  K.U.K.  IIOK-  UND  UN1VKKS1TÄTS-I5ÜCHHANDLER 

1.,  ROTIIKN'TIIUK.MSTRASSE  15 

T  ■  i  r 


Von  Jugend  auf  bin  ich  viel  gereist.  Mannigfache  Veranlassungen 
haben  mich  kreuz  und  quer  durch  Europa  geführt,  so  dass  sich  mir 
reiche  Gelegenheit  geboten  hat,  unseren  alten  Erdtheil  kennen  zu 
lernen.  Auch  das  Land  der  Pharaonen,  Syrien  und  Palästina  habe 
ich  durchwandert.  Die  Verschiedenartigkeit,  die  Ursprünglichkeit  der 
empfangenen  Eindrücke  von  Ländern  und  Leuten,  von  Zuständen  und 
Dingen  haben  mir  Belehrung,  Befriedigung,  Genuss  verschafft.  Kein 
Wunder,  dass  in  mir  früh  die  Reiselust  rege  geworden  ist,  dass  sie 
sich  im  Laufe  der  Jahre  immer  mächtiger  entwickelt  und  endlich  zu 
dem  Wunsche  ausgestaltet  hat,  es  möge  mir  beschieden  sein,  eine 
Wanderung  um  die  Erde  zu  vollbringen.  Dieser  Wunsch  ist  in  Erfüllung 
gegangen. 

Durch  die  allergnädigste  Fürsorge  Seiner  Majestät  war  es  mir 
gegönnt,  einen  großen  Theil  der  Reise  auf  einem  Juwel  unserer  ruhm- 
vollen Flotte,  an  Bord  des  Torpedo-Rammkreuzers  »Kaiserin  Elisabeth« 
zurückzulegen.  Den  Allerhöchsten  Intentionen  gemäß  hatte  die  -Kaiserin 
FJisabeth^'  die  ostasiatischen  Gewässer  zu  befahren.  Durch  diese  Reise 
sollte  einem  Theile  der  Marine  Gelegenheit  geboten  sein,  sich  weitere 
praktische  Ausbildung  anzueignen,  sowie  maritime  und  wissenschaft- 
liche Studien  vorzunehmen.  Andererseits  aber  sollte  durch  die  Entsen- 
dung eines  imposanten  Kriegsschiffes  in  ferne  Meere  die  Machtstellung 
der  Monarchie  zu  gebürendem  Ausdrucke  gebracht  und  so  deren  handels- 
p<»litischen  Interessen  in  wirksamer  Weise  Vorschub  geleistet  werden. 
Die  Zwecke,  welche  für  die  Entsendung  dieses  Schiffes  maßgebend 
waren,  gestatteten  eine  theilweise  Verbindung  der  Reiseroute,  die  ich 
zu  nehmen  gedachte,  mit  jener,  welche  die  >'Kaiserin  Elisabeth«  einzu- 
schlagen hatte. 

Dankerfüllten  Herzens  gegen  die  Vorsehung,  die  mich  geleitet 
hat,  gegen  jene,  die  mein  Beginnen  gefördert,  unterstützt  haben,  spreche 
ich  aus,  dass  sich  alles  vereinigt  hat,  um  mich  das  Ziel  erreichen  zu 

VII 


liis^'jn.  welches  ich  .selbst  mir  gesteckt  habe.  Nicht  die  Neugierde, 
■A-elche  den  filobe-Trotter  um  den  Erdball  treibt:  nicht  lediglich  die 
'.'urli';bü  für  die  Jagd,  obwohl  diese  für  sich  allein  in  Anspruch  nehmen 
kann,  dtn  Reisenden  unausgesetzt  in  unmittelbare  Berührung  mit 
pirspriinglichem  Naturleben  zu  bringen;  nicht  der  Wunsch,  jenseits 
'i';'.  '»ceans  seltsames  Schaugepränge,  exotischen  Glanz  anzustaunen, 
ri.ib'^n  mich  bestimmt,  fast  ein  langes  Jahr  ferne  von  der  Heimat  zu 
■'.'•jilen.  Was  mich  hiezu  bewogen  hat.  ist  das  Streben  gewesen:  aus 
l'.T  fi'.TS'"inlichen  Anschauung  anderer  Erdtheile,  aus  dem  Einblick 
!fi  tr'.-inde  Staatsgebildc  und  Gemeinwesen,  aus  der  Berührung  mit 
(r':iiiit';n  Völkern  und  Menschen,  mit  ausländischer  Cultur  und  Sitte 
l'';l';hning  zu  gewinnen;  aus  der  Besichtigung  wundersamer  Werke 
■l';r  Kunst,  aus  der  Betrachtung  fremdartiger  Natur  und  ihrer  unerschöpf- 
li':h';n  keize  Genuss  zu  schöpfen.  In  offener  See  —  auf  festem  Lande: 
H)  hirwtliciien  i'alästen  ---  in  dürftigen  Hütten;  in  Metropolen  —  in  ein- 
-.uutnr  Wildnis;  in  üppigen  Niederungen  —  auf  lichten  Bergeshöhen 
lifili'!  ich  gefunden,  was  ich  gesucht.  An  Erfahrungen,  an  seltener 
iJ'riit':,  an  Sfiinmlungen  reich  bin  ich  heimgekehrt. 

I.'rn  all  die  tiiiiscndrältigen  Kindrücke  festzuhalten,  welche  auf 
iin':h  •riii'.Kirmlen,  um  noch  in  spätem  Alter  nachempfindend  wieder 
(;':rii''(j'r(i  zu  können,  was  mich  in  jungen  Jahren  entzückt  hat,  habe 
I'  |j  Vom  Aiil";ginii(;  der  «eise  tägliche  Aufzeichnungen  gemacht.  Hiebei 
■.viii  I'  li  iil";r  auch  Von  dem  Gedanken  an  jene  bestimmt,  die  mir  in  der 
H"n(iJit  w'.-jllen,  Sie,  welche  des  unmittelbaren,  unvergleichlichen  Reizes 
d'^t  IUI  mir  voriiberziehenden  Bilder  entbehren  musstcn,  sollten  hiefür  — 
■.v.-iiji  ii\i.-\i  nur  si'hwm-hen        Ersatz  darin  linden,  dass  ich  sie  mittelbar 


Triest-  Port  Said    Steamer  Point    Aden. 


1 


Triest  —  l'ort  Said  — 
Steamer  Point— Aden. 


Triest  - 


in  See  nach  Port  Said,  lö.  Dccember  1802. 


Das  Häusermeer  Wiens  versinkt  am  Horizont;  einen  letzten  Gruü 
rch  der  schönen  Stadt  —  erst  nach  einer  langen  Fahrt  um  die  Erde 

«t1  ich  sie  wiedersehen! 

Die  Eltern,  die  jüngeren  Schwestern,  Otto  und  meine  Schwägerin 
jAbcn  mir  das  Geleite  nach  Triest.  Am  14.  December  abends  trafen 
Mr  daselbst  ein.  Unmittelbar  nach  der  Ankunft  schiffte  ich  mich  auf 
lem  Rammkreuzer  -Elisabelh«  ein,  an  dessen  Bord  mich  der  Com- 
QftBndanE,  LinienschiPfs-Capilän  v.  Becker,  und  der  Stab  cmpliengen. 
Unweit  der  «Elisabeth«  lag  der  »Greif«  vertäut.  An  Bord  dieses 
ihiffes  verbrachten  die  Eltern  und  Schwestern  die  Nacht. 

Heute  morgens  kamen  die  Meinen  —  Ferdinand  war  ebenfalls 
i!ingelan(;t  —  an  Bord  der  -Elisabeth-,  um  mich  die  lulz-ten  Stunden 
vor  der  Abreise  mit  mir  zu  theilen. 


AU  späterhin  Admiral  Baron  Stemeck  und  endlich  auch  Graf  und 
Gräfin  Thun,  sowie  FOrsi  Slarhemher^  erschienen  «'«■eo,  gieng  es 
an  eine  gründliche  Besichtigung  des  Schiffes  in  allen  seinen  Theilen 
und  der  Ausrüstung  für  die  lange  Reise,  Die  Bauerien,  die  Torpedo- 
einrichtungen,  die  kolossalen  Maschinen  von  POiO  Pferdekräften,  die 
riesigen  24  cm  Thumigeschutze,  die  Officiers:r.esse.  sowie  die  Maga- 
zine mit  dem  Munitions-  und  Provianix^orraih  fanden  die  gebürende 
Bewunderung. 

Die  letzten  Stunden  des  Beisammenseins  mit  den  Meinen  ver- 
strichen nur  allzu  rasch  und  nun  war  der  Augenblick  des  Auseinander- 
gehens diil  L'nter  Geschütz-  und  Hurrahsalui  begleiiele  ich  meine  Eltern 
und  Geschwister  an  Bord  des  •Greif-,  nahm  hier  schweren  Herzens 
Abschied  und  kehrte  dann  auf  die  •Elisabeih-  zurück. 

l"m  '2  {.'hr  wurde  die  Venäuung  gelost;  liie  Voikshj-mne  erklang, 
hundorlstimniig  erbrausten  Hurrahs  der  Ofliciere  und  Matrosen  — 
niiijosiiilisch  setzte  sich  die  •  Elis,ibeth •  in  Bewegung,  Wir  fuhren 
neben  dem  'Greir'  und  zwei  mit  Damen.  Ol^cieren  und  anderen  Herren 
iius  Tricst  diijht  besetzten  I.loyddamplem  —  »ArciJuchessa  Carlotta« 
und  •Diinubio«  -  vorbei.  .Aul  siimmilichen  SchiiTen  ertönte  die  Volks- 
liymne:  grüüend  wurden  Tücher,  Mützen.  Hüte  geschwenkt:  in  allen 
rniigliclieii  Si^rachon  erschollen  zu  uns  herüber  die  Rufe  '.\\i\  Wieder- 
sehen- und  •Glückliche  Roiso",  die  wir  mit  ■Hurrah*  und  Flaggen- 
gruU  erwiderten.  Ks  war  ein  ergreifender  Moment! 

Der  Tender  .llüllVl-.  die  beiden  Lloyddampier  ur.d  der  -Greif, 
schlössen  hidi  uns  zur  Begleitung  an.  l'nsere  beiden  B-irdkapellen 
bniclilen  piilriotisehe  Kiirbung  in  die  Abschied^slimmung  —  die  Weisen 


kleiner,  bis  es  wie  ein  Punkt  am  Horizonte  schwamm,  dort,  wo  Himmel 
und  Wasser  ineinanderzufließen  schienen.  Dann  entschwand  es  völlig 
meinen  Blicken.  In  mein  Inneres  aber  senkte  sich  ein  Gefühl  unend- 
licher Sehnsucht  nach  der  Heimat  und  den  Lieben,  die  sie  mir  birgt  — 
es  war  Heimweh,  das  ich  früher  nicht  gekannt.  Eben  erst  hatte  mich 
die  Reiselust  mit  ihrem  ganzen  Zauber  erfasst  und  nun,  wenige  Augen- 
blicke nachdem  ich  den  heimatlichen  Boden,  Eltern  und  Geschwister 
verlassen,  war  schon  Heimweh,  der  treue  Gefährte  des  an  seiner 
Scholle  hängenden  Reisenden,  an  meiner  Seite  erschienen,  unwill- 
kürlich herbeigerufen  durch  den  Gedanken,  dass  ich  ein  Jahr  lang  in 
der  Ferne  weilen  soll. 

Nie  habe  ich  die  Macht,  welche  das  Vaterland  auf  seine  Söhne  zu 
üben  vermag,  tiefer  empfunden  als  jetzt,  da  ich  in  jeder  Secunde  mich 
unaufhaltsam  von  ihm  entfernte.  Trostreich  aber  überkam  mich  auch 
das  Bewusstsein,  dass  Entfernung  nicht  Trennung  bedeutet:  denn  jene 
wird  überbrückt  durch  die  Hoffnung  auf  glückliche  Rückkehr  aus  der 
Fremde,  auf  freudiges  Wiedersehen. 

Willig  überließ  ich  mich  einige  Zeit  meiner  Stimmung  und  hieng 
den  Gedanken  nach,  die  sie  erzeugte.  Dann  aber  bannte  ich  dieselben. 
Galt  es  ja  doch  zunächst  für  jeden  von  uns,  sich  auf  dem  schwimmen- 
den Stücke  Vaterland  so  wohnlich  und  behaglich  als  möglich  einzu- 
richten. In  den  Cabinen  wurden  Photographien  und  Bilder  aufgehängt, 
die  Bücher  der  reichhaltigen  Reisebibliothek  geordnet,  Waffen  aus- 
gepackt und  instandgesetzt.  Bald  war  die  Arbeit  gethan  und  ich  gieng 
wieder  auf  Deck.  Die  wohlbekannte  Istrianer  Küste  mit  ihren  kahlen 
Preisen  und  den  netten,  weißen  Ortschaften  zog  an  uns  vorbei:  fernhin 
erglänzte  noch  der  Gipfel  des  Monte  Maggiore.  Ein  prachtvoller  Sonnen- 
untergang beschloss  den  Tag.  Der  Abend  vereinigte  uns  in  der  Speise- 
cabine  und  die  sinkende  Nacht  fand  uns  noch  bei  der  Abfassung  der 
ersten  brieflichen  Grüße  an  die  Heimat. 

In  See  nach  Port  Said,  16.  December. 

Ein  herrlicher  Tag  und   völlig  ruhige   See   begrüßten    uns.    Die 

erhöhte   Kraft    der    Sonne    machte    sich    merklich    fühlbar.    Morgens 

erblickten  wir  die  Gebirge  des  Festlandes  mit  dem  Monte  Movar  bei 

Rogosnizza:  gegen  9  Uhr  fuhren  wir  zwischen  Lissa  und  Busi  hindurch 

und  sahen  in  der  Ferne  die  kleine  Insel  Pelagosa:  einige  Stunden  später 

tauchten  die  hohen  Berge  der  Bocche  di  Cattaro  empor. 

.1 


Mit  unbewaffnetem  Aurc  kaum  wahrnehmbar,  erschien  am 
Horizont  ein  segelndes  Kriegsschiff,  welches  wir  für  ein  Kanonenbool 
unserer  in  Dalmatien  kreuzenden  Winter- Escadre.  und  zwar  für 
■Nautilus-  oder  »Albatros«  hielten. 

\'ormittags  wurde  ein  Gefechtsalarm  der  gesammten  Mannschaft 
geübt,  sowie  mit  den  Geschützen  manövriert,  Cbungen,  welche  mit  der 
unserer  Kriegsmarine  eigenen  Präcision  durchgeführt  wurden. 

Im  \'erlaufe  der  Fahrt  kam  in  weiter  Feme  das  italienische  Fest- 
land in  Sicht,  welches  sich  in  zart  gezeichneten,  bläulich  schimmernden 
("nntnuren  über  dem  Meere  erhob. 

Xach  einem  herrlichen  Sonnenunlergang  erfreuten  wir  uns 
des  reinsten  Sternenhimmels,  eines  Schauspieles,  das  wir  bei  den 
Klängen  unserer  trefflichen  Kapelle  auf  dem  .Achterdeck  in  vollen 
Zügen  genossen. 

In  See  nach  Port  Said,  17.  December. 

In  der  Nacht  kam  stärkere  Bora,  welche  die  See  höher  gehen 
licf3:  durch  das  heftige  Rollen  des  Schiffes  geriethen  verschiedene 
Gegenstande  aus  ihrer  Lage  und  schlugen  an  die  Wände,  so  dass 
wir  infiilgo  des  entstandenen  I.ärmos  schon  um  :i  L'hr  früh  geweckt 
wurden. 

Der  Morgen  war  jedoch  wieder  schön  und  die  See  ruhiger,  aber 
dank  einer  fri.schen  Nordostbrise  noch  immer  bewegt,  l'm  8  L'hr  waren 
wir  auf  der  Höhe  vt>n  Corfu  und  sahen  in  der  Feme  die  herrlichen 
albanischen  Gebirge.  Nachmittags  wurde  Kephalonia,  das  nie  eine 
liisliin^chc  Holle  gespielt  hat.  aber  doch  auf  eine  bewegte  Geschichte 


In  See  nach  Port  Said,  18.  Deccmber. 

Schon  beim  Erwachen  bemerkte  ich,  dass  die  See  ziemlich  hoch 
fachen  müsse,  da  ich  in  der  Cabine  starke  Rollbewegungen  verspürte. 
Nachdem  ich  mich  mühsam  mit  Hilfe  des  Marinedieners  angekleidet, 
stieg  ich  auf  Deck,  wo  ich  bereits  manch  verstörtem  Gesichte  begegnete, 
da  Vater  Neptun  seine  ersten  Opfer  verlangt  hatte.  Eine  steife  Brise 
kam  aus  Nordost  und  See  auf  See  gieng  übers  Verdeck.  Dabei  war  der 
Tag  klar  und  in  intensivem  Blau  prangte  der  Himmel  über  uns. 

Vormittags  hätte  Aufwartung  des  Stabes  und  Messe  in  der  Batterie 
stattfinden  sollen,  doch  musste  beides  der  starken  Rollbewegungen 
wegen  abgesagt  werden;  erst  gegen  Mittag,  als  wir  auf  die  Höhe  von 
Kreta  kamen,  wurde  die  See  ruhiger.  Wir  änderten  nun  etwas  den  Curs 
und  steuerten  längs  der  Küste  von  Kreta  zwischen  dieser  und  der  Insel 
Gavdo  durch.  Der  Blick  auf  Kreta  ist  landschaftlich  überaus  pittoresk; 
die  Berghäupter  des  bis  zu  2457  m  aufsteigenden  Ida  krönen  das  ganze 
Bild,  während  steile,  felsige  Lehnen  bis  zum  Meere  hin  abfallen. 
An  Vegetation  scheint  die  Küste  fast  ebenso  arm  zu  sein,  wie  an 
menschlichen  Niederlassungen,  obschon  von  letzteren  in  der  Karte 
so  manche  eingezeichnet  sind.  Nur  an  einzelnen  markanten  Punkten 
springen  kleine,  weißgetünchte  Gebäude,  anscheinend  Kirchen  oder 
Klöster,  hervor.  Der  auf  dem  Ida  tief  herabreichende  Schnee,  die  violett- 
röthliche  Beleuchtung  der  Berge  und  der  tiefblaue  Himmel  vereinigen 
sich  zu  einem  wirkungsvollen  Panorama. 

Nach  dem  Lunch  fand  als  Sonntagsscherz  eine  Tombola  für  die 
Matrosen  statt,  zu  welcher  die  dienstfreie  Mannschaft  sich  auf  dem 
Mitteldeck  versammelt  hatte.  L-nser  braver  Bootsmann  —  noch  ganz  der 
Typus  der  alten  Schule,  gegen  alle  modernen  maritimen  Einrichtungen 
mit  einer  gewissen  Abneigung  behaftet  —  rief  die  Nummern  aus,  wobei 
er  jede  Zahl  mit  einem  italienischen  Witzwort  verknüpfte,  was  viel 
Heiterkeit  erregte.  Wein,  Cigarren  und  verschiedene  Kleinigkeiten  dienten 
als  Preise. 

Abends  wurde  zu  Ehren  meines  Geburtstages  von  den  Matrosen 
ein  Festzug  arrangiert,  der,  äußerst  gelungen  und  amüsant,  von  dem 
Witze  und  der  Erfindung.sgabe  unserer  Leute  Zeugnis  gab.  Mit  den 
einfachsten  Mitteln,  wie  Werg,  Ruß,  gebrochenen  Riemen,  Angelhaken 
u.  dgl.  erzielten  sie  die  drolligsten  Effecte.  Hinter  der  Musikkapelle 
marschierte  zunächst  ein  italienischer  Sängerchor  auf,  der  einige 
gut    gestimmte  Lieder   zum   besten   gab:    dann   kam   eine  böhmische 


Musikhande,  welche  mit  den  verschiedensten,  den  Cadetten  entlehnten 
Gewändern  angethan,  in  den  gewagtesten  Modulationen  das  bekannte 
Lied  -Xejde  to-  spielte;  zugleich  trat  ein  Thierhändiger  auf,  der  eine 
ganze  Schar  von  Löwen,  Affen,  Elephanten,  Kameelen  mit  sich  führte. 
Besonders  sinnreich  waren  die  Elephanten  construiert:  je  zwei  Mann 
hatten  sich  eine  getheerte  Geschützdecke  aufgestülpt  und  benutzten  den 
Laufschutz  als  Rüssel.  Ein  ganz  unheimliches  Thier  mit  beweglichem, 
zähnebewehrtem  Rachen,  eine  Kreuzung  von  Marabu  und  Krokodil, 
hatte  das  Licht  der  Welt  in  der  Schusterwerkstätte  erblickt.  Echt  wiene- 
rische Weisen  ließ  ein  -SchrammeU-Quartett  ertönen,  und  zum  Schluss 
erschien  unter  Anführung  eines  prächtigen  Häuptlings  eine  ganze 
Horde  rabenschwarzer  Zulukaffem,  die,  gegen  den  frischen  Nordost  nur 
durch  Schwimmhosen  und  eine  tüchtige  Schichte  RuÜ  geschützt,  vor 
Kälte  klapperten.  Die  Wilden,  die  ein  großes  Transparent  mit  meinem 
N'amenszuge  herbeischleppten,  brachen  in  stürmisches  Hurrah  aus  und 
vergnügten  sich  dann  an  einem  Tanze,  dessen  lebhafte  Bewegungen 
sie  bei  ihren  luftigen  Costümen  einigermaßen  erwärmten.  Da  übrigens 
die  Musik  im  gemeinverständlichen  Rhythmus  einer  lustigen  Polka 
erklang,  so  drehte  sich  bald  die  ganze  Mannschaft  paarweise  in  fröh- 
lichem Reigen. 

Die  ungezwungene  Heiterkeit  unserer  Matrosen  macht  einen  wohl- 
thuendcn  Eindruck.  Bei  den  strengen,  mitunter  harten  und  gefahrvollen 
Anforderungen,  welche  der  Dienst  stellt,  darf  man  hierin  gewiss  einen 
Beweis  für  die  physische  und  psychische  Gesundheit  der  Mannschaft, 
aber  auch  für  den  vortheilhaften  Einfluss  eines  streng  geregelten 
militärischen  Lebens  erblicken.  Es  ist  sehr  erfreulich  zu  sehen,  wie  die 


In  See  nach  Port  SaUi,  19.  December. 

In  der  Nacht  hatte  der  steife  Nordost  bedeutend  zugenommen. 
Die  >»  Elisabeth  «<  rollte  auf  das  heftigste,  in  den  Cabinen  führten  einige 
den  Tag  vorher  nicht  genügend  befestigte  Gegenstände  einen  wahren 
Hexentanz  auf. 

Als  ich  um  6V2  Uhr  morgens  auf  die  Commandobrücke  kam, 
meldete  mir  der  Wachofficier,  dass  die  See  nachtsüber  stürmisch 
gewesen  sei.  Die  Rollbewegungen  betrugen  noch  den  ganzen  Vor- 
mittag hindurch,  obschon  der  Wind  dann  einlullte,  22  Grade. 

Heute  erblickten  wir  kein  Land,  sahen  also  zum  erstenmale 
den  ganzen  Tag  über  nur  Himmel  und  Wasser. 

Port  Said,  20.  December. 

Morgens  kam  das  Leuchtfeuer  von  Damiette  in  Sicht.  Als  wir 
uns  Port  Said  genähert  hatten  und  die  Umrisse  der  Stadt  bereits  am 
Horizonte  erkennbar  waren,  erschien  der  Lotse,  welcher  die  >»  Elisa- 
beth«' in  den  Hafen  führte.  Wir  salutierten  die  ägyptische  Flagge 
mit  21  Schüssen,  worauf  eine  Landbatterie  den  Salut  erwiderte.  Die 
ägyptischen  Artilleristen  sahen  in  ihren  englisch  geschnittenen  Uni- 
formen, schwarz  mit  rothen  Lampassen,  recht  schmuck  aus. 

In  der  Nähe  unseres  Consulates  kamen  wir  knapp  vor  einem 
großen  englischen  Ostindienfahrer  an  die  Boje.  Im  Hafen  lagen  ein 
englisches  Kanonenboot  und  verschiedene  große,  zumeist  englische 
Dampfer,  welche  so  rasch  als  möglich  Kohle  machten,  um  dann  die 
Fahrt  durch  den  Suez-Canal  unverzüglich  fortzusetzen.  Port  Said  ist 
überhaupt  ein  Hafen,  in  dem  sich  kein  Schiff  länger  aufhält,  als 
unumgänglich  nöthig;  Kohlen-  und  Proviantvorräthe  werden  ergänzt, 
die  Post  wird  aufgegeben,  der  Pilot  eingeschifft  und  dann  geht  es  dem 
weiteren  Ziele  zu.  Bei  unserer  Ankunft  tummelten  sich  auf  dem  Quai  alle 
möglichen  Gestalten  umher,  welche  die  Ankunft  des  mächtigen  Kriegs- 
schiffes sehr  zu  interessieren  schien  —  englische  Officiere,  Matrosen, 
Araber,  Fellahs,  Inder,  Juden  und  Reisende  der  Ostindienfahrer. 

Unser  Consul,  sowie  Generalconsul  Baron  Heidler,  der  von  Kairo 

herbeigekommen    war,    begrüßten    mich.    Letzterer  meldete,    dass  der 

Khedive,  obgleich  ich  im  strengsten  Incognito  reiste,  sich  nicht  versagen 

könne,  in  FLrinnerung  an  die  freundliche  Aufnahme,  die  er  seinerzeit  in 

Wien  gefunden,  seinen  Oheim  und  zugleich  Generaladjutanten,  Prinzen 


Kuad  Pascha,  zu  meiner  Begrüßung  zu  entsenden.  Kaum  hatte  ich  mich 
in  Gala  geworfen,  so  kam  auch  schon,  von  der  ägyptischen  Hymne 
begrüßt,  der  Prinz  an  Bord,  um  mich  im  Namen  des  Khedives  im  Reiche 
der  Pharaonen  willkommen  zu  heißen.  Prinz  Kuad  Pascha  ist  durch 
vollendete  Umgangsformen  und  gründliche  europäische  Bildung  aus- 
gezeichnet. Ich  unterhielt  mich  längere  Zeit  mit  ihm  und  enviderte 
dann  seinen  Besuch  im  Hotel. 

Der  Rest  des  Tages  sollte  zu  einer  Jagdexpedition  nach  dem 
Menzaleh-See,  arrangiert  vom  Consui  und  von  dem  Pascha  von  Port 
Said,  verwendet  werden.  Ich  gestehe  offen,  dass  ich  wenig  Vertrauen 
in  den  Erfolg  dieses  Unternehmens  setzte,  da  derartige,  unter  aus- 
giebiger Mitwirkung  von  Eingeborenen  abgehaltene  Jagden  gewöhnlich 
mit  einem  großen  Aufwände  von  Geschrei  und  Bakschisch,  aber  mit 
einer  sehr  geringen  Jagdbeute  verbunden  sind.  Ich  habe  in  dieser 
Richtung  bei  meiner  ersten  Reise  nach  dem  Orient  viele  Erfahrungen 
gesammelt.  Glücklichenveise  sollte  ich  diesmal  angenehm  enttäuscht 
werden. 

Das  Galaboot  brachte  uns  rasch  eine  Strecke  weit  in  den  Canal, 
wo  uns  der  Pascha  und  eine  große  Anzahl  Vorsteher  der  imi  den 
Menzaleh-See  liegenden  Gemeinden  ■ —  schöne,  kräftige  Gestatten  im 
faltenreichen,  farbigen  Burnus  —  empfiengen.  Der  gute  Pascha  machte 
eine  ziemlich  süßsaure  Miene  und  befand  sich  in  höchst  gedrückter 
Stimmung:  die  Leitung  dieser  Jagd  bildete  den  letzten  Act  seiner  Amts- 
thiitigkeit,  die  wegen  einer  oft  als  orientalisch  bezeichneten  AulTassung 
von  "Soll"  und  -Haben«  in  den  Verrechnungen  ein  jähes  Ende  gefunden 
haben  soll. 


limeJ,    der   schon   während    meiner    ersten    Orientreisi;    in    meinem 

ieful};e  ganz  Palästina  und  Syrien  durchzogen  hatte,  diente  mir  als 

tolmetsch.  Nach  vielem  Lärmen  und  Riichen  wurden  wir  schließlich 

ftolt.  In  der  ersten  Barlie  saßen  ich  und  Wurmbrand,  in  der  zweiten  Clani 

und  Prönay;  die  Nachhut  bildeten  die  beiden  Herren  vom  Ccnsularcorps. 

der  Pascha  und  das  übrige  Jagdgefolge. 

^^^L        In   weiter   Ferne,   schon   ganz   am   Horizonte,   sahen    wir   viele 

^^Bundert   Flamingos,   welche,   im    seichten   Brackwasser   stehend,   in 

^^Hngen  Linien  weithin  rosenroth  leuchteten.    Kine  solche  Kette  von 

^^HUmingos  bietet  dem  Jäger,  wie  dem  Ornithologen  einen  prächtigen 

^^^Bnblick,     Zuerst  nimmt   das   Auge   nur  einen  lichtru.'ienrothen,   lang- 

^^^estreckten  Streifen  wahr,  bis  der  Beobachter,  näher  herangekommen, 

immer  deutlicher  die  einzelnen  Exemplare,  den  langen,  meist  S-ftirmig 

gebogenen  Hals,  die  hohen  Ständer  und  den  geschmeidigen  Leib,  die 

purpurroth  gefärbten  Männchen,  die  viel  lichteren  Weibchen  und  die 

jungen  Thiere  unterscheidet.    Steht  ein  ganzer  Schwärm  dieser  herr- 

Mchen  Vögel  mit  sturmähnlichem  .Sausen  auf,   um   abzustreichen,  so 

isl   das   Bild   noch   viel   fesselnder,    da  die   Flamingos   im   Fluge   den 

langen  Hals   und  die  Stander  wagrecht  ausgestreckt  halten   und  das 

unter   den  Flügeldecken  befindliche,   intensiv   gefärbte  Gefieder   mehr 

p  Geltung  kommt.    Ein  solcher  Zug  gleicht  einer  rüthlichen  Wolke. 

höer  den  Flamingos  schwammen  auf  dem  Wasserspiegel  noch  zahl- 

■che   Schwärme   von   Blässhühnern,   Lappentauchem,  Tafel-,  Moor- 

I  Spießenten:    einzelne  Flüge  von  Strandläufern   eilten  vorbei  und 

Seihen,  sowie   Falken    stießen    in    graziösem   Fluge   auf  die   Knten- 

fiwärme  herab,  die  in  schleuniger  Flucht  ihr  Heil  suchten. 

Vorerst    trachtete    ich    den    nächststehenden    Trupp   Flamingos 

teufahren.    Wir  kauerten  uns  ganz  in  das  Boot  nieder,  während  uns 

zwei  Eingeborene,  im  Wasser  watend,  vor  sich  herschoben.    Stutzen 

und    Schrotgewehr    liegen    bereit;    mit    ängstlichster  Aufmerksamkeil 

langsam  vorwärts  rückend,  beobachten  wir  die  ersten  Flamingos,  die 

t  Vedetten  vor  dem  großen  Truppe  stehen.  Endlich  kommt  L'nruhe 

|.die  Gesellschaft;   alle  Hälse  strecken  sich:  die  vordersten  Vögel 

,  einige  Schritte   vor  und    erheben  sich    mit  schwerem  Flügel- 

blage.    Jetzt   ist   es   höchste   Zeit.    Obgleich   wir  erst  auf  ungefähr 

Schritte   herangekommen  sind,  versuche   ich  einen  Kugelschuss, 

r,  leider  zu  kurz,  einen  Flamingo  ständert,  ihn  aber  nicht  herabbringt. 

(  großem  Getöse  hebt  sich  jetzt  der  Schwärm  in  die  Lüfte  und  streicht 

langer  Linie  ah.    In  diestim  Momente  sehe  ich  auf  gut  3l>!)  Schrille 


einen  einzelnen,  schönen  alten  Hahn  hoch  in  der  Luft  vorbeistreichen 
lind  wage,  ohne  jede  Hoffnung  auf  Erfolg,  wohl  1  tn  weit  vorhaltend, 
einen  Kugelschuss.  Wie  vom  Blitz  getroffen  stürzt  der  Flamingo 
mitten  durch  die  Brust  geschossen  ins  Wasser,  aus  dem  zu  meiner 
großen  Freude  ein  Araber  das  prächtige  Exemplar  apportiert.  um  es 
grinsend  in  das  Boot  zu  reichen.  Noch  zweimal  versuchten  wir  die 
scheuen  Thiere  anzufahren;  einmal  mit  zwei  Booten  zugleich,  wobei 
eine  Salve  abgegeben  wurde,  die  Wurmbrand  und  Clam  je  einen 
Flamingo  brachte.  Dann  hoben  sich  die  Vögel  in  unerreichbare  Höhen; 
alle  Schwärme  stießen  zusammen  und  zogen  in  östlicher  Richtung 
über  den  Canal  fort. 

Nun  beschäftigten  wir  uns  noch  mit  dem  übrigen  Wasserwild, 
erlegten  mehrere  Enten  und  Taucher  und  kehrten  dann,  da  die  Sonne 
im  Untergehen  begriffen  war,  ans  Land  zurück,  wo  wir  uns  von 
dem  trübseligen  Pascha  verabschiedeten  und  an  Bord  der  -Etisabeth- 
fuhren. 

Vor  dem  Diner  unternahmen  wir  noch  einen  kleinen  Spaziergang 
in  dem  nichts  weniger  als  anziehenden  Port  Said  und  besorgten  einige 
Kinkäufe,  welche  sich  gröUtenthells  aus  Cigaretten  und  verschiedenen 
oriunlalischen  CJegenständen  zusammensetzten.  Eigenthümlich  ist  die 
Kaufmunie,  die  den  Reisenden  in  fremden  Ländern  so  leicht  erfasst. 
Kr  fühlt  sich  gedrängt,  jede  Kleinigkeit,  ob  schön,  ob  hässlich,  mitunter 
sogar  argen  Tand  zu  erworben,  nur  um  etwas  für  den  betreffenden  Ort 
('liarakicristischos  heimzubringen,  als  gelte  es,  sich  über  den  Besuch 
IVenuier  Länder  handgreiflich  auszuweisen.  So  ergieng  es  auch  uns 
scliuri  in  Pnrl  Sai'd,  wo  wir  unserer  Kauflust  die  Zügel  schießen  ließen. 


K 


;S  asiatische  Ufer  trägt.  Zur  Hechltin  wie  zur  Unken  nichlb  als  Sand, 
jjelb  schimmernder  Sand,  in  dem  nur  tiie  und  da  mageres,  graugrünes 
Gestrüpp  auftaucht.  Beiderseits  zieht  sich  schier  endlos  kahle,  wüste 
lene  hin,  hiiufig  der  Schauplatz  der  gaukelnden  Fata  morgana, 

Die  ersten  20  im  lährt  man  längs  des  Menza!eh-Sees.  den  nur 
breiter  Damm  vnm  Canale  trennt.  Wer  es  nicht  selbst  gesehen 
hat,  macht  sich  keinen  Begriff  von  der  Menge  Wasserwildes,  das  um 
diese  Jahreszeit  den  Menzaleh-See  bevölkert:  Tausende  und  aber 
Tausende  von  Flamingos  stehen,  rosenrothe  Wände  bildend,  unbe- 
weglich im  Wasser;  dazwischen  streichen  große  Schwärme  von  Enten 
und  Tauchern,  während  bedächtige  Pelikane  mit  unerschütterlicher 
Ausdauer  auf  Fische  lauern  oder  schwerfälligen  Fluges  über  das 
Wasser  ziehen.  Am  auffallendsten  sind  die  ungeheuren  Mengen  von 
LTertäufern  und  Regenpfeifern,  die,  pfeilschnell  hin-  und  herstreichend, 
je  nach  den  Wendungen  des  Fluges  bald  silberartig  in  der  Sonne 
glänzen,  bald  als  dunkle  Wolke  erscheinen  und  so  einem  glitzernden 
Silberbande  gleichen,  das  in  den  Lüften  flattert. 

Hat  das  Schiff  das  Ende  des  Menzaleh-Sees  erreicht,  so  fährt  es 
halber  Kraft   zwischen  zahlreichen  Bojen  hindurch  in  dem  engen 
iz-Canal  weiter,  diesem  modernen  Weltwunder,  welches  menschliche 
Tgie  und  Ausdauer  in  verhältnismäüig  kurzer  Zeit  geschaffen.  Alle 
km   befinden    sich    Ausweichestellen    und   Signalstationen,   kleine, 
ssehende    Häuser,   mit  Veranden   geziert   und   von   grünen 
■tchen  umgeben.  Hier  wohnen  Beamte  der  Canal-Compagnie,  welche 
Aufsicht  und  Polizei  im  Canale  führen.  .Auf  hohen  Masten  werden 
[tiale  für  die  Schiffe  gehisst.  Große  Baggermaschinen  arbeiten  emsig 
ganze.Jahr  hindurch,  um  das  Bett  des  Canales,  welchen  das  nach- 
licbcnde  Uferland  und  der  Flugsand  der  Wüste  immer  wieder  zu  ver- 
schlammen und  zu  versanden  drohen,  normal  zu  erhalten;  Eingeborene 
verladen  das  .Aushubmaterial  auf  Kameele,  welche  es  dann  in  weiter 
Entfernung  deponieren  —  und  so  gibt  es  ununterbrochen  bedeutende 
iltungsarbeil,  wodurch  auch  die  ziemlich  hohen  Gebüren  erklärt 
|d,  welche  die  Schiffe  für  die  Durchfahrt  zu  entrichten  haben.  Unsere 
liffscasse  wurde  um  eine  Taxe  von  13.000  Francs  erleichtert. 

Die  Canal-Compagnie  hatte  die  Freundlichkeit,  unsere  Durchfahrt 
lurch  thunlichst  zu  beschleunigen,  dass  sie  allen  entgegenkommen- 
Dampfcrn  die  telegraphische  Weisung  ertheilte,  an  den  Ausweiche- 
stoppen, sich  zu  vertäuen  und  uns  passieren  zu  lassen.   Dies 
le  nicht  eben  die  besondere  Freude  derCapitäne  jener  Schiffe  erregt 


haben,  so  dass  wohl  manch  durbcs  Worl  rauhen  Ssemannäkehlen  ent- 
schlüpft .sein  mag,  als  wir  in  voller  Fahrt  an  den  ungeduldig  harrenden 
Schiffen  vorbeizogen  und  den  Blicken  entschwanden.  Ein  großer,  eng- 
lischer Dampfer  war  bei  dem  Ausweichen  auf  den  Gnmd  gerathen  und 
arbeitete,  so  lange  wir  ihn  sehen  konnten,  fruchtlos  mit  der  Maschine. 
um  sich  freizumachen. 

Gegen  Abend  langte  die  -Elisabeth-  in  Ismailia  an,  wo  wir  den 
Lotsen  wechselten,  um  sodann  die  Fahrt  unverzüglich  fortzusetzen.  Von 
Ismailia  sahen  wir  nur  wenige  am  L'fer  gelegene  Häuser  und  etwas 
Vegetatitin,  welche  einen  angenehmen  Contrast  zu  der  Eintönigkeit 
der  Wüste  bildete.  In  den  für  diese  Gegend  specifischen  Farben  des 
Hiirizonts,  dunklem  .Safran-  und  Purpurroth,  gieng  die  Sonne  unter. 
Die  groücn  elektrischen  Projectoren  wurden  in  Thatigkeit  gesetzt  und 
beleuchteten  taghell  unseren  Weg,  so  dass  man  jede  einzelne  Boje  auf 
die  weiteste  Distanz  unterscheiden  konnte.  In  den  Bitterseen  fuhren  wir 
einem  großen,  englischen  \'iermaster  vor  und  mussten  am  Ende  des 
kleinen  Bittersees  warten,  bis  sich  drei  Dampfer  bei  der  nächsten  Gare 
vertaut  hatten.  Ich  blieb  bis  nach  1 1  L'hr  abends  auf  der  Brücke,  da  es 
interessant  war,  das  Functionieren  der  verschiedenen  Signale  an  den 
Gares  und  Schiffen  wahrzunehmen,  sowie  die  Geschicklichkeit  zu 
beobachten,  mit  welcher  der  Lotse,  ein  Landsmann  aus  Porto  Ke,  das 
Schiff  dun  vielfach  verschlungenen  Cui^s  steuerte. 

In  See  nach  Steamer  Point.  "22.  December. 
Wir  sind  im  Gi»lf  von  Suez.  Der  Canal  liegt  hinter  uns  und  wir 


Unser  Lotse  Achmed  Ali,  ein  Araber  aus  Port  SaYd,  in  langem 
gelben  Burnus,  einen  rothen  Fez  auf  dem  Haupte,  nannte  mich  immer 
Padischah,  indem  er  sich  rastlos  vor  mir  verneigte,  wobei  in  seiner 
Miene  jener  Ausdruck  gutmüthiger  Verschmitztheit  lag,  den  man  häufig 
bei  den  Söhnen  der  Wüste  beobachten  kann.  In  meiner  Abwesenheit 
erkundigte  er  sich  bei-m  Wachofficier  lebhaft,  ob  ich  ihn  in  Aden  mit 
einem  Bakschisch  bedenken  würde.  Auf  die  Bemerkung  des  Officiers, 
dass  dies  nicht  gebräuchlich  sei,  schlug  er  demselben  vor,  ihm  zu  einem 
Bakschisch  zu  verhelfen,  den  sie  dann  miteinander  theilen  könnten. 
Dieser  originelle  Einfall,  der  auf  die  Landesüblichkeit  gewisser  Sitten 
ein  Streiflicht  wirft,  unterhielt  mich  begreiflicherweise,  und  ich  beschloss, 
den  Ehrenmann  bei  seiner  Ausschiffung  mit  einem  Bakschisch,  der 
ihm  allein  bleiben  sollte,  zu  beschenken,  damit  er  lerne,  was  bei  uns 
Brauch  ist. 

Das  Wrack  eines  Dampfers,  welches  an  der  Südspitze  der  Halb- 
insel Sinai  auf  einem  Korallenriff  steckt  und  nur  mehr  mit  einem  Theile 
des  Buges  und  einem  Mast  aus  dem  Wasser  ragt,  macht  einen  ernsten 
Eindruck.  Die  traurigen  Trümmer  regen  die  Phantasie  schaurig  an.  Man 
glaubt  das  Heulen  des  Sturmes,  das  Brüllen  der  See  zu  vernehmen, 
deren  thurmhohe  Wogen  das  arme  Schiff  erbarmungslos  an  den  Felsen 
geschleudert  hatten.  Was  mag  die  Bemannung  gelitten,  welch  grausige 
Schreckensscenen  mögen  sich  abgespielt  haben! 

In  See  nach  Steamer  Point,  23.  December. 

In  offener  See.  Kings  um  die  Planken  des  Schiffes  die  Salz- 
flut  und  über  ihr  das  Himmelsgewölbe:  das  ist  alles,  w-as  sich  den 
Blicken  des  Seefahrers  bietet.  Und  doch  ist  es  ein  Gemälde  einfacher 
Größe,  kein  eintöniges  Bild,  welches  Luft  und  Wasser  uns  hier  vor 
Augen  führen.  Wem  Gefühl  für  die  Schönheit  der  Natur  verliehen  ist, 
der  schöpft  aus  jedem  der  durch  die  Elemente  gestalteten,  wechselvollen 
Bilder  nur  genussreiche  Eindrücke.  Bald  fesseln  uns  die  Farbentöne 
und  Formen,  bald  die  Bewegung,  dann  wieder  die  majestätische  Ruhe 
des  Meeres  und  stets  aufs  neue  regt  dies  erhabene  Stück  der  göttlichen 
Schöpfung  unser  Denken  und  Empfinden  an:  jetzt  durch  den  Gischt  des 
Kessels,  in  dem  das  gewichtige  Eisenschiff  einem  P'ederballe  gleich  auf- 
und  niedersteigt;  dann  durch  die  leicht  gekräuselten  Schaumkämme  der 
Wellen  am  Buge  —  mag  ein  Nebelschleier  den  Horizont  verhüllen,  die 
glühende  Sonne  Luft  und  Meer  in  rosiges  oder  purpurnes  Licht  tauchen 

15 


oder  sanfter  Mondschein  die  nimmermüden  Wellen  mit  Silbergl. 
übergießen.  Stunde  auf  Stunde  vermag  ich  auf  der  Commandobrücke 
zu  stehen,  das  Auge  bald  auf  das  Wellengetriebe,  bald  zum  Firmament 
lenkend.  Wem  das  Himmelsgewölbe  mehr  ist  als  ein  leerer  Luftraum, 
wer  die  See  üebt  und  begreift,  der  erfreut  sich  an  der  Kraft  und  dem 
Zauber  des  Lichtes,  an  der  schimmernden  Glätte,  wie  an  dem  Tosen  des 
Meeres,  Ist  die  Sonne  versunken,  so  blicken  wir  auf  zu  den  Stern- 
bildern und  erinnern  uns,  dass  auch  die  Lieben  in  der  fernen  Heimat 
jetzt  wobl  emporsehen  zu  denselben  Gestirnen,  und  dass  sie  fiililen, 
was  uns  bewegt  .... 

Wie  grüßende  Boten  unseres  Elementes,  der  Erde,  betrachtete 
die  lebenden  Wesen,  die  sich  mir  von  dem  Schiffe  aus  zeigten:  eil 
unser  Fahrzeug  umgaukclnden  Delphin,  der  mit  keckem  Sprunge  spie- 
lend aus  dem  Wasser  schnellt;  eine  pfeilschnell  daherstreichende  Möve; 
einen  kleinen  Vogel,  der  sich  zwitschernd  auf  die  Raaen  setzt,  um  aus- 
zuruhen, bevor  er  die  weile  Reise  über  das  schier  endlose  Wasser  fort- 
setzt. Allerliebst  war  eine  Bachstelze,  die  uns  ein  Stück  Weges 
begleitete  und  ohne  Scheu  lustig  ihr  Liedchen  auf  dem  Geländer  di 
Commandobrücke  sang  und  dann  in  der  Batterie  Brosamen  aufpjcki 
die  vom  Tische  der  Matrosen  zu  Boden  gefallen  waren. 

Die  braven  Seeleute  genossen  eben  der  kurzen  Mittagsrast,  die  ibni 
herzlich  zu  gönnen  ist.  Vom  Morgen  bis  zum  Abend  sind  sie  in  ununtej 
brochener  Thätigkeit;  kein  Augenblick  des  Müßigganges,  der  Langweil 
Nach  dem  Auspurren  beginnt  die  Toilette  des  ganzen  Fahrzeuges,  Ul 
Ströme  von  Wasser  ergießen  sich  über  das  schöne  Schiff,  auf  dass 
sein  Tagewerk   unaufhaltsamen  Laufes  schmuck  und  blank  verficht 
Exercitien  aller  Art  in  der  Batterie  und  auf  Deck,  hin  und  wieder 
Feueralarm  oder  als  Probe  zu  ernstem  Waffengange  ein  Gefechtsali 
schließen  sich  an  und  setzen  sich  nach  dem  frugalen  Mahle  fort,  unl 
brechen  von  Stunden  geistiger  Sammlung  der  Mannschaft  in  den  Schil 
schulen.  Abends,  nach  des  Tages  Mühen  versammeln  steh  die  Matrosi 
auf  dem  Verdeck,  schmauchen  ihre  Cigaretle   und  singen  ihre  voll 
ihümlichen  Weisen,  wobei  die  Slaven  aus  Dalmatien  und  anderen 
liehen  Ländern  mit  ihren  meist  schwermüthigen,  den  alten  Heidensa] 
von  Marko  Kraljevic,  Peter  Klepec  und  Anderen  entsprossenen  Lied) 
den   Chor  anführen.    Endlich   ertönt   das   Signal   zum  Abpurren; 
Hängematten  werden  bez'^'^cn:  Siille  tritt  ein;  nur  das   Stampfen 
Maschine  ist  zu  höruii   und  JL-Lk-   h.illic  Stunde  der  Ruf  der  .Auslug« 
»Alles  wohl«.  •Laterne 


Tiat 


Den  ganzen  Tag  brachte  ich  auf  Deck  zu.  Die  Temperatur  ist 
bereits  eine  vollkommen  südliche.  Vor  meiner  Cabine  zeigt  das  Thermo- 
meter in  der  Sonne  40"*,  die  See  hat  22"*  Celsius.  Der  Wind  hat  gewech- 
selt und  zieht  heiß,  trocken  von  Süden.  Hin  und  wieder  sieht  man  in 
nebelhafter  Ferne  einen  hohen  Berg  am  Horizont  erscheinen,  sonst  nur 
einzelne  vorbeiziehende  Dampfer.  Morgens  passierten  wir  den  Leucht- 
thurm  von  Daedalus,  der,  auf  einem  unter  dem  Niveau  des  Wassers 
befindlichen  Korallenriffsich  erhebend,  mitten  aus  der  See  emporragt  — 
nicht  das  kleinste  Stück  Land  ringsumher.  Drei  Malteser  führen  hier  als 
Leuchtthurmwächter  ein  einsames,  mönchisches  Leben,  welchem  der 
Reihe  nach  einer  um  den  anderen  alle  sechs  Monate  mit  kurzem  Urlaub 
ans  Land  entflieht. 

In  See  nach  Stcamer  Point,  24.  December. 

Weihnachtstag  —  der  Tag,  dessen  Bestimmung  scheint,  nur  einen 
Abend  zu  haben,  mit  einem  Christbaum  als  Mittelpunkt  und  freud- 
vollem Geben  und  Nehmen  im  Kreise  der  Familie.  Wehmüthige  Gefühle 
beschleichen  mich.  Seit  29  Jahren  zum  erstenmale,  dass  ich  diesen 
Abend  nicht  mit  den  Meinigen  vereint  verbringen  soll.  Obzwar  auf 
vaterländischem  Boden  stehend,  vermissen  wir  doch  das  winterliche 
Bild,  welches  jetzt  die  heimatlichen  Gefilde  bieten,  und  das  mit  der 
Feier  dieses  Tages  so  eng  verknüpft  ist.  Wahrhaft  glühende  Wünsche 
und  Gedanken  sende  ich  aus  dem  Rothen  Meere  nach  Hause;  denn 
Phübus  meint  es  heute  mehr  als  gut  mit  uns.  In  der  Sonne  haben  wir 
über  40**,  im  Maschinenraum  über  60  "*  Celsius,  dazu  einen  glühend 
heißen  Südsüdostwind,  welcher  der  Atmosphäre  jede  erfrischende 
Wirkung  benimmt. 

Clam  und  ich  mussten  lächeln,  als  wir  vormittags  einen  kleinen 
Weihnachtsbaum,  den  ich  aus  den  Konopister  Wäldern  mitgenommen 
hatte,  in  meiner  Kajüte  aufputzten  und  dabei  fortwährend  »von  der 
Stirne  heiß,  rinnen  musste  der  Schweiß«.  Jede  Viertelstunde  eilten  wir 
auf  Deck,  um  etwas  bessere  Luft  zu  athmen,  da  die  drückende  Schwüle 
unter  Deck  kaum  zu  ertragen  war.  Auch  die  Lichter  und  die  Gegen- 
stände, die  uns  meine  Mutter  zur  Schmückung  des  Baumes  mitgegeben, 
zeigten  schon  die  Spuren  der  tropischen  Hitze;  sie  waren  ganz  weich 
geworden  und  begannen  zu  schmelzen. 

Untertags  sah  ich  zum  erstenmale  fliegende  Fische,  die  pfeil- 
schnell über  die  Wogen  huschten  und  mit  ihren  glänzenden  Flügeln 
großen  Schmetterlingen  glichen.  Auf  dem  Achterdeck  fiengen  wir  einige 


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LT'te  Hcu-jhrejken.  Jerer  Flugkran  icii  ^e^^x:^ie^e.  ja  sie  doch  vom 
-.kiri-ti-u-leirenen  La:iJ?iriche  ^«5  SesTy-ei^en  bi<  auf  Jß>  Schiff  zi:  lüepen 
r.ötier.  Die  anr-e::  Thierchen  \vare:i  auch  sehr  ermanei  unJ  daher 
;e;jhi  zu  fange:!. 

Gleich  nach  Jem  Diner  zünjeien  wir  die  Lichier  de?  Chrijibaumes 
in  UTid  begannen  ^o  die  kleine  Feier,  zu  welcher  sich  in  meiner  Cabinc 
fcLjÜer  den  Herren  meiner  Suiie  noch  Leopold,  der  Commandant  und 
dtr  Gesammt-Detailffficier  eingefunden  hauen.  Verschiedene  kleine 
'ies-chenke.  darunter  manche  heimlich  iriigetrebene  C'berraschung  aus 
d'^r  Heimat,  lagen  auf  dem  Tische. 

Einer  Einladung  des  Officierscorp?  foliiend.  begab  ich  mich  ins 
«.■am-,  wo  die  Herren  einen  sehr  hübschen  Chri>:baum  aufgestellt 
hatten,  der  mit  künstlichen,  aus  Baumwolle  hergesieliien  Schneeflocken 
i.ber-äe:  war  und  mit  seinen  vielen  Lichtem  freundüch-hell  erstrahUe. 
Eine  Jux-Tombola  mit  den  drolligsten  Gegenständen  ieiiete  das  Fest  ein, 
wjahrend  unser  Chefarzt  Dr.  Plumen  eine  famose  .\nanas-Bow!e  braute. 
Heim  ersten  Glase  gedachte  der  Commandant  in  warm  empfundenen 
Worten  aller  in  der  Heimat  Zurückgebliebenen,  die  sich  unser  am 
heutigen  Tage  gewiss  erinnern  und  in  Gedanken  bei  uns  weilen. 
Hieran  >chlossen  sich  musikalische  Vortrage,  Ein  Cadet  spielte  vor- 
:refnich  Zither,  während  sich  andere  Herren  auf  dem  Clavierc  ver- 
suchten. .\uch  der  Gesang  trat  in  seine  Rechie.  und  e^  heimelte  mich  so 
gemüihlich  an.  echt  österreichische  Weisen  zu  hören.  So  mancher  Rund- 
ye-ang.  manches  alte  Soldatenlied  zeigte  wenigstei-s  von  dem  guten 
Willen  und  von  der  Liebe  meiner  Landsleutc  zu  den  heir.ii sehen  Liedern. 
Zu  meiner  großen  P'reude  entdeckte  ich  in  unserem  !reff.;chen  Naviga- 
tionsoiticier  einen  tüchtigen  (jenossen  in  der  Kunst  des  Jodeins.  Der 


In  See  nach  Steamer  Point,  25.  Deccmber. 

Der  Südwind  wurde  immer  steifer  und  die  See  gieng  sehr  hoch, 
so  dass  CS  fraglich  wurde,  ob  man  den  Gottesdienst  werde  abhalten 
können.  Allein  unser  wackerer  Kaplan  ließ  sich  nicht  einschüchtern 
und  las  uns,  obschon  die  Lichter  verloschen  und  die  Leuchter  umfielen, 
auf  dem  von  der  Standarte  überragten  Altare  die  Messe. 

Nachmittags  kamen  die  Inseln  Dschebel  Te'ir  und  Zebayir  in 
Sicht,  nackte,  kahle  Eilande  ohne  jede  Vegetation.  Wieder  strichen 
fliegende  Fische  wie  silberne  Sternchen  vorbei.  Von  Vögeln  beob- 
achtete ich  außer  gewöhnlichen  Möven  mehrere  Flüge  Sturmsegler. 

Die  See  nahm  immer  zu;  Welle  auf  Welle  gieng  über  die  Brücke, 
auf  der  wir  beinahe  den  ganzen  Abend,  wenn  auch  völlig  durchnässt, 
das  imposante  Spiel  der  Wogen  bewundernd,  ausharrten. 

Steamer  Point,  26.  Deccmber. 

In  der  Nacht  hatten  wir  die  durch  ihre  Riffe  gefürchtete  Enge  von 
Dschebel  Zukur  und  Hanisch  passiert.  Unser  arabischer  Lotse  that  sich 
durch  seine  katzenartigen  Augen  hervor,  indem  er,  wiewohl  der  Mond 
nicht  schien,  in  dunkler  Nacht  jedes  auch  noch  so  entfernte  Riff  wahr- 
zunehmen vermochte. 

Morgens  ist  die  See  ruhiger.  Rechterhand  ist  das  afrikanische 
Festland,  linkerhand  die  arabische  Küste  sichtbar,  auf  welcher  die  hohen, 
scharf  gezackten  Berge  Jemens  erscheinen,  deren  Steilränder  einen 
anderen  Landschaftscharakter  zeigen,  als  die  Granitberge  an  der  Nord- 
küsle  des  Rothen  Meeres.  Auch  lässt  ein  Blick  durchs  Fernglas  auf 
den  \'{)rderseiten  der  Berge  Jemens  hin  und  wieder  einige,  obschon 
kümmerliche  Vegetation  sichtbar  werden.  Am  Ufer  schimmern  Hütten 
und  Zelte,  wahrscheinlich  die  Behausungen  nomadisierender  Araber. 

Nach  dem  Gottesdienste  fahren  wir  durch  die  Straße  Bab-el- 
mandeb,  das  »Thor  der  Thränen-,  eine  Benennung,  deren  Richtigkeit 
uns  so  manches  Wrack  mit  stummer  Beredsamkeit  bezeugt. 

Die  praktischen  Engländer  haben  sich  dieses  Stützpunktes  des 
Seeweges  nach  Indien  schon  1857,  also  noch  vor  der  Herstellung  des 
Suez-Canals,  zu  bemächtigen  gewusst.  Ein,  wie  es  scheint,  starkes  P'ort 
auf  der  Felseninsel  Perim  bewacht  und  sperrt  hier  die  Durchfahrt,  die 
schmälste  Stelle  des  Rothen  Meeres.  Jedes  der  beiden  Ufer  liegt  nur 
auf  Kanonenschussweite  von  dem  durchfahrenden  vSchiffe  ab.  Als  wir 


dem  Leuchtthurme  von  Perim  den  Namen  unseres  Schiffes  signalisiert 
hatten,  wurde  uns  mit  dem  zur  Jahreswende  üblichen  Wunsche  geant- 
wortet: »The  compliments  of  the  season!« 

Eine  Riesenschildkröte  von  beinahe  2  m  Länge  taucht  wenige 
Schritte  vom  Bug  auf,  betrachtet  uns  mit  ihrem  großen,  gelben  Kopfe 
einige  Secunden  lang  und  verschwindet  wieder  in  den  Fluten. 

Nun  tritt  die  afrikanische  Küste  immer  mehr  zurück,  während 
der  Arabien  angehörige,  felsige,  844  m  hohe  Dschebel  Kharas  in  Sicht 
kommt. 

Ein  riesiger  Zug  Quallen  nähert  sich  uns.  Diese  schimmern  und 
leuchten  in  den  schönsten  rosenrothen  und  dunkelvioietten  Farben- 
tönen, so  dass  wir  die  Maschine  stoppen,  um  einige  dieser  Blumen  des 
Meeres  herauszufischen. 

Um  8  Uhr  abends  blinkte  uns  das  Leuchtfeuer  von  Steamer 
Point  entgegen,  und  bald  darauf  lagen  wir  verankert  im  äußeren  Hafen 
von  Aden. 

Ein  kleiner,  englischer  Stationär^  das  Kanonenboot  ■.Redbreast- 
~  und  drei  größere  Warendampfer  lagen  im  Hafen,  wo  eben  ein  mäch- 
tiges, englisches  Transportschiff  die  Anker  lichtete.  Dieser  Koloss  ließ 
seine  Dampfpfeife  ertönen  und  setzte  sich  dann  eilends  mit  Östlichem, 
wahrscheinlich  nach  Indien  gerichtetem  Curs  in  Bewegung. 

Unmittelbar  nachdem  wir  Anker  geworfen  hatten,  kam  derGerent 
des  Consulates  an  Bord,  gefolgt  von  verschiedenen  Handelsleuten,  die 
uns  in  allen  erdenklichen  Idiomen  eifrigst  ihre  Dienste  anboten. 


Aden  27.  December. 


nisse  nicht  ganz  fünf  Kreuzer  ö.  VV.  geltende  Münze  —  flog  von  Bord 
ins  Meer,  und  wir  ergötzten  uns  die  längste  Zeit  an  diesem  heiteren 
Treiben. 

Inzwischen  waren  jüdische  Krämer  und  Händler  vom  Stamme 
der  Parsis  an  Bord  geklettert  und  boten  Straußfedern,  Antilopenhörner, 
Muscheln,  einheimische  P'lechtvvaren  und  allerlei  andere  Erzeugnisse 
feil,  so  dass  sich  am  Fallreep  bald  lebhafter  Handel  entwickelte.  Die 
Productivität  des  Gebietes  von  Aden  selbst  ist  eine  so  minimale,  dass 
hier  eben  nur  kleine  Objecto  der  Hausindustrie  oder  Jagd-  und  Strand- 
beute als  indigene  Handelsartikel  zum  Vorscheine  kommen. 

Aden  mit  Perim,  Little  Aden  und  den  neuerlichen  Erwerbungen 
(Newly  acquired)  gehört  zu  der  Präsidentschaft  Bombay  und  wird  von 
einem  politischen  Residenten  verwaltet.  Aden  ist  seit  1839  in  englischem 
Besitze. 

Die  gegen  Süden  ins  Meer  vorspringende  Halbinsel  trägt  auf  ihrem 
Ostufer  die  Festungsstadt  Aden,  auf  dem  Westufer,  in  einer  Entfernung 
von  8  km  die  kleine  Hafenstadt  Steamer  Point.  Da  nämlich  der  Hafen 
der  eigentlichen  Stadt,  die  East  Bay,  den  Schiffen  nur  während  weniger 
Sommermonate  Schutz  bietet,  so  hat  sich  der  gesammte  Schiffsverkehr 
in  der  West  Bay,  einer  guten  Rhede,  festgesetzt. 

Die  Bevölkerung  Adens,  einschließlich  jener  Perims  und  nebst  der 
Garnison  35.932  Seelen  zählend,  besteht  vorwiegend  aus  Arabern  und 
Somali-Negern;  doch  bringt  es  die  Eigenart  dieses  regen  Platzes  mit 
sich,  dass  hier  neben  den  asiatischen  und  den  afrikanischen  Volks- 
elementen des  Landes  ein  aus  Angehörigen  verschiedener  Nationen 
zusammengesetztes  Kunterbunt   seinen  Wohnsitz   aufgeschlagen   hat. 

Was  Aden  ist,  hat  ausschließlich  der  Handel  geschaffen.  Der 
Export  Adens  hat  im  Jahre  1892  einen  Wert  von  26,067.306  fl.  ö.  W., 
der  Import  einen  Wert  von  30,788.033  fl.  ö.  W.  dargestellt;  im  Jahre  1892 
sind  1572  Schiffe  mit  2,582.221  /  eingelaufen  und  1573  Schiffe  mit 
2,585.808  /  ausgelaufen. 

Das  Gebiet  von  Aden  selbst  liefert  seiner  geringen  Niederschlags- 
mengen und  seines  meist  felsigen,  nur  hin  und  wieder  culturfähigen 
Bodens  wegen  äußerst  spärliche  Producte,  so  dass  ein  Theil  der  Lebens- 
mittel aus  den  begünstigteren  Landstrichen  der  Umgebung  und  von  der 
Somäli-Küste  herbeigeschafft  werden  muss. 

Der  Hafen  von  Steamer  Point  ist  äußerst  malerisch  umrahmt.  Im 
Osten  ragt  der  mächtige,  steil  gezackte  Krater  des  Schamscham  auf, 
^egen  Norden  hin  erscheinen  die  hohen  Berge  des  arabischen  Küsten- 

21 


Striches,  deren  Terrassen  zu  dem  flachen  Strande  abstürzen.  Besonders 
bei  Sonnenuntergang,  wenn  der  Horizont  in  rothen  und  grünlichen 
Tinten  erglüht,  ist  das  Bild  ein  sehr  wirkungsvolles,  so  dass  es  dann 
dem  Beschauer  ist,  als  blicke  er  auf  eine  in  den  saftigsten  Farben 
gemalte  Theaterdecoration. 

Um  8  Uhr  morgens  wurde  der  Territorialsalut  mit  21  Schüssen 
geleistet,  welchen  die  Landbatterie  alsbald  erwiderte,  worauf  der 
Resident  General  J.  Jopp  in  der  scharlachrothen  Uniform  eines  Brigade- 
generals an  Bord  kam  und  mich  einlud,  an  einem  Luncheon,  einem 
Diner,  einer  Löwenjagd  theilzunehmen.  Die  Rücksicht  auf  die  so  kurz 
bemessene  Dauer  meines  Aufenthaltes  zwang  mich,  alle  diese  Aner- 
bieten dankend  abzulehnen.  Da  General  Jopp  nur  englisch  spricht, 
musste  ich  den  Commandanten  als  Dolmetsch  zu  Hilfe  rufen.  Der 
Resident  —  er  hatte  36  Jahre  in  Indien  zugebracht,  bevor  er  den  Posten 
in  Aden  erhielt  —  soll,  wie  man  sagt,  ein  großer  Tigerjäger  gewesen 
sein  und  über  70  Tiger  edegt  haben;  gewiss  ein  kolossales  Resultat, 
da  ja  diese  Raubthiere  in  Indien  doch  nicht  so  häufig  sein  dürften  wie 
Hasen  in  einem  Feldstreifen. 

Nachdem  sich  der  Besucher  verabschiedet  hatte,  vertauschte  ich 
die  ihm  zu  Ehren  angelegte  Uniform  mit  einer  entsprechenden  Tropen- 
gcwandung  und  begab  mich  ans  Land,  um  Steamer  Point  und  Aden  zu 
besichtigen,  sowie  um  verschiedene  Einkäufe  zu  machen. 

In  dem  von  einem  schwarzen  Somali  gelenkten  Wagen  des  Con- 
sulargerenten  gieng  es  zunächst  durch  das  militärische  Viertel  Steamer 
Points,  wo  Kaserne  an  Kaserne  steht  und  Officiersbaracken  sich 
aneinanderreihen,   meist  einstöckige,  sehr  luftig  gebaute   Häuser  mit 


Das  jüdische  Element  ist  in  Steamer  Point  stark  vertreten.  ^Sobald 
der  Europäer  ans  Land  kommt,  ist  er  von  einer  Schar  semitischer  Geld- 
wechsler umgeben,  die  in  Originalcostümen  mit  langen  Pajes  ihr  Geschäft 
in  höchst  zudringlicher  Weise  betreiben.  Sehr  komisch  war  ein  ganz 
kleiner,  vielleicht  achtjähriger  Junge,  welcher  sich  über  die  Werte  und 
(>urse  der  verschiedensten  Geldsorten  vollkommen  versiert  zeigte. 

Mein  erster  Besuch  galt  dem  Residenten,  welcher  mit  seiner  liebens- 
würdigen Gemahlin  ein  sehr  nettes,  mit  allem  Comfort  eingerichtetes, 
ebenerdiges  Gebäude,  mitten  in  der  Militärstadt  gelegen,  mit  herrlicher 
Aussicht  auf  das  Meer,  bewohnt.  Im  Hause  machte  erfrischende  Kühle 
die  tropische  Hitze,  welche  im  Freien  herrschte,  etwas  vergessen.  Der 

m 

Besuch  konnte  nicht  lange  währen;  bald  mussten  wir  aufbrechen. 

In  kleinen,  einspännigen,  mit  einem  Dache  versehenen  Wägelchen 
fuhren  wir  rasch  auf  der  vorzüglichen  Straße  nach  Aden,  auf  der  sich 
ein  äußerst  buntbewegtes  Bild  entrollte.  Trägen  Schrittes  zogen  lange 
Karawanen,  schwerbeladene  Kameele  vorbei;  schweigsame  Araber,  in 
lange  Burnusse  gehüllt,  oder  gröhlende,  halbnackte  Somalis  ritten  auf 
Dromedaren  oder  auf  winzigen  Eselchen  hinterdrein;  ein  Wagen  um  den 
andern  kam  heran,  dieser  das  Gefährt  eines  sofort  an  seiner  schwarzen 
Kopfbedeckung  erkennbaren  Parsis,  jener  von  einem  ganzen  Harem 
verschleierter  Frauen  erfüllt;  wSomälis,  Männer  wie  Weiber  durchwegs 
schöne,  wie  aus  Erz  gegossene  Gestalten,  den  Schädel  meist  glatt 
geschoren  oder  nur  mit  kurzem  Kraushaar  geziert,  schritten  unbedeckten 
Hauptes  im  Sonnenbrand  und  Straßenstaub  fürbass;  ächzende,  blockende 
Herden  weißer,  schwarzköpfiger  Fettschwanzschafe  trippelten  den  Staub 
aufwirbelnd  die  Straße  entlang;  zur  Rechten  und  zur  Linken  wurden 
hockend  oder  in  den  Lüften  kreisend  unzählige  Geier  und  Weihen 
sichtbar. 

Durch  ein  in  den  Felsen  gehauenes,  enges  Thor  gelangt  man 
in  den  Befestigungsgürtel  von  Aden,  der  äußerst  sinnreich  auf  den 
verschiedenen  Spitzen  und  Graten  der  Berge  fortgeführt,  die  ganze 
Stadt  gegen  etwaige  Überfallsgelüste  der  Araber  sicher  abschließt.  Noch 
einige  kunstvoll  angelegte  Serpentinen,  sowie  zwei  lange  Tunnels  und 
wir  befinden  uns  in  Aden,  einer  regelmäßig  im  Viereck  gebauten  Stadt, 
die,  in  der  Mitte  eines  Kraterkessels  gelegen,  einen  recht  trostlosen 
Eindruck  macht.  Heiß,  hell  und  kahl  —  das  ist  hier  die  Signatur  des 
Stadtbildes  und  jene  seines  Rahmens.  Die  steil  abfallenden,  von  Höhlen 
durchzogenen  Felswände,  welche  die  Stadt  umgeben,  sind  jeder  Vegeta- 
tion bar  und  bilden  die  Schlaf-  und  Niststätten  von  allerlei  Raubvögeln. 

23 


Juder  Fremde  besucht  zuerst  die  berühmten,  uralten  Cistemen. 
Tanks,  rieüige,  theils  in  den  Felsen  gehauene,  theils  cementierte,  etwa 
anderthalb  Millionen  Hektoliter  haltende  Becken,  in  denen  bei  starken 
Hegcngüsscn  das  Wasser  für  den  Bedarf  der  Stadt  aufgefangen  wird. 
ICin  mächtiges,  imponierendes  Werk,  in  dessen  Nähe  sich  auch  die 
L-inzigcn  Büsche  und  Baume  von  ganz  Aden  befinden,  auf  welchen 
zvyei  hübsche  Bül-büls  munter  umhersprangen.  Bei  meiner  Anwesenheit 
waren  fast  alle  Cisterncn  leer;  nur  aus  einer  tiefer  gelegenen  Grube 
sch''ipftun  einige  Araber  Wasser  empor,  das  jedoch  ganz  abscheulich 
schmeckte. 

Die  .Stadt  selbst  wirkt  nur  durch  die  Eintönigkeit  der  üblichen 
Bauart,  denn  alle  Ilauser  sind  niedrig,  grellweiß,  so  dass  eines  wie  ein 
Ki  dem  andern  gleicht.  Hiefür  entschädigt  das  bunte  Völkergemisch  in 
den  Slrafieii.  Soniäli-Jungen  mit  lustigen,  hübschen  Gesichtern,  pech- 
schwarzen Augen  und  schneeweißen,  tadellosen  Zähnen  umkreisten 
Ulis  wie  ein  Bienenschwami.  Bakschisch-lüstem  schrieen  und  sangen 
sie,  lührlen  Uingkämpfe  auf  und  producierten,  in  die  Hände  klatschend. 
ihre  Natiimiiltänze.  Warf  man  gar  ein  kleines  Geldstück  unter  die 
hingen,  so  mus.ste  diese  Unvorsichtigkeit  mit  längerer  Sperrung  der 
l'ii-.'.ace  gehüLit  werden. 

Auf  dem  Heimwege  kamen  wir  an  den  »Thürmen  des  Schweigcns- 
v'.ilnji.  Iiiu  Ml  lienaiinten  Begräbnisstätten  der  Parsen  sind  viereckige, 
kh'irn;  (ii;liäiiile,  innerhalb  welcher  jene  ihre  Todten  auf  eine  Plattform 
|i;vii,  ilatiiil  dieselben  von  den  Geiern  und  Adlern  aufgezehrt  werden. 
Ijji- 1-,  widerliche  Verfahren  hat  nur  den  Vorzug  einer  raschen  Procedur 
|iir   M-:li,   d:i   gewiihnlicb    in   der  kürzesten   Zeit   von   dem   Leichnam 


t  regelrechtem  Kopfsprung  ins  Meer  setzte,  ein  Sprung,  der  seiner 
Höhe  wegen  manchem  Erwachsenen  zu  bedenklich  erschienen  wäre, 
Reich  beschenkt,  Cigaretten  schmauchend,  kehrten  die  putzigen  Kerle 
in  einem  Miniatur-Canoe  ans  Land  zurück. 

Der  Rest  des  Tages  gehörte  der  Beendigung  der  am  nächsten 
Mnrgen  abgehenden  Post.  Diese  Thätigkeit  wurde  durch  ein  drolliges 
Intermezzo  unterbrochen,  nämlich  durch  das  Anhordhissen  mehrerer 
Zebuochsen,  die  sich  höchst  ungeberdig  benahmen  und  viel  zu  schaffen 
machten.  Ein  Ochse  sprang  sogar  in  die  See  und  konnte  nur  mit  Mühe 
Ifausgelischl  werden. 


Colombo — Kandy . 


In  See  nach  Coloinbo,  28.  Üecember. 

Scharfe  Schüsse,  deren  Echo  in  den  Thälern  des  Schamschäm 
lerhalltc,  weckten  uns  früh  morgens.  E.s  waren  die  Salven  der 
Ballerie  des  engUschen  Kurts,  welche  Schießen  aLiT  hewe^'liche  Ziele 
im  Meer  übte. 

Nochmals  entwickelte  sich  auf  dem  Fallreep  ein  kleiner  Markt, 
dann  nahm  unser  Consulargerent  Abschied,  wir  lichteten  die  Anker 
und  verließen  mit  östlichem  Curse  den  Hafen. 

Der  TaK  ist  schön;  eine  kleine  Regenböe  bringt  Erquickung,  wie 
überhaupt  die  Hitze  nicht  mehr  so  intensiv  ist,  als  im  Rothen 
:;  nur  die  Cabinen  bilden  noch  wahre  Dampfbäder,  selten  sinkt 
das  Them\ometer  unter  30°  Celsius.  Einige  Dampfer  werden  passiert 
und  ein  größerer  Zug  von  Fischen  beobachtet. 

Von  unseren   zwei  Ziegen-Kitzen,  Ma.\   und  Moriz   benannt,  die 

in  Aden  an  Bord  genommen,  sprang  leider  Max,   ein  allerliebstes 

in  selbstmörderischer  Absicht  über  Bord  und  dürfte  wohl  bald 

Hai  zur  willkommenen  Beute  gefallen  sein.  Moriz  verschmerzte 

Verlust  seines  Kameraden  rasch  und  hüpfte  lustig  zwischen  den 

inen  umher,  überall  Zwieback,  Cigaretten   und  Zucker  naschend. 


una  \ 


In  See  nach  Colombo,  29.  Decemher. 

Bei  Gegenwind  hielten  wir  uns  fort  im  gleichen,  östlichen  Curse. 
Zwei  Pottwale  wurden  beobachtet. 

Während  bisher  alltäglich  dem  Studium  von  Reisewerken  nur 
einige  Stunden  gewidmet  waren,  oblag  ich  heute  dieser  nützlichen 
ThätiKkcit  fast  den  ganzen  Tag.  In  eben  dem  Maße  als  wir  uns  den 
fernen  Ländern  nähern,  die  wir  bereisen  sollen,  sind  wir  mit  wachsen- 
dem Kifer  besorgt,  uns   entsprechend  vorzubereiten  und  auszubilden. 

An  reichhaltiger  Abwechslung  fehlt  es  in  der  Reisebibliothek 
nicht,  wie  sehr  auch  bei  der  Zusammenstellung  derselben  auf  die  räum- 
lichen Verhältnisse  der  Cabinen  Bedacht  genommen  wurde.  Neben 
Publicationen,  die,  vom  Ernste  der  Wissenschaft  erfüllt,  dem  Forschungs- 
reisendcn  als  Ouellenwcrkc  dienen,  befinden  sich  Handbücher,  welche 
dem  Tiiuristen  fast  unentbehrlich  sind,  ferner  Werke,  die  sich  in  fesseln- 
der l'orm  als  glückliche  \'erbindung  scientifisch  gediegenen  Inhaltes 
mit  anregender  Schilderung  von  Land  und  Leuten  enveisen,  endlich 
Bücher,  welche  in  die  Kategorie  der  eigentlichen  Reiseliteratur  gehörig, 
mitunter  durch  glänzende,  wohl  auch  feuilletonistische  Darstellung  aus- 
gezeichnet, leichtere  Leetüre  bieten.  Karten  und  Plane  aller  Art  ver\'oll- 
sli'mdigen  das  literarische  Inventar. 

So  manches  der  in  demselben  verzeichneten  Bücher  habe  ich 
schon  in  der  Heimat  durchstudiert,  so  die  Eindrücke  vorahnend, 
welche  meiner  harren.  In  gleichem  Mal3e  verdanke  ich  Belehrung  und 
(ienuss:  Sievers  -.Asien«,  Kccius  vXouvelle  Geographie  Universelle-. 
dem  höch.sl  intcres^anlcn,  mit  prächtigen  Illustrationen  ausgestatteten 


-Japan«,  Heins  ^^Japan-s  Kreitners  >'Im  fernen  Osten^«,  Buchners  »Reise 
durch  de»  stillen  Ocean'<  und  anderen  höchst  verdienstlichen  Werken; 
doch  würde  es  zu  weit  führen,  sämmtliche  zu  nennen. 

Nach  dem  Diner  vereinigte  sich  alles  auf  der  Commandobrücke, 
um  plaudernd  den  herrlichen  Abend  zu  genießen. 

In  See  nach  Colombo,  30.  December. 

Am  Morgen  sichten  wir  die  Insel  Sokotora  und  fahren  gegen 
Mittag  auf  15  Meilen  nördlich  vom  Ostcap  der  Insel  vorbei.  Der  Anblick 
der  Insel  erinnert  an  die  Küstengegend  des  Rothen  Meeres.  Auffallend 
sind  nur  die  schneeweißen  Sandmoränen,  die  auf  eine  gewisse  Ent- 
fernung fast  Gletschern  gleichen.  Diese  7770  km^  messende  und  etwa 
4000  Bewohner  zählende  Insel,  die  unter  dem  Sultan  von  Keschin 
stand,  und  bezüglich  deren  England  im  Jahre  1876  mit  diesem  emen 
Subsidien-Vertrag,  im  Jahre  1886  aber  einen  zur  britischen  Verwaltung 
führenden  Protectorats- Vertrag  abgeschlossen  hat,  war  einst  unserer 
Regierung  zum  Kaufe  angeboten  worden.  Doch  glaube  ich,  dass  diese 
Erwerbung  keine  sehr  glänzende  gewesen  wäre;  denn  man  nimmt 
außer  einigen  Cocospalmen  keine  Vegetation  wahr  und  nur  als 
Kohlenstation  oder  als  SträOingscolonie  hätte  Sokotora  eine  gewisse 
Bedeutung  für  uns  erlangen  können. 

Prachtvollem  Sonnenuntergang  folgte  eine  bezaubernde  Nacht. 
Wahres  Labsal  war  es,  den  frischen  Monsun  auf  der  Brücke  zu  athmen. 

In  See  nach  Colombo,  31.  December. 

Der  Wind  blies  frisch  aus  Nordost  und  kühlte  die  Temperatur 
etwas  ab.  Eine  große  Anzahl  fliegender  Fische  umschwärmte,  oft  bedeu- 
tende Strecken  zurücklegend,  den  Bug  des  Schiffes.  Mehrere  Tölpel 
strichen  rasch  vorbei. 

Zur  Sylvesterfeier  hatte  ich  den  ganzen  Schiffsstab  geladen. 
Abermals  musste  ein  improvisiertes  Glücksspiel  am  Achterdeck  den 
Mittelpunkt  des  Festes  bilden,  wobei  die  unglaublichsten  Gegenstände 
als  Preise  Venvendung  fanden.  Heiterkeit  und  Humor  deckten  manche 
Mängel,  besonders  die  tropische  Wärme  des  Champagners.  Der  Eis- 
vorrath  an  Bord  war  völlig  erschöpft,  und  ihn  zu  erneuern,  war  nicht 
möglich  gewesen;  einerseits  hatte  unser  Schiffskoch  in  Aden  alle  Vor- 
räthe  an  Eis  ausverkauft  gefunden,  andererseits  war  in  Steamer  Point 

31 


unsorc  Eismaschine  gebrochen  und  noch  nicht  wiederhergestellt.  &> 
musstc  denn  an  die  Stelle  gekühlter  Getränke  gewärmter  TrinkstolT 
treten,  namenthch  eine  Bowle,  die  von  unserem  Chefarzt  für  uns 
gebraut  war. 

Ais  die  Schiffsglocke  die  zwölfte  Stunde  verkündet  hatte,  der 
NcujahrsschusK  gelöst  war,  begrüßten  wir  das  neue  Jahr  zunächst  mit 
der  V'olkshymne  und  dann  unter  den  Klängen  des  Radetzky-Marsches 
mit  kräftigem,  dreimaligem  Hipp  Hipp  Hurrah,  in  das  auch  die  ganze 
Mannschaft  einstimmte. 

Der  gute,  alte  Mond  und  fast  wolkenloser,  gestirnter  Himmel 
beleuchteten  die  Scene  auf  Deck.  Alles  beglückwünschte  sich  aufs 
lierzlichste,  und  neuerlich  flog  so  mancher  heiße  Neujahrswunsch, 
mancher  innige  (icdanke  durch  die  stille  \acht  der  Heimat  zu. 


Vn 
L;derCh, 


In  See  nach  Colombo,  1.  Jänner  1893. 

rniillags  machten  mir  der  Commandant  und  die  ältesten  Officiere 
arge  ihre  Aufwartung,  um  officiell  die  Glückwünsche  zum  neuen 
irzubringen.  Hierauf  erschienen  in  der  gleichen  Absicht  namens 
mscliaft  unser  würdiger  Bootsmann  und  der  Geschützmeister 
Nachdem  der  Gottesdienst  stattgefunden  hatte,  wurden  beim 
I  des  liefehlcs  Beförderungen  der  Mannschaft  verlautbart, 
,-iite  gelang  es  mir  endlicli,  einen  fliegenden  Fisch  von  der  Brücke 


l-\ 


litigkeit    der    I.uft    nimmt   trotz    des    stetigen   Nordost- 
;u,   liass  die  p.-.yehromctrische  Differenz  nur  1'  betragt. 


Die  wHckere  -Fasana- .  LÜe  treffliche  Seifltrin,  eines  unserer 
Missionsschiflü,  hat  schon  wiederholt  mühe-  und  gefahrvolle  trans- 
oceanische  Reisen  unternommen  und  sich  stets  vorzüglich  bewährt. 
Diesmal  hatte  sie  eine  Leistung  aufzuweisen,  welche  die  allgemeine 
Bewunderung  der  maritimen  Welt  erregte.  Es  war  der  Corvette 
geglückt,  in  den  Gewässern  Ostasiens  mit  ganz  geringen  Havarien 
einen  der  allerschwersten  Taifune  zu  überstehen,  während  große 
Dampfer,  wie  der  P.  &  0,-Steanier  -Bokbara«,  in  demselben  Wirbel- 
sturme untergegangen  waren, 

Die  »Fasana-  begrüßte  uns  mit  Flaggengala,  21  Schüssen  und 
Wantensalut.  Wir  stoppten  die  Maschine,  auf  der  »Fasana«  wurde  back- 
gebra.ssl,  und  ich  fuhr,  nachdem  ein  Boot  gestrichen  war.  an  Bord  der 
Corvette.  Hier  empfieng  mich  der  Commandant  Corvetten-Capitän  Ripper 
lind  stellte  mir  den  Stab,  darunter  die  20  eingeschifften  Cadetten,  unter 
denen  sich  auch  Mannsfeld  befand,  vor.  Die  interessante  Reise  der 
»Fasana»  bot  reichen  Gespräch sstoiY,  besonders  viel  aber  war  von  dem 
Taifun  zu  erzählen,  in  dem  unsere  wetterharten  Seeleute  rühmliche 
Bravour  und  Geschicklichkeit  bewiesen  hatten.  Im  ärgsten  Sturme  und 
bei  den  heftigsten  Rollbewegungen  des  Schiffes  musste  die  Mannschaft, 
während  See  auf  See  über  Bord  gieng  und  die  Corvette  zwei  Boote 
verlor,  das  Marssegel  wechseln.  Um  uns  von  dieser  unter  so  ungün- 
stigen Umständen  äußerst  schwierigen  und  gefahrvollen  Arbeit  eine 
annähernde  N'orstellung  zu  ermöglichen,  wurde  uns  das  Wechseln 
der  Marssegel  vorgeführt. 

In  den  Räumen  des  Schiffes,  das  wir  in  allen  seinen  Theilen 
^^besichtigten,  erinnerten  zahlreiche,  namentlich  aus  Japan  stammende 
^^H^enstände  an  die  eben  zurückgelegte  Reise. 

^^P       Von  hervorragendem  Interesse   ist  die  Maschine  der   ^Fasana^; 
^^denn  jene  hatte  sich  früher  auf  der  P'regatte  »Schwarzenberg-  befunden 
und  daher  sowohl  das  Gefecht  bei  Helgoland,  als  die  Schlacht  bei  Lissa 
mitgemacht. 

Tief  bewegt  nahmen  wir  Abschied   von   den  Kameraden.   Salut- 
schüsse und  Hurrahs  ertünten  und  beide  Schiffe  setzten  ihren  Curs  fort, 
•Elisabeth»  nach  Süden,  die   ^Fasana«  nach  Norden.    Da  schwebt 
(  eine  der  Schiffe  hinaus  in  die  Weite,  fernen  Reisezielen   zu,  indes 
V  andere,  kaum  gegrüßt,  entschwindend,  nach  sechzehnmonatlicher 
ihrt  in  die  Heimat  zurückkehrt!  Mit  vollen  Segeln,  von  der  Morgen- 
me  beleuchtet,  einer  über  die  Wogenkämme  ziehenden  Möve  glei- 
enteilt  die  Corvette  rasch  unseren  Blicken,    Lange  aber  wirkte 


mich  in  meinem  Herzen  der  erhebende  Eindruck  nach,  welchen  die 
Be;;efinung  von  700  Landsleuten  inmitten  des  Meeres,  das  Zusammen- 
treffen zweier  SchifTe  unserer  Kriegsflotte  auf  den  Wellen  des  Oceans 
her\i>rf;crufen  hatte. 

In  See  nach  Colombo.  3.  Jänner. 

Ruhig,  mit  12  Meilen  stündlicher  Geschwindigkeit  gleitet  die 
'Klisabeth*  über  die  blaue  See.  Wir  envarten  schon  sehnsüchtig  die 
.\nkimrt  in  Cnlombo.  Gegen  Abend  erscheint  der  Leuchtthurm  von 
Minikni  auf  den  l-akediven  und  mit  dem  Fernrohre  unterscheiden  wir 
einx.elne  der  Korallen -Inseln  aus  den  Gruppen  der  Lakediven  und 
Malediven. 

In  See  nach  Colombo,  4.  Jänner. 

Gegen  12  Uhr  mittags  erblickten  wir  in  nebelgrauer  Ferne  die 
rmrisse  indischer  (iebirge. 

i'-in  unterhaltender  Sport,  Jagd  auf  Rochen,  fesselte  mich  um  diese 
Stunde  auf  der  Brücke.  Sieben  dieser  flachen,  nahezu  2  in  langen 
I  'iTgelliüme  schwammen  backbord  in  so  geringer  Tiefe  an  uns 
\iirhci,  diiss  ich  den  dunkelbraunen  Rücken,  sowie  die  grünlich-weiß 
si'liülerride  l'nterseite  dieser  Thierc  genau  unterscheiden  und  hoffen 
k'.iinie,  eines  der-^clbcn  zu  erlegen.  Zuerst  versuchte  ich  ohne  die 
Hi'ririj'>te  Wirkimg  einen  Schrntschiiss,  dann  einen  Kugelschuss,  worauf 
i'iii  f;riitler  Rochen  sehr  gut  zeichnete.  Leider  konnte  ich  der  allzu 
MiMlien  Fahrt    wegen  nicht  mehr  beobachten,  ob  die  Kugel  eine  töd- 


Unzählige  Boote  von  Singhalesen  fuhren  uns  entgegen  und 
umlagerten  unter  lautem  >»Hossani«  der  Insassen  das  in  den  Hafen 
einlaufende  Schiff.  Diese  Boote  haben  die  abenteuerlichsten  Gestalten. 
Den  primitiven  Anforderungen  der  singhalesischen  Schiffer  genügt  ein 
ausgehöhlter  Baumstamm,  eine  Art  Canoe,  an  dessen  Seite  zur  Erhal- 
tung des  Gleichgewichtes  ein  starker  Pfosten  mit  Stangen  befestigt  ist; 
wird  mit  Ssgel  gefahren,  so  springt  oft  einer  der  Bootsleute  auf  diesen 
Pfosten,  um  von  hier  aus  zu  hantieren.  Es  ist  kaum  glaublich  wie 
viel  Personen  in  einem  derartigen  Fahrzeuge  Platz  finden  und  wie  ge- 
schickt die  Singhalesen  hiemit  umzugehen  wessen.  Auf  kurze  Strecken 
bedienen  sich  dieselben  sogar  nur  vier  zusammengebundener  Pfosten, 
die  durch  ein  brettartiges  Ruder  in  Bewegung  gesetzt  werden.  Da 
ganz  gleichartige  Boote  auch  auf  den  Südsee -Inseln  im  Gebrauche 
stehen,  so  glaubt  man  hierin  einen  Beleg  für  die  Richtigkeit  der 
Annahme  gefunden  zu  haben,  dass  die  Singhalesen  eingewanderte 
Südsee-Insulaner  seien. 

Colombo,  die  Hauptstadt  und  der  bedeutendste  Hafen  Ceylons,  hat 
gleich  dem  Lande  selbst,  seitdem  die  Briten  (1802)  diese  durch  Klima, 
X'egetation  und  commercielle  Lage  begünstigte  Insel  besitzen,  einen 
außerordentlichen  Aufschwung  genommen. 

Dies  erhellt  namentlich  aus  den  Ziffern  über  die  gegenwärtigen 
Productions-,  Cultur-  und  Handelsverhältnisse  der  von  den  Alten 
Taprobane,  von  den  Indern  Singhala  genannten,  63.976  km'  mes- 
senden und  nach  dem  Census  des  Jahres  1891  3,008.466  Einwohner 
zählenden  Insel  Ceylon.  Nach  den  englischen  Blaubüchern  hatte  die 
Ausfuhr  Ceylons  im  Jahre  1891  einen  Wert  von  51,449.772  fl.  ö.  W., 
die  Einfuhr  einen  solchen  von  58,305.960  fl.  ö.  W.  Der  Schiffsverkehr 
in  den  Häfen  Ceylons  —  Colombo,  Point  de  Galle,  Trincomali  u.  s.  w. 
—  belief  sich  in  demselben  Jahre  auf  5,696.940  /. 

Im  Hafen  von  Colombo  lagen  viele  große  Post-  und  Personen- 
dampfer, ferner  mehrere  Transportschiffe,  ein  englisches  Kanonenboot 
und  ein  russisches  Fahrzeug.  Kaum  hatten  wir  Anker  geworfen,  so 
erfolgte  der  übliche  Territorialsalut,  den   die   Landbatterie   enviderte. 

Nun  kam  unser  Generalconsul  in  Bombay,  Herr  Stockinger  an 
Bord,  um  sich  mir  für  die  Dauer  der  Reise  auf  Cevlon  und  durch  Indien 
anzuschließen  und  mir  zunächst  ein  von  dem  Gouverneur  Cevlons 
verfasstes,  groß  angelegtes  Programm  zu  unterbreiten.  Kurz  darauf 
erschien,  von  einem  Adjutanten  begleitet,  der  Gouverneur  Sir  Arthur 
E.  Havelock.  Dieser,  ein  feingebildeter  Mann,  wusste  mir,  nachdem  er 

3* 


mich  zerr  Bsf;:;r.i  «^  =;."'."?.  ~ 
haue,  \-:e*  Ir:erei5är.:=^  v:-  : 
von  Kaniy  zi;  erzih'.er..  -v  rt: 
an  Naial.  seir.er.  '.tiz'.tr.  ?  i:=- 

Bald  nachher  -iS.z  ~.z-  i 
jieeilt  war.  un:  ii^eVr?:  i.r.t  : 
durch  ji?nes  l.^r.c.  zu  trärer.. 
haue  auf  der  ga-rc-.  'i.>:r:ah 
Weiter  zu  leider,  gshir-  ?: 
al>  wir  envanet,  ert.l^e.  \':r. 
ReisfgeselUchafier  <=■-. 

Den  ofricieller.  Bee-ucr.  : 
alsbald  an^  Land,  w,-'  n'.:;'"  r.i; 
dii'  siininiilichen  \Vürder.;rIcer 
Anzahl  oinheiniischcr  Nc;,;^';: 
!;m  aussehende  Ehrenco^r-ij^: 
mit  >chonon.  jrroiH'n  Leuten  :n  . 
ausjjorückl- 

Nachdcm  ich  d:e  Kro-;:  . 
eine  s^roLV  Ati.'ahl  i.'::';!;cb.'rc 
tleistliche.  Kichlor  und  andere 
saiii'ii  .■unu'i>i  aIloidnii;s  a;;:' 
da  ich  ja  loidor  des  Kn.^l-.sc: 
nicht  niachlii:  bin. 

l>urch  oim-  An  Tort-i  :rii; 
1,    Ananas,   Muhenden 


Li.-."i=;.aci  eirgciader. 
iz.zt  uzi  nanienilich 
r  \Vti5i  Eri:;rjcningen 

r  r.äJl"  Isafen  voraus- 
iru-zen  :ur  die  Reise 
iz  iU5  La'.cuna  und 
.";r.  Tiz'r.i  fjhiechteni 
f:  ir.  C:'l':-n:bo  später, 
=:;■-  >:■;■:: jilrger  unser 

■■_  irA-iierr..  fuhr  ich 
ri-z'ii  der  Gouverneur. 
Ci'rTr.rT-j-.  s-z-wie  eine 
■  -.Vir  auch  eine  sehr 
:-  '-/in;erlerepirnente 
-■=r.  Tr--r:caI-L'nifonn 


:  ~ur  der  Ix'uve 
■-:l::irt?che  Dignitäre. 
i-tr.  >:z't.  die  Conver- 
i^ur.^er.  >escnränkte, 
~z   eir.ef   Ge>rräches 


Der  Reihe  nach  bildete  zuerst  reguläres  Militär,  und  zwar  Infan- 
terie, sowie  Artillerie,  dann  Xative -Artillerie  Spalier.  Der  ganze  Weg 
war  festlich  geschmückt. 

Nachdem  wir  noch  drei  große  Triumphpforten  passiert  hatten, 
erreichten  wir  endlich  Schritt  für  Schritt  das  Queen's  House,  den 
Regierungspalast,  in  welchem  aber  der  Gouverneur  jetzt  nicht  residiert, 
da  er  beinahe  das  ganze  Jahr  in  Kandy  verbringt;  nur  bei  Festlichkeiten 
dient  das  äußerst  luftige,  den  Tropen  angepasste  Gebäude  als  Absteige- 
quartier. Eine  kleine  ethnographische  Sammlung  und  entzückende 
frische  Blumen  schmückten  den  Salon  und  die  X'eranda,  von  welcher 
aus  wir  in  einen  Garten  blickten,  der  bereits  die  Wunder  tropischer 
N'egetation  ahnen  ließ,  welche  wir  in  den  folgenden  Tagen  sehen 
sollten.  Da  stand  eine  riesige  Ficus  .religiosa;  dort  wurzelten  hohe, 
schlanke  Cocos-  und  Fächerpalmen;  saftig  grüne  Bananen  streckten 
ihre  breiten  Blätter  empor;  Tamarisken  zeigten  sich,  mit  Lianen  über- 
zogen, und  überall  schimmerten  die  schönsten,  buntesten  Blumen  und 
Blüten,  zwischen  welchen  schillernde  Bül-büls  und  lichte  Schmetter- 
linge flatterten. 

Im  Queen's  House  lernte  ich  meine  neu  angew^orbenen,  indischen 
Diener  kennen,  —  dunkelfarbige  Leute  mit  langen  Barten,  in  schöner, 
golddurchwobener  und  monogrammbesetzter  Livree  —  die  mich  auf  der 
ganzen  indischen  Reise  begleiten  sollen. 

Nachdem  wir  uns  umgekleidet,  ließ  uns  Sir  Arthur  E.  Havelock  die 
köstlichsten  Erfrischungen  servieren,  darunter  vortreffliche  Ananas  und 
Mangofrüchte.  Dann  traten  wir  in  Begleitung  seines  Adjutanten,  Captain 
Pirie,  eine  Fahrt  durch  die  Stadt,  und  zwar  zunächst  nach  dem  am 
Knde  derselben  gelegenen  Museum  an. 

Die  mannigfaltigsten,  interessantesten  und  fremdartigsten  Ein- 
drücke liefen  während  dieser  Fahrt  förmlich  Sturm  auf  den  Ankömmling. 
Ich  wusste  kaum,  wohin  das  Auge  wenden,  woran  es  haften  lassen, 
wovon  mich  trennen.  Anfänglich  fühlte  ich  mich  geradezu  beklommen 
und  erdrückt:  nur  allmählich  konnte  ich  mich  hinlänglich  sammeln,  um 
zu  betrachten  und  zu  genießen.  L'nter  der  üppigsten  tropischen  Flora, 
den  schönsten  und  höchsten  Bäumen,  stehen  die  Häuser  —  Bungalows 
—  der  Europäer  und  die  luftig  gebauten  Hütten  der  Singhalesen.  Die 
hier  wohnenden  Europäer,  größtentheils  Engländer,  zumeist  Beamte  und 
einzelne  Handelsleute,  schmücken  die  l'mgebung  ihrer  Häuschen  mit 
kleinen  Gartenanlagen,  wobei  die  Natur  in  diesem  herrlichen  Klima 
bereitwilligst  mithilft. 


Diu  Hüttun  der  Sintihalesen  sind  ärmlich,  das  Volk  selbst  ist  von 
schwächlicher  Statur,  auch,  wie  man  sagt,  wenig  arbeitsam,  dabei  aber 
guuiuithif:;  es  macht  den  Eindruck  großer  Kinder,  die  gedankenlos  in  den 
Tilg  hineinleben.  Die  Kleidung  der  Singhalesen  besteht  bei  den  Männern 
aus  dem  sogenannten  Sarong,  einem  großen  Stück  rothen  oder  weißen 
Tuches,  das  sie  um  die  Lenden  schlingen,  während  Kopf,  Oberleib  und 
Küiio  meist  nackt  bleiben.  Nur  die  Reicheren  tragen  hin  und  wieder  ein 
Kopftuch  und  wohl  auch  eine  weiüe  Jacke.  Die  Frauen  bedienen  sich 
auiJer  des  erwähnten  Sarongs  noch  einer  weißen  Jaquette  oder  eines 
malerisch  umgeschiungenen  Tuches,  das  sie  bei  Annäherung  eines 
Kuropaers  fester  anzuziehen  pflegen.  Den  Kindern  dient  als  einziges 
K!eidunJ;^s^ück  ein  —  silbernes  Keuchen,  an  dem  kleine  Herzchen 
oJer  sor;^:ige  Amulette  befestigt  sind. 

Der  (,;o;-ich;sausdruck  der  Singhalesen  ist  unschön;  ich  konnte 
w:ihro:".d  n'.eines  Aufenthaltes  unter  den  Weibern  nicht  ein  hübsches 
vlesich:  cr.;decker,.  Die  Singhalesen  heiraten  außerordentlich  früh,  im 
.\t;or  w;-,  \2  bis  14  Ja!iren.  sind  Monogamen  und  meist  mit  reichlichem 
K-">iir>ii:i';:  bed-ich;.  Die  K::^cer  werden  b:>  zu  ihrem  fünften  und 
>cc!->;iv:  j.ihre  v^>::  der  M;:::cr  ge;rage::.  und  zwar  auf  eine  ganz  eigen- 
;'■;:■-■'.:;-;;  Weise,   da  sii-   aiif  de:;  Hiifikr.ocher.  der  Mutter  sitzen   oder 


\    -    >ier:    ^^:^ol::v 
l;:^>.  Sr  W.  ^ircfi  rv 


Standbild    des 
577  Gouverneur 


-".■-jl:en   eine    reiche 
i'.er.  der  Insel  Ceylon, 


leidenden  Menschheit  bewogen,  Lustgas  und  Plomben  zum  Trotz,  sein 
schmerzloses  Metier  in  Wien  auszuüben.  Auch  die  zahlreichen  Schiffs- 
und Bootsmodelle,  sowie  die  reichen  Gewänder  und  die  Erzeugnisse 
singhalesischer  Hausindustrie  fesselten  meine  Aufmerksamkeit. 

In  den  Räumen  des  Erdgeschosses  sind  an  den  Wänden  steinerne 
Inschriften  angeordnet,  deren  Herstellung  auf  das  3.  Jahrhundert  v.  Chr. 
zurückdatiert  wird:  aus  Stein  gehauene  kolossale  Löwen,  deren  einer, 
aus  Pollonarua  stammend,  als  Königsthron  gedient  haben  soll;  künst- 
lerisch gemeißelte  Thorschwellen  und  andere  Bruchstücke  des  Tempels 
von  Anuradhapura  u.  dgl.  m. 

Besonderes  Interesse  flößten  mir  hier  zwei  Modelle  ein,  deren 
eines  einen  Mann,  das  andere  aber  ein  Weib  aus  dem  wilden,  in 
den  dichtesten  Dschungeln  Nord-Ceylons  lebenden  V'olksstamme  der 
X'eddahs  vorstellt,  welcher  im  Aussterben  begriffen,  der  Urbevölkerung 
der  Insel  vor  der  singhalesischen  Einwanderung  angehört.  Auch  die 
ganz  primitiven  Waffen  und  sonstigen  Gegenstände,  deren  sich  diese 
Urbewohner  bedienen,  sind  hier  zu  sehen.  Die  Wilden  selbst  sind 
fast  nie  zu  erblicken.  Von  beinahe  krankhafter  Scheu  gegen  jede  Beob- 
achtung erfüllt,  wissen  sie  ein  Zusammentreffen  mit  fremden  Menschen 
sogar  bei  Gelegenheit  des  Tauschhandels,  auf  den  sie  ab  und  zu  doch 
angewiesen  sind,  völlig  zu  vermeiden.  So  vollzieht  sich  denn  dieser  in 
der  Art,  dass  die  Urbewohner  ihre  Ware  —  erbeutetes  Wild  —  nachts 
an  bestimmten  Plätzen  im  Walde  hinterlegen,  die  Singhalesen  aber 
am  Tage  das  Wild  dort  abholen  und  als  Tauschobject  Eisen,  Gewebe 
u.  a.  m.  deponieren. 

Das  erste  Stockwerk  des  Museums  enthält  die  zoologische 
Abtheilung,  welche  nur  aus  Vertretern  der  Fauna  Ceylons  besteht.  Unter 
diesen,  namentlich  unter  den  Repräsentanten  der  X'ogelwelt,  fand  ich  so 
manches  Thier,  dessen  Art  auch  in  Europa  heimisch  ist.  Sehr  zahlreich 
und  in  den  merkwürdigsten  und  buntesten  Varianten  erscheinen  die 
Familien  der  Tauben,  der  Eisvögel  und  überhaupt  der  Wasservögel. 
Von  den  Säugethieren  waren  es  zw'ei  Gattungen  Pantherkatzen,  sowie 
die  verschiedenen  schlangenfressenden,  dem  Ichneumon  sehr  ähnlichen 
Mungos,  die  mir  besonders  auffielen.  Eine  reichhaltige  Sammlung  von 
Schmetterlingen  ringt  selbst  dem  Laien  Bewunderung  ab. 

Nach  Besichtigung  des  Museums  setzten  wir  die  Fahrt  durch  die 
schönsten  Theile  der  europäischen  Stadt  und  des  Eingeborenen -Viertels, 
gegen  die  Landungsbrücke  zu,  fort.  Straßen  nach  unseren  Begriffen  mit 
knapp  aneinander  stehenden  Häusern  gibt  es  in  Colombo  nur  hart  am 


i  Meere- 


gtr.r.£±T  Ar.zahl  Daiur  zieht  ^ich 
ii:  rarkährl:ch   viele  Meüer    in-^ 


Hl.i>er  fr  ie-  S-iier.  £:r.  S:ri=ie  i;e::e^  ia  ihren  ErJ- 
-  ü'>  KiU:~I^er  -^-i  Bizir?.  in  zsr.tr.  SiT^ghalesen.  Afghanen 
:-iier.  einirewirierre  M : :-i.-r.~ei^- er  irt^iier.   --ri  HaniieL 


re-^":eT:   3-_vr.eri,   Mi-^^ür.^e   von 


Weiterhin  führt  die  vorzügliche  Straße  mitten  durcli  einen  unah- 
sehbaren  Palmenvvald,  der  zfihllose  kleine  Singhalesen -Hütten  birgt. 
Überall  ragen,  von  Lianen  umschlungen,  die  prachtvollsten  Bäume,  sn 
der  Muscatnussbaum,  die  Mangostane,  der  Durian,  die  Ebenholz 
liefernden  Diospyrosarlen  (D.  ebenum,  D.  ebenaster,  D.  melanoxylon), 
Chloroxylon  (Swielenia),  ferner  die  ägyptische  Dumpalme  (Hyphaene 
thebaTca),  die  Dracaena  u.  dgl.  m.  empor.  Erquicklicher  Schatten  umgibt 
uns,  kein  Sonnenstrahl  dringt  durch  dieses  Blätterdach. 

In  der  Nähe  der  Stadt  sind  die  Behausungen  der  Singhalesen 
fesler  und  besser  gebaut,  meist  aus  kleinen  Ziegeln  und  Brettern,  da.s 
Dach  spitz  zulaufend;  je  weiter  mtiu  aber  in  das  Innere  des  Landes 
dringt,  desto  ärmlicher  sehen  die  größtentheils  nur  aus  Lehm  bestehenden 
Hütten  aus.  Das  Stück  Land,  welches  die  Hütte  umgibt,  muss  von  der 
Regierung  erworben  werden.  Die  Bedürfnislosigkeit  dieser  Leute  ist 
groß;  denn  einige  Cocospalmen  genügen  zu  ihrem  Lebensunterhalte,  so 
dass  es  nicht  Wunder  nehmen  darf,  wenn  die  Eingeborenen  die  Sorge 
um  ihr  Wohlergehen  dem  Himmel  und  dem  herrlichen  Klima  überlassen. 
Kin  Genremaler  fände  an  solch  einer  Singhalesen-Ansiedelung  die 
prächtigsten  Vorwürfe:  vor  der  Hütte  lungert  die  ganze  Familie  umher, 
an  der  Spitze  meist  ein  langbärtiger  Pater  t'amilias,  daneben  mehrere  an 
Hexen  und  Furien  gemahnende  alte  Weiber  und  einige,  nichts  weniger 
als  schöne,  jüngere  Frauen,  zumeist  den  Säugling  an  der  Brust:  ringsum 
die  hoffnungsvoll  heranreifende  Jugend,  sich  in  treuer  Gemeinschaft 
mit  mehreren  Kötern  und  Katzen  im  Sande  wälzend;  dazu  ein  buntes 
(iemisch  von  Geralhschaften,  Schweinen,  Zebus  und  ausgeschälten 
locosnüssen. 

Der  ungewohnte  Anblick  unserer  Coach  regte  längs  des  Weges 
aümtliche  Eingeborene  auf;  in  großen  Scharen  standen  sie  da  und 
ins  an. 

Lavinia  ist  ein  in  europäischem  Stile  gehaltenes,  großes  Holel,  — 
tprünglich  die  Villa  des  Gouverneurs  Sir  E.  Barnes  —  welches,  auf 
einem  kahlen  Hügel  gelegen,  eine  schöne  .Aussicht  auf  den  Palmenwald, 
das  Meer  und  in  der  Ferne  auf  Colombo  bietet.  Die  Temperatur  ist  hier 
stets  etwas  niedriger  als  in  der  Stadt  und  ein  herrlicher  Strand  lockt  zum 
Bade.  Vor  dem  Hotel  sitzend,  genossen  wir  den  lauen  Abend  und  den 
Anblick  des  Meeres,  das  Feuerbüd  des  Sonnenunterganges.  Das  Diner, 
Jieils  französisch,  theils  englisch,  theils  indisch,  zeichnete  sich  durch 
B  kolossale  Anzahl  und  die  Vielfältigkeit  der  Speisen  aus,  indem  die 
(Chiedenartigsten    Producte   der   Thier-    und    Pflanzenwelt    in    den 


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pagnie  aufgeslelU  war.  Allerliebst  sah  eine  zahme  indische  AnliJnpe 
Black-buck  der  Engländer  —  mit  vergoldeten  Hörnern  aus.  welche 
Musikkapelle  mit  sich  führte. 

Der  Gouverneur  mit  seiner  Suite  und  wir  bestiegen  die  für  das 
ma  sehr  praktisch  und  luftig  eingerichteten  Waggons  der  Kandy- 
;ahn.  weiche  von  den  Engländern  vor  Jahren  mit  großen  Kosten 
g;ebaut  und  in  Betrieb  gesetzt  worden  ist.  Singhalesen  dienen  als 
Weichen  Wächter,  während  die  Conducteure  und  Beamten  Europäer 
sind.  Trotz  der  großen  Kosten  des  Unternehmens  rentiert  sich  dasselbe 
nun  infolge  des  bedeutenden  Thee-Exportes  und  der  \'urliebe  der 
Eingeborenen  für  Eisenbahnfahrten  sehr  gut. 

Die  Bahn  führt  zunächst  durch  dichte  Bananen-  und  l'almenwälder, 
welche  mit  ausgedehnten  Reisplantagen  abwechseln.  Die  Reisemle,  die 
jährlich  zweimal  erfolgt,  war  kurz  vor  unserer  Ankunft  beendet,  und  so 
standen  die  stark  bewässerten  und  terrassierten  Felder  im  frischesten 
jungen  Grün.  Überall  staken  Rüffel,  umgehen  von  den  aus  der  Ferne 
schneeweiß  erscheinenden  Kuhreihern,  bis  zum  Kopfe  in  den  Tümpeln. 
Bei  der  Station  Rambukkana  tritt  die  Bahn  in  das  Gebirge,  ändert  sich 
das  Panorama;  immer  steiler  und  steiler  schlängelt  sich  der  Schienen- 
strang empor,  Tunnels  und  überhängende  Felsgallerien  folgen,  überall 
gibt  es  Quellen,  Bäche,  Flüsse,   die    in  raschestem  Laufe  der   Ebene 
zueilen   und   die   Scenerie    mächtig    beleben.    Das  Auge    weidet  sich 
den  spitzen,  blauen  Bergen  und  den  mit  Urwald  bedeckten,  tief  ein- 
:hnittenen  Thälern  —  es  ist,  möchte  ich  sagen,  eine  Semmering- 
ins  Tropische  übersetzt.   Ein   hoher,  schwarzer  Felskegel,  der 
lil  neben  der  Bahn  emporragt,  hat  seinerzeit  unter  den  Königen  von 
sylon  aus  dem  Geschlechte   der  Mahäwanis  als  tarpejischer  Felsen 
ine  Iraurige  Berühmtheit  erlangt,  da  diese  Alleinherrscher  von  hier  aus 
die  ihnen  unbequemen  Gefangenen  in  die  Tiefe  stürzen  lieüen.  In  der 
Nähe  der  Station  Kadugannavva  erhebt  sich  das  Denkmal  des  Captain 
Dawson.  welches  zur  Erinnerung  an  die  durch  ihn  erfolgte  erste  Anlage 
der  Bahn  errichtet  worden  ist. 

Vor    Kandy    werden    die    Reisfelder    durch    Thee-    und    Cacao- 
lantagen  verdrängt,  die  mit   ihren   tiefgrünen  Blättern   einen   freund- 
len  Eindruck  machen. 

.Auf  dem  Bahnhofe  von  Kandy  harrte  unser  ein  festlicher  Empfang. 
Üne  Ehrencompagnie  freiwilliger  Nalives  präsentierte,  während  eine 
neu  errichtete  reitende  Garde,  aus  eingeborenen  Junkern  zusammen- 
|{e.steltt,    auf  trefflichen   Ponies  vor  unserer  Staatscarosse   und   hinter 


derselben  einherritl.  Ganz  Kandy  war  aui  den  Beinen;  Tausende  von 
Singhalesen  und  viele  Europäer  büdeien  Spalier  oder  hatten  die  zahl- 
reichen Veranden  besetzt,  um  uns  mit  freundli.;hem  Gruß  und  Ruf  zu 
bewillkommen. 

Kandy  i>t  überaus  materisch  in  einem  grünen  lachenden  Hain 
gelegen  und  zeichnet  sich  durch  die  Sauberiei:  »einer  Häuser,  sowie 
durch  sein  mildes  Klima  au*. 

In  der  Nähe  der  Ruinen  des  alten  KOniespalastes.  gigantischer. 
fest  fundierter  Mauern  mit  origineller  Crenelierung.  war  aus  Bambus- 
rohr und  Palmenblättem  ein  thurmartiiier  Triumphbogen  errichtet. 
Jenseits  desselben  befanden  wir  uns  in  dem  feenhaften  Ganen  des 
iK-vemment  House  oder  Pavillon.  Bambus-  und  Gummibäume  von  nie 
treahnler  GrölJe.  überragt  von  blühenden  Lianen,  bilden  eine  Allee,  die 
bis  zu  dem  Government  House  führte.  Dieses,  im  -tropischen  Stile* 
ür.j;elein,  bietet  durch  seine  breiten  Treppen  und  großen  luftigen 
Hallen  einen  überaus  angenehmen  .AufenthalL 

Vorerst  machte  ich  l^dy  Havelock  meine  .Aufwartung  und  ließ 
mir  sodann  durch  den  Gouverneur  eine  zahJreiche  Deputation  der  ein- 
heimischen Edlen,  des  alten  Gebun<adeis  vor.  Ceylon  vorstellen,  wobei 
:"o!i;ende  Etiquette  beobachtet  wurde.  Ich  postiene  mich  minen  im 
^T'Cen  Saale,  während  die  Mitglieder  der  Deputation  einzeln  defilierten. 
>:ch  tief  vor  mir  verneigend;  der  Vice-Cn^üverr.eur  nannte  die  Namen, 
die  ^:c^.   durch  besondere  iJir.ge  auszeichnete-. 

Iiie  Costürae  dieser  würdigen,  langbebärteten  Männer  sind  höchst 
■;-riir:r.e'':  üuf  d-.:m  Kopfe  tragen  sie  einer:  vier-  ■■der  sechseckigen, 
f.a;her..    r.then   Hu:,    auf  dem   eine   ede;s:e:r.>ese:z:s   .Agraffe  zinert: 


iich  Beendigung  dieser  Deiilier-Cour  wurde  der  Riilie  gepflogen. 
Als  sich  bereits  die  Kühle  des  Abends  angenehm  fühlbar  machte, 
statteten  wir  dem  Zahne  Buddhas,  dem  größten  Heiügthume  der 
Buddhisten,  unseren  Resuch  ab.  Mit  ohrenzerreißendem  Tamtam-Lärm 
lind  mit  Trommelmusik  wurden  wir  von  den  Tempehvächtern  und 
Oberpriestem  am  Fuße  des  Tempeis  empfangen  und  über  verschiedene 
kleine  Treppen  in  das  Innere  geleitet.  In  der  Vorhalle  bildeten  unzählige 
Priester,  sämmtlich  mit  dem  gelben  Sarong  bekleidet  und  kahl  geschoren. 
verschmitzt  lächelnd  und  sich  verneigend,  ein  schier  endloses  Spalier. 
Noch  ein  mit  Bildnissen  aus  dem  Leben  Buddhas  geschmückter  Raum 
war  zu  durchschreiten,  dann  befand  ich  mich  im  Sanctuarium,  einem 
viereckigen,  dunklen,  nur  von  wenig  Lampen  beleuchteten  Räume, 
in  weichem  mir  der  modrige  Geruch  der  zahlreich  gestreuten  Blumen 
entgegenströmte.  Der  Oberpriester  murmelte  einige  Gebete  und  zeigte 
mir  dann  den  Zahn,  der  in  einer  großen,  güldenen  Rose  befestigt  liegt. 
Der  Gott  Buddha  muss  ein  Riesengebiss  besessen  haben,  denn  der 
Zahn  misst  5  cm  Länge  und  2'5  cm  Breite,  hat  dunkle,  kastanienbraune 
Farbe  und  soll,  wie  man  mir  sagte,  ein  Stück  Elfenbein  sein,  welches 
die  schlauen  Priester  wieder  einzuschmuggeln  verstanden  hatten,  nach- 
dem der  ursprüngliche  Zahn  Buddhas  durch  die  Portugiesen  verbrannt 
Worden  war.  Viele  Pilger  und  Processionen  wallfahrten  aUjiihrlich  zu 
diesem  Heiliglhume.  Über  den  Zahn  werden  sechs  oder  sieben  thurm- 
ähnliche  Hüllen  aus  massivem  Gold,  reich  mit  Edelsteinen  besetzt, 
wahre  Kunstwerke,  gestülpt.  Das  Ganze  wird  in  einem  vergitterten 
Kasten  aufbewahrt,  in  dem  sich  noch  ein  besonderer  Wertgegenstand 

^^fißndet,  nämlich  eine  Buddha-Figur,  12  cm  hoch,  aus  einem  einzigen, 

^HÄnz  reinen  Smaragd  geschnitzt. 

^^P       Wir  besahen  hier  noch  ein  zweites  Reliquiarium  mit  vielen,  beson- 

^^ocrs  kr>'stallenen  Buddhas,  sowie  die  Bibliothek  des  Tempels,  in  der 
alte  singhalesische,  auf  Palmblättern  eingeritzte  Schriften  aufbewahrt 
sind,  und  fuhren  hierauf  nach  dem  etwa  6  km  entfernten,  herrlichen 
botanischen  Garten  von  Peradenia,  der  durch  die  Mannigfaltigkeit  seiner 
Pllanzen  und  Baumarten  und  durch  die  geschmackvolle  Zusammen- 
stellung der  Gruppen  die  kühnsten  Erwartungen  übertrifft.  Das  tro- 
pische Klima,  durch  die  Kunst  des  Gärtners  unterstützt,  ist  eben  im 
Stande,  geradezu  feenhafte  Wirkungen  hen'orzubringen.  Peradenia  soll 
der  schönste  botanische  Garten  der  Welt  sein:  dass  er  unerreicht  ist, 
fflaubc  ich  bestimmt.  Über  Aufforderung  des  Obergärtners  musste 
ich  zur  Krinnerung  an  meinen  Besuch  einen  Baum  pflanzen,  wie  es 


dereinst  auch  der  Prinz  vor  Wale*  \:r.i  dtr  Cesarewiisch  geihan  haben. 
Der  \on  ersterem  gesetzte  Bai:::]  ha:  bereit?  eine  beiTächlliche  Höhe 
erlangt.  Die  Orchideen-Sainnil'jr.p  de*.  Ptrkej  is:  in  einem  Hause  unter- 
f^ebrachl,  in  welchem,  um  cie  zar.cT!  Pflanzen  vor  dem  Einflüsse  der 
starken  S<tnnen strahlen  zu  schützen,  dit  Glasscheiben  durch  Stroh- 
matten ersetzt  sind. 

Lady  Havelock,  der  wir  m::  ihrer  T-chter  in  diesem  Theile  des 
Gartens  begegneten,  lud  uns  ein.  in  ei::em  k3e:nen  Gaitenpavillon  Thee 
zu  nehmen. 

L'm  8  L'hr  war  im  Oovemmen*  H.-use  zu  Kandy  großes  Parade- 
Diner,  dem  zahlreiche  Würdenträger  und  mehrere  Damen  zugezogen 
waren.  Riesige  Inder  mit  langen  Spießer  bildeten  im  Stiegenhause 
-Spalier;  die  Tafel  war  in  schwarzen  und  gelben  Farben  und  mit  Blumen 
reizend  geschmückt.  Bei  dem  trefflichen  Mahle,  in  dessen  Verlaufe  die 
Musikkapelle  des  6.  Regimentes  heitere  Weisen  erklingen  ließ,  saß  ich 
zwischen  Lady  Havelock  und  der  Frau  unseres  Consulai^erenten 
SchnelL  einer  in  Culcutta  geborenen  Deutscher..  Zum  Schluss  des  Diners 
brachte  der  Gouverneur  das  Wohl  der  Königin,  jenes  unseres  Kaisers 
und  das  meine  aus,  wozu  die  Volkshymne  erklang. 

Nachdem  die  Tafel  aufgehoben  war,  begann  auf  dem  großen 
Platze  vor  dem  Buddha-Tempel  ein  religiöser  Umzug,  die  Perahera- 
Pmcession,  welche  nur  einmal  im  Jahre  abgehalten  wird,  und  zu  der 
alle  Edlen  des  Reiches  aus  den  fernsten  Gauen  mit  ihrem  Gefolge  und 
ihren  Elcphanten  herbeiströmen,  um  den  giv>ütmög!ichen  Pomp  zu  ent- 
wickeln. Der  glänzende  Zug  der  Würdenträger.  Edlen  und  Mannen,  die 
majestätischen  Elcphanten.  die  in  buntem  Wechsel  spielenden  Farben, 


Jagdlager  in  Kalawewa  -Kandy   Colombo. 


Jänner. 

Morgens  6  Uhr  [raten  wir  die  für  fünf  Tage  anberaumte  Jagd- 
expedition ins  Innere  der  Insel,  und  zwar  nach  dem  nördlich  von  Kandy 
^telegenen  Teiche  und  den  Dschungeln  von  Kalawewa  an.  108  km  sind 
es  dahin. 

Bis  Matale  führte  uns  von  der  Station  Mahaiyawa  ein  Extrazug 
durch  lachende  Thäler  und  an  spitzen,  hohen  Bergen  vorbei,  deren 
Gipfel  noch  mit  leichtem  Nebelschleier  umzogen  waren,  während  in 
den  tieferen  Lagen  dichter  Thau  auf  Blättern  und  Blüten  glitzerte.  Der 
T*g  war  herrlich  und  kühl. 

IWir  hatten  Matale  in  nicht  ganz  drei  Viertelstunden  erreicht  und 
tftef^en  daseihst  hohe  Wagen,  um  uns  nach  N'erladung  des  Gepäckes, 
'  Gewehre,  der  photographischen  Apparate  und  der  ganzen  Hexen- 
rtie  Hodeks  in  Bewegung  zu  setzen. 
Die  Straße  führte  durch  die  schönsten  Palmen-  und  Bananenhaine. 
denen  es  von  Singhatesen-Ansiedelungen  wimmelte,  deren  Bewohner 
mit  neugierigen  Augen  am  Rande  der  Straüe  standen.  Bunte  S'ögel 
uod  prachtvolle  Schmetterlinge,  worunter  mir  ein  carmoisinrother,  mit 


weiß-schwarzen  Flüyeln  versehener  PapiUo  iophon  und  eine  intensiv 
schwarzgelbe  Ornllhoptera  darsius,  lelztere  wegen  meines  begreif- 
lichen Interesses  für  diese  Farhenzusamnienstellung,  besonders  auf- 
fielen, huschten  vorbei.  Den  Träger  unserer  Farben  tauften  wir  sogleich 
in  *Lepidopteron  austriacunn  um.  Außerdem  beobachteten  wir  noch 
die  weiß-  und  orangefarbige  Hebomoia  glaucippe,  die  unseren  Wagen 
lange  folgte,  ferner  die  weilischwarze  Hestia  iasonia,  mehrere  kleine 
citronengelbe  Terias.  dann  den  herrlichen,  weiß,  schwarz  und  lichtblau 
gefleckten  Papiüo  parinda  und  im  Dschungel  ganze  Schwärme  von 
Chilasa  clytioides.  Die  ersten  Papageien,  die  wir  zu  Gesicht  bekamen, 
wurden  von  uns  mit  lautem  Freudengeschrei  begrüßt. 

Nach  ungefähr  30  *w(  wechseln  die  Scenerie  und  die  Vegetation, 
Hohe,  große  Laubbäume,  gemischt  mit  undurchdringlichem  Gebüsch 
und  mächtigen  Euphorbien,  verdrängen  die  Palmen.  Auch  die  Fauna 
ändert  sich  und  wird  reichlicher.  Wir  beobachten  eine  mit  dem 
Namen  Dschungelkrähe  bezeichnete  Kuckucksart,  verschiedene  Reiher- 
arten, auffallend  viele  Bienenfresser,  gestreifte  Eichkätzchen  und  eine 
Manguste. 

In  Abständen  von  19  bis  20  km  befinden  sich  längs  der  ganz 
züglichen,  die  parkartige  Landschaft  durchschneidenden  Straße  Ri 
häuser,  von  der  Regierung  erhaute,  kleine  ebenerdige  Gebäude,  in  denen 
Reisende  Unterkunft,  Essen  und  manchmal  auch  Pferde  finden.  Wir 
wechselten  an  diesen  Stationen  regelmäßig  unsere  Gespanne,  die  bald 
aus  17  Faust  hohen  Australiern,  bald  aus  ganz  kleinen,  indischen 
Doppel-Ponies  oder  Soldatenpferden  zusammengestellt  waren.  Alles 
gieng  übrigens  glatt  ah  und  wir  fuhren  ein  außerordentlich  rasches 
Tempo, 

Gegen  II  Uhr  vormittags  halten  wir  45^'»»)  zurückgelegt  und 
sollten  Frühstückspause  auf  dem  kegelförmigen  Felsen  Dambul  halten, 
vorher  jedoch  dem  auf  demselben  gelegenen  berühmten  Buddha- 
Tcmpcl  einen  Besuch  abstalten.  Am  Fuße  des  Felsens  empfieng  uns 
der  angesehenste  Edle  der  Gegend,  gefolgt  von  seiner  mit  Spießen 
bewaffneten  Leibgarde.  Da  der  .Aufstieg  zum  Tempel  ziemlich  lang  und 
»teil  ist,  ao  trugen  uns  je  acht  Singhalesen  in  kleinen,  auf  Stangen 
befestigten  Sesseln  den  Hang  hinan,  wobei  die  armen  Teufel  gewaltig 
schwitzten  und  schnoben,  aber  bei  der  tropischen  Hitze  musste  mein 
Egoismus  größer  sein  als  mein  Mitleid,  und  so  schwankte  ich  behaglich 
bis  zu  der  Pforte  des  Tempels  empor,  der  seines  hohen  Alters  und 
soinor  cigcnthümiichcn  Bauart  wegen  höchst  beachtenswert  ist. 


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Fünf  bedeutende  Htihlen  mit  ganz  kleinen  Eingängen  sind  hier 
von  Menschenhand  in  den  Felsen  gehauen  und  dienen  als  Tempel 
des  Buddha.  Sein  Bildnis  und  die  Episoden  seines  Lebenslaufes  finden 
daselbst  in  unzähligen  Varianten  Wiedergabe.  Beim  Eintritt  in  diese 
Tempelhühlen  sieht  man  dem  Eingange  gegenüber  unter  einem 
baldachinartigen  Vorbaue  Statuen  Buddhas,  welche  ihn  theils  in  auf- 
rechter Stellung  als  lehrenden  Gott,  theils  sitzend,  die  Hände  im 
Schöße  gefallet,  als  Sinnbild  der  Beschaulichkeit  darstellen.  Das  Antlitz 
des  Gottes,  das  nichts  weniger  als  Intelligenz  ausdrückt,  und  seine 
Extremitäten  sinil  auf  sammtlichen  Bildwerken  mit  grellgelber  Farbe 
bestrichen,  während  die  Gewandung  in  bunten  Farben  spielt.  In  einer 
dritten  Stellung,  nämlich  in  liegender,  kommt  Buddha  im  Höhlen- 
teoipel  von  Dambul  fünfmal  vor.  Diese  Bildwerke  sind  aus  dem  Felsen 
gehauen,  je  20  m  lang  und  3  »i  hoch  und  gleichen  weit  mehr  großen 
Walfischen,  als  dem  Ebenbüde  eines  Gottes.  Rings  um  diese  Nach- 
bildungen erhebt  sich  auf  Sockeln  eine  ganze  Reihe  sitzender  Buddhas 
in  überlebensgroßer  Dimension,  theils  aus  Stein,  theils  aus  gebranntem 
Lehm  geformt. 

Die  Wände  und  die  Decke  der  Höhlen  sind  mit  äußerst  originellen 
Malereien  bedeckt,  welche  größtentheils  das  Leben  Buddhas  zum 
\'orwurf  haben  und  infolge  sinnreicher  .Anlage  und  Vertheilung  der 
Farben,  sowie  vermöge  einiger  eingezeichneter  Falten  den  Eindruck 
eines  großen,  hängenden  Teppichs  machen.  Außer  den  Statuen 
Buddhas  sahen  wir  in  den  Tempeln  auch  noch  solche  des  indischen 
Königs  Häma,  des  sagenhaften  Eroberers  von  Ceylon. 

Mystisches  Dunkel  herrscht  in  diesen  sechshundert  Jahre  alten 
Räumen,  da  nur  von  einzelnen  schönen,  bronzenen  Leuchtern  herab, 
deren  Verzierung  große  Pfauen  aufweist,  dürftiges  Licht  erstrahlt, 
während  weiße  Blumen,  Temple  flowers,  die  rings  um  die  Tempel 
üppig  gedeihen  und  deren  .Anpflanzung  einem  indischen  Könige  zuge- 
schrieben wird,  betäubenden  Geruch  verbreiten. 

Eine  Anzahl  Bonzen  erzählte  uns  —  natüriich  in  singhalesischer 
Sprache  —  offenbar  höchst  interessante  Dinge,  von  denen  wir  aber 
nichts  verstanden,  worauf  zum  Schlüsse  die  sehr  verständliche  Panto- 
mime der  Bitte  um  Bakschisch  folgte. 

Der  liebenswürdige,  für  unser  leibliches  Wohl  so  sehr  besorgte 
uvemeur  halte  auf  der  Höhe  des  Felsens  neben  einem  kleinen  Teich 
I  Bambusrohr  und  Palmenblättern  ein  zieriiches  Haus  bauen  lassen, 
lern   sich  ein  Speiseraum   mit   Küche  und  für  jeden  von  uns  eine 


luxuriös  eingerichtete  Cabine  zur  Mittagsruhe  befanden.  Wir  segneten 
in  (bedanken  Sir  Arthur  E.  Havelock,  da  uns  dies  wohnliche  Plätzchen 
außer  reichlicher  Erquickung  und  sanfter  Ruhe  eine  geradezu  feenhafte 
Rundsicht  über  einen  Theil  der  Insel  bot.  Tief  unter  uns  das  weite, 
grüne  Meer  von  Palmen  und  laubigen  Bäumen,  aus  dem  hin  und 
wieder  ein  kleiner  See  oder  eine  Singhalesen-Ansiedelung  her\'orblicken 
und,  Inseln  gleich,  spitze  Berge  in  bläulichem  Hauche  emporragen. 
.'Vuch  der  berühmte  und  berüchtigte  Berg  Sigiri,  auf  welchem  die 
einstigen  Könige  eine  bedeutende,  mit  Steingallerien  ausgestattete 
Festung  erbaut  hatten,  war  durch  das  Kernglas  wahrzunehmen. 

Lange  vermochten  wir  uns  von  diesem  zauberhaften  Panorama 
nicht  zu  trennen,  da  aber  noch  37  hm  zurückzulegen  waren,  so  hieß  es 
endlich  doch  wieder  zu  den  Wagen  niedersteigen. 

Die  Hitze  hatte  nachgelassen  und  rasch  gieng  es  die  Straße  ent- 
lang. Diu  einzige  Unterbrechung  verursachten  zwei  singhalesische  Ober- 
priesler.  welche  mir  mit  vielen  Verbeugungen  ein  langes  Schriftstück 
üherreichlen,  das  von  einem  Herrn  der  Begleitung  übersetzt  wurde  und 
die  Bitte  um  einen  Beitrag  zur  Restaurierung  eines  Buddha- Tempels 
enthielt.  X'iellcicht  erhält  dank  meinem  Si:herflein  irgend  ein  Buddha- 
Kopf  eitlen  noch  schöneren  kanariengelben  Anstrich,  als  bisher! 

Die  Sonne  war  eben  im  Untergange  begriffen,  als  sich  plötzlich 
der  diciile  'rri>penwald  vor  uns  öffnete. 

Km  ]<u\'  des  l-'rslaunens  entfuhr  unseren  Lippen,  nachdem  wir  den 
viir  uns  liegenden  hohen  Damm  erstiegen  hatten,  von  welchem  aus  ein 
völlig  neues  Bild  sich  darhol.  .\uf  der  einen  Seite  das  enorme  Wasser- 
lu'i-ken  viin  Kalawewa,  ein  blauschimmernder  Teich,  in  dem  Hunderte 


Werkes  ist  die  Bewässerung  der  zahlreichen  Reisfelder  des  Umkreises, 
während  ein  großer,  durch  Schleusen  von  diesem  Teiche  abgezweigter 
(.'anal  Anuradhapura,  das  8H  knt  weit  entfernt  ist,  mit  Wasser  versorgt, 
und  in  der  Zwischenstrecke  über  100  Dorfteiche  speist. 

Im  Laufe  der  langen  Jahre  hatte  sich  selbst  die  riesige  Stein- 
und  Erdmauer  des  Dammes  gelockert,  so  dass  ein  Dammbruch  ent- 
stand und  das  ganze  umliegende  Gebiet  überschwemmt  wurde.  Allent- 
halben stellte  sich  in  der  von  Miasmen  geschwängerten  Landschaft 
Fieber  ein,  welches  die  Bevölkerung  derart  verringerte,  dass  der  Rest 
derselben  sich  zur  Auswanderung  entschloss.  Nachdem  schon  der 
nach  Anuradhapura  führende  Canal  einige  Kilometer  weit  oberhalb 
dieses  Ortes  von  dem  Gouverneur  Sir  William  Gregory  (1871  bis  1877) 
ausgebessert  worden  war,  ließ  die  englische  Regierung  in  den  Jahren 
1884  bis  1887  den  ganzen  Cana!  instandsetzen  und  den  Damm 
erneuern,  so  dass  auch  der  Teich  wieder  hergestellt  wurde.  Die  Regie- 
rung trachtet  jetzt,  Singhalesen  aus  den  nördlichen  Provinzen  dadurch 
zur  Ansiedelung  in  diesem  Gebiete  zu  bewegen,  dass  sie  den  Colo- 
nisten  unentgeltliche  Überlassung  von  Ländereien  zusichert  —  eine 
Maßregel,  weiche  jedoch  bisher  nur  theilweisen  Erfolg  gehabt  hat,  da 
die  Leute  des  hier  noch  immer  herrschenden  Fiebers  wegen  zögern, 
dem  Rufe  der  Regierung  Folge  zu  leisten.  Dass  die  Furcht  vor  diesem 
Fieber  thatsächlich  noch  immer  begründet  ist,  zeigten  so  manche  der 
Ansässigen,  an  welchen  wir  deutliche  Spuren  des  tückischen  Übels 
wahrnehmen  konnten. 

Die  durch  Wiederherstellung  des  Dammes  bedingte  Stauung  des 
Wassers  hat  zwar  das  Land  wieder  anbaufähig  gemacht,  den  großen 
Roiidbäumen  aber,  die  bisher  auf  festem  Lande  gestanden,  den  Tod 
gebracht. 

Wir  waren  am  Ziele  angelangt  und  fanden  hier  unser  Heim, 
das  Jagdlager,  für  die  nächsten  Tage  bereit.  Oben  auf  der  Crete  des 
Dafnmes,  war  anschließend  an  ein  Ingenieurhäuschen  eine  kleine 
Niederlassung  aus  Bambus-  und  Palmenblättern  gebaut,  welche  einen 
wohnlichen,  freundlichen  Eindruck  machte.  Zuerst  kamen  die  einzelnen 
Zimmerchen   für   mich    und   die  Herren   meiner  Begleitung,   dann  der 

»de  Speiseraum,  die  Küchen  und  in  einer  Vertiefung  die  Stallungen 
ungefähr  dreißig  Pferde. 
Lange  saßen  wir  an  dem  schönen  Abend  vor  unserem  Bungalow 
und  erfreuten  uns  an  den  Myriaden  von  Leuchtkäfern,  welche  die  Aste 
der  Bäume  umschwärmten. 


Kalawewa,  8.  Jänner. 

In  großer  Aufregung  wurden  die  Vorbereitungen  für  die  Elephanten- 
jagd  betrieben,  die  verschiedenartigsten  Gewehre  probiert,  auch  ein 
Klephantenschädel  zersägt,  um  uns  die  Stelle  zu  zeigen,  an  welcher  die 
Kugel  unfehlbar  tödtet,  und  die  Projecte  für  eine  erfolgreiche  Jagd  in 
reifliche  Erwägung  gezogen. 

Icli  hatte  eben  noch  einen  Schuss  mit  dem  Eight  bore-Stutzen 
versucht  und  stand,  ins  Haus  zurücligekehrt,  mit  den  übrigen  Herren 
gerade  auf  der  Veranda,  als  einer  der  englischen  Herren  mit  einem  groü- 
calibrigen  Gewehre  so  achtlos  hantierte,  dass  es  sich  mitten  unter  uns 
entlud.  Das  Projectil  schlug  das  Dach  durch,  so  dass  man  den  blauen 
Himmel  durchscheinen  sah;  wir  kamen  aber  glücklicherweise  mit  einem 
Kegen  von  Ziegelstücken  davon. 

Endlich,  nach  langem  Parlamentieren,  wurden  wir  flott,  und  fuhr 
meine  Expedition,  bestehend  aus  Captain  PJrie,  welcher  die  Leitung 
der  Klephantenpürsche  übernommen  hatte,  und  aus  mehreren  einge- 
borenen Jägern,  Schikäris  genannt,  in  einem  Boote  hurtig  über  den 
Teich.  Mr,  Murray,  VVurmbrand  und  Kinsky  folgten  in  einiger  Ent- 
fernung als  Zuschauer. 

Die  Sonne  brannte  heiß  auf  den  Wasserspiegel  des  Sees,  auf 
dessen  Handbäumen  Schlangenhaisvögel,  große  und  kleine  Cormorane, 
Silherreiher,  Teich-  und  Kuhreiher,  sowie  wunderhübsche  Königsfischcr 
saßen  und  unbehelligt  unser  Schiff  nahe  herankommen  ließen.  Nachdem 
wir  den  Teich  durchquert,  stiegen  wir  im  Dschungel  aus  und  fanden 
alsbald  die  mächtigen  Fährten  der  Elephanten;  die  Thiere  waren  in 


»Böden'  in  den  Donau-Auen  vergleichen,  mit  dem  Unterschiede  aller- 
dings, dass  die  Tropensonne,  die  Moskitos  und  die  furchtbaren  Dornen 
die  Situation  noch  bedeutend  verschlimmern.  Alle  Augenblicke  halten 
Dornbusch  und  Gestrüpp  die  Mütze  oder  den  Rock  zurück,  mit  blu- 
tenden Händen  und  Gesicht,  mit  zerfetzten  Kleidern,  zerkratzt  und 
erregt  gelangt  man  endlich  wieder  ins  Freie. 

Unverdrossen  krochen  wir  also  weiter,  bis  ich  nach  einer  halben 
Stunde  ein  leises  Brechen  von  Zweigen  vernahm,  das  von  äsenden 
Elephanten  herrührte.  Obgleich  ich  sonst  dem  Jagdlieber  nicht  unter- 
worfen bin,  so  muss  ich  doch  offen  gestehen,  dass  solches  mich  jetzt, 
bei  dem  Hören  und  Anpürschen  der  Elephanten  erfasste. 

Wie  Indianer  schlichen  wir  in  der  Richtung  vorwärts,  aus  welcher 
wir  die  Laute  vernommen  hatten,  als  plötzlich  ein  Schikäri  niederkauerte 
und  auf  das  Gebüsch  wies.  Ich  konnte  nichts  deutlich  wahrnehmen, 
sondern  hörte  bloß  starkes  Geräusch,  von  dem  ich  anfänglich  glaubte, 
es  sei  durch  die  Zähne  der  Elephanten  verursacht;  doch  überzeugte  ich 
mich  später,  dass  es  von  diesen  durch  Heben  und  Senken  der  Ohren 
hervorgebracht  wird.  Der  Wind  war  nicht  günstig,  und  da  diese  Kolosse 
weder  besonders  gut  äugen,  noch  feines  Gehör  besitzen,  dafür  aber  vor- 
züglich wittern,  schlichen  wir  uns  von  einer  anderen  Seite  an  und  kamen 
endlich  auf  ungefähr  25  Schritte  in  die  Nähe  der  Elephanten.  Ich  sah 
durch  das  dichte  Unterholz  nur  große  Massen  auf  dem  Boden  liegen, 
die  auffallend  an  Termitenbaue  oder  Heuhaufen  erinnerten,  konnte  aber 
trotz  aller  Anstrengung  die  längste  Zeit  die  Formen  der  Elephanten  nicht 
entnehmen. 

Endlich  kam  etwas  Bewegung  in  die  ungeschlachten  Kolosse,  so 
dass  ich  zunächst  einen  großen,  schwarzen  Elephanten  mit  der  Rückseite 
gegen  mich  gewendet  sah,  der  alle  vier  Läufe  von  sich  streckend 
dalag,  mit  dem  Rüssel  von  Zeit  zu  Zeit  geschickt  Blätter  abriss  und 
mit  den  Ohren  die  Mücken  abwehrte.  Weiterhin  dehnte  sich  in  gleicher 
Pose  ein  noch  größerer  Elephant,  offenbar  eine  glückliche  Mutter,  zu 
ihren  Füßen  schlummerte  ein  Sprössling,  während  im  Hintergründe  ein 
halb  envachsener,  vorjähriger  Elephant  stand.  Ein  Bild  tiefsten  Friedens, 
diese  im  dunklen  Dschungel  ruhenden  Ungethüme. 

Ich  hoffte  mich  eben  noch  näher  anpürschen  zu  können,  doch  schien 
der  sehr  unbeständige  Wind  bereits  umgeschlagen  zu  haben;  denn  der 
schwarze  Elephant  wurde  hoch,  windete  in  unsere  Richtung  und  ver- 
schwand flüchtig  in  der  Dickung,  worauf  auch  seine  Gefährten  hoch 
,  wurden   und  Miene   machten,  auszureißen.    Obgleich   mir  von    allen 


Jägern  eingeschärft  worden  war,  nicht  weiter  als  auf  6  »i  bis  8  in  und 
nur  zwischen  l.icht  und  Ohr  oder  in  die  Grube  über  dem  Rüssel  zu 
schJeUen,  entschloss  Ich  mich  doch  zum  Schuss  auf  eines  der  Thiere. 
auf  gut  CUück  nach  der  Mitte  des  Kopfes  zielend.  Nachdem  sich  der 
Kauch  verzogen,  giengen  wir  auf  den  Anschuss,  fanden  Schweiß,  aber 
leider  keinen  Elephanten  und  verfolgten  vergeblich  durch  einige  Zeit 
die  Fährte.  Captain  l'irie  glaubte,  dass  die  Distanz  von  20  m  zu  groß 
gewesen  sei  und  daher  die  Kugel  trotz  des  starken  Calibers  meines 
(lewohres  die  zolldicke  Haut  des  Elephanten  nicht  habe  durchschlagen 
können.  In  ziemlich  gedrückter  Stimmung  arbeitete  ich  mich  wieder 
aus    dorn    Dschungel    zu    den    Herren    hinaus,    die    zurückgeblieben 


Wahrend  die  Schikäris  die  Klephanten  neuerdings  abspürten. 
benützten  wir  die  Zeit  zu  einem  Lunch  im  Freien,  bis  die  Meldung  kam, 
dass  die  Fährten  wiedergefunden  und  die  Thiere  eingekreist  seien.  Nun 
aber  war  ein  Ankommen  nicht  mehr  so  leicht  als  zuvor,  da  sie,  durch 
den  Schuss  bedeutend  scheuer  geworden,  sich  in  ein  nahezu  völlig 
undurchdringliches  Dickicht  zurückgez.'gen  hatten.  Flinmal  war  ich  den 
i^K'phiintcn  zwar  schon  ganz  nahe,  ^ah  sie  auch  über  einen  Wechsel 
i'.ielK'ii;  plötzlich  aber  waren  sie  wieder  verschwunden. 

V.^  iM  erstaunlich,  wie  wenig  I.arm  ein  Thier  von  der  Wucht  eines 
Klephanten.  ja  sogar  eine  gan;;c  Herde  dieser  Kolosse  im  Dickicht 
macht;  denn  wie  l-'üchse  schleichen  sie  hin  und  her.  und  nur  auf  kurze 
lüUtVrnung  hört  man  das  Knacken  einzelner  gebrochener  .Aste. 

Kndlich  gegen  -1  l'hr  nachmittags  stiegen  wir  neuerdings  auf 
l-!lepIi.MUen,  welche    von    .'wvi    .uivor    ausgesandten  Schikäris   bestä- 


dem  Rauche  hervor  das  Haupt  eines  Elephanten  auf,  welcher 
geradewegs  auf  uns  zustürmt  und  uns  anzunehmen  scheint.  Rasch 
springen  wir  zur  Seite  und,  Bäume  und  Büsche  zerstampfend,  rast  die 
große  Masse  an  uns  vorbei  —  für  jeden  von  uns  ein  höchst  spannender 
und  aufregender  Moment.  Wie  mir  Pirie  versicherte,  soll  es  äußerst 
selten  vorkommen,  dass  ein  gesunder  Elephant,  wie  dies  jetzt  der  Kall 
war,  den  Menschen  annimmt.  Wären  wir  nicht  in  das  nebenliegende 
Gebüsch  gesprungen,  so  hätte  uns  der  Elephant  zermalmt,  da  die 
'  IJislanz  von  dem  wüthenden  Thiere  bis  zu  uns  kaum  zwei  Meter 
betragen  hatte. 

Während  sich  diese  Scene  abspielte,  hatte  sich  der  gestürzte 
l^lephant  erhoben  und  wurde  flüchtig.  Der  reichlichen  Schweißfährte 
folgend,  rannten  Pirie  und  ich  ohne  Rücksicht  darauf,  dass  uns  Aste 
und  Dornen  zerfetzten,  ungefähr  eine  Stunde  lang  hinterdrein,  bis  wir 
endlich  ganz  ermattet  die  Jagd  aufgeben  mussten,  da  es  bereits  anfieng, 
Abend  zu  werden  und  wir  fürchteten,  den  schwer  kranken  Elephanten 
zu  versprengen. 

Nicht  eben  in  der  rosigsten  Stimmung  nach  dem  Bungalow 
zurückkehrend,  erlegte  ich  in  dessen  Nähe  noch  mehrere  Uferläufer, 
l,appenkiebitze  (Lobivanellus  indicus)  und  Königsfischer,  die  längs  des 
Teiches  strichen.  Der  .■\bend  vereinigte  uns  beim  Souper,  wobei  jeder 
seine  Tageserlebnisse  zum  besten  gab.  Die  anderen  Herren  hatten  auf 
verschiedenes  Kleinwild  in  der  Umgebung  gejagt  und  brachten  ARen, 
gestreifte  Eichhörnchen  und  allerlei  Vögel  heim,  so  dass  Hodek  viel  zu 
thun  bekam. 

^^K  Kalawewa,  9.  Jänner. 

^^^ft      Der   heutige   Tag   galt   der  Ornithologie.    Wir   alle   brachen   des 
^^^Brgens  auf,  um,  in  verschiedenen  Richtungen  vertheilt,  Vertreter  mög- 
^^^BSt  vieler  Vogelspecies  für  meine  Sammlung  zu  erlegen. 
^^^      Ich   streifte   längs   der  Dämme  hin  und  erbeutete  Exemplare  ver- 
schiedener  Kuckucksarten,    worunter   den   Zanclostomus  viridirostris, 
ferner  zweier  Arten  Bienenfresser  fMerops  philippinus  und  viridis),  einen 
prachtvollen,  intensiv  gelbschwarzen  Schwarzkopf-Pirol  (Oriolua  melano- 
ccphalus),  einen  allerliebsten,  rothbrüstigen  Mennigvogel  {Pericrocotus 
peregrinus),  einen  grasgrünen.  Laub vogel  {Chloropsis  jerdoni),  eine  Art 
uschreckenstaar  (Acridotheres  melanosternus),  Bül-büls  (Molpastes 
morrhous),  Zwerglinken  (Uroloncha  punctata  und  striata),  eine  herr- 
s  blaue  Nektarine  (Arachnechthra  lotenia),  eine  zierlich  gesprenkelte 


Turteltaube  (Turtur  suratensis),  eine  schöne  braunweiße  Brahminen- 
weihe  (Haliastur  indus)  und  einen  interessanten  Schlangenhalsvogel 
(I'lotus  nielanoKaster). 

In  einer  dichten  Baumgruppe  im  Teiche  sah  ich  zu  meiner 
gntßcn  Freude  zum  erstcnmale  eine  Schar  Affen,  die  mit  fabelhafter 
Schnelligkeit  von  Ast  zu  Ast  kletterten  und  manchmal  riesige  Luft- 
spriingc  ausführten,  um  einen  anderen  Baum  zu  erreichen.  Ein  auf 
weite  Kntfemung  abgegebener  Kugelschuss  hatte  nur  die  Wirkung, 
diiss  die  (lüöoUschaft  auseinanderstob  und  verschwand. 

\'un  den  Dämmen  aus  fuhr  ich  auf  mehrere  kleine  Teiche,  die 
ziemlich  reich  an  Wild  waren.  Namentlich  konnte  ich  hier  Schlangen- 
lijilse,  große  und  kleine  Silberreiher,  Purpurreiher,  Wasserrallen,  Eis- 
vi'igel.  Indische  I.appenkiebitze  und  verschiedene  Wasserläufer  sehen. 
Auch  die  schöne  Javanische  Baumente  (Dendrocygna  javanica)  beob- 
»chtele  ich  hier.  Überall  lagen  halbwilde  Büffel  im  Wasser,  die  Üüchtend 
auseinaiuicrstiihcn.  sobald  ein  Schuss  gefallen  war.  In  einem  der  kleinen 
'IViclic  standen  Hunderte  von  Bekassinen  zu  meinen  Füßen  auf. 

Wuriubrand  und  ioii  wateten  längere  Zeit  umher,  wobei  mir  auch 
i'ine  gnilJe. 'Jhi  lange  Schlange  zur  Beute  fiel.  Gegen  Mittag  lagerten 
wir  unter  einem  i-chatligcn  Baume  und  bald  trafen  hier  alle  Jagd- 
ceiiosM-n  lin,  jeder  mit  interessanter  Beute. 

Nai'li  einer  zweistündigen  erquickenden  Ruhepause  berichtete 
uti'i  ein  l'jnj;el>iircner,  dass  er  einen  in  der  Nähe  gelegenen  Teich 
\\i-.r.e,  in  dem  sich  Krokodile  befänden.  Der  Singhalese  schien  jedoch, 
wii-.  liir  Siliäl.-iin!;  der  l-'.iHfernung  und  der  Zeit  anbelangt,  manchem 
iiiv.rr.'i-   AI['enbi-uohner  .ui   gleichen:   denn   bei   gutem   Marschtempo 


Ich  erlegte  noch  einige  Wasserläufer,  einen  schönen  schwarzen 
Drongo  (Dicrurus  ater)  und  kehrte  dann  in  unser  Bungalow  zurück, 
um  sehr  bald  unter  mein  Moskitonetz  zu  schlüpfen. 


^H  Kalawewa,  10.  Jänner. 

DieSchikäris  hatten  den  Abend  vorher  gemeldet,  der  angeschweißte 
Elephant  sei  von  ihnen  gesehen  worden,  befinde  sich  in  der  Mitte  einer 
Herde  und  klage  laut,  so  dass  er  in  wenigen  Tagen  verendet  sein  dürfte. 
Die  übrigen  Elephanten  stünden  zwar  in  einem  anderen  Dschungel,  doch 
ebenfalls  am  Rande  des  Teiches.  Um  5  Uhr  war  ich  bereit;  aber  ein 
heftiger  Gussregen  hielt  uns  noch  zurück,  so  dass  wir  erst  gegen  6  Uhr 
im  Dschungel  waren.  Diesmal  begleitete  mich  außer  den  Schikärts  nur 
Mr.  Pirie.  Gleich  beim  .aussteigen  aus  dem  Boote  sah  ich  Vertreter  dreier 
mir  neuer  Thierspecies,  nämlich  einen  Hasen  (Lepus  nigricollis),  etwas 
kleiner  und  mit  kürzeren  Löffeln  als  der  unsrige,  ferner  einen  Pfau  und 
das  prachtvolle,  scheue  Dschungelhuhn  von  Ceylon  (Gallus  lafayctti). 
Wir  waren  bald  auf  der  Fährte  der  Elephanten  und  schlichen  im 
Dschungel  wacker  vor,  bis  ich  nach  kurzer  Zeit  hörte,  dass  die  Unge- 
thüme  äsend  Äste  abrissen,  und  in  dem  allerdichtesten  Gebüsch  die 
Laufe  und  Rüssel  mehrerer  Elephanten  sah.  Ich  wollte  mich  auf  einem 
anscheinend  sehr  günstigen  Wechsel  anpürschen,  wurde  aber  daran 
leider  von  meinen  Begleitern  verhindert,  die  zum  .\bwarten  riethen.  Die 
Folge  war,  dass  die  Elephanten,  nachdem  der  Wind  umgeschlagen  hatte, 
mit  großem  Gepolter  ausrissen,  ohne  dass  ich  auch  nur  einen  Schuss 
hätte  anbringen  können. 

Nun  begann  es  obendrein  heftig  zu  regnen,  so  dass  wir  thatsäch- 

lich  wie  »die  begossenen  Pudel*  dastanden.  Meine  Begleiter  versicherten 

ivar,  wir  würden  die  Flüchtlinge  bald  einholen,  allein  dieses  Ereignis 

,  wie   die   Folge   lehrte,  erst   nach    sieben    Stunden    Suchens   und 

ichens  ein. 

Wir  zogen  anfänglich  einige  Zeit  den  Fährten  nach,  entschlossen 

s  ober  endlich,  da  es  des  heftigen  Regens  wegen  sehr  schwer  war, 

I  nachzukommen,  zwei  Schikäris  auszusenden,  um  die  Elephanten 

tierdings  einzukreisen  und  zu  bestätigen.  Diese  Wartezeit  benutzten 

nem  Frühstück.  Auf  der  Suche  nach  einem  geeigneten  Platze 

"irafen  xvir  auf  ein  äußerst  seltenes  und  interessantes  Thier,  ein  geradezu 

kolossales  P^xemplar  einer  Eidechse  (Varanus  salvator),  welches  mich 

lebhaft  an   die  Sage   vom  Tatzelwurm   erinnerte.  Das   Reptil  lag   auf 


.iiiKefiilir 


iW. 


hlinzelle  uns  mit  seim 


I  klei 


1  Aiiglei 


und  rührte  sich  nicht  von  Jer  Stelle,  obgleich  wir  laut  sprachen  und 
beriethen,  wie  wir  es  tödten  sollten,  da  ich  der  Elephanten  halber  nicht 
zu  schießen  wagte.  Endlich  schnitten  wir  einen  jungen  Baum  ab.  I'iric 
näherte  sich  der  Eidechse  wie  Sanct  Georg  dem  Drachen  und  hieb  auf 
den  Kopf  des  Wurmes  ein,  der  mit  seinem  langen,  stacheligen  Schweife 
wüthend  um  sich  schlug  und  den  Boden  aufwühlte.  Mehrere  weitere 
Hiebe  zertrümmerten  dem  Thiere  die  Schädeldecke  und  bald  lag  das- 
selbe verendend  auf  dem  Rücken,  worauf  wir  es  knickten  und  ihm  mit 
einem  liefen  Sclmitt  die  Brust  öffneten.  Es  war  ein  Riesenthier:  wenigstens 
2  m  lang,  0'5»i  an  Leibesumfang  messend,  20cih  hoch,  ähnelte  es  ganz 
einem  Krokodile,  für  das  ich  es  auch  zuerst  gehalten  hatte.  Die  Decke, 
welche  ungemein  dick  war,  so  dass  wir  sie  nur  mit  einem  scharfen 
Jagdmesser  durchtrennen  konnten,  bestand  aus  harten  Schuppen;  der 
Rücken  war  schwarz  mit  gelben  Ringen  und  Punkten,  der  Bauch  ganz 
gelb;  die  Läufe  waren  wie  jene  eines  Dachshundes  nach  außen  gedreht 
und  mit  langen  Krallen  versehen.  Wir  ließen  das  merkwürdige  Thter 
liegen,  bezeichneten  den  Platz  und  begaben  uns.  um  zu  frühstück« 
nach  einer  kleinen  Lichtung,  über  welche  ein  ganzer  Flug  Nashoi 
Vögel  oberhalb  unserer  Köpfe  hinwegstrich. 

Mein  vorsichtiger  John  hatte  inzwischen,  von  der  ganz  zutref- 
fenden .Annahme  ausgehend,  dass  ich  durch  den  Regen  völlig  durchnässt 
sein  würde,  frische  Kleider  gebracht,  und  da  die  Sonne  eben  wieder 
freundlich  blinkte,  wechselte  ich  den  Anzug.  Kaum  hatte  ich  meine 
Toilette  vollendet,  öffneten  sich  aufs  neue  alle  Schleusen  des  Himmels, 
und  in  wenigen  Minuten  waren  wir  abermals  bis  auf  die  Haut  nass. 
Doch  dergleichen  gewöhnt  man  bald,  und  ich  schlief  sogar  zwei 
Stunden  auf  blotier  Erde  vortrefflich. 

Mittlerweile  waren  die  ausgesandten  Schikäris  mit  zwei  Meldungen 
zurückgekommen;  die  erste  derselben  war  erfreulich:  die  Elephanten 
seien  wieder  bestätigt;  die  zweite  aber  um  so  bedauerlicher:  unser 
(.'ngeheuer,  der  Talzelwurm  habe  das  Weite  gesucht  und  sei  nicht  mehr 
zu  finden.  Letztere  Nachricht  erschien  so  unglaublich,  dass  Pirie  gleich 
an  Ort  und  Stelle  lief,  wo  er  sich  in  der  Thal  überzeugte,  dass  das 
Reptil  verschwunden  war.  Nur  eine  schwache  Schweißspur  führte  an 
der  Stelle,  wo  wir  den  Wurm  geknickt  hatten,  einige  Schritte  weit  im 
Grase  hin.  Ich  war  untröstlich  darüber,  dass  meiner  Sammlung 
bereits  envorbenes,  höchst  interessantes  Curiosum  wieder 
gegangen  war,  konnte  mich  aber  unmöglich  dazu  verstehen, 


Khwinden  meines  Talzelwurmcs  auf  Jessen  trotz  ZertrQmmerLing  des 
Schädels  und  erfolgter  Knickung  ungebrochene  Lebenskraft  zurück- 
uführen.  Ich  nahm  als  Ursache  des  Verschvvindens  des  Wurmes  ein 
'  weit  plausibleres  Moment  an;  denn  zweifellos  handelte  es  sich  nur  um 
die  Lebenskraft  des  Aberglaubens  der  Eingeborenen,  welche  für  den 
verschleppten  Wurm  sicherlich  gute  Verwendung  wussten. 

Doch   über   das    verlorene  Reptil    vergaß   ich   der  wieder  bestä- 

igten   Elephantcn    nicht.    Diese    waren    äußerst   unruhig   und   zogen 

inunterbrochen  hin  und  her,  so  dass  es  nur  nach  großer  Mühe  gelang, 

einen  derselben  anzupürschen.    Ich  kam  ihm  ziemlich  nahe  und  hätte 

loch  besser  ankommen  können,  hätte  ich  nicht  plötzlich  bemerkt,  dass 

rüeichen  der  Unruhe  gab,  da  mir  meine  Begleiter  im  Übereifer  wieder 

»chgeschlichen  und  offenbar  vom  Elephanten  bemerkt  worden  waren. 

i  war  höchste  Zeit.  Ich  suchte  die  Stehe  am  Haupte  bei  der  Rüssel- 

'  Wurzel  aus  und  gab  Feuer.  Im  selben  Momente  krachten  vier  Schüsse 

neben    mir     —     Pirie    und    der  schwarze   Schikäri   hatten   die   beiden 

Keservcgewehre  abgefeuert,  eine  Unsitte,  welche  gleichwie  die  Gewohn- 

^HOieil,  dem  V'ormanne  selbst  im  dicksten  Dschungel  stets  mit  gespannter 

^^^BUchse  nachzukriechen,  sehr  dazu  beiträgt,  sogar  einen  ruhigen  Jäger 

^^Hervös  zu  machen  und  das  sichere  Pürschen  zu  erschweren, 

^^B        Der  dichte  Rauch,  welchen  das  Abfeuern  von  fünf,  eine  Gesammt- 

^^^pdung  von  40^  Pulver  repräsentierenden  Schüssen  erzeugt  hatte,  ver- 

^^^inderte  einige  Zeit  hindurch  jeden  Ausblick  und  erst,  nachdem  die 

Luft    rein   geworden,  machte  ich  eine  traurige  Wahrnehmung  —  der 

Elephantwar  verschwunden.   Von  einem  Nachsuchen  war  keine  Rede 

Ida  es  gar  zu  stark  regnete.  Ein  solcher  Tropenregen  ist  nur  mit  dem 
BtSrksIcn  Platzregen  unserer  Gegenden  zu  vergleichen. 
i  Ein  rechter  Unglückstag  heute.  Es  musste  mir  rein  jemand  »einen 
waidmann  gesetzt-  haben,  Verdrießlich,  frierend,  völlig  durchnässt 
ISItc  ich  noch  fast  7  km  weit  zu  meinem  Boot,  welches  mich  über  den 
Teich  ins  Bungalow  zurückbrachte.  Hier  stärkte  ich  mich  mit  Punsch 
und  verschiedenen  Grogs,  mit  welchen  mich  der  des  Fiebers  halber 
besorgte  Mr.  Jevers  versehen  hatte. 

^^L  Kalawewa,  11.  Jänner. 

^V  Wir    halten    den   Gouverneur    telegrapliisch    um    eine    eintägige 

^^  Verlängerung  des  Aufenthaltes  gebeten;  denn  ich  wollte,  obgleich  mein 
Vertrauen  auf  Erfolg  recht  erschüttert  war,   doch   noch   einmal   mein 
I  Glück  auf  der  Eluphantcn-Pürsche  versuchen. 


Schon  um  '/» 5  Uhr,  als  noch  Mond  und  Sterne  am  Himmel 
standen,  fuhren  wir  im  Boot  hinaus.  Die  ganze  Natur  schien  zu 
schhifen  und  l^ein  Lüftchen  regte  sich,  bis  endlich  ein  lichterer  Streifen 
im  Osten  den  nahenden  Tag  verkündete.  Nach  und  nach  hörte  man  die 
Stimmen  der  erwachenden  Vogehvelt,  Enten  zogen  hin  und  her,  und 
überall  war  das  heisere  Geschrei  der  Reiher  und  Cormorane  vernehm- 
bar. Als  es  etwas  heller  geworden,  begannen  wir  am  Uferrande  abzu- 
spüren und  stellten  bald  fest,  dass  die  ganze  Elephantenherde  ihr 
gewöhnliches  Dschungel  verlassen  halte  und  quer  durch  einen  Theil 
des  Teiches  abgezogen  war.  Kinsky,  weicher  anfänglich  beabsichtigt 
hatte,  auf  einen  von  der  Herde  getrennten  Elephanten  zu  pürschen, 
schloss  sich  uns  an,  und  nun  wateten  wir  eine  gute  Stunde  lang  durch 
all  die  Wasserarme,  Tümpel,  Sümpfe  und  das  Röhricht.  Dieses  Waten 
im  Wasser  stellte,  da  die  Hitze  wieder  zugenommen  hatte,  gleichzeitig 
ein  sehr  angenehmes,  erfrischendes  Bad  dar. 

Landschaftlich  bot  dieser  Theil  des  Jagdgebietes  ein  wunderbares 
Bild  durch  die  üppige  Sumpfvegetation,  die  zahlreichen  freien,  mit  See- 
rosen überzogenen  Wasserflächen  und  die  zwischen  diesen  aufragenden 
mächtigen  Bäume.  Auf  diesen  saßen  die  schönsten  Silberreiher  und  vor 
aliem  Exemplare  des  von  mir  zum  erstenmale  beobachteten  Adjutant- 
Vogels  oder  Marabu-Storches  (Leptopilus  javanicus)  mit  metallisch 
grünen  Flügeln,  weißer  Brust  und  röthlichen  Ständern.  Erstaunt 
betrachteten  alle  diese  Vögel  unsere  watende  Karawane, 

Die  Fährte  der  Elephanten  war  in  dem  nassen  Boden  leicht  zu 
erkennen.  In  der  Herde  musste,  wie  uns  die  Leute  erklärten,  auch  ein 
besonders  großer  Elephant  sein,  da  in  beträchtlicher  Höhe  Zweige 
abgerissen  waren. 

Im  Schatten  eines  riesigen  Baumes  machten  wir  Halt  und  ent- 
warfen, da  sich  die  Elephanten  nach  Durchwatung  des  Teiches  in  ein 
verhältnismäßig  kleines  Dschungel  gezogen  hatten,  einen  neuen  Feld- 
zugsplan, Dieses  Dschungel,  von  dem  Teiche  und  von  der  Straße 
begrenzt,  hatte  etwa  die  Form  eines  Dreiecks;  waren  die  Elephanten 
noch  nicht  jenseits  der  Straße,  so  hatten  wir  gewonnenes  Spiel.  Rasch 
eilten  wir  vorwärts,  doch  schon  nach  wenigen  Schritten  constatierten 
wir  auf  dem  rothen  Sande  der  Straße,  dass  die  Elephanten  aus  dem 
schützenden  Dickicht  über  den  Weg  gewechselt  waren,  was  uns  sehr 
herabstimmte,  da  an  eine  weitere  Verfolgung  kaum  zu  denken  war.  Als 
wir  eben  unserem  Unmuthe  freien  Lauf  ließen,  kam  ein  Schikäri,  der 
vorausgeeilt  war,  mit  freudestrahlendem  Gesichte  herbeigelaufen  und 


04 


A 


meldete,  dass  die  Elephanten  oberhalb  unseres  Standplatzes  wieder  in 
das  Dschungel  zurückgekehrt  seien  und  sich  noch  darin  befänden;  man 
höre  sie  deutlich  brechen.  Schon  vor  Beginn  der  heutigen  Pürsche  hatte 
ich  mir,  gewitzigt  durch  die  Erfahrungen  der  letzten  Tage,  möglichst 
geringe  Begleitung  erbeten.  So  blieben  denn  Kinsky  und  Pirie  an  den 
beiden,  die  Straße  überquerenden  Wechseln  stehen,  während  ich  mit 
Mr.  Murray  und  meinem  Lieblings-Schikäri,  einem  kleinen,  alten  Manne 
mit  wallendem  Bart  und  gemüthlich  freundlichem  Gesichtsausdrucke, 
in  das  Dschungel  eindrang. 

Fünfhundert  Schritte  weil   mochte   ich  vorgegangen  sein,   als  ich 
die  Elephanten  zu  Gehör  bekam  und  binnen   kurzem  auf  einer  kleinen 
Lichtung  eines  capitalen   Elephanten  gewahr  wurde,  der  ruhig  stand 
und   hin    und   wieder   an   den   Büschen   äste.  Ein  großartiger  Anblick. 
Mein  Jägerherz    schlug   höher    angesichts   dieses   an   vorsündllutliche 
Thiere    gemahnenden   Kolosses,     Ich    schlich    mich    möglichst  nahe 
heran,  zielte  scharf  auf  das  Ohr  und  als  ich  losgedrückt,  sah  ich  den 
Elephanten   im   Feuer   stürzen.  Durch   den   Schuss  kam  in  das  ganze 
Dbchungel  Keben.  von  allen  Seiten  hörte  man  Elephanten  brechen  und 
ausreißen  —  es  war  ein  fürchterlicher  Lärm,  da,  wie  sich  später  ergab, 
ungefähr  dreißig  Elephanten  nach  allen  Richtungen  auseinanderstoben. 
loh  stand  noch  auf  dem  Flecke,  wo  ich  geschossen,  als  auf  etwa  sechs 
Schritte  S'on  mir  ein  riesiger,  mit  langen  Stoßzähnen  bewehrter  Solitär- 
Elcphant  in  voller   Flucht  aus  der  Dickung  auf  der  kleinen  Lichtung 
erschien.  Mein  zweiter  Lauf  war  noch  geladen,  und  so  schoss  ich  denn 
gerade   zwischen  Lichl   und  Ohren.  Ein  trompetenartiger  Ton  war  die 
Antwort   und  anscheinend  schwer   getroffen    flüchtete   der  wankende 
Riese,  ganze  Stämme  niederbrechend,  in  entgegengesetzter  Richtung. 
Der  Rest  der  Herde,   nicht  wissend,  wo  sich  der  Schütze  befand,  raste 
wie  toll   im  dichten  Dschungel  umher,  und  jeden  Augenblick   sah  ich 
entweder  die   Läufe  oder  den  Rüssel  oder  den  Kopf  eines  Elephanten 
zwischen  den  Büschen  erscheinen.  Leider  wurden  nun  meine  Begleiter 
von  einer  solchen  .Aufregung  und  Kopflosigkeit  ergriffen,  dass  sie,  statt 
mir  die  Reservegevvehre  zu  geben,  ein  wohlgenährtes,  regelloses  Schnell- 
feuer ohne  Ziel  und  Zweck  eröffneten,  wodurch  sie  die  Elephanten  nur 
nuch  scheuer  machten  und  die  Gefahr,  sich  wechselseitig  anzuschießen, 
"höhten.  Im  Kugelregen  stehend,  schrie  ich  den  wilden  Schützen  zu, 
"las  Feuer  einzustellen;   doch  ohne  jeden  Erfolg.  Inzwischen  hatte  ich 
"leine  Büchse  wieder  geladen  und  sprang  auf  einen  Wechsel  vor,  von 
wtlchem  her  ich  starkes  Brechen  gehört  hatte.  Im  dichten  Unterwuchs 


kft 


sah  ich  mehrere  Slücke  sehr  flüchtig  vorbciwechseln,  wählte,  durch 
eine  ganz  kleine  Lücke  hindiirchblickend,  ein  starkes  'I'hier  aus  und 
schoss  es  in  voller  Flucht  nieder. 

Waidmännische  Genugthuung  erfüllte  mich  in  hohem  Maß.  als 
ich  vor  meinem  zweiten  Elephanten  stand,  einer  starken  Kuh,  die  ver- 
endet vor  mir  lag.  Ich  kehrte  zu  meinem  ersten  Elephanten  zurück 
und  überzeugte  mich,  dass  ich  ein  außergewöhnlich  starkes  Männchen 
erlegt  hatte,  das  sogar  Stoßzähne  besaß  ^  eine  große  Seilenheil  bei 
Elephanten  auf  Ceylon.  Mein  alter  Schikäri  war  halb  toll  vor  Freude. 
drückte  mir  in  singhalesischen  Worten  seine  Bewunderung  aus  und 
streichelte  mich  sogar. 

Nun  krachten  auch  auf  der  Straße  Schüsse,  sowohl  in  der  Rich- 
tung Piries,  als  auch  in  jener  Kinskys.  Gleich  darauf  kam  Pirie  ganz 
aufgeregt  herbeigestürzt  und  beglückwünschte  mich,  als  ich  ihm  schon 
von  weitem  zurief,  dasa  ich  zwei  Elephanten  auf  der  Decke  hätte,  auf 
das  lebhafteste,  beifügend,  dass  er  ebenfalls  einen  starken  Elephanten 
erlegt  und  einen  zweiten  angeschossen  habe.  Ich  musste  ihm  gleich 
meine  beiden  Exemplare  zeigen,  die  Schweife,  da  diese  in  ganz  Indien 
als  Trophäen  gelter,  selbst  ablösen  und  auf  besonderen  Wunsch  der 
Singhalesen  zum  Beweise  der  Besitzergreifung  auf  meine  Elephanten 
hinaufsteigen, 

Alles  lächle,  schrie,  gesticulierle  und  sprang  um  die  Elephanten 
umher,  so  dass  in  diesem  allgemeinen  Freudentaumel  meine  Bitte,  eine 
Nachsuche  nach  dem  dritten,  stark  schweißenden  Elephanten  zu  unt» 
nehmen,  ganz  ungehört  verhallte. 

Kndlich  kehrte  ich,  da  mit  den  Leuten  absolut  nichts  anzufangetil 
war,  auf  die  Straße  zurück,  wo  ich  Kinsky  fand,  der  mir  sehr  stolz 
entgegenkam,  da  er  ebenfalls  einen  Elephanten  in  voller  Flucht  erlegt 
hatte.  Die  Elephanten,  dreißig  an  der  Zahl,  hatten  Kinsky  auf  seinem 
Stande  wahrgenommen  und  umgeschlagen;  er  aber  war  ihnen  sehr 
geschickt  vorgelaufen  und  halte  von  einem  Felsen  hinabgeschossen. 
Offenbar  waren  alle  Elephanten  aus  der  Gegend,  durch  die  zwei  vor- 
hergehenden Pürschtage  scheu  gemacht,  in  dieses  kleine,  jenseits  des 
Teiches  gelegene  Dschungel  zurückgewichen.  Wurmbrand  und  Clam, 
die  im  jenseitigen  Terrain  gepürscht,  hatten  daher  nur  die  Fährte,  die 
ganz  frisch  in  das  besagte  Dschungel  führte,  gefunden  und  waren, 
nachdem  sie  mich  von  weitem  auf  derselben  Fährte  gesehen  halten, 
umgekehrt.  Clam  hatte  dann  eine  Affenfamilie  verfolgt  und  nach  vieli 
Laufen  und  Schießen  zwei  Mitglieder  derselben  erlegt. 


ine 
tetÜM 


Umgeben  von  den  noch  immer  vor  Freude  schreiemien  Schikäris 
gieng  ich  ins  Bungalow,  um  Hodek  zu  holen,  und  kehrte  nach  einem 
rasch  eingenommenen  Frühstück  in  das  Dschungel  zurück,  wo  Hodek 
sowie  ein  Photograph  aus  Kandy  Aufnahmen  machten  und  ersterer 
sodann  die  Elephanten  zerlegte.  Mit  unsäglicher  Mühe  wurden  die 
Häupter,  die  Läufe,  sowie  große  Stücke  der  mehr  als  zolldicken  Haut 
abgetrennt.  Das  .Abhauen  der  Läufe  mit  großen  Beilen  glich  dem  Fällen 
starker  Bäume. 

Hunderte  von  Singhaleser,  die  mit  Weib  und  Kind  aus  den  umlie- 
genden Dörfern  herbeigeeilt  waren,  betrachteten  in  großem  Kreise 
neugierig  das  Schauspiel. 

Da  hinlänglich  Zeit  erübrigte,  beschloss  ich  noch  eine  Fahrt  auf 
den  Teichen  zu  unternehmen,  um  Wasserwild  zu  erlegen,  In  einem 
kleinen  Boote  ruderten  Ptrie,  ich  und  mein  Jäger  hinaus  in  den  nörd- 
lichen von  uns  bisher  noch  nicht  befahrenen  Theil  des  Teiches.  Die 
Sonne  stand  schon  tief  am  Horizont  und  warf  malerische  Lichter  auf 
die  dürren  Riesenbäume,  deren  verschlungene,  mitunter  schlangenartig 
gewundene  .\ste  und  die  im  Wasser  schwimmenden  Wurzeln,  Gleich 
beim  Wegfahren  erlegte  ich  mehrere  Cormorane,  sowie  einen  schwarz- 
weilJen  Eisvogel,  den  sogenannten  Grauflscher  (Ceryle  rudis),  schoss 
aber  dann  nicht  mehr  auf  Sumpfwild,  da  ich  hoch  in  den  Lüften  einen 
prachtvollen  weißhauchigen  Seeadler  (Haliaetos  leucogasler)  kreisen 
sah.  Nach  einigem  Suchen  fand  ich  auch  auf  einem  großen  Baume 
seinen  Horst,  welchem  das  Adlerweibchen,  das  anscheinend  Junge  hatte, 
zusirich.  Ich  sandte  zwei  Schüsse  empor,  welche  das  Thier  trafen, 
aber  leider  nicht  tödtlich  verletzten,  so  dass  es  abstrich,  um  jedoch 
nach  Wenigen  Minuten,  allerdings  höher  ziehend,  zurückzukehren.  Da 
ein  zweiter  Schuss  erfolglos  blieb,  so  beschloss  ich,  ungefähr  eine 
Stunde  später  neuerlich  nachzusehen. 

Es  gelang  mir  unmittclhar  darauf,  noch  zwei  ebenfalls  mit  weiß- 
hauchigen Seeadlern  besetzte  Horste  zu  entdecken,  deren  Besitzer  aber 
scheuer  waren  als  das  Adlerweibchen  des  ersten  Horstes;  denn  obwohl 
ich  das  Boot  weggeschickt  hatte  und  lange  Zeit  auf  einem  aus  dem 
Vasser  emporragenden  Baumstrunke  wartete,  kamen  die  Adler  nicht, 
indem  hackten,  ohne  sich  zu  rühren,  weit  davon  auf, 

Zwei  große  Affen,  die  hier  in  tollen  Sprüngen  von  Baum  zu  Baum 
schoss  ich  mit  der  Kugel,  ohne  dieselben  heimbringen  zu 
älnnen,  da  der  eine  im  Geäste  hängen  blieb,  der  andere  aber,  ins 
isser  fallend,  sofort  untergieng, 

^1 


Eine  Stunde  war  verstrichen,  ich  kehrte  zum  ersten  Horste  zurüi 
Lind   erbeuCiite   mit   einem  weiten  Schusse   den   schönen,   alten  Adlfli 
Doch   nicht  genug.    Der  heilige  Hubertus   war   mir  an   diesem   Tj 
besonders  gnädig!    Wir  hatten  kaum   mehrere  hundert  Schritte 
gerudert,  als  ich  einen  capitalen,  wilden  BüfTelstier  (Bos  bubalus)  enl 
deckte,   der  sich   am   Rande    des   Teiches   sonnte.     Die    Distanz   wi 
bedeutend;    wir    näherten    uns    daher    mit    leisen    Ruderschlägen 
schräger  Richtung.    Als  der  Büffel  uns  endlich  erblickt  hatte,  wandl 
er  sicti  keineswegs  zur  Flucht,  sondern  trat  im  Gegentheile  noch  eini 
Schritte   vor  und   äugte   un.s   herausfordernd,    zornig   an.     In    diesei 
Momente  bot  der  mächtige  Stier  ein  prächtiges  Bild:   bald  hob,  bald! 
senkte  er  das   kräftige,   mit   langen   Hörnern   bewehrte   Haupt;    daniU 
wieder   wühlte   und    stampfte    er,   Wasser   und    Schlamm   meterhoi 
emporschleudernd,    in    dem    Morast    umher;    glühend    funkelten    di< 
Lichter   und   bebend  schlugen   die  Klanken  des  Stieres;   unaufhörlicl 
peitschte  er  den  zottigen  Leib  mit  dem  Schweif.  Unsere  Anwesenheil 
schien   das  Thier   sehr  zu  erbosen,  denn   immer  heftiger  bearbeitet<t< 
es,  aus  blutunterlaufenen  Nüstern  schnaubend,  das  Erdreich. 

Obwohl  mir  Pirie  versicherte,  dass  mein  kleiner  4r)0er  Rifle  wei 
Wirkung  haben  werde,  versuchte  ich  doch,  auf  die  Güte  meines  Lieb^ 
lingsgewchres  vertrauend,  einen  Schuss  auf  hundert  Gänge  hoch  Blatt 
der  Büffel  zeichnete  und  riss  aus.  Während  er  (lüchtete,  schuss  ich  zum 
zweitenmale.  Nach  ungefähr  50  Schritten  blieb  er  stehen  und  äugte 
zornig  zurück,  welchen  Moment  ich  benützte,  um  ihm  noch  eine  Kugel 
nachzusenden,  worauf  er  mit  einem  guten  Zeichen  im  dichten  Dschungel 
verschwand. 

Wir   schifften    uns   nun    aus  und   fanden    wenige   Schritte 
Anschüsse  reichlichen  Schweiß;  doch  konnten  wir  die  Nachsuche  leidl 
nicht  fortsetzen,  da  es  schon  stark  dunkelte. 

Als  wir  im  Bungalow  anlangten,  war  die  Nacht  bereits  angebrochi 
und  nun  sprachen  wir  dem  redlich  verdienten  Diner,  das  in  heiterst) 
Laune  aller  Theilnehmer  verlief,  wacker  zu.  Nach  demselben  genossen 
wir  das  Schauspiel  eines  jener  merkwürdigen  Teufelstänze,  welche  die 
abergläubischen  Singhalesen  zur  Vertreibung  der  bösen  Geister  zu 
veranstalten  pflegen.  Daneben  sind  übrigens  auch  symbolische  Tänze 
üblich,  wobei  der  Kampf  mit  einem  der  bösen  Geister  dargestellt  wird. 
In  den  verschiedenartigsten  Costümen,  mit  silbernem  und  aus  Muscheln 
hergestelltem  Schmucke  behängt,  führten  ungefähr  zwanzig  Mannet^ 
untereinander  abwechselnd,  allerlei  groteske  und  wilde  Tänze  vor,  dii 


Igel 


bald  an  einen  Csardas  erinnerten,  bald  aber  nur  in  conviilsivischen, 
clownartigen  Sprüngen  und  Leibesverrenkungen  bestanden,  wobei  die 
Tänzer  sangen  oder  heisere  Laute  ausstießen.  Längliche,  fassähnliche 
Trommeln,  von  den  Tänzern  selbst  und  von  nebenstehenden  Personen 
im  Takte  geschlagen,  vervollständigten  die  musikalische  Begleitung  des 
seltsamen  Ballets.  Die  Ältesten  und  Häuptlinge  der  Umgegend  waren 
in  reicher  Gewandung  erschienen  und  wohnten,  neben  uns  sitzend, 
dem  Schauspiele  bei.  Eine  Stunde  später  wurden  noch  einige  Feuer- 
werkskörper abgebrannt;  dann  war  das  interessante,  wilde  Fest 
zu  Ende. 

In  vorgerückter  Stunde,  mitten  in  einer  Wildnis,  die,  lerne  von 
jeder  civilisierten  Niederlassung,  nur  von  Singhalesen  bewohnt  ist  und 
Klephanten.  Büffel,  Krokodile  beherbergt,  wurde  ich  in  überraschender 
Weise  an  civilisatorische  Einrichtungen  gemahnt.  Zwei  Reporter,  die 
hieher  geeilt  waren,  utn  mich  zu  interviewen!  Ein  Interview  im  Bunga- 
low, zu  nachtschlafender  Zeit,  nach  mehreren  ermüdenden  Jagdtagen, 
schien  mir  etwas  viel  verlangt,  und  so  mussten  die  berufstreuen  Opfer 

(er  Publicistik  unverrichleter   Dinge   abziehen,   um   meilenweit   ihrem 
'achtlager  zuzuwandern. 
mnd; 


Kalawe 


-  Kandy,  12.  Jännci 


Der  Tag  des  Aufbruches  von  Kalawewa  und  der  Rückkehr  nach 
mdy  war  gekommen.  Morgens  6  Uhr  saUen  wir  im  Sattel,  um 
einen  anderen  Weg  als  jenen,  den  wir  bereits  kannten,  nach  Dambul 
einzuschlagen.  Mein  Ross  war  ein  australischer  Fuchs  aus  dem  Stalle 
des  Gouverneurs.  Der  Gaul  .schien  wenig  zu  versprechen,  bewies  aber 
im  Laufe  des  Rittes  vorzügliche  Eigenschaften,  namentlich  bewunderns- 
werte Ausdauer. 

Zu  .Anfang  gieng's  durch  bekannte  Gegenden,  dann  abier  durch 
schönes  Dschungelland,  über  Felspaitien  hinüber,  an  vielen  Teichen 
und  Mooren  vorbei,  durch  zahlreiche  ausgetrocknete  Flussbetle,  an 
deren  Rand  gewaltige  Bäume  Schatten  spendeten. 

Bei  dem  Rasthause  von  Naiande.  unweit  eines  kleinen,  malerisch 
gelegenen  Buddha-Tempels,  rasteten  wir.  Wieder  zu  Pferde,  erklärte 
Pirie,  wir  kämen  zu  langsam  vorwärts  und  legte  ein  Trabtempo  vor, 
das  ru.^ischen  Trabern  von  Profession  alle  Ehre  gemacht  hätte.  Genügte 
dies  nicht,  so  galoppierten  wir,  und  zwar  in  scharfem  Jagdtempo,  ohne 
Rücksicht  auf  den  vielfach  gekrümmten  Weg,  die  zahlreichen  Steine 
und  Wurzeln,  bald  über  Reisfelder,  bald  durch  das  dichteste  Dschungel 


sausend.  Ein  toller  Ritt!  Vorauf  Pirie  auf  einem  dicken  Schwarzbraun;- 
dann  ich  auf  dem  steifen,  verstellten  Fuchs,  der  wie  ein  Drache  gieng;  1 
Kinsky  und  Clam  auf  zwei  hohen,  australischen  Wagenpferden;  Wurm- 
brand auf  einem  kleinen  Polo  Pony;  Prünay  ebenfalls  auf  einem  sieb- ' 
zehnfäustigen  Wagengaul  und  zum  Schluss  ein  kohlrabenschwarzer! 
Gendarmerie-Wachtmeister  auf  einem  uralten,  schneeweißen  Schimmel,  f 
Die  Thiere  hielten  bei  der  großen  Hitze  und  der  tollen  -Juckerei«  ganz*! 
unglaublich  gut  aus.  Bald  waren  26  km  zurückgelegt.  Von  SchweiS'*! 
triefend,  langten  Ross  und  Reiter  in  Dambul  an,  wo  wir  noch  lange! 
auf  die  Ankunft  der  Jäger,  der  Bagage  und  der  Wagen  zu  warteitl 
hatten. 

Doch  diese  Pause  war  eine  willkommene!    Harrten  doch  unser 
in  Dambul   freundliche  Boten   aus   der   Heimat,    Bringer   guter  Nach-) 
richten  —  die  ersten  Briefe  und  Zeitungen  aus  Wien.   Am  18.  Dccemberil 
dort  zur  Post  gegeben,  hatten  die  Poststücke  den  Weg  von  der  Kaiser-*« 
Stadt  am  Donaustrande  bis  in  das  Dschungel  von  Dambul  in  25  Tagen! 
zurückgelegt. 

Nach  kurzer  Rast  setzten  wir  die  Reise  zu  Wagen  fort,  unter-J 
brachen   diese  jedoch,  um   zwischen  Nalande    und  Malaie   die    groQi 
Factorei  Kawadapella  zu  besichtigen,  welche,  einer  Actiengesellschaft 
gehörend  und  von  Engländern  verwaltet,  auf  den  ausgedehnten  Plan- 
lagen Thee,  Kaffee  und  Cacao  produciert. 

Gegenwärtig  ist  ungefähr  ein  Fünftel  der  Oberlläche  Ceylons 
dem  Baue  von  Nutzpflanzen  gewidmet.  Diese  sind  theils  einheimisch& 
Gewächse,  wie  Baumwolle,  Indigo,  Zuckenohr,  Bambus,  Früchte  un^ 
Gewürze  aller  Art,  theils  fremdländische,  welche  ihre  Cultur  auf  dem  s 
fruchtbaren  Boden  der  Insel  der  colonisatorischen  Thätigkeit  der  Eng 
länder  verdanken,  Die  Einführung,  Anpassung  und  Cultivierung  neuef] 
ertragreicher  und  lohnender  MercantilpHanzen  bietet  in  allen  colonialenj 
j«  in  allen  Cullurterritnrien  überhaupt  einen  Haupthebel  der  fortschritt?3 
liehen  Production. 

Gleichwie  unser  einst  nur  mit  indigenen  Gewächsen  bedecktes  " 
Kuropn  durch  die  Einwanderung  insbesondere  asiatischer  Culiurptlanzen 
jetzt  ein  Vegetationsbild  bietet,  das  vielfach  fremdländische,  mit  dem 
europiUschen  Hcimalsrcchtc  begabte  Elemente  einschließt,  so  haben 
auch  auf  Ceylon  kaufmännischer  Speculalionsgeist  und  agricole  Erfah- 
rung neu  eingeführten,  äuüerst  wertvollen  Culturpllanzen  wiederholt 
die  ersten  f'lälzti  im  liiiKiwlrlschartlichen  Betriebe  der  Insel 
wiesen. 

70 


Unter  der  niederländischen  Herrschaft  (1C56  bis  1802)  hat  hier 
der  von  altersher  berühmte  ceyliinische  Zimmt  (Cinnamomum  ceyla- 
nicum)  die  besondere  Fürsorge  der  Pflanzer  gefunden  und  unter  den 
Erzeugnissen  der  Insel  die  Hauptrolle  gespielt.  Als  jedoch  im  18.  und 
insbesondere  im  19,  Jahrhundert  bei  den  civilisierten  Nationen  Kaffee 
als  Getränk  in  Aufnahme  kam,  lenkte  sieh  der  commercielle  Blick  der 
Pflanzer  auf  den  Anbau  der  bis  ans  Ende  des  17,  Jahrhunderts  aus- 
schließlich  in  Arabien  cultivierten  Kaffeestaude.  Ihre  Bedeutung  wuchs 
unter  dem  Regime  der  Engländer  so  sehr,  dass  um  die  Mitte  unseres 
Jahrhunderts  die  Kaffeeplantagen  die  vornehmste  Quelle  des  Reich- 
thums  von  Ceylon  darstellten.  Diese  Periode  fand  ein  jähes  Ende,  als 
die  zuerst  1869  beobachtete  BSattkrankheit  oder  Kaffeepest  (Hemileia 
vastatrix)  —  ein  Pilz  —  die  mit  Kaffee  bestellten  Felder  befiel  und  sie 
so  intensiv  beschädigte,  dass  allein  im  Decennium  1878  bis  1889  die 
^^^affeeplan tagen  um  vier  Fünftel  ihres  Areales  reduciert  wurden,  vvie- 
^■KOhl  sie  1891  immerhin  noch  etwa  27.000  ha  bedeckten, 
^^p  Angesichts  der  durch  die  Kaffeepest  bewirkten  Verheerungen 
^^vandlen  sich  die  Plantagenbesitzer,  von  englischen  Capitalisten  wirk- 
sam unterstützt,  vom  Jahre  1873  ab  der  Cultur  der  Theestaude  zu. 
Der  mit  der  Theecullur  verbundene  Aufwand  an  Arbeit  und  Ko.sten 
übersteigt  jedoch  die  Ansprüche,  welche  die  Kaffeecultur  an  die  Bear- 
beitung und  an  den  Gesammtbetrieb  stellt,  wozu  noch  kommt,  dass  die 
Differenz  im  Preise  des  fertigen  Productes  zu  Ungunsten  des  Theebaues 
in  die  Wagschale  füllt.  Dessenungeachtet  hat  die  Theecultur  in  Ceylon 
festen  Fuß  gefasst;  ja  sie  überllügelte  1891  mit  ihren  rund  95.000  Aa 
umfassenden  Plantagen  weitaus  die  dem  Kaffeebaue  gewidmete  Fläche. 
Die  intensiv  grünen  Blätter  der  niedrigen  Theestaude  werden 
gesammelt,  auf  mit  Leinwand  überzogenen  Stellagen  zum  Trocknen 
ausgelegt,  sodann  in  einer  Maschine  gerollt  und  in  einer  Dörre  solange 
ijeröslet.  bis  sie  die  bekannte  dunkle  Farbe  erhalten.  Den  Schluss  der 
Procedur  bildet  die  durch  eine  Maschine  erfolgende  Sortierung  der 
Blätter  in  drei  der  Güte  nach  verschiedene  Kategorien,  worauf  das 
Product  zur  Vei-packung  bereit  ist.  Der  ganze  Vorgang  von  der  Pflücke 
bis  zur  Verpackung  erfordert  die  Zeitdauer  von  48  Stunden.  Wie  man 
iagte,  werden  in  Kawadapella  aus  je  1600  f^  Blättern  400  ji.;if  Thee 
Wonnen. 

Seit  den  Sechziger-Jahren  hat  sich  auch  der  .Anbau  der  aus  den 

\lilleren   stammenden   Cinchona,   deren  Rinde  zur  Herstellung  des 

iftinins  dient,  in  Ceylon  verbreitet,  so  dass  1891  hier  etwa  16.000  7m 


mit  Chinarindenbäuinen  bepflanzt  waren.  Ferner  ist  hier  in  dem  gleichen 
Jahre  der  Cultur  der  Holz,  Faser,  Nüsse  und  Ol  liefernden  Cocospalme 
(Cocos  nuciferai  eine  Fläche  von  rund  263. (M)  ha  gewidmet  gewesen, 
[Jie  Cultur  von  Keis  und  von  anderen  Körnerfrüchten  erstreckte  sich  aul 
eine  Fläche  von  über  267.00'3  ha.  Eine  bedeutende  ,Ausdehnung  haben 
auch  die  berühmten  Fruchtgärten  Ceylons  erlangL 

Nachdem  uns  in  der  Faaorei  köstlicher  Thee,  wie  ich  ihn  noch 
nie  getrunken,  credenzt  worden  war.  brachen  «nr  auf  Noch  16  km 
Weges  und  wir  waren  in  Malaie.  Hier  erreichte  mich  ein  Telegramm 
des  in  Kalawewa  zurückgebliebenen  Mr.  Jevers,  welches  die  Nachricht 
enthielt,  dass  nachsuchende  Schikäris  den  von  mir  angeschweißten 
Büffel  etwa  tausend  Schritte  vom  Anschussorte  entfernt  verendet 
gefunden  hatten. 

Von  Malaie  brachte  uns  ein  Extrazug  nach  Kandy. 

Ein  echter  schottischer  Dudelsackpfeifer  riet  uns  vor  8  Uhr  zum 
Diner  im  Pavillon.  Der  Tafel  wohnte  nebst  dem  Gouverneur  und  seiner 
Familie  noch  General  Massy  mit  seiner  reizenden,  der  deutschen 
Sprache  mächtigen  Tochter  bei.  Nach  Tische  führten  die  beiden 
jungen  Damen  Miss  Havelock  und  Miss  Massy,  sowie  die  Adjutanten 
des  Gouverneurs,  zwei  schottische  Highlander-Officiere,  in  ihren  kleid- 
samen Costümen  unter  den  Klängen  des  Dudelsacks  einen  graziösen 
hochschottischen  Nationaltanz  auf. 

Kandy  —  Colombo,   13.  Jänner. 

Cm  VaS  Uhr  morgens  las  mir  der  päpstliche  Delegat  für  Indien. 
Monsignore  Zaieski.  welcher  den  gröBlen  Theil  des  Jahres  in  Kandy 


Bebirge  des  Hinlergrundes  gewährt.   Koch  schimmerte  alles  im  bläu- 
lichen Hauche  des  Morgens:    die  Häuser  der  Stadt  zu  meinen  FüLJen, 
ÄS  Thal  von  Kandy,  die  fernen  Höhenzüge. 

Nachdem  ich  in  Kandy,  nach  Nachrichten  aus  der  Heimat  lüstern, 

die  Reuter -Depeschen  durchgesehen  hatte,  nahm   ich  im  Pavillon  des 

ouverneurs  von  Sir  Arthur  und  Lady  Havelocii  herzlichen  Abschied. 

Um  die  Erinnerung  an   die  Stunden  des  Beisammenseins  mit  diesem 

Blieben swürd igen  Paare  auch  durch  ein  sichtbares  Zeichen  festzuhalten, 

fließen  wir  uns  im  Vereine  mit  den  Genannten  in  einer  Gruppe  photu- 

jraphisch  aurnehmen. 

Uie   Rückfahrt    nach  Colombo  war  prachtvoll;    einen  Theil    der 
Fahrt  machte  ich,  um  vollkommen  freien  AuibÜck  zu  genießen,  auf  der 
«comotive  und  konnte  mich  an  den  landschaftlichen  Reizen  der  ganzen 
Strecke  nicht  satt  sehen. 

Der  Nachmittag  in  Colombo  war  Einkäufen  gewidmet,  Das  Diner 
nahmen  wir,  einer  Einladung  unseres  Consulargerenten  Schnell  folgend, 
in  dessen  außerhalb  der  Stadt  gelegenem  Landhause.  Herr  und  Frau 
Schnell,  letztere  eine  junge,  hübsche  Dame,  die  in  patriotisch  schwarz- 
gelber  Toilette  erschienen  war,  machten  in  angenehmster  Weise  die 
Honneurs  und  erfreuten  uns  nach  dem  Diner  mit  der  Vorführung  eines 
Teufelstanzes,  der  sich  aber  von  jenem,  den  wir  in  Kalawewa  gesehen, 
wesentlich  unterschied.  Er  war,  möchte  ich  sagen,  civilisierter,  weniger 
grotesk  und  zeichnete  sich  hauptsächlich  dadurch  aus.  dass  die  Tänzer 
auf  dem  Kopfe  große,  fratzenartige  Holzmasken  trugen,  aus  denen  sie 
sehr  geschickt  Keuer  spieen  und  bliesen.  Musik  und  Gesang  waren 
1  gleicher  Art  wie  bei  dem  Tanze  der  Dschungel-Bewohner  in  Kalawewa. 
Vir  saßen  unter  Palmen  in  einem  Gartenkiosk,  während  die  Tänzer  sich 
^uf  freiem  Rasen  bewegten. 

Auf  den  Teufelstanz  folgte  die  Production  eines  Taschenspielers. 
■  verschiedene  Kunststücke  zum  besten  gab.  Interessant  war  die 
in  der  er  das  Wachsthum  eines  Mangobaumes  vorführte.  Der 
tauberer  breitete  ein  Tuch  zu  Boden,  hob  es  nach  einigem  Hocus- 
►cus  auf  und  siehe,  etwa  zollhoch  schien  die  kleine  grüne  Pflanze 
Bjporgewachsen.  Immer  wieder  verhüllte  der  Künstler  die  Pflanze  mit 
1  Zaubertuche  und  so  oft  er  es  lüftete,  war  sie  wieder  höher  empor- 
tschossen.  Sie  wurde  immer  gröüer  und  üppiger,  ein  Strauch  mit 
ingen.  schönen  Blättern,  ein  sprießendes  Bäumlein,  ein  blühender  Baum, 
nä  endlich  stand  in  voller  Pracht  ein  mit  reifen  Früchten  bedeckter, 
K>her  Mangobaum  vor  uns  auf  dem  Rasen,  .^uch  als  Schlangenbändiger 


zeigte  sich  der  Künstler.  Aus  zwei  Körtjen  schössen  unter  den  Tönen 
einer  Schalmei  zwei  Cobraschlangen  hervor.  Sie  bäumten  sich,  bliesen 
den  mit  der  deutlich  wahrnehmbaren  Brille  geschmückten  Kopf  (acher- 
formig  auf  und  wandten  sich  zischend  und  fauchend  gegen  ihren  Bän- 
diger, was  ziemlich  gefährlich  aussah,  aber,  da  die  Schlangen  ihrer 
Giftzähne  beraubt  waren,  thatsächlich  ganz  gefahrlos  war.  Trotzdem 
erhob  Frau  Schnell  ein  kleines  Geschrei,  als  sich  eine  der  Bestien  gegen 
uns  kehrte  und  sich  uns  zu  Füöen  zischend  auf  dem  Rasen  wand. 

Mit  diesem  Gartenfeste  war  unser  Aufenthalt  in  Ceylon  zu  Ende. 
Wir  nahmen  von  unseren  so  zuvorkommenden  Gastfreunden  Abschied 
und  kehrten  in  später  Stunde  an  Bord  der  •Elisabeth-  zurück. 


Bombay 


; 


14,  Jänner. 

Die  vierte  Morgenstunde  hieß  uns  die  Anker  im  Hafen  von 
Colombo  lichten  und  das  iniische  Paradies  verlassen.  Die  Tage  auf 
Ceylon,  seine  herrliche  Tropcnwelt,  die  Gastfreundschaft  und  die 
Genüsse,  die  uns  das  schöne  Eiland  geboten,  leben  in  unserer  Erin- 
nerung fort. 

Nicht  der  Engel  in  strahlender  Rüstung  und  mit  üammendem 
Schwerte,  der  Adam  aus  dem  Paradiese  gewiesen,  sondern  die  prosaische 
Rgut  der  unerbittlichen  Marschroute  hielJ  uns  von  dannen  ziehen.  So 
verließen  wir  denn,  gleich  unserem  Stammvater,  betrübt  das  Paradies. 
■Allerdings  in  etwas  vollständigerer  .Ausrüstung  als  jener;  auch  nicht 
um  den  Acker,  sondern  vielmehr  um  den  Ocean  zu  durchfurchen  im 
Schweiße  des  Angesichtes,  Und  dieses  Pflügen  war  in  derThat  nicht  so 
einfach:  denn  im  tJulfe  von  Manar  fanden  wir  die  See  ziemlich  bewegt. 
Nachmittags  kam  das  Cap  Comorin  in  Sicht,  welches  südwestlich  von  der 
sogenannten  Adamsbrücke  liegt,  einer  Reihe  von  Sandbänken,  die  Indien 
niU  Ceylon  verbinden  und  gegen  Norden  zu,  auf  Felsenriffen  ruhend,  den 
Golf  von  Manar  abschließen.  Der  Sage  nach  soll  Gott  Räma,  als  er  Ceylon 
erobern  wollte,  um  die  von  Räwana  nach  Lanka  (Ceylon)  entführte 
Sijä  wieder  zu  gewinnen,  den  Meergotl  gezwungen  haben,  zwischen 


L»?r  >!etrr^--..n  ihürn;-^  rur  5iir:n  £,uf  Sie:-  £rr:r';'r,  t^s  ier  Indien  un- 
Ce>-Jor.  vert'iridenäe  I>ar;:r  tms-iETjät::  -a-et.  -Ibcr  der;  Rim&  niii  seirer 
Anr:tt  vcr.  Men»ir^er.  iLr^d  A^s:z  hirw£z::i£j?.inen£. 

V.'em  <>:ct  Nertii--  üt  bekannie  nifirnirns  S^eiicr  niÄ:  auferlegte, 
ier  brhrieb  ä:;  üesez:  \"j---— --> r  £=  ««rr^irr:  TtceiTuibe.  das  währer.J 
der  liriztsn  Tage  arg  vgr-.£~-'fca,~-r:  w.>rier.  wir,  c-jer  haue  mi:  Sichten 
j-d  Packer:  ier  auf  Ceji'ir,  er»-c^r'er)er  Srhii2e  voIIaiJ  ru  Ü^un. 

Oegen  Abend  lulhe  der  Wind  e:.\ £~  eiri,  s:-  dfiis  »ir  i:r.ser  Diner 
IT]  Huhe  Ei:f  dem  Achterdeci;  eir.rchmen  k'^men. 


rach  Bt-Ecbav,  15.  Jänner. 


Die  S=e  isi  garj-  n:h:g-  E:r.e  fri>;h;  En^e  facheii  Kühlung.  Der 
Tag  i~:  herrlich.  Um  lOUhrrar.d  c=r  f-i-r.riägiche  Gottesdienst  statt. 
Ijen  par.zeii  Tag  ü^e^  wurde-  Briefe  verfaj.5i;  denr.  in  Bombay  sollte 
die  Poi^i  abgelassen  werde-.  Oeiren  >!:n£i:  kisi  die  indische  Küste, 
uelcher  wir  auf  zehn  Meüe-  E-tfeTT.iir.^  cr.^lir.g  fuhren,  in  Sicht.  Das 
I-and  i>:  nur  in  bläulichen  Umrissen  erker.r.bar.  Abends  waren  an  der 
Küiie  zahlreiche  Feuer  sichtbar,  ierer.  Bedei;r^ng  wir  uns  nicht  erklären 


Heute  hatten  wir  die  indische  Kü>: 
Gegen  Mitlag  passierten  wir  Q\-&.  die  pc-:tug: 
■.':'T:ci=r  beobachtete  einice    auf  dezr.  Meeri 


ach  Bon^bay.  16.  Janner. 

nahe  unausgesetzt  in  Sicht. 
sische  Colonie.  Der  Wach- 
schwimmende Schlangen. 


mtouren,  immer  deutlicher  ließ  die  tropische  Beleuchtung  das  Bild 
hervortrelcn.  Bald  genossen  wir  den  Anblick  der  weit  ausgedehnten 
Sladl  mit  ihren  großen,  öffentlichen  Gebäuden,  ihren  vielen  Thürmen 
und  Fabriksschloten,  ihrem  imposanten  Hafen,  in  dem  sich  unzählige 
der  größten  Passagier-  und  Warendampfer,  einheimische  Küstenfahrer 
und  Yachten  befanden. 

Bombay  ist  der  Hauptort  der  gleichnamigen  Präsidentschaft.  Diese 
und  die  Präsidentschaften  Bengalen  und  Madras,  die  Nordwesiprovinzen. 
Audh  (Oudh),  das  Pendschäb,  die  Centralprovinzen  in  Dekhan,  dann 
die  Provinzen  .Assam  und  Birma  bilden  die  unmittelbaren  Besitzungen 
Englands.  Die  mittelbaren  Besitzungen  sind  die  Vasallen-,  Iributären 
lind  zinsfreien  Schutzstaaten  und  die  Subsidien-Schiitzstaaten.  Zu 
den  Schutzstaaten  gehören  die  Rajputana  Agency,  die  Central  India 
Agency.  die  trihutpllichtigen  einheimischen  Staaten  Baroda,  Haidarabad, 
Maisur,  Kaschmir,  Sikkim  u.  s.  \v. 

Die  vielumfassende  Regierung  des  indobritischen  Reiches  (mit 
Ausnahme  Ceylons  und  der  Straits  Settlements  an  der  Malakkastraße) 
führt  der  Generalgouverneur  (Vicekönig).  Madras  mit  den  Lakediven 
und  Bombay  fmit  Sindh,  Aden.  Perim)  stehen  unter  besonderen  Gouver- 
neuren; Bengalen,  die  Nordwesiprovinzen  und  Audh,  das  Pendschäb 
unter  Lieutenant-Gouverneuren;  Assam,  die  Centralprovinzen  und  Birma 
unter  Chief- Commissioners.  Britisch-Indien  umfasst  eine  Fläche  von 
4,032.141  *»i'  und  nach  der  Zählung  des  Jahres  1891  287,223.431 
Einwohner. 

Bombay  ist  im  Jahre  1661  als  Mitgift  der  Infantin  Katharina  von 
Portugal  an  König  Karl  II.  von  England  abgetreten  worden  und  steht 
seit  jener  Zeit  unter  englischer  Herrschaft.  Der  Name  Bombay  wird  auf 
das  portugiesische  böa  bahia  —  guter  Hafen  —  zurückgeführt;  nach 
idercn  ist  er  von  Mumbai,  der  Gemahlin  Schivvas,  abzuleiten. 

nun  eine  der  schützenden  Gottheiten  Indiens  oder  der 
itime  Scharfblick  der  Portugiesen  diesem  bedeutendsten  der  ost- 
indischen Häfen  seinen  Namen  verliehen  haben:  gewiss  ist,  dass  der 
Sechandel  und  der  Schiffsverkehr  Bombays  gewallige  Dimensionen 
angenommen  haben.  ImJahre  1892  sind  hier  757  Dampfer  mit  1,32,3.039/. 
410  Segler  mit  54.685  /  und  48.602  Küstenfahrzeuge  mit  1,393.676  t' 
ein-  und  ausgelaufen.  Der  Wert  der  Gesammfei nfuhr  Bombays  hat  im 
xe  1892  367,323.303  Rupien  =  277,329.094  fl.  ö.  \V.,  jener  der 
immtausfuhr  433,068.463  Rupien  =  326,966.690  (1.  ö.  W.  betragen. 
Wort  Rupie  kommt  vom  sanskritischen  rüpya,  welches  -schön-  und 


HWide 


K--4.i.-zk  st'.'-irr.iir.  k-Tiirr-  scr-iT-  W'tJrrrjziz  =r:^~:±i  eins  S-."r«err^r:f 
i  '.':  .'--.i.~    fjz  ia«.  Jfcnr  :??2  zt^  Wsms  t-:c  Tö-ö  Krttzs—  O.W. 

Sitr^r:  zÄ.r.;ir-,i.  ::tjr.  ;~  Sii=r:  dir  rlerrhr-a^^ic?::  '.v-;  hw  Urzer. 
_'i  r:-  z_  '. -i  tJK  'rri:;;irr.  ir.>=:l    lr.±r^  i-*'ct :—  N-ic^ieri  ar.  Jiä  dur;^ 

Ailche  ä:e  v.r.  B-.-T;bfiy  a:,~rtr.ir-ie  E;f-£r,':"ehr  tj^~  derr  Fe«:Iarde 
f-hn.  1—  Süier.  **r-iet  ±£  lr,s^'.  zwe:  Lirir-i-zer:  atj-.  welche  eire 
:r--.i*  B-;h:.  die  Ba^k  Eay.  :t:  Ha:rkre:i.ä  -^—fas^er:  die  kürzere. 
weltliche  d:e*-tr  Lar.dziir.ger:  :?:  Malärar  Hill,  die  larg  aiisjTeifende, 
■"■-;i:;he,  f_V'iaI"a  pera-r.:.  Mala^ar  Hü'-  dtrHis^L  welcher  der  westlichen 
Li-dz'jrce  ihrer.  Xarr.en  vtrlicher.  ha:.  :~:  da~  Süde::de  der  westlichen 
der  reidirr.  haia!::!.crer.  Felser.keiter-  welche  die  I->e3  ar.  ihren  Längs- 
seiten, rarallcl  z'j  der  Kii5:e  durch  j-:r=:cl~er..  t.\lara.  die  östliche  Land- 
Zür.pe.  ;>:  durchwegs  flach  i;rd  irr.  Süder.  vcn  Ri^er.  begrenzi.  welche 
Leuchühürme  i ragen. 

D;L-se  beiden  Lar.dzurgcr.  r.ur.  -.ird  das  Terrain,  welches  sich  im 
Norden  derselben  bis  zu  der  Ebene  -:he  :1a:s-  v.-i  über  die  X'orstädte 
Byculla  und  Mazagon  hinaus  erstreckt,  sir.d  der  B-J-den.  auf  dem  sich 
B'-n^bay  erhebt. 

Malabar  Hill  enthält  an  der  Si;dwcs:>r::ze  das  Gr-vemment  House. 
dann  den  Tempel  W'alkeschwar  und  die  den  highsten  Punkt  der 
i:anzen  Insel  krönenden  -ThLrme  des  Schweigens-.  Es  bildet  den 
Wonn-.Tt  vieler  wohlhabender  europäischer,  s-j-wie  der  reichen  ein- 
L'cburenen  Bewohner  von  Bor.ibay,  die  sich  hier  zwischen  Gärten  und 
on  der  .Mccrcsbrisg  gekühlter  Luft  reizend 


Den  Hauplsclimuck  Bomliays  aber  und  den  Stolz  seiner  britischen 
Einwohner  bildet  die  grandiose  Keihe  der  öffentlichen  Gebäude,  westlich 
von  der  europäischen  Stadt  im  Angesicht  der  Back  Bay.  Unter  diesen 
ragen  besonders  hervor:  das  Government  (Presidential)  Secretarial; 
die  Universily  Hall  und  der  große  Giockenthurm  der  University  Library; 
das  kolossale  Gebäude  der  Courts  of  Justice;  das  Amt  für  öffentliche 
Arbeiten  (Public  Work's  Secretariat) ;  das  Post-  und  das  Telegraphen- 
amt; das  KIphinstone  College.  Das  Seemannsasyl  (Royal  Alfred  Sailor's 
Home)  liegt  mit  dem  Bücke  auf  den  Hafen  im  Osten  Bombays,  in  der 
Nähe  des  Wellington  Pier  (Apollo  Bandar).  Von  hier  aus  erheben  sich 
an  der  Ostküste  in  nördlicher  Reihenfolge:  der  Yacht  Club,  die  Govern- 
ment Docks,  das  Zollamt  [Custom  House),  das  Arsenal,  das  Castle,  die 
Münze,  die  Victoria  und  die  Prince's  Docks,  der  Dockyard  der  P.  &  0. 
Company. 

Wo  sich  die  relativ  schmale  Landzunge  Colaba  gegen  Norden 
erweitert,  jenseits  von  dem  Esplanade-Viertel  und  von  Victoria  Station. 
breitet  sich  in  der  Form  eines  Trapezes,  dessen  kürzere  Basis  der  euro- 
päischen Stadt  zugewendet  ist,  die  Eingeborenenstadl  (Native  oder  Black 
Town)  aus.  Diese,  etwa  iökm  nördlich  vom  -Fort«  entfernt,  erscheint 
völlig  als  Stadt  für  sich.  Black  Town,  auch  Crawford  Market  und 
Pindschrapol  (das  Thierspital)  umschließend,  bildet  mit  seinem  eigen- 
artigen Leben  und  Treiben,  seiner  Buntheit  und  L'nsauberkeit  einen 
frappanten  Contrast  zu  der  europäischen  Stadt  mit  ihrem  internatio- 
nalen Geschäftsleben,  ihren  Banken,  Clubs,  Kaufhäusern,  Palästen  und 
Squares  britischen  Gepräges.  Hier  in  der  Europäerstadt,  wie  dort  im 
Kingeborenen-\'iertel,  dessen  enge  Wohngebäude  in  den  volkreichsten 
Quartieren  den  Bewohnern  oft  ein  uns  unfassbar  dünkendes  Existenz- 
minimum gewähren  —  auf  10  km'  sind  hier  weit  mehr  als  400.000 
Menschen  zusammengedrängt  —  wogt  und  brandet  in  Straßen  und 
Gflsschen  reges  Leben.  In  den  Bazars,  den  Kramläden,  den  Werkstätten 
ertönen  allerlei  Laute,  Geschrei,  Geknarre,  Gehämmer,  Kufe  der  Händler 
und  der  Kutscher,  wirkt  und  schatTl,  genielit  und  schwatzt  die  bunte 
Menge. 

Die  zwischen  den  Landzungen  Malabar  Hill  und  Colaba  gele- 
gene Back  Bay  ist  ganz  seicht  und  daher  für  Schiffe  nicht  benutzbar; 
dagegen  ist  der  Hafen  im  Osten  der  Stadt  ziemlich  tief  und  von  großer 
Ausdehnung.  Im  Osten  Bombays  tauchen  mehrere  große  und  zahlreiche 
kleine  Inseln  aus  der  See,  weiterhin  erscheinen  die  bizarren  Formen, 
das  scharfgezacklc  Gebirge  des  Festlandes. 


::er.er.  beirr.  E;-:A.::ir.  der  .E:;=Äb--J:<  die  ^±~i<~'.±  S-^-dÄr.e.  Nachdem 

Pr^r-.Iir.  ar.  Bi-rd  ur.i  bra^-bte  iie  ?:■*-. 

Z-As:  5ehr  fre-^ni'.:cbe  T=>£rä:r.~e  vo:::  V:cek5r.:c  tir.i  Gereral- 
rvuvsrr.eur  is^  In c:=ch=r.  i<=:che5,  L<:-ri  Lar.d*d  >\vne.  und  v->m  Ober- 

Oir.era:  L-srd  Roberts.   bizr:it:tr.   rr.ich   au:"  :-.;:>che:n  B->ien.    Dam 

bes;-;he-d  aus  der.  Herrer  tüe-eral  Pr.:.ther'>e.  Car:air  W.  E.  Fa-rholme 
\ir.i  Mr.  J.  .\.  Craw":>>rd.  v->r  nr.c  brach:e  znl:  das  Pni-crarr.ni  für  den 
Ä-.::  zwei  M-:-r.a:e  berecb.-e:en  .Aufentha!:.  der  r-J:  einer  Reise  in  das 
'jebie:  v>>:i  Haidarabad  ii~  Antazig  r.t'r.zr.tr.  s-r-IUe.  L'm  5  L'hr  kam  der 
'V'Lnerr.eur  \or.  B-'-mbay.  l,'>rd  Harr's,  rr.::  seiner  Suite  an  Bord,  um 
mir  seine  ofticieüe  Visite  abzus:aner.  \i~z  mir  eine  Wohnung  im 
< j- •vcmrr.enl  House  anzubieten.  Lord  Harris,  der  den  Posten  des 
Oouvemeurs  sei:  drei  Jahren  inne  ha:,  wurde  mit  der  britischen 
H>'mne  und  allen  Ehren  empfangen  und  in  meine  Kajüte  geleitet,  \vu 
T-iiih  eine  längere  <  "■'■nversaiion  ennvijkelre. 

Najh  der  Rückkehr  des  Gouverneurs  ans  Land  nahm  ich  von  der 
Elisabeih'  und  dem  SchitTsstabe  auf  zwei  Monate  .\bschied.  schritt 
noch  die  Fnunt  der  Manc>chaf:  ab  und  begab  mich  unter  Geschütz- 
und  Raaensalut  sämmtlicher  v.>r  .\nker  liegenden  Kriegsschiffe  an 
den  l^ndungssteg  \Vellingt'>n  Pier  ■.\p'>I!o  Bandan.  der  mit  Fahnen, 
Tüchern  und  Blumen  auf  das  prachtvollste  geschmückt  war.  Daselbst 
empfieng  mich  der  Gouverneur  mit  den  Spitzen  sämmtlicher  Behörden. 
ipaffliie.  bestehend  aus  kräftigen,  hochgewach- 


Kl 
rt 


genannte  Theil  macht  den  Eindruck  einer  firyßen  eurupaüschen  Sliidl. 
Die  RegieningspebäLide  wechseln  mit  großen  Privathäusern,  Parks, 
Munumenten,  Cricketplätzen  ab;  die  Straßen  sind  sehr  breit  und  mit 
bequemen  Troltoirs  versehen.  Überall  verkehren  Tramways  —  ohne 
Cberfüllung  —  und  europäische  Wagen.  Nur  die  eigenthümliche,  nicht 
immer  sehr  stilvolle  Bauart  der  öffentlichen  Gebäude,  der  -indische 
Stil«,  ein  Mixtum  compositum  aus  allen  möglichen  morgenländischen 
und  auch  europäischen  Bauarten,  sowie  das  äußerst  bunte  Treiben  der 
\'ertreter  verschiedenartiger  Rassen,  Völker  und  Nationen,  gemahnen 
an  den  Orient,  an  Indien. 

Den  größten  Theil  der  Bevölkerung  Bombays  bilden  die  Hindus, 
deren  es  hier  543.276  gibt.  Sie  sind  in  eine  Reihe  von  Kasten  einge- 
theilt,  deren  auf  bedeutende  Kntfernung  hin  sichtbare  Zeichen  in  grellen 
rolhen,  gelben  oder  weißen  Flecken  auf  der  Stirne  getragen  werden. 
Die  Reicheren  kleiden  sich  in  weiße  Gewandung,  die  Armen  tragen 
auch  wohl  nur  ein  Lendentuch,  während  die  Füße  stets  unbeschuht 
bleiben;  den  Kopf  bedeckt  ein  Turban  in  mannigfaltigen  Farben.  Die 
Hindus  machen  nicht  den  Eindruck  kräftiger  Menschen;  sie  sehen 
hoch  aufgeschossen,  mager  und  nichts  weniger  als  muskulös  aus.  Die 
Hindu-Weiber  scheinen  Schmuck  sehr  zu  lieben;  denn  selbst  bei  den 
ärmsten,  die  in  der  ganzen  Stadt  die  Function  von  I.astträge rinnen 
versehen,  erblickt  man  große  Nasen-  und  Ohrringe,  die  mit  kleinen 
Steinen  und  Gold-  oder  Silherflligran  geziert  sind  und  oft  ein  bedeu- 
tendes Gewicht  haben.  Die  Nasenringe  verunstalten,  indem  sie  bis  zum 
Munde  herabhängen,  das  ganze  Gesicht,  was  die  Application  eines 
Kusses  wenig  einladend  machen  und  jedenfalls  erheblich  erschweren 
müsste. 

Eine  vornehmere  Classe  als  die  Hindus  bilden  in  Bombay  die 
Mohammedaner,  155.247  an  der  Zahl,  die  sich  in  ihrem  Costüme 
dadurch  von  den  Hindus  unterscheiden,  dass  sie  stets  Beinkleider 
tragen.  Die  strenggläubigen  Frauen  der  Moslemin  verhüllen  das  Antlitz; 
doch  haben  die  meisten  diese  lästige  Sitte  abgelegt  und  blicken  den 
Kuropäern  ganz  freundlich  ins  Gesicht. 

angesehenste,  vornehmste  und  zugleich  reichste  Element  ist 
Bombay  durch  die  Parsen  vertreten.  Wie  schon  ihr  Name  andeutet, 
hrem  Ursprünge  nach  Perser;  Ja  sie  gelten  sogar  als 
Irbcwohncr  Alt-F'ersiens.  Die  Eroberung  Persiens  durch  die  Araber  im 
Jahre  041  und  die  fanatische  Bekehrung  der  Eingeborenen  mit  Feuer 
und  Schwert  zu   der  Lehre  Mohammeds  trieb  —  während  ein  kleiner 


Theil  der  Pürser  sich  in  der  Provinz  irak  Adscliemi  bis  zum  heuligen 
Tage  erhalten  hat  —  die  Mehrzahl  der  persischen  Jünger  Zoroasters 
zur  Auswanderung  nach  Gudscherat,  einem  nördlich  von  Bombay  sich 
hinziehenden  Küstenstriche. 

Die  Färsen  sind  Verehrer  des  Feuers,  welches  in  der  auf 
dem  Gegensatze  des  Lichtgeistes  (Ormusd)  und  des  Herrschers  der 
Finsternis  (Ahriman),  das  ist  des  sittlich  Guten  und  Bösen  beruhenden 
Lehre  Zoroasters  als  das  wichtigste  Reinigungsmittel  verehrt  wird.  Kür 
diese  dem  Islam  widerstreitenden  Lehren  hatten  jene  Flüchtlinge  in 
Gudscherat  Schutz  und  Frieden  gefunden,  ihre  angestammte  Sprache 
jedoch  mit  dem  hindustanischen  Idiom  der  neuen  Heimat  vertauscht 
und  dieses  derart  in  sich  aufgenommen,  dass  sie  dasselbe  noch  heute 
mit  Vorliebe  sprechen.  Von  hier  aus  verbreiteten  sich  die  Parsen  über 
ganz  Indien,  namentlich  in  bedeutender  Zahl  nach  der  großen  und 
reichen  Hafenstadt  Bombay,  wo  sie  stets  Capital  und  Industrie  vertraten. 
Hauptsächlich  übten  sie  die  Schiffbaukunst.  Als  Leiter  des  Marine- 
Arsenals  in  Bombay  hat  noch  vor  wenigen  Jahren  ein  Parse  fungiert, 
dessen  Ahnen  und  Urahnen  dieses  Amt  seit  dessen  Gründung  inne- 
gehabt hatten.  Unter  allen  V'olksstammen  Indiens  waren  es  die  Parsen, 
welche  sich  zuerst  den  Europäern  anschlössen  und  noch  heute  stehen 
jene  mit  diesen  in  engster  Beziehung. 

Die  Tracht  der  Parsen  unterscheidet  sich  wenig  von  jener  der 
übrigen  Eingeborenen  Indiens.  Neuerer  Zeit  jedoch  nähert  sich  der 
Schnitt  der  Kleider  der  Parsen  mehr  und  mehr  dem  europäischen,  ja 
manche  von  ihnen  tragen  sich  ganz  alla  franca.  Als  Kopfbedeckung 
benützen  die  Männer  entweder  eine  hohe,  eigenthümlich  zugespitzte. 
aus  Wachstuch  oder  Seide  verfertigte  Mütze,  deren  Form  sie  der  in 
Gudscherat  landesüblichen  Kopfbedeckung  entlehnt  haben,  oder  aber 
eine  stark  modernisierte  .^bart  der  persischen,  mit  einem  bunten  Shawl 
umwundenen  Filzmütze.  Die  Frauen  der  Parsen  bedienen  sich  seidener 
oder  wollener,  farbiger  Beinkleider  und  grell  buntfarbiger  Oberkleider, 
welche  aus  einem  Stück  Zeug  bestehen,  das  zuerst  um  die  Hüften 
geknüpft  und  dann  um  .Schultern  und  Kopf  geworfen  wird. 

Die  meisten  Frauen  der  Parsen  haben  zwar  schöne  Augen, 
jedoch  überlang  gebogene  Nasen,  schlechten  Wuchs,  entweder  zu 
mangelhnflc  oder  zu  üppige  Formen,  einen  lässigen,  schläfrigen  Gang. 
Die  Mädchen  sind  mit  .Ausnahme  des  Überwurfes,  den  nur  die  heirats- 
fähigen Mädchen  tragen  dürfen,  in  gleicher  Weise  gekleidet  wie  die 
Frauen. 

S4 


Vim  fremdländischen  Orientalen  sieht  man  in  Jen  Stral3cn  Bnm- 
hays  auch  noch  Araber  und  Ferser,  die  sich  mit  der  Einfuhr  von  Pferden 
beschäftigen.  Juden  aus  Bagdad,  die  hier  als  Hausierer,  und  Afghanen, 

ttiie  in  Bombay  gleichwie  in  Ceylon  ausschließlich  a!s  Messerschieifer 
Verdienst  suchen. 
f  Die  sogenannten  Portugiesen   Bombays   sind   Nachknmmen    der 

ifon  den  portugiesischen  Eroberem  zum  Christenthume  bekehrten  Kin- 
teborenen  und  führen  die  Namen  portugiesischer  Adelsgeschlcchter,  da 
seinerzeit  die  Bewohner  ganzer  Dörfer  die  Namen  ihrer  neuen  Herren 
angenommen  haben.  Ihrer  Beschäftigung  nach  sind  diese  Portugiesen 
meistens  Hausdiener,  Köche,  auch  wohl  untergeordnete  Gehilfen  in 
Handlungshäusern.  Es  ist  ein  weichliches,  verkommenes  Volk,  das 
sofort  an  seinem  Typus  und  an  seinen  vernachlässigten,  fadenscheinigen 
Kleidern  europäischen  Schnittes  zu  erkennen  ist. 

Industrie  und  Großhandel  sind  unter  die  drei  Hauptstämme,  die 

tltndus,  Mohammedaner  und  Färsen,  in  ziemlich  scharfgezogenen  Gren- 

1  vertheiit.  So  sind  z.  B.  die  Parsen  die  Haupthesitzer  der  72  Baum- 

'Ollfabriken  Bombays.    Die  Mohammedaner  treiben  meist  Impoil,  die 

pindus  Export,  diese  wie  jene  durch  Vermittlung  europäischer  Handels- 

iftuser.  Neuerer  Zeit  emancipieren  sich  jedoch  die  Moslemin  wie  die 

Öindus  mehr  und  mehr  von  den  Europäern  und  treten  in  Europa  selbst 

I  directen  Verkehr  mit  den  Kaufleuten  und  Fabrikanten.  Dieser  Ver- 

■  dürfte  dem  europäischen  Handel  kaum  zum  Vortheil  gereichen, 

da  die  Begriffe  des  Orientalen  über  kaufmännische  Moral  und  Solidität 

von  der  alleiTagslen   Natur  sind  und  der  Kaufmann  von  F^uropa  aus 

ivoniger  in  der  Lage  ist,  sich  im  Nothfalle  schleunig  Hechtsschutz 

I  verschaffen,  als  der  in  Bombay  ansässige  Europäer. 

Ober  die  Queens  Road,  eine  neue,  am  Hände  des  Meeres  gebaute, 

hr  breite  Straße  fuhren  wir  nach  Malabar  Hill,  wo,  wie  erwähnt,  eine 

nhc  von  Villen  liegt,  kleine,  luftige  Bungalows,  halb  versteckt  in  sauber 

Üinltcncn  Gärten,  unter  Palmen,  Tamarinden  und  allerhand  blühenden 

(chlingpllanzen.  Ganz  an  der  Spitze  dieser  Landzunge  breitet  sich  das 

Eovcmmcnt  House  aus.  eine  Reihe  ebenerdiger  Bungalows,  deren  Mittel- 

Unkt  ein  etwas  größeres  Gebäude  bildet,  in  dem  sich  nur  der  Speise- 

.  der  Tanzsaal,    umgeben    von    einer    luftige]\  Veranda,    befinden. 

l  wohnt  der  Gouverneur  mit  seiner  Eamilie  und  seiner  Suite  von 

cretären  und  .Adjutanten,  deren  beinahe  jeder  ein  ihm  ausschließlich 

[^gewiesenes,  mit  aller  Bequemlichkeit  eingerichtetes  Haus  inne  hat 

tem  Klima  entsprechend  sind  diese  Wohnstätten  äußerst  luftig  gebaut, 


die  Wände  sind  wie  von  I'apier,  überall  Thüren,  Fenster  und  Veranden, 
so  dflss  ich  mich  in  einem  solchen  Bungalow  jedesmal  wie  in  einem 
großen  Vogelhause  wähnte.  Bieten  die  Häuser  zu  wenig  Kaum  Tür  eim 
größere  Anzahl  von  Gästen,  so  werden  Zelte  aufgeschlagen  und  es 
gleicht  dann  das  Government  House  mit  allen  seinen  Annexen 
abgeschlossenen,  unter  großen  Tamarinden  und  Ficusbäumen  lagerndeOtJ 
Ansiedelung. 

Eine  Schar  Diener  in  purpurrother  Livree  bildete  bis  zur  Verani 
hin  Spalier,  wo  uns  Lady  Harris  mit  zweien  ihrer  Freundinnen,  Lai 
Brodrick  und  Miss  Smith,  in  hebenswürdigster  Weise  empfieng.  Nach 
längerer,  reger  Unterhaltung,  in  deren  Verlauf  ich  den  Damen  auf  eine 
Reihe  von  Fragen  —  weshalb  ich  noch  nicht  vermählt  sei.  wann  ich  zu 
heiraten  gedächte  u.  dgl.  m.  —  Rede  und  Antwort  stand,  zogen  wir  uns 
in  unsere  verschiedenen  Bungalows  zurück,  um  Parade-Uniform  zum 
Diner  anzulegen,  Dieses  fand  nach  englischer  Sitte  erst  um  '/sQ  Uhr 
statt.  Lord  und  Lady  Harris  erwarteten  mich  im  Vorsaale,  um  mich  in 
das  Empfangszimmer  zu  geleiten,  wo  sämmtüche  Gäste  längs  der 
Wände  in  einer  Reihe  standen.  Zu  dem  Diner  waren  im  ganzen  54  Per- 
sonen, zahlreiche  Damen,  unter  diesen  auch  eine  mit  Diamanten  besäetc 
Parsi-Dame,  die  höchsten  Würdenträger  und  der  General-Commandant 
von  Bombay,  verschiedene  höhere  Officiere,  Gerichts-,  Municipal-  und 
(iovernments-Beamte,  alle  in  Bombay  sesshaften  Consulan,'ertreter  und 
die  (."ommandanten  sämmtlicher  im  Hafen  befindlichen  Kriegsschiffe 
eingeladen  worden.  Bald  nachdem  mir  all  die  Anwesenden  vorgestellt 
waren,  schritten  wir  unter  den  Klangen  der  Volkshymne  in  den  Saal. 
Die  Tafel  war  sehr  geschmackvoll  mit  Blumen,  schwarzgclben  Bändern 
und  silbernen  Aufsätzen  geschmückt. 

Die  continentale  Etikette  fordert,  dass  bei  einem  offlciellen, 
Ehren  des  Angehörigen  einer  auswärtigen  Macht  gegebenen  Diner  di 
Gastgeber  vor  allem  das  Wohl  jenes  Souveräns  ausbringe,  dessen  Reii 
der  Gast  angehört.  Die  britische  Sitte  jedoch  weicht,  wie  ich  schon 
dem  Diner  im  Government  House  zu  Kandy  zu  meinem  Erstauni 
beobachten  konnte,  von  dieser  Gepflogenheit  ab.  Wenigstens  ersuchl 
mich  Lord  Harris,  zunächst  auf  das  Wohl  Ihrer  Majestät  der  Könij 
zu  toastieren,  worauf  er  erst  das  Wohl  Seiner  Majestät  unseres  Kaisi 
ausbrachte. 

An  das  Diner  knüpfte  sich  ein  langer  t'ercle.  Nach  Beendigunj 
desselben  suchten  wir,  ermüdet  durch  die  Menge  neuer  Eindrücke,  dit 
uns  der  erste  Tag  in  Indien  gebracht,  unser  Lager  auf 


:ine 
deilS 


Bombay,  18.  Jänntr. 

Um  ß  Uhr  warTagreveille,  Der  Morgen  war  Tri  seh  und  angenelim. 
EDic  Bewohner  des  Villenviertels  Mulabar  Hill,  durch   das  wir  fuhren, 
schienen   noch   sämmtlich   in  Schlaf  versunken   zu  sein;   denn  in  den 
\'illen  und  Gärten   war  alles   still.  Das  Ziel    der  Fahrt  bildeten    die 
■  Begräbnisstätten  der  Parsen,  die  berühmten  "Thürnie  des  Schweigens*. 
^iner  der   angesehensten   Parsen,    Sir  Jamsedji  Jijibliai   Bart.,    sowie 
wr.  N'usservanji  Behramji  empfiengen   uns  am  Fuße   des  Hügels  und 
"geleiteten  uns  über  eine  lange,  steinerne  Treppe  in  einen  blühenden, 
schönen  Garten,  der  in  nichts  die  Nähe  der  Begräbnisstätte  verrieth.  In 
der  Nähe  des  Thores  sitzt  ein  Hund,  der  über  den  natürliclien  ."Xugen 
zwei  in  Farbe  ausgeführte  Augen  besitzt,  und  von  dessen  Verhalten  es, 
wie  die  Parsen  glauben,  abhängt,  ob  der  Todte  unter  günstigen  oder 
ungünstigen   .\uspicien   in   das   Jenseits   gelangt;    blickt    nämlich    der 
HunJ  den  Todten  an,  so  gilt  dies  als  gutes  Omen,  während  das  Umge- 
kehrte übel  gedeutet  wird.  Knapp  am  Eingange  des  Gartens  steht  ein 
Tipel.  in  dem  das  heilige  Feuer  ludert,  welches  —  so  wird  behauptet 

k-  die  Parsen  von  ihrer  ursprünglichen  Heimat  mitgebracht  und  stets 
ennend  erhalten  haben. 

Im  Garten  weiter  schreitend,  kommt  man  zu  fünf  kreisrunden. 
Krell  weißen  Thürmen,  deren  größter  7'öm  Höhe  und  einen  Umfang  von 
rund  00m  besitzt;  auf  dem  Rande  derselben  sitzt  eine  Legion  von  Geiern 

Ind  Raben ;  eine  kleine  eiserne  Thüre.  zu  der  einige  Stufen  führen,  bildet 
en  Eingang.  Man  darf  sich  den  Thürmen  nur  auf  30  «j  nähern,  doch 
ibt  ein  im  Garten  aufgestelltes  Modell  .^ufschluss  über  die  Einrichtung 
Eeser  Begräbnisstätten.  Innerhalb  der  Thürme,  die  mit  bedeutendem 
Ufwand  gebaut  sind  —  der  größte  soll  über  360.000  fl,  ö.  W.  gekostet 
aben  —  befindet  sich  eine  trichterartige,  in  einen  runden  Schacht 
endigende  Plattform,  welche  in  ringförmige  Abtheilungen  geschieden 
iftf.  die  äußere  .Abtheilung  dient  für  Männer,  die  mittlere  für  Frauen 
tind  die  innere,  dem  Schacht  zunächst  liegende  für  Kinder.  \'on  vier 
dazu  bestimmten  Wächtern,  den  einzigen  lebenden  Wesen, 
reiche  den  Thurm  betreten  dürfen,  werden  die  Leichname  ganz  ent- 
Icidct  in  die  betreffenden  .Abtheitungen  gelegt.  .Alsbald  stürzen  sich  die 
ingrigen  Geier  auf  ihre  Beute  und  binnen  einer  Stunde  ist  der  Leich- 
I  bis  auf  die  Knochen  verzehrt.  Die  Sonne  trocknet  das  Gerippe, 
richcs  sodann  in  den  Schacht  versenkt  und  in  demselben  mit  Wasser 
|er  wohl  auch  mit  Kalk  begossen  wird.  Von  dem  Schachte  gehen  vier 


^prer 


radiale  Cantile  ab,  die  mit  Kohlen  sowie  mit  Sandfiltern  versehen  sind 
und  in  große  Vertiefungen  auslaufen,  in  welchen  die  letzten  Oberbleibsd 
der  Gebeine  ihrem  Schicksale  überlassen  werden. 

>Stirbt  Achab  in  der  Stadt,  so  sollen  ihn  die  Hunde  fressen,  stirbt 
er  aber  auf  dem  Lande,  so  sollen  ihn  die  \'ögel  des  Himmels  fressen.* 
Was  der  Prophet  Elias  dem  Könige,  der  durch  Jezabel,  sein  Weib,  übel 
berathen  schweres  Verschulden  auf  sein  Haupt  geladen  hatte,  als  Strafe 
angedroht,  hier  Ist  es  zur  schauerlichen  Wahrheit,  schrecklichen  Regel 
geworden.  Die  Vogel  des  Himmels  fressen  Todte,  fressen  Gerechte  und 
Ungerechte,  Vornehme  und  Niedere.  -Erectos  ad  sidera  vuhus 
alle  durch»  Leben  schritten;  Aas  für  die  Vögel  liegen  sie  hier  im  To( 

Von  dieser  jeder  Pietiit  baren  Stätte  menschlicher  Emiedrigui 
wo  die  geflügelten  Todtengräber  ein  düsteres  -Lasciate  ogni  speranza! 
kritchzen,  Üüchten  die  Gedanken  auf  einen  Kirchhof  in  den  heimatlichen 
Bergen,  Hier  ruhen  die  theuren  Todtcn  in  der  Erde,  welche  schützend 
verbirgt,  wie  sich  das  Wort  erfüllt;  .Du  bist  Staub  und  sollst  zum 
Staube  wiederkehren-.  Über  den  Gräbern  stehen  Kreuze;  einfache 
Holzkreuze,  aber  errichtet,  geschmückt  von  der  Liebe;  von  der  Liebe, 
welche  lächelnd  die  Lebenden  umfangen  hat  und  nun  weinend  zu  den 

Todten  spricht:  «Ruhet  in  Frieden« So  sinnend,  verließen  wir 

diese  beredten  Thürme  des  Schweigens. 

Der  nächste  Besuch  galt  dem  Thierspitale  Pindschrapol.  weicht 
Stiftungen  reicher  Hindus  seine  Entstehung  verdankt.  Eine  vollkoi 
mcnc  Vcrirrung  rcUgiüscn  Empfindens'.  In  ungezählter  Menge  fristen 
in  Pindschrapol  herrenlose,  kranke,  mit  ekeln  Gebresten  behaftete,  mit 
Wunden  aller  An  bedeckte  Thiere  ein  trauriges  Dasein,  bis  der  Tod 
—  barmherziger  als  jene  Menschen,  denen  ein  Irrwahn  verbietet,  sei 
es  auch  nur  aus  Mitleid  Blut  zu  vergießen  —  diesen  bedauernswerten 
Geschöpfen  naht.  In  einem  Hofe  etwa  vierhundert  Kühe,  jede,  i 
biblischen  Schwestern  gleich,  geeignet,  Hungersnoth  zu  verkünden 
einem  «weiten  Hofe  Pferde,  wahre  Mähren;  in  einem  dritten,  hini 
Ciittorn,  Hunde,  Affen.  Schafe,  Papageien.  Hühner,  Tauben.  Myriadei 
Von   Kliogen  und  Bremsen   summen  einen  ("hör  von  Pein  und  Plage. 

Einen  genussreichen  Eindruck  boten  die  grandiosen  Markthallen 
(Crawford  Market).  Sic  sollen  mit  den  Höfen  und  Gärten  eine  Fläche 
von  00  Ad  bedecken  und  sind  nach  europäischer  .Art  lediglich  aus  Stein, 
Kisen  und  (ilas  gebaut;  i^ie  thcilcn  sich  in  eine  von  dem  43hi  hohen 
Glockcnlhurm  übertiöhtc  Gentralhalle  mit  zwei  Flügeln  und  eine  Reihe 
einzeln  stehender  Markträume.  Der  rechte  Flügel  der  Markthallen  ist  für 


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Humen  und  Früclilc,  der  linke  für  Gemüse  und  Spezei'cien  bestimmt. 
Dort  erregten  die  herrlichen  Kosen.  Chrysanthemen,  Jasmineen,  die  Fülle 
kiisthcher  Bananen,  Bäume  mit  apfelartifien  Früchten,  Mangos  unsere 
Aufmerksamkeit;  hier  die  seltsam  gefärbten  und  geformten  Kürbisse  und 
langengurken,  die  Curcumawurzeln,  Cardemomen,  die  in  Indien  so 
liebten  und  auch  den  europäischen  Feinschmeckern  als  Curry  powder 
wohlbekannten  Gewürzmischungen,  die  Proben  der  einheimischen 
Kauch-  und  Kautabake  u.  a.  m.  In  besonderen  Räumen  werden  Fische, 
Kind-  und  Schaffleisch,  sowie  Geflügel  feilgeboten.  Der  große  Fisch- 
markt beherbergt  hunderterlei  Früchte  des  Meeres,  von  den  kleinen 
Bombay  ducks  (Bombil)  an,  bis  zu  den  Lingeheuern,  welche  dem  Gau- 
men der  landsässigen  Leute  noch  lecker  dünken.  Auch  lebende  Thiere 
werden  hier  feilgeboten.  Wir  nahmen  diese  Gelegenheit  wahr,  um 
unsere  Schiffsmenagerie  mit  mehreren  Mainas,  Papageien  und  einem 
;rünen  Laubvogel  zu  bereichern;  doch  wurden  H^ir  nicht  ohne  Schwie- 
;eiten  mit  den  eingeborenen  Verkäufern  handelseins. 

Hatte  uns  die  duftende,  üppige,  Gemüse  aller  Art  bergende 
Markthalle  mit  ihrem  durch  Angebot  und  Nachfrage  hervorgerufenen, 
bewegten  Treiben  ein  Bild  des  Lebens  geboten,  so  lag  in  dem  Schau- 
spiele, dem  wir  hierauf  beiwohnten,  einer  Hinduverbrennung,  ein 
düsteres  Gegenstück  vor  uns:  die  Zerstörung  des  nunmehr  allem  Sinn- 
lichen entrückten  menschlichen  Körpers,  die  Auflösung  der  Materie  in 
eine  Handvoll  Asche. 

Mr.    Tribhowandas    Mangaldas    Nathubhai,    der    Präsident    des 
lombay  Hindu  Buming  and  Burial  Cround  fommittee*,  nebst  einigen 
inderen  diesem  Verein  angehörigen  Mitgliedern  empfieng  uns,  als  wir 
die  Verbrennungsstätte  betraten.  Die  Anlage  derselben  und  mehr  noch 
das  Verhalten  der  Leidtragenden  bei  der  Ceremonie  lassen  jede  Pietät 
■ermissen.  In  einem  länglichen  Hofe,  an  dessen  einer  Rückwand  Bänke 
id  Stühle  stehen,  sind  alle  10  vi  je  vier  eiserne,  meterhohe  Ständer 
Igemauert;  zwischen  diesen  wird  das  Scheitholz  für  die  Verbrennung 
Leichen   aufgehäuft.    Aus  einem   eben  verkohlten   Scheiterhaufen 
imellen    zwei   Hindus   mit    vollkommenster  Indifferenz   Asche   und 
cinierte   Knochen,   die   letzten   spärlichen  Überreste   eines  mensch- 
lichen Körpers,  um  sie  in  einer  blumengeschniückten  Vase  zu  bergen 
und  ins  Meer  zu  werfen. 

Eben  wollten  wir  uns  wieder  zum  Gehen  wenden,  als  Gesang  und 
rscjiinellenklang  ertönte.  Ein  Leichenzug  bog  in  den  Hof   Voran  die 
iger  und  Musikanten;  dann  auf  zwei  Bambusstöcken,  nur  mit  einigen 

80 


Haniiern  umschlungen,  der  l.eiclinani,  von  vier  Männern  getragen:  zun*. 
Schlüsse  die  \'ervvandten,  ohne  Auüerung  des  Schmerzes  oder  der  Theil- 
nahme,  auch   nicht  als   lachende   Erben,   nur  gleiohgiltig,  schrecklich 
gleichgiitig.    Die  nhrenbeleidigende   Musik    hebt    schon    während    der 
letzten  Stunde  des  Sterbenden  an,  da  sie  die  Bemühungen  des  Zauberei 
unterstützen  soll,  welcher  die  Dämonen  der  Krankheit  zu  verscheuchi 
sucht.  Was  gegen  diese  nicht  gewirkt,  hätte  fast  uns  vertrieben.  Doi 
wurden  wir  aufgefordert,  uns  aufdie  Bänke  niederzulassen  und  konnti 
nun  mit  Muße  und  aus  nächster  Nähe  den  .Act  der  Verbrennung  beol 
achten.   Die  Leiche,  jene  einer  jungen,  äuUerst  schmächtigen  Frau,  war 
völlig  in  ein  rothes  Tuch  gehüllt,  mit  rothem  Pulver  bestreut  und  mit 
Blumen  bedeckt.  Das  arme  Wesen  mochte  vor  wenigen  Stunden  erst 
verschieden  sein;  ihr  Körper  wies  noch  nicht  den  Zustand  der  Tod« 
starre  auf. 

Ks  ist  Sitte  der  Hindus,  ihre  Todten,  kaum  dass  sie  den  tetzl 
Seufzer  gethan,  sogleich  den  Flammen  zu  übergeben,   eine  Sitte,  die 
dem  Distncts-.i\rzte  die  rechtzeitige  Feststellung  des  Todes  ungemein 
erschwert,  ja  zuweilen  dieselbe,  besonders  wenn  bei  starker  auftretendeiv 
Cholera-Kpidemien  die  Todeslalle  sich  häufen,  oft   unmöglich   ma< 
Nicht  selten  melden  die  Hindus  den  erfolgten  Tod  einer  Person  erst  nai 
deren  Verbrennung  an.  Eine  Cholera-Kpidemie  ist  für  Hindus  häufig  die 
erwünschte  Gelegenheit,  eine  lästige  Person  durch  -Arsenik,  welches  ja 
choleraähnliche  Symptome  hervorruft,  oder  durch  Opium  aus  dem  Leben 
zu  schaffen,   rasch  zu   verbrennen  und   bei  der  Todesanzeige   als   an 
Cholera  verstorben  anzumelden.  In  früherer  Zeit,  in  welcher  die  Regierung 
noch  nicht  wie  jetzt  mit  voller  Strenge  einschritt,  war  besonders  das 
Tödten  der  Mädchen  durch  Opium  sehr  im  Schwange;  infolge  des; 
trat  in  manchen  Gegenden  Indiens  ein  derartiger  Mangel  an  Frauen 
dass  die  wenigen  zurückgebliebenen  der  Polyandrie  verfielen. 

Der  Leichnam  der  jungen  Hindu  wurde  auf  die  Erde  gelegt,  mit 
Wasser  Übergossen  und  von  dem  Gatten  und  einem  der  Verwandten 
dreimal  um  den  vorbereiteten  -Scheiterhaufen  getragen,  dann  legten  die 
Leidtragenden  Weizen  und  Zucker  auf  die  Leiche  nieder  und  lagerten 
diese,  mit  dem  .Antlitze  nach  Osten,  auf  den  Scheiterhaufen,  wn  sie  mit 
sechs  großen  Balken  bedeckt  wurde.  .An  einem  Feuar,  das,  vom  häus- 
lichen Herde  stammend,  in  einer  Urne  mitgebracht  worden,  entzündete 
der  Gatte  Sandelholz,  gicng,  die  .Späne  vor  sich  tragend,  dreimal  um 
den  Scheiterhaufen  herum,  berührte  jedesmal  die  unter  dem  Bahrtuche 
bervorlugenden  Zehen  der  Leiche  und  setzte  endlich  durch  brennende 


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Späne  und  Strohbüschel  zu  Hiuiplen  der  Todtcn  den  Holzstoß  in  Brand. 
,  diesem   Augenblick  äußerte   der  Gatte   schmerzliche    ErgrifTenheit, 
delieicht  mehr  uns,  als  seinen  Gefühlen  zu  Ehren,  bis  ihn  ein,  wie  es 
*  schien,  minder  weichmüthiger  Verwandter  beiseite  schob.  Der  Scheiter- 
haufen llammte,  prasselte,  qualmte.  Gierig  fraß  das  Feuer,  als  wollte  es 
sein  Opfer  den  theilnahmslosen  Blicken  der  Menschen  entziehen. 

Ein  zweiter  Leichenzug  nahte.  Abermals  war  die  Todte  eine  junge 
Frau,  offenbar  aus  reichem  Hause,  aus  höherer  Kaste.  Unverschleiert  lag 
die  früh  \'erblichene  auf  der  Bahre.  Der  rosige  Hauch  auf  den  Wangen 
STerrieth,  dass  auch  diese  Verstorbene  kaum  die  Schwelle  des  Todes 
pberschrillen, 

Es  war  genug  des  grausigen  Schauspiels;  ich  wandte  mich  zum 
-eben.  Am  Ausgange  der  Verbrennungsstätte  steht  ein  Haus,  in  dem 
leiche  Leidtragende  der  höchsten  Kasten  das  Ende  der  Ceremonie 
bzuwarten  pllegen  und  nicht  selten  —  eine  empörende  Gefühlsroheit 
-  Tänzerinnen  hieher  berufen,  die  Wartezeit  zu  verkürzen. 

Rasch  muss  der  Todte,  dem  nachdrängenden  Geschlechte  wei- 
chend, diese  Erde  räumen,  in  das  Nichts  hinübereilen:  der  Parse  von 
Vögeln  gefressen,  der  Hindu  vom  Feuer  verzehrt  und  als  Asche  ins 
Meer  geworfen  —  im  Thierspitale  aber  werden  jämmerliche  Geschöpfe 
künsthch  ihren  Leiden  erhalten;  für  diese  hat  die  Erde  Raum,  der 
\lensch  Gefühl. 

LTm  den  Vormittag  vollständig  auszunützen,  fuhren  wir  noch  ins 
Museum  —  Natural  History  Society's  Museum  —  das  unter  der  Direc- 
tion  Mr.  Phipsons  steht  und  ein  anschauliches  Bild  der  Fauna  Indiens 
gewährt.  Gleich  beim  Eingange  fallen  abgehäutete  Krokodile,  riesige 
BüfTelschädel  und  einige  lebende,  indische  Eichhörnchen  ins  Auge. 
Zahlreiche  Schränke  bergen  die  wichtigsten  Vertreter  der  Ornis,  sowie 
;  möglichen  Schmetterlingsarten;  in  mit  Spiritus  gefüllten  Behältern 
hwimmen  da  etwa  hundert  verschiedene  Schlangen-  und  Skorpion- 
Spinnen,  Käfer  und  die  in  die  Ordnung  der  Heuschrecken 
jcbürigen,  sogenannten  wandelnden  Blätter  sind  hier  zu  sehen.  Zahl- 
piche .Abnormitäten  und  Raritäten  bilden  besondere  Anziehungspunkte: 
A'eihe  von  capitalen  Sambarhirschen,  abnorme  Gehörne  von  Gazellen 
und  Black-bucks;  verschiedene  Felle  von  Bären,  Tigern,  Panthern, 
Schnecleoparden  und  anderer  schöngezeichneter  indischer  Katzenarten; 
der  dem  Magen  eines  Krokodils  entnommene  Fuß  eines  Hindu-Knaben; 
Häule  von  Riesenschlangen  (Python);  Skorpion-Zwillinge;  eine 
nmlung  lebender  Schlangen,  eine  grüne  Peitschenschtange  und  zwei 


Cobras,  die  furUvährcnd  ßegen  die  Wände  ihrer  gläsernen  ßehiiusungfl 
losfahren.  Besondere  Anerkennung  verdient  die  Anordnung  der  Objecte, 
welche  den  AnTorderungen  der  Wissenschaft  entsprichl,  aber  auch  jene 
I,iebe  für  die  Natur  zeigt,  die  sich  nicht  mit  trockener  Numerierung 
und  Etiketticrung  begnügt  hat,  sondern  zu  dem  Bestreben  drängt,  die 
gesammten  Objecte  durch  systematische  und  doch  geschmackvolle 
Gruppierung,  sowie  durch  belebende  Abwechslung  mit  Trophäen, 
Bildern  und  Photographien  auch  dem  Laien  anschaulicher  zu  machen 
und  seinem  Verständnisse  nüherzurücken. 

Mr.  Phipson  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  für  meine  Sammlung 
eine  Anzahl  Vogel-Doubletten  anzubieten,  die  ich  mit  Dank   annahm. 

Lebhaft  befriedigt  von  dem  Gesehenen  fuhr  ich  nun  zu  Herrn 
Tellerj*  (S.  J.  Tellery  &  Co.),  einem  Landsmanne,  in  dessen  Nieder- 
lage sämmtliche  kunstinduslrielle  Erzeugnisse  Indiens  vertreten  sind. 
Dieses  Warenhaus  bildet  eine  Stätte  der  Versuchung  für  die  Kauf- 
lustigen. Alles,  was  Bombay,  Madras,  Haidarabad,  Maisur,  Agra.  Dehli, 
Benäres,  Calcutta,  .Afghanistan  und  Birma  erzeugen,  ist  herbeigeschafft: 
Güttergestalten  und  Götzenbilder  in  Bronze,  Silber  und  Marmor;  Vasen. 
Teller,  Becher  in  Kupfer  oder  vergoldeter  Bronze;  Schnitzarbeiten  in 
Elfenbein,  eingelegte  Sandelholzbüchsen:  Kaschmirdecken,  Fulkaris 
aus  dem  Pendschäb;  Tücher  mit  Dessins  in  aufgelegtem  Wachsglimmer 
aus  Peschäwer,  bedruckte  Kaftune  aus  Madras  mit  Illustrationen  aus 
den  großen  indischen  Heldengedichten  Rämäyana  und  Mahäbhärata; 
in  Dakka  gewebter  Tüll  für  Tänzerinnen;  Teppiche  von  Bidschapur  mit 
dem  bekannten  Pfauen-  oder  Schikanmuster;  Waffen  und  Schilder, 
Elephantenspieße  und  Hellebarden;  Musikinstrumente,  Tischchen  und 
Korängestelle  —  ein  vollendetes  Chaos  der  verlockendsten  Dinge.  Bald 
war  ich  der  Versuchung  erlegen  —  eine  ganze  Wagenladung  wurde 
an  Bord  gebracht,  worüber  der  Gesammt-Dctailofficicr  schier  in  Vcr- 
zweiftung  gcrieth. 

In  liebenswürdiger  Fürsorge  für  unser  leibliches  Wohl  hatte 
Generalconsul  Slockinger  die  Freundlichkeit,  mich  und  meine  Suite  zu 
einem  Lunch  im  Hause  des  -Bombay  Yacht  Club«  zu  laden,  welchem 
lockenden  Rufe  wir  willig  folgten.  Der  Yacht  Club  hat  seinen  Sitz 
innerhalb  des  -Forts»  in  einem  luftig  gebauten  Hause,  welches  am 
Rande  des  Hafens,  auf  dem  Apollo  Bandar,  in  einem  Garten  gelegen, 
einen  reizenden  .Ausblick  auf  die  Hafenanlage  und  die  gegenüber 
befindlichen    Insc  «hrt^^jj^h   welchen   das    Mahl   gewü 

die  Ruhepause  \ 


thrl^^sh   we1 

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\eu  gestärkt  fiiliren  wir  nachmittags  mit  einer  raschen  Uampf- 
barkasse  des  Marine-Arsenals  vom  Wellington  Pier  aus  quer  durch 
den  Hafen  nach  der  durch  ihre  Felsentempel  berühmten,  etwa  10  Um 
tinlfemlen  Insel  Eiephanta. 

Während  der  Seefahrt  genießt  man  den  Anblick  Bombays,  jenen 
Jer  Inseln  und  der  vermöge  der  scharfen  Beleuchtung  deutlich  hervor- 
tretenden Gebirge  des  Festlandes.  Das  Landen  auf  Eiephanta  ist  mit 
einigen  Schwierigkeiten  verbunden,  da  man  zu  diesem  Zwecke  kleine 
Boote  benützen  und  über  verschiedene  glatte  und  obendrein  vom 
.Meereswasser  schlüpfrig  gemachte  Cementwürfel  balancieren  muss. 
Ungestraft  unter  Palmen  wandelnd,  erreicht  man,  nach  Übenvindung 
einer  langen  steinernen  Treppe,  die  Tempel  Elephantas.  Junge  Hindus 
bilden,  überall  umherlungernd,  die  lebende  Staffage  und  bieten  den 
Weisenden  Nester  von  Webervögeln,  sowie  in  Schachteln  für  Zünd- 
hölzchen die  verschiedenartigsten  Käfer  und  prächtig  metallisch  glän- 
zende Baumwanzen  zum  Kauf  an. 

Die  Insel  Eiephanta,  auch  Gharapuri,  Stadt  der  Höhten,  genannt, 
ist  schon  durch  den  Heiz  des  V'egetationsbildes.  das  sie  vor  dem  farben- 
tnjnkenen  Auge  des  Besuchers  entfaltet,  eine  Sehenswürdigkeit.  Palmen, 
Lianen,  Tamarinden,  Banianen;  Bäume,  Buschwerk  und  Blumen  reizvoll 
geformt  und  gefärbt,  von  seltenen  Schmetterlingen,  schillernden  Käfern, 
bunten  Vögeln  umflattert,  schmücken  dieses  Eiland.  Doch,  ob  auch  die 
Natur  dieses  Kleinod  des  Archipels  von  Bombay  verschwenderisch  mit 
Schätzen  der  Pflanzenwelt  überschüttet  hat,  das  Hauptziel  der  Fahrt  an 
dieses  Gestade  bildet  dennoch  die  uralte,  im  Schöße  der  Insel  ruhende, 
seltsam  ausgeschmückte  Heimstätte  jener  Gottheiten,  die  da  schaffen, 
erhalten,  vernichten  sollen. 

Ihren  Namen  verdankt  die  Insel  dem  in  altersgrauen  Zeiten  in  den 
ilsen  gehauenen  Kolosse,  welcher  heute,  im  Victoriagarten  nächst  dem 
Ueum  von  Bombay  aufgestellt,  zur  unförmlichen  Masse  verwittert, 
i  einst  so  berühmte  Bildwerk  —  einen  riesenhaften  Elephanten  im 
mpfe  mit  einem  mächtigen  Tiger  —  kaum  mehr  ahnen  lässt.  Noch 
v  sind  die  gewaltigen  Tempelgrotten  erhalten,  in  deren  Dämmerschein 
lerlci  von  brahmanischen  Legenden  umwobene  Heiligthümer  indischer 
ffihctten  geborgen  sind.  Von  einem  mit  Ehrenzeichen  geschmückten 
heranen  der  englischen  .\rmee  geleitet,  der  hier  als  Cicerone  fungiert, 
Sßen  wir  zu  den  Tempelgrotten  nieder.  Wie  der  Elephantenkoloss. 
jSt  der  Wächter  der  Tempelpforte,  so  ist  nun  auch  die  Vorhalle  des 
U^entempels  den  Unbilden  der  Jahrhunderte  zum  Opfer  gefallen. 


Erhalten  ist  nur  noch,  weil  von  der  Mutter  Erde  beschützt,  di 
Tempel  selbst  Er  gliedert  sich  in  verschiedene  Theile.  Der  erste  der- 
selben ist  dem  -Gott  der  Erde«  Schiwa  (Mahadewa),  dem  Befruchtenden 
und  zugleich  ZerslÖTcnden,  geweiht.  Dem  Eingange  dieses  von  doppelten 
Säulenreihen  gestützten  Haupttempels  gegenüber  erhebt  sich  in  dessen 
Innerem  zunächst  die  Bildsäule  derThmurtiiDreigeslalt).  welche  Brahma, 
Wischnu  und  Schiwa  darstellt.  Als  Symbole  trägt  diese  Trinität  ein 
TrinkgefaS,  die  mystische  Lotosblume  und  die  Cobra.  die  giftige  Brillen- 
schlange. Die  Wände  des  Tempelraumes  sind  mit  Sculpturen  bedeckt, 
welche  den  Lebenslauf  Schi  was,  seine  Geburt,  die  Vennahltmg  mit  Kali 
fPäru'ati)  und  andere,  zum  Theile  ungeheuerliche  Scenen  schildern. 
Drei  kleinere,  viereckige,  gewölbte  Gehäuse  enthalten  je  einen  Lingam. 
das  Symbol  der  erschaffenden  Natur.  Linkerhand  von  diesem  Haupt- 
tempel liegt  der  Tempel  des  Elephantengottes  und  Gottes  der  Gelehr- 
samkeit, Ganescha,  dessen  Heiligthum  mit  Bildern  seiner  zahlreichen 
Frauen  geziert  isL 

Die  durchwegs  symmetrisch  angeordneten  Sauten,  sowie  die  von 
Verständnis  für  anatomische  Verhältnisse  zeigenden  Bildwerke  sind  zum 
Theile  künstlerisch  schön,  so  dass  die  .Ausführung  dieser  .Arbeiten  und 
mehr  noch  die  Herstellung  der  enormen  Tempelräume  unser  Staunen 
erregen.  Mussten  doch  die  1564  m'  bedeckenden  Räume,  da  die  Epoche, 
in  welche  ihre  Ausgestaltung  fällt,  der  Hilfsmtllel  der  modernen  Technik, 
der  Maschinen  und  Sprengstoffe,  entbehrte,  dem  harten  Granitfelsen 
lediglich  mit  Meißel  und  Hammer  abgerungen  werden.  Vor  einigen  Jahr- 
hunderten noch  waren  diese  heiligen  Hallen  von  ßrahmanen  und  deren 
ganzem  Gefolge  und  den  dem  Tempeldienste  geweihten  Sängerinnen 
und  Tänzerinnen  bevölkert;  ununterbrochen  zogen  Scharen  von  Gläu- 
bigen, namentlich  Kindersegen  erflehende  Frauen,  hier  zu  und  ab.  Die 
Portugiesen  haben  zur  Zeit  ihrer  Oberherrschaft  über  Ostindien  in  ihrem 
heiligen  Eifer  die  brahmanischen  .ZüUner  und  Schriftgelehrten 
dem  Tempel  vertrieben,  ja,  wenn  man  der  Überlieferung  Glaul 
schenken  darf,  des  Guten  zu  viel  thuend,  auch  die  Tempel  selbst  durdi 
Kanonenschüsse  zu  zerstören  \ersucht  und  so  diese  Denkmäler  alter 
Kunst  arg  beschädigt,  zum  Theile  sogar  vernichtet. 

Heutzutage  pilgern  an  hohen  Feiertagen  noch  hin  und  wiedor 
fromme  Hindus  mit  ihr^^milien  zum  Tempe!  Elephanta.  dem  ZeugeHj 
vergangener  Herrlic;'^^"^^eit  oifriea|^doch  lUs  jene  betrachtet 
imposanten  Cbcrres  it  m>  ^^^HRcn  Kunstwerkes  der  fi 

ländischc  Wagitgre  'elth^^^B(d  (.lenuss  findet 


rem 


Der  Schluss  des  Tages  war  der  Theilnalime  an  großen,  nfiiciülien 

■■Festlich keilen  im  Government  Hoiise  gewidmet.  Dem  Diner  folgte  ein 

IjBaU,  zu  dem  das  High  life  von  Bombay  geiaden  war.  Für  mich  war  die 

I  Vereinigung  der  Spitzen  der   «Upper  ten-    nicht  nur  gesellschaftlich. 

BSOndern  namentlich  auch  vom  choreographischen  Standpunkte  aus  von 

jroßem  Interesse,  da  die  englische  Art,  dem  Vergnügen  des  Tanzes  zu 

huldigen,  in  manchen  Beziehungen  von  der  bei  uns  üblichen  abweicht. 

Besonders  ein  neu  impoilierter  Tanz,  der  sogenannte  Barndoor  dance, 

der  von   einer  einförmigen  Musik  begleitet,   die  Mitte  zwischen  einer 

schleppend  getanzten  Mazurka  und  einem  Bärentanz  hält,  fiel  mir  sehr 

auf.  Ein  Ehren-Lancier.  den  ich  mit  Lady  Harris  tanzte,  wollte  nicht 

recht  klappen,  da  hier  Figuren  ausgeführt  werden,  die  bei  uns  unbekannt 

sind.  Lord  Harris  schien  hiemit  durchaus  nicht  einverstanden,  während 

PX-ady  Harris  die  Situation  von  der  heiteren  Seite  auffasste.  Da  sich  in 

unserem  Carre  nur  die  Gemahlinnen  der  höchsten  Würdenträger  und 

der  Beamten  oberster  Diätenclasse  betheiligten,  waren  auf  dem  kleinen 

Haume   Jahrhunderte   vertreten,    so   dass   ich   mit  Wehmuth  manches 

I  in    der   Heimat  getanzten    Lanciers    gedachte.    Im    übrigen   legte    ich 

Enthaltsamkeit    auf,    den  Anforderungen    der  kommenden  Tage 

Rechnung  tragend.   Nach  Mitternacht  wurde  ein  Souper  serviert,   in 

biessen  Verlaufe  ich  mit  Lady  Harris,  über  deren  Wunsch,  in  der  Mitte 

s  Saales  Knallbonbons  ziehen  musste,  was  die  lebhafteste  Heiterkeit 

ber  Anwesenden  erregte. 

Bombay,  19.  Jänner. 

Früh  am  Tage  fuhren  wir  in  den  Cialacarossen  des  Gouverneurs, 
[elcitet  von  einem  Theil  der  Garde  nach  den  Docks,  um  das  zwei  Tage 
uvor  eingelaufene  Lloyd-Schiff  -Elektra-  zu  besichtigen.  Die  Docks, 
Handelsgesellschaften  erbaut  und  im  Besitze  von  solchen,  sind 
hrhaft  imponierende  Anlagen  sowohl  durch  ihre  Ausdehnung,  als 
Urch  die  allen  .Anforderungen  des  Warentransportes  entsprechenden 
ICinrichtungen.  Es  sind  Zeugnisse  eines  kühnen  LInternehmungsgeistes. 
verglichen  mit  jenem  der  Heimat,  kleinlaut  stimmt.  Neben  den  Docks 
teilen  die  Warenhäuser,  durch  welche  sich  der  Strom  der  einlangenden 
und  zu  verladenden  (iüter  bewegt;  wie  im  menschlichen  Organismus 
ununterbrochen  das  Blut  durch  das  reich  verzweigte  Geäste  der  Adern 
dem  Herzen  zu-  und  von  diesem  wieder  weggeführt  wird,  so  rollen  hier 
uf  Schienensträngen  ohne  Unterlass  Fässer  und  Ballen  nach  und  von 
Ben  Warenhäusern.  In  diesen  grandiosen  Magazinen  fühlt  man  wahr- 


haftig  .Jen  Pulsschlag  der  Güterbewegung.  Die  Dampfkrahn«  Reichen 
den  .\niien  eines  Riesen,  n^elctier  den  Menscfaen  frohnend  —  Gulliver 
unter  den  Liliputanern  —  die  sdnt-efsten  Lasten  hebt,  als  war"  es  Kinder- 
spicL  Ohne  Rast  und  Ruh*,  in  immerwihrender  Bewegung,  waltet  in 
den  Docks  das  Getriebe  des  Güten~erkefars;  scheiabar  in  diaotischeni 
Durcfaeüiaader  und  doch  jener  strengen  Ordnung  gdiorchend.  welche 
von  der  organisierenden  Kraft  des  Kaufinannes  gescbaifen  nird 

Die  •  Eleklra*  war  aus  Schanghai  vollgeladen  mü  Thee  und  Haut« 
eingelangt  und  nahm  Baumwolle  für  Triest  an  Bord.  Das  mät^tig^l 
Schiff  hatte,  wie  alle  Schiffe  in  den  Docks,  Flaggengala  angelegt  und) 
präsentiefte  sich  in  seinem  Schmucke.  Ich  kann  atif  Cnind  eingehend) 
Besichtigung  der  «Elektra*  für  die  rübmltch  bekannte,  den  Reisenden^ 
so  bequeme  Einrichtung  der  Ltoyd-Schiffe,  nie  für  die  auf  denselben 
herrschende  Nettigkeit  und  Reinlichkeit  nur  ein  neues  glänzendes 
Zeugnis  ausstellen.  Es  ist  erfreulich  zu  hören,  dass  auch  Engländer  die 
Uoj-d-Sduffe  mit  \'orUebe  benutzen.  Ge\%'iss  ein  sehr  nachdrücklich  zu 
Gunsten  unseres  Lloyd  sprechendes  Moment;  zumal  bei  der  auch  unter 
den  verschiedenen  Schiffohrtsgesellschaften  herrschenden  Concurrenz^ 
welche  kaum  mehr  einem  wirklichen  Bedürfnis  entspricht,  sondi 
sogar  Gefahren  für  reelle  L'ntemehmungen  hcraulbesch«-ören 
Jeder  Osterreidier  muss  den  Wunsch  h^en,  dass  es  dem  Lloyd 
ttcfat  werde,  in  einer  seinen  überkommenen  guten  Traditionen  und 
seinem  specifisf^  heimatiichen  Charakter  entsprechenden  Weise  jeden 
Wettbewerb  zu  bestehen.  Wo  dieses  Ziel  in  Frage  steht,  darf  man  selbst 
vor  ettter  noch  ausgiebigeren  Staatssubventton,  als  die  jetzige  ist,  nicht 
zurädcscheuen;  denn  dieselbe  wird  in  den  Händen  einer  der  Wichtigkeit 
des  L'niemehmens  bewusslen  Leitung  goldene  Früchte  zeiligen,  nicht 
b)o6  für  die  .\cttooäre.  sondern  auch  für  die  vaterländische  Production, 
für  da&.\nsetocn  der  Monarchie,  deren  Flagge  der  Uoyd  in  diesen  Meeren 
repräsentieTt.  Mit  den  wärmsten  Wünschen  für  ein  gtückiicfaes  Gedeihen 
des  Lloyd  verließ  ich  die  -Elektni«.  nicht  ohne  ihre  Ladung  durch  Grüße 
für  die  Heimai  vermehrt  zu  haben. 

In  dem  von  der  Munidpalität  erhaltenen  \'ictoriapukev 
uns  nun  zunächst  zuwandten,  besitzt  Bombay  eine  zoolo^sch-l 
nischeGortenanUge,  —  ein  tropisches  Schönbnmn  —  welche  die  vollste 
.\oerkennung  verdient,  wenn  sie  sich  auch  nicht  mit  dem  Peradenia- 
Garten  auf  t'eylon  messen  kann.  Tis«".  Bären.  Panther.  Gazellen  und 
.Antilopen.  StrauJ  .u,:m  den  \'ertusl  ihrer  Freiheit 

I   kleinen,^^^  : sehen  denen  in  gi 


<adM 


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11 


Anordnung  Sträucher  gruppiert  sind.  Besondero  Sorgfalt  wird,  dem 
englischen  Geschmacks  ßemäß,  dem  Rasen  zugewendet,  der  infolge 
steter   Überrieselung   In    erquickendem   Grün,    einem    Sammttepplche 

Ȋhnlich,  prangt. 
F  An   die   abermalige   Plünderung  von  Tellcry's  Schätzen   schloss 

^ch  eine  Fahrt  —  ein  »Bummel«  —  durch  die  belebtesten  Straßen 
les  Eingeborenen-Viertels. 
[  Die  Häuser  sind  bis  zum  Giebel  hinauf  bewohnt,  ja  vollgepfropft, 
was  der  Reinlichkeit  bedeutenden  Eintrag  thut.  In  dem  Erdgeschosse 
befinden  sich  durchwegs  Kaufläden  und  Bazars;  hier  werden  alle 
Gattungen  Waren,  darunter  zahlreiche  europäische  Erzeugnisse,  feil- 
geboten, die  stets  von  einer  schreienden  Menge  umlagert  sind.  Sehr 
erfreulicher  Weise  findet  man  in  diesen  Warenlagern  viele  heimatliche 
Fabrikale,  besonders  Papier.  Kurz-,  Hart-  und  Glaswaren.  Wolldecken 
und  Fez,  letztere  sämmtllch  aus  Strakonitz  in  Böhmen.  Ein  schwung- 
voller Handel  wird  auch  mit  österreichischem  Cölnerwasser  getrieben, 
welches  die  Hindus  tleißig  an  Stelle  des  verbotenen  Weines  trinken. 
eine  Thatsache,  die  unbedingt  für  die  vorzügliche  Qualität  sowohl  der 
betrelTenden  Mägen,  als  auch  des  Fabrikates  spricht. 

Einzelne  alte  Häuser  mit  etwa  zweihundertjährigen,   verschnör- 
kelten   Holzverzierungen,   kleinen    Giebeln,  Erkern   und  PiJastern,   die 
aus   dem   unverwüstlichen  Black   wood  hergestellt  sind,  sowie  kleine 
Moscheen    und    Hindu  -  Tempel    unterbrechen    malerisch    die    langen 
Häuserreihen.   Besonders  in  die  Augen  springt  der  bunt  bemalte  und 
mit  Statuen    von  Affen   und  Pakiren  geschmückte  Kaibadewi-Tempel. 
^^^         In    den  Straßen   drängt  sich   eine   lärmende  Menge,   zusammen- 
^^BJHVürfelt   aus   Völkern  Asiens,  Afrikas,  Europas  und  Oceaniens,  ein 
^^fpüidelnder  Thurmbau  von  Babel.  Buntbewegte  Bilder  ziehen  an  des 
^^Wetrachtenden  Auge  vorbei.  Das  Hauptcontingent  stellen  selbstverständ- 
lich die  Hindus;  dazwischen  eilen  Parsen  und  Mohammedaner  geschäftig 
hin  und  her:  schweigsame  Araber  im  schwarzen  Burnus  kommen  vom 
Pferdemarkte  herbeigerilten;  hin  und  wieder  sieht  man  Afghanen  und 
tibetanische  Bettelmönche. 

Bemerkenswert  ist  die  Höflichkeit  aller  Eingeborenen  gegen 
Eurnpaer,  denen  sie  allenthalben  freundliches  Entgegenkommen  zeigen. 
Auffallend  heben  sich  aus  der  Menge  ab  die  Fakire,  worunter  man 
gewöhnt  ist.  jeden  religiösen  Bettler  ohne  Unterschied  zu  verstehen, 
ischon  die  Inder  mit  jenem  Worte  nur  Bettler  mohammedanischen 
rfoubens  bezeichnen,  während  die  frommen  Bettler,  welche   eine  der 


:r.'i_-Ki.--'.irr.  rüitr".  kTiZirrt  Nt^itr.  f_hrirn.  u-ji  z»"£r  G':'ii»~   0--'=^'  . 

Oi::'.i'.;i's".    die   E"S£r"^r,z   tui*rl:r?:   ia^'-z^-h.   c.ti-^  k£  ;:e:;  Le-r  ~:: 

-i--:-fe-.ir~   St-.di'.r.'Iz  ur.d  Zi-'c-r^r  bi3a'irr_  Bet:elrjd  zie'r.sr.  i:e~; 

f&-ii::-:r,tn  Wthrst,  V'i-r.  Htu*'  zu  Haur.  N.:r  aSziriäufig  aher :?:  d:= 
>:.''. irrnrare  Er.lrigurg  iti-  Fekiri-  r.:r  i*r  Derkxsr^iei  für  j£5  Bi5iret»en 
r-iir.  r^.--.?-  -^r.d  ait^iir.:.;^:::  Wi.r/Jebs-  Dsr  H-r.iu  ha:  f^  den  Fak:r 
::r.^  y.i;~  hilfjrert::^  Ha~c  i;rd  ur:be=chränir:i  Ga>~'rei:::i«-chaft,  ■;:■.; 

Mi-k-;  it>  Fakirs  Vi:*>erg5r.  «:rh  :r.£r.;!;r:i&I  a,;;h  i-chwere  Veitrecher. 
du  y.:r.  fcjf  diese  Weise  der.  Ai:ger:  der  P-Aizsi  zu  e^iziehen  -r^der  Jcmzh 
v...r  der-elren  zu  sjhii'.zer:  irazhrer..  da  be:  de:TJ  Far.aiismus  der  Hindu? 
i-.T.  cir.Esbr-rener  Pcliieman  r.ur  s,:hw=r  wager  kar.r.,  a:i  eir.er.  Fakir 
H^r.S  a-zuleger..  Die  eirheim-s^he  V-:'.:zi':.  kir.r.ilzzh  ar.  blauer  LV-ifonr; 
rr.::  li^lv-zelben  Auf^ch;äi:cr.  i:r.d  MOtztr-  >•:'.'.  übrger.s,  wie  man  mir 
sai^e.  i;ariZ  Vorzüglichem  ieifter:. 

Aili;  erdenklicher,  Far.rzei;;:;,  Y-.-zr.  lar.desüf.ijheti  kleinen,  rri: 
zwei  Zebucchser.  be=riir.r.:er.  Karrer:.  de=>er:  Wandseiten  meist  bemal: 
■::r.J.   'r:>    zu    dem  eleirar.ten   ci:rvrLi:>jh.e::    I-ar.daiier.  durcheilen   die 

I.'ngemeir.  rvh  beh.injelr.  die  eir.irebcrener.  Ler.ker  die  schnellen 
Zc'ruOchslein:  öenr.  um  j.:e  zu  irr'glich;.;  r.i>che:n  I-acfe  zu  bringen, 
Jrehvr.  ihre  Peiniger  ihr.er  d:e  Schweife  irr  Kreise,  durch  welch  barba- 
ni^che  Procedur  oft  sogar  die  Schweifwmzd  gebrochen  wini-   Das  Los 


■pe: 

■tHii 


tich  kein  Krnnschatz  mit  Harichands  Kostbarkeiten  messen   kann.  Der 

'Mann  ist  im  eigentlichsten  Sinne  des  Wurtes  .steinreich-  und  furdertü 

ose  Preise,  dass   es   unmuglich  war,  mit  ihm   handelseins  zu 

'erden  und  ich  daher  —  mehr  der  Noth  gehorchend  als  dem  eigenen 

'riebe  —  der  Versuchung  nicht  erlag. 

Für  5  Uhr  nachmittags  war  eine  Gartenpartie  in  Pare!  ^  einem 
Sommersitz  des  Gouvemeurs,  ungefähr  4  km  von  Bombay  —  angesagt. 
Daselbst  konnte  man  auf  der  Straße  die  gesammte  Bevölkerung  sehen, 
die  uns  lebhaA  begrüßte.  Auf  einer  großen  Wiese  mitten  im  Parke 
^stand  eine  mit  rolhem  Tuch  überzogene  Estrade,  auf  welcher  die  hohe 
(Seilschaft  Bombays,  Officiere  und  Würdenträger,  angesehene  Parsen, 
indus  und  Mohammedaner  Platz  genommen  hatten. 

Vor  der  Estrade  hatte  man  ein  großes  Viereck  —  eine  Art  offener 

Reitschule  —  ausgeslcckt,  in  welchem  die  Leibgarde  des  Gouverneurs 

auf  ihren  australischen  Dienstpferden  eine  Quadrille  ritt.  Die  Mannschaft 

ler  Leibgarde  besteht  durchwegs  aus  Sikhs,  Nachkommen  jener  fana- 

iChen  Krieger,  deren  einst  Lahors  und  ganz  Pendschäb  umfassendes 

Eeich  im  Jahre  1849  nach   hartnäckigen  Kämpfen  Britisch-lndicn   ein- 

'erleibt  worden   ist.   Diese  Sikhs  stellten  sich  uns   als  schöne,  große 

(Ute  dar,  in  kleidsamer  Uniform,  langen,  rothen  Rücken  mit  einer  Reihe 

lanker  Knöpfe  und  stählernen  Ketten-Epauletten,  dazu  weißen  Hosen, 

>hen  .Stulpsliefeln  und  auf  dem  Kopfe  einen  großen,   rothen  Turban, 

umschlungen   von  einem  bunten  Überwurfstuche.  Sattlung,   Zäumung 

und   Beschlag  sind   europäisch   und    in   vorzüglichem   Zustande.   Das 

Aussehen  der  Pferde  ist  gut,  wenn  auch  unter  ihnen  viele  ziemlich  alte 

Z^u  bemerken  sind.  Die  mit  vollendeter  Kühe  nur  im  Galopp  gerittene 

latlrille   war  gut   einstudiert   und  wurde   mit  großer  Präcision   aus- 

ührt;  besonders  gut  gelangen  Moulinets,  Aufmärsche  und  verschie- 

ine  schwierige  Schlangentouren  mit  Changieren.  Zum  Schlüsse  wurde 

in  Reitern,  sowie  dem  Arrangeur  Captain  Gordon  allgemeiner  Beifall 

■zont. 

In  einer  Zwischenpause  stellte  mir  der  Gouverneur  mehrere  Damen, 
ivie  angeschene  Mohammedaner  und  einige  von  Diamanten  funkelnde 
&dschas  der  Umgebung  vor. 

Der  zweite  Theil   der  hippischen  Production  bestand  aus   einem 
I'empegging.  einem  Lanzenstechen,  wobei  vier  Pflöcke  in  den  Boden 
rsltrckt  waren,  welche  von  vier  in  voller  Carriere  ansausenden  Reitern 
Bit  den  Lanzen  aufgespießt  werden   mussten.  Auch   bei   dieser  Übung 
vielen  sich  die  Leute  als  gewandte  und  geschickte  Reiter. 


Zum  Schlüsse  des  Festes  zeigte  mir  der  Gouverneur  noch  das 
Schloss  von  Parel,  ein  unschönes  Gebäude,  einst  ein  portugiesisches 
Kloster,  sowie  den  Park  mit  einem  großen,  ummauerten  Teich,  an 
dessen  Ufern  wir  einen  herrlichen  Sünnenuntergang  genossen. 

Den  Abend  beschlossen  ein  Galadiner  und  eine  musikalische  Soiree 
im  Government  House.  Im  Verlaufe  der  letzteren  machten  einige  Damen 
den  X'ersuch.  mehrere  Liebeslieder  zum  besten  zu  geben,  worauf  ein 
Violinkünstler  eine  undefinierbare  Weise  zum  Vortrage  brachte.  Endlich 
gab  uns  noch  ein  Taschenspieler  Proben  seiner  Fertigkeit,  nicht  ohne 
dass  einige  derselben  die  lebhafteste  Heiterkeit  unserer  hebenswürdigen 
Hausfrau  erregt  hiilten. 

Bombay  — Tandur,  20.  Jänner. 

Nachdem  morgens  die  Post  erledigt  worden  war,  fuhr  ich,  weil 
aller  guten  Dinge  drei  sind,  nochmals  zu  Teller>',  um  meine  Einkäufe 
zu  vervollständigen. 

l'm  12  Uhr  erfolgte  im  Government  House  zum  bleibenden 
Gedächtnisse  an  meine  Anwesenheit  die  photographische  Aufnahme 
einer  GRippe,  bestehend  aus  mir.  I,ord  und  Lady  Harris  und  allen  zum 
Hause  gehörigen  Herren  und  Damen. 

Dann  besichtigte  ich  den  Stall  Lord  Harris".  In  offenen  Ständen 
sind  australische  Wagen-,  sowie  englische  und  arabische  Reitpferde  und 
Polo  Poniüs  untergebracht.  .Als  Stallmeister  des  Gouverneurs  fungiert 
dessen  Leibarzt,  welcher  dieser  .Aufgabe  mindestens  ebenso  gewachsen 
sein  soll,  wie  der  heilkünstlerischen.  Die  Pferde  befinden  sich  in  guter 
("iindition.  obwohl  manche  infolge  der  scharfen  Bewegung,  namentlich 
hei  Heizjagden  auf  Jem  harten  Boden,  niedergebrochen  sind-  In  ganz 


des  im  Innern  gelegenen  Hochlandes  von  Dekhan.  Im  Süden  finden  dirfH 
weniger  wild  als  beschwerlich  erscheinenden,  durchschnittlich  1200«! 
hohen  West-,  sowie  die  niedrigeren  und  weniger  bedeutenden  Osighäb^ 
eine  Fortsetzung  in  den  bis  zu  2630  m  Höhe  ansteigenden,  waidreichen 
Gebirgen,  Nil  giri.  den  -Blauen  Bergen-.  Bei  der  Station  LanauÜ  erreicht 
die  Bahn  ihren  höchsten  Punkt  und  zieht  dann  ziemlich  eben  fort  durch 
cultiviertes  Land.  Spät  abends  passierten  wir  Puna  (Poona)  —  119  ihn  , 
südöstlich  von  Bombay  —  die  Lieblings-Sommerresidenz  des  Gouver^ 
neurs.  woselbst  sich  auch  das  Lager  sämmtlicher  Truppen  befindet,  di« 
dort  manövrieren. 


Jagdlager  in  Tandur. 


Jagdla^'er  in  Tandiir. 


TaiuUir,  21.  Jännor. 


^^P  Nach  t;iner  auf  meinem  imgewolmlen  l.nger  schlechl  viirbniclitun 
Nacht  war  das  tirstc,  was  ich  sah.  eine  Ehrencompagnie  der  Truppen 
des  Nisams  von  Haidarabad  (Hyderabad),  die  mich  bei  Wadi  an  der 
Grenze  des  »Staates-  —  richtiger  gesagt  des  Gebietes  —  dieses  unter 
britischem  Schutze  stehenden  Pursten  enipfieng.  Wiewohl  mit  dem 
äuÜcrlichen  Prunke  der  Macht  ausgestattet  und  über  etwa  214.000  in/" 
mit  1 1  '/*  Millionen  Kinwohnern  herrschend,  ist  der  Nisam  von  Haidara- 
bad oder  Golkonda  doch  keineswegs  ein  unumschränkter,  sondern  nur 
ein  tributpflichtiger  Maharadscha,  welchen  ein  englischer  Resident  und 
die  britische  Besatzung  der  Hauptstadt  bewachen,  unter  dem  Vtirwiinde, 
ihn  zu  schützen. 

Ich  lag  noch  im  Bette,  konnte  dasselbe  so  rasch  nicht  verlassen 
und  blickte  nur  durch  die  Fenster  auf  die  festlich  geschmückte  Station. 
Uiu    Compagnie    bestand    aus    schönen,   schwarzen    Leuten    mit   auf- 
__ gedrehten  Schnurr-  und  Backenbärten, 

HL.        Die  Gegend,  die  wir  bis  Tandur  durchfuhren,  ist  wenig  reizvoll, 

^^Pne    weite    Ebene,   nur  hin    und   wieder   von    niedrigen   Hügelketten 

■^lurch zogen,  wo  Culturland  mit  großen,  öden,  sterilen  Flächen  wechscll, 

auf    denen     nur    vereinzelt   stacheliges    Dornengestrüpp    wächst    und 

Sltfin-  sowie  Felspartien  und  erratische  Blöcke  sichtbar  werden,  In  den 

io,i 


Feldi^m  sieht  man  Lein,  Ricinus,  Dschowari  (eine  Hirseart),  den  Baum- 
wiillstrauch,  Mais  und  Tabak  angebaut.  Eigen Ihümlich  ist  die  Art  da 
Aciieriiiig,  bei  welcher  man  sich  noch  ganz  primitiver  Pflüge,  einfacher 
Baumstämme  mit  Wurzelhaken  bedient.  Die  Egge  wird  durch  zusammen- 
gebundene Reisigbündel  vertreten  und  die  Frucht  dort,  wo  Sense  und 
Sichel  unbekannt  sind,  einfach  mit  der  Hand  ausgerissen.  Allenthalben 
erblickt  man  in  der  Nähe  der  Ortschaften  —  die  Behausungen  der 
Eingeborenen  sind  hier  schon  aus  Stein  gebaut  —  zerstörte  unJ 
verfallene  Forts  und  sonstige  Befestigungen,  Denkmüler  aus  der  Zeit. 
als  die  Rädschas  und  Fürsten  des  Landes  untereinander  in  steter  Fehde 
gelebt  haben.  Auch  portugiesische  Forts  mit  runden  Eckthürmen  und 
crenelierten  Mauern  sind  noch  vorhanden. 

Nach  zweiundzwanzigstündiger  Fahrt  hatten  wir.vonWadi  aus  die 
Nizam's  Guaranteed  State  Railway  benützend,  Tandur  erreicht,  von  wn 
aus  sofort  eine  dreitägige  Jagdexpedition  angetreten  werden  sollte.  Der 
Nawäb  Vicar  ul-Umra,  ein  Vetter  des  Ministers  desNisams,  war,  gefolgt 
von  mehreren  Engländern  und  SchikärTs,  auf  dem  Bahnhofe  erschienen, 
um  mich  zu  begrüßen.  Unter  den  Anwesenden  befand  sich  auch  der 
Commandant  der  Truppen  des  Nisams,  Oberst  Nevill,  der  unseren  Zug 
bereits  in  Wadi  bestiegen  hatte  und  mir  nun,  obwohl  Engländer  von 
Gehurt,  im  reinsten  Wienerisch,  welches  er  seit  18  Jahren  nicht  mehr 
gesprochen,  seine  Erlebnisse  erzählte.  Er  hat  vormals  in  unserer  .Armee 
gedient  und  war  schließlich  Rittmeister  bei  Haller-Husaren.  Während 
des  Besuches  Ihrer  Majestäten  in  Mailand  im  .'ahre  IR.'ir  hatte  Nevill 
als  Ordonnanz -Officier  des  Kaisers  fungiert  und  dann  bei  Magenta  als 
Adjutant  Gyulays  das  Militär-Verdienstkreuz  mit  der  Kriegsdecoration 
errungen.  P-r  quittierte  nach  dem  Feldzuge  mit  Charakter  und  zog  sich 
nach  England  zurück,  von  wo  aus  er  später  nach  Indien  in  den  Dienst 
des  Nisams  kam,  als  dessen  Generalissimus  er  bei  Hofe  eine  sehr  ein- 
llussreiche  Stellung  einnehmen  soll. 

Es  währte  ziemlich  lange,  bis  wir  im  Stande  waren,  aufzubrechen, 
da  insbesondere  die  Veriadung  des  für  die  Jagd  erforderlichen  Gepäckes 
geraume  Zeil  beanspruchte  und  die  Verständigung  mit  den  Eingeborenen, 
welche  uns  voll  blinden  Eifers  immer  wieder  an  Steile  der  richtigen 
die  unrichtigen  Gepäckstücke  entrissen,  schwierig  war.  Endlich  waren 
wir  llott. 

In  einer  groücn,  goldbcmaltcn,  von  einem  Artilleric-Viererzugfr 
gezogenen  Goach  fuhren  wir  fürs  erste  durch  Tandur,  das  noch  mitu 
Ringmauern  und  Befestigungen  verschen  ist,  dann  einige  Meilen  quec" 


landeinwärts,  um  das  ütwa  Mi  i'ui  entfernte  Jagdluger  zu  erreichen,  das 
wir  drei  Tage  lang  bewohnen  sollen.  Wie  staunte  ich,  als  ich  eine 
völlige  Stadt  von  Zelten  betrat,  die,  an  den  Seiten  einer  großen,  freien. 
quadratischen  Fläche  aufgeschlagen,  mit  dem  höchstmöglichen  Mati 
von  Bequemlichkeit  und  Luxus  eingerichtet  waren. 

In  der  Mitte  des  Lagers,  dem  Eingange  gegenüber,  steht  das 
grüße  Speisezelt,  Hatim  für  eine  Tafel  von  20  Personen  bietend,  vor 
demselben  aber  ist  unter  einem  Zeltdach  ein  grnjäer  Salon  situiert. 
versehen  mit  den  bequemsten  Möbeln,  mit  Schreibtischen  und  einer 
Sammlung  von  Büchern.  An  diesen  Salon  anschließend,  liegen  die  für 
uns  bestimmten  Zelte,  deren  jedem  von  uns  eines  zugewiesen  ist,  das 
L'in  vortreffliches  Bett,  einen  sehr  eleganten  Schreibtisch,  sonstige 
Möbel  und  schwellende  Teppiche  enthält.  Das  für  mich  bestimmte 
Zelt,  vor  dem  auf  einer  hohen  Flaggenstange  meine  Standarte  weht, 
zeichnet  sich  durch  seine  Größe  aus  und  macht  thatsächlich  den 
Eindruck  eines  Hauses.  Die  18  Zelte,  die  wir  bewohnen,  umgibt  eine 
hohe  Einfriedung,  außerhalb  welcher  noch  40  Zelte  stehen,  für  die 
Schar  der  Diener,  Köche,  Jäger  und  Pferdewärter.  Ungefähr  400  Ein- 
Uehrirene.  welche  als  Handlanger  und  Treiber  verwendet  werden  sollen, 

ksind  in  Laubhütten  bequartiert,  zwischen  denen  Rinder,  Büffei,  Ziegen 
und  Schafe  in  Herden  weiden,  welche  den  täglichen  Bedarf  an  Fleisch 
hefem:  denn,  um  sich  militärisch  auszudrücken,  der  Verpflegsstand 
Unseres  Lagers  beträgt  über  500  Mann. 
Beim  Eingang  in  das  Camp  war  eine  einheimische  Ehrenwache 
ton  30  Mann  aufgestellt,  welcher  sich  7  kolossale  Eiephanten,  die  für 
-le  folgenden  Jagdtage  dienen  sollten,  und  '20  reichgeschirrte,  prächtige, 
änibische  Rosse  unter  .Aufsicht  von  zwei  Stallmeistern  in  grüner  Livree 
«"reihten. 

I  Dieses  in  wahrhaft  großartigem  Stile  angelegte  Jagdlager  ver- 
•ike  ich  dem  Nisam  von  Haidarabad,  der  sich  bald  telegraphisch 
^h  meinem  Befinden  sowie  danach  erkundigte,  ob  ich  mit  den 
«offenen  Einrichtungen  zufrieden  sei. 
Nach  der  .Ankunft  im  Lager  wurde  mir  der  Sohn  des  Nisams 
•"6«stellt,  dem  ich  durch  den  Dolmetsch  meine  Freude  über  den  glän- 
*®ncien  Empfang  auf  dem  Gebiete  von  Haidarabad  ausdrückte. 

Sodann  besichtigten  wir  die  Pferde,  welche  von  den  Stallmeistern 
Nisams   vorgeritten   wurden,   sowie   die   Eiephanten,   deren  lange 
tzähnc  mit  dicken,  reich  verzierten  Eisenringen  gegen  das  Splittern 
Schützt  waren. 


des 


Sobaltl  unsere  liagafjL'  angelangt  war,   Icj^Ic  icli  Jiigdkicidur 
und  durchstreifte  mit  Wurmbrand  die  umliegende  Gegend,  während 
anderen  Herren  einen  Ritt  unternahmen.  Mir  fielen  bei  diesem  kui 
Auslluge  Vertreter  verschiedener,  mir  noch  neuer  Vogelarten  zur  Beul 
so    unter    anderem   zierliche   Wachteln    (Turnix   dussumieri),    — 
den   Engländern  Buttanquail  genannt  —  femer  Tauben,   Sänger 
Schmätzer.  Auf  niedrigen  Tamariskenhäumen  fand  ich  zum  erst 
male   eine   größere  Anzahl  der  so  kunstvoll   geflochtenen    Nester 
Webervogels. 

Die  Flora  war  nicht  sehr  reich  vertreten,  nur  eine  strauchartige 
Rosacee  mit  reichen,  gelben  Blüten  tiel  mir  auf,  welche  vielfach  als 
Opfergabe  in  Tempeln  Verwendung  findet,  seitdem  den  praktischen 
Indern  die  früher  gebräuchlichen  Goldopfer  doch  zu  kostspielig  gewor- 
den sind.  So  bringen  sie  denn  jetzt  statt  gelben  Goldes  gelbe  Blüten 
dar.  Wer  erinnerte  sich  da  nicht  der  klagenden  Worte  Kalchas'  über 
abnehmende  Opferfreudigkeitl  .... 

Günstigste  Botschaften  liefen  über  Tiger  ein,  welche,  wie 
hieß,  ein  angebundenes  Kalb  gerissen  hatten  und  sich  nach  Aussage 
der  Schikäris  in  einem  nahen  Dschungel  befanden.  Abends  erhielt 
ich  ein  Telegramm  Mr.  Jevers'  aus  Colombo,  welches  die  höchst 
erfreuliche  Nachricht  brachte,  dass  ein  großer,  von  mir  angeschweißter 
ülephant,  wahrscheinlich  jener,  auf  den  ich  am  8.  Janner  geschossen 
hatte  und  der  auch  gestürzt  war,  auf  ICHX)  m  vom  Anschüsse  verendet 
gefunden  worden  sei.  J 


1 


Tand  11  r. 


I.  Jänna 


Die  englischen  und  die  einheimischen  Jäger  wollten  erst  gegen 
1 1  Uhr  Vormittags  ausziehen,  mit  der  Begründung,  dass  um  diese  Stunde 
die  Tiger  träger  und  leichter  zu  treiben  seien.  Ich  war  zwar  mit  diesem 
spaten  -Aufbruch  nicht  einverstanden,  doch  fügte  ich  mich  den  landes- 
üblichen Sitten,  und  so  schickten  wir  denn  unsere  Jäger  und  Gewehre 
mit  einer  Anzahl  Elephanten  voraus,  um  nach  einer  halben  Stunde  auf 
den  Pferden  des  Nisams  zu  folgen. 

Diese  Pferde  sind  ganz  eigenthümlich  zugeritten,  oder  in  unserem 
Sinne  gesprochen,  eigentlich  verritten;  ganz  hinler  der  Hand,  sind 
sie  gewöhnt,  von  ihren  Reitern  durch  beständige  Hilfen  gezwungen 
zu  werden,  eine  schöne  Figur  zu  machen,  so  dass  sie  ununta 
brochen  tänzeln  und  croupieren,  was  auf  die  Länge  der  Zeil  ktilB 
erträglich  ist. 


;  Jagdgelegenheit,  in  der  auf  Tiger  getrieben  werden  snilte. 
bildeten  niedrige,  mit  Strauchwerk  überzogene  Hügelketten,  durchquert 
v..n  kleinen  Schluchten  und  Thälern,  die  in  fharakter  und  Aussehen 
mich  an  die  Hügel  der  Üdenburger  Gegend  erinnerten. 

Schon  in  Bombay  hatten  wir  jeden  Tag  mindestens  drei  Tele- 
gramme erhalten,  welche  uns  die  Nachricht  brachten,  dass  die  Tiger 
stets  an  einer  bestimmten  Stelle  gerissen  hätten  und  daher  der  Erfolg 
heinahe  sicher  sei.  Somit  durften  wir  die  besten  Hoffnungen  hegen  und 
J^cgcn   frohgemuth   unseres  Weges   lürbass.   Wir   waren  kaum  einige 
Meilen  geritten  und    näherten   uns    eben    dem  Jagdplatze,    als    ver- 
schiedene  Schikän's   herbeigelaufen  kamen  und   lebhaft  gesticulierend 
Unserem  Jagdarrangeur    Mr.    Stevens    eine   Meldung   erstatteten,   .Auf 
"leine  Frage  wurde  mir  bedeutet,  dass  die   Chancen  nicht  so  günstig 
stünden,    als   ursprünglich  gedacht,  die   Nachricht  von  dem  gerissenen 
Kalbe  sei   eine   irrthümliche  gewesen,  das  Kalb  habe  sich  losgemacht 
UnJ   lebe  vergnügt. 

Nicht  lange  darauf  kamen  Eingeborene,  mit  welchen  die  Schikäris 
eirie  lange  Berathung  pflogen,  deren  Ergebnis  war,  dass  sie  mir  erklärten, 
es  sei  für  heute  nichts  mehr  zu  machen,  der  Tiger  hätte  nicht  gerissen 
und  das  Beste  wäre,  ins  Lager  zurückzukehren.  Bitter  enttauscht  durch 
diese  Nachricht,  nahmen  wir  unter  einer  großen  Tamariske  ein  Trost- 
frühstfick  ein  und  kehrten  auf  demselben  Weg  in  das  Lager  zurück, 
welchen  wir  vor  kurzem  in  der  sicheren  Erwartung  gekommen  waren, 
die  in  .Aussicht  gestellten  Tiger  zu  finden. 

Da  die  Uhr  erst  die  zweite  Stunde  zeigte,  streifte  ich  mit  meinen 
Herren  noch  durch  einige  Zeit  quer  durchs  Land,  um  wenigstens  die 
«rnithologische  Sammlung  und  die  Küche  zu  bereichern.  In  den  bebauten 
Feldern,  in  welchen,  auf  Hühner  oder  Schakale  zu  stoßen,  wir  zuver- 
sichtlich gerechnet  hatten,  trafen  wir  merkwürdigerweise  gar  kein  Wild; 
dafür  aber  waren  die  Ränder  der  vielen  kleinen  Teiche  und  die  nassen 
Keisfcldcr  so  reich  an  Bekassinen  und  Strandläufern,  dass  wir  deren 
*^1<I  eine  ansehnliche  Anzahl  erlegt  hatten,  die  unserem  Koch  üher- 
Wbcn  wurden. 

Vor  unserem  .Aufbruche  hatte  ich  mitten  zwischen  den  neben 
unserem  Camp  gelegenen  Hütten  der  Eingeborenen  ein  abgehäu- 
'•^'"s  Schaf  als  Luder  niederlegen  lassen  und  konnte  nun,  nach  der 
'^'ickkehr  im  Verlaufe  weniger  Minuten  i:J  Schmutzgeier  (Neophron 
sifginianus)  und  2  Schmarotzer-  oder  i'ariah-Milane  {Milvus  govinda) 


Tandur,  23,  Jänner. 

(.Ibschon  der  Rath  der  Jagdkundigen  beschlossen  hatte,  dass  wir 
heute  recht  früh  aiiflirechen  -sollten,  um  den  ganzen  Tag  vor  uns  zu 
haben  und  mehrere  Triebe  nehmen  zu  können,  war  es  bei  der  fatalei 
Unpünktlichkeit  und  ZeilvertrÜdeUing,  welche  hierzulande  Europäi 
wie  Eingeborene  auszeichnen,  leider  10  Uhr  geworden,  bevor  wir  uns 
in  Bewegung  setzen  konnten. 

Die  Zeit  bis  zum  Start  wurde  durch  einen  mir  neuen  Spurt  —  eine 
improvisierte  Falkenjagd  —  verkürzt.  Mehrere  Hindus  aus  HaidarabaJ 
hatten  abgerichtete  Falken  und  einen  gefangenen  Reiher  herbei  gebracht, 
den  sie  im  Lager  in  Freiheit  setzten.  Kaum  hatle  dieser  eine  gewisse 
Distanz  durchmessen,  so  lösten  die  Hindus  einem  Falken  die  Kappe 
und  alsbald  strich  derselbe  in  pfeilschnellem  Fluge  dem  Reiher  nach, 
stieg  in  die  Luft,  um  dann  wie  ein  Blitz  niederzusausen,  den  Reiher  mit 
den  Fängen  zu  Boden  schlagend.  Hierauf  hieb  der  Falke  seinem  Opfer 
Fänge  und  Schnabel  in  den  Rücken  ein  und  begann  zu  kröpfen.  Noch 
zwei  andere  Falken  wurden  lanciert,  die  von  weitem  herstreichend  eine' 
emporgeworfene,  todte  Krähe  mit  seltener  Geschicklichkeit  in  der  Lul 
li  engen. 

Doch  Wichtigeres  rief  uns.  Neuerdings  waren  uns  die  schönsten 
Versprechungen  gemacht  worden;  die  Tiger  hätten  bestimmt  gerissen 
sie  seien  unbedingt  innerhalb  zweier  .sicherer  Triebe,  in  welchen  mar 
sie  brüllen  gehört  habe. 

Wir  ritten  denselben  Weg  wie  tagszuvor,  bis  unter  dem  groß« 
Tamariskenbaume  abermals  eine  lange  Berathung  erfolgte,  worai 
jeder  von  uns  bestimmt  wurde,  einen  Elephanten  zu  besteigen,  Es  wi 
das  erstemal,  dass  ich  in  einer  Häuda  saß.  Ein  eigenthümliches,  frei 
artiges  Gefühl,  auf  dem  Rücken  des  mächtigen  Thieres,  hoch  über  di 
Boden  in  einem  wannenartigen  Behältnis  zu  schweben,  welches  beii 
Gange  des  Elephanten  in  starke,  nach  vor-  und  rückwärts  wiegend' 
an  das  Schwanken  eines  Schiffes  erinnernde  Bewegung  versetzt  wii 
Schon  beim  Einsteigen  beginnt  die  Schwierigkeit,  die  übrigens  niel 
ohne  komische  Seite  ist:  der  Elephant  lässt  sich  nieder,  man  steigt  ül 
dessen  Hinterläufe  auf  die  abschüssige  Croupe  und  schwingt  sich 
die  Häuda;  hebt  sich  der  Elephant  nun,  so  geschieht  dies  zuerst 
den  Vorderfüßen,  dann  mit  den  kürzeren  Hinterfüßen,  so  dass  die  Häut 
beinahe  senkrecht  zu  stehen  kommt,  wobei  man  sich  fest  anklammei 
muss,  um  nicht  hinausgeschleudert  zu  werden. 


EU     H 


4 


Der  Elephant  wird  durch  einen  Mahäut  (Mahäwatj  gelenkt,  der 
auf  dem  Kopfe  des  Thieres  silzt  und  ihm  mit  einem  spitzigen  Haken 
fGadschbag)  sowohl  das  Tempo  als  die  Direction  angibt,  bald  rechts,  bald 
links  in  die  dicke  Haut  stechend.  Elephant  und  Führer  leben  .stets  trotz 
der  manchmal  etwas  unzarten  Behandlung  des  Thieres  im  besten  Ein- 
vernehmen; der  Mahäut  spricht  unausgesetzt  mit  dem  klugen  Thiere, 
und  dieses  erfüllt  pünktlichst  seines  Lenkers  Wünsche,  indem  es  sich 
auf  Befehl  niedersetzt,  den  Fuß  emporhält,  um  den  Mahäut  aufsteigen  zu 
lassen,  den  Rüssel  hebt,  umkehrt,  und  thut,  was  sonst  noch  des  Lenkers 
Begehr.  Wird  der  Elephant  ungezogen,  was  zeitweise  vorkommt,  so 
erhält  er  einige  sehr  kräftige  Hiebe  auf  den  Rüssel,  die  er  mit  tronipeten- 
artigem  Gebrülle  quittiert.  Kummen  die  Elephanten  an  Wasser,  so 
trinken  sie  mittels  des  Rüssels  oder  pumpen  sich  an  und  entnehmen 
später,  wenn  die  Hitze  groß  und  die  Fliegenplage  arg  ist,  dem  Maule 
mit  dem  Rüssel  eine  Quantität  ihres  Vorrathes  und  bespritzen  sich  den 
ganzen  Leib;  manche  Mahäuts  lassen  ihre  Thiere  sich  niederlegen  und 
so  ein  ßad  nehmen.  Gegen  Fliegen  sind  die  Elephanten  trotz  der  Dicke 
ihrer  Haut  ungemein  empfindlich;  sie  wehren  dieselben  mit  einem 
großen  Aste  ab,  den  sie  vom  nächsten  Baume  brechen.  Man  darf  nicht 
etwa  meinen,  dass  ein  Elephant  auch  nur  einen  Augenblick  ruhig 
stehe;  bald  muss  er  Fliegen,  die  ihn  quälen,  verscheuchen,  bald  Gras 
oder  Blätter  abreißen,  bald  schwenkt  er  den  Rüssel  in  der  Luft  —  mit 
einem  Worte:  die  Häuda  ist  in  steter  Bewegung,  was  die  Sicherheit 
des  Schießens  außerordentlich  erschwert. 

Bei  einem  kleinen  Teiche  zeigten  mir  die  Schikäris  eine  mächtige 
Tigerfährte,  die  ich  als  mindestens  zwei  Tage  alt  ansprach.  Auf  einem 
mit  Strauchwerk  bestockten  Hügel  wurden  wir  am  Rande  einer  gleich- 
falls dicht  bewachsenen  Schlucht  in  Zwischenräumen  von  je  100  m 
aufgestellt;  zuerst  Stockinger  und  Prönay,  dann  Wurmbrand,  Clam,  ich 
selbst,  am  rechten  Flügel  Kinsky. 

Vor  unseren  Ständen  hockten  auf  einzelnen  hohen,  das  Strauch- 
werk überragenden  Bäumen  Eingeborene,  deren  Aufgabe  darin  bestand, 
falls  ein  Tiger  sichtbar  werden  sollte,  mit  rothen,  an  langen  Stangen 
befestigten  Fahnen  den  Jägern  anzuzeigen,  welche  Richtung  derselbe 
lommen. 

Infolge  unrichtiger  Berechnung  mussten  wir  auf  den  Ständen 
iderthnlb  Stunden  warten,  bevor  der  'l'rieb  angieng,  was  bei  der  Hitz« 
und  der  fortwährend  schwankenden  und  webenden  Bewegung  des 
Elephanten  keineswegs  sehr  ergötzlich  war.  Endlich  erklang  das  Signal 


befe 
dl 


—  vier  Tamtam-Sctiläse  —  zum  Beginn  des  Triebes,  und  aishald  hiirten 
wir  auf  ungefähr  1000  m  Entfernung  das  infernaÜsche  Geschrei  det 
Treiber,  begleitet  vor  Schreckschüssen,  Trompetentönen,  Tamtam- 
Schläg;en  und  dem  Geknarre  großer  Ratschen.  Wir  lauerten  mit  gespann- 
tester Aufmerksamkeit  und  glaubten  jeden  Augenblick,  den  Tiger  aus 
dem  Dschungel  brechen  sehen  zu  müssen.  Wer  aber  nicht  kam,  war  der 
Tiger.  Dafür  sahen  wir  die  Treiber  sich  nähern,  —  es  waren  deren  liOO 
aufgeboten  --  regellos  und  höchst  vorsichtig,  zumeist  einer  hinter  dem 
andern  und  stets  auf  den  bequemsten  Stellen;  denn  diese  Leute  haben 
eben  begreiflicherweise  gruüen  Respect  vor  Tigern  und  sind,  bevor  sie 
nicht  in  jedes  Gebüsch  geschossen  oder  Steine  geworfen  haben,  nicht 
vorwärts  zu  bringen,  so  dass  ein  ganz  kleiner  Trieb  von  einigen  100  «i 
Ausdehnung  unverhältnismäßig  lange  Zeit  erfordert. 

Die  Eingeborenen  dieser  Gegend  machten  auf  mich  keinen 
besonders  günstigen  Eindruck,  da  sie  wenig  muthig,  unverlässiich,  nicht 
anstellig  und  recht  lässig  zu  sein  scheinen.  Will  man  ihnen  etwas  klar 
machen  oder  einen  Befehl  ertheilen,  so  nimmt  dies  geraume  Zeit  in 
Anspruch,  da  alles  durcheinanderschreit  und  peroriert,  worauf  sie  dann 
gerade  das  Gegentheil  von  dem  thun,  was  gewünscht  wurde. 

.Sobald  die  Treiber  zum  Vorscheine  gekommen  waren,  tischten  sie 
uns  eine  lange  Geschichte  auf:  der  Tiger  sei  im  Dschungel  gewesen,  ein 
Mann  habe  ihn  gesehen,  doch  sei  der  Tiger  ausgebrochen  —  ein  Bericht. 
den  ich  für  erfunden  halte.  Nun  war  guter  Rath  theuer.  Wir  wollten 
weiter  jagen,  der  .Arrangeur  aber  erklärte,  er  müsse  sich  zunächst  mit 
den  Schikäris  besprechen  und  dann  erst  neuerlich  abspüren  lassen, 
überdies  bedürften  die  Treiber  der  Ruhe,  was  mir,  da  sie  doch  erst  eine 
Stunde  lang  getrieben  hatten,  verwunderlich  erschien,  Schließlich  musste 
nach  landesüblicher  Unsitte  wieder  ein  Lunch  über  alle  Verlegenheiten 
hinweghelfen. 

Nachdem  wir  durch  dieses  überflüssige  Intermezzo  kostbare  Zeit 
verloren  hatten,  setzten  wir  uns  endlich  um  7*5  Uhr  nachmittags 
wieder  in  Bewegung,  um  einen,  wie  es  hieß,  ganz  sicheren  Trieb  zu 
nehmen. 

Wir  ritten  auf  den  Elephanten  in  ein  anmuthiges,  von  steilen 
Kelbpartien  umgebenes  Thal,  als  plötzlich  ein  Schikärl  unter  Geberden 
der  größten  .Aufregung  herbeigelaufen  kam  und  meldete,  er  habe 
eben  den  Tiger  giinz  in  der  Nähe  brüllen  gehört.  Zugleich  wurde  mir 
ein  angeblich  frisch  gerissenes  Kalb  gezeigt,  dessen  Zustand  aber  den 
Schikäri  Lügen  strafte,  d»  es  mindestens  vor  sechs  Tagen  verendet 


nocl 
''^  und 


Und  von  den  Geiern  schon  fast  zum  Gerippe  gefressen  war.  Auf  einem 
nahegelegenen  Baume  saßen  auch  zwanzig  ganz  vollgekröpfte,  große 
die  unsere  Anwesenheit  wenig  bekümmerte,  so  dass  sie,  auf  uns 
berabäugend,  ruhig  sitzen  blieben. 

Da  die  Elephanten  auf  den  Felsblöcken  nicht  stehen  konnten, 
lellerten  wir  auf  mächtige  Bäume,  über  deren  höher  befindliche  Aste 
einige  Querstangen  gelegt  waren,  höchst  luftige  Plätze  darstellend, 
die  uns  kaum  die  nothwendige  Sitzgelegenheit  und  der  Aste  halber 
wenig  Ausschuss  boten.  Wir  bäumten  hier  so  auf,  dass  die  Stände  der 
Schützen  etwa  einen  Halbkreis  bildeten,  und  harrten  der  Dinge,  die  da 
kommen  sollten.  Dieser  Trieb  glich  vollkommen  dem  ersten,  nur  gieng  er 
noch  langsamer  vor  sich,  da  die  Treiber  vor  der  Schlucht,  in  welcher 
angeblich  gerissene  Kalb  lag,  nicht  geringen  Respect  zu  haben 
:hienen  und  wenigstens  eine  Stunde  lang  in  die  Schlucht  schössen 
und  dabei  allerlei  Lärm  machten,  bevor  sie  es  wagten,  in  dieselbe 
einzudringen.  Die  Sonne  war  schon  lange  untergegangen,  Mond  und 
Sterne  standen  bereits  am  Himmel,  als  endlich  die  Treiber  bei  unseren 
Ständen  anlangten. 

Kurz  vorher  war  aus  einer  Felspartie  geradewegs  auf  meinen 
Baum  ein  großer  Uhu  zugestrichen,  den  ich,  als  er  knapp  über  meinem 
Kopfe  aufhackend,  mich  mit  seinen  großen,  gelben  Lichtern  erstaunt 
anglotzte,  mit  einer  Kugel  herabschoss.  Unmittelbar  darauf  wechselte 
ein  sehr  schöner  Mungo  unter  meinem  Baume  vorbei;  doch  konnte  ich 
auf  das  scheue  Thier  keinen  Schuss  anbringen. 

Allmählich  war  es  so  dunkel  geworden,  dass  wir  auf  unseren  Ele- 
phanten den  Rückweg  antreten  mussten.  Vom  Zeltlager  aus  kam  uns 
eine  ganze  Schar  Hindus  mit  Fackeln  entgegen.  Der  jagdliche  Miss- 
erfolg halte  unsere  gute  Laune  so  wenig  verscheucht,  dass,  als  Clam 
eine  der  Fackeln  ergriff  und  mit  Prönay  eine  Art  arabischer  Fantastya 
Iprovisierte,  dies  die  lebhafteste  Heiterkeit  des  ganzen  Jagdzuges 
Igte, 

Weshalb   die   mit  so  bedeutenden  Vorbereitungen  und  Kosten 

.ngicrte  Jagdexpedition  ergebnisln.q  geblieben  war,  ist  mir  nicht  ganz 

;lnr,  ich  glaube  jedoch,  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich  die  Ursache  des 

Misserfolges  hauptsächlich  in  der  Trägheit  und  L'nverlässlichkeit  der 

Kingebnrenen  sowie  in  dem  Umstände  suche,  dass  bei  der  Leitung  des 

^Unlemehmcns  nicht   bloß  jagdliche,   sondern  auch  persönliche  Motive 

ir  Geltung  gekommen  waren,  was  bei  einem  Apparate  von  der  Größe 

Complication  des  hier  aufgebotenen  wohl  eintreten  konnte. 


Morgen  wird  das  l^ger  veriassen  und  abgebrochen  werden.  Mir 
bleibt  zwar  nicht  das  stolze  B«vusstsein,  den  ersehnien  Tiger  gesehen, 
geschweige  denn  erlegt  zu  haben,  gleichwohl  aber  das  GefiJhl  hoher 
Befriedigung;  denn  der  romantische  Aufenthalt  in  der  Zeltstadt,  das 
Leben  en  plein  air,  der  anregende  Conlrast  zwischen  Civilisation  und 
Wildnis  und  nicht  zum  wenigsten  die  Gelegenheit,  mit  dem  Wesen  der 
Eingeborenen  in  zwangloser  Art  vertraut  zu  werden,  gestalteten  die  drei 
Tage  im  Jagdlager  von  Tandur  immerhin  zu  einer  sehr  interessanten 
Episode. 

Leider  zählten  wir  in  unserer  Gesellschaft  z^vei  Kranke:  Kinsky 
sowie  einen  der  Matrosen,  welche  ich  von  der  >  Elisabeth  •  mitgenommen 
hatte;  beide  waren  von  starken  FieberanßUen  heimgesucht 


Haidarabad. 


Infolge  der  gestrigen  Dispositionen  waren  wir  um  '/*  6  Uhr 
morgens  zum  Aufbruche  vom  JagJIager  gestellt:  dessen ungeachtei 
dauerte  es  eine  volle  Stunde,  bevor  sich  unsere  mit  13  Personen  voll- 
gefüllte Coach  in  Bewegung  setzte.  Die  braven  Artilleristen  fuhren 
über  jeden  in  der  Gegend  wahrnehmbaren  Stein,  so  dass  knapp  vor 
Tandur  eine  Feder  am  Wagen  brach  und  der  Rest  der  Fahrt  im  Schritt 
zurückgelegt  werden  musste.  Der  Vicar  ul-L'mra,  ein  Mann,  der  mein 
Herz  dadurch  gewonnen  hatte,  dass  er  uns  versicherte,  wir  Österreicher 
seien  sehr  gemüthliche  Leute,  die  gut  zu  jagen  und  zu  reiten  ver- 
ständen und  ihm  daher  sehr  gut  gefielen,  war  vorausgeritten  und 
wartete  bereits  auf  dem  Bahnhofe  in  Tandur.  von  wo  aus  uns  der 
Extrazug  nach  Haidarabad  brachte. 

Höchst  eigenthümlich  gestaltet  sind  die  Felspartien  und  die 
Steinhügel,  welche  vor  der  Einfahrt  nach  Haidarabad  sichtbar  werden. 
Dieselben  bestehen  aus  großer^,  runden  Granitblöcken,  welche  regellos 
geschichtet  und  häufig  zu  dreien  und  vieren  aufeinandergethürmt 
sind.  Oft  ist  es  kaum  begreiflich,  wie  die  ganz  schief  übereinander- 
gestellten  und  scheinbar  hängenden  Kolosse  sich  in  solcher  Lage  im 
Gleichgewichte  erhalten  können.  Bei  der  Einfahrt  nach  Haidarabad 
lallt  der  Blick  zunächst  auf  einen  blau  schimmernden  Teich,  welcher 
die  ganze  Stadt  mit  Wasser  versorgt,  während  weiterhin  zwischen 
Bäumen  versteckte  Paläste  und  Moscheen  her\orlugen. 

-Auf  dem  Perron  des  Bahnhofes  von  Haidarabad  standen,  umgeben 
von  goldstrotzenden  Würdenträgem  und  Adjutanten,  der  Nisam  und 
der  englische  Resident,  Mr.  Trevor  C.  Plowden.  Der  Nisam,  seiner  Macht 
und   seinem  Range   nach  noch   immer  der  erste  unter  den  Vasallen- 


Im  Verkehre  mit  Europäern  ist  er  zurückhaltend,  ja  geradezu  schüchtern 
und  äußerst  schweigsam,  gegen  seine  Landeskinder  soll  er  jedoch  recht 
energisch  aufzutreten  im  Stande  sein.  Er  kleidet  sich  stets  europäisch; 
zumeist  trägt  er  einen  schwarzen  Gehrock,  und  das  einzige,  was  der 
Nisam  von  seinem  heimatlichen  Costüm  bewahrt  hat,  ist  eine  turban- 
artige Mütze  aus  gelbem  Zeuge  mit  goldener  Quaste;  diese  Kopf- 
bedeckung legt  er  nie  ab.  Gleich  der  europäischen  Tracht  scheint  der 
Nisam  auch  europäische  Sitten  zu  lieben  und  nach  seiner  Weise 
angenommen  zu  haben,  obwohl  er  im  allgemeinen  Europäern  nicht 
sehr  hold  gesinnt  ist,  was  ihm  bei  den  Erfahrungen,  die  er  gemacht, 
wohl  nicht  verübelt  werden  kann. 

Asman  Dschäh,  der  erste  Minister  des  Nisams,  zugleich  dessen 
Schwager,  vereinigt  fast  alle  Ressorts  in  seiner  Hand;  er  ist  ein  Mann 
mit  intelligentem,  schlauem  Gesichtsausdrucke  und  nimmt  eine  wichtige 
Stellung  ein,  weil  er  als  Vermittler  einerseits  zwischen  der  englisctien 
und  der  einheimischen  Regierung,  andererseits  zwischen  dem  Nisam 
und  der  Landesverwaltung  fungiert,  .\sman  Dschäh  verfügt  über 
bedeutende  Einkünfte,  da  er  von  seinem  Hab  und  Gut  ein  Jahres- 
einkommen von  1,000.000  n.  ö.  W.  und  nebstbei  jährlich  einen  Gehalt 
von  230.000  fl.  ö.  W,  bezieht.  Der  Minister  besitzt  in  der  Stadt  Haida- 
rabad  und  auch  im  Lande  selbst  verschwenderisch  eingerichtete  Paläste, 
so  auch  den  Palast  Baschir  Bägh,  welcher  uns  als  Absteigequartier  dient. 
Die  Großen  des  Reiches,  Nawdbs  oder  Nabobs,  zumeist  Verwandte 
des  Nisams,  haben  die  hervorragendsten  Stellen  der  Administration  in 
Händen  und  zeichnen  sich  durch  Reichthum,  insbesondere  durch  großen 
Grundbesitz  aus;  einige  derselben  wohnen  stets  in  der  Stadt  Haida- 
rahad  und  erscheinen  in  Gesellschaft  des  Nisams  bei  allen  Hoffesten. 
Nawäb  bedeutet  -.abgeordneter«  und  ist  ursprünglich  der  Titel  der 
Administratoren  im  Reiche  der  Großmoguln,  später  jener  von  Großen 
geringerer  Macht,  englischer  Vasallen  gewesen,  bis  schließlich  der  Titel 
N'awäb  oder  Nabob  für  Männer  gebräuchlich  geworden  ist,  die  in  Ost- 
indien irgendwie  zu  großem  Reichthum  gelangt  sind.  Meist  wird  in 
Hindustan  dieser  Titel,  wie  in  Italien  die  «Eccellenza-,  jedem  ange- 
sehenen Manne  zugestanden. 

Nach  Vorstellung  der  erschienenen  Würdenträger  und  mehrerer 
höherer  Officiere,  sowie  nach  Abschreitung  der  Ehrencompagnie, 
bestiegen  der  Nisam  und  ich  mit  zwei  Adjutanten  einen  gelb  ausge- 
ichlagcnen,  auf  weichen  Federn  ruhenden  Galawagen,  der  von  vier 
prächtigen  a  Ih  Daumont  eingespannten  Schimmeln  gezogen  wurde. 
119 


Züc: 


V.-.r  dem  Bahnhofe  stand  das  enplische  21.  Husarenrcgiment. 
:'r.&<  un-!  mit  je  zwei  Bscadronen  vor  dem  Wagen  und  hinter  dem- 
äp.  e sortierte.  Dieses  Regiment  macht  einen  ausnehmend  guten 
iruck.  Die  L'r.if>'rm  besteht  aus  schwarzem  Attila^  schwarzen  Hosen 

reicher,  bei  der  Mannschaft  gelber,  bei  den  Öfficieren  goldener 
■cr.nümnc  und  weißem  Helme.  Die  Pferde,  durchwegs  australischer 
-.:,  >ind  im  Verhältni>se  zu  unseren  Dienstpferden  sehr  groß  unj 
•r.    und  befinden  sich,  trotz  der  eben  erst  beendeten  Manöver  in 

r  Tondition.  Der  .Ankaufspreis  der  Remonte  beträgt  72"j  El.  0.  \V 
\'om  Bahnhof  an  bis  zu  unserem  Quartiere,  dem  Palais  Baschir 
'■'..  h:r.  standen  Truppen  Spalier,  und  zwar  die  berittene  afrikanische 
■wache  des  Nisams.    2  L'hlaner.reeimenter.    3  Infanterieregimenter 

die  G'-Ikondaer  Infanteriebripade.  bestehend  aus  dem  Golkondaer 

dem  Myseram-ketnmente. 

Baschir  Bägh  dient  in  der  Regel  zur  Aufnahme  von  Gästen,  s<-'wie 
Abhaltung  größerer  Festlichkeiten,  welche  der  Minister  alljährlich  zu 
in  p^'egt.  Das  Gebäude  ist  ziemlich  groß,  mitten  in  einem  kahlen. 
;h->nen  Ga.^en  gelegen  und  mit  einer  kleinen  Privat -Moschee 
;es;atcs:.  von  der  aus  der  Muezzin  seinen  einförmigen  Gesang 
nen  lässL  Die  innere  Einrich:ung  des  Palais  ist  europäischen 
^runces,  aber  unharmonisch,  ;a  geradezu  conglomeratartig  zusam- 

_'e=:ell;  und  besteht  zum  Thei'e  aus  Decorationsgegensiänden 
■nderücher  Art:  ein  gläsernes  Billard;  Tische,  bedeckt  mit  mecha- 
hen   Spie'ereien;   Fische  und  Wild  darstellende  Farbendruckbilder, 

man  >:e  bei  uns  etwa  auf  Jahrmärkten  und  in  Försterhäusern 
-•;:  ;apan:sch^   Decken;    eine   .Anzsh!    von   Gegenständen  mannig- 


sich  bald  wieder  zurückziizielien.  Wir  richteten  uns  nun  in  unseren 
Gemächern  häuslich  ein  und  bereiteten  uns  auf  die  officieüe  Visite 
des  Nisams  vor,  dessen  Erscheinen  für  Vi-  'Jhr  angesagt  war.  Dieser 
Besuch  vollzog  sich  nach  einem,  in  allen  Details  streng  geregelten, 
mir  begreiflicherweise  ungewohnten  Ceremoniell. 

C'lam  und  Cravvford  waren  um  1  Uhr  in  die  Residenz  des  Nisams 
gefahren,  um  den  Fürsten  abzuholen.  Als  dieser,  von  einer  galop- 
pierenden Escadron  seiner  Leibwache  escortiert,  angefahren  kam, 
erwartete  ich  ihn  in  Galauniform  und  in  Ordenssternen  erstrahlend 
nächst  der  Pforte  von  BaschirBägh,  am  Rande  eines  Teppiches;  denn 
auch  dieser  Punkt  war  genau  bestimmt.  Nachdem  der  Nisam  und  ich 
in  das  Palais  eingetreten  waren,  ließen  wir  uns  auf  zwei  thronartigen, 
nebeneinander  stehenden  Stühlen  nieder.  Zur  Rechten  des  Nisams  nahm 
sein  Gefolge,  zu  meiner  Linken  meine  Suite  Platz,  so  dass  wir  auf  diese 
Weise  im  Halbkreise  umgeben  waren.  Ich  und  Kinsky  bestritten  die 
Kosten  der  Unterhaltung,  indem  wir  dem  Nisam  von  dem  angenehmen 
Aufenthalt  in  Tandur,  von  Haidarabad  und  von  seiner  Armee  sprachen, 
leider  ohne  den  Fürsten  dazu  bestimmen  zu  können,  seine  unerschüt- 
terliche Schweigsamkeit  aufzugeben,  da  er  sich  nur  auf  wenige  •Yes- 
beschrankte.  Nachdem  schließlich  eine  völlige  Stockung  in  der  Conver- 
sation  und  damit  eine  etwas  befremdliche  Situation  eingetreten  war, 
begann  der  Resident,  aus  der  Verlegenheit  helfend,  programmäßig  mit 
der  wechselseitigen  Vorstellung  des  Gefolges  und  der  Suite.  Dem  Cere- 
moniell entsprechend,  überreichte  ich  dem  Nisam  auf  einer  großen  Tasse 
»altar-  und  -pan-,  Rosenwasser  und  Betclblätter,  worauf  einer  der 
Funclionäre  dieselben  Ingredienzen  an  die  hervorragendsten  Persön- 
lichkeiten der  Versammlung  vertheilte.  Sobald  dies  geschehen  war, 
erhob  sich  alles;  die  Feierlichkeit  war  zu  Ende.  Unter  dem  Donner  einer 
Batterie,  die  schon  den  ganzen  Tag  über  Freudenschüsse  abgefeuert 
halte,  kehrte  der  Nisam  in  seine  Residenz  zurück. 

Zwei  Stunden  später  erwiderte  ich  den  Besuch  des  Nisams  in 
dessen  Residenz,  dem  Palais  Tschaumahala.  Ein  Viergespann  prächtiger 
l-'üchse,  von  einem  Stallmeister  gelenkt,  holte  mich  ab;  zwei  Esca- 
Jronen  englischer  Husaren  und  zwei  Escadronen  eingeborener  Madras- 
Cavallerie  escortierten  den  Wagen  durch  das  Viertel,  das  wir  beim 
Kinzuge  in  Haidarabad  bereits  gesehen  hatten,  und  so  gelangten  wir 
hei  dem  fesiungsartig  umschlossenen  Paläste  des  britischen  Rcsi- 
deiiicn  vorbei,  über  den  Fluss  in  die  eigentliche  Stadt  der  Eingeborenen. 
Diese  trägt  völlig  den  höchst  originellen  Charakter  der  alten  indischen 


Städte  an  sich,  den  sie  schon  uranfänglich  gehabt  haben  mag: 
von  Menschen  wimmelnde  Straßen,  kleine,  schmutzige,  einstöcki 
Häuser  mit  vielfachen  Holzverzierungen,  ICaulläden  und  Bazars. 
dem  Kreuzungspunkte  der  vier  an  ihrem  äußeren  Ende  durch  lii 
Steinthore  abgeschlossenen  Hauptstraßen  erhebt  sich  ein  vierecki| 
Gebäude  »Tschar  Minar«  mit  seinen  berühmten  vier  Minarets, 
welchem  sich  auch  die  Polizeistation  befindet.  Überall  waren  s; 
tierende  Wachen  und  Truppen  aufgestellt,  hinter  welchen  sich 
neugierige,  lärmende  Menge  drängte. 

Auf  einer  von  zwei  hohen  Mauern  eingeschlossenen  Straße 
gelangten  wir  endlich  zum  Thore  des  Palastes,  eines  Conglomerates 
umfangreicher,  aber  niedriger  Gebäude,  welche  das  Gepräge  eines 
Üefensivplatzes  an  sich  tragen.  Vor  dem  Eingange  waren  mehrere 
Gardisten  postiert;  an  dem  Fuße  der  Haupttreppe  empfiengen  mich  der 
Nisam  und  die  Würdenträger  des  Reiches,  in  deren  Geleite  wir  einen 
schmalen,  gewundenen  Corridor  durchschritten,  um  uns  sodann  plötz- 
lich in  einem  prächtigen  Hofe  von  quadratischer  Form  zu  befinden.  An 
zwei  Seiten  des  Hofes  liegen  große,  mit  Säulen  versehene  Empfangs- 
hallen oder  vielmehr  besondere  Paläste,  mit  kostbaren  Mübeln,  Spiegeln 
und  Teppichen  versehen,  während  an  den  beiden  anderen  Saiten  des 
Hofes  für  Gäste  bestimmte  Prunkgemächer  angeordnet  sind,  vor  deren 
Pforten  sich  Golonnaden  hinziehen.  Der  Hof  ist  mit  niedrig  gehaltenen 
Gartenanlagen  und  einem  hoch  liegenden,  ungefähr  100  tu  langen 
Wasserbecken  geschmückt. 

Der  rings  von  einer  Mauer  umgebene  Palast  des  Nisams  bedi 
mit  seinen  Häuserlahyrinthen,  Pavillons,  Nebengebäuden,  Harems 
Parks  einen  Raum  von  über  1000  ha  und  nimmt  ein  Viertel  der 
gesammten  Stadt  Haidarabad  ein.  Die  Bewohnerzahl  des  Palastes  soll 
nach  ziemlich  sicherer  Quelle  7000  Personen  betragen;  sind  ja  doch 
hier  allein  .'iöOO  Damen,  welche  der  Nisam  erhalten  muss,  vorhanden, 
und  unter  diesen  nahezu  3000  Frauen  und  Veru-andte  der  vormaligen 
Nisams,  während  der  Rest  der  weiblichen  Einwohnerschaft  der  Residenz 
durch  die  Frauen  und  Sciavinnen  des  regierenden  Nisams,  sowie  durch 
ein  Corps  von  einigen  hundert  Amazonen,  die  als  Palastwache  für  den 
Harem  fungieren,  gebildet  wird.  Diese  Amazonen  sind  für  das  Auge 
fremder  Männer  nicht  sichtbar;  sie  sollen  sich  aber,  wie  uns  eine  eng- 
lische Dame  versicherte,  welche  die  Bekanntschaft  dieses  Elitecorps 
gemacht  hatte,  durch  besonders  abstoßende  Hässlichkeit  auszeichnen. 
Begibt  sich  der  Nisam  in  das  Zenana,  wie  der  Harem  in  ganz  Indien 

122 


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heißt,  so  tritt  die  Hauptvvache  der  Amazonen  ins  Gewehr  und  leistet 
die  Ehrenbezeigung.  EwIr  schade,  dass  uns  dieser  Anbück  versagt 
geblieben! 

In  der  großen  Empfangshalle  waren  unter  einem  reich  gestickten 
Baldachin  zwei  Thronscssel  postiert,  auf  denen  wir,  der  Nisam  und  ich, 
uns  niederließen,  worauf  sich  die  Visite  unter  demselben  Ceremoniell 
vollzog  wie  jene,  welche  der  Nisam  mir  in  Baschir  Bägh  gemacht 
hatte:  jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  Staatsvisite  diesmal  noch 
stiller  verlief  als  zuvor,  da  der  Nisam  nun  noch  weniger  oder  eigent- 
lich gar  nichts  sprach,  und  dass  uns  die  Betelblätter  in  sehr  schön  gear- 
beiteten, silbernen  Gefäßen  geboten  wurden,  deren  eines  ich  mir  zum 
Andenken  erbat. 

Nachdem  wir  unsere  Gala  mit  bequemen  Civükleidern  vertauscht 
hatten  und  durch  den  Leibphotographen  des  Nisams  ein  Bild  von  uns 
aufgenommen  worden  war,  sollte  ein  Ritt  auf  Elephanten  durch  die 
Stadt  unternommen  werden.  Wir  bestiegen  mit  unseren  Suiten  eine 
ganze  Schar  von  Elephanten,  die  alle  auf  das  reichste  mit  Seidendecken 
von  gelber  Farbe,  der  LiebÜngsfarbe  des  Nisams,  geschmückt  waren. 
Dieser  Zug  wird  mir  unvergesslich  bleiben.  Er  bot  das  bunteste  und 
bewegteste  Bild,  welches  sich  eine  üppige  Phantasie  ausmalen  kann,  ein 
von  der  Cultur  noch  unberührtes  Stück  altindischen  Lebens,  eine  Bethä- 
tigung  urwüchsigen  Vergnügens  an  prunkhal'ten  Schaustellungen  und 
.\ufzügen.  Von  der  beträchtlichen  Höhe  meines  Hofelephanten  konnte 
ich  aus  einer  Art  Vogelperspective  meine  Beobachtungen  anstellen:  in 
der  langen  Straße,  die  vom  Palaste  in  die  Stadt  führt,  wimmelte,  Kopf 
an  Kopf,  eine  dichtgedrängte  Menge,  welche  durch  rücksichtslos  drein- 
schlagende  Polizisten  Schritt  für  Schritt  vorwärts  geschoben  wurde: 
die  zahllosen  Turbans  und  die  in  grellen  Farben,  vonviegend  roth, 
Kelb  und  weiß  gehaltene  Kleidung  der  Eingeborenen  wirkten  überaus 
malerisch. 

Den  Zug  eröffnete  die  irreguläre  afrikanische  Leibwache  des 
Nisams,  die  ununterbrochen  vor  uns  sang,  wilde  Krieg.stänze  aufführte 
und  die  Waffen  schwang.  Es  ist  sowohl  beim  Nisam  als  bei  allen 
größeren  Nawäbs  des  Reiches  Sitte,  sich  eine  afrikanische  Leibwache 
tu  halten,  ein  aus  Angehörigen  aller  möglichen  afrikanischen  Stämme, 
namentlich  aus  Somalis,  bestehendes,  zusammengelaufenes  Gesindel, 
das  bei  seiner  steten  Kauflust  Grund  zu  häufigen  Straßenaufläufen  und 
Kämpfen  in  Haidarabad  gibt.  Man  konnte  wahre  Räuberfiguren  und 
ijalKengesichter  unter  dieser  Leibwache  wahrnehmen,  deren  Mitglieder 
I3a 


nicht  uniformiert  sind,  sondern  beliebige  Kleidung  und  aussch1ie6lii:h 
ihre  eigenen  Waffen,  meist  lange  mit  allerlei  Zierat  beschlagene,  ost- 
afrikanische  oder  arabische  Gewehre  und  breite  Gürtel  tragen,  in 
welchen  die  verschiedenartigsten  Pulvertiömer,  Pistolen  und  Messer 
stecken. 

Unmittelbar  vor  den  Elephanten  marschierten  uniformiene  Leib- 
wachen und  ritten  die  Adjutanten  in  Nationaltracht:  diese  Vorhut  hielt 
die  Ordnung  aufrecht,  während  mehrere  Escadronen  Cavallfirie  den 
Zug  schlössen.  L'nausgesetzt  stiegen,  wiewohl  es  hellichter  Tag  war, 
Raketen  zum  Himmel  empor,  ununterbrochen  donnerten  von  den  um- 
liegenden Höhen  die  Batterien  ihre  Gruße  herab.  Sämmiliche  Fenster 
und  auch  alle  Dächer  der  Häuser  waren  von  Neugierigen  besetzt;  selbst 
aus  den  Frauengemächem  lugte  manch  neugieriges  Gesicht  heraus. 
Endlich  war  der  Zug  —  ein  farbenprachtiges  Tohuwabohu  —  am  Ende 
der  Hauptstadt  angelangt;  das  vor  uns  befindliche  Volk  wurde  durch 
die  Leibwache  in  Nebengassen  gedrängt,  und  ich  verließ  mit  dem  Nisam 
die  HiUida. 

Begleitet  vom  21.  Husarenregimente,  das  mich  hier  erwartet  hatte, 
kehrte  ich  nach  Baschir  Bägh  zurück. 

Leider  hatte  Kinsky  wieder  einen  Fieberanfall,  so  dass  er  mich  nun 
zu  dem  folgenden  Gala-Diner  beim  Nisam,  welches  für  8  L*hr  angesagt 
war,  nicht  begleiten  konnte.  Als  wir  uns  dem  Palaste  näherten,  erstrahlten 
die  Mauern,  welche  den  Palast  und  den  Park  umgaben,  und  A'or  allem 
das  Kingangsthor  im  Lichte  sternförmig  angeordneter  Lämpchen.  In  die 
Pracht  der  indischen  Märchenwelt  glaubte  ich  mich  versetzt,  als  ich  den 
groUcn  Hof  betrat,  der  von  40.(,XX>  Lichtem  taghell  beleuchtet  war;  jede 
Stufe,  jedes  Gesimse,  jede  Säule,  jeder  Baum,  jeder  Strauch  trug. 


herrlicher  illuminiert,  in  Flammen  getaucht  war,  ja  von  bunttm  Feuer 
zu  glühen  schien.  Auf  den  Kieswegen  waren  Teppiche  aufgelegt  und 
unter  Vorantritl  einer  Escorte  von  Adjutanten  schritten  wir  in  den 
Speisesaal,  der,  auf  einer  Seite  offen,  die  Aussicht  auf  den  feenhaften 
Glanz  des  beleuchteten  Hofes  bot.  85  Personen  nahmen  an  dem  Parade- 
Diner  theil. 

Ein  seltsames  Bild  —  die  vielen  in  Gold  strotzenden  Pracht- 
gewänder der  einheimischen  Würdenträger  neben  unseren  und  den 
britischen  Uniformen,  neben  den  Toiletten  der  englischen  Damen  und 
der  Tracht  der  einheimischen  Officiere.  Die  Tafel  war  mit  prachtvollen 
Goldaufsälzen,  bunten  Blumen  und  riesigen  Bonbonnieren  wahrhaft 
verschwenderisch  ausgestattet. 

Eine  Regimentskapelle  der  regulären  Truppen  des  Nisams  besorgte 
die  Tafelmusik,  die  leider  mit  der  gediegenen  Pracht,  welche  uns  aller- 
seits umgab,  nicht  in  Harmonie  stand.  Ich  habe  bisher  den  Eindruck 
gewonnen,  dass  bei  den  Festen  in  Indien  überhaupt  die  europäische 
Musik  eine  stiefmütterliche  Behandlung  genießt;  denn  die  Inder  scheinen 
für  dieselbe  geringes  Verständnis,  dafür  aber  Vorliebe  für  falsches 
Clarinett-  und  Flolengewinsel  zu  besitzen.  Außerdem  fehlt  es  ent- 
schieden an  rhythmischem  Gefühl,  wenigstens  waren  einige  der  vor 
uns  concertierenden  Musikkobolde  ihren  Genossen  stets  um  mehrere 
Takte  voraus,  ohne  sich  hiedurch  in  ihrer  Seelenruhe  auch  nur  im 
geringsten  stören  zu  lassen. 

Im  Verlaufe  des  vortrefflichen  und  durch  Weine  reich  gewürzten 
Diners  brachte  ich  einen  Toast  auf  die  Gesundheit  der  Königin  von 
England  aus,  welchem  der  Nisam  einen  Toast  auf  Seine  Majestät  den 
Kaiser  und  sodann  einen  Trinkspruch  auf  mein  Wohl  folgen  ließ,  den 
ich  mit  einem  solchen  auf  den  Gastgeber  beantwortete.  Jeder  der 
Toaste  wurde  von  den  entsprechenden  Hymnen  begleitet;  doch  war 
unser  herrliches  -Gott  erhalte-  kaum  zu  erkennen.  Aufrichtiges  Mitleid 
empfand  ich  mit  meinem  Nachbar,  dem  Nisam;  denn  die  Nothwendigkeit 
loasiieren  zu  müssen,  schien  ihm  schrecklich  bitter  zu  scm.  Gleich  nach 
der  Suppe  zog  er  aus  seinem  Rock  ein  langes  Papier,  auf  welchem 
die  Reden  aufgeschrieben  waren;  das  Blatt  in  den  zitternden  Händen 
hallend,  memorierte  der  Nisam  während  des  ganzen  Diners.  Bei  meiner 
keineswegs  großen  Vorliebe  für  die  Sitte  des  Toastierens  gab  mir  die 
Seelenangst  und  Pein  meines  Nachbars  einen  gewissen  Rückhalt,  da 
ich  nun  an  dem  Nisam  einen  Leidensgenossen  hatte,  dem  die  Sache, 
wenn  möglich,  noch  unangenehmer  war  als  mir. 


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Zu  Ende  des  Diners  wurden  jedem  Gaste  Kuchen  serviert,  und  als 
wir  dieselben  aufschnitten,  flog  eine  Menge  kleiner,  bunter  Vögel  henor. 
die  sich  alsbald  im  Saale  venheilten  —  ein  orientalischer  Scherz,  der 
bc?"nders  bei  den  englischen  Damen  viel  Wohlgefallen  erregte. 

Der  schwarze  Rock,  welchen  der  Nisam  zum  Diner  angelegt  hatte, 
trug  anstatt  der  Knöpfe  geradezu  fabelhaft  große  Diamanten,  welche 
mich  veranlassten,  dem  Nisam  während  des  Diners  meine  Bewunde- 
rung solchen  Schmuckes  auszusprechen,  worüber  jener  sichtlich  ver- 
gnügt lächelte. 

Cigarren  und  Kaffee  »"urdcn  im  Hofe  serviert,  wo  wir  uns  auf 
Üivans,  die  in  goldenem  und  silbernem  Zierate  prangten,  nieder- 
gelassen hatten.  .Alsbald  wurde  von  dem  Dache  des  gegenüberliegen- 
den Hauses  ein  kolossales  Feuerwerk  mit  drei  Fronten  abgebrannt, 
dessen  Garben  von  Raketen.  Schwärmern,  Sonnen  und  Fallschirmen 
zum  dunklen  Himmel  emporstiegen.  Große  feurige  Schiffe  mit  voller 
Takelage  erschienen  und  zum  Schluss  erstrahlte  die  ganze  Front  in  den 
buntesten  Lichtem  mit  der  Aufschrift:  »Welcome  to  His  Imperial  and 
Royal   Highness   the   Archduke    Francis   Ferdinand    of  .Austria-Este.- 

Hiemit  hatte  das  orientalische  Zauberfest  sein  Ende  erreicht.  Mit 
vielen  Worten  des  Dankes  empfahl  ich  mich  vom  Xisam  und  kehrte, 
diesmal  mit  afrikanischer  Escorte.  in  mein  Palais  zurück. 


Haidarabad,  25.  Jänner. 

Dichter  Nebel  venfChleierte  die  Stadi  und  ihr  Weichbild,  als  wir 
nach  6  L'hr  moi^ens  in  einer  vierspännigen  Mail-Coach  gegen  den 
Exercierplatz  von  Sikandarabad  hin  fuhren,  auf  dem  die  große  Parade 


;anze  21.  Husarenregiment,  4  Escadronen  in  der  Stärke  von  442 
Reitern,  daneben  ein  Regiment  Madras-Uhlanen,  410  Reiter,  eingeborene 
reguläre  Cavallerie.  schöne,  dunkelfarbige  Leute,  zumeist  mit  martia- 
lischen, bärtigen  Gesichtern.  Die  Uniform  besteht  aus  hechtgrauem 
Rocke,  dunkelblauen  Hosen  und  sehr  praktischen,  gelben  Schnür- 
schuhen, den  Kopf  bedeckt  ein  hoher,  blauer  Turban,  und  als  Waffen 
führen  die  Reiter  eine  kurze  Lanze,  einen  in  einem  langen  Schaft  am 
Sattel  befestigten  Carabiner  und  eine  Art  türkischen  Krummsäbels, 
Die  Pferde,  theils  einheimischer,  theils  persischer  Zucht,  sind  gut,  aber 
kleiner  als  jene  der  Husaren.  Hierauf  folgte,  mit  dem  Stande  von 
347  Reitern,  das  4.  Uhlanenregiment  des  Haidarabader  Contingenls, 
ebenfalls  aus  Einheimischen  bestehend,  die  von  englischen  Officieren 
befehligt  werden.  Der  .Schnitt  der  Uniformen  ist  der  gleiche  wie  bei 
den  Madras-Uhlanen.  nur  ist  die  Farbe  dunkelblau  mit  ziegelrothen 
Aufschlägen  und  gleichfarbigem  Turban.  Die  drei  Cavallerieregimenter 
und  die  reitende  Batterie  bildeten  die  21.  Brigade,  an  welche  sich  die 
Artilleriebrigade  reihte,  bestehend  aus  zwei  englischen  F'eldbatterien 
mit  je  G  Geschützen,  einer  einheimischen  Batterie  des  Haidarabader 
Contingents  mit  4  Geschützen  und  der  Elephanten  ■  Batterie  mit 
45  Geschützen, 

.Auf  die   Artillerie    folgten    zwei   Infanteriebrigaden,   deren   erste 
zusammengesetzt  war  aus  dem  2.  englischen  SufTolk  Infanterieregiment 
—    mit  den   bekannten   rothen  Röcken,  weiüen  Helmen  und  weißem 
Hiemzeug  —  in  der  Stärke  von  840  Mann;  dem  15,  Regiment  Madras- 
Infanterie,  aus   Eingeborenen   bestehend.   588   Mann,  mit   krapprothen 
Röcken,  schwarzen  Aufschlägen,  schwarzen  Pumphosen;  endlich  dem 
'1.   Regiment  des   Haidarabader   Contingents,  515   Mann,  dunkelgrün, 
mit  hohen  Turbans  adjustiert.  Die  beiden  letzteren  Regimenter  waren 
mit    Henn»'    Martini-Gewehren,    das    englische   Regiment    aber  schon 
mit  den  neuen  Lee-Melfort-Magazinsgewehren  bewaffnet.  Die  zweite 
Brigade  umfasste  das   2.   englische   Welsh-Regiment,   512    Mann;   die 
Haidarabader   Freiwilligen;    das    16.   und   das   20.   Regiment    Madras- 
Infanterie   mit  511,  beziehungsweise   319  Mann,  Den  Schluss  bildete 
eine  Compagnie   Sappeure    und   Mineure,    147   Mann,    eine    aus    der 
niedersten  Kaste  von  .Madras  geformte  Truppe,  die  sich  in  allen  Keld- 
^ügen  und  Expeditionen   stets  durch    ihre   Tapferkeit   und   .Ausdauer 
ausgezeichnet   hat;   fast   bei  jeder  Gelegenheit,  sowohl   in  Indien  als 
im  Sudan  sind  diese  Sappeure  und  Mineure  ihrer  Tüchtigkeit  wegen 
Verwendet  worden  und  nahezu  jeder  Mann  ist  mit  einer  Medaille  oder 


deren  zwei  decoriert  Diese  Truppe  ist  mit  schariachrolhen  Rät 
blauen  Hosen,  hohen,  schwarzen  Mützen,  nach  der  Alt  jenur,  wd 
die  Parsen  tragen,  adjustiert. 

Nach  dem  Abreiten  der  Front  formierte  sioh  das  gesammte  ( 
zur  Defilierung,  welche  in  derselben  Reihenfolge  stattfand,  in  welcher 
die  Truppen  vom  rechten  Flügel  aus  standen.  Die  Artillerie  defilierte 
batterieweise,  die  Cavallerie  mit  entwickelten  Escadronen  und  die  Infan- 
terie mit  Compagnien.  Die  Defllienmg  gieng  sehr  präcis  von  statten  und 
bei  allen  Abtheilungen,  auch  bei  den  Eingeborenen,  fielen  mir  das 
gute  Aussehen  und  die  vorzügliche  Haltung  auf.  Den  Glanzpunkt  der 
Cavallerie  bildete  natürlich  das  Husarenregiment;  doch  blieben  bis  auf 
das  minderwertige  Pferdematerial  die  eingeborenen  L'hlanenregimtnter 
nicht  weit  hinter  den  Husaren  zurück.  Bei  der  Artillerie  stach  die 
reitende  Artillerie  durch  ihr  schmuckes  Aussehen  und  ihre  treffliche 
Bespannung  mit  australischen  Pferden  hervor.  Am  meisten  interessierte 
mich  jedoch  als  etwas  mir  vollkommen  Neues  die  Elephanten-Batterie, 
bei  der  vor  jedes  der  sechs  40pfundigen  Vorderladgeschütze  zwei 
Elephanten  gespannt  sind,  deren  Geschirr  aus  großen,  ledernen  Decken, 
eisernen  Ketten  und  Strängen  besteht.  Auf  dem  Kopfe  jedes  dieser 
mächtigen  Thiere,  die  schön  ausgerichtet  defilierten,  sitzt  ein  Lenker. 
Die  Munitionswägen  sind  mit  je  acht  Zebuochsen  bespannt,  die  durch 
ihre  flinken,  behenden  Bewegungen  auffallen.  Die  Infanterie  defilierte 
noch  zweimal;  zuerst  in  Bataillonsmassen,  ähnlich  wie  es  in  Deutsch- 
land üblich  ist,  mit  geschulterten  Gewehren  und  gepflanzten  Bajonetten: 
sodann  in  Brigademassen,  beide  Brigaden  hintereinander.  Eine  ganze 
Brigade  in  so  gedrängter  Formation  auf  einmal  vorbeimarschieren  zu 
sehen,  macht  einen  imposanten  Eindruck.  Die  Cavallerie  und  reitende 
Batterie  defilierten  auch  im  Trab  und  in  einem  sehr  scharfen  Galopp- 
tempo, welches  beinahe  an  Marsch-Marsch  grenzte.  Die  reitende 
.'\rtillerie  und  die  21er  Husaren  kamen  im  Galopp  sehr  schön  vorbei, 
während  dieses  Tempo  bei  den  Eingeborenen-Regimentern  nahezu  in 
eine  wilde  Jagd  ausartete. 

Der  Nisam,  welcher  sich  verspätet  hatte,  kam  erst  zur  Defilierung 
imd  schien  für  das  militärische  Schauspiel  nicht  viel  Interesse  zu 
empfinden. 

Kinc  unabsehbare  Menschenmenge,  darunter  sehr  viele  englische 
Dnmen  und  Herren,  zu  Pferde  oder  in  großen  Coaches  wohnten  dei 
Kl'vul'  l'L'i.  Zum  Schlüsse  derselben  exercierte  auf  meine  Bitte  hin  die 
iikpbiiiUcn-Bftltcrie.  Der  Commandunt.  Major  Leach,   lieQ  die  Batterit 


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abprotzen,  sich  ins  Feuer  setzen  und  wieder  aufprotzen,  welche  Manöver 
ungemein  rasch  vor  sich  giengen,  da  die  Elephanten  dank  ihrer  Gelehrig- 
keit alie  Evolutionen  genau  kennen,  ja  beim  Commandü  des  Aufprotzens 
sich  sogar  in  Trab  setzten,  um  rascher  bei  den  Geschützen  anzulangen. 
Kur  im  feindlichen  Feuer  sollen  die  Elephanten  nicht  zu  gebrauchen 
sein  und  müssen  daher  stets  aus  dessen  Bereich  gehalten  werden,  weil 
sie  besonders  das  Kleingewehrfeuer  nicht  vertragen  und  vor  demselben 
gleich  durchgehen. 

Der  beleibte  Hofphotograph  des  Nisams  hatte  diesen  bewogen, 
sich  mit  mir  zum  Zwecke  einer  photographischen  Aufnahme  bei  ihm 
einzufinden,  und  so  ritten  wir  denn  unmittelbar  nach  beendeter  Parade, 
begleitet  von  einer  johlenden  und  schreienden  Schar  Eingeborener,  zu 
seinem  Atelier.  Der  unermüdliche  Künstler  besitzt  ein  eigenes,  schönes 
Haus  und  scheint  am  Hofe  des  Nisams  eine  hervorragende  Stellung 
einzunehmen,  da  er  überall  zu  sehen  ist  und  der  Nisam  sich  sehr  oft 
zu  ihm  begibt,  um  sich  unzähligemale  photographieren  zu  lassen.  Die 
unabweisliche  Nothwendigkeit,  jeden  Augenblick  einem  Photographen 
als  willkommenes  Object  dienen  zu  müssen,  scheint  ein  in  Indien 
grassierendes  übel  zu  sein. 

Xach  zahlreichen  Aufnahmen  konnte  ich  mich  endlich  vom  Nisam 
verabschieden  und  nach  Baschir  Bägh  zurückkehren,  wo  auf  unserer 
Veranda  ein  förmlicher  Bazar  etabliert  war,  da  ich  einige  Waffen händl er 
bestellt  hatte,  um  alte  indische  Waffen  zu  erwerben.  Nach  langem 
Handeln  und  Feilschen,  was  dem  Reisenden  im  Orient  leider  nie  erspart 
bleibt,  kaufte  ich  eine  große  Anzahl  der  so  schön  gearbeiteten,  oft 
phantastisch  geschmückten  Säbel,  Schwerter,  Dolche,  Pistolen,  Schilder, 
sowie  Lanzen  und  reihte  meiner  Sammlung  auch  mehrere  uralte  Panzer- 
hemden ein;  darunter  eines  aus  sogenannten  Fischschuppen,  sowie  ein 
anderes,  in  dessen   einzelne   Ringe  je   ein   Koransprueh  graviert  war. 

Für  2  Uhr  war  beim  britischen  Residenten  ein  Dejeuner  angesagt. 
Die  Residenz  ist  ein  hohes,  in  einem  von  Mauern  umschlossenen,  großen 
l'arlt  gelegenes,  geschmackloses  Gebäude,  welches  eine  endlose  Flucht 
vm  Sälen  enthalt. 

Der  Resident,  Mr.  Trevor  C.  Plowden.  ein  liebenswürdiger,  geist- 
reicher Herr,  der  sich  für  alles  zu  interessieren  schien  und  sich  über 
die  Verhältnisse  meiner  Heimat  vollkommen  orientiert  erwies,  hatte  das 
'-nglück  gehabt,  wenige  Wochen  zuvor  seine  Gattin  an  der  Cholera  zu 
verlieren.  Bei  dem  Dejeuner  waren  fast  alle  angesehenen  Personen  der 
«^"Blisclien  Colonie  anwesend. 


Der  Nisiim  ließ  beinahe  drei  Viertelstunden  auf  sich  warten, 
erschien  endlich  in  seinem  gelben  Galawagen  und  brachte  viele  Ent- 
schuldigungsgründe vor.  Dem  Galawagen  folgte  in  einiger  Entfernung 
ein  ganz  geschlossenes,  fensterloses  Wägelchen,  welches  ungefähr  die 
Korni  unserer  Wiener  Postpaketwägen  hatte.  Auf  mein  wiederholtes 
Befragen  wurde  mir  der  Bescheid  zutheil,  dass  in  diesem  Gefahrte  sich 
Damen  «us  dem  Harem  befanden,  sowie  eingekühlter  Champagner 
enthalten  sei.  Seine  Hoheit  scheint  Wein  und  Weib,  als  Mittel  zur 
X'ersohönerung  des  Lebens,  nie  entbehren  zu  können;  denn  der  ominöse 
Wagen  begleitete  den  Nisam  auch  während  der  Fahrt  nach  Golkonda, 
die  wir  nachmittags  unternahmen. 

Während  des  Frühstückes  stellte  meine  Nachbarin  mit  mir  ein 
hochnolhpeinliches  \'erhör  an  über  die  musikalischen  Verhältnisse 
Wiens,  über  die  Iflege  Beethoven" scher.  Wagner'scher  Musik,  über 
die  t>per.  über  Instrumental-  und  Vocalmusik  u.  a.  m.  Die  gute  Dame 
war  crsluunt,  als  ich  ihr  meine  Vorliebe  für  nicht  allziistrenge  Musik, 
siiwic    insbesondere    für   unseren    welteneaibemden    Walzer   gestand. 

.\ls  nächste  Nummer  stand  auf  dem  heutigen  Programme  der 
Besuch  der  berühmten  Kostung  Cmlkonda.  Bei  der  Fahrt  dahin  gelangten 
wir  durch  X'ierlol  und  \'ort>rte  von  Haidarabad.  die  ausschließlich  von 
Ein_i;cborcncn  sowie  von  indischen  Mosleniin  bewohnt  werden  und  sich 
;*uni  Theile  durch  Kuinenhafiigkeit  und  Primitivität  der  Behausungen 
au>.':eichnon.  Neben  Häusern,  bemerkenswert  durch  schone  Schnitze- 
reien, stehen  elende  Lehmhütten  oder  erheben  sich  gar  nur  Laubdächer, 
unter  denen  ganze  Familien  leben,  .AulTallend  ist  in  Haidarabad  die 
j:r.'lje   Zahl   der  architekt«'nisch   si'   rei::end  wirkenden  Moscheen  mit 


^ibschleift  worden  ist.  Einen  imposanten  Anblick  biettil  die  nach  allen« 
Seiten  hin  von  Wallmauern  umschlossene,  thcilweise  auf  einem  domi- 
nierenden Hügel  gelegene  Felsenfestung,  insbesondere  von  der  Fluss- 
seite her.  dort  wo  der  Muti  die  äußere  Ringmauer  bespült. 

Ein  aus  massiven  Blöcken  gefügtes  Riesenthor  führt  in  die  Stadt 
ein.  Die  Flügel  dieses  Thores,  aus  schuhdicken  Pfosten  gezimmert, 
sind  mit  langen  Eisenspitzen  besäet,  deren  Zweck  gewesen  sein 
soll,  die  Pforte  gegen  den  Anprall  der  Elephanten  zu  schützen, 
welche  def  Kriegführung  früherer  Zeiten  gemäß  wohl  dazu  verwendet 
wurden,  durch  Einrennen  der  Thore  den  Scharen  der  Belagerer  Bahn 
in  die  Festung  zu  brechen.  Im  ganzen  zählt  die  Festungsstadt  acht 
solcher  Riesenthore,  von  welchen  jetzt  nur  mehr  vier,  das  Fateh-, 
Mekka-,  Dschamali-  und  das  eben  beschriL-bene  Bandschara-Thor 
benutzt  werden. 

Die  Baugeschichte  Golkondas  weist  drei  Perioden  auf.  Der  älteste 
Theil,  angeblich  vom  Rädscha  von  Warungul  erbaut,  dürfte  die  Citadelle 
Balar  hissar  auf  der  Spitze  des  etwa  100  tti  hohen  Hügels  sein.  Hier 
stand  einst  das  Königsschloss.  dessen  Ruinen  noch  vorhanden  sind. 
Der  zweiten  Periode  gehört  jener  Stadttheil  an,  welcher,  zwischen  der 
Citadelle  und  dem  mit  breiten,  halbverschütteten  Gräben  versehenen 
Auüenwalle  der  unteren  Festung  gelegen  ist  und  allerlei  verfallene 
Gebäude,  kleine  Paläste.  Moscheen.  Schulen  und  Wohnhäuser  des 
Gefolges  in  sich  schließt.  Der  jüngsten  Periode  endüch  entstammen 
die  Befestigungen  im  Osten,  die  sich  fast  unmittelbar  bis  an  die 
Königsgräber  hinziehen  und  von  dem  ersten  Herrscher  aus  der  Reihe 
der  Xisams  errichtet  sind.  Die  Stärke  der  alten  Festung  bezeugen  noch 
die  crcnelierten  Courtinen  des  Hauptwalles,  dessen  Umfang  etwa  48 km 
beträgt,  sowie  die  aus  Granitblöcken  errichteten  87  Bastionen.  In  den 
Winkeln  der  Bastionen  liegen  zerstreut  schön  geformte,  aber  unbrauch- 
bare, aus  der  Zeit  der  Kutab  Schahis  stammende  Geschütze  umher, 
welche  bei  der  Eroberung  Golkondas  durch  Aurengzeb  sämmtÜch  ver- 
nagelt oder  demontiert  worden  sind. 

Jetzt  nur  mehr  von  einem  Wachposten  besetzt  und  zur  Bergung 
einiger  militärischer  Depots  benützt,  liegt  die  ganze  Festung,  welche 
Vüimals  10.000  Menschen  Wohnung  gewährt  hat,  still  und  öde  da. 
Auf  258  zumeist  sehr  steilen,  rohen  Stufen  gelangten  wir  zu  dem 
höchsten  Punkte  Golkondas,  der  Citadelle  Balar  hissar,  hinan.  Hier 
8<nieGt'man  von  einer  Art  casematlierter  Terrasse  aus  eine  weile 
Rundschau  auf  Haidarabad  mit  seinen  Gärten  und  Thürmen,  auf  die 


Spiegel  der  Teiche  im  Vordergrund  und  auf  die  nahen,  bcrühmien 
Königsgräber,  auf  die  Trümmer  der  Stadt  und.  ihre  Wälle,  Mauern. 
Glacis,  Gräben  und  Bastionen  zu  Füflen  des  Beschauers.  Es  ist  ein 
düsteres  Ruinenfeld,  auf  das  wir  niederbücken,  doch  vermag  man  die 
einzelnen  Linien  der  Festung  und  ihre  Werke  noch  genau  zu  verfolgen, 
besonders  an  der  Ostseite,  dem  neuesten  Theile  der  Befestigungen,  wo 
noch  ziemlich  viel  recht  wohl  erhalten  ist,  \'on  den  Bastionen  kleben 
manche,  Schwalbennestern  gleich,  an  den  Felsen.  ,^uch  die  anderen 
Fortificationen,  bei  deren  Aufbau  die  Granitblöcke  des  Terrains  ein- 
bezogen erscheinen,  die  starken  Mauern  und  die  mit  rohen  technischen 
Mitteln  hergestellten  Steinarbeiten,  zeigen  von  der  Geschicklichkeit  der 
Baukünstler  vergangener  Jahrhunderte. 

Das  Landschaftsbild  ist  ein  eigenartiges;  denn  rings  um  Golkonda 
streben  chaotisch  durcheinandergeworfene  Granitfelsen  auf,  wie  dif 
Legende  sagt,  Trümmer,  welche  der  Erbauer  des  Weltalls,  nachdem  et 
die  Berge  der  Erde  gefügt,  hier  niederfallen  gelassen. 

Die  Mehrzahl  der  Königsgräber  ist  während  der  Belagerang 
Golkondas  durch  Aurengzeb  zerstört  worden,  dessenungeachtet  bieten 
diese  Mausoleen  der  Könige  aus  der  Dynastie  Kutab  Schahi  mit  ihren 
Minarets,  glasierten  Säulen,  Kuppeln.  Terrassen,  ihrer  reichen  Orra- 
mentik,  noch  immer  ein  äußerst  fesselndes  Bild.  Sir  Salar  Dscharj; 
Bahädur,  der  durch  seine  vortreffliche  Verwaltung  des  Staates  Haida- 
rabad  bekannte,  vor  kurzem  verstorbene  Minister  des  Nisams.  hat  einen 
Theil  dieser  Grabstätten  sorgfältig  wieder  hergestellt  und  sie  aufs  neue 
mit  Fruchtbäumen  und  schattenspendenden  Gartenanlagen  umgeben- 
Bemerkenswert  ist  unter  all  den  Grabdenkmälern  namentlich  das  Mau- 
soleum des  Schahs  Mohammed  Kuli  Kutab  {f  1625).  des  Gründers  der 
Stadt  Haidarabad,  sowohl  durch  den  Reichthum  der  Verzierungen  als 
durch  die  Höhe  (51  f«)  des  von  einer  18  m  hohen  Kuppel  Überragter» 
Gebäudes. 

Der  Nisam.  dem  es  Freude  machte,  uns  überall  hin  zu  begleiten  • 
war  auch  auf  die  Citadelle  mit  uns  heraufgestiegen  und  proponiert^^ 
mir  hier  plötzlich  ein  Rifle  match  auf  geworfene  Flaschen  und  Thon.  — 
kugeln,  wobei  mit  der  Kugel  geschossen  werden  sollte.  Ich  entschlos^ 
mich  nur  sehr  schwer,  auf  diese  Auffordenmg  einzugehen,  da  d*^  - 
Nisam  als  bester  Schütze  in  Indien  bekannt  ist  und  ganz  besonder"* 
als  Kugelschütze  außerordentlichen  Ruf  genießt.  Nur  nach  langet^* 
Zureden  seitens  der  Herren  meiner  Suite  beschloss  ich  endlich,  de:^* 
Gang  zu  wagen. 


^^  Zuerst  wurden  auf  30  Schritte  melirere  Flaschen  aufgestellt  und  ' 
auf  deren  Hälse  Thcinkugeln  von  der  Größe  eines  kleinen  Apfels  gelegt. 
Der  Schütze  sollte  nun  die  Thonkugeln  treffen,  ohne  die  Flasche  zu 
berühren.  Der  Nisam  schoss  als  erster  und  fehlte  vier  Thonkugeln;  ich 
folgte  ihm.  traf  abervon  vier  Kugeln  drei,  worauf  das  Gefolge  des  Nisams 
und  er  selbst  in  laute  Beifallsbezeigungen  ausbrachen.  Neben  den  für 
das  Match  bestitnmten  Flaschen  und  Kugeln  standen  deren  noch  16; 
kühn  geworden,  unternahm  ich  das  Wagnis,  auf  alte  16  Kugeln  hinter- 
einander KU  schießen  und  es  gelang  mir  15  derselben  zu  treffen,  wobei 
der  Nisam  mit  dem  höchsten  Erstaunen  zusah.  Sodann  schössen  wir  auf 
in  die  Luft  geworfene  Flaschen  und  erzielten  gleiche  Resultate,  indem 
jeder  von  uns  vier  Schüsse  abgab  und  mit  jedem  derselben  eine  der 
Flaschen  traf.  Ahnlich  ergieng  es  uns  bei  geworfenen  Thonkugeln. 
Hieran  reihte  sich  das  schwierigste  Experiment,  nämlich  das 
Schießen  auf  geworfene  Rupien,  welche  etwa  dieselbe  Größe  haben 
wie  unsere  Silbergulden.  Acht  Schüsse  waren  dem  Schützen  erlaubt. 
Der  Nisam  traf  einmal,  ich  aber  hatte  das  besondere  Glück,  drei  Rupien 
zu  durchschießen,  obgleich  ich  bisher  nie  Gelegenheit  und  Veranlassung 
gehabt  hatte,  mich  auf  derartige  Kunststücke  einzuüben,  so  dass  es 
ein  sportliches  Wagnis  war,  mich  auf  sn  kleine  fliegende  Ziele  zu 
versuchen.  Der  Nisam  machte  in  liebenswürdiger  Weise  gute  Miene  zu 
dem  bösen  Spiele,  in  welchem  er  zum  erstenmale  unterlegen  war,  und 
schlug  vor,  den  Heimweg  anzutreten.  Ich  gestehe,  dass  ich  in  meinem 
Innern  stolz  war  wie  ein  Löwe. 

Bei  herrlichem  Mondschein,  dessen  Licht  die  Thürme,  Moscheen 
und  Gräber  magisch  beleuchtete,  fuhren  wir  nach  Hause,  wo  unser 
nach  kurzer  Ruhe  ein  Gala-Diner  im  Palais  Baschir  Bägh  bei  unserem 
Hausherrn,  dem  Minister  Asman  Dschäh,  harrte. 

In  einem  .Annex  des  Hauses,  einem  hölzernen   Theater,  war  die 

lf*nge,  für   150  Personen  bestimmte  Tafel  gedeckt,  an  deren  Stirnseite 

*^h  zwischen  dem  Nisam  und  einer  englischen  Dame  saß.  Auch  hier 

war  das  Fest  mit  orientalischer  Pracht  insceniert  worden,  doch  machte 

Jie   große  Zahl  der  Diener,  die  sich,  die  Schüsseln  in  den  Händen,  von 

''^r    offenen    Bühne    stets    lawinenartig    in   den    Saal   stürzten,    einen 

tiriiiriick,   welcher   des    komischen   Beigeschmackes    nicht    entbehrte. 

''^'"Eniigt  saß  derHausherrauf  seinem  Platz  und  fröhlich  lächelnd  über- 

''''c:l<tc  er,  dabei  einen  phänomenalen  Appetit  entwickelnd,  die  Schar 

''fiin^r  Gäste.  Eine  aus  Hindus  zusammengesetzte  Kapelle  besorgte  in 

'J*l«"enzerrei Bender  Weise  die  Tafelmusik, 


Haidarabad.  26.  Jänner. 

Nach  den  zahlreichen  Festlichkeiten  der  vorangegangenen  Tage 
sollte  der  heutige  Vormittag  der  Jagd  gewidmet  sein.  Bei  Morgengrauen 
verließen  wir  unter  Führung  des  Majors  Alfsar  Dschang  in  einer  großen 
t'oach  Baschir  Bägh,  um  die  Haidarabad  umgebende  Ebene,  das  Jagd- 
terrain des  Nisams,  zu  erreichen. 

Die  erste  Jagdbeute,  die  mir  schon  unterwegs  zufiel,  waren  einige 
der  fliegenden  Hunde,  die  wir  zu  Tausenden  auf  den  Bäumen  vor 
dem  Palaste  des  englischen  Residenten  hängen  sahen.  Generalconsul 
Stockinger  übernahm  die  Mission,  die  Insassen  des  Palastes  von  dem 
bevorstehenden  Schießen  zu  verständigen,  damit  diese  nicht  erschräken 
oder  gar  an  den  .Ausbinjch  einer  Revolution  glaubten.  Ich  schoss  vier 
fliegende  Hunde  herab,  worauf  die  gcsammte  Schar  lebendig  wurde; 
der  Schwärm  hob  sich  und  kreiscliend  flatterten  die  Thiere  wie 
Gespenster  über  unseren  Köpfen  umher. 

Auf  dem  Jagdplatze,  —  bei  Sarur  Nagar  —  der  ungefähr  \0  km 
von  der  Stadt  entfernt  war,  eiwarteten  uns  die  Jagd-Geparden,  Tschilä 
genannt,  mit  denen  wir  jagen  sollten,  mehrere  Falkenjäger  und  unsere 
Reitpferde.  Nach  langwieriger  Besprechung  und  vielem  Geschrei  wurde 
beschlossen,  zuerst  mit  Falken  zu  jagen.  In  Ermanglung  anderen 
Wildes,  welches  erst  hiitte  aufgesucht  werden  müssen,  wurde  einem 
kurz  zuvor  gefangenen  Storche  die  Freiheit  geschenkt  und.  nachdem 
dieser  einige  Zeit  gestrichen,  der  Falke  lanciert.  Wir  galoppierten  rasch 
hinterdrein  und  sahen  nach  wenigen  Minuten,  dass  der  Falke  auf  den 
Storch  stieß  und  mit  ihm  aus  der  Luft  zu  Boden  stürzte.  Das  Ganze 
war  das  Werk  eines  Augenblickes.  Ein  zweiter  Storch  wollte  durchaus 
nicht  fliegen;  wilde  Reiher  zeigten  sich  nicht  und  so  musste  denn  die 
Beize  abgehrochen  werden. 

Nun  kamen  die  Geparden  an  die  Reihe,  deren  wir  zwei  hatten  und 
die  mit  verbundenen  Lichtem  auf  einem  kleinen,  von  Ochsen  gezogenen 
Karren  lagen.  Wir  ritten  hinter  dem  Karren  her,  bis  man  in  der  Ferne 
ein  Rudel  Black-bucks  entdeckt  hatte,  unter  denen  sich  zwei  starke 
Böcke  befanden.  Wir  Reiter  blieben  nun  etwas  zurück,  während  die 
Schikäris  mit  einem  Geparden  In  schräger  Richtung  an  die  ganz  vertraut 
äsenden  Antilopen  anfuhren.  Da.  auf  ungefähr  lÜO  Schritte,  wird  das 
Kahlwild  flüchtig,  doch  sind  die  beiden  Böcke  noch  näher  anzupürschen. 
Endlich,  als  der  Wagen  auf  80  Schritte  herangekommen  ist,  reißen  sie 
aus,   aber   im  selben  Momente  zieht  ein  Schikärt  dem  Geparden  die 


,nde  von  den  Lichtern  und  löst  ihn;  in  einem  Riesensprunge  setzt 
dieser  vom  Karren  herab  und  verfolgt  mit  hoch  erhobener  Ruthe  den 
einen  der  Black-bucks,  der  sich  von  seinem  Gefährten  getrennt  hatte. 
Der  Verfolgte,  die  Gefahr  erkennend,  eilt  in  voller  Flucht  dahin,  doch 
vergebens;  denn  nach  wenigen  Sprüngen  schon  sitzt  der  Gepard  auf 
dem  Rücken  des  Bockes,  reißt  ihn  nieder  und  beißt  ihm  in  einem  Augen- 
blick das  Genick  durch,  so  dass  wir  heransprengend  das  Thier  schon 
verendet  fanden.  Gierig  leckte  der  Gepard  den  reichlichen  Schweiß  und 
ollte  anfangs  um  keinen  Preis  von  seinem  Opfer  lassen;  erst  nach 
[Vieler  Mühe  konnten  die  Schikärls  den  Gepard  wieder  bändigen. 

So  halten  wir  auch  diese  interessante  Art  zu  jagen  kennen 
siemt  und  beschlossen  nun,  den  Rest  der  uns  leider  kurz  bemessenen 
Zeit  mit  einer  Pürsche  auf  Black-bucks  auszufüllen.  Wir  trennten  uns 
in  drei  Partien;  jed'e  versuchte  ihr  Heil  in  einer  anderen  Richtimg.  Ich 
wandte  mich  mit  Alfsar  Dschang  und  Kinsky  gegen  Norden.  Die  Jagd- 
gelegenheit war  eine  nur  von  einzelnen  kleinen  Hügeln  und  Terrain- 
wellen durchzogene  Ebene,  auf  welcher  es  Palmenhaine,  dorniges 
Dschungel,  sowie  Heideflächen  gab,  die  größlentheils  mit  verdorrtem, 
gelbem  Grase  bewachsen  waren.  Auf  solchen  Stellen  stehen  die  Black- 
bucks  am  liebsten. 

Bald  stieß  ich  auf  zwei  starke  Rudel,  die  im  hohen  Grase  ästen  und 
gelangte,  durch  eine  kleine  Erdfalte  mich  anpürschend,  auf  120  Schritte 
an  das  nächste  Rudel  heran,  welches  ungefähr  100  Stück  zählte.  Vereint 
standen  hier  —  ein  schönes  Bild  —  starke  Böcke  mit  ihren  langen, 
gewundenen  Hörnern,  alle  Gaisen  und  viele  Kitze.  In  diesem  Augen- 
blicke witterte  mich  eine  der  Caisen,  wurde  jedoch  alsbaid  mit  einigen 
Schmaigaisen  und  Kitzen  im  Troll  flüchtig  — jetzt  war  der  Moment  zum 
Schusse  gekommen.  Ich  nahm  den  stärksten  Bock  aufs  Korn  und  gab 
Feuer;  derselbe  zeichnete  gut,  wie  ein  aufs  Blatt  getroffenes  Stück  Hoch- 
wild, gieng  aber  dennoch  flüchtig  mit  dem  Rudel  fort,  in  diesem  Augen- 
blicke verhofTte  ein  zweiler  capitaler  Bock,  den  ich  im  Feuer  erlegte. 
Nun  kam  ein  dritter,  erschreckt  durch  das  Stürzen  des  anderen  Stückes, 
flüchtig  gegen  mich  heran,  ich  schob  rasch  eine  frische  Patrone  in 
den  Lauf  und  halte  die  Genugthuung,  den  Bock  in  voller  Flucht  zu 
lUlieren.  Die  erlegten  Böcke  mit  ihren  dunkelbraunen  und  schnee- 
iißen  Decken,  zierlichen  Häuptern  und  Läufen,  sowie  dem  schönen 
ihörne  wurden  sofort  der  Meisterhand  Hodeks  übergeben.  Solange 
Rudel  in  Sehweite  war,  flüchtete  es  unaufhaltsam,  bis  es  endlich 
einem  dichten  Dschungel  unseren  Blicken  entschwunden  war. 


aus- 

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nete 
in«  H 


Ich  rilt  nun,  frisches  Wild  zu  suchen,  gegen  eine  höhere  Hügci- 
kette,  wo  ich  mir,  dem  Terrain  nach  zu  schließen,  Erfolg  versprach 
und  entdeckte  in  der  That  hinter  einem  großen  Felsen  ein  Hudel.  das 
aber  äußerst  scheu  war  und  trotz  sehr  vorsichtigen  Anpürschens  aus- 
riss,  so  dass  ich  nur  noch  eine  Gais  erlegen  konnte. 

In  dem  hohen  Grase  sprengte  ich  mehrere  Hasen  auf.  welche  dtt 
unserigen    ähnlich,  jedoch   kleiner   sind   und   höhere,  durchsichtige» ■! 
Löffel  haben,   ferner  auch  Rebhühner  und  Wachteln,  die   sich  hier  in 
ziemlicher  Anzahl  vorfanden.  Nach  längerem  Umherstreifen  begegnete 
ich  abermals,  hart  an  der  Grenze   des  Jagdterrains  des  Nisams,  ein«  ■ 
größeren  Anzahl  von  Böcken,  deren  einen  ich  streckte. 

Die  Sonne  brannte  heiß  auf  uns  herab  und  die  Schikäris  zeigtet 
schon  bedeutende  Ermüdung;  so  wurde  denn  unter  einem  großen 
Baume  ein  Stündchen  gerastet. 

Nach  dem  Aufbruche  beschloss  ich,  das  vormittags  zuenst 
beschossene,  starke  Rudel  wieder  aufzusuchen  und  fand  es  auch  nach 
halbstündigem  Suchen  auf  einer  freien  Heideflüche  stehend.  Ich  ver- 
suchte so  gut  als  möglich  anzukommen,  musste  aber  sehr  weit  schießen. 
so  dass  ich  einen  Bock  nur  mit  einem  Schlegelschuss  anschweißte. 
Nun  wollte  ich  ihn,  da  er  mir  sehr  stark  schien,  unter  jeder  Bedingung 
ausmachen;  doch  gelang  mir  dies  erst  nach  vieler  Mühe  und  nachdem 
ich  bei  der  Verfolgung  noch  einen  gesunden  Bock  erlegt  hatte. 

Es  war  keine  Täuschung  gewesen,  der  angeschweißte  Bock  war 
thatsächlich  uralt,  hatte  ein  ganz  graues,  lichtes  Haupt,  sowie  starke 
abgekämpfte  imd  gebrochene  Stangen.  Die  Schwierigkeit,  ein  so 
schlecht  angeschossenes  Stück,  welches  immer  wieder  außer  Schuss- 
distanz ausreißt,  auf  freier  Fläche  auszumachen,  wenn  die  Zeit  gebricht, 
es  krank  werden  zu  lassen  und  keine  Hunde  zu  Gebote  stehen,  kann 
nur  ein  Jäger  ermessen,  welcher  in  der  Lage  war,  eine  ähnliche  .Auf- 
gabe unter  gleich  schwierigen  Umständen  lösen  zu  müssen. 

Darüber  war  es  Zeit  geworden,  in  das  Landhaus  des  Ministers 
nach  Sarur  Nagar,  wo  wir  uns  umkleiden  sollten,  zu  eilen,  um  ein  für 
den  Nachmittag  angesagtes  Sportfest  nicht  zu  versäumen.  .\u(  dem 
Wege  machte  ich  noch  einen  Coup  double  auf  Bock  und  Gais  und 
galoppierte  dann  in  das  Landhaus,  wo  uns  ein  opulentes  Frühstück 
erwartete.  Dieses  Haus,  der  Lieblingssommersitz  des  Ministers,  welches 
dem  Palais  Baschir  Bägh  auffallend  gleicht,  dient  dem  Stammhaller_ 
des  Ministers,  seinem  fünQährigen  Sohn,  den  mir  jener  nach  dem  Essq 
mit  stolzer  Vaterfreude  vorstellte,  zum  .Aufenthalte.  i 

136 


Im  Hofe  waren  fünf  einjährige  Tiger  angekeUel,  welche  der 
Minister  im  Vorjahre,  naclidem  er  die  Mutter  erlegt,  gefangen  hatte. 
Sie  waren  äußerst  possierlich,  ziemlich  groß,  spielten  ganz  nach 
Katzenart  und  ließen  sich  von  uns  streicheln  und  krauen,  dass  es 
eine  Freude  war.  Zu  meinem  Entzücken  schenkte  mir  der  Treundliche 
Hausherr  zwei  derselben,  die  ich  lebend  und  gesund  nach  Hause  zu 
^w  bringen  hoffe, 

^^^  Da  Kinsky  leider  wieder  einen  Fieberanfall  hatte,  musste  er  mit 

^rMr.  Stevens  zurückkehren.  Wir  aber  fuhren  mit  einem  prächtigen 
Sechserzug  von  Schimmeln,  welchen  der  vorzügliche  Stallmeister  des 
Nisams,  und  zwar  vom  Bocke  aus  lenkte,  alsbald  zu  dem  Sportfest 
in  Malakpett.  einem  etwa  3  Im  von  Haidarabad  gelegenen,  großen, 
freien  Platz,  auf  dem  alle  .Arten  sportlicher  Vergnügungen,  wie  Rennen, 
Tentpegging,  Glaskugelschießen   u.   dgl.  m.   abgehalten   werden.    Ein 

I geräumiges,  geschmücktes  Zelt  und  eine  hohe  Tribüne  waren  für  die 
ivielen    Zuschauer    errichtet ,    die   gröfltentheils    aus    Engländern    und 
Nawäbs  bestanden.  Infanterie  und  Cavallerie  bildeten  Spalier. 
r  Das  erste  Event  bildete  das  mir  schon  von  Parel  her  bekannte 

BTentpegging,  das  Lanzenstechen  auf  hintereinander  in  den  Boden 
Besteckte  Holzpllocke,  wobei  der  Reiter  füll  pace  anreiten  und  die 
Pflücke  aufspießen  muss,  ohne  einen  derselben  zu  fehlen  oder  zu  ver- 
lieren. Sowohl  Landeskinder  als  Engländer  betheiligten  sich  an  dieser 

schwierigen  Übung,  in  der  ein  indischer  Officier  Sieger  blieb. 

^^^  Überaus   heiter    war  ein   Elephanten-Rennen,    in   welchem    acht 

^^KMckhäuter  starteten  und.  von  ihren  Lenkern  mit  Geschrei,  Hieben 
^^Klnd  Stichen  freundlichst  aufgefordert,  in  unglaublich  schnellem  Trabe 
^^BUe  Distanz  durchliefen.  Nicht  weniger  originell  war  ein  Rennen  von 
^HKameelen. 

Neu  wie  diese  beiden  Nummern  war  mir  ein  Ringen  zu  Pferde. 
Je  zehn  Reiter  von  Native-Cavallerieregimentern  auf  nackten  Pferden 
ritten  auf  das  Signal  des  Starters  hin  aufeinander  los  und  versuchten 
sich  gegenseitig  von  den  Pferden  zu  ziehen.  Die  Reiter  waren  bloß  mit 
Hemd  und  Hosen  bekleidet  und  trugen  als  Abzeichen  verschiedenfar- 
iRc  Schärpen,  die  Pferde  waren  nur  mit  Trensen  versehen.  Mit  affen- 
rtigvr  Geschicklichkeit  behaupteten  sich  die  Reiter  auf  den  Pferden, 
nnige  der  größeren  Leute  klammerten  die  Zehen  unter  dem  Bauche  der 
?ferde  zusammen  und  waren,  obgleich  sich  zwei  oder  drei  Gegner 
uf  sie  stürzten,  nicht  herabzubringen.  Ein  Mann  war  bereits  vom 
IRücken  des  Pferdes  abgestreift,  hielt  sich  aber  noch  mehrere  Minuten 


am  Halse  seines  Pferdes  fest,  bis  sich  dieses  mit  ihm  nach  vorne  über- 
schlug. Man  muss  gestehen,  dass  die  Leute  bei  diesem  Spiele  sämmtlicb^l 
große  Ausdauer  und  viele  Bravour  an  den  Tag  legten.  ^M 

Bei  einem  anderen  Event  sollten  Reiter  auf  Pontes  über  eine  ■ 
bestimmte  Distanz  abgelassen  werden,  zuerst  im  Galopp  eine  Fahne 
umreiten  und  dann  mit  dem  Pferde  eine  Papierwand  durchbrechen. 
Derjenige,  welcher  als  erster  sein  Pony  durch  die  Papienvand  gebracht 
halte,  wäre  Sieger  gewesen.  Leider  konnte  diese  Concurrenz  nicht  statt- 
finden, da  der  starke  Wind,  der  eben  herrschte,  die  Papierwand  jedesmal 
zerriss.  Vom  equestrischen  Standpunkte  aus  wäre  es  sehr  interessant 
gewesen,  zu  beobachten,  wie  lange  es  gedauert  hätte,  bis  ein  Pony  sich 
entschlossen,  in  die  Wand  zu  springen. 

An  Stelle  dieser  Nummer  wurde  ein  Wettlaufen  von  Soldaten 
und  ein  Flachrennen  von  Ponies  eingelegt,  welch  letzteres  der  Adjutant 
des  Residenten  gewann.  Mit  dem  Preisschießen  wollte  man  bis  zur 
-Ankunft  des  Nisams  warten,  da  er  sich  an  diesem  Sport  zu  betheiligen 
pllegt;  doch  verrann  vergeblich  Stunde  auf  Stunde,  so  dass  endlich 
ohne  den  Nisam  begonnen  werden  musste. 

Das  Preisschießen  wurde  mit  dem  Schießen  auf  geworfene 
Flaschen  eröffnet,  woran  sich  mehrere  Nawäbs,  die  Adjutanten  des 
Nisams  und  ein  englischer  Officier  betheiligten.  Auch  ich  wurde  auf- 
gefordert, zu  concurrieren,  schoss  aber,  wie  immer,  wenn  viele  Zuseher 
anwesend  sind,  in  welchem  Falle  mich  die  für  den  Kugelschützen  so 
nothwendige  Ruhe  der  Nerven  zu  verlassen  pflegt,  nicht  gut,  jedenftlUsJ 
schlechter  als  am  \'ortage,  so  dass  ich  im  Schießen  auf  Klascho^H 
und  Thonkugeln  Zweiter  und  Dritter  blieb.  'M 

.Als  die  beiden  Concurrenzen  entschieden  waren,  erschien  der 
Nisam  und  nahm  nun  an  dem  Schießen  ebenfalls  theil.  Es  konnte 
ihm  nicht  schwer  werden,  als  Sieger  herC-orzugehen :  ich  wenigstens 
hatte  einen  entschieden  schlechten  Tag.  Im  Match  auf  Rupien  schlug 
der  Nisam  alle  -Schützen. 

Den  .Schluss  bildete  eine  neue  Art  des  Schießens,  nämlich  nacK 
einer  an  einer  Rebschnur  pendelnden  und  schwingenden  Flasche.  IcVv 
versuchte  dieses  Kunststück  zum  erstenmal:  der  Nisam  aber  schiex^ 
darauf  gut  eingeschossen  zu  sein,  da  er  seiner  Befriedigung  über  die^« 
Nummer  des  Programmes  durch  Wort  und  Geberde  Ausdruck  g^^-^ 
und  mit  Lebhaftigkeit  selbst  die  Distanzen  und  Regeln  bestimmte,  t^ 
ließ  mich  zuerst  schießen;  mit  vier  Schüssen  von  sechsen  traf  i  ^:^^== 
die  Flasche.  Der  Nisam  erzielte  itenselben  Record,  so  dass  es  nun  &  '^— 


auf  die  Königin,  wie  auf  Seine  Majestät,  mich  und  den  Nisam  wurde 
stets  von  allen  Offideren  stehend  das  Lied:  »He  is  a  jolly  good  feüow« 
gesungen.  Nach  dem  Speisen  giengen  wir  auf  die  Veranda,  wo  die 
Regimentökapelle  concertierte  und  noch  eine  Reihe  -wilder«  Toaste 
auf  unsere  Armee,  sowie  jeden  einzelnen  der  Herren  meiner  Suits^ 
ausgebracht  wurde.  Später  trat  das  Fest  in  das  Stadium  der  Gesangs* 
productionen,  wobei  jeder,  ob  nun  mit  Stimme  begabt  oder  nicht,  sein 
Bestes  an  gesanglicher  Leistung  bot.  Auch  wir  mussten  das  »Prinz 
Eugen-',  das  .Liechtensteinische«  Lied  und  manch  anderes  Reiter-  und 
Soldatenlied  singen. 

Als  die  Heiterkeit  ihren  Höhepunkt  erreicht  hatte,  stürzten  sidll 
die  englischen  Officiere  auf  mich  und  meine  Suite  und  trugen  uns  unter 
lebhaften  Beifallsrufen  auf  ihren  Schultern  im  Saale  umher.  Der  Nisam 
hatte  schweigend  zugesehen.  Wie  maßlos  war  aber  sein  Erstaunen,  als 
sich  plötzlich  mehrere  Husarenofficiere  auch  auf  ihn  stürzten  und  ihn 
im  Triumphe  umhertrugen;  eine  derartige  Huldigung  war  ihm  noch  nie 
zutheil  geworden,  doch  nahm  er  sie,  obgleich  wir  alle  das  Gegentheil 
besorgt  hatten,  wohlwollend  auf.  Der  Resident  hatte  der  Entwicklung 
der  Dinge  nicht  ohne  Bedenken  zugesehen,  war  aber  völlig  beruhigt,  als 
der  Nisam  sich  für  die  Ovation  dankend  verbeugte. 

Dieses  heitere  Symposion  bildete  den  Abschluss  der  Festlich-' 
keiten  und  des  Aufenthaltes  auf  Haidarabader  Territorium.  In  vor- 
gerückter Stunde  nahmen  der  Nisam  und  ich  von  einander  und  dem 
beiderseitigen  Gefolge  Abschied,  wobei  der  Nisam  die  Freundlichkeit 
hatte,  mir  als  Andenken  ein  in  Gold  gearbeitetes  Tintenzeug  und  eine 
prachtvolle,  goldgestickte  Decke  zu  übergeben.  Einer  der  Herren  meiner 
Suite  hatte  da,s  Tintenzeug  in  Empfang  genommen  und  in  seiner  Tasche 
verwahrt.  Der  Minister  des  Nisams,  welcher  diesen  Vorgang  beobachtet 
hatte,  machte  —  in  offenbarer,  vielleicht  durch  orientalische  Gebräuche 
enlschuldhnror  Missdeutung  desselben  —  Wurmbrand  sofort  und  nach- 
drücklichst aufmerksam,  >dass  das  Tintenzeug  bereits  in  einer  fremden 
Tasche  vcr.';ch wunden  sei«. 

Besonderer  Geschenke  seitens  des  Nisams  hätte  es  nicht  bedurft; 
denn  dauernde  und  dankbare  Erinnerung  ist  ihm  und  seinem  Lande 
gesichert.  War  doch  in  den  Tagen  von  Haidarabad  auf  den  Wink  des 
gastlichen  Nisams  die  Wunderwelt  des  indischen  Märchens  in  unge- 
ahnter. Üppiger  Pracht  aus  tiefem  Schlafe  erstanden,  um  sich  in  ent- 
zückender Hcrriichkeit  vor  mir  zu  entfalten  und  eine  Spanne  meines 
Lebens  mit  ihrem  Zauber  zu  verwcbenl 


1 


Der  Nisani  kehrte  nach  Haidarabad  zurück;  unsürabur  harrte  das 
schnaubende  Dampfross  des  Extrazuges  mit  Ungeduld  schon  seit  einer 
Stunde.  Wir  trennten  uns  nun  geyen  Mitternacht  auch  von  den  engli- 
schen Kameraden  des  21.  Husarenregimentes,  in  deren  Mitte  wir  einen 
I  so  heiteren,  an  fröhliche  heimatliche  Kreise  gemahnenden  Abend  ver- 
■  bracht  hatten   und  bestiegen  unsere  Gefährte.    Die  jüngeren   Officiere 
Ibrachten  mir  noch  eine  Huldigung  dar,  indem  sie  die  Pferde  meines 
■ÄVagens  ausspannten  und  ihn  eilenden  Laufes  eine  ganze  Strecke  Weges 
liegen.  Noch  ein  dreimaliges  Hurrah  und  dann  flogen  wir  von  flinken 
Rossen  gezogen,  dem  Bahnhofe  in  Sikandarabad  zu,  hin  zu  der  Stätte 
der  Prosa,  welche  die  Märchen  fliehen  macht  .... 


Gwalior. 


Sikandarabad  -■  Gwali 


.  umi  28,  Jännei 


Von  der  Station  Sikandarabad  legten  wir  bis  Dhond  dieselbe 
Sirecke  zuriick,  welche  wir  auf  der  Fahrt  von  Bombay  nach  Haidarabad 
durchmessen  hatten.  Von  Dhond  an  benutzten  wir  die  Dhond-Manmar 
Sfatc  kaihvay,  welche  in  der  Station  Manmar  wieder  in  die  nordöst- 
litl-i  e  Creat  Indien  Peninsula  Railway  mündet.  Die  Kreuzungsstation 
Mur-imar  verlassend,  zieht  sich  die  Eisenbahn  bis  Itarsi  in  nordöstlicher 
Hiclntiing;  hier  zweigt  die  nach  Bhopal  führende  Linie  in  nordwestlicher 
iiicV-iiung  ab. 

Wir  scheiden  aus  dem  -Südland-  Dekhan  und  treten  in  Central- 
Iniiien  ein.  Knapp  hinter  dem  Kreuzungspunkte  Bhusawal,  wo  die 
Jirtsctc  Linie  via  Nagpur  nach  C'aicutta  abzweigt,  übersetzen  wir  auf 
eil»  ti r  Kroßen  Brücke  den  Fluss  Tapti,  dessen  Mittellauf  durch  eigen- 
ihi»  mliche  Hügel  form  ation,  enge  Defiies  und  durch  Basalte  charakterisiert 
''^'-  Durch  coupiertes.  zum  Theil  wildes  und  wildreiches  Terrain  weiter- 
fabt-«nd,  erreichen  wir  Khandwa  und  durchkreuzen  bei  Harda  die 
\*  ^izenregion  der  südlich  von  dem  Narbadaduss  gelegenen  Ebene.  Bei 
Itarsi  nordwestlich  auf  die  Strecke  der  Indian  Midland  Railway  abien- 
'"'*^«1,  überschreitet  die  Bahn  das  enge  felsige  Strombett  der  Narbada 
"  diese  fließt  der  nördlich  \'on  ihr  sireichenden  Vindhyakette  entlang  — 
vii^«!  tritt  nach  Überquerung  dieser  Kette  in  das  durchschnittlich  500»« 
lioVit  Malwa-Platcau  ein.  In  diesem  liegen  bereits  die  Station  Dhip  und 
HW«pal  selbsL 


i-r  yjLi-.  Bhcct:  z^'-rkr;-:.:---- 

■"":;rr-.i-.  Srhäh  DiC-hiJ--fcr.  Bt^^-.  isr  Ti.;"-:ir  -^-i  5«::  ]So*  der  Nach- 

v.rd  a'i^  klüiic  Lini  rsr^z&r.czft  Frai:  cerih— ::  >i=  btwchni  einer:  ötiw 
■■■■n  itr  BaJir.^-^iiL'r;  är.r'trr.-tr-  !i'j.<^tzth~'.t-  fiC^^-i. 

Von  Bhopa;  i:eh:  .1:=  Bahn  i^r^r  Bhilse.  di^  i-^r^fe-onjere  durch 
:it  ■Bhüsa  ic-pc:*>'  —  kür!j-*::ch=  ha!bici:i:e'.:~..r:T::i:e  Hügel  bei  Santschi. 
"ijLjdrii>iir-che  Grabjiäiten  —  bekar.-;  ;>i.  DtT  jrri-Ele  dieser  aus  Ziegeln 
jnd  Sit'inen  aufgemauener  D^-r-.  hai  -?'6»i  im  I>jrchmes>ser  und  eint 

vun  14  m. 


^B  Um  6  Uhr  früh  fuhren  wir  in  Gwuhor  üin  —  hulb  erfroren,  vor-* 
Kälte  klappernd.  Kaum  glaublich  und  leider  dennoch  wahr!  Die  -ältesten 
Leute"  in  Gwalior  erinnern  sich  einer  ähnlichen  Depression  der  Tempe- 
ratur nicht,  die  wohl  den  bedeutenden  Schneefällen  zugeschrieben 
werden  muss,  welche  eingelaufenen  Nachrichten  zufolge  vor  kurzem  im 
H imälaya-Gebirge  eingetreten  waren.  Ungeachtet  zweier  Mäntel,  die  ich 
beim  Verlassen  des  Waggon.s  angelegt  hatte,  fror  ich  empfindlich.  Oberst 
Pitcher  und  zwei  reichgeschmückte  Mitglieder  des  Staatsrathes  von 
Gwalior  empfiengen  mich  namens  des  Maharadschas  und  des  britischen 
Residenten  und  geleiteten  uns  zu  den  Wagen,  die  ims  sofort  zu  dem 
Palaste  des  Herrschers  brachten. 

Dieser  selbst,  ein  Jüngling  von  sechzehn  Jahren,  unter  der  wohl- 
bedachten Vormundschaft  und  Erziehung  eines  Engländers  stehend, 
war  abwesend,  da  er  mit  dem  britischen  Residenten  zu  Besuch  in 
Calcutta  weilte.  Der  plötzliche  Tod  seines  Vorgängers,  eines  schwer 
zu  behandelnden  Dynasten,  welcher  den  Engländern  viel  Mühe  und 
Sorge  verursacht  hatte,  hat  den  Maharadscha  in  jugendlichem  Alter 
zur  Regierung  berufen. 

Der  Ehrenwache  im  Palaste,  den  wir  zunächst  besichtigen  wollten, 
schienen  wir  entschieden  zu  früh  gekommen  zu  sein;  denn,  noch  ganz 
verschlafen,  traten  endlich  zwanzig  Mann  ins  Gewehr,  einige  noch  in 
tincr  Art  Nachtgewand,  andere  in  große  Kapuzenmäntel  gehüllt.  Ein 
hochbejahrter  Officier  bemühte  sich  vergeblich,  Ordnung  in  seine  Schar 
KU  bringen. 

Ähnlich  wie  in  Haidarabad  besieht  auch  in  Gu'alior  die  Residenz 
Jes  Maharadschas  aus  mehreren  Palästen,  von  welchen  drei  besonders 
hcr\'orragen.  Dieselben  liegen  in  einem  Parke,  der  sich  über  mehrere 
OuaJratkilometer  erstreckt,  Teiche  enthält  und  von  Bächen  durchzogen 
ist:  der  größte  und  bedeutendste  der  Paläste  ist  zu  Ehren  der  Anwesen- 
heit des  Prinzen  von  Wales  in  Gwalior  (1876)  erbaut  worden  und  fällt 
Jlirch  eine   eigenthümliche   Verquickung  indischen   und   italienischen 
''austiles   auf.    Über   mein  Befragen   wurde  mir  des  Räthsels  Lösung 
^utheil:  ein  Architekt  aus  Florenz  ist  der  Schöpfer  des  Werkes  gewesen. 
tinegroßc  Freitreppe  führt  zu  dem  schönsten  Prunksaal  empor,  welcher 
•■''n  em  flurenlinischen  Muster  genau  nachgebildet,  ganz  in  Weiß  und  Gold 
fii^halten  und  mit  kolossalen  Glaslustem  geschmückt  ist.   An  den  Saal 
''*;H  ließen  sich  die  Empfangs-  und  Speisezimmer  an,  welche  theilweise 
"'•t   uuropäischcn,  recht  geschmacklosen  Gegenständen  gefüllt  sind.  Die 
rrivalgemiicher   des  Maharadschas   machen   einen  wenig  wohnlichen. 


ja  unfVeundlichen  Eindruck.  Der  Kaum,  in  welchem  sicli  jener,  den 
größten  Theil  des  Tages  mit  untergeschlagenen  Beinen  auf  einer  Decke 
sitzend,  aufzuhalten  pflegt,  ist  eine  Halle,  welche  Säulen  tragen,  deren 
Capitäle  mit  Bildern  aus  der  indischen  Göttersage,  zumeist  Darstellungen 
des  Gottes  Schiwa,  bunt  bemalt  sind.  Überall  herrscht  unglaubliche 
Verwahrlosung  und  arger  Schmutz;  Ratten,  Tauben  und  Spatzen  hatten 
in  manchem  der  V'on-aume,  wie  es  schien,  ungestört  ihr  Quartier  auf- 
geschlagen, und  von  der  Zweckdienlichkeit  des  Lüftens  und  Reinigen^ 
schien  die  Dienerschaft  des  Palastes  keine  Ahnung  zu  haben. 

Auch   in  dem  zweiten  Pataste,  der  nach  1876  und  zwar  in  rein 
indischem  Stile  erbaut  worden  ist,  betritt  man  einen  prunkvollen  Audienz- 
saal, dessen  Hauptschmuck  ein  fein  gemaltes  Bild  Schiwas  und  grüne. 
vergoldete  Möbel  bilden.   An  den  beiden  Stirnseiten  des  Saales  sind 
vergitterte  Fenster  angebracht,  hinter  welchen   die  Frauen  den  Festen 
und  Audienzen  ungesehen  beiwohnen  können.  Sehr  originell  sind  die 
Zimmer  des  Harems,  den  wir,  da  sich  keine  weiblichen  Wesen  in  dem- 
selben aufhielten,  ebenfalls  besuchen  durften.    Die  ganze  Anlage   und 
Einrichtung  rührt  noch  von  dem  verstorbenen  Maharadscha  her  und 
ist  von  dem  jetzt  regierenden,  der  vor  kurzem  ein  zehnjähriges  Mädchen 
zu  seiner  Gattin  erwählt  hat,  nicht  verändert  worden.    Das  Zimmer  der 
Lieblingsfrau  ist  ohne  jeglichen  Schmuck,  nur  hängen  an  den  Wänden 
einige   wertlose   europäische  Farbendruckbilder;    das  einzige  Einrich- 
tungsstück   dieses    Gemaches    ist    ein    niedriger,    mitten    im    Zimmer 
stehender  Divan,  Unmittelbar  neben  diesem  Räume  liegt  ein   überreich 
verziertes  Gemach  de.s  gestrengen  Herrschers,  welches  mit  kostbaren       j 
Teppichen   und  Stoffen   geschmückt  und  verschwenderisch  mit  Gold.  .^  . 
Silber  und  Edelsteinen  verziert  ist.  An  den  Wänden  hängen  Spiegel  und^^^ 
glitzern  bunte  Gläser;  das  Bett  aus  schwerem  Golde,  ruht  auf  kunsl-  ,j 
voll  gearbeiteten  Füßen  und  ist  mit  seidenen  Decken  belegt,  währenc^  j 
ein  Baldachin  aus  gewichtiger  Seide  das  üppige  Lager  überragt. 

An  dieses  Schlafgemach,  welches  einen  grellen  und  sprechenderen 
Contrast  zu  der  Einrichtung  der  anderen  Räume  bildet,  reihen  siczzrh 
Gemächer  an,  bestimmt,  dem  Herrscher  tagsüber  zum  Aufenthalte  w  in 
Kreise  seiner  Schönen  zu  dienen.  Damit  keines  Unberufenen  Blick  in 
diese  heiligen  Hallen  dringe  und  den  Mächtigen  in  seinen  Schaf'fc^r- 
stundcn  belausche,  besitzen  diese  Zimmer  keine  Fenster,  sond^*^ 
erhalten  nur  durch  einen  ins  Freie  mündenden  Schlauch  Obcrii'^ '" 
—  eine  bauliche  Anordnung,  welche  im  ersten  .Augenblicke  höc^"**' 
befremdlich  wirkt. 


1 
1 


J 


lOO.ÜiW  Gulden  an  sich:  je  eine  mit  Edelsteinen  besetzte  .Agraffe  am 
Kopfe  und  ein  gleichartiges  Stirnband;  fünf  lani-e  Schnüre,  mit  GolJ- 
rupien  (MohiJr)  behängt;  am  Halse  zwei  Kehlriemen  mit  viereckigen 
Münzen  aus  reinem  Gold  besetzt;  an  beiden  VctrdeTtiufen  Bracelellen 
und  unter  dem  rechten  Knie  eine  dicke,  silberne  Spange.  Der  Sattel  war 
panneauartig  mit  Seidendecken  und  golddurchMirktem  Brocal  belegt, 
der  Schweifriemen  mit  großen,  goldenen  Kugelknöpfen  in  Filigran- 
arbeit besetzt  Goldene  Bügel  und  Gunen  vervollständigten  die  kost- 
bare, von  dem  \'ergnQgen  des  Orientalen  an  verschwenderischem 
Prunke  zeugende  Ausrüstung.  Der  Stallmeister  und  einige  schwarce 
Grooms,  in  ihre  Nationaltracht  gekleidet,  ritten  die  scharf  gezäumlen 
Pferde  ganz  in  der  landesüblichen,  fomvährend  versammelnden  Weise 
vor,  wobei  sie  die  Thiere  zwar  arg  quälten,  aber  auch  zu  den  kleinsten 
Pirouetten  und  zu  einer  durch  Spangen  und  Braceletten  stark  behin- 
deflen  Art  von  PiafTe  zwangen.  So  machten  die  schäumenden,  knir- 
schenden Thiere  in  ihrer  reichen,  farbenprächtigen  Rüstung  einen  zwar 
equesirisch  wenig  correcten,  aber  malerisch  höchst  wirkungsvollen 
Eindruck. 

Der  Rest  des  Tages   war  der  Besichtigung  der  Festung  Gwali*** 
gewidmet  Gwalior  liegt  in  dem  nördlich  vom  Tschambal.  südlich  vo** 
ändhflusse  begrenzten,  von  isolierten  Felsblöcken  durchsetzten  Hü^^^' 
lande.  Was  Gwalior  genannt  wird,  besteht  eigentlich  aus  drei  ger»^^ 
gegliederten  Theilen:  der  Festung,  der  an  ihrem  nördlichen  FuÖe  ge'  ^" 
genen  .Altstadt  und  der  Neustadt  oder  Laschkar  im  Süden.  In  frühe«"^^"^ 
Zeiten  wohnten  die  Fürsten  von  Gwalior  und  die  gesammte  städtisch'  * 
Bevötkemng  im  Rayon  der  Festung   selbst,   \vovon   noch  Paläste 
minenhafte  Tempel  Zeugnis  geben.  Nach  den  Einfallen  der  Großmogm-»- 
entstand  im  Norden  des  unterhalb  der  Festung   gelegenen  Tliales  ^^ 
mohammedanische,  jetzt  halbverfallene  und  veriassene,  aber  noch  imnr» 
schöne  Moscheen   und  Mausoleen   enthaltende  .AlisuJt.   Die 


* 


a 


Laschkar  (»die  Zeltstadt«)  endlich,  mit  dem  alten  Barah-Palast  und  d^ 
•MthJemen  Palais*  Maharadscha  Sindhias.  mit  neuen  englischen  BauC 
und  dem  lebhaften  Kaufmannsviertel  Sarafa.  ist  auf  jenem  Lagerpia' 
emporgebiüht.  welchen   zu  Anfang   des  19.  Jahrhunderts   Duulat   fC 
ändhia  im  Süden  der  Festung  aufgeschlagen  hatte.   Diese  Theile  \-< 
Gwalior  überragt  die  Festung,  welche  auf  einem  isolierten,  etwa  2"5 
iangen.  03<hn  breiten,  nach  allen  Seiten  hin  steil  abfallenden  Sandsteil 
bügd  gelegen,  stolz  auf  das    etwa    100  m   tief  unter  ihr  beßndlict* 
bebaute  und  besiedelte  Land  niederblickt. 


.^1 


i  Hauptinteresse  der  flüchtigen  Besucher  von  Gvvalior  concen- 
Tiert  sich,  da  die  in  der  Ebene  gelegenen  Theile  der  Stadt  an  Sehens- 
ivürdigkeiten  von  Bedeutung  eigentlich  nur  das  jenseits  des  Flusses 
gelegene  Grabmal  Mohammed  Gaus  enthalten,  selbstverständlich  auf 
das,  was  die  uralte  Festung  bietet. 

Ein  befestigter  Weg,  welchen  der  ganzen  Länge  nach  creneüerte 
Mauern  begleiten,  führt  zur  Festung  empor.  Von  Elephanten  getragen, 
passieren  wir  zwei  zur  Vertheidigung  eingerichtete  Thore.  Dann  geht 
es  steil  bergan.  Bei  der  ersten  Wegbiegung  steht  das  älteste  Denkmal 
der  ganzen  Gegend,  der  aus  dem  Felsen  herausgearbeitete  Wischnu- 
Tempel,  Tschatr  Bhodsch  Mandir,  dessen  Entstehung  eine  der  Inschriften 
in  das  Jahr  876  n.  Chr.  zurückveHegt.  Staunen  wir  schon,  wenn  uns 
die  Geschichte  Gwaliors  zu  berichten  weiß,  dass  diese  unzähligemal 
bestürmte  Festung  fast  tausend  Jahre  lang  stets  der  Zankapfel  der 
Beherrscher  Indiens  gewesen  ist,  so  muss  uns  der  Anblick  eines  Heilig- 
Ihiimes,  welches  aus  dieser  Zeit  erhalten  ist,  wahrhaftig  mit  pietätvoller 
Scheu  erfüllen. 

Die  Felswände  neben  dem  Wege  sind  mit  ausgemeißelten  Götter- 
S^stalten  und  Votivbildem,  oft  sehr  realistischer  Art,  bedeckt  und  in 
•eträchtlicher  Höhe  birgt  der  Felsen  natürliche  Grotten  und  Höhlen,  in 
^'eichen  Fakire  hausen  sollen.  Leider  bekam  ich  diese  Einsiedler  nicht 
u  Gesicht  und  vermochte  sonach  keinen  Einblick  in  ihre  Lebensweise 
J  gewinnen,  die  jener  der  Eremiten  in  den  Felsenhöhlen  von  Mar  Saba 
-i    Jericho  ähnlich  sein  dürfte. 

Nach  viertelstündigem  Aufstiege  gelangt  man  durch  ein  mit  farbig 
■»taillierten  Fliesen  und  durchbrochenen  Steinreliefs  verziertes  Riesen- 
>r^al  auf  das  Plateau  der  Festung  und  hier  ins  Innere  des  Rayons. 
»eses  Portal  ist  von  zwei  mächtigen,  runden,  von  Säulengallerien  und 
*->ppeln  überhöhten  Thürmen  flankiert.  Rechts  vom  Eingange,  an  das 
'hör  anschließend  und  mit  der  Außenfront  einen  Theil  der  Festungs- 
la.uem  bildend,  erhebt  sich  der  von  Man  Singh  (i486  bis  1516),  dem 
'edeutcndslen  der  Fürsten  von  Gwalior  aus  dem  Hause  Tomara, 
srrichtet«  Palast  —  ein  bewundernswertes  Bauwerk.  Es  bildet  ein 
«■■Wei  Höfe  einschließendes  Rechleck  {100 »»  ;  50  m),  das  an  den 
Uangseiten  33  m.  an  den  Breitseiten  20  nt  hoch  ist;  die  Nord-  und  die 
Westfront  des  über  dem  Erdgeschosse,  wie  unter  demselben  je  zwei 
Stockwerke  enthaltenden  Gebäudes  sind  schon  fast  ganz  zerstört. 
Allein  vielleicht  hegt  gerade  in  dem  Gegensatze  diesef  verfallenen 
Theile  zu  den  noch  erhaltenen  prachtvollen  Fronten  ein  Reiz  mehr. 

151 


In  die  östliche  Langseite  sinti  rünfrunde  Thürme  eingebaut,  welchen 
wie  die  durchaus  fensterlosen  AuUenwände  des  eigentlichen  Gebäudes. 
ungefähr  bis  auf  halbe  Höhe  nur  von  Leisten  durchzogen,  im  übrigen 
jedoch  ganz  glatt  sind,  um  weiter  empor  in  reizendster  und  mannig- 
faltigster Architektur  sozusagen  aufzublühen.  Mit  wahrhaft  orienta- 
lischer Phantasie  geschmückt,  bald  eingezogen,  bald  vorspringend, 
mit  Gesimsen,  Sockeln,  Wandpfeiiern  verziert,  bilden  die  Thürme 
cylindrische  Unterbaue,  auf  welchen,  von  Pfeilern  getragen,  sich  ofTene, 
hohe  Kuppeln  erheben.  Die  Mauerwände  aber,  in  der  Hohe  von 
Pilastern  und  Tragsteinen  durchsetzt  und  von  Zinnen  gekrönt,  endigen 
in  viereckige,  von  Kuppeln  überdeckte  Altane.  Die  östliche  Breitseite 
des  Palastes  hat  eine  ähnliche,  doch  minder  reich  geschmückte,  mit 
zierlichen  Ausladungen  versehene  Anordnung.  Hier  sind  nur  drei 
Thürme  eingebaut. 

Zu  dem  Reize  der  Linien,  der  Profilierung  und  der  Steinarbeiten  der 
beiden  Fronten  gesellt  sich  der  Zauber  der  Farben,  welche  den  mit 
vollem  Rechte  Tschit  Mandir,  bemaller  Palast,  genannten  Königsbau 
schmücken.  Die  Außenflächen  aller  Mauern,  Thürme  und  Gesimse  der 
beiden  Fronten  sind  mit  emaillierten  Fliesen  belegt,  zwischen  denen 
aus  weißem  Stuck  geformte,  jetzt  zumeist  verwitterte  Ornamente  sich 
hinziehen.  Allerlei  Zierat,  Ranken,  Blumen,  stilisierte  Thierfiguren  dar- 
stellend, schimmert  und  leuchtet  der  Schmelz  der  Fliesen  in  zartem 
Blau,  Grün  und  Gold,  das  elegante  Formenspiel  der  Thürme,  Gesimse, 
.Altane  durch  die  Pracht  der  Farben  bereichernd,  die  sich  in  buntem 
Wechsel  und  doch  in  fein  empfundener  Abtönung  über  das  Bauwerk 
ergießen  und  derart  einen  ebenso  künstlerischen,  als  stimmungsvollen 
Eindruck  hervorbringen. 

Von  dem  röthlichen  Lichte  der  sinkenden  Sonne  Übergossen, 
übt  der  Palast  Man  Singhs,  einer  der  baulichen  Schätze  Indiens,  eine 
außerordentliche,  mir  unvergessliche  Wirkung  aus.  Man  glaubt  sich  in 
die  Zeiten  zurückversetzt,  wo  noch  mächtige  Könige,  umgeben  von 
ihrem  glänzenden  Hofstaat  und  Tausenden  von  Sclaven,  hier  gehaust 
haben;  wo  Reiter  und  farbenprächtige  Festzüge  den  Berg  heraufkamen 
und  die  königliche  Feste  von  regem  Kriegslämi  erfüllt  war. 

Wie  das  Äußere,  so  ist  auch  das  Innere  des  Palastes  in  allen 
Details  äußerst  kunstvoll  gearbeitet.  Alle  Wände  der  Innenräume  sind 
mit  den  feinsten  durchbrochenen  Steinarbeiten  und  bunter  Emailglosur 
geschmückt.  Natürlich  ist  der  Palast  unbewohnt  und  in  seinem  jetzig«! 
Bauzustande  auch  unbewohnbar. 


^^a.T  sehr  erstaunt,  in  dem  alten  indischen  Obersten  Sita  Kam. 
der  uns  als  Cicerone  diente,  einen  Mann  zu  finden,  der  sich  —  ein 
weißer  Rabe  unler  seinen  Landsleuten  ^  nicht  mit  der  Zerstörung, 
sondern  im  Gegentheile  mit  der  Erhaltung  dieser  historischen  Kunst- 
werke beschäftigt.  Überall  erkennt  man  seine  fürsorgliche  Hand;  denn 
bald  da,  bald  dort  ist  ein  frischer  Stein  eingesetzt,  eine  ins  Schwanken 
gerathene  Wand  gestützt,  dies  und  jenes  Relief  restauriert. 

Nebst  Man  Singhs  Palast  trägt  der  Burgberg  von  Gwalior  noch 
mf  zum  Theile  ganz  schmucklose  Paläste.  Beachtung  verdient  unter 
ihnen  nur  der  Gudschari- Palast,  ein  umfangreiches  und  stattliches,  aus 
Hausteinen   errichtetes  Gebäude,  und  der  Karan-Palast  mit  seinem  von 
einer  originellen  Hindu-Kuppel  überdeckten  großen  Saale. 

Unser  lebhaftes  Interesse  erregten  dagegen  die  alten,  noch  immer 
in  Hindu-Pilgern  besuchten  Tempel  sowohl  durch  ihre  Bauart  als  auch 
jFch  ihre  Sculpturen.  Die  Festung  birgt  im  ganzen  eilf  solcher  Hindu- 
impel.  unter  welchen  besonders  zwei  auffallen:  der  Teli-ka  Mandir 
id  die  beiden  Säs  Bähu-Tempel. 

Der  Teli-ka  Mandir,  d.  i.  -der  Tempel  des  Ölhändlers-,  vor  mehr 
einem  Jahrtausend  erbaut,  hat  im  Laufe  der  Zeiten  seine  Kuppel  ver- 
Iren.  Heute  hat  er  etwa  die  Form  eines  an  der  Spitze  abgeplatteten 
ickerhutes,  eine  Gestalt,  die  sich  daraus  erklärt,  dass  das  jetzt  noch 
hoch  emporstrebende  Gebäude  dem  Bauplane  gemäß  nach  oben 
fxu  abnimmt  und  die  Nischen  der  durch  Vorsprünge  belebten  Faijaden 
in  spitzige  Aufsätze  zulaufen.  Überdies  verjüngt  sich  der  einen  qua- 
dratischen Raum  einschließende,  thurmförmige  Tempel  auch  dadurch, 
dass  gerade  der  Oberlheil,  der  einst  die  Kuppel  getragen,  viel  von 
seinem  architektonischen  Schmucke  verloren  hat.  Die  Außenwände  des 
Tempels  sind  über  und  über  mit  den  interessantesten,  aus  Sandstein 
gemeißelten  Reliefs  bedeckt.  An  der  Südseite  sind  diese  noch  in  beträcht- 
licher Höhe  wohl  erhalten,  indessen  die  Ostseite  oberhalb  der  statt- 
lichen, von  Bäumen  beschatteten  Eingangspforte  schon  in  halber  Höhe 
fast  nur  mehr  Trümmer  zeigt.  Ursprünglich  Wischnu  heilig,  ist  der 
Telt-ka  Mandir  späterhin  dem  Gotte  Schiwa  geweiht  worden.  Rings  um 
den  Tempel  stehen,  eine  .^rt  kleines  Museum  im  Freien  bildend,  eine 
Menge  der  schönsten  Reliefs,  Statuen  und  Bildwerke,  die  Reste  ehe- 
maliger Tempel. 

Die  verschiedenartigsten  Göttergestalten,  als  Ganescha,  Hanuman 
und  Schiwa  sind  hier  vertreten.  Mit  großer  Mühe  hat  der  alte  Oberst  diese 
Stücke   ehemaliger  Herrlichkeit   auf  dieser    Stelle  zusammengetragen 

153 


und  versicherte  uns,  man  brauche  nur  wo  immer  in  der  P'estung  nach- 
zugraben, um  überall  derlei  Dinge  zu  finden;  denn  der  ganze  Raum 
müsse  dereinst  mit  Tempeln  und  Palästen  bedeckt  gewesen  sein.  Zu 
meiner  grollen  Freude  schenkte  er  mir  drei  der  schönsten  Relief^ 
danmter  eines  von  geradezu  künstlerischer  Ausführung. 

Das  dem  Gotte  Wischnu  geweihte  Heiligthum  Säs  Bähu  (Sahasra 
liähu),  aus  dem  12.  Jahrhunderte  stammend,  besieht  aus  zwei 
Rädscha  Mahipal  erbauten  Tempeln.  Der  große  Säs  Bähu-Tempel  ii 
etwa  30»«  lang  und  20  m  breit.  Einst  über  30  nt  hoch,  misst  er  heute; 
da  seine  Kuppel  längst  abgestürzt  ist,  noch  etwa  20  m  Höhe.  Das 
oberste  seiner  drei  Stockwerke  ist  Tast  gänzlich  verfallen,  so  dass  seine 
gegenwärtige  Spitze  einer  abgestumpften,  regellosen  Pyramide  gleicht. 
Im  Innern  erheben  sich  vier  große,  massive,  gemeißelte  Steinsaulen; 
diese  tragen  die  pyramidal  aufstrebende,  eine  merkwürdige  Verquickung 
abwechselnd  kreisförmiger  und  quadratischer  Steinbänder  darstellende 
Decke,  die  an  ihrem  höchsten  Punkte  in  ein  Viereck  endet.  Die  Basis 
der  eben  genannten  Steinsäulen  besteht  aus  großen  Steinblöcken: 
Säulen  und  Wände  sind  wieder  mit  Göttersculpturen  bedeckt.  Das 
Ganze  sieht  aus,  als  hätte  es  ein  Riese  aus  ornamentiertem  Papier- 
mache geformt,  aber  gleichwohl  erweckt  dieser  Tempel,  ein  geschmack- 
volles Erzeugnis  alter  Kunst  und  Technik,  keineswegs  andere  Gefühle 
als  jene  der  Bewunderung. 

Der  kleine  Tempel  Säs  Bähu,  in  Kreuzesform  und  nach  allen  viel 
Seiten  hin  offen,  ist,  wenn  auch  weniger  reich,  so  doch  gleichfalls  mit 
großem  Geschmacke  verziert. 

Außer  diesen  beiden  hervorragenden  Tempeln  gibt  es  noch  neun 
kleinere  Tempel,  von  denen  jeder  vom  andern  verschieden  und  in 
seiner  Art  beachtenswert  ist,  wiewohl  sie  alle  die  Spuren  der  nivellie- 
renden Hand  der  Besatzung  deutlich  an  sich  tragen.  Die  Aufzählungi 
aller  dieser  Wunderbauten  würde  zu  weit  führen. 

In  die  senkrecht  aufsteigenden  Felswände  des  Hügels,  der 
Feste  Gwalior  trägt,  sind  die  ob  ihrer  Zahl  und  Größe  berühml 
Reliefs  von  Urwähi  eingemeißelt.  Diese  Hochreliefs,  welche  GötU 
gestalten  aus  dem  indischen  Sagenkreise  des  Dschaina-Cultus  dar^ 
stellen,  erinnern  einigermaßen  an  die  ägyptischen  Reliefs  und  sind 
hier  aus  der  Fläche  der  Sandsteinwände  ausgehauen  worden.  Einzelne 
Gruppen  dieser  Sculpturen  liegen  in  natürlichen  oder  künstlich 
hergestellten  Grotten,  Höhlen  und  Nischen,  über  deren  Oberkante  die 
Felswand  theils  senkrecht  aufsteigt,  theils  überhängt.  Manche  dieser 


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Sieinbillicr  stellen  Göttergestalten  in  zwan  zigfach  er  Vergrößerung  des 
menschlichen  Mal3es  dar.  Die  Provenienz  dieser  Sculpturen  von  den 
Dschainas  ist  für  den  Fachmann  unschwer  erkennbar,  da  nur  diese 
Secte  ihre  Göttergestalten  stets  unbekleidet  dargestellt  und  überdies 
weit  rohere  Arbeit  geliefert  hat,  als  die  andern  Hindu -Seelen.  Den 
Rahmen  der  Figuren  bilden  allerlei  Ornamente,  sowie  Halbreliefs, 
welche  Thiere  und  genrehafte  Bilder  aus  der  Götterlehre  der  Dschainas 
darstellen,  einer  Secte,  die  sich  um  die  Zeit  der  Entstehung  des 
ßuddhaismus  vom  Hinduismus  abgezweigt  hat.  Beschauliches,  der 
Welt  entfremdetes  Klau-snerleben  im  Innern  der  Heiligthümer  oder,  wie 
in  Gwalior,  in  Steinhöhlen,  ist  für  die  Dschaina-Secte  charakteristisch, 
und  diese  Lebensführung  im  \'ereine  mit  dem  tief  religiösen  Sinne 
der  Dschainas  ließ  aus  den  urspKinglich  wohl  nur  als  Wohnzelien 
benützten  Grotten  bauten'  mit  der  Zeit  Heiligthümer  entstehen,  deren 
.Ausschmückung  durch  —  dem  Steine  abgewonnene  —  Reliefs  die 
Frucht  vieljähriger,  mühsamer  Arbeit  war.  Die  Reliefs  von  Urwähi 
allerdings  sind  nJchl  auf  solche  .Art,  sondern  auf  Befehl  zweier 
Herrscher  von  Gwalior  aus  der  Tomara-Dynastie  entstanden.  Unter 
Dimgar  Singh  (1425)  sind  diese  Arbeiten  begonnen  worden;  unter 
Kirti  Singh  (1454)  sind  sie  schon  vollendet  gewesen.  Die  Mehrzahl  der 
Reliefs  ist  wenige  Decennien  später  (1527)  aus  religiösem  Fanatismus 
durch  den  Großmogul  Baber  zerstört  worden, 

Von  den  Glacis  der  Festung  aus  genießt  man,  da  keine  der  benach- 
barten Höhen  den  Burgberg  von  Gwalior  überragt,  einen  Rundblick 
weithin  auf  das  Land.  Dürr  und  braun  liegt  es  da,  wenn  nicht  die 
Regenzeit  auf  Hügel  und  Ebene  frisches  Grün  erweckt  hat.  Basaltkegel, 
rothe  Sandsteinblöcke,  endlose  Hügelketten  steigen  vor  unseren  Blicken 
auf,  und  uns  zu  Füßen  liegt  die  verödete  .\ltstadt,  die  bunte  Neustadt 
l-aschkar  sowie  die  Ebene,  welche  sich  gegen  Süden  hin  bis  zum 
Horizont  erstreckt.  Die  Bauten  der  Städte,  die  weiß  schimmernden 
Paläste  der  Rädschas.  die  Dörfer  der  Ebene  beieben  da.s  Bild,  dessen 
Reiz  die  eben  im  Untergehen  begriffene  Sonne  durch  selt.same  Farben- 
ffTecte  erhöht. 

Die  architektonische  Physiognomie  der  Festung  wird  durch  die 
von  der  englischen  Besatzung  erbauten,  langgestreckten  Officiers-  und 
.Mannschaftsbaracken  einigermaßen  beeinträchtigt.  Allein  auch  diese 
Steine  reden!  Unzähiigemale  haben  kriegerische  Stürme  diese  Felsen- 
feste umbrausl,  seitdem  Gwalior,  mehr  als  anderthalb  Jahrtausende 
auf  dieser  Sandsteinklippe  fußend,  dem  Gläubigen  heilig,  dem  Krieger 


kostbar  dünkl.  Endlich,  im  Jahre  1770.  fiel  die  so  heiOumstrittene  Fcsie 
in  die  Hände  der  Engländer.  \'on  den  Maharatten  zurückerobert,  doch 
diesen  im  Jahre  1803  abermaU  entrissen,  um  später  neuerdings  den 
englischen  Händen  entwunden  zu  werden,  ist  Gwalior  im  Jahre  1844 
nach  harten  Kämpfen  wiederum  britischer  Besitz  geworden. 

In  dem  großen  ostindischen  Aufslande  der  Jahre  1857  bis  I8ö9 
hat  Gwalior  eine  bedeutende  Rolle  gespielt.  Im  Juni  1858  von  Sir  Hugh 
Rose  nach  verzweifeltem  Kampfe  mit  dem  Schwerte  in  der  HanJ 
erstürmt,  blieb  die  Festung  von  Gwaiior  bis  zum  Jahre  1886  von 
englischen  Truppen  besetzt.  Die  britische  Besatzung  hoch  über  seiner 
Residenz  im  Besitze  des  Schlüssels  des  Landes  zu  sehen,  war  wohl 
danach  angethan.  den  Maharadscha  Sindhia.  den  streitbarsten  aller 
englischen  Vasailenfürsten,  in  ein  sehr  gespanntes  Verhältnis  zu  den 
Gewalthabern  der  Kaiserin  von  Indien  zu  bringen.  Nach  dem  Tode 
Sindhias  (1886)  wurde  die  Festung  dem  rechtmäßigen  Herrscher  zurück- 
gestellt, die  englischen  Besatzungstruppen  wurden  zurückgezogen  und 
die  frei  gewordenen  Baracken  und  Batterien  mit  Truppen  des  Maha- 
radschas belegt. 

Als  wir.  durch  das  Gesehene  äußerst  befriedigt,  die  Festung 
verließen  und  am  Fuße  des  Hügels  zurückblickten,  stand  der  Mond 
am  Himmel  und  ergoss  sein  volles  Licht  auf  die  kühne  Silhouette  des 
Burgberges,  auf  die  Thürme  und  Zinnen  des  Man  Singh-Palastes, 
dessen  wundersame  Emailwände  im  Widerscheine  erglänzten. 


Gwalior,  30.  JüniH|H 

Zwei  englische  Officiere,  Captain  Edwards  und  Lieutenant  Cold- 
grave  ^  von  dem  Central  Indian  Horse,  einem  bekannt  guten  Regimenle, 
und  gegenwärtig  den  inländischen,  vom  Maharadscha  aufgestellten 
Regimentern  als  Instructoren  für  Officiere  und  Mannschaft,  sowie  bei 
Manövern  als  Berather  und  Führer  zugetheilt  —  hatten  mich  und  die 
Herren  meiner  Suite  zu  einem  Pigsticking,  einem  Lanzen-stechen  zu 
Pferde  auf  Wildschweine,  in  der  Ebene  von  Gwalior  eingeladen.  Sehr 
gespannt,  diesen  mir  noch  neuen  Sport,  von  dem  ich  bereits  viel  gehört 
hatte,  kennen  zu  lernen,  nahm  ich  die  .Aufforderung  zur  Theiliiahmc 
an  demselben  mit  Vergnügen  an.  Ich  muss  gestehen,  dass  dieses 
jagdliche  Unternehmen  hinter  meinen  Erwartungen  nicht  zurückblieb; 
Pigstickina  ist  ein  ebenso  unterhaltender  als  aufregender  Sport,  der 
bede'  ^schicklichkeit  und  Ausdauer  im  Reiten  erfordert. 


^"  Vfin  Gwalior  fiiliren  wir  \4  km  ins  Land  bis  zu  tineni  kleiner** 
Jagdhause  des  .Maharadschas,  wo  die  Pferde  —  Dienstpferde,  die  das 
Central  Indian  Horse  gestellt  hatte  —  und  berittene  Schikäns  harrten. 
Einer  Halsaffection  wegen,  an  der  ich  schon  seit  dem  Aufenthalte  in 
Kalawewa  litt,  sollte  ich  mich  zu  meinem  großen  Leidwesen  nicht  an 
der  Jagd  betheiligen,  sondern  musste  mich  auf  Befehl  des  Arztes 
begnügen,  im  zweiten  Treffen  mit  VVurmhrand  nachzureiten. 

Das  Jagdterrain  war  eine  ausgedehnte  Ebene,  mit  meterhohem 
vertrockneten  Alanggrase  (Imperata  cylindrica)  bewachsen,  von  dem 
nur  einzelne  kleine  Flächen  frei  waren,  so  dass  das  Galoppieren  in 
diesem  Grase  nicht  eben  angenehm  war,  indem  weder  Ross  noch 
Reiter  sehen,  wohin  der  Fuß  tritt,  und  sich  überdies  in  den  Savannen 
unzählige  kleine  Erdrisse,  sowie  insbesondere  tiefe,  löcherförmige  Baue 
von  Stachelschweinen  befinden. 

Nach  kurzer  Suche  wurde  ein  Rudel  Schweine  aufgestoßen,  das 
taute  »Tallyboo'  der  Reiter  ertönte  und  alsbald  jagten  dieselben  mit 
eingelegten  Lanzen  füll  pace  nach.  Ich  ritt  einen  sehr  unternehmungs- 
lustigen Gaul,  welcher  es  nicht  verstehen  wollte,  dass  ich  der  Anord- 
nung des  Arztes  gemäß  zurückbüeb,  und  mich  vollauf  beschäftigte, 
weshalb  ich  erst  bemerkte,  dass  Wurmbrand  gestürzt  war,  als  sein 
reiterloses  Pferd  an  mir  vorbeikam.  Er  war  bei  einem  Stachelschwein- 
bau rouliert,  hatte  sich  aber  zum  Glücke  nicht  verletzt.  Ich  folgte  den 
Reitern  langsam,  die  zuerst  in  gerader  Richtung  fortsprengten,  dann 
aber,  als  sie  den  Schweinen  näher  gekommen  waren  und  einen  Keiler 
abgetrennt  halten,  demselben  mit  Geschick  nachsetzten,  bis  er  endlich. 
Von  vielen  Lanzenstichen  durchbohrt,  zu  unseren  P'üüen  lag.  Die 
Engländer  jagen  nur  Keiler  oder  überlaufene  Keiler  und  finden  mit 
erstaunlicher  Sicherheit  in  dem  hohen  Grase  aus  einem  Rudel  sofort 
das  geeignete  Stück  heraus. 

Bald  war  in  dieser  so  wildreichen  Gegend  ein  zweiter  Keiler 
gefunden,  und  die  Jagd  nahm  ihren  neuerlichen  Anfang.  Der  Run  war 
jedoch  rasch  beendigt,  da  einer  der  Herren  gleich  bei  Beginn  desselben 
den  Keiler  mit  geschicktem  Lanzenstoße  getroffen  hatte.  Bei  diesem 
Galopp  stürzte  Captain  Edward  ziemlich  böse  auf  den  Kopf,  ritt  zwar 
die  nächsten  zwei  Runs  noch  mit,  musste  dann  aber  gleich  nach  Hause 
zurückkehren  und  konnte  abends  nicht  zum  Diner  erscheinen. 

Nun  war  es  an  der  Zeit,  den  angestrengten  Pferden  Ruhe  zu 
gönnen,  doch  dauerte  dieselbe  nicht  lange,  da  ich  plötzlich  in  einiger 
Entfernung    ein  Rudel   Schwarzwild   erblickte  und  die  Herren  hierauf 


aufinerkfiaTii  machle.  Sofort  war  alles  im  Sattel.  Jetzt  aber  lieli  sich 
meine  Jagd-  und  Reitpassion  nicht  länger  eindämmen;  die  Belehrungen 
und  strengen  Verbote  des  Leibmedicus  waren  vergessen,  und  ich  ritt 
der  eben  gegen  mich  sich  wendenden  Jagd  im  Galopp  entgegen,  einstn 
Keiler  den  Weg  abschneidend.  Der  Keiler  stellte  sich;  rasch  benützte 
ich  dies,  um  ihn  mit  der  Lanze  abzufangen.  Mit  großer  Genugthuung 
betrachtete  ich  meine  erste  Trophäe  im  Pigsticking. 

Die  Müdigkeit  unserer  Pferde,  die  bedeutende  Hitze  und  die  für 
Nachmittag  noch  in  Aussicht  stehende  Schießjagd  bewogen  un.sere 
Master,  den  Heimweg  anzutreten.  Wir  waren  kaum  einige  hundert 
Schritte  geritten,  als  mehrere  Stücke  Schwarzwild  abermals  hnch 
wurden.  Natürlich  konnten  wir  der  Verlockung  nicht  widerstehen, 
ihnen  zu  folgen,  wobei  sich  die  Gesellschaft,  da  zwei  Keiler  in  dem 
Rudel  waren,  unwillkürlich  trennte;  Crawford  und  Coldgrave  folglen 
dem  einen  Stücke,  die  Herren  meiner  Suite.  Fairholme  und  ich  dem 
anderen.  Der  Run  dauerte,  weil  die  Pferde  schon  erschöpft  waren,  lange. 
Zum  Schluss  entspann  sich  ein  hitziges  Gefecht;  ein  wirres  Durch- 
einander entstand;  der  Keiler  stellte  sich,  nahm  die  Pferde  an  und  schluj; 
sogar  den  Schimmel  Pronays  am  Hinterfuße  ziemlich  stark.  Schließlich 
kam  es  zu  einem  recht  heileren  Match  zwischen  mir  und  Wurmbrand; 
denn  wir  waren  die  nächsten  zu  dem  Schweine,  hatten  aber  keine 
.Sporen,  so  dass  wir  die  Gäule  nicht  näher  an  den  Gegner  brachten  und 
einen  Luftstoß  nach  dem  anderen  ausführten,  bis  es  uns  nach  langem 
Kampfe  endlich  gelang,  den  Keiler  zu  strecken.  Man  sollte  nicht  glauben, 
wie  schwer  es  für  den  Anfänger  ist,  das  erstemal  die  Lanze  gegen 
ein  flüchtiges  Schwein  wirksam  zu  handhaben,  und  wie  oft  er  fehl 
sticht,  bevor  der  Keiler  getroffen  ist.  Die  andere  Partie,  jene  Crawfords. 
hatte  ebenfalls  ihr  Schwein  glücklich  erlegt,  und  so  ritten  wir  nun  mit 
fünf  erbeuteten  Stücken  in  das  Jagdhaus  zurück,  wo  ein  Frühstück 
unser  wartete. 

Da  ich  einige  Geier  in  der  Luft  lireisun  sah,  ließ  ich  eines  der 
Schweine  als  Luder  neben  die  Villa  legen,  und  in  der  Thal  dauerte 
es  nicht  zehn  Minuten,  so  kamen  Schmutzgeier  und  zum  Schlüsse 
große  Bengalische  Geier  (Gyps  bengalensis)  herbei.  Mehrere  Exemplare 
wurden  mir  zur  Beute,  leider  fehlte  ich  aber  mit  einem  nicht  erprobten 
tlcwehre  einen  Adler,  der  sehr  an  unseren  Kaiseradler  erinnerte. 

Nachmittags  wollten  wir  auf  Black-bucks  und  Sumpfwild  in 
der  Umgebung  jagen  und  trennten  uns  daher  in  mehrere  Partien.  Ich 
versuchte  mit  Fuirholme  mein  Glück  zuerst  auf  Black-bucks,  die  wir 


^^ffBauernwagtn  anfuhren.  Dit  Thiero  waren  aber  durch  die  mit  dem 
Pigsticking  verbundene  Beunruhigung  so  scheu  gemacht  worden,  dass 
Irutz  aller  Viirsicht  ein  Ankommen  unmöglich  war.  Wir  ritten  daher  zu 
den  in  der  Nähe  gelegenen  Teichen,  um  dort  VVasserwild  zu  suchen.  Die 
Ebene,  in  der  wir  jagten,  ist  von  zahlreichen  untereinander  durch  Canäle 
verbundenen,  Irrigationszwecken  dienenden  Teichen  durchsetzt,  welche 
dem  verschiedenartigsten  Wasserwilde  als  .Aufenthaltsort  zu  dienen 
pflegen.  Auf  dem  ersten  Teiche  saß  ein  Schwärm  von  mindestens  vier- 
bis  fünfhundert  verschiedener  Enten,  deren  ich  drei  erlegte.  Durch  die 
Schüsse  wurde  allerlei  Geflügel  aufgescheucht,  darunter  drei  besonders 
auffallende,  prachtvolle  Antigone-Kraniche  (Grus  antigone). 

Unweit  dieses  Teiches  dehnte  sich  ein  zweiter,  gröÜerer  aus,  der 
von  weitem  schon,  mit  dem  Fernglase  betrachtet,  als  sehr  wildreich 
trschien,  und  durch  dessen  hohes  Schilf  ich  behutsam  anpürschte. 
Auf  der  Wasserfläche  schwamm  eine  Kette  der  schönen  braunen  Rost- 
cnten  und  dazwischen  tummelten  sich  Enten  verschiedener  anderer 
Galtungen.  von  der  kleinen  Krickente  bis  zur  großen  Kolbenente;  in 
Jcm  Schilfe  sah  ich  die  schlanken  Hälse  und  die  carminrothen  Köpfe 
zweier  Antigone-Kraniche;  in  der  Luft  strichen  unausgesetzt  Enten. 
Bekassinen,  Strandläufer,  Kampfhähne  und  Storchschnepfen  vorbei. 
Ungeachtet  aller  von  mir  angewandten  Vorsicht  hatte  mich  das  Wild 
bald  wahrgenommen,  so  dass  nur  noch  ein  Kugelschuss  auf  die 
Kraniche  zu  versuchen  war,  der  aber  leider  fehl  gieng. 

Am  Rande  des  Teiches  fortschreitend,  erbeutete  ich  noch  eine 
-Anzahl  Enten  und  zwei  gemeine  Blässhühner,  mehrere  Storchschnepfen 
lind  eine  Rohrweihe.  Mein  ganzes  Sinnen  und  Trachten  jedoch  war 
iiuf  die  herrlichen  Antigone-Kraniche  gerichtet,  die  ich  endlich  in  weiter 
tViic  in  ein  Weizenfeld  einfallen  sah.  Zum  Glücke  lief  in  der  Nähe 
Jc5  Weizenfeldes  ein  tief  eingeschnittener  Bach  in  starken  Windungen 
wrbei;  auf  diesen  baute  ich  meinen  Operationsplan.  Ich  lieü  mich  an 
Jen  steilen  Ufern  hinab,  durchwatete  den  Bach  und  pürschte  so  nahe 
hiiran,  dass  ich  mit  Coup  double  beide  Kraniche  schießen  konnte.  Der 
t'ine  lag  verendet,  der  andere  war  schwer  krank.  Der  Jäger  soll  jedoch 
lit;  habsüchtig  sein,  welch  weise  Lehre  sich  jetzt  an  mir  bewahrheitete; 
Jt^in  kaum  hatte  ich  auf  die  beiden  Kraniche  geschossen,  so  streicht 
ülier  meinen  Kopf  ein  großer  Silberreiher,  auf  den  ich,  statt  den  kranken 
"^"^nich  auszumachen,  schieße;  in  diesem  Augenblicke  kommt  der 
li'anke  Vogel  auf  die  Stander,  schlägt  mit  den  Klügeln  und  zieht  auf 
Mnimerwiedersehcn  ab,  während  ich  mit  ausgeschossenem  Gewehre 


nachblicke.  So  musste  ich  mich  mit  einem  einzigen  Exemplare  •iiesa 
Riesenvogels  begnügen,  der  mil  gestrecktem  Halse  die  Hohe  eines 
envachsenen  Mannes  erreicht. 

Ein  erneuertes  Anfahren  an  die  Black-bucks  war  von  ebenso- 
wenig Erfolg  gekrönt  aLs  das  erste,  und  so  beschied  ich  mich  mil 
verschiedenen  Enten,  darunter  I-Öffelenien  (Anas  clypeata),  sowie  rnil 
einigen  Kampfhähnen,  und  kehrte  ins  Bungalow  zurück,  wo  ich  die 
anderen  Herren  traf,  die    ebenfalls  reiche  Beute  gemacht  hatten. 

Herrlicher  Mondschein  gab  uns  das  Geleile  nach  Gwalior.  Hier 
verabschiedeten  wir  uns  nach  dem  Diner  v<ki  den  Jagdgefährten  und 
bestiegen  den  Zug,  der  uns  nach  Caicutta  bringen  sollte. 


Calcutta. 


Gwalior  —  Calciitta,  31.  Jänner, 

Auf  dem  Wege  von  Gwalior  nach  Calculta  durchzogen  wir  die 
englischen  Nordwestprovinzen,  weiterhin  die  Präsidentschaft  Bengalen, 
deren  Hauptstadt  Caicutta  an  den  Mündungen  des  Ganges,  des  Haupt- 
sCrorrjes  Vorderindiens,  liegt,  und  gelangten  schließlich,  da  die  Ent- 
fernung zwischen  Caicutta  und  der  See  noch  \&)  k»i  beträgt,  in  den 
Küstenbereich  des  bengalischen  Meerbusens.  Vom  Plateau  von  Maivva 
senkten  wir  uns  in  die  Ebenen  der  Dschamna  und  des  Ganges,  welch 
l^eide  Ströme  sich  bei  .MIahabad  vereinigen.  Abgesehen  von  diesen 
•Überblicken  über  die  Bodengestaltung  und  die  administrative  Ein- 
iheilung  des  nordöstlichen  Theiles  Vorderindiens,  fanden  wir  auf  dieser 
'Ute  Gelegenheit,  flüchtige  Eindrücke  von  dem  Reichthume  der  Boden- 
iduclion  des  Gebietes,  das  wir  durchquerten,  aufzunehmen. 

Dasselbe  gehört,  wie  fast  ganz  Vorderindien  bis  zum  Himälaya 
"nd  zum  Pendschäb  hin,  dem  Florenreiche  der  indischen  Savannen  an. 
Im  nordwestlichen  Theüe  desselben  bilden  die  Bohne,  die  strahlfrüchtige 
»nd  die  kleine  Mungobohne,  im  Südosten,  das  heißt  in  der  Gegend  des 
Cangcs-Deltas  mit  seinen  größeren  Niederschlägen,  der  Pisang,  das 
Zuckerrohr,  Reis  und  Baumwolle  die  wichtigsten  Charakterpflanzen 
Jer  Culturzone.  Der  .Anbau  des  Weizens  ist  besonders  in  den  oberen 
«cken  des  Ganges  und  der  Dschamna  ein  intensiver.  Dieser  Zweig 
«s  landwirtschaftlichen  Betriebes  Vorderindiens  erregte  mein  Interesse 
iü3 


umsomehr,  als  ja  heute  der  indische  Weizen  auf  dem  Londoner  Welt- 
markt in  Concurrenz  mit  dem  europäischen  und  amerikanischen  Weizen 
tritt  Die  Zahl  der  Eingeborenen  Indiens,  die  sich  von  Weizenmehl  nähren 
—  dies  ist  hauptsächlich  in  den  Nordwestprovinzen  der  Fall  —  lässt  im 
Vergleiche  einerseits  zu  den  Reis-  und  Maisessem  in  Bengalen  unj 
m  den  Küstenstrichen,  andererseits  zu  den  indischen  Consumenten 
von  Gerste  und  Hirse  eine  Reihe  von  Betrachtungen  über  den  Sinn  öe^M 
Spruches  zu:   »Der  Mensch  ist,  was  er  isst.«  ^M 

Auch  der  Obstbau,  der  Halbbruder  des  Feldbaues,  nimmt  fin| 
Lande  jener,  die  aus  religiöser  Überzeugung  Vegetarier  sind,  eine  her- 
vorragende Stelle  ein.  Ich  beobachtete  während  der  Fahrt  durch  Ben- 
galen, das  am  stärksten  bevölkerte  Gebiet  Indiens,  den  Hauptsitz  des 
Ackerbaues  und  der  indischen  Reiscultur,  die  zunehmende  Zahl  der 
Bäume,  die  vielen  Mangobaum-Wäldchen  mit  besonderem  \'ergniigen; 
mit  ernsteren  Empfindungen  aber  die  zahlreichen  Mohnculturen,  deren 
Leib  und  Seele  vergiftendes  Erzeugnis,  das  Opium,  ebenso  unheilvoll 
als  erträgnisreich  ist,  und  —  wie  der  >Opiumkrieg'  zwischen  England 
und  China  beweist  —  selbst  eine  politische  Rolle  zu  spielen  vermag. 

Die  Hauptpunkte  der  Route  Gwalior  — Calcutta,  welche  wir  über 
Üschansi  nach  Kahnpur  (Cawnpur)  mit  der  indian  Midland  und  von 
Kahnpur  nach  Caicutta  mit  der  East  Indian  Raihvay  zurücklegten, 
sind  Kahnpur,  ein  auch  militärisch  wichtiger  Handelsplatz,  Aliahabad, 
Mirsapur  und  Patna.  Allahabad,  die  'Gottessladt',  am  Zusammen- 
dusse  der  Dschamna  und  des  Ganges  gelegen,  ist  eine  strategisch 
und  commerciell  höchst  wichtige,  für  den  Reisenden  jedoch  nur  wenig 
anziehende  Stadt.  Das  unscheinbare  Eingeborenen -Viertel,  die  modernen 
englischen  Stadttheile  und  die  Regierungsgebäude  dieses  Sitzes  der  Ver- 
waltung der  Nordwestprovinzen  bilden  Sehenswürdigkeiten  Allahabads. 
Besonderes  Interesse  bietet  die  Stadt  zur  Zeit  der  Jahreswende,  zu 
welcher  die  Handelsmesse  und  die  Heiligthümer  dieses  Wallfahrtsortes 
Hunderttausende  von  Kauüeuten  und  Pilgern  an  den  Ufern  des  Ganges 
versammeln.  Die  Bahn  überschreitet  auf  einer  großen  Brücke  die 
Dschamna  und  gewährt  an  dieser  Stelle  Aussicht  auf  das  alte,  in  der 
Gabel  der  beiden  Ströme,  Dschamna  und  Ganges,  gelegene  Fort. 

Mirsapur  und  Patna  sind  beide  alte  Mogulnstädte.  Ersteres  ist 
durch  große  Teppichindustrie,  letzteres  als  Centrum  des  Mohnbaues 
des  nördlichen  Districtes  bekannt.  Besonders  stark  ist  der  Mohnbau 
Indiens  in  den  Gangesniederungen  entwickelt.  Die  Erzeugung  und  der 
Vertrieb  von  Opium  bilden  in  Indien  ein  Monopol  der  britischen  Krone, 


A 


fehalb  jeder  der  genauer  Aufsicht  unter! Lebenden  Mohnpflnnzer  das 
gesammte  gewonnene  Opium  der  Regierung  nach  Maßgabe  des  Licenz- 
scheines  zu  bestimmten  Preisen  abzuliefern  hat,  ein  Verhältnis,  das 
an  die  Einrichtung  unseres  Tabakmonopols  erinnert.  Der  Händler  aber 
darf  gegen  Erlag  sehr  hoher  Abgaben  und  bei  Erfüllung  der  —  nament- 
lich in  den  abhängigen  Staaten  überaus  strengen  —  Control maßregeln 
das  Opium  nur  in  den  Regierungsdepots  erwerben.  Infolge  dieser 
Bestimmungen,  sowie  der  Beschränkung  der  Mohncultur  auf  gewisse 
Theile  des  Landes  kann  der  Anbau  von  Mohn  zur  Opiumgewinnung 
nur  langsam  zunehmen  und  die  Regierung  eine  derartige  Steigerung 
der  Verkaufspreise  des  fertigen  Productes  erzielen,  dass  sie  von  den 
etwa  250.000  All  umfassenden  Mohnculturen  im  Jahre  1891  einen  Rein- 
gewinn vtm  65,791.170  fl.  ö,  W.  gezogen  hat;  eine  bedeutende  Summe, 
aber  allerdings  aus  einer  recht  odiosen  Quelle  gewonnen.  Übrigens 
nimmt  der  Ertrag  des  Opium-Monopols  alljährlich  in  dem  Maße  ab,  als 
sich  die  Mohncultur  in  China  ausbreitet. 

Calcutta,  1.  Februar. 

Um  8  Uhr  morgens  rollte  unser  Extrazug  in  die  Bahnhofshalle 
der  Station  Haura  fHowrah)  ein.  Daselbst  empfiengen  mich  der  Vice- 
könig  I,ord  Landsdowne,  umgeben  von  Adjutanten  und  von  Mitgliedern 
der  Regierung,  der  Lieutenant-Governor  von  Bengalen,  Sir  C.  Elliot,  und 
eine  große  Anzahl  Schaulustiger.  Sowohl  auf  dem  in  reichem  Farben- 
schmucke prangenden  Bahnhofe  selbst,  als  außerhalb  desselben  war 
je  eine  Ehrencompagnie  aufgestellt,  während  die  Garde  des  Vicekönigs, 
ausgewählte,  über  sechs  Schuh  hohe  Inder  auf  prächtigen,  australischen 
Pferden  und  eine  Escadron  Cavallerie  dem  ä  la  Daumont  bespannten 
Paradewagen,  der  mich  zum  Government  House  brachte,  das  Geleite 
gaberi.  Auch  hier  bildeten  den  ganzen  Weg  entlang  Truppen  Spalier, 
und  zwar  das  6.  und  16.  Bengal-Infanterieregiment,  die  schwarz  uni- 
formierte englische  Rifle-Brigade,  Marine-Freiwillige,  sowie  Calcuttaer 
Freiwillige  zu  Pferd  und  zu  Fuß  und  die  jugendlichen  Frequentanten 
einer  Mllilärschule. 

Zuerst  überschritten  wir  auf  einer  großen  Brücke  den  Hugü 
iHooghly),  wie  der  westliche  .^rm  des  Ganges  genannt  wird.  Die  Länge 
Jer  Brücke  beträgt  506  )k;  jedoch  nimmt  flußauf-  und  flußabwärts  — 
immer  noch  im  Weichbilde  der  Stadt  —  die  Breite  des  Huglis  erheblich 
i\i  Der  für  die  größten  Schiffe  fahrbare  Theil  des  Huglis,  auf  dessen 
linkem,  also  östlichem  Ufer  das  eigentliche  Calcutta  sich  ausbreitet, 


esitzl. 


hloss^ 

hatM 


während  die  V'orstaiit  Hiiura,  von  wülclier  wir  eben  kamen, 
rechten  Ufer  liej,'t,  hat  eine  durclischnittlichc  Breite  von  230  hj.    Alle 
Schiffe  finden  Raum,  anzulegen;  selbst   Kriegsschiffe  mit  bedeutendein 
Tiefgange  können  sich,  da  der  Fluss  eine  entsprechende  Tiefe  besitzt, 
mitten  in  der  Stadt  verankern. 

\'or  dem  Government  House  hatten  mehrere  Ehren compagniff 
darunter  auch  Marine  -  Freiwillige,  Aufstellung  genommen. 
Gebäude  ist  ein  großer,  von  einer  Centralkuppel  überhöhter  Palast  mit 
vier  durch  Gallerien  verbundenen  Pavillons,  mit  Freitreppen,  Säulen- 
hallen u.  s.  w.,  alles  in  jenem  Stile,  den  wir  gemeinhin  als  Empire  zu 
bezeichnen  pflegen.  Es  stammt  aus  den  Jahren  1799  bis  1804  und  ist 
von  dem  Bruder  Wellingtons,  dem  Marquis  of  VVellesley  erbaut  worden, 
der  von  1798  bis  1805  Generalgouverneur  von  Indien  oder  eigentlich, 
wie  der  Titel  zu  jener  Zeit  lautete,  •Generalgouvemeurvon  Fort  William 
in  Bengalen«  gewesen  ist.  Ais  Vorbild  hatte  ein  englisches  SchlosSj^^ 
Kedlestone  in  Derbyshire,  gedient, 

Auf  der  großen  Freitreppe  erwarteten  mich  der  Oberbefehlshal 
in  Indien  und  Commandant  der  Truppen  in  Bengalen,  General  Lora 
Roberts,  mit  allen  Generalen  und  den  Regimentscommandanten,  die 
Chefs  der  Regierungs-Departements,  die  Consuln  und  viele  Hädschas. 
Mein  erster  Besuch  galt  Lady  Landsdowne.  wonach  ich  mich  In  meine 
Zimmer  zurückzog,  um  die  Post  zu  ordnen  und  mein  Tagebuch  zu 
ergänzen,  sowie  um  eine  vom  Consul  Heilgers  geführte  Deputation  der 
in  Calcutta  lebenden  Landsleute  zu  empfangen. 

Gegen  Abend  machte  ich  eine  kleine  Rundfahrt  durch  die  Stadt 
und  besuchte  den  zoologischen  Garten.  In  der  Umgebung  des  Govern- 
ment House  erheben  sich  große  öffentliche  Gebäude,  das  Rathhaus 
(Town  Hall),  das  Secretariat,  das  Legislative  Council  Office,  der  Justiz- 
palast  (High  Court)  und  viele  andere  Regierungs-  und  Privatgebäude.  — 
in  antikem,  in  mittelalterlichem  oder  auch  in  keinem,  das  heißt  in 
•  modernem«  Stile  —  deren  stolze  Fa^aden  Calcutta  mit  Recht  den  Bei- 
namen -Stadt  der  Paläste-  verschafft  haben.  Doch  wie  stolz  auch  diese 
Bauwerke  ihre  Giebel  und  Kuppeln  zum  Ruhme  .Mbions  erheben,  nicht 
alle  stehen  fest;  so  hat  sich  in  den  letzten  Jahren  der  dem  Rathhausc 
von  Ypern  nachgebildete  Palast  des  High  Court,  weil  auf  Piloten, 
errichtet,  welche  der  trügerische,  mit  Sand  durchsetzte  Baugrund  an» 
Flussufer  erheischte,  bedeutend  gesenkt.  Zur  Zeit  meiner  AnwesenheiC 
war  man  eben  damit  beschäftigt,  den  Palast  wieder  zu  heben,  eine  mÜ 
same  und  ppf«hn;olle  .Arbeit. 


^^™  Südlich  von  dem  Complexe,  welcher  die  ÖlTentlichen  Gebäude  ein- 
?;chheüt.  östHch  von  dem  Hiigü,  westlich  von  der  glänzenden,  fast  2  km 
langen  VillenstraÖe  Tschauringhi  (Chowringhet;  Road)  erstreckt  sich 
der  ^!aidan  oder  die  Esplanade.  Diese,  an  der  Flusseite  von  den 
reizenden  Eden  Gardens  und  weiterhin  von  dem  stolzen  Achtecke  des 
Forts  William  begrenzt  und  etwa  780  ha  umfassend,  ist  eigentlich 
nur  eine  Wiese,  allein  eine  solche  Wiese  wie  unser  Prater,  dessen  Name 
auf  das  spanische  Wort  Prado  (Wiese)  zurückzuführen  sein  soll,  und, 
gleichfalls  wie  unser  Prater,  ein  Corso  und  eine  Erholungsstätte. 

Jahraus  jahrein  prangen  die  Rasenflächen  des  Maidan  in  frischem 
Grün,  —  ein  wahres  Labsal  in  diesen  Breiten  —  Baumgruppen,  Teiche, 
Bassins,  Statuen  britischer  Staatsmänner  und  Feldherren  schmücken  die 
von  Geh-,  Reit-  und  Fahrwegen  durchquerte  Fläche.  .\lle  diese  Wege 
sind  mit  Baumalleen  umsäumt,  welche  große  Wiesenplätze  einschließen, 
die  allerlei  sportlichen  Zwecken  dienen  und  weiterhin  in  den  Parade- 
platz, sowie  am  Südende  des  Maidan  in  den  großen  Kennplatz  mit  der 
Flachrennbahn  übergehen.  Auch  einzelne  Truppenkörper  haben  auf 
diesen  W'iesenplätzen  ihre  Zelte  aufgeschlagen;  besonders  campieren 
dort  auf  dem  Durchmarsche  befindliche  Abtheilungen.  In  den  Früh-  und 
.\bendstunden  entwickelt  sich  auf  dem  Maidan  ein  äußerst  reges  Leben 
und  auf  allen  Plätzen  wird  dem  Sport  gehuldigt:  hier  spielen  Engländer 
und  Eingeborene  mit  Unermüdlichkeit  auf  trefflichen  Ponies  Polo;  dort 
wird  Cricket  geschlagen;  viele  Golf-Partien,  an  denen  Damen  mit  Vor- 
liebe iheilnehmen,  bilden  sich.  Dazwischen  flutet  ein  glänzender,  bunt 
tiewcgier  Wagencorso;  in  den  verschiedenartigsten  Gespannen  rollen 
Jas  High  life,  Beamte,  Officiere  und  so  mancher  indische  Krösus  einher; 
zahlreiche  Reiter,  Herren  und  Damen,  sprengen  auf  und  ab.  Man  scheint 
es  in  Caicutta  zu  verstehen,  sich  die  Zeit  in  angenehmer  Weise  zu 
verkürzen;  denn  jeder  Tag  der  Woche  hat  seine  Bestimmung;  bald  gibt 
OS  Rennen  oder  Militärsports,  allgemeines  Polo,  Jours  fixes  und  Garden 
Parties,  woran  die  ganze  Gesellschaft  theilnimmt. 

»Meine  Rundfahrt  durch  das  eben  skizzierte  Stadtviertel  und  durch 
Maidan  brachte  mich  schließlich  zu  dem  zoologischen  Garten,  den 
kleiner  Wasserlauf  von  dem  Südende  des  Maidan  trennt. 
Der  zoologische  Garten  gehört  einer  Privatgesellschaft,  wird  von 
Stadt  subventioniert  und  ist  in  seiner  parkähnlichen  .Anlage  recht 
'■uosch,  Die  Thiere  sind  in  verschiedenen  kleinen  Häusern  unter- 
Kehracht,  überall  Teiche  sowie  Baum-  und  Blumengruppen  angelegt. 
"'^   Cüllection    der  Thiere,    die   Mannigfaltigkeit    und    Seltenheit   der 


GatlLiiigen  ist  hervorragend:  nur  könnten  die  Thiere  besser  untl  namei 
lieh  reiner  gehalten  sein.  Der  Inspector  entschuldigte  diesen  Übelstand 
durch  die  P'inanzlage  des  Unternehmens,  für  welches  durch  die  binnen 
kurzer  Frist  vollzogene  V'erwandlung  von  ödem,  sumpfigem  Terrain  in 
einen  Park  und  obendrein  in  einen  kostspieligen  zoologischen  Garten 
ohnehin  das  Möghchste  geschehen  sei. 

Im  Affenkäfige  waren  bemerkenswert  der  auf  Java  vorkommende 
Gibbon,  auch  Wamvau  genannt  (Hylobales  leuciscus),  der  uns  mit 
furchtbarem  Geschrei  emplieng;  ferner  ein  Orang-Utan  und  ein  böser, 
ausgewachsener  Mandril.  Beim  Raubthierhause,  welches  eine  große 
Anzahl  Tiger,  Löwen,  Panther  und  verschiedene  andere  indische  Wild- 
katzen enthält,  wurde  ich  auf  einen  sehr  alten  Tiger,  einen  Man 
eater,  aufmerksam  gemacht.  Die  Bestie  soll  erwiesenermaßen  über 
100  Menschen  das  Leben  geraubt  haben.  Was  die  Ornis  anbelangt, 
so  waren  zu  meiner  Freude  die  indischen  Arten,  namentlich  die  Sumpf- 
vögel, die  Tauben  und  die  Kuckucksarten,  recht  zahlreich  vertreten; 
ich  fand  an  dieser  Stelle  Angehörige  vieler  mir  schon  von  meinen 
Jagdausüügen  her  bekannten  Species.  Reichhaltig  an  Exemplaren  ist 
das  Reptilienhaus,  welches  in  einem  Bassin  auch  Krokodile  beherbergt, 
die  sich  aber  durchaus  nicht  bewegen  ließen,  eine  ihnen  zugeworfene 
Knte  zu  verzehren.  Höchst  erstaunt  war  ich,  als  ein  indischer  Wärter 
in  den  Kaflg  der  Cobras  eintrat,  eine  derselben  mit  sehr  geschicktem 
Griffe  am  Kopfe  fasste  und  uns  die  Giftzähne  zeigte.  Sein  Wagnis 
setzte  der  Mann  im  Käfige  der  Pj'lhon-  und  der  Klapperschlange  fort, 
welche  er  fortwährend  reizte,  bis  man  das  Klappern  des  wülhenden 
Reptils  deutlich  sah  und  hörte.  Übrigens  hatte  er  seine  Tollkühnhi 
schon  zu  büßen  gehabt,  da  er  bereits  zweimal,  hierunter  einmal  leb« 
■geRihrlich,  von  einer  Cobra  gebissen  worden  war. 

Bei  der  Rückfahrt  war  der  Corso  auf  seinem  Höhepunkte  anj 
langt;  alle  Wagen  standen  um  den  Musikpavillon  herum  und  die  schöne 
Welt  bewegte  sich  in  den  .Alleen  und  Avenuen. 

Doch  —  des  Lebens  ungemischte  Freude  ward  keinem  Irdischen 
zulheil.  Daher  fand  noch  abends  im  Government  Housc  ein  Parade- 
Diner  zu  80  Gedecken  mit  den  üblichen  Toasten  und  mit  langem 
Cercle  statt.  Die  Nachbarschaft  der  liebenswürdigen  Lady  Landsdowne, 
die  mir  versicherte,  dass  auch  ihr  Gatte  und  sie  selbst  angenehmere 
Vergnügungen  kennten,  als  ein  Gala-Diner,  trug  wesentlich  bei,  mir  den 
Ernst  der  ceremoniellen  Feierlichkeit  in  milderem  Lichte  erscheinen 
zu  lassen. 


naen 


A 


Calcutta,  2.  Februar. 

Kinsky,  der  sich  glückliclierweise  von  seinem  Fieber  erholt  hatte, 
führte  mich  früh  morgens  in  einem  kleinen  Kutsch iervvagen  durch  die 
Native-Stadt,  welche  ich  zu  sehen  gewünscht  hatte,  die  aber  nicht 
so  viel  des  Interessanten  bietet  wie  in  Bombay  und  Haidarabad.  Die 
Straßen  sind,  wenn  möglich,  noch  enger,  die  Häuser  nicht  geschmückt 
und  wenig  Abwechslung  aufweisend.  In  den  Kaufläden  und  auf  der 
Straße  herrscht  zwar  dasselbe  Leben  wie  in  anderen  Städten;  doch  ist 
das  Bild  kein  so  bunt  bewegtes,  da  die  Tracht  der  Eingeborenen  meist 
nur  in  schmutzigem  Weiß  erscheint. 

Die  Reihe  der  Besichtigungen  eröffneten  wir  heute  mit  jener  des 
großen  Museums,  in  welchem  die  zoologischen,  mineralogischen,  geolo- 
gischen, ethnographischen  und  kunstindustriellen  Sammlungen  unter- 
gebracht sind.    Das   Museum    birgt   recht   interessante    und   wertvolle 
Schätze;  sie  gründlich  zu  besehen,  würde  viele  Tage  erfordern.  Nur  die 
.Aufstellung    und   Gruppierung    der  Objecte,    die   Beleuchtung    einiger 
Räume,  die  Reinlichkeit  und  die  Sorgfalt  der  Instandhaltung  in  sämmt- 
üchen  Sälen  und  Zimmern  lassen  vieles  zu  wünschen  übrig.   Zunächst 
wurden  wir  in  die  sehr  reichhaltige  mineralogische   und  geologische 
Abtheilung  geführt,  die  auch  manches  aus  unserem  Vaterlande  stam- 
mende Stück  aufzuweisen  hat.  In  einem  wenig  erfreulichen  Zustande 
fand  ich  die  zoologische  Abtheilung,   besonders   die  darin  verwahrten 
Säugethiere;  das  feuchte  Klima  und  mangelhaftes  Ausstopfen  wurden 
ftls  Enlschuldigungsgründe  angegeben.  Jedenfalls  sind  die  Thiere  meist 
nach  einer  Schablone    ausgestopft  und   haben   fast    alte    die    gleiche 
Statur  und  Farbe,  so  dass  es  manchmal  schwer  fällt,  bei  flüchtiger 
Besichtigung  der  Schränke  eine  Otter  von  einem  Mungo  oder  einem 
(»nderen  Angehörigen  ähnlicher  Familien  zu  unterscheiden.  Interessant 
1  diesem  Saale   eine   durch  Schenkungen  entstandene  Sammlung 
Geweihen    und    Hörnern    aller  in    Indien    vorkommenden   Zwei- 
hufer, sowie  eine  vergleichende  Zusammenstellung  von  Menschen-  und 
Affcnschädeln   als   Beleg   für   die     •Darwinsche«    Theorie,    zu    deren 
Bekennern  ich  mich  übrigens  nicht  zähle. 

An  die  Säugethiere  schlieüen  sich  die  Reptilien  an,  die  sich 
in  besserem  Zustande  befinden,  wogegen  sich  die  Vögel  um  so 
ungünstiger  präsentieren,  die  mich  aber  doch  lebhaft  interessierten, 
öS  sämmtliche  Gattungen  der  indischen  Ornis  hier  vertreten  sind.  Mit 
einiger  Phantasie   konnte   man  sich  immerhin  zurecht  finden  und  so 


Maierial  an  Namen  und  sonstigen  Daten  für  die  fernere  Reise  gewinnen. 
Die  Sammlung  von  Fossilien  ist  sehr  reich  und  wissenschaftlich 
geordnet:  ein  besonders  großes  Megatherium  nimmt  die  Mitte  des 
Saales  ein.  Die  in  den  ebenerdigen  Räumen  untergebrachte  Collection 
\"on  Conchylien,  Schwämmen  und  Korallen  ist  namentlich  durch  die  ver- 
schiedenartigen aus  Singapur  und  aus  dessen  Umgebung  stammenden 
Exemplare  bemerkenswert. 

Den  Schluss  unseres  Rundganges  bildete  die  Bssichtigung  der 
Sammlung  kunstindustrieller  Erzeugnisse,  welche  einen  belehrenden 
(berblick  über  die  so  mannigfaltigen  Producte  des  Landes  auf  diesem 
uebieie  gewähn:  denn  alles  tindei  sich  hier,  von  den  Werken  der  ein- 
fachsten Hausindustrie  angefangen  bis  zu  den  schönsten,  künstlerisch 
ausgeführten  Gegenständen,  bei  denen  Silber  und  Kupfer  die  hervor- 
ragendste Rolle  spielen. 

Angeregt  durch  das  im  Museum  Gesehene,  besorgte  ich  in  der 
Calcuttaer  Niederlage  der  Firma  S.  J.  Teilen-  &  Co.  den  .Ankauf  von 
zahlreichen  Gegenständen:  darunter  von  Musikinstrumenten  absonder- 
lichster Form,  sowie  von  atien.  gemalten  Bildern  mit  Darstellungen  aus 
der  indischen  Göttersage,  auf  welchen  Wischnu  als  Räma-Tschandra 
und  in  der  Incamation  als  Krischna  mit  seinen  Hirtenmädchen  am 
häufigsten  zu  tinden  ist. 

Für  Nachmittag  war,  und  zwar  in  Gesellschaft  des  \'icekönigs 
und  seiner  Gemahlin,  ein  Besuch  des  berühmten  botanischen  Gartens 
rrojeciien,  welcher  am  rechten  L'fer  des  Huglis,  südwestlich  von  der 
Vorstadt  Haura  liegt. 

1^  einer  reizenden  Dampf-Yacht,  die  den  Namen  der  Vicekönigin 
■Maud-   trug,  fuhren  wir  den    Hugli  hinunter,  mitten  durch  alle  ' 


lunften  Viceki.mit;e  dient  und  20  Jahre  im  Lande  verbracht  hat,  änc 
Spazierfalirt.  Die  Coach  Lord  Beresfords  brachte  uns  in  der  Umgebung 
Calcultas  durch  viele  Dörfer  der  Eingeborenen,  dann  durch  Haura  unJ 
schließlich  über  die  Hugli-Brücke  nach  Calcutta  zurück,  Lord  BeresforJ, 
welcher  den  Viererzug  selbst  lenkte,  bewährte  sich  als  vorzüglicher 
Kutscher;  ist  doch  das  Fahren  in  den  von  Kindern,  Bettlern,  Vieh  unJ 
Wagen  wimmelnden  Straßen  keine  leichte  Aufgabe. 

Im  Belvedere,  der  officiellen  Residenz  des  Lieutenant-Governors 
von  Bengalen,  jenseits  des  zoologischen  Gartens  in  der  durch  ihre 
Bambus-Alleen  interessanten,  entlegenen  Vorstadt  Alipur,  erwartete  uns 
um  '/ü9  Uhr  ein  Diner.  Die  Residenz,  deren  ältester  Theil  vor  mtlir 
als  hundert  Jahren  erbaut  worden  ist,  hat  im  Laufe  der  Zeiten  allerlei 
Zubauten  und  Renovierungen  erfahren,  so  dass  der  Stil  des  durch  die 
schöne  Fa^ade  angenehm  wirkenden  Gebäudes  ein  »gemischter  Stil- 
genannt  werden  muss.  Ein  schattiger  Park  umfasst  das  Bauwerk. 

Viele  Würdenträger  und  Generale  mit  ihren  Gemahlinnen  nahttien 
an  dem  Diner  theil,  bei  dem  ich  zwischen  der  Frau  des  Gouverneurs 
und  jener  des  deutschen  Generalconsuls.  Baronin  Heyking,  sali.  Nur 
ein  Toast  wurde  gesprochen,  und  zwar  vom  Gouverneur  auf  Seine 
Majestät  den  Kaiser.  Diese  Thatsache  überraschte  allgemein,  da  es  in 
Indien  noch  nicht  vorgekommen  sein  soll,  dass  ein  Trinkspruch  auf 
einen  fremden  Herrscher  ausgebracht  wurde,  ohne  dass  gleichzeitig  ein 
Toast  auf  Ihre  Majestät  die  Königin  gesprochen  worden  wäre.  Doch 
hatte  der  Vicekönig   dies  ausdrücklich  angeordnet. 

Dem  Diner  folgte  eine  Soiree,  an  welcher  ungeFähr  300  Personen 
theilnahmen,  unter  welchen  einige  auffallend  hübsche  Frauen  und 
Mädchen  zu  sehen  waren,  deren  Äußeres  sie  ohneweiters  legitimiert 
hätte,  ebenfalls  an  dem  Diner  theüzunehmen,  Auch  alle  in  Calcutta 
und  Umgebung  weilenden  Rädschas  waren  gekommen  und  wurden  mir 
vorgestellt,  wobei  ich  durch  den  Dolmetsch  mit  jedem  einige  Worte 
wechselte.  Man  konnte  unter  diesen  indischen  Fürsten  merkwürdige 
Typen  beobachten  und  sich  nebstbei  an  den  geradezu  fabelhaften 
Schätzen,  die  sie  an  sich  trugen,  weiden.  Nur  wer  es  selbst  gesehen 
hat,  vermag  sich  einen  Begriff  von  der  Pracht  und  dem  Werte  der 
Edelsteine  zu  machen,  welche  die  Rädschas  auf  dem  Turban  und  auf 
der  Brust  zur  Schau  stellten.  Vor  allen  zeichneten  sich  zwei  Rädschas 
—  ein  Bruderpaar  —  durch  den  Glanz  und  den  Reichthum  ihres 
Schmuckes  aus,  indem  der  jüngere  Rädscha  ein  Collier  von  sieben 
Reihen  Perlen  trug,  welche  dank  ihrer  Gleichheit  und  Größe  wohl  den 


kVeri  einer  Million  üulden  darstellten.  Auf  dem  Turban  und  dem 
3rustschmucke  des  älteren  der  Brüder  dagegen  wechselten  kolossale 
Smaragdtropfen  mit  ä  joiir  gefassten  taubeneigroüen  Diamanten  ab. 
Diese  Steine  stammen,  wie  behauptet  wird,  aus  dem  französischen 
<ronschmucke,  —  auch  Kaiserin  Eugenie  soll  sie  getragen  haben  — 
A'elcher  ja  vor  wenigen  Jahren  durch  die  Regierung  der  französischen 
Republik  versteigert  worden  ist.  Die  guten  Kädschas  waren  alle  sehr 
Treundlich  und  gaben  mir  durch  den  Dolmetsch  die  Hebenswürdigsten 
Versicherungen.  Gegen  Mitternacht  erst  kamen  wir  in  das  Government 
House  zurück. 

Calcutta,  3.  Februar, 

Auf  mein  Befragen  hin  hatte  mir  ein  Beamter  des  Museums  ver- 
sichert, dass  sich  an  dem  nahe  von  Calcutta  befindlichen  Salt  Lake  sehr 
zahlreiches,  interessantes  Wasserwild  vorfinde,  und  zu  einer  Expedition 
dahin   gerathen,    mit   dem   Versprechen,    uns  die   günstigsten   Stellen 
daselbst  persönlich  zeigen  zu  wollen.  Jagdlüstern  beschlossen  wir,  den 
heutigen  Tag  dem  Waidwerke  zu  widmen,  und   eilten  schon   in  aller 
Frühe,   bis   an  die   Zähne    bewaffnet,    zum    Rendezvous,  wo   uns    der 
jagdkundige  Mann  erwarten  sollte.  Die  Fahrt  gieng    durch    mehrere 
Vororte,    dann    längs    eines   Canals,    wo  wir   die   schwerfällige   Fort- 
bewegung der  Schiffe  und  Boote  durch  die  Eingeborenen  beobachten 
kiinnlen.  Fast  jedes  dieser  Fahrzeuge  war  mit  Holz  beladen  und  wurde 
mittels  eines  an  dem  kleinen  Mäste  befestigten  Seiles  vom  Lande  aus 
stromaufwärts  gezogen.  Bei  dieser  Fahrt  lernten  wir  auch  die  eigen- 
ihümliche  Art  und  Weise  kennen,   in  welcher  die  Eingeborenen  das 
Wasser  zu  Irrigationszwecken  aus  einem  niedriger  gelegenen  Canal  in 
einen  höher  situierten  pumpen.  Sie  machen  an  den  beiden  Seiten  eines 
Hindermagens   Stricke    fest,    stellen    sich    dann    zu    zweien    an   und 
schleudern  mit  Hilfe  jenes  Sackes,   den  sie  im  Takte  schwingen,  das 
Wasser,  oft   auf  beträchtliche   Höhe,    in    den   oberen   Canal.   Bei   uns 
würde  man  sich  zum  mindesten  einer  einfachen  Pumpe  bedienen;  in 
Indien  aber,  wo  die  Arbeitskraft  so  billig  ist,  scheint  jenes  Verfahren 
rentabler  zu  sein. 

Wer  beim  Stelldichein  fehlte,  war  unser  Gewährsmann;  er  ließ  sich 
Jurch  Krankheit  entschuldigen.  Dafür  empfieng  uns  ein  Canalaufseher, 
»^w  erklärte,  dass  es  hier  außer  Geiern  nichts  zu  jagen  gäbe,  dass 
al^er  Boote  bereit  wären,  uns  an  einen  Platz  zu  bringen,  wo  wir  Geier 
schienen  könnten.  Wenig  erfreut  über  diese  Hiobspost  entschlossen  wir 


Lins  Jenn,  an  diu  bezeichnete  Stelle  zu  l'iihren  und  glitten,  niichdem  lia^ 
landesübliche  Parlamentieren  mit  den  Bootsleuten  und  deren  Geschrei 
überstanden  war,  jeder  in  einem  Bnote  den  Canal  hinab.  Während  dei 
Fahrt  erlegte  einer  der  Herren  meiner  Suite  mit  sicherem  Coup  double 
zwei  Hausenten,  die  ihm  ein  Enj^länder  als  interessante  Wildenten 
angesagt  hatte. 

Nach  kurzer  Fahrt  sahen  wir  eine  Menge  von  Geiern  und  Milane*^ 
theils  in  den  Lüften  kreisen,  theils  zu  Hunderten  beisammen  auf  de  «i 
Bäumen  sitzen.  Wir  hatten  die  Stelle  erreicht,  an  welcher  wir  ans  Lar^  *1 
steigen  sollten,  entdeckten  aber  bald,  dass  wir  auf  jener  Stätte  angelanfi;! 
waren,  auf  welcher  Schutt,  Kehricht  und  Unrath  von  ganz  Caicutta  —— 
die  Beförderung  dieser  Abfallstoffe  erfolgt  mittels  einer  kleinen  Eisenbutx  i 
—  abgelagert  werden.  Kein  Wunder,  dass  Taiisende  von  Geiern.  Weih^  ti 
und  Milanen,  unter  denen  der  indische  Schmarotzer-  oder  Pariah-Mii»_  »i 
das  Hauptcontingent  stellt,  diesen  reichliche  Äsung  bielenden  Ort  züi 
ihrem  Standrevier  ausersehen  hatten.  Wir  fuhren  auf  Lowries  zwisch^  n 
zwei  nicht  gerade  sehr  reinlichen  Wänden  von  Kehricht  hindurch  ur»  ■J 
erreichten  eine  .Abdeckerei,  um  welche  herum  viele  abgenagte  Knoch^  ti 
gefallener  Thiere  lagen  und  eine  Schar  von  etwa  400  Geiern  saß.  Wir 
schössen  einige  derselben,  gaben  aber  die  Jagd  bald  auf.  da  diese  n»--»r 
von  Aas  lebenden  Vögel  in  vollgekröpftem  Zustande  sich  nicht  rectnt 
fortbewegen  konnten  und  in  solcher  Umgebung  einen  widerlichen  EiB"^- 
druck  machten.  Auch  schienen  sie  gar  nicht  scheu  zu  sein,  da  man  d^  ^ 
einen  oder  den  andern  mit  der  Kugel  herausschießen  konnte,  ohne  da^^- 
die  übrigen  fortstrichen.  Ich  war  froh,  als  ich  diesen  mit  Bakteri^^^'' 
geschwängerten,  ekelerregenden  Platz  hinter  mir  hatte. 

Da  wir  nun  den  eigentlichen  Zweck  unserer  Fahrt,  nämlich  eir"^' 
Jagd  auf  Wasserwild,  dennoch  erreichen  wollten,  so  ließen  wir  ui — ""* 
auf  die  andere  Seite  des  Canals  rudern,  um  in  das  nasse  Dschung  -^ 
des  Salt  Lake  einzudringen.  Wir  wateten  bis  über  die  Knie  im  Sumpf  * 
mussten  jeden  Augenblick  tiefen  Wasseradern  ausweichen  und  kämpft^^^ 
uns  nur  mit  Mühe  hindurch  —  alles,  um  leider  bald  die  Wahmehmurr3»j 
zu  machen,  dass  wir  völlig  falsch  berichtet  waren;  denn  thatsächlic::^ ' 
war  keineriei  Wild  vorhanden.  Zwar  sah  ich  auf  einem  Mangobaurt — '' 
einige  Reiher  und  Störche;  doch  schienen  dieselben  nur  vorüb^  *" 
ziehenden  Flügen  anzugehören. 

Mit  einigen  kräftigen  Segenswünschen  für  unseren  Beralh  ^' 
verheßen  wir  ganz  durchnässt  den  Sumpf,  frühstückten  in  den  Boot^" 
und  keg  .h  Caicutta  zurück,  im  Weichbilde  der  Stadt  bet^egnel^'^ 


le^  ,|C 


^^reinem  originellen  HocIizeitszLige:  voran  eine  schreiende  Menge  und  ' 
Träger  von  Heiligenbildern  und  künstlichen  Blumen;  dann  auf  einem 
Palankine  der  kaum  vierzehnjährige  Bräutigam,  mit  einem  riesigen 
Sonnenschirme  bewehrt.  In  geschlossener,  von  einer  berittenen  Escorte 
geleiteten  Sänfte  folgte  die  Braut,  die  wir  nicht  zu  Gesicht  bekamen; 
tlie  nächsten  Verwandten  in  Wagen  und  Diener  mit  Hochzeits- 
geschenken, Feldfrüchten  und  Obst  auf  großen,  zinnernen  Schüsseln, 
schlössen  sich  an. 

Gegen  Abend  machte  ich  mit  Kinsky  in  den  Alleen  des  ^faidan 
eine  Spazierfahrt  und  wohnte  durch  einige  Zeit  den  militärisch-sport- 
lichen Übungen,  darunter  dem  Tentpegging.  welches  auf  dem  Renn- 
platz abgehalten  wurde,  an. 

Bei  Sonnenuntergang  kehrten  wir  längs  des  Flusses  nach  Hause. 
Die  letzten  Strahlen  des  Tagesgestirns  vergoldeten  jede  einzelne  1-iaa 
unJ  Spiere,  den  gesammten  Wald  von  Masten  der  verankerten,  wellen- 
umrauschten  Schiffe. 

Um  8  Uhr  vereinigte  uns  ein  kleines,  gemüthliches  Diner,  welches 
der  österreichisch -ungarische  Consul  Heilgers  im  kaufmännischen 
Uengal  Club  gab. 

Den  Tag  sollte  eine  musikalisch-choreographische  Soiree  bei 
Jcm  Kädscha  Sir  Sourindro  Mohun  Tagore  beschließen,  der  —  einer 
Fürslenfamilie  aus  brahmanischer  Kaste  entstammend  und  vielfacher 
Millionär  ^  besondere  Passion  für  Musik  und  Musikgeschichte  ent- 
wickelt. Er  ist  Herausgeber  und  Verfasser  einer  ganzen  Reihe  ein- 
schlägiger, selbst  dichterischer  Werke,  ja  auch  Componist.  Eine  Anzahl 
seiner  Werke  war  1892  in  der  Wiener  Musik-  und  Theateraussteilung 
«pcmiert. 

Nach  einer  langen  Fahrt  durch  die  Native- Stadt  waren  wir 
am  Ziele.  Die  ganze  Straße,  in  welcher  die  Behausung  des  Rädschas. 
Jcr  l'alast  I'athuriaghata  Rädsch  Bati,  gelegen  ist,  war  mit  Lampions 
'"ghcÜ  beleuchtet.  Die  Privattruppe  und  die  Garde  unseres  Gastgebers, 
"■we  komisch  adjustierte  Gesellschaft,  bildeten  Spalier,  an  dessen  Ende 
"nler  dam  Thoreingange  des  Palais  mich  der  Rädscha,  ein  kleines, 
iiUes  Männchen  mit  gutmüthig  schüchternem  Gesichte,  empfieng.  Er 
^f>iH  die  Decoration  der  Comthure  mit  dem  Stern  des  Franz  Joseph- 
•Jrdtns,  glücklich  über  diese  ihm  von  Seiner  Majestät  verliehene  .Aus- 
«ichnung.  Ein  großer  Freund  unseres  Vaterlandes,  ladet  er  jeden 
""Sercr  [.andsleiite,  dessen  er  habhaft  werden  kann,  ein  und  bewirtet 
'hn  in  freund  liebster  Weise. 


Auf  der  Treppe  zu  den  inneren  Gemächern  des  l'alastes  stand  eine 
noch  ganz  in  alterthümliche  Tracht  gekleidete,  mit  langen  Schwertern 
und  ciselierten  Schilden  bewaffnete  Leibwache.  Der  große  Salon  sowie 
sämmtliche  Räumlichkeiten,  die  wir  durchschritten,  sind  ohne  Beachtung 
eines  einheitlichen  Stiles  eingerichtet  und  mit  europäischen  Bildern, 
größtentheils  Copien  nach  Werken  italienischer  Schulen,  überreich  aus- 
gestattet, so  dass  wir  unter  einer  ganzen  Serie  von  Venus-  und  Amor- 
Darstellungen  Platz  nahmen,  worauf  der  erste  Theil  der  Production,  die 
musikalischen  Aufführungen,  begann. 

Dieselben  eröffnete  ein  mir  zu  Ehren  vom  Rädscha  in  Sanskrit- 
Sprache  und  in  dem  .Särdülavikri(^ita  genannten  Versmaße  verfasste'r, 
sowie  nach  der  Melodie  der  Volkshymne  in  Hindu-Musik  gesetzler 
Segensspruch,  der  auf  verschiedenen  indischen  Instrumenten  gespielt 
und  von  mehreren  Sängern  vorgetragen  wurde.  Die  Worte  dieses 
Spruches  lauteten:  Dikpäläh  paripälayantu  satatan  tvärp  Francis 
Ferdinand  —  Kirttis  tvadgupamädhuripranayini  nityaip  samälingatu — 
Sarvaträbhyudayo  jayascha  bhuv  ane  nityänuvarttyastu  te  —  Kalyänarti 
kurutäqi  sadaiva  bhavato  Dhätä  Bhavo  Mädhavalj.  In  deutscher  Cber- 
selzung:  Mögen  die  (8)  Welthüter  dich  stets  schützen,  Franz  Ferdinand! 
Möge  die  Fama,  welcher  dich  die  Lieblichkeit  deiner  hohen  Tugenden 
theuer  macht,  stets  dich  in  die  .Arme  schließen!  Möge  Sieg  und  Glück 
in  dieser  Welt  nimmer  von  deiner  Seite  weichen!  Und  mögen  Brahma, 
Mahädewa  und  Wischnu  unaufhörlich  ihren  Segen  über  dich  ergießenl 

Die  folgenden  Nummern  dieses  Theiles  des  Pfogrammes  waren: 

1.  Ein  südindisches  Lied  von  Pandit  Anantra  Sästri,  einem  Vir- 
tuosen aus  dem  südlichen  Indien,  begleitet  von  den  Instrumenten  Rudra 
Vinä,  Tumburä,  Bänyä  und  Tablä.  Die  Rudra  Vinä  ist  ein  classisches 
Instrument  der  Hindus,  welches  in  Maisur  und  anderen  Theilen  von 
Süd-Indien  vielfach  gebraucht  wird,  Es  hat  vier  Darmsaiten,  auf  einem 
zweiten  Felde  drei  Drahtsaiten  und  wird  mit  den  Fingerspitzen  gespielt. 
Die  Tumburä  ist  ein  altes  Saloninstrument  der  Hindus,  welches  mit  der 
Spitze  des  Zeigefingers  gespielt  wird  und  angeblich  von  dem  himm- 
lischen Musikanten  Tumburu  erfunden  worden  ist,  dessen  Namen  es 
auch  führt,  Gewöhnlich  wird  es  gebraucht,  um  Vocal-  oder  Instrumental- 
musik zu  begleiten  und  gibt  den  Grundton  an.  Die  Bänyä  wird  mit 
der  linken,  die  Tablä  mit  der  rechten  Hand  gespielt;  sie  markieren 
den  Takt.  Diese  Instrumente  sind  neuerer  Erfindung.  Als  Vorbild  hat 
der  Mridanga  gedient,  dessen  unteren  Kupf  die  Bänyä  und  dessen 
oberen  die  Tablä  vorstellt. 


■  2.  Kin  Vortrag  auf  Jer  Surbähär  von  Sangitä  L'padhyäya  Kalt' 
Prosonno  Banerdschi,  einem  Eingeborenen  von  Caicutta  und  Professor 
iin  der  Bengal  Music  School,  begleitet  auf  der  Tumburä.  Die  Surbäiiär 
st  eine  große  Setär,  erfunden  durch  Mohammed  Khan  in  Lucknau 
Lucknow)  vor  ungefähr  70  Jahren  und  besonders  geeignet  für  den 
Aläpa,  das  heißt  melodiöse  Musik. 

3.  Ein  Vortrag  auf  der  Dschallaranga  von  Babu  Kristo  Lal 
Banerdschi.  einem  Eingeborenen  von  Bengalen,  mit  Begleitung  auf  der 
Tumburä,  Bänyä  und  Tablä.  Für  die  Dschaltaranga  oder  die  musika- 
lischen Schalen,  welche  im  Sanskrit  als  Sapta  Scharäva  bekannt  sind, 
wurden  in  alten  Zeiten  Terracotta- Schalen  verwendet,  während  jetzt 
Porzellan-Schalen  üblich  geworden  sind.  Das  Stimmen  geschieht  mittels 
Wassers,  welches  in  die  Schalen  gegossen  wird.  Die  Schalen  selbst 
werden  mit  zwei  kleinen  Stäben  geschlagen. 

4.  Ein  Vortrag  auf  der  Nyästaranga  von  Sangilä  Upadhyäya  Kali 
Prusonno  Banerdschi,  begleitet  auf  der  Esrär.  Die  Nyästaranga  ist  ein 
trompetenformiges  Instrument;  dasselbe  wird  außen  an  den  Kehlkopf 
angelegt,  so  dass  die  Vibrationen  der  Stimmbänder  einen  klaren,  starken 
Tt'n  erzeugen.  Wie  behauptet  wird,  findet  man  dieses  Instrument  nur 
in  Indien,  In  der  Sanskrit-Sprache  wird  es  Upänga  genannt.  Die  Esrär 
ist  ein  Sakminstrument,  welches  mit  dem  Bogen  gespielt  wird  und  eine 
Combination  der  Setär  und  Särangi  darstellt. 

Von  der  höchst  interessanten,  fremdartigen  Production  sehr  befrie- 
digt, schritten  wir  in  feierlichem  Zuge  in  den  Hof  des  Palais,  wo  wir 
auf  einem  Balkon  Platz  nahmen,  um  den  zweiten  Theil  des  Programmes 
Umzüge  größeren  Stiles  und  mehrstimmige  Gesänge  —  zu  genießen. 
Der  Gesang  der  Bäuls,  begleitet  mit  der  Ananda  Lahari, 
liyantra,  Khanjäni  und  Mandirä.  Die  Bäuis  sind  eine  Secte  religiöser 
Bettler,  welche  in  bunter  Kleidung  von  Haus  zu  Haus  ziehen,  Almosen 
heischend,  tanzend  und  singend.  Mancher  dieser  Gesänge  enthält  ein- 
fache und  schöne  Metaphern.  Die  .4nanda  Lahari  ist  ein  Schäfer-Instru- 
ment, welches  die  Bäuls  imd  andere  singende  Bettler  benützen;  es 
hat  nur  eine  Darmsaite,  welche  mit  einem  hölzernen  Schlägel  berührt 
wird.  Die  Gopiyantra  ist  ebenfalls  ein  Instrument,  mit  welchem  Schäfer- 
gesange  begleitet  werden;  es  hat  eine  Saite,  welche  durch  Berührung 
mit  der  Fingerspitze  zum  Erklingen  gebracht  wird.  Die  Khanjäni  ist 
ein  Schäfer-Instrument  nach  Art  des  Tamburinets.  Die  Mandiräs  sind 
kleine  Schalen  aus  Glockenmetall,  deren  Bestimmung  ist,  den  Takt 
anzugeben. 


^K)' 


iho^ 


2.  Nagar  Ktrlana,  begleitet  mit  dem  Kho!,  Karatäla  und  Käm- 
sringa.  Die  Nagar  Kirtana  ist  ein  Gesang,  welchen  im  15.  Jahrhundtri 
Tschaitanya,  der  große  Religionsreformator  von  Rengalen,  ersonnen  hai: 
dieser  Gesang  sollte  nach  der  Absicht  Tschaitanyas  in  den  öffentlichen 
Straßen  ertönen,  um  das  Volk  dem  Wischnuismus  zu  gewinnen.  Die 
Anhänger  des  Wischnu-Glaubens  veranstalten  gewöhnlich  ein  Nagar 
Kirtana-Fest,  wenn  sie  ihren  geistlichen  Rathgeber  in  ihrem  Hause 
empfangen.  Der  Aufzug  besteht  aus  einer  Truppe  von  Sängern,  denen 
Leute  mit  Flaggen,  Khuntis  und  anderen  Symbolen  des  Wischnu- 
Bekenntnisses  vorangehen. 

Der  Kho!  ist  eine  kleine,  mit  Leder  überzogene  Trommel,  welche 
gewöhnlich  die  Kirtana  und  andere  Religionsgesänge  begleitet.  Es  ist 
eine  Abart  des  classischen  Mridanga.  Die  Karatälas  sind  Cymbeln  zum 
Taktschlagen.  Die  Räm-sringa  ist  ein  Instrument,  welches  im  Freien 
gespielt  und  gewöhnlich  bei  religiösen  Umzügen  gebraucht  wird, 
der  Ceremonie  erhöhte  Feierlichkeit  zu  geben. 

3.  Dschäträ,  aufgeführt  von  einer  Truppe  junger  Mädchen 
Manipur,  im  Nordosten  von  Bengalen.  Die  Dschäträ  ist  eine  Art  mylhi 
logischer  Schaustellung,  welche  den  Charakter  der  mittelalterlichen 
Mysterien  in  Europa  und  jenen  einer  primitiven  Oper  vereinigt  Dieselbe 
erfreut  sich  in  Bengalen  großer  Popularität.  Den  Vorwurf  bilden  in  der 
Regel  die  Schäferspiele  Wlschnus  in  der  Incarnation  als  Krischna  und 
seine  Liebesverhältnisse  mit  den  Kuhhirtinnen  von  Brindäban. 

4.  Sonthäl-Tanz.  Einige  Sonihäls,  Angehörige  eines  der  Urstämme 
von  Indien,  waren  zu  dem  Feste  von  Schamsandarpur.  einem  Landgute 
des  Rädschas  Sir  S.  M.  Tagore  —  aus  Bengalen,  im  Districte  Bankura 
—  eigens  nach  Caicutta  gebracht  worden. 

Den  dritten,  im  Empfangssaale  vorgeführten  Thcil  der  Fcst- 
vorslellung  bildete  der  Nätsch  (Nautch),  ein  Tanz,  der  in  Begleitung 
der  Instrumente  Särangi,  Mandirä,  Bänyä  und  Tablä  von  vier  jungen 
Tänzerinnen  aufgeführt  wurde.  Die  Särangi  ist  ein  alihergebrachles 
Instrument,  bestimmt,  die  weibliche  Stimme  beim  Gesang  zu  begleiten. 
Die  Nntsch-Girls  (Tanzmadchen)  sind  in  kosmopolitischen  Kreisen 
unter  dem  Namen  Bajaderen  (vom  portugiesischen  Bailadeira  =  Tan- 
zerinl  bekannt.  Die  Musik  ist  ziemlich  einförmig,  der  Tanz  auch  nicht 
sehr  abwechslungsreich;  die  Mädchen  singen  und  wiegen  sich  dabei  in 
den  Hüften,  nehmen  verschiedene  graziöse  Posen  an  und  drehen  sich 
wie  Kreisel.   Die  Tänzerinnen  sind  unermüdlich  und  tanzen,  wenn  man 


ihn* 


Einhalt  thut,  stundenlang  fort  Eigenthümliche.  mit  Perten 


M 


^Bwäetc  Futterale  schlössen  ihre  Ohren  ganz  ein;  die  Gewänder  der" 
Mädchen  waren  prächtig  und  ebenfalls  mit  Juwelen  geschmückt.  Drei 
der  Künstlerinnen  schienen  Vollblutinderinnen  mit  wenig  hübschen 
Gesichtszügen  zu  sein,  die  vierte  Tänzerin  hingegen  war  eine  schöne, 
junge  Jüdin  aus  Bagdad,  die  sich  durch  ihre  prachtvollen  Augen  aus- 
zeichnete, was  sie  übrigens  sehr  gut  zu  wissen  schien,  da  sie  zum 
Entsetzen  des  würdigen  Hausvaters  feurige  Blicke  nach  allen  Rich- 
tungen sandte. 

In  einer  Pause  zeigte  mir  der  Musikkönig  seine  kostbare  Samm- 
lung von  Instrumenten,  die  einzig  in  der  Well  dasteht  und  sämmtliche 
Instrumente  Indiens  in  den  originellsten  Formen  und  Gestalten  enthält. 
Mit  einem  Theile  derselben  hatte  er  auch  die  Wiener  Musikausstellung 
beschickt.  Die  Wände  der  die  Sammlung  bergenden  Zimmer  sind  mit 
Mitglieder-  und  Ehren -Diplomen  von  musikalischen  Vereinen  und 
Musikgesellschaften  aus  allen  Welttheilen  geschmückt ;  auf  diese 
Zeugnisse  seiner  künstlerischen  Bestrebungen  ist  der  Rädscha  nicht 
wenig  stolz.  Zwischen  den  Instrumenten  stehen  kleine,  geschmückte 
Hausaltare;  einer  dieser  Altäre  enthielt  Gegenstände,  welche  der  Vater 
des  Rädschas  benützt  und  getragen  hatte,  als:  seine  Kleider,  seinen 
Turban,  sowie,  da  der  Vater  ebenfalls  ein  leidenschaftlicher  Musiker 
Uewesen  ist,  dessen  Compositionen  u.  dgl.  m.  Die  Pietät,  welche  unser 
Hausherr  für  seinen  Vater  hegt,  wunderte  mich  bei  ihm  als  einem 
Hindu  ungemein.  Auch  an  einem  Kasten  mit  den  zahlreichen  Orden 
und  Decurationen  des  Rädschas  durften  wir  nicht  achtlos  vorbeigehen. 
Zum  Schlüsse  der  Festvorstellung,  für  deren  Veranstaltung  ich 
dem  liebenswürdigen  Tagore  sehr  dankbar  war,  wurden  wir  nach 
indischer  Sitte  mit  Kränzen  behangen  und  bekamen  vergoldete  Betel- 
blälter,  sowie  Sandelöl,  dessen  Geruch  lange  nicht  zu  vertreiben  ist; 
dann  sprach  der  Haus-Brahmane  über  mich  ncich  einen  langen  Segen. 
Unter  den  Klängen  der  englischen  Hymne  und  Jenen  der  Volkshymne 
traten  wir  den  Heimweg  an. 

■  Calcutta,  4.  Februar. 

Am  frühen  Morgen  wollten  wir  den  berühmten  Tempel  Käli-Ghät 
besuchen,  in  dem  seinerzeit  Menschen  geopfert  wurden,  jetzt  aber  nur 
mehr  schwarze  Büffel  und  Ziegen  dargebracht  werden.  Wir  kreuzten 
icu  diesem  Zwecke  ein  mir  noch  unbekanntes  Viertel  der  Native-Stadt 
mit  zahlreichen  Bazars,  in  welchen  kleine  Bilder  von  Hausgöttern  ver- 
kauf! werden.  Der  Tempel  ist  der  schwarzen  Göttin  Kalt,  der  Gemahlin 

170 


Schiwas  gewidmel,  welche  der  Sage  nach  von  ihrem  Gatten  in  Jer  Luft 
zerrissen  worden  sein  soll.  An  der  Stelle,  wo  einer  der  Finger  Kalis  zur 
Krde  gefallen  war,  ist  späterhin  der  Tempel  Käli-Ghät  errichtet  worden, 

Der  Name  des  Tempels  bedeutet  -Stufe  (Chat)  zu  Käli-.  Aul 
dasselbe  Wort  wird  übrigens  auch  der  Name  Caicuttas  zurückgeführt, 
der  im  Laufe  der  Zeit  aus  Käli-Ghät  in  Kalkota,  Kalikut,  Golgota,  ja 
mit  Rücksicht  auf  die  Sterblichkeit  im  alten  Calcutta  sogar  in  Golgalha 
(Schädetstälte)  verwandelt  wurde.  Nach  der  Ansicht  anderer  Linguisten 
hat  der  Name  Calcutta  ursprünglich  Kälikschetra  gelautet.  Nebenbei 
bemerkt,  stammt  unsere  Benennung  des  Truthuhnes  als  -calicutisches' 
Huhn  von  Calicut  an  der  Malabarküste. 

Leider  sahen  wir  uns  bei  der  Ankunft  arg  enttäuscht,  da  uns 
bedeutet  wurde,  dass  die  Thiempfer  erst  später  stattlanden,  und  die 
Brahmancn  uns  den  Eingang  in  den  Tempel  verwehrten.  Schon  unsere 
Anwesenheit  im  Vorräume  desselben  schien  einigen  Anstoß  zu  erregen, 
da  etliche  alle  Weiber,  die  eben  mit  Opfergaben  für  die  Göttin  herbei- 
gekommen waren,  über  den  .-Anblick  der  Ungläubigen  derart  erschraken 
und  unwillig  wurden,  dass  sie  laut  schimpfend  umkehrten.  In  der  Vor- 
halle sahen  wir  wenigstens  die  in  den  Boden  gerammten  Holzgabeln, 
in  welche  die  Köpfe  der  Opferthierc  eingezwängt  werden.  Es  gilt  als 
günstiges  Omen  für  die  Erfüllung  der  Bitte  des  Opfernden,  wenn  der 
Rrahmane  den  Kopf  des  Thieres  mit  einem  Hiebe  vom  Rumpfe  trennt, 
während  dem  Gegentheile  eine  ungünstige  Bedeutung  zugeschrieben 
wird.  Hie  Leute  geben  sich  daher  auch  alle  Mühe,  den  Hals  des  Opfers 
so  viel  wie  möglich  zu  spannen,  um  den  Hieb  zu  erleichtern,  wobei 
natürlich  manche  Thierquälcrei  unterläuft.  Der  schlachtende  Brahmanc 
soll  bald  zu  bedeutendem  \'erm5gen  gelangen,  da  er  für  Opferungen, 
wie  man  mir  soffle,  bis  zu  ICKX)  Rupien  im  Tage  erhält. 

Für  9  Uhr  stand  die  Besichtigung  der  königlichen  Münze  zu 
Calcutta  auf  dem  Programme,  die  uns  ob  ihrer  Leistungsfähigkeit  und 
Großartigkeit  der  maschinellen  Ausstattung  gerühmt  worden  war.  Die 
Cflicuttaer  Münze  ist  in  der  Thal  bewundernswert  eingerichtet.  Ein 
geradezu  kolossales  Etablissement.  liefert  sie  täglich  300.000  bis 
■100.000  Rupien,  ohne  an  der  Grenze  der  Leistungsfähigkeit  angelangt 
zu  sein.  Die  Silber-  und  die  Kupfermünze  bilden  getrennte  Gebäude: 
erstere  ist  im  dorischen  Stil  erbaut,  letztere  stellt  sich  als  ein  umfang- 
reicher Block  von  Gebäuden  dar.  Der  Dircctor  machte  den  Führer 
durch  alle  Ri^u^und  Werkstätten,  den  Process  der  Fabrication  in 
allen  Stadii^^^^Bch  die  Zählung  und  \'crpackung  erklärend  und 

180 


demonstrierend.  Wo  nur  möglich,  stehen  Maschinen  dt'r  praktischesten 
und  sinnreichsten  Art  in  Verwendung  und  beinahe  an  ein  denkendes 
Wesen  gemahnt  jene  Maschine,  welche  die  Sortierung  der  im  Gewichte 
richtig  ausgeprägten  Münzen  von  den  zu  leicht  oder  zu  schwer  ausge- 
fatlenen  Stücken  besorgt.  Die  Umwandlung  der  Silberbarren  in  blank 
und  schön  geprägte  Rupien  geht  dank  den  Maschinen  mit  erstaunlicher 
Schnelligkeit  vor  sich.  Man  denkt  dabei  unwillkürlich  an  die  Function 
der  berühmten  Vorrichtung,  auf  deren  einer  Seite  Hasen  gejagt  und  in 
die  Maschine  geworfen  werden,  während  auf  der  anderen  Seite  fertige 
Hüte  herausfliegen!  Wie  bedauerlich,  dass  auch  die  großartigste  Münz- 
slälte,  die  genialste  Maschine  der  Welt  dem  Preisfalle  des  Silbers  keinen 
Einhalt  zu  thun  vermochte;  eine  Erscheinung,  welche  der  indischen 
Regierung  noch  schwere  Sorgen  bereiten  wird.  Außer  dem  couranten 
Gelde  für  Ceylon  und  Indien  werden  in  der  Calcuttaer  Münze  auch  für 
.,  Afrika  bestimmte  Münzen  und  die  so  zahlreichen  englischen  Kriegs- 
■gnedaillen  geprägt. 

HB  Nachmittags  fuhr  ich  mit  dem  vicekoniglichen  Paare  auf  einer 
■"tiohen  Coach  zu  den  Schlussnummern  der  drei  Stunden  dauernden 
Militärsports,  die  auf  dem  Rennplatz  vor  einer  hohen  Tribüne  statt- 
fanden und  eine  dichtgedrängte  Menge  von  Zuschauern,  darunter  viele 
hübsche  Damen,  angelockt  hatten. 

Bei  dem  Preisfahren  mehrerer  Geschütze  mit  ihren  Bespannun- 
gen mussten  in  ziemlich  scharfen  Wendungen  mitten  zwischen  nahe 
aneinander  gestellten  Pflocken  hindurch  Achterfiguren  gefahren  werden: 
ein  einziges  Geschütz  von  vieren  löste  diese  Aufgabe  fehlerlos. 

Eine  Quadrille  der  Calcuttaer  Berittenen  Freivi'illigen  war  gut 
gemeint,  fiel  aber  nicht  sonderlich  gelungen  aus.  Dieses  Corps  setzt  sich 
aus  Vertretern  des  Kaufmannsstandes  und  ähnlicher  friedlicher  Berufs- 
classen,  zumeist  aus  älteren  Leuten  zusammen,  die  sich  zweimal 
wöchentlich  zu  ihren  sogenannten  Übungen  einfinden  und  lebhaft  an 
vaterländische  Bürgergarden  erinnern.  Ihre  Reitkunst,  sowie  der  Zustand 
der  Pferde  gestatten  den  Schluss,  dass  dieses  Corps  dem  Feinde  kaum 
sehr  gefahrlich  sein  dürfte. 

Recht  gut  producierten  sich  englische  Unterofficiere  und  Sol- 
daten im  Turnen  und  Bockspringen.  Theilnahme  und  Interesse  höchsten 
Grades  zeigte  sich  im  Publicum  für  das  Tauziehen,  wobei  zehn  Mann 
eines  Infanterieregimentes  gegen  zehn  Artilleristen  concurrierten.  Aus- 
gesucht starke  Leute  standen  einander  gegenüber  und  lange  schwankte 
der  Kampf  hin  und  her.  Allgemeine  Aufregung  herrschte  bei  den  Mann- 


schalten  der  beiden  Regimenter,  die  vollzählig  im  Zuschauerräume 
erschienen  waren.  Wetten  wurden  eingegangen  und  von  allen  Seiten 
den  Kämpfern  anfeuernde  Wurte  zugerufen.  Einmal  hatten  die  Infante- 
risten schon  acht  Mann  der  Gegner  auf  ihre  Seite  gezogen;  doch  plölz- 
lieh  wandle  sich  das  Glück,  und  nach  viertelstündigem  Kampfe  siegten 
die  .'\rtilleristen.  In  diesem  .Augenblicke  stürzten  vier  Mann  vor  Anstren- 
gung bewusstlos  zusammen,  erholten  sich  aber  nach  einiger  Zeit. 

Sehr  erheiternd  war  das  folgende  Tauziehen  zu  Pferde,  das  zum 
erslenmale  von  je  sechs  Eingeborenen  auf  ungesattelten  Pferden  ver- 
sucht wurde.  Die  Reiter  beider  Parteien  boten  die  äußerste  Anstrengung 
und  Geschicklichkeit  auf,  um  sich  nicht  nur  auf  den  Pferden  zu  erhallen, 
sondern  auch  die  Gegner  herab-  und  herüberzuziehen;  doch  waren  dii; 
Kräfte  so  gleich  vertheüt,  dass  zum  Schlüsse,  da  keine  der  beiden 
Parteien  sich  vom  Flecke  rührte,  der  Kampf  als  unentschieden  erklär! 
werden  miisste. 

Lady  Landsdowne  vertheilte  die  Preise  an  die  glücklichen 
Gewinner;  dann  kehrten  wir,  von  dichtem  Nebel  umhüllt,  nach  dem 
Government  House  zurück ,  wo  unser  ein  Gala  -  Diner  und  nacii 
Beschluss  desselben  eine  Soiree  warteten.  Dieser  Nebel  ist  charakte- 
ristisch für  Calcutta:  jeden  Abend  senkt  er  sich,  mit  Rauch  gemischt, 
in  unglaublicher  Dichte  über  die  Stadt  und  theilt  sich  erst  des  Morgens. 
Die  äußerst  feuchte  Atmosphäre  und  der  beständige  Nebel  sollen 
die  hauptsachliche  Ursache  dessen  sein,  dass  das  Klima  Calcutlas 
ungesund  und  fiebererzeugend  ist. 

Dem  Diner,  welchem  abermals  bei  80  Personen  anwohnten,  folgte 
eine  Soiree,  zu  der  über  2000  Einladungen  ergangen  waren.  Ich 
gestehe,  —  sonst  kein  Freund  derartiger  Massengeselligkeit  —  dass  ich 
auch  diesen  Abend  zu  den  interessanten  Erinnerungen  zähle;  denn  die 
bunt  durcheinander  gewürfelte  Menge  von  Herren  und  Damen  aus  allen 
Gcsellschallsclassen  bot  ein  ungewohnt  fesselndes  Bild.  Neben  Euro- 
päern sah  man  Parsis,  Tibetaner  und  indische  Kaufleute.  ja  selbst  die 
Gattin  eines  Rädschas  war  erschienen. 

Den  Glanzpunkt  des  Festes  bildeten  wieder  die  zahlreichen  von 
Diamanten  strotzenden  Rädschas  in  ihren  National  costümen.  Aber 
nicht  bloß  ihre  äuflere  Erscheinung  ist  es,  wodurch  die  Rädschas  die 
Aufmerksamkeit  auf  sich  lenken.  In  früheren  Zeiten  ein  wichtiger 
Factor  der  indischen  Geschichte,  sind  sie  heute  dank  der  Suprematie 
Englands,  selbst  in  den  einer  relativen  Unabhängigkeit  sich  erfreuenden 
Territorien,  zur  politischen  Bedeutungslosigkeit  venirlheilt,  soferne  es 


^ 


nicht  einzelnen  gelingt,  durch  ihre  IndividUiilität  und  ihren  Reichthum 
eine  Rolle  zu  spieien.  Den  angestammten  Adel  darstellend,  dessen 
Tradition  in  den  Glanzepochen  Indiens  wurzelt,  und  zumeist  mit 
Glücksgütern  reich  gesegnet,  genießen  die  Rädschas  hohes  Ansehen  hei 
den  Eingeborenen.  Gleichzeitig  stehen  sie  den  englischen  Machthabern 
näher  als  die  große  Masse  des  Volkes.  Sie  ragen  als  die  Vertreter  einer 
alten,  ererbten  Culiur  in  die  Gegenwart  herein  und  sind  die  nächsten 
Objecte  der  Beeinflussung  durch  europäische  CiviUsation.  Beide  Ele- 
mente —  die  alte  Cultur  und  die  europäische  CiviUsation  —  wirken, 
da  sie  noch  zu  keiner  wechselseitigen  innigen  Durchdringung  und 
Verschmelzung  gelangt  sind  und  sich  gegenseitig  beengen,  ziemlich 
unvermittelt  nebeneinander. 

Die  Engländer  fördern  die  Ausbildung  der  zu  Herrschern  —  Maha- 
radschas oder  Rädschas  —  berufenen  Fürstensöhne  in  besonderen 
Rädschkumar  Colleges,  Akademien,  in  welchen  auch  englisch  gelehrt, 
ja  Geschichte  und  selbst,  nach  J.  S.  Mills  Werken,  Nationalökonomie 
betrieben  wird.  Mitunter  ist  jedoch  die  Erziehung  der  Söhne  einzelner, 
namentlich  mächtigerer  Fürsten  englischen  Erziehern  überlassen.  In  der 
Regel  treten  mit  Vollendung  des  20.  Lebensjahres  Volljährigkeit  und 
Throne insetzung  des  Herrschers  ein;  doch  wurde  die  Regierung  dem 
N'isam  von  Haidarabad  bereits  nach  Vollendung  seines  18.  Lebensjahres 
übertragen,  während  bei  anderen  Herrschern  die  Mindeijährigkeit  sich 
mich  über  das  20.  Lebensjahr  hinaus  erstreckt.  Der  Herrscher  überlässt 
die  Landesverwaltung  zumeist  dem  Darbar  (Staatsrath) ,  welcher  die- 
selbe fast  immer  nur  nominell  führt,  thatsächlich  aber  dem  Einflüsse 
des  englischen  Residenten  unterliegt.  Dies  erklärt  auch,  dass  die 
Administration  meist  gut  ist;  dort  aber,  wo  englische  Einwirkung  in 
den  Hintergrund  tritt,  erinnern  die  Zustände  in  den  Rädscha-Staaten 
bei  der  Willkür  der  Behörden  nicht  selten  an  unsere  Redensart  von 
«»rienlali.scher  Despotie.  Unter  den  Fürsten  findet  man  alle  Spielarten 
vertreten  —  nicht  zum  wenigsten  Londoner  Stutzer  und  genussüchtige 
Lebemänner,  den  Sportsman  und  Jäger,  ja  selbst  orientalische  Barbaren. 
Aus  dem  Nebeneinander  der  alten  indischen  und  der  neuen  euro- 
päischen Cultur  erklärt  sich  auch  die  Erscheinung,  dass  die  Rädschas  in 
ihrem  Gehaben  und  Gebaren  den  Eindruck  einer  Art  Doppelcullur,  oder 
—  wenn  von  unserem  Standpunkt  aus  dieses  -Zu  viel«  weit  eher  als 
ein  -Zu  wenig«  erscheint  —  der  Halbcultur  machen.  Stagnation  auf  der 
gegenwärtigen  Stufe  dürfte  ebenso  ausgeschlossen  sein,  wie  ein  völliger 
Kückschrilt  zur  alten  indischen  Cultur  oder  ein  gänzliches  Aufgehen 


in  europäischer  Civilisation.  Im  Laufe  der  Zeit  werden  diese  Enlwick- 
lungsmotive  wohl  zu  harmonischerer  Verbindung  und  Ausbildung 
gelangen.  Auf  die  künftige  Gestaltung  der  Dinge  in  Indien  mag  es  nichl 
ohne  Kinfluss  sein,  ob  hiebei  das  eine  oder  das  andere  der  Motive  die 
Oberhand  gewinnt.  Der  socialen  Politik  Englands  ist  hier  auf  einem 
bestimmten  Gebiete  eine  schwierige,  aber  gewiss  atich  dankbare  Auf- 
gabe gestellt. 

Einige  der  zum  Feste  erschienenen  eingeborenen  fürstlichen  und 
sonst  hervorragendsten  Persönlichkeiten  seien  hier  genannt:  Maha- 
radscha von  Rewah,  Maharadscha  von  Pattiala,  Maharadscha  von 
Dnrbhanga,  Maharadscha  von  Bettiah,  Rädscha  Sir  Surindro  Mohun 
Tagore,  Hädscha  Sir  Norendro  Krischna,  Rädscha  Durga  Tscham  Lnl. 
Prinz  Mirza  Kamar  Kadr  —  ein  Sprosse  der  königlichen  Familie  vcn 
Audh.  Prinz  Mirza  Dschehan  Kadr,  Nnwäb  Abdul  Latif  Khan  ßahädur, 
Nawäb  Seid  Amir  Hossein. 

Unter  den  mir  Vorgestellten  befanden  sich  auch  Officiere  der 
indischen  Regimenter  in  Calcutta,  welche  —  einem  eigenthümlichen,  an 
ritterliche  Sitten  gemahnenden  Brauche  huldigend  —  bei  der  Vorstellung 
die  Schwerter  zogen  und  mir  zur  Berührung  mit  der  iland  darboten. 
Eine  Symbolik,  die  offenbar  den  höchsten  Grad  der  Ergebenheit  aus- 
drücken soll. 

Calcutta,  ö.  Februar. 

In  der  römisch-katholischen,  der  Jungfrau  Maria  vom  Rosenkranze 
geweihten  Kathedrale  von  Murghihatta  (Moorgheehalta)  wohnten  wir 
einer  feierlichen  Messe  an,  die  der  dem  Jesuitenorden  angebörige 
Erzbischnf  Paul  Goethnls,  ein  Belgier  von  Geburt,  celebrierte.  Vor  der 
Kirche  waren  eine  Ehrencompagnie  mit  Musikkapelle  und  die  Zöglinge 
des  Waiseninstitutes  von  Murghihatta  aufgestellt,  welch  letztere  mich 
durch  Absingung  der  Volkshymne  erfreuten:  ebenso  wurde  das  -Gott 
erhalte-  in  der  Kirche  vom  Chore  herab  intoniert.  Die  ganze  Kirche 
war  mit  Gläubigen  erfüllt,  unter  denen  ich  auch  Brftgan<;a  entdeckte, 
welcher  des  Morgens  in  Calcutta  angekommen  war,  um  einige  Wochen 
in  Indien  zuzubringen.  Als  wir  die  Kirche  verließen,  wurde  -O,  du  mein 
Österreich«  gespielt, 

Ich  verabschiedete  mich  von  dem  Erzbischof,  einer  liebenswür- 
digen Persönlichkeit,  und  fuhr  in  das  Jesuiten-Collegium  St.  Xaver,  in 
welchem  8W  '~  der  verschiedensten  Nationalitäten  und  Religions- 

bekenntnisse ymnasialfiichern  unterrichtet  werden.   Die  zahl- 


reichen  Schulen  und  Collegien,  welche  den  Jesuiten  in  Indien  gehören, 
erfreuen  sieh  bei  den  Eingeborenen  grußer  Beliebtheit;  der  Zudrang  zu 
diesen  Unterrichtsanstalten  wächst  von  Jahr  zu  Jahr  und  selbst  die 
Engländer  erklären  sie  einstimmig  für  die  besten  Schulen  im  Lande. 
Die  Jesuiten  befolgen  dabei  das  Princip,  keine  Proselyten  für  die 
katholische  Religion  zu  machen,  sondern  sie  belassen  vielmehr  jeden 
hei  dem  Glauben  seiner  Väter  und  streben  nur  danach,  gebildete  und 
rechtschaffene  Menschen  zu  erziehen;  ein  Vorgehen,  durch  welches  sie 
Scheu  und  Argwohn  wirksam  besiegen.  Die  Patres  sind  beinahe  durch- 
wegs Belgier.  Das  Gebäude  ist  sehr  geräumig,  besitzt  eine  Kapelle,  große 
Schulräiime,  zahlreiche  Wohnzimmer  für  die  Patres  u.  a.  m.  Durch 
einen  großen  Spielplatz  ist  für  die  Erholung  und  körperliche  Ausbil- 
dung der  Jugend,  worauf  die  Jesuiten  mit  Recht  großes  Gewicht  legen, 
vorgesorgt.  Besonders  genannt  zu  werden  verdient  auch  das  physika- 
lische Cabinet,  in  welchem  uns  der  Rector,  Pater  Lafont,  mit  lebhaftem 
Interesse  die  Instrumente  zeigte,  welche  er  im  Laufe  der  Jahre  gesam- 
melt hatte,  darunter  Dynamo-  und  verschiedene  Dampfmaschinen,  sowie 
einen  kleinen  Phonographen,  welcher  den  Gegenstand  seines  besonderen 
Stolzes  bildet  und  das  "Gott  erhalte«  fehlerlos  ertönen  ließ. 

Da  der  Zug,  welcher  uns  nach  Dardschiling  (Darjeeling)  zu 
bringen  hatte,  erst  um  4  Uhr  nachmittags  abgehen  sollte,  proponierte 
mir  der  Vicekönig,  sein  nördlich  von  Calcutta  gelegenes  Landhaus 
Barrackpur  zu  besuchen.  Ich  nahm  diesen  Vorschlag  mit  Vergnügen 
an.  Wir  bestiegen  in  der  Nähe  des  Justizpalastes  die  Dampfbarkasse 
•Maud«,  fuhren  zwischen  den  zahlreichen  Schiffen  den  Hugli  hinauf, 
passierten  zuerst  die  große  Brücke,  hierauf  die  Verbrennungsstätten,  wo 
eben  drei  Hindus  in  .^sche  verwandelt  wurden,  und  befanden  uns  bald 
zwischen  grünen,  lachenden  Ufern,  auf  weichen  kleine  Dörfer  und  eine 
{^anze  Reihe  moderner  Hindu-Tempel  miteinander  abwechseln,  .sowie 
einzelne  Landhäuser  reicher  Caicuttaer  durch  das  saftige  Grün  der 
Baume  schimmern. 

Die  Hindu-Tempel  sind  in  den  mannigfaltigsten  Formen  gebaut: 
bald  sind  es  rundlich  zuckerhutartige  Gebäude,  bald  Complexe,  aus 
einer  Anzahl  kleiner  Tempelchen  und  Baulichkeiten  bestehend,  deren 
einzelne  sogar  an  die  Kuppeldächer  der  Moskauer  Kirchen  erinnern. 
llci  allen  Tempeln  sind  lange  Freitreppen  zu  sehen,  welche  direct  zu 
den  Fluten  des  heiligen  Ganges  führen  und  von  den  Gläubigen  benützt 
werden,  indem  diese  am  Fuße  der  Trt;ppen  ihren  religiösen  Waschungen 
obliegen. 


r>eraume  Zeit  gienß  es  Jen  Fluss  hinan;  dann  landete  d 
am  Parke  des  Landhauses.  Durch  eine  dichte  Allee  von  Bambus,  in 
der  ich  einen  am  Wege  sitzenden  Mungo  erhiickte,  erreichten  wir  die 
vtim  General -Gouverneur  Marquis  of  Hastings  angelegte  Residenz 
Harrackpur.  Diese  ist  durch  ihren  im  Richmond-Stile  gehaltenen,  mit" 
Wiesen  flächen  und  Solitär- Bäumen  geschmückten  Park  charakterisiert. 
Lord  Landsdowne  hatte  leider  an  einer  starken  Neuralgie  zu  leiden, 
die  ihn  zwang,  sich  zurückzuziehen,  während  wir  mit  Lady  Landsdowne 
und  der  Gemahlin  des  Leibarztes  unter  einer  großen  Kicus  religiosa-, 
das  Lunch  einnahmen.  Wir  hatten  kaum  Platz  genommen,  als  schon 
Hunderte  von  Milanen  herbeigeflogen  kamen,  die  stets  an  dieser  StellCi 
gefüttert  werden  und  eine  solche  Keckheit  entwickelten,  dass  sie  mit 
Stangen  ferngehallen  werden  mussten.  Während  des  Speisens  fütterten 
wir  die  Milane  mit  Fleisch  und  erfreuten  uns  an  der  Geschicklichkeit, 
mit  der  sie  zugeworfene  Stückchen  in  der  Luft  auffiengen,  und  an  da 
Zahmheit,  mit  der  sie  Fleisch  von  einer  Gabel  nahmen. 

Selbstverständlich  war  der  unvermeidliche  Photograph  erschienen 
und  erst  nach  unzähligen  Aufnahmen  verabschiedeten  wir  uns  von  Lord* 
und  Lady  Landsdowne,  die  während  meines  kurzen  Aufenthaiti 
Caicutta  dank  ihrer  Liebenswürdigkeit  meine  volle  Sympathie  errungi 
hatten.  Der  Vicekonig  ist  vormals  Gouverneur  von  Canada  gewesei 
residiert  jetzt  schon  vier  Jahre  in  Indien  und  sehnt  sich,  im  nächsteivj 
Jahre,  nach  Beendigung  der  vorgeschriebenen  fünfjährigen  Thätigkeit, 
auf  seine  Güter  In  Irland  zurückzukehren.  Kr  ist,  da  die  gesammte 
Regicnmg  und  \*erwaltung  des  anglo-indischen  Kaiserreiches  in  seinen 
Händen  liegt,  außerordentlich  in  Anspruch  genommen,  unternimmt  aber 
gleichwohl  alljährlich  eine  Inspectionsreise  in  die  größeren  Stai 
Indiens  und  zu  einzelnen  Maharadschas:  die  hei0e  Zeit  bringt  er 
dem  etwa  2700  m  hoch  liegenden  Simla  —  im  nordwestlichen  Indien, 
im  Pendschäb  gelegen  —  zu.  Er  scheint  ein  leidenschaftlicher  Garten- 
freund zu  sein  und  ist  in  der  Botanik  wohl  bewandert,  so  dass  sich 
das  Gespräch  oft  genug  auf  Gartenkunst  und  Landschaftsgärtnerei 
lenkte,  Fächer,  die  er  mit  viel  Freude  betreibt.  Das  Ehepaar  I^andsdoi 
ist  mit  zwei  Kindern  gesegnet,  die  ich  gleichfalls  kennen  lernte;  der  Sol 
obliegt  in  der  Regel  seinen  Studien  zu  Oxford,  während  die  Tochter 
reizende  Erscheinung  im  Government  House  blühi. 

Um  4  Uhr  nachmittags  erfolgte  die  Abfahrt  aus  dem  Bereit 
1  aicuttas.  Wir  vcrlictJen  Barnickpur  mit  der  Eustem  Bengal  Railw 
welche  m  nor*'  r  Richtung  die  Gangesniederung  durchquert 


1 

leivl 


her 


^»1  Damukdia  Ghät  (Damukdea),  auf  dem  rechten  Ufer  des  Ganges, 
norraalspurige  Strecke  ihr  Ende  erreicht.  Auf  einem  großen  Dampfer 
überschritten  wir  den  Strom,  um  uns  von  Sara  Ghät  ab  abermals  der 
Kastern  Bengal  RaÜway  zu  bedienen,  die  von  hier  als  schmalspurige 
Eisenbahn  in  nördlicher  Richtung  an  den  Fuß  des  Himälayagebirges 
führt.  Die  Distanz  von  Damukdia  Ghät  zur  Station  Sara  Ghät  wird  je 
nach  der  Jahreszeit,  welche  die  Strömung  des  Ganges  beeinflussi, 
zurückgelegt;  unter  günstigen  Umständen  erfordert  die  Überfahrt  die 
Zeitdauer  von  etwa  20  Minuten.  Wir  benützten  diese  Frist,  um  das 
Diner  einzunehmen,  und  begaben  uns,  wieder  einwaggoniert,  bald 
zur  Ruhe,  soweit  die  leider  gleichfalls  schmalspurigen  Betten  dies 
gestatteten.  Von  Siliguri  ab  schließt  sich  an  die  Rastern  Bengal  Rail- 
way  die  nach  Dardschiling  emporführende  Berghahn, 


^"^ 


Dardschiling. 


üardschiiing. 


Dardschiling,  6.  Februar. 

So  fuhren  wir  denn  auf  kühnem  Gebilde  von  Menschenhand  dem 

Hiinälaya,    dem    höchsten   Gebirge    der    Erde    zu!    Durch    elementare 

l^evolutionen  entstanden,  in  schier  unerreichbaren  Spitzen  dem  Himmel 

entgegen  strebend,  erhebt  sich   der  Himälaya.    das   -Schneeheim-,  der 

''ufossale  Bergwall,  welcher  die  Arier  von  den  Mongolen,  Indien  von 

'"nerasien  trennt.  Nie  hat  ein  Feind  ihn   überschritten,  nur  scheu  hat  er 

'hn    umgangen,  Ober  24  Längengrade  sich  erstreckend,  vom  Hindukusch 

"'S    zum  Durchbruch  des  Brahmaputra  reichend,  steht  der  Himälaya  mit 

''ern  Nordfuße  auf  den  öden  Plateaus  von  Tibet,  mit  dem  Südfuße  auf 

''^■"     vorderindischen  Tiefebene,  als  eine  Grenzscheidc  des  Klimas,  der 

' '1  «.nzen- undThierwelt,  der  Völker  und  derCultur  zwischen  Iniierasien 

"f«J  Südasien. 

Durch  die  ihm  vorliegende  Thalmulde  nähern  wir  uns  seiner 
"■^t^'on;  erheben  uns  zu  seiner  südlichen  Vorkette,  die  auf  blühende, 
Si^rendc,  üppige,  von  herrlicher  Luft  umfächelte  Waldberge  herabsieht; 
'''>cken  nach  den  Gipfeln  der  Cenlralkette,  jenseits  deren  nördlicher 
'"orkcue  wildes,  kahles,  zackiges  Höhenland  liegt.  Über  die  diese  Thal- 
rouldc  nördlich    begrenzenden,   von   dunklem   Waldesgrün    bedeckten 


Vorberge  windet  bicli  die  Bahn  bis  IJardschilinj;  empor,  bis  zum  Fuße  der 
größten  Gletschergruppen  der  Erde,  bis  in  das  Gebiet  hinein,  in  dem 
der  Dhauliigiri  (S17(jh(),  der  Kanlachindschinga  (8585»»)  und  jentr 
höchste  Gipfel  der  Erde  thronen,  den  wir  Mount  Everest  {8840  m)  nder 
Guurisankar  nennen  hören.  Der  Kantschindschinga,  —  »die  fünf  weißen 
Brüder.  —  dessen  Vfjn  ewigem  Schnee  bedeckte,  von  Gletschern  durch- 
furchte, aus  dichtem  Walde  aufsteigende  Riesenketle  wir  hier  zu 
schauen  gekommen  sind,  liegt  in  Sikkim,  jenem  kleinen  Schutzstaalc, 
der  wie  ein  Keil  zwischen  Nepal  und  Bhutan  sich  einschiebt  und  durch 
die  kühne,  in  Dardschiling  endigende  Bergbahn  mit  den  Schiener- 
strängen der  Ganges-Ebene  verbunden  ist. 

Von  der  Hoffnung  beseelt,  den  Zauber  dieser  unsäglich  schönen 
und  grußartigen  Gebirgswelt  in  voller  Pracht  bewundern  zu  können, 
lugte  ich  lange  vor  Sonnenaufgang  aus  meinem  Fenster,  um  d'as  Wdlei 
zu  beobachten  und  daraus  Schlüsse  zu  ziehen,  ob  wir  einen  reiner, 
nebelfreien  Tag  haben  würden  oder  nicht.  Obgleich  der  Morgen  heiler 
war  und  der  Sonnenaufgang  schön  zu  werden  versprach,  entdeckte  ich 
doch  im  Westen  kleine,  längliche  Wolkenstreifen,  die  in  unseren  heimal- 
liehen  Bergen  von  allen  erfahrenen  Wetterprophelen  als  ungünstiges 
Omen  gedeutet  werden,  weil  sie  zumeist  Regen  oder  Nebel  prophe- 
zeien. Leider  halte  sich  dieses  untrügliche  Zeichen  auch  hier  bewahr- 
heitet; als  wir  an  den  Fuß  der  Vorberge  gelangten,  sahen  wir  die 
Spitzen  bereits  in  Nebel  gehüllt. 

Nach  7  Uhr  morgens  waren  wir  von  Siliguri  abgefahren.  D** 
Bergbahn  Siliguri  — Dardschiling,  die  eine  Länge  von  82  km  besitzt  UT»' 
in  eine  Höhe  von  2180»«  steigt,  ist  wohl  die  interessanteste  Bahn  A^ 
Welt:  nicht  so  sehr,  was  ihren  Bau  und  ihre  Anlage  anbelangt,  als  we^;^ 
der  unvergleichlichen  Panoramen  und  Bilder,  deren  Anblick  sie  bie*^ 
Die  Bahn  hat  eine  Spurweite  von  nur  Ul  cm,  besitzt,  um  freien  Ausbl**" 
zu  gewähren,  offene  Waggons  und  kann  unbedingt  als  ein  kühnes  l»* 
ganz  eigenartiges  Werk  bezeichnet  werden.  Man  bedenke  nur:  ei' 
Bergbahn,  die  ohne  Tunnel  eine  so  bedeutende  Höhe  erklimmt  und  * 
ganzen  —  nach  der  .Angabe  des  Chef-Ingenieurs  —  nur  23L0OÜ  fl.  ö.  "^ 
gekostet  hat!  Das  Räthsel  erklärt  sich  theüweise  dadurch,  dass  *^ 
Bahn  bloß  auf  einer  Schienenlänge  von  24  km  die  Herstellung  ei*'»' 
besonderen  Bahnkörpers  erfordert  hat,  während  sie  die  übrige  Stre<=  ^ 
hindurch  die  bereits  vorhandene  Gebirgsstraße  benützt,  um  sich  emp><^ 
zuwinden.  In  den  schärfsten  Curven  und  Windungen  geht  es  berga-«- 
die  Bahn  steigt  in  solchen  Serpentinen  und  Krümmungen,  dass  an  viel  * 


«teilen  das  Geleise,  welches  in  den  nächsten  Minuten  befahren  werden 
soll,  schon  einige  Meter  hoch  über  dem  Zuge  sichtbar  wird.  Wo  scharfe 
Cur\'en  und  Serpentinen  nicht  mehr  genügt  hätten,  um  eine  steile  Höhe 
zu  erklimmen,  ist  dadurch  Rath  geschafft,  dass  der  Zug  eine  Strecke 
geradeaus  emporfährt,  um  dann  in  einem  scharfen  Winke!  in  entgegen- 
gesetzter Richtung,  mit  schiebender  Maschine,  höher  aufzusteigen,  so 
dass  man  im  Zick-Zack  aufwärts  kommt. 

Aber  was  sind  alle  diese  Künste  der  Technik  gegen  die  Pracht 
und  Mannigfaltigkeit  der  Natur!    In  der  grünen  Steiermark  geboren 
und  die  Berge  über  alles  liebend,  war  es  immer  mein  heilier  Wunsch 
gewesen,  den  König  aller  Gebirge,  den  Himälaya,  zu  sehen  und  die 
tropische  Welt  der  Berge  kennen  zu  lernen.    Wie  viel  ich  auch  über 
die   großartige  Schönheit   des   Himälaya   gehört  und  gelesen  —  was 
ich   nun   sah,   übertraf    alle   meine  Erwartungen   und   versetzte   mich 
in   unbeschreibliches    Entzücken.  Schon  die  leichte,   reine  Gebirgsluft 
wirkte  herrlich  erfrischend  —  was  Wunder,   dass   wir  alle  nach  und 
nach  im  Waggon   zu  jodeln   begannen,   als  wären   wir   in   den   ober- 
österreichischen Bergen.    Obgleich  leider  der  Nebel  sämmtliche  Spitzen 
in   undurchdringliche  Schleier  gehüllt  und  auch  die  Fernsicht  getrübt 
hatte,  war  doch  das,  was  wir  in  der  Nähe  zu  sehen  bekamen,  genug, 
diese  Fahrt  zu  einer  unvergessiichen  zu  machen. 
Die   landschaftlichen  Reize   ringsum   sind  wahrhaft  entzückend: 
iin  Gebirge  von  weit  mehr  als  8000  m  Elevation,  bis  zur  Höhe  von 
3000  m  mit  tropischer  Vegetation  bedeckt,  mächtige  Gebirgsrücken,  tief 
t; ingeschnittene  Thäler,  überhängende  Felsen,  schroffe  Lehnen,  steile 
Abhänge,  unermessliche  Abgründe  —  alie«  grün  in  grün  oder  ver- 
?*chwimmend  in  zarten  violetten  Tinten.    Und  welch  ein  PÜanzenkleid 
unigiirtet  den  Südrand  des  Himälaya!   Die  Vegetation  gemahnt  an  jene 
Ceylons:  aber  noch   höher  und  schöner  als   die  Raumriesen  Ceylons 
streben  hier  die  Stämme  mit  ihren  üppigen  Blätterkronen  empor;   noch 
dichter  und  wilder  schlingt  sich  hier  das  Pflanzenwcrk  um  Stamm  und 
-^sie,    Die  Bäume  sind  bis  zu  den  höchsten  Zweigen  hinauf  mit  Farnen, 
'Orchideen   und  anderen  Schmarotzerpflanzen  bedeckt,  \vährend  dicke 
'-ianen  die  Stämme  untereinander  verbinden,  und  selbst  die  schroffsten 
'-ehnen,  die  wildesten  Abstürze  sind  mit  einem  grünen  Teppiche  dicht 
'aneinander   stehender    Bäume    und    Sträucher   überzogen.     Bei  jeder 
"'egung,  jeder  Serpentine   fesselt  uns  ein  neues  Bild;   besonders  die 
^''<ilen,  tausend  Meter  tiefen  Abgründe,  an  denen  man  auf  Schuhbreite 
Vorbeifährt,  bringen  reichen  Wechsel  in  das  Panorama. 


rl  Wie  der  Charakter  des  Landes,  so  hal  sich  auch  die  Bevölkerung 

geändert  —  wir  sind  ja  in  Sikkim,  an  der  Grenze  Tibets  und  Chinas 
Hier,  in   Sikkim,  hausen   Volksstämme,  die,  wiewohl   mit  indischtra 
Blute  vermischt  und  von  indischer  Cultur  beeinflusst,  doch  im  Typu* 
und  in  der  Sprache  den  Tibetanern  nahestehen.  Die  Leptschas,  welche      ' 
Sikkim  und  auch  Dardschiling  bewohnen,  gehören  unzweifelhaft,  troi?. 
manchen  arischen  Einschlags  zu  den  Halbculturvölkern    der   monso- 
lischen  Race.  Innerasiatisches  Gepräge  haben  hier  die  Bewohner  der 
kleinen,  zerstreut  liegenden   Bergdörfer:  reinen   mongolischen  Typus 
die  Tibetaner,  die  als  Händler  oder  Arbeiter  vom  Norden  hieher  ein- 
wandern.   Der  Typus  der  Leptschas  ist  grundverschieden  von  jenem 
der  bisher  gesehenen   X'ölkerschaften;   auf  den   ersten   Blick  erkennt 
man  die  Merkmale  der  mongolischen  Race:  die  gelblichbraune  Haut, 
das  breite  Gesicht,  die  kleinen,  schief  geschnittenen  Augen,  die  stark 
hervortretenden  Backenknochen,  den  niederen  Wuchs,  das  grobe  Haar- 
den  spärlichen  Bartwuchs.    Sowohl  Männer   als  Weiber  sind  äußcr&^ 
hässlich;  bei  letzteren  herrscht  die  eigentiiümliche  Sitte,  sich  im  Wimef' 
als  Schutz  gegen  die  Kälte,  das  Gesicht  mit  Ochsenblut  einzuschmiere«^- 
was  ihnen  ein  besonders  abstoßendes  Aussehen  verleiht.    Am  ärgste  *^ 
richten  sich  aber  die  Witwen  zu,  die  sich  zum  Zeichen  der  Trauer  d»  ^ 
Nasen  ganz  schwarz  färben. 
Die    Kleidung   der  Männer  besteht  aus   einem   farbigen,  lange  ^^*"* 
Kaftan,  der  durch  einen  breiten  Gürtel,  in  dem  sich  die  Waffen  befinder""     ^ 
festgehalten  wird;    hiezu  kommen  oben  weile,  unten   sich   verengend 
Hosen   und  hohe,  aus  einem  Stück  geschnittene,  farbige  Stiefel  ode;^^^^^ 
Schnabelschuhe.  Auf  dem  Kopfe  tragen  die  Leptschas  Pelzmützen  ode-^^^^'^^ 
schon  stark  an  chinesische  Kopfbedeckungen  erinnernde  Mützen.    De-^^^^ 
Hals  wird  durch  Siibergeschmeide,  kleine  Türkis-Amulette  oder  Koratlen«^"*^ 
bänder  geziert.  Manche  Männer  bedienen  sich  statt  des  Kaftans  eine  ^^*' 
.Art  Henide.s  und  darüber  eines  offenen  Rockes  aus  dickem  Loden stufi"'*  ^ 
Die   Weiber  haben  weite,  faltige   Kleider  sowie   Gürtel   und   scheinei»  -^^ 
Geschmeide  sehr  zu   lieben,   da  sich   selbst  die   ärmsten   mit   Ketlei»'"«  "^ 
Amuletten    und    vor   allem    mit    langen    Ohrgehängen    von    Türkise!«  '^^ 
schmücken;  manchmal  tragen  sie  auch  auf  dem  Kopfe  einen  aufrech«"* 
stehenden  Reif  aus  Türkisen  und  Korallen.    Der  Zopf,  welcher  beid»  -*-^ 
Geschlechter  schmückt,  sowie  die  Finger  werden  mit  Ringen  gezierB 
Während  der  Fahrt  kamen  wir  an  kleinen  Ansledelimgen  knapg 
vorbei;  ja  wir  streiften  beinahe  die  Häuser  mit  den  Waggons  und  hattet« 
dabei  oft  Gelegenheit,   Einblick   in  das  häusliche  Leben  der  auf  eine  ■ 


mögüchst  billiger  Weise  vorgeaommen  wird,  ist  begreiflich,  doch  kann 
planlose  \*erwüstung  schwere  Gefahren  nach  sich  ziehen:  der  Wald 
nicht  die  ihm  gewordene  Missachtung.  Schmerzliche  Empfindunil 
btfschleicht  den  WalJEreur.d.  wenn  er  die  Rauchsäulen  des  Feuers  auf- 
steigen sieht,  welches  Bestandcheile  einer  urwüchsigen  Natur  vemichltit 
—  sei  es  auch,  um  Boden  für  die  Culcur  der  Theepflanze  zu  gewinnen. 
Wie  groß  übrigens  deren  wirtschaftliche  Bedeutung  sein  mag.  diese 
k^mn  iuch  das  nicht  entschuldigen,  dass  der  Thee  Veranlassung  oder 
\'or\i-and  zu  zahllosen  Soireen  und  Afcern.jon-teas  geworden  ist.  ... . 

Nach  10  L"hr  vormittags  erreichten  wr  die  Station  Kurseong.  wo 
d;is  Hotel  Clarendon  festiichen  Schmuck  angelegt  hatte,  und  langten 
um  I  L'hr  in  Dardschtling.  in  titetanisccier  Sprache  »Heiliger  Ort-,  an. 
Hier  erwarteten  lais  der  Deputy  Commissioner  Mr.  Waller  und  Maj.:r 
Ommanev ,  sowie  eine  ga'de  Menschenmenge,  aus  Europäern  und  Ein- 
geborenen bestehend. 

D;irdschLUng,  gegrurde;  :S.35.  ist  ;err:  der  Haupton  des  gleich- 
nartiigen  Districtes  '^üW  im-\  welcher,  die  Erg!äcder  gegen  eine 
J.i!-:n;srür.te  von  etwa  i.*7?0   :!.    o.   W.  v:i~  iesi   Schutzstaate  Sikkim, 

irtoige    semer    '-orer.    La^i    und    seines   '-erriichen    Ktimas   ist 


^^Rffen  aufgespeichert:  Messer,  mit  denen  man  jede  Rupie  auf  einen 
einzigen  Hieb   durchschneiden  kann;   merkwürdige  Sonnenuhren   auf 
einem  Stocke  dargestellt;  zahlreiche  Götterfiguren  in  Brunze;  originelle 
Schmuckgegenstände;    endlich    verschiedene    Musikinstrumente    und 
Trommeln,  darunter  solche  aus  Menschenschädeln,  sowie  Pfeifen  aus 
menschlichen    Schenkelknochen.    Die   Trommeln    bestehen    aus   zwei 
verkehrt  aneinander  gestellten  Schädeln,  deren  untere  Partien  weg- 
geschnitten und  durch  ein  Fell  ersetzt  sind,  welches  durch  einen  mit 
metallischem  Knopfe  versehenen  .Schlägel  zum  Tönen  gebracht  wird. 
Die  Schädel  sollen  von  Ehebrechern  herrühren,  die  in  Tibet  zum  Tode 
venjrtheilt   wurden   und   deren   Köpfe   dann   diese   instrumentale  Ver- 
wendung linden.  Abschreckungstheorie  in  drastischem  Ausdruck!  Bei 
einem  deutschen  Händler  fand   ich  auch  wertvolle  Sammlungen  von 
Schmetterlingen  und  V'ogeibälgen,  die  ich  für  mein  Museum  acquirierte. 
Dardschiling  ist,  was  Schmetterlinge  und  Käfer  anbelangt,  der  ergiebigste 
Fundort  in  ganz  Indien;  die  Mannigfaltigkeit  und  die  Farbenpracht  der 
einzelnen  Exemplare  ist  geradezu  wunderbar. 

Unsere  Hoffnung,  dass  uns  ein,  wenn  auch  nur  momentaner  Aus- 
blick auf  die  Berge  beschieden  sein  würde,  verwirklichte  sich  leider 
nicht:  der  Nebel  blieb  unerbittlich  liegen. 

Abends,  nach  dem  Diner,  welches  wir  frierend  in  einem  luftigen 
Glassalon  des  Hotels  einnahmen,  überraschte  uns  Mr.  Waller  mit  einem 
'ibetanischen  Tanze,  der  auf  einem  freien  Platze  aufgeführt  wurde, 
"bschon  sich  heftiger  Regen  in  Strömen  ergoss,  ohne  dass  hiedurch 
Jsr  Feuereifer  der  tanzenden  Künstler  abgekühlt  worden  wäre.  Die 
t'cgieitende  Musik  ähnelte  in  ihrer  Eintönigkeit,  bei  ausgiebiger  Ver- 
«'endung  von  Pauken  und  Tschinellen,  sehr  der  indischen  Musik; 
•^^gegen  war  der  Tanz  viel  bewegter,  ja  geradezu  wild  und  so  dem 
Charakter  der  unbotmäßigen  Gebirgsstämme  angepasst.  Namentlich  die 
leimen  waren  in  ihren  Bewegungen  sehr  lebhaft  und  begleiteten  den 
Tanz  mit  einem  geheulartigen  Gesänge,  der  wie  Kriegsgeschrei  klang. 
Männer  und  Weiber  tanzten  nicht  miteinander,  sondern  nach  dem  Ge- 
^chlechte  gesondert.  Der  Tanz  stellte  unter  anderem  auch  Kämpfe  mit 
wilden  Thieren  dar.  Zwei  Männer,  die  fratzenhafte,  jenen  unserer 
ClouTis  ähnliche  Masken  trugen,  stürzten  sich  als  »wilde  Thiere»  auf 
einen  der  Tanzenden  und  begannen  sich  mit  diesem  zu  balgen,  was 
schließlich  in  einen  Wechselreigen  der  ■Ungeheuer'^  mit  dem  Tänzer 
öbergieng.  Drachen,  Löwen  und  Riesenvügel  wurden  von  den  Künst- 
le™ recht  drastisch  zur  Anschauung  gebracht. 


DarJschiling,  7.  Februar, 

Der  erste  Blick  bei  Morgertgräiien  galt  deo  Bergen  oder  eigent- 
lich der  R'chtuR»:,  in  welcher  die  Berge  gesehen  werden  sollten:  aber 
leider  sahen  »ir  wieder  r.ur  Nebe'i,  nichts  als  XebeL  Tief  herabgestimmt 
vvidniete  ich  oiehrere  S;under.  :r.e:r.e:r.  Tigebuche.  während  die  Herren 
meiner  Suite  in  der.  Baz^ir  giengen.  um  :ur  mich  Einkäufe  zu  besorgen. 
L'":er  anderem  brachten  sie  wn  ihrem  Be'L::ezi:ge  auch  einen  zottigen 
echten  Tibetaner  öeb;rgsh'.^r.d  mit.  der.  ich  sofon  in  die  Heimat  sandte: 
ein  reifendes  Thier.  'ani;  behaarL  schwarz,  brata;  gehrannt,  in  der  Größe 
eines  Schäferhtindes,  m:t  k'.iigen  Auger.  imd  —  einem  besonderen 
Ker.nreichon  der  Race  —  schwarzem  Maule. 

Killte  verschiedenarTipär.  Oethierss.  bes-^sders  jene  des  schönen 
Katjer.biren  .A:'u:\:s  ru'^ens ,  weiche  ich  in  dem  Bazar  gesehen  hatte. 
vi-ranlassien  mich,  in  den  Comm:ssi-;ner  zti  dringen,  eine  Jagd  zu 
Yoranstatten.  Er  erklärte,  das*  ;\var  a"e  guten  PÜize  sehr  entlegen 
-eien.  wir  aber  imn:erhin  einen  ir.  cer  Nähe  ber.nd:^chen  Waid  durch- 
stri.'::"en  könnten,  um  dort  unser  utück  au:"  \'ögel  ru  versuchen.  Wie- 
wohl dies  wen;g  ;uvirs:ch;I;cr,  klar.i.  machten  v*ir  uns  dennoch  auf 

cntl-mg.  urge;X~r  ;vV' ■«  bergab,  b:s  wtr  an  einen  steilen  Bergabhang 
getanättcn.  der  nut  au:;rst  unriiier  "leiretAticr.  r*ieckt  war.  Wir  v«- 

ei".  Wif  btfdj.ui-e  ich.  nicht  meine  genageit^i^ 


birge,  der  sich  mir  für  das  ganze  Leben  tief  eingeprägt  hat.  Als 
tten  die  Geister  jener  Berge  Mitleid  mit  dem  Erdensohn  empfunden, 
■  aus  weiter  Ferne  hiehergepügert  war,  um  zu  den  Füßen  der  unnah- 
•en  Riesen  die  Natur  in  ihrer  Herrlichkeit  zu  bewundern  —  theilt 
h  plötzlich  der  dichte  Nebel  in  den  Höhen  und  entschleiert  liegen  im 
inze  der  sinkenden  Sonne  -die  fünf  weißen  Brüder»,  der  Kantschin- 
:hinga,  vor  uns.  In  scheuer  Ehrfurcht  nur  wagt  das  Auge  sich  zu  dem 
de  voll  Größe,  voll  Majestät  zu  erheben,  trunken  von  Entzücken  haftet 
daran.  Eine  Wand  von  Nebel,  wie  aus  den  Thälern  emporgewachsen, 
;ert  bis  hin  zu  den  enthüllten  Gipfeln,  die  auf  den  Wolken  zu  thronen 
leinen.  Ein  erstarrtes  Capitel  der  Geschichte  der  Erde,  blicken  die 
rge,  das  Bleibende  im  Wechsel,  in  olympischer  Ruhe  auf  das  Werden, 
ihen  und  Verderben  der  Völker  —  dieser  Eintagswesen  in  den  Äonen 
>  Seins  —  herab.  Wenig  war  mir  zu  schauen  gegönnt;  doch  das 
;nige  in  einer  Pracht,  dass  ich  die  ganze  Größe  jenes  hehren  Anblickes 
ahnen  vermochte,  den  voll  zu  genießen  mir  versagt  blieb.  Wie  ein 
fühl  der  menschlichen  Ohnmacht  beschlich  es  mich  angesichts  der 
tur  in  ihrer  Riesengröße  —  auch  der  Nüchternste  muss  sich  in  Demuth 
igen  und  in  Begeisterung  erheben  vor  einem  Anblicke,  wie  er  mir 
ichieden  gewesen. 

Nur  ein  bitterer  Tropfen  Wermut  in  dem  Kelche  der  Freude  — 
is  meine  Lieben  in  der  Heimat  weilen,  in  weiter  Ferne  von  mir,  dass 
nicht  theilhaben  können  an  dem  herrlichen  Schauspiele,  an  den 
en  Empfindungen,  die  es  wachruft.  Wie  wahr  ist  das  schlichte  Wort: 
theilte  Freude,  doppelte  Freude!  ,  .  . 

Die  Geister  der  Berge  schien  es  zu  reuen,  ein  menschlich  Rühren 
pfunden  und  die  jungfräulichen  Gebirge,  auf  denen  nie  der  Tritt  eines 
nschen  wiederhallt  hat,  so  lange  dem  Auge  des  Sterblichen  preis- 
jeben  zu  haben  —  die  Nebel  steigen,  werden  dichter  und  dichter, 
rosig  angehauchten  Gipfe!  verblassen,  ihre  Contouren  zerrinnen,  und 
ilich  ist  das  zauberhafte  Bild  verschwunden. 


^P  Dardschiling,  -S-  Februar. 

Der  Wunsch,  den  Anblick  der  herrlichen  Berge  heute  morgens 
ärmals  zu  genießen,  war  der  Vater  des  Gedankens  gewesen,  dass  die 
bei  heute  verschwunden  sein  müssten.  Mit  nichtenl  Sie  waren  noch 
mer  da,  obgleich  in  der  Nacht  Sterne  sichtbar  geworden  waren  und 
r  leider  den   letzten   Morgen  in   Dardschiling  zu  verbringen  hatten. 


2f7\  m    hoher,   ur.i  eriVi  \l  ivt  v:- 
Se-schiZ  ^-cer  Tiger  Hii:  ;u  rei:*-    \^ 


:u  c:;h:  war  uT:d  an  einzelnen 
-iii.  beschlossen  wir.  auf  den 
hier  ir.:feTr.i  liegenden  Moum 
"  ihr:  aus  soü  man  an  klaren 
HirrXaya,  insbesondere  den 
flr.i'ich  kalt  und  ^c-zz  warmer 


L  >cwf^:icr  >;;  g".:;; 


wie  in  ei-ez:  e.:ror tischen  Wintertage, 
■  nr.^  -.1-?  der  ersehr.ii  A-shh;»  iu:  die  s:o!zen  Berges- 
tuhr: fT'eich  v;rr.  K:;e!  ius  in  Serpenänec  sieil  hinan 
er.^li>,'hir  SiT-iTmum  für  feberirinke  Sk-Idazen.  die  i;^ 
r.ir,  Hius^rr.  -ur.:srgthri:h:  sir.i  -und  hier  von  ihren 
:~^  su---.sr  A-u.-h  iins  s:=in=  en^iischs  Besatzung.  w..>hl 

r,'.  ^r^.  .rrsrruniS.  der  ■.t.  w±;iend=n  Nebel  einer  KüpF^ 
■hir:is- j^-h   em  nbeiinischer  Buddha 

-;r   V;  x::    in   uirin    .-nüjhe—   aenühr-unisj-unkte. 


ylindrische  Büchse  befestigt  ist.  Im  Innern  der  Büchse  ist  ein  langer, 
usammengerollter,  mit  Gebetsprüchen  bedruckter  oder  beschriebener 
'apierstreifen  enthalten,  welcher  mittels  einer  in  der  Büchse  befestigten 
i^le  in  Drehung  versetzt  wird.  -Schon  das  Drehen  der  Gebete  wird 
em  andächtigen  Hersagen  derselben  gleichgehalten  und  gilt  bei  den 
iuddhisten  a!s  Bethätigung  der  Frömmigkeit;  übrigens  murmeln  die 
llerfrömmslen  Beter,  während  sie  die  Spule  des  CyÜnders  drehen,  oben- 
rein  noch  den  Gebetspruch.  Eine  noch  drastischere  und  bequemere 
"orm  des  Gebetes  besteht  in  dem  hier  üblichen  Hissen  langer  über  und 
iber  mit  Gebeten  beschriebener  Tücher,  welche  auf  hohen  Bambus- 
tangen in  der  Nähe  der  Tempel  und  der  Häuser  im  Winde  zu  flattern 
lestimmt  sind  und  auf  diese  Weise  böse  Geister  von  den  Gebäuden 
erscheuchen  und  fernehalten  sollen. 

Wir  hatten  das  V'erkehrsleben  Dardschilings  gewiss  bedeutend 
ingeregt  und  jedenfalls  die  Hoffnung  erweckt,  dass  es  möglich  sein 
«rde,  noch  im  letzten  Augenblick  irgend  welche  für  die  Verkäufer 
■esonders  vortheilhafte  Geschäfte  mit  uns  abzuschließen;  denn  als  wir 
ms,  zur  Abreise  gerüstet,  bereits  unter  den  Thoren  des  Hotels  befanden, 
jberfielen  uns  daselbst  unzählige  Händler  mit  Stoffen,  Waflen,  Hunden, 
'asanen,  Fellen.  Musikinstrumenten  der  mannigfaltigsten  Art  und  allen 
nöglichen  Geräthen  religiöser  und  profaner  Bestimmung.  Zwischen 
len  Handelsbeflissenen  drängten  sich  Bettelmiinche  und  Lamas  aus 
fibet   und  aus  der  Mongolei,   um  Almosen  für  ihre  Tempel  flehend. 

•  Lama-  ist  der  Ehrentitel  der  Priester  des  LamaTsmus,  das  ist 
es  von  Tsongkhapa  im  14.  Jahrhundert  umgestalteten,  bei  den  Tibe- 
änern,  Mongolen  und  Kalmücken  verbreiteten  Buddhismus.  Die  ober- 
ten  Priester  dieser  Hierarchie  sind  der  Bogdo  Lama  in  Taschi-Lhunpo 
nd  der  weit  öfter  genannte  Dalai  Lama,  Oceanpriester,  —  das  ist  der 
lenschgewordene,  immer  wieder  neugeborene  Buddha  —  in  dem  seit 
ielen  Jahrzehnten  den  Europäern  verschlossenen  und  wohl  voraus- 
ichtlich  auch  noch  durch  längere  Zeit  unzugänglichen  Lhassa. 

Endlich  mussten  wir  dem  geschäftigen  Treiben  rings  um  uns  her, 
a  die  Zeit  drängte,  ein  Ende  bereiten  und  kämpften  uns  durch  die 
^stgekeilte  Menschenmenge  förmlich  hindurch,  um  zu  der  Station  zu 
;etangen. 

War  uns  das  Wetter  während  des  kurzen  Aufenthaltes  nicht 
ben  hold  gewesen,  so  verließ  ich  Dardschiüng  doch  lebhaft  angeregt 
ind  seelisch  erquickt.  Ich  war  von  der  Empfindung  erfüllt,  inmitten  der 
lerrlichen  Gebirge    geistige  Sammlung  gefunden,  sowie  wohlthuende 


nach  Siligiiri  brachte.  Bei  Nacht  ist  der  Verkehr  der  Züge  auf  der 
Bergbahn  in  der  Regel  eingestellt,  weshalb  auch  für  Beleuchtung  der 
Strecke  nicht  weiter  gesorgt  ist.  Für  unsere  Fahrt  jedoch  ward  auf  der 
Locomotive  ein  weithin  leuchtendes,  helles  Licht  befestigt,  in  dessen 
Schein  die  Bäume  des  Urwaldes,  die  Lianen,  die  Bambus  wie  Gespenster 
an  uns  vorübernogen. 

Endlich  trafen  wir  in  Siliguri  ein,  um  die  Fahrt  von  hier  aus  mit 
der  Eastern  Bengal  Railway  auf  der  schmalspurigen  Strecke  bis  nach 
Manihari  Ghät  fortzusetzen. 


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Benäres. 


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Dardschiling —  Benäres,  9.  P'ebruar. 

Um  Vi8  Uhr  morgens  wurden  wir  in  Manihari  Ghät  an  der  End- 
slalion  der  schmalspurigen  Bahn  geweckt,  passierten  auf  einem  Dampfer 
den  Ganges  und  setzten  von  der  Station  Sakrigali  Ghät  die  Fahrt  mit 
der  Hast  Indian  Railway  auf  der  uns  schon  bekannten  Strecke  bis  Moghal 
Sarai  fort.  Das  Gebiet,  welches  wir  durcheilten,  ist,  wenn  auch  an  Üppig- 
ceii  den  Delta -Landschaften  nicht  vergleichbar,  doch  sehr  fruchtbar, 
ita.ik  besiedelt  und  intensiv  cultiviert.  Das  Uferland  des  Ganges,  den 
^lluvialbildungen  angehörend,  allenthalben  Handelsgewächse,  Brot- 
Litid  Gartenfrüchte  in  reicher  Fülle  liefernd,  trägt  wie  fast  jede  der 
•Kornkammern«  unserer  Erde,  den  Charakter  der  Eintönigkeit  in  sich. 
tias  Einförmige  der  Gangesniederung,  ihrer  fruchtbaren  Ebenen  und 
K»"ünenden  Keldfluren  wird  nur  durch  zahlreiche  Mangohaine  und 
'''eine  Hügel  unterbrochen,  welche  ihre  Eigenart  dadurch  ausprägen, 
*i*ss  sie  nur  spärlich  bewachsen  und  mit  regellos  übereinander  gewür- 
felten Felsblöcken  bedeckt  sind. 

Gegen  8  Uhr  abends  langten  wir  in  Moghal  Sarai  an,  setzten  von 
"'er  aus  auf  der  Linie  der  Oudh  and  Hohilkund  Railway.  eine  beiläufig 
'idOm  lange  eiserne  Brücke  passierend,  über  den  Ganges  und  trafen 


■::'^i:--i-.-fZ  it^      :'=Li=iMCär-  —  v.r.  it.  är=- 


-.^f  uT.i  Arerj'jubi; 


Vlitte  des  17.  Jahrhundi^rts  dem  Reiche  der  üroUmoguln  einverleibt, 
t>üOte  sie  ihren  Charakter  als  heilige  Stadt  der  Hindus  vorübe rgeliend, 
namentlich  dadurch  ein,  dass  Aurengzeb,  ebenso  eifrig  als  Bekenner 
des  Islams  wie  als  Verfolger  des  Brahmanismiis,  den  Hindus  zum  Hohne 
alle  Tempel  derselben  zerstört  und  —  zum  Theile  auf  den  Trümmern 
dieser  Tempel  —  dem  Ufer  des  Ganges  entlang  eine  große  Zahl  von 
Moscheen  errichtet  hat.  Nach  dem  Verfalle  der  Moguln herrschaft  zu 
neuer  Kraft  erstarkt,  erbauten  die  Hindus,  die  Moscheen  verdrängend, 
nahezu  anderthalbtausend  neuer  Tempel.  Setzt  uns  auch  deren  Zahl 
und  Bauart  in  Erstaunen,  so  bemerken  wir  an  ihnen  dennoch  eine 
gewisse  Einheitlichkeit  des  Stils,  ein  Umstand,  der  darauf  zurück- 
zuführen ist,  dass  eben  keiner  der  gegenwärtig  in  Benäres  bestehenden 
Hindu-Tempel  weiter  als  ins  17.  Jahrhundert  zurückreicht. 

Die  Sonne  hatte  kaum  die  über  dem  heiligen  Ganges  wehenden 
Morgennebel  zerrissen,  als  wir  uns  schon  am  Ufer  des  Stromes  befanden. 
Hier  mieteten  wir  eine  kleine  Barke  und  ließen  uns  den  Fluss  auf-  und 
niederrudern,  um  eine  Übersicht  über  die  Paläste  und  Tempel  und  das 
Leben  am  Ufer  zu  gewinnen.  Oberhalb  des  Stromufers  erhebt  sich  eine 
Reihe  von  Palästen,  welche  indische  Fürsten,  so  die  Maharadschas  von 
Nepal,  Dschaipur  (Jeypore)  u.  s,  w.  hier  zur  Unterbringung  der  aus 
ihren  Staaten  alljährlich  in  großer  Zahl  herbeiziehenden  Pilger  erbaut 
haben.  Typisch  sind  die  mit  Gallerien  geschmückten  Krönten,  deren 
jede  von  zwei  massiven  Eckthürmchen  flankiert  ist.  Zwischen  diesen 
Paliisten  erheben  sich  allenthalben  Hindu -Tempel,  theils  wohlerhalten, 
thcils  ruinenhaft,  deren  manche  die  wühlende  Thätigkeit  des  Stromes 
zu  Fall  gebracht  hat,  während  andere  aus  der  gleichen  Ursache  in  so 
schiefe  Lage  gerathen  sind,  dass  die  hier  ersichtliche  Abweichung  von 
Jer  Geraden  jene  des  Thurmes  von  Pisa  weit  übertrifft. 

Von  der  fortlaufenden  Reihe  der  Gebäude  führen  überall  große 
steinerne  Freitreppen  (Ghäts)  bis  zum  Wasserspiegel  hinab.  Auf  diesen 
entwickelt  sich  namentlich  des  Morgens  ein  Leben  und  Treiben,  das 
anfangs  auf  den  Beschauer  verblüftend  wirkt  und  jeder  Beschreibung 
i^u  spotten  scheint.  Hier  strömen  alle  Pilger  und  der  größte  Theil  der 
E^inwohner  von  Benäres  zusammen,  um  im  heiligen  Flusse  zu  baden 
"nd  so  Befreiung  von  allen  Sünden  zu  erlangen;  hier  pulsiert  das 
'■-''igiüse  Leben,  Denken,  Empfinden  und  Trachten  der  Hindus;  hier 
Wird  Gewissenhaftigkeit  in  der  Erfüllung  religiöser  Pflichten  zu  crassem 
•■anaiismus.  Indolenz  zur  Begeisterung.  Laien  und  Priester,  Männer 
und  Frauen  jeden  Alters,  Jünglinge,  Mädchen  und  Kinder  drängen  sich 


in  liülien  Scharen  zum  Bade.  Dort  ti\ucln  ein  armer  Greis  mit  schnee- 
weiüen  Haaren,  vur  Kälte  zitternd,  in  die  Fluten;  hier  nimmt  eine 
Anzahl  von  Brahmanen  das  reinigende  Bad;  ein  steinaltes  Oroli- 
mütterchen  naht,  geführt  von  dem  Enkelkinde,  dem  Flusse;  weiterhin 
baden  zahlreiche  junge  Mädchen,  deren  Heiterkeit  im  Glauben  nicht 
erstickt;  zappelnde,  kreischende  Kinder  werden  von  den  Eltern  mil 
Wasser  Übergossen  oder  in  die  schlammige  Brühe  getaucht,  Übcnül 
aber  herrscht  der  größte  Anstand,  auch  im  Wasser  werden  die  lichten 
Leinwandkleider  nicht  abgelegt. 

Der  Morgen  war  sehr  kühl.  —  in  Mäntel  gehüllt  saßen  wir  in 
unserer  Barke  —  doch  hinderte  die  empfindliche  Kälte  die  Glaubeni^- 
starken  nicht  im  geringsten,  ihr  Bad  zu  nehmen  und  längere  Zeit  im 
Wasser  zu  verweilen.  Die  Badenden  trinken  von  dem  eklen  Wasser, 
welchem  dank  Schiwas  Gnade  die  Kraft  innewohnt,  den  sterblichen 
Menschen  von  seinen  Sünden  zu  reinigen,  und  opfern  Blumen  und  Reis 
oder  andere  Erzeugnisse  des  Bodens.  Besonders  feierlich  vollziehen 
die  Brahmanen  die  heilige  Handlung,  indem  sie  der  Sonne  einen  Blick 
zuwerfen,  Gebete  murmeln  und  unter  den  eigenthümlichsten  Ceremonien 
ihre  Opfer  darbringen.  Pilger  nehmen  in  großen  Kupfergefäßen  das 
wunderthätige  Wasser  des  Ganges,  das  auch  in  alle  Theile  des  LanJes 
verschickt  wird,  nach  Hause  mit.  In  ganz  Benäres  sieht  man  Trüger 
dieses  heiligen  Nasses  durch  die  Straßen  eilen. 

Gleich  oberhalb  der  Badestelle  sind  auf  den  Ghäts  über  SMen 
gelagerte  Steinplatten  angebracht,  auf  welchen  Brahmanen  sitzen, 
welche  den  dem  Bade  Entsteigenden  mit  verschiedenfarbigem  SanJel- 
holzmehl  das  Kastenzeichen  auf  Stirn  und  Wangen  malen.  -Auch 
Rasierer  in  voller  Thätigkeit  haben  da  ihr  Lager  aufgeschlagen. 

Die  fürchterlichste  Ausgeburt  religiösen  Paroxismus,  wahre  Zerr- 
bilder der  Menschheit  sind  aber  die  Fakire,  deren  es  in  Benäres  Legionen 
gibt,   .Sie   sitzen    auf  den   Ghäts   oder  auf  im  Flusse   schwimmenden 
Brettern,  größtenthcils  nackt,  mit  Lehm  oder  Asche  beschmiert,  regung^' 
los  da.  Für  ihren  Lebensunterhalt  sorgt  die  Mildthätigkeit  der  Gläubigen- 
Mitten  unter  all  den  Badepliitzen  liegen  die  Verbrennungssläite'^' 
an  welche  täglich  zahlreiche    Hindu-Leichen    überantwortet  werdet- 
F,s  gilt  als  der  Gottheit  besonders  wohlgefällig,  ja  als  Bürgschaft  f^" 
den  Eintritt  in  den  Himmel,  am  Ufer  des  Ganges  zu  Asche  zu  wer*.''^" 
oder  gar  daselbst  das  Zeitliche  zu  segnen,  aus  welchem  Grunde  si*^" 
auch   viele  Sterbende  von  ihren   Verwandten   selbst   aus  weiter  FC"*^^ 
zum  heiligen  Strome  bringen  lassen,  um  angesichts  seiner  rauschen '1'^'^ 


h'luien  den  letzten  Seufzer  zu  thun.  Tritt  der  Tod  des  Sterbenden 
nicht  bald  ein,  so  beschleunigen  wohl  liiiufig  genug  die  zärtlichen  Ver- 
wandten künstlich  sein  Ende,  um  baidmöglichst  wieder  in  die  Heimat 
zurückkehren  zu  können.  In  landesüblicher,  pietätloser  Weise  wird  mit 
den  Leichen  umgegangen,  da  dieselben  vorerst  unter  freiem  Himmel 
rasiert  und  gewaschen,  dann  auf  den  Holzstoß  gelegt  und  rasch 
verbrannt  werden,  wobei  die  Angehörigen  stumm  und  theilnahmslos 
verharren.  Endlich  wirft  man  die  letzten  Überreste  der  Todten  in  den 
Ganges,  knapp  an  den  Stellen,  wo  ungeachtet  der  schwimmenden 
Leichentheile  Menschen  baden  und  das  trübe  Wasser  schlürfen.  Geier, 
Raben  und  Hunde  raufen  gierig  um  manchen  halbverkühlten  Knochen. 
Lange  blickte  ich  in  dieses  Treiben,  als  müsste  ich  mich  ver- 
gewissern, dass  ich  so  Scheußliches  wirklich  schaue  und  nicht  bloß 
träume  —  dann  wandte  ich  mich  mit  Ekel,  ja  mit  Unwillen  von  dem 
grausigen,  der  Menschenwürde  Hohn  sprechenden  Schauspiel  ab. 

Aus  der  Flucht  der  Tempel  und  Paläste  ragt  mit  ihrem  runden 
Kuppelbau  und  den,  zwei  schlanken,  die  ganze  Stadt  überragenden 
Minarets  die  große  Moschee  Aurengzebs  heraus,  welche  der  miichtige 
Eroberer  an  dieser,  den  Hindus  besonders  heiligen  Stelle  hatte  en-ichten 
lassen.  Auf  steilen,  schmutzigen  Steintreppen  stiegen  wir  zum  Vor- 
platze der  Moschee,  wo  uns  ein  Muezzin  mit  Bücklingen  emplieng 
und  demülhig  einlud,  eines  der  Minarets  zu  besteigen.  Von  der  ersten 
Plattform,  dem  Dache  der  Moschee,  strichen,  durch  unser  Erscheinen 
erschreckt.  Schwärme  von  Papageien  und  Tauben  ab.  Der  weitere 
Aufstieg  ist  schwierig,  da  man  sich  auf  einer  engen,  mit  unverhältnis- 
mäßig hohen  Stufen  versehenen  Schneckenstiege  emporvvinden  muss, 
Joch  entschädigt  für  diese  Mühe  die  weite,  lohnende  Aussicht  über 
die  ganze  Stadt  und  den  heiligen  Fluss.  Die  zahlreichen  Kuppeln  der 
Tempel  erglänzen  im  Sonnenscheine;  ein  Häusermeer  liegt  zu  unseren 
PüBen;  majestätisch  rauscht  der  mächtige  Strom  dahin,  als  verachte  er 
das  wahnsinnige  Getriebe  dieser,  Marionetten  gleich  von  einer  dunklen 
Xiachl  bewegten  Menschen. 

Eine  Wanderung  mitten  durch  die  betende  Menge  führte  uns 
v-arbei  an  heiligen  Kühen,  Eseln,  Ziegen,  Schafen  und  Hunden;  alle 
diese  Thiere  lungern  in  der  drängenden  Menschenmenge  umher  ^- 
Türwahr  eine  drastische  Staffage  des  sinnverwirrenden  Bildes!  Eine 
5»roße  Zahl  angekröpfter  Geier  und  Milane  sitzt  auf  den  Dächern  oder, 
s»,lle  Abfälle  vom  Boden  auflesend,  zwischen  den  Fußgängern.  Ziegen 
xinJi  .Schafe  dringen  in  die  Tempel  und  Tcmpelchcn  ein  und  fressen 


viim  Schöße  der  Götterbilder  die  diesen  geopferten  Blumen  und  Kränze. 
Wir  gelangen  zu  einer  Stelle,  an  der  ein  im  Rufe  besonderer  Heilig- 
keit stehender  Kakir,  unaufhörlich  Gebete  murmelnd,  schon  viele  Jahre 
lang  auf  demselben  Flecke  sitzt  und  von  Andächtigen  mit  Opfergaben 
beschenkt  wird.  Fanatiker,  welche  die  Würde  eines  Fakirs  anstreben. 
bemühen  sich,  den  ersten  Grad  der  Abtödtung  dadurch  zu  erreichen, 
dass  sie  den  Athem  so  lange  einhalten,  bis  sie,  grün  und  gelb  geworden, 
beinahe  ersticken.  Alltäglich  wird  diese  Übung  wiederholt  und  fon- 
gesetzt,  bis  jener  Grad  von  Vollkommenheit  erreicht  ist,  der  dem 
ersehnten  Ziele  zuführt. 

ICine  (."isterne,  der  hochheilige  Manikarnikä- Brunnen,  12  m  im 
Quadrat  messend,  mit  Stufen,  die  zum  Wasser  niederführen,  —  angeblich 
nach  dem  V'nrbilde  eines  mythischen  Teiches  im  Himälaya  gestallel 
ist  eine  Stätte  besonderer  \'erehrung  für  die  Gläubigen;  für  uns 
eine  solche  des  Greuels.  Hier  baden  die  Gläubigen,  bevor  sie  in  den 
Giuiges  tauchen  -  besser  gesagt,  sie  suhlen  sich  in  der  Jauche  und 
schlürfen  von  der  aus  faulenden  Blumen,  vieljährigem  Schmutz  unJ 
übelriechendem  Wasser  bestehenden  Flüssigkeit. 

Uber  steile  Troppen,  eine  schmale  Straße  entlang,  wanderten  «ir 
dem  Haupitempel  Schiwas  »Bischeschwar«  —  der  »Goldene  Tempel- 
genannt  zu.  Das  rnglaubliche  ist  Ereignis  geworden;  denn  in  den 
SinilJen  und  vorzüglich  in  den  Tempeln  ist  das  Treiben  der  pilgernden 
."Scharen  noch  toller  als  am  l'lusse.  Die  Straßen  selbst  bestehen  eigent- 
lich nur  aus  ununterbrochenen  Keihen  von  Tempeln  mit  schöner  und 
urigineller  Architektur,  die  von  hoch  entwickeltem  Kunst-  und  Schon* 
heitssinne   zeuj;t.  Tempel  und  Bilder  des  Klephanten-Gottes  Ganescha, 


Tempels  das  seiner  Obhut  unvertrautc  Bildnis  Wischnus  hin  abgeworfen 
haben  soll.  Heutzutage  birgt  dieser  Brunnen  nur  faulendes  Wasser. 
k'on  welchem  gegen  entsprechenden  Bakschisch  für  den  Brahmanen 
ieder  Pilger  einen  LölTel  voll  erhält. 

Der    Goldene    Tempel,    über    den    wir    von    einem    gegenüber- 
liegenden Balkone  einen  guten  Überblick  genossen,  ist  vor  ungefähr 
300  Jahren  ganz  aus  rothem  Sandstein  erbaut  und  die  Vergoldung  des 
kegelförmigen  Daches  auf  Kosten  Maharadscha  Randschit  Singhs  von 
Labore  ausgeführt  worden.  Dieser  Schmuck  hat  dem  Tempel  den  Bei- 
namen des  -Goldenen«  verliehen.  Innerhalb  imd  außerhalb  desselben, 
eines  wahren  I'andämoniums  religiö.ser  Exstase,  treibt  das  Leben  der 
Pilger  die  höchsten  Wogen,  Vollständiger  Schiffbruch  der  menschlichen 
Vernunft  zeigt  sich,  wenn  man  hier  einen  Blick  auf  das  Gebaren  der 
Gläubigen  wirft.  Obwohl  sonst  der  Eintritt  für  Andersgläubige  streng- 
stens verboten  ist,  drangen  wir  doch,  geleitet  von  einem  reichlich  mit 
Bakschisch   versehenen  Brahmanen,   soweit  ein,   als    es  die  drohende 
Haltung  der  Pilger  nur  immer   gestattete   Was  ich  gesehen,   genügte, 
um  mir  ein  getreues  Bild  von  dem  Innern  des  größten  und  heiligsten 
Tempels  der  Hindus,  von  der  Nacht  des  Irrwahnes  zu  machen,  welche 
jene  umtangt.  Das  Hauplidol,  in  herrlicher,  reicher  Umfassung,  ist  das 
Sinnbild  schaffender  Kraft,  ein  Lingam,  umtanzt  von  einer  fanatischen 
Menge  von  Bettlern,  Weibern  und  Männern,  welche  das  Symbol  rastlos 
bekränzen,  bespritzen  und  salben.  Dazwischen  tönen  Glocken,  an  welche 
Jie  Gläubigen  schlagen,  watend  zwischen  zertretenen  Blumen,  Ganges- 
wasser und  Excrementen   heiliger  Kühe.    Um    das  Haiiptidol   ist   ein 
förmliches   Museum  anderer  Bildnisse  und   Götteridole  gereiht,   deren 
jedes  seine  Anbeter  hat.  die  schreiend  und  lärmend  ihre  Andacht  ver- 
richten. Obgleich  mir  nur  ein  Aufenthalt  von  wenigen  Minuten  in  diesem 
Heiligihunie  gegönnt  war,  fühlte  ich  mich  doch  durch  das  plötzliche 
f^instürmen  so  ungeahnter  Eindrücke  wie  von  Schwindel  erfasst;  ins 
!■  reie  gelangt,  athmete  ich  tief  auf.  Die  Umgebung  des  Tempels  ist  von 
einer  Unzahl  bejammernswerter,  ekelhafter,  verkrüppelter,  mit  Aussatz 
'•ehafteter   Bettler   und    Bettlerinnen   belagert,  welche   das   öffentliche 
Mitleid  anrufen. 

Noch  grauenhafter,  wenn  möglich,  ist  der  in  der  Nähe  liegende 
lempel.Annapurnas,  der  »nahrungspendenden«  Göttin.  Ringsum  stehen 
Kühe,  welche  von  den  Gläubigen  als  so  heilig  betrachtet  werden, 
iass  diese,  um  sich  von  allen  Sünden  zu  reinigen,  ein  Gemisch  sämmt- 
'icher Provenienzen  derTempelkühe  schlucken.  Wohl  der  entsetzlichste 


Aufbruch  liL-hcrtiaftcn  Glauhcnswahncs!  Welch  schreiendtn',  sehnt 
Hoher  VViilerspruch  —  auch  hier  schöne  Architektur,  das  Zeugnis 
blühcmlen  menschlichen  Geiste!*,  als  Umrahmung  von  Schmutz,  ünraJh. 
Wahnsinn.  In  der  Mille  des  Tempels,  auf  einer  Art  Postament,  befinJ« 
sich  ein  fQrsorglich  vorbereitetes,  sogar  mit  Moskitonetzen  umgebenem 
Bett,  welches,  dem  Glauben  der  Hindus  nach,  allnächtlich  von  Wischnu^ 
Gcmalin,  der  Göttin  Lakschmi,  aufgesucht  wird,  um  hier  der  Ruhe  zu 
pllegen. 

Ich  wandte  mich  nun  dem  Bazar  zu  und  besah  unterwegs  noch 
die  architektonisch  reizend  geschmückten  Fronten  einiger  Häuser  und 
mehrerer  anscheinend  selten  besuchter  Tempel. 

Wir  wandern,  ntt  genug  durch  die  drängende  Menge  im  Fort- 
schreiten behindert,  an  lebendig  gewordenen  Höltenbrneghels  vorüber. 
Hier  nahl  eine  Schar  Pilger,  triefend  vom  Bade;  dort  bekränzen  Krauen 
ein  Schiwa-Symbol,  den  Gott  um  zahlreichen  Kindersegen  billenJi 
Fakire  in  den  schcuülrchsten  Krscheinungen  und  aussätzige  Bettler 
schreien  um  Almosen;  Megären  unterrichten  auf  der  Straße  Kinder  in 
den  Mysterien  der  Hindu-HeÜgion;  Brahmanen  heischen  von  Pilgern 
Bakschisch;  vornehme  liadschas  ziehen  in  feierlichem  .Aufzuge,  gefolgt 
von  einem  Trosse  bunter  iJiener  und  Musikanten,  an  den  Ganges; 
Leichen  auf  Leichen,  bloß  mit  leichten  Tüchern  bedeckt,  werden  vorbei- 
getragen —  ein  unaufhörlicher  Wechsel  von  Scenen  und  Bildern,  >iie 
nur  der  Orient  in  seiner  üppigen  und  wüsten  Gestaltungskraft  her\'or- 
zubringen  vermag.  Widerwillen,  ja  Abscheu  fasstcn  mich  an  und 
erdrückt,  überwältigt  von  dem  Gesehenen  eilte  ich  nach  Hause,  ur" 
ermüdet  auszuruhen. 

Neu  gestärkt  stattete  ich  nachmittags  dem  AflTen-Tempel  meine» 
Besuch  ab.  Dieser  Tempel  ist  dem  Gölte  Hanuman  gewidmet  u*^' 
beherbergt  in  seinen  KAumen  eine  Unzuh!  Aften,  die  lustig  im  Inn^*' 
des  Gebäudes  auf  dessen  Säulen  und  Capitälcn  umherspringen,  '^'*-' 
den  Gläubigen  mit  SüUigkeiten  und  Früchten  gefüttert.  Noch  vor  kur^* 
Zeit  gab  es  hier  Tausende  heiliger  Affen;  doch  wurden  diese  durch  i*'* 
Streiche  endlich  »olbst  den  gläubigen  Hindus  zu  arg,  da  sie  in  *-* 
ganzen  Nachbarschaft  furchtbare  Verheerungen  anrichteten  und  K^ 
Gegenstand  vor  ihrer  Raublust  sicher  war.  Man  half  sich  nun  dadur*^ 
dass  man  über  tausend  AtTun  cinfieng.  die  ganze  Gesellschaft  in  *^ 
Coupes  eines  Fxlrazuges  sotute  und  weit  ins  Uuid  führte,  um  sie  ' 
einem  Dschungel  wiedur  auHEuhissen.  Su  waren  die  praktischen  Gl^' 
bigen  die  QuälgvistucJu^  geworden,  ohne  sich  gegen  deren  Heiligk^' 


A 


^^*ersündigt  zu  haben.  In  der  Mitte  des  Tempeis  steht  eine  \erKoliJele 
Figur  des  Gottes  Hanuman,  die,  von  Gläubigen  und  Affen  eifriy  heim- 
gesucht, natürlich  des  üblichen  Schmutzes  nicht  entbehrt. 

Hier  producierten  zwei  Schlangenbändiger  ihre  Künste  mit  einer 
Anzahl  Cobra-  und  Python-Schlangen.  Dieses  Schajispiel  wiederholte 
sich  nach  unserer  Rückkehr  in  das  Palais,  indem  uns  ein  Taschen- 
spieler unter  anderem  auch  einen  interessanten  Kampf  zwischen  einer 
großen  Schlange  und  einem  kleinen  iltisartigen  Thierc,  dem  sogenannten 
Mungo,  —  einer  .Art  Manguste  —  vorführte.  Letzterer  blieb  Sieger;  er 
halte  sich  äußerst  geschickt  gleich  auf  den  Kopf  der  Schlange  geworfen 
und  biss  endlich  dem  Reptil,  obgleich  dieses  seinem  Gegner  arg  zusetzte 
und  ihn  fest  umschlang,  den  Kopf  durch.  Es  verdient  bemerkt  zu  werden, 
dass  die  Gaukler  und  Taschenspieler  in  ganz  Indien  eine  hervorragende 
Rolle  spielen   und  sich  vortheilhaft  dadurch    von   ihren   europäischen 

^V^Collcgen  unterscheiden,  dass  sie  die  frappierendslen  Kunststücke  ohne 

^^B  lUe  Vorbereitungen  zum  besten  geben. 

^P  Recht  bitter  enttäuschten  uns  die  Tänzerinnen,  welche  sich  nach 

B        dem  Diner  im  Palais  producierten.  Sie  selbst  waren  jeder  Schönheit  bar, 

K         ihre  Tänze  äußerst  langweilig,    so   dass   wir  bald  in  recht  schläfrige 

I        Stimmung  geriethen, 


.  Fcbri 


Vormittags  wanderte  ich  noch  einmal  durch  die  Straßen,  die 
renipel  und  den  P"luss  entlang  —  dieselben  Bilder,  die  gleiche  Wirkung. 
Gegen  Mitlag  kam  der  Maharadscha  von  Benäres,  Brabhn  Narain 
Singh  Bahädur.  mich  zu  begrüßen.  So  prachtvoll  der  gute  Mann  auch 
"i't  den  kostbarsten  Steinen  behängt  war,  so  wenig  fürstlich  war  sein 
■^urzug;  die  Staatscarosse,  vor  allem  aber  seine  Leibwache,  die  auf 
^'■•Hkommen  ausrangierten  Pferden  saß  und  theilweise  alte  englische 
'-"< formen  trug,  sahen  recht  kläglich  aus.  Er  ist  ein  freundlicher, 
heiterer  Herr  und  anscheinend  ein  passionierter  Jäger,  da  er  sich  von 
^cint-m  Express  rifle  niemals  trennt  und  es  von  einem  Diener  sogar  bei 
*llen  Besuchen,  allen  festlichen  Gelegenheiten  nachtragen  lässt.  Auf 
'^ein  Befragen  theilte  er  mir  mit,  dass  er  in  seinem  Staate  bereits 
^  Tiger  erlegt  habe,  Dass  uns  ein  Photograph  vor  dem  Palaste  in  einer 
Gruppe  aufnahm,  braucht  kaum  ausdrücklich  erwähnt  zu  werden. 

Den  Gegenbesuch,  zu  welchem  der  Mahäräd.scha  noch  schönere 
diamanten  angelegt  hatte,  stattete  ich  demselben  in  einem  anderen  seiner 
PalÄsle  ab.  der  sich  aber  in  einem  etwas  wüsten  und  vernachlässigten 


^UkUndc  befand  und  nur  eine  Gallerie  der  gekrOoten  Häupler  Eurof  iiä. 
ftCheuÖliche  Lithographien,  enthielt,  u-elche  den  Hauptscbmuck  des 
Auditnz^ÄBiitt,  biUcten,  in  dem  ich  mich  mit  dem  &Iahirädscha  lui 
dnifie  Minuten  auf  einer  Art  Thron  niederlieB.  Nachdem  wir  un^^ere 
Photographien  getauscht  hatten,  schenkte  mir  der  Fürst  eine  Schnitzerei 
au»  Elfenbein,  deren  Kunstwert  er  sehr  hoch  hielt.  Endlich  giengs 
In  Begleitung  des  Jklahäräd-schas  zum  Bahnhofe,  von  wo  uns  der  Zug 
Hilf  der  Linie  der  Ea»t  Indian  Kailway  über  AUahabad  und  Kahnpur 
niich  Agra  bringen  sollte. 


Agra— Bhartpur. 


Agra,  12.  Fubruar. 


■  Die  Bahn  überschreitet  auf  einer  großen  Gitterbrücke  den  heiligen 

■  Dschamna-Strom  und  mündet  in  der  sogenannten  Fort  Station.  Schon 

■  i'om  Bahnhofe  aus  sieht  man  nach  Osten  hin  im  Rückbhclte  gegen  den 

■  JJiiChamna-Strom  die  Umrisse  des  weitläufigen  Forts,  schlanke  Thürme 
W        untl  Minarets. 

In  halbstündiger  Wagenfahrt  Agra  durchquerend,  um  zu  unserem 
Absieigequartier,  dem  uns  vom  Maharadscha  von  Dschaipur  zur  Ver- 
^e'Ving  gestellten  Palaste,  zu  gelangen,  fragten  wir  uns  wiederholt, 
i\'<>  denn  eigentlich  die  Stadt  sei.  Etwa  28  km'  Flache  in  den  Wällen 
^•rj^chließend  und  im  ganzen  etwa  165.000  Einwohner  zählend,  bietet 
■^'^^  Allstadt  Agra,  einst  die  Heichshaupt-  und  Residenzstadt  der  Groß- 
"^^"^^uln,  und  auch  heule  noch  nach  Dehli  die  größte  Stadt  des 
"'^^ren  Gangesbeckens,  einen  sonderbaren  Anblick.  Zahllose,  einzeln 
^'^*ncnde  Gebäude  wechseln  hier  mit  kleinen  Häusercomplexen,  dann 
^^^^dermit  großen  Schutthaufen  und  Ruinen,  mit  Gärten,  Feldern  und 
^^5*'^-* 'S  gedehnten  Heideflächen  ab. 

^^k  Der  Grund   dieses   seltsamen   Stadtbildes  liegt  einestheils  darin, 

Hp^-S'SAgra,  dessen  Geschichte  und  Bedeutung  nicht  weiter  zurückreicht 

^■«ti    nur  die  Großmoguln  Baber  (1494  bis   1530)  und  Akbar  {1556  bis 

**05),  den  ursprünglichen  Plänen  seiner  Erbauer  gemäß,  eine  räumlich 

^"*=il  ausgedehntere  Anlage  darstellen  sollte,   als  es  der  Lauf  seiner 


L 


baulichen  Entwicklung  gefugt  hat;  andererseits  darin,  dass  ein  beJeu- 
tender  Tiieil  der  Stadt  ganz  verfallen  ist.  So  ist  es  gekommen,  dass 
Agra,  mit  Ausnahme  der  aus  ancinanderschließenden  Häusergruppen 
gebildeten  Hauptstraße  und  des  Bazars,  nur  vereinzelt  stehenJu, 
über  die  ganze  Fläche  hin  zerstreute  und  vertheüte  Gebäude  aufzu- 
weisen hat. 

Der  Palast,  den  wir  bewohnen,  hegt  in  einem  ganz  verwilderten 
Park,  in  dem  es  von  Pfauen  und  Papageien  wimmelt,  da  diese  den  Park 
mit  ihrer  Farbenpracht,  leider  aber  auch  mit  ihrem  Geschrei  erfüllenJen 
Thiere  hier  auf  Befehl  des  Maharadschas  tagtäglich  gefüttert  werden. 
Von  außen  betrachtet  unscheinbar,  erscheint  der  Palast  an  seiner  Innen- 
seite dadurch  bemerkenswert,  dass  keiner  der  vielen,  in  demselben 
enthaltenen  Räume  auch  nur  ein  einziges  Fenster  besitzt,  sondern  alle 
Wohnräume  lediglich  durch  Oberlicht  spärlich  beleuchtet  werden. 
Während  der  heißen  Jahreszeit  mag  diese  Einrichtung,  da  sie  die 
Gemächer  verhältnismüßig  kühl  erhält,  recht  praktisch  sein;  zu  der 
gegenwärtigen  Zeit  jedoch  und  obendrein  bei  der  für  Indien  abnorm 
tiefen  Temperatur  des  Winters  1893  fror  es  uns  in  den  ganz  unwohii- 
lichen,  an  Gefängniszellen  mahnenden  Räumen  des  Palastes  jämmerlich. 

Diese  Verhältnisse,  welche  mich  wohl  berechtigen  dürften,  meinem 
Absteigequartier  zu  Agra  den  Namen  des  ■»ungemüthlichen  Palastes- 
beizulegen,  bestimmten  uns,  schleunigst  zu  der  programmäßigen  Rund- 
fahrt durch  das  Sehenswürdigkeiten  aller  Art  einschließende  Gebiet 
von  Agra  aufzubrechen.  Zunächst  begaben  wir  uns  nach  Sikandra,  zu 
dem  Grabmate  Akbars,  welches  sich  im  Nordwesten  von  Agra  erhebt. 

Diese  Fahrt  gewährte  mir  einen  Überblick  über  die  Lage  und 
Gestaltung  der  Stadt.  An  dem  rechten,  dem  Westufer  der  Dschamna, 
dieses  wasserreichen,  fruchtbare  Alluvien  bildenden  Stromes  gelegen, 
gliedert  sich  Agra  heute  in  folgende  Theile:  die  Altstadt,  unter  Akbar 
doppelt  so  stark  bevölkert  als  jetzt  und  heute  nur  mehr  wenige  Merk- 
würdigkeiten aus  jener  Zeit  bewahrend,  als  Agra  (1568  bis  1658) 
Residenz  der  Großmoguln  von  Hindustan  gewesen;  die  fast  ganz  ver- 
fallenen Vorstädte;  die  englische  I.agerstadt  im  Süden;  die  Civil  lines 
mit  dem  Gerichlsgebäude,  den  .Ämtern,  dem  Government  College  und 
dem  Centralgefängnis  im  Norden;  endlich  knapp  am  Südoslende  der 
Altstadt  und  nächst  dem  Bahnhofe,  das  von  Akbar  erbaute  Fort. 

Die  Geschichte  Agras  ist  in  eine  für  Indien,  das  Land  der  tausend- 
jährigen Reiche,  verhältnismäßig  kurze  Epoche  zusammengedrängt  Im 
Jahre  1527  liel  .^gra,  bis  dahin  eine  der  Residenzen  des  mohammeda- 


^BSchen  Hauses  Lodi,  in  die  Hände  Zeliir  ed  din  Mohammeds,  genant^ 
Baber  (der  Tiger),  des  ersten  Großmoguls  in  Indien.  Baber  ist  der 
Begründer  jener  von  Timur  Leng  (Tamerlan)  und  Dschengis  Khan 
stammenden  Dynastie  —  mongolischer  Abkunft,  jedoch  mohammeda- 
nischer Religion  —  gewesen,  welche,  das  Schwert  in  der  Hand,  an 
der  Spitze  furchtbarer  Reiterscharen  die  Fürsten  Indiens  ihrer  Macht 
unterworfen  und  hier  das  Reich  der  Großmoguln  errichtet  hat,  welches 
unter  Baber,  Akbar,  Aurengzeb  zu  hoher  Macht  gelangt,  endlich  an  die 
Engländer  gefallen  ist.  Seit  dieser  Zeit  als  Titularkönige  Pensionäre 
Englands,  doch  stets  zu  Intriguen  und  Aufständen  wider  die  sich  rasch 
und  kräftig  entwickelnde  britische  Suprematie  bereit,  haben  die  Groß- 
moguln, wenn  auch  factisch  der  Macht,  so  doch  nicht  allen  Einflusses 
beraubt,  ein  unstetes  Leben  verbracht.  Der  Tod  Schah  Bahädurs  (1862), 
des  letzten  »Kaisers«,  eines  achtzigjährigen  Greises,  und  die  Hin- 
richtung fast  aller  seiner  Nachkommen  nach  der  Eroberung  von  Dehli 
durch  die  Engländer  (!8ä7)  hat  die  Dynastie  der  indischen  Timuriden 
rasch  ins  Reich  der  Vergessenheit  geführt. 

Die  Glanzperiode  der  Moguln  begreift  die  Regierungen  Babers, 
.^kbars,  Dschehangirs,  Schah  Dschehans  und  Aurengzebs.  Unter  diesen 
Fürsten  hat  sowohl  die  Pracht  des  Hofes,  zu  dem  Gesandte,  Gelehrte, 
Künstler,  Priester  aus  aller  Herren  Ländern  strömten,  als  auch  der 
Umfang  des  Reiches  der  Großmoguln  und  ihr  Machtgebot  den  Gipfel- 
punkt erreicht.  Die  Epoche  des  V'erfalles  ist  durch  eine  Reihe  von 
Momenten  charakterisiert:  einerseits  das  Anwachsen  der  britischen 
Macht  und  die  Occupation  des  Staatsgebietes  der  Moguln  durch  die 
Engländer;  andererseits  Eingrifte  der  benachbarten  Fürsten  in  die 
Machtsphäre  der  rasch  von  ihrer  Höhe  herabsinkenden  Timuriden; 
Intriguen  politischer  Natur;  übertriebener  Luxus,  sinnlose  Verschwen- 
dung und  dadurch  hervorgerufene  finanzielle  Calamitäten;  Hofcabalen, 
Verschwörungen  und  dunkle  Thaten,  in  denen  Gift  und  Dolch  ihre 
"heuchlerische  Rolle  spielten.  Alle  diese  und  noch  andere  Momente, 
»i'elche  nicht  nur  das  Schwinden  äußerer  Macht  darthun,  sondern 
auch  von  der  inneren  Decadenz  des  einst  so  gewaltigen  Timuriden- 
*^'esch!echtes  zeugen,  haben  schließlich  zum  Sturze  des  Moguln- 
reiches, ja  zum  politischen  Eriöschen  seiner  Dynastie  geführt. 

Doch  ich  kehre  zu  Agra  selbst  und  zu  den  Resten  seines  Glanzes 
7.urOck.  Die  Altstadt  bot  uns  während  der  Fahrt  wenig  Beachtens- 
wertes, immerhin  erweckten  einige  Moscheen  und  Tempel,  sowie  das 
tj^triebe  der  Einwohnerschaft   unsere  Aufmerksamkeit.    Als  wir   den 


Thorbogen  und  die  Bastion  der  alten  Dehli-Pforte  passiert  halten  unJ 
der  alten,  mit  Meilenzeigern  (Kos  minar)  besetzten  -Moguüschen  Kaiser- 
straße« nach  Labore  und  Kaschmir  in  der  Richtung  gegen  Sikandra 
fplgten,  wurden  zu  beiden  Seilen  zahlreiche  Grabmonumenle  und  soge- 
nannte Baoli  {Quellstuben  mit  zierlich  gebauten  Ruheplätzen)  sichtbar. 
Auch  muss  ich  einer  mit  Fresken  bedeckten,  vielleicht  modernen 
Umfassungsmauer  gedenken,  deren  Wandschmuck  Aufzüge,  Kämpfe 
und  Jagden  darstellt,  in  welchen  Elephanten  eine  große  Rolle  zugedacht 
erscheint. 

Alles  dieses  tritt  aber  zurück  vor  dem  Ziel  unserer  Fahrt,  dem 
Grabmale,  das  Akbars  Asche  birgt.  Dieses  imposante  Mausoleum  isi 
von  einem  weitläufigen,  im  Quadrat  gebauten  Karawan  serai  umgeben. 
An  der  Außenseite  lediglich  einer  Festungsmauer  gleichend,  die  vnn 
vier  Riesenthoren  und  von  mehreren  ihrer  Spitze  beraubten  Minarels 
unterbrochen  ist,  diente  das  Karawan  serai,  wie  schon  der  auch  uns 
geläufige  Name  sagt,  zum  Obdache  für  Pilger  und  Reisende.  Die  Thore 
gewähren  Einlass  in  den  von  den  Mauern  umschlossenen  Innen- 
raum, einen  wohlgepflegten,  mit  Palmen,  Mango-  und  Bananenbäumen 
bepflanzten  Garten,  in  dessen  Mitte  sich  das  Mausoleum  erhebt.  Fesselt 
uns  schon  der  Anblick  der  Thore,  hoher,  elegant  profilierter  Bauwerke 
mit  zahlreichen  Nischen  und  Thürmchen,  sowie  die  musivische  Arbeit 
ihrer  Steinfa9aden,  so  fasst  uns  geradezu  Erstaunen  und  Bewunde- 
rung, sobald  wir  durch  eines  der  Thore  in  den  Innenraum  geschritten 
sind  und  den  langen,  geradlinigen,  von  großen  Wasserbassins  ui 
brochenen,  mit  Steinplatten  belegten  Weg  hinter  uns  haben. 

Da  ragt  vor  uns  das  Grabmal  Akbars  auf;  ein  Bild  erhab« 
Größe,  hehr  und  ruhig,  trotz  all  der  Säulen,  Hallen,  Vorbaue,  Kioske 
und  künstlich  gefügten  Faijaden,  welche  den  stolzen  Bau  verschwen- 
derisch schmücken,  ohne  dass  die  Zier  sein  Wesen  stört.  Von  der  als 
Basis  dienenden,  aus  weißen  Steinen  gefügten  Plattform  streben  als 
Stufenpyrnmide  fünf  Stockwerke  auf,  deren  Plattengestalt  vermöge  des 
Ircppenförmigen  Aufbaues  des  ganzen  Bauwerkes  auf  jedem  der 
Absätze  Terrassen  freiiässt.  Um  jede  der  Terrassen  nun,  mit  Ausnahme 
jener,  welche  als  quadratische  Fläche  das  Gebäude  oben  abschließt, 
läuft  eine  gewölbte,  offene,  von  cannelierten  Säulen  und  Kielbogen 
getragene  Galleric,  welche  in  regelmäßigen  Abständen  erkerartige,  vier- 
eckige Vorbaue  bildet.  Jeder  der  Vorbaue  ist  von  einem  baldachin- 
nrtigcn  Kiosk  mit  quadratischer  Grunddäche  überhöht,  dessen  platte 
Kuppel  und  weit  vorspringendes  Dach  auf  Kielbogen  und  Säulen  mit 


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indo-korinlhischen  Capitälen  ruhen.  Auslacientie  GelUndur  uini  allerlei 
ornamentaler  Schmuck  gestalten  die  Fmlilieruny  der  Vorbaue  noch 
reicher. 

Der  Zauber  der  Farben,  —  die  vier  unteren  Stockwerke  bestehen 
aus  rothem  Sandstein,  all  ihre  Gallerien,  Kioske  und  Geländer  aber  und 
das  ganze  oberste  Stockwerk  aus  köstlichem  schneeweißen  Marmor 
—  das  phantastische  Spiel  der  Ornamente,  die  zierliche  Grazie  der 
Dtfcoralion,  die  herrliche  Steinarheit  der  spitzenartig  durchbrochenen 
Geländer:  alles  dies  bildet  mit  seinem  intimen  Reiz  einen  überaus  fein 
empfundenen  Gegensatz  zu  den  grandiosen  Dimensionen  und  zu  dem 
im  ganzen  strengen,  fast  antikisierenden  Lineament  des  pyramidal 
aufstrebenden  Mausoleums. 

Wie  nach  den  ersten  Augenblicken  des  Entzückens  die  Prosa  des 
Lebens  wieder  in  ihre  Rechte  zu  treten  weiß,  so  frug  auch  ich,  noch 
angesichts  des  herrlichen  Grabdenkmales,  das  Dschehangir,  der  Sohn 
Akbnrs  seinem  Vater  errichtet  hat,  nach  dem  Wie  und  Woher  des 
Baumateriales.  Der  bei  Fatehpur  Sikri  nächst  Agra  vorkommende 
Sandstein  —und  dieser  hat  bei  dem  Mausoleum  Verwendung  gefunden  — 
unterscheidet  sich  von  seinen  europäischen  Verwandten  durch  seine 
auffüllende  Härte,  welche  es  zulässt,  dass  aus  dünnen  Platten  die  feinst 
durchbrochenen  Gitter  geschnitten  werden  können.  Er  ist  roth,  gelb 
gesprenkelt  oder  von  gelben  Adern  durchzogen.  Der  glänzend  weiße, 
iuQerst  widerstandsfähige  Marmor  des  Grabdenkmals  stammt  aus 
Mnkräna  bei  Dschaipur. 

Was  die  Dimensionen  des  Gebäudes  anbelangt,  so  misst  seine 
Höhe  33  m,  die  Länge  jeder  der  vier  Fronten  an  ihrer  Basis  100  ni. 
InderMitle  des  Gebäudes  liegt  in  einem  unterirdischen,  mittels  einer 
schitfen  Ebene  zugänglichen  Räume  Akbars  Sarkophag,  aus  weißem 
Marmor  gefügt  und  mit  arabischen  Inschriften  bedeckt.  Hier  ist  Akbars 
■^sche  beigesetzt,  während  im  obersten  Stockwerke  des  Mausoleums 
nach  asiatischer  Sitte  ein  iCenotaph,  ein  leeres  Facsimile  des  in  der 
'"■nifi  befindlichen  Sarkophags,  steht.  Vor  Akbars  Kenotaph  erblicken 
^ii"  ein  kleines  Postament,  welches  dereinst  den  sagenumwobenen 
Kuh-i-nnr,  »Berg  des  Lichtes«,  getragen  hatte,  einen  der  größten 
^iHmanien  der  Welt,  der  drei  Jahrhunderte  lang  von  einem  indischen 
^cfiaizhause  zum  anderen,  von  dem  Grabe  Akbars  in  die  Hand  Nadir 
=chühs,  des  despotischen  Usurpators,  und  schließlich  in  jene  der 
"slindischen  Compagnie  gewandert  ist,  bis  er  im  Jahre  ISöÜ  dem 
Irilischcn  Kronschatz  einverleibt  wurde. 


M 


Im  Erdgeschosse  sind  vier  mohammedanische  Frauen  Akbiirs 
in  prachtvollen,  reich  geschnitzten  und  eingelegten  Sarkophagen  bei- 
gesetzt, deren  jeder  in  einer  eigenen  Halle  steht,  welche  mit  Marmot- 
mosaik  und  arabischen  Inschriften  bedeckt  ist. 

Jede  der  vorerwähnten  Terrassen  an  der  Außenseite  des  Mauso 
leums,  die  man  auf  einer  kleinen  Stiege  betreten  kann,  bietet  etwa 
Charakteristisches;  am  schönsten  und  geradezu  verblüffend  ist  di 
oberste  marmorne  Terrasse,  indem  dieselbe  von  einer  aus  Marmorplatte 
gemeiflellen,  ein  arabeskenartiges  Clitter  darstellenden  Geländerwan 
umgeben  ist.  Dieses  (Ütter  zeigt  in  jedem  einzelnen  Stücke  eine  andei 
Zeichnung  von  seltener  Zartheit.  Mit  Ausnahme  des  rothen  Sandsteine 
der  unteren  Stockwerke  ist  alles  blinkender  Marmor:  das  Gitter,  d« 
Kußboden,  die  Gallerien,  die  Kioske  und  die  Sarkophage, 

Entzückt  von  dieser  Stätte  der  Erinnerung  an  die  alte  Pracht  un 
Herrlichkeit  der  Grolimoguln,  verließ  ich  das  Mausoleum,  um  in  de 
Hazar  von  Agra  zu  fahren  und  daselbst  meiner  Gepflogenheit  gemä 
.  nach  Acquisitionen  für  meine  ethnographische  Sammlung  zu  fahndei 

^m  Die  Straße,  welche  den  Bazar  bildet,  ist  eng.  mit  großen  Steinplatte 

^H  gepflastert  und  zeichnet  sich  durch  die  reizenden  Fronten  der  Häi 

^H  aus;  beinahe  an  jedem  Gebäude  befinden  sich  jene  kunstvoll  geschnil 

^H  tenen  Geländer,  Gitter  und  Säulen,  welche  charakteristische  Merkm 

^B  von  Agra  bilden.   In  dem  reichen  und  belebten  Bazar  fand  ich  nad 

^M  langem  Handeln  manch  Bemerkenswertes,  das  wohlverpackt  in  meir 

^M  Heimat  wandern  soll. 

^1  Du  inzwischen   der    englische   Commissioner   gekommen    v 

^H  unternahmen  wir  nachmittags  die  Besichtigung    des  Forts  und 

^P  Tadsch  Mahal.  Leider  halte  sich  das  Wetter  völlig  getrübt.  Es  gierj 

^1  starker  Regen  nieder,  welcher  uns  der  Freude  beraubte,  diese  beide 

^1  herrlichen  Bauten  bei  Sonnenlicht  zu  sehen. 

^1  Das  Fort  ist  der  befestigte  Palast  der  Moguln  und  wurde  zu  KnJ 

^1  des  10.  Jahrhunderts  und  im  Laufe  des  17.  Jahrhunderts,  zum  grÖßtJ 

^1  Thcil  von  Schah  Dschehan,  dem  Sohne  Dschehangirs,  erbaut. 

^1  außerordentlich  starke,  aus  riesigen  Sandsteinquadern  gefügte,  crerj 

^M  lierto  Mauer  mit  vielen  runden  Eckthürmen  umgibt  das  P'ort.    Rin 

^H  um  dasselbe  lauft  ein  breiter,  mit  Wasser  gefüllter  Wallgraben.  I 

^H  massiven,  hethürmtcn  .Außenthore  des  Ports  gewähren  nur  durch  ! 

^B  liehe,   im  schiefen  Winkel  gegen   die   Hauptmauer  gestellte  Scitel 

^H  pforten  Hingang  in  das  jeUt  mit  englischer  Besatzung  belegte  Bollwe| 

^L  von  Agra. 


Das  erste,  wa: 


vom  Westen  her  durch  das  Dehli-Thor  ein- 


WKlund,  zu  (lesichte  bekommt,  sind  Casemattcn,  Batterien  und  auf 
tinem  freien  Platze  ein  ganzes  Arsenal  ausrangierter  Kanonenrohre  der 
verschiedensten  Systeme.  Hat  man  diese  Anordnungen  der  Kriegskunst 
passiert,  so  gelangt  man  in  den  eigentlichen  Palast  der  Moguln,  der  ver- 
hältnismäliig  noch  gut  erhalten  ist  und  Reste  seiner  einstigen,  geradezu 
verschwenderischen  Pracht  und  Herrlichkeit  zeigt.  Der  Palast  ist  nach 
unseren  Begriffen  allerdings  kein  einheitlicher  Bau,  sondern  eine  ganze 
Reihe  von  Prachtgebäuden,  offenen  Sälen,  Veranden,  Plattformen, 
Höfen,  Moscheen,  Bädern  u.  a.  m.,  die  einen  großen  Raum  bedecken 
und  sämmtlich  durch  Gänge  und  Treppen  miteinander  verbunden  sind, 
bedenkt  man,  dass  fast  alle  diese  Gebäude,  soweit  nicht  der  landes- 
ihümliche  rothe  Sandstein  Verwendung  gefunden  hat,  aus  reinem 
weißen  Marmor  bestehen,  der  mit  Gold,  Malerei  und  künstlerischem 
Mosaik  aus  Halbedelsteinen  bedeckt  ist,  so  kann  man  sich  annähernd 
einen  Begriff  von  dem  Luxus  machen,  der  einst   hier  geherrscht  hat. 

Zunächst  wurde  uns  in  dem  neueren  Theile  des  Palastes  der 
KroÜe,  unter  Aurengzeb  vollendete,  von  Nord  nach  Süd  70  m  lange 
AuJicnzsaal  Diwan-i-Am  gezeigt,  eine  nach  drei  Seiten  hin  offene 
Halle,  deren  Dach  von  drei  Reihen  mächtiger  Säulen  getragen  wird, 
«eiche  an  den  Sockeln  und  Capitälen  eigenthümliche,  altindische 
Formen  zeigen.  An  der  Rückwand  der  Halle  erhebt  sich  in  einer  Nische 
Jcr  Marmorsockel,  auf  dem  einst  der  Thron  des  Moguls  gestanden 
liiilte,  und  über  der  Nische,  deren  Wände  mit  Pietradura-.Arbeiten  und 
liefreliefs  geziert  sind,  ein  mit  kostbaren  Steinen  eingelegter  Marmor- 
Baldachin.  Hier  pllegte  der  Mogul  die  großen  Audienzen  abzuhalten, 
Deputationen  und  Vertreter  fremder  Fürsten  zu  empfangen. 

In  dem  an  die  Audienzhallc  anschließenden,  ringsum  von  einer 
t'iillerie  umschlossenen  Hofe,  der  im  ersten  Stockwerke  die  einfach 
ausgestatteten  Frauengemächer  enthält,  fischte  der  Mogul  zum  Zeit- 
'■'Grtreib.  Das  Wasser  für  diesen  Fischweiher  musste  von  Trägern  erst 
'i^fbeifiebrachl  werden ;  späterhin  wurde  es  durch  ein  besonderes 
l'umpwerk  zugeleitet.  Ein  Sölter  in  der  Gallerie  dieses  stillen  Hof- 
■■'lumes  bildete  den  Lieblingssitz  des  Gewaltherrschers,  der,  jahraus 
jahrein  von  Kriegslärm  umbraust,  von  wahrhaft  königlicher  Pracht 
'">ersätligt,  Schwert  und  Scepter  mit  der  .Angelruthe  vertauschte,  um 
nicr  träumerisch  die  Fische  zu  locken;  er,  der  Ungestüme,  ein  gedul- 
'^'Kcr  .Angler,  er,  dessen  Kronjuwelen  und  Beutestücke  die  Schatz- 
''wimer  bis  an  den  Rand  füllten,  ein  seines  zappelnden  Fanges  froher 


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die  uährend  der  Belagerung  Agras  im  Jahre  1857  hier  einschlug; 
ricuchettierend  flog  das  Geschoss  weiter  und  durchschlug  ein  herr- 
liches geschnitztes  Marmorgitter  nächst  der  ALidienzhaüe.  Auch  an 
anderen  Stellen  findet  man  in  den  Ornamenten  und  Schnitzereien 
Schäden,  die  von  Geschützkugeln  herrühren. 

Neben  der  AudienzhaUe  zieht  sich  eine  lange  Reihe  von  Gemächern, 
Säulengängen  und  Plattformen  hin,  die  zu  den  privaten  Wohnräumen 
der  Moguln  gehörten.  Sie  einzeln  zu  beschreiben,  würde  zu  weit 
führen:  ließen  sich  doch  ganze  Bände  schreiben  über  diese  Pracht, 
diese  Fülle  von  Marmor,  Guld  und  Mosaik,  über  die  Reminiscenzen  an 
die  Leistungsfähigkeit,  den  Fleiß,  den  Formensinn  der  kunstgewerb- 
lichen Arbeiter  und  der  künstlerisch  so  feinfühligen  Handwerker,  die, 
von  prachtliebenden  Bauherren  gedungen,  von  in-  und  ausländischen 
Meistern  angeleitet,  Agras  Ruhm  als  Schatzkästlein  der  Bau-  und 
Decorationskunst  Indiens  mitbegründen  halfen, 

Das  Geschick  für  eingelegte  Marmorarbeiten  mit  Arabesken  und 
Blumenmustern  hat  sich  unter  den  Werkleuten  Agras  bis  zum  heutigen 
Tage  erhalten.  Dass  fremdländische  Künstler  bei  der  Errichtung  und 
Ausschmückung  der  Bauten  in  Agra  Einlluss  genommen  haben  und 
namentlich  Austin  de  Bordeaux,  unter  Schah  Dschehan  hier  in  her- 
vorragender Weise  thätig  gewesen  ist,  wird  durch  die  noch  erhaltene 
Baugeschichte  des  Tadsch  bekräftigt.  Trotz  der  Seltsamkeit,  der  origi- 
nellen, ja  barocken  Formen  und  der  mit  orientalischer  Üppigkeit  ange- 
häuften Ornamentik  der  Bauten  von  Agra  erschien  uns  hier  nichts 
überladen,  geschweige  für  das  Auge  beleidigend;  im  Gegentheilj  alles 
künstlerisch  gestaltet  und  von  eigenartiger  Schönheit. 

Auf  einer  der  Plattformen  des  Palastes  fand  ich  in  dem  Marmor- 
boden  au.s  verschiedenfarbigen  Steinen  zusammengesetzte  Quadrate 
Zeichen  eingefügt,  welche  mir  auf  mein  Befragen  dahin  gedeutet 
'den,  dass  die  Moguln  hier  ein  dem  Schach  ähnliches  Spiel 
Patschisi  —  gespielt  hätten,  wobei  lebende  Menschen,  meist  schöne 
illädchen,  die  Figuren  darstellten.  Jede  der  Figuren  stand  auf  einem 
«Jer  Quadrate  und  musste  sich  auf  Befehl  des  Herrschers  den  Zügen 
entsprechend  bewegen. 

Ich  darf  nicht  vergessen,  eines  besonders  schönen,  oberhalb  der 
Wallmauer  vorspringenden  Erkers  zu  erwähnen,  der  von  einem  Kiosk 
4iberdeckt  ist  und  das  Lieblingsplätzchen  der  Moguln  bildete.  An  dieser 
llle  pflegte  der  Herrscher  jede  Bitte  willfährig  entgegenzunehmen; 
Umstand,  der  dahin  führte,  dass  die  Bittsteller  aus  dem  Volke  die 


Oeleirenheit  wahrnahmen.  ?ich  an  der.  Rand  des  Festungsgrabens  zu 
begeben,  um  von  don  aus  mi:  lauter  S;i:nme  den  auf  dem  Erker  ruhen- 
den Kürsten  um  Gnade  ar.zur.eher.. 

Bemerkenswert  sind  auch  noch  die  Baderäume  im  Schisch  Mahal. 
-Spiegelpalast- :  dieselben  sind  vöUis  teRs:er!->s  und  enthalten  in  der 
Mitte  große  Marmorbasstr.s  mit  Springbrunnen  und  \Va5=erkün^ti;n. 
während  die  Wände  gro:eske  .\rabesken  aufweisen,  die  mit  unzähligen 
k!e;nen  Sf:egeip!a::er.  mosaikan:;;  aufgelegt  sind. 

N^vh  tie!er  als  die  Bäder,  ir.  einer  .\r:  Kellerraum.  liegen  die  soi^e- 
n.u-nicr,  Sv'mn?.ervv.,>hnungen.  durch  Corridore  ur.iereinander  verbunderik.-. 
düstere  vWniacher.  die  in  der  heifesren  Jahreszeit  vom  Mogul  unü 
>einen!  Ser,iil  bewohn:  worden  sein  s-.-Hen.  Kleine  Öffnungen  in  JtT 
d'cken  Mauer  sperder  diesen  Räun-.er.  äuäers:  spärliches  Licht. 

Wie  bei  aller    alten   Paläs:en  xir.i   F-:zzs  fehlte  auch  hier  nicht 

*^;cv.ich,  ;ni:  eine™  Ocerbatken  vergehet:,  an  welchem  die  De-inquenstT 
'i>;iicii;r:  wurden.  Pir  Kjrrer  des  Gerichteter.  ::e;  in  einen  schlauch- 


abgespielt  haben,  in  welcher  der  erste  von  England  an  den  Hof  der  GroÜ- 
moyuln  abgeschickte  Gesandte,  dem  damals  hier  üblichen  Ceremoniell 
gemäß,  Seiner  mogulischen  Majestät  auf  allen  Vieren  kriechend  nahen 
musste.  Seit  jener  Zeit  hat  ,sich  in  Indien  gar  viel  geändert,  sind  die  , 
Rollen  der  indischen  Rädscha-s  und  der  britischen  Residenten  gegen- 
einander völlig  vertau-scht.  Musste  der  Gesandte  Albions  vor  kaum 
zwei  Jahrhunderten  noch  in  der  Haltung  eines  Vierfüßlers  Palast  und 
Saal  des  Moguls  betreten,  so  sieht  man  heute  die  Erben  der  stolzesten 
Xanien  von  Hindustan  —  bildlich  gespruchen  —  vor  jedem  der  eng- 
lischen Machthaber  sich  beugen;  freilich  mit  verhaltenem  Grimm  und 
vielleicht  mit  der  geheimen  Hoffnung  im  Busen,  dass  eines  wohl  unab- 
sehbaren Tages  das  rollende  Rad  der  Zeiten  die  Geschicke  Indiens 
wieder  nach  der  Seite  der  Rädschas  wende. 

Auch  dieser  Palast  hat  seine  eigene  Moschee,  nur  ist  diese,  der 
Pracht  des  Ganzen  entsprechend,  besonders  schön  und  mächtig  gehalten. 
Ihr  Name  ist  -Perl-Moschee'  (Moti  Mesdschid),  ein  Name,  der  entweder 
die  Kostbarkeil  der  Moschee  bezeichnen  soll  oder  von  der  silberweißen 
Farbe  ihrer  Kuppeln  und  Säulen  herrühren  mag.  Die  Construction  dieser 
Moschee  gleicht  jener  der  meisten  ähnlichen  Bauten  in  Indien.  Die 
Walle  des  Forts  hoch  überragend,  von  Schah  Üschehan  erbaut  und  im 
Innern  auf  das  köstlichste  mit  weißem,  bläulichem  und  grauem  Marmor 
geschmückt,  bildet  die  Moschee  als  Stirnseite  eines  weiten,  von  Marmor- 
säulcnhullen  umschlossenen  Hofes  eine  luftige,  von  drei  Säulenreihen 
getragene  Bogenhalle,  über  der  sich  drei  Kuppeln  erheben.  Der  weiße 
Marmor  der  mit  goldenen  Spitzen  gekrönten  Kuppeln,  der  rothe  Sand- 
slein der  Außenwände  und  Portale,  die  Verzierungen,  Steinarbeitun, 
Inschriften  im  Innern  der  Moschee,  ihre  hohe  Lage  —  alles  vereint  sich, 
lim  diesem  Kleinode  saracenischer  Baukunst  einen  eigenen  Reiz  zu 
verleihen.  Im  Innern  ist,  wo  nicht  Mosaik.  Inschrifttafeln  oder  Nischen 
andere  Farben  zeigen,  alles  weiß  in  weiß;  sogar  der  Boden  des  großen 
Viirhofes  ist  mit  Marmorplatten  belegt  Architektonisch  bemerkenswert 
ist  der  Aufbau  der  Säulenhalle  mit  ihren  dreifachen  Säulenreihen  und 
ihrem  spiegelglatten  Boden.  In  diesen  sind  für  die  Gläubigen  —  gegen 
Mekka  gewandte  —  Gebetplätze  eingelegt,  welche  sich  als  in  Marmor- 
ninsaik  ausgeführte  Imitationen  von  Gebetteppichen  darstellen. 

Ich  bestieg  das  Dach,  um  von  dort  eine  leider  vom  Wetter  getrübte 
Aussicht  auf  die  zahlreichen  schönen  Bauwerke  .\gras  zu  genießen.  Als 
ich  so  hinabblickle  auf  all  die  Denkmale  einer  glänzenden  Epoche,  die 
mirzuFüßtmlsgen,  sann  ich  nach  über  den  wechselvollen  Lauf  irdischen 


Geschickes,  über  den  Gegensatz  der  »guten  alten  Zeit«  Agras  zu  dem 
Stilleben,  das  jetzt  in  den  herrlichen  Hufen  und  Palästen  der  verfallenen 
Residenz  waltet.  \Vi>  sich  einst  die  stolzen  Großmoguln  im  Glänze  ihrer 
Macht,  im  gleiüenden  Schimmer  ihres  Hofstaates  gesonnt,  wo  farben- 
sattes,  prunkvolles,  vom  Genius  künstlerischer  Gestaltung  durchwehtes 
Leben  und  Treiben  geherrscht:  da  erheben  sich  jetzt  im  Bannkreise  der 
goldenen  und  marmornen  Paläste  moderne,  mit  englischen  Geschützen 
armierte  Batterien,  schreiten  stumm  britische  Soldaten  auf  ihren  Posten 
auf  und  ab.  ertönt  vom  nahen  Bahnhofe  her  der  schrille  Pfiff  der  Loeo- 
molive.  Für  einen  Bakschisch  darf  heute  unter  Leitung  eines  schwatz- 
haften Führers  jeder  beliebige  Fremdling  hier  eindringen  in  Burg  und 
Hof,  in  die  Geheimgemächer  und  in  die  Moscheen  der  einst  unnah- 
baren Residenz  der  Großmoguln,  darf  in  den  Trümmern  der  Nischen  und 
Säulen  wühlen,  alles  betasten  und  besehen  ....  Tempora  mutantur! 
Aus  meinem  Sinnen  und  Träumen  weckte  mich  nur  zu  balJ 
etwas,  das  unschwer  zu  errathen  ist:  etwas,  das  heute  in  ganz  Indien 
spukt  und  unvermeidlich  i>i,  als  wäre  es  ein  schleichender  Krankheii,- 
stolT  --  nämlich  ein  zur  .\ufnahme  bereitgestellter  photographischer 
Apparat.  Der  Besitzer  dieses  modernen  Folterwerkzeuges  stand  vor  \in^ 
und  legte  beredt  die  unabweisliche  Xothwendigkeit  dar.  mich  und  meine 
Begleiter  in  der  Moschee  stehend  als  Gruppenbild  zu  fixieren.  Lasst 
sich  schon  darüber  disculieren,  inwieweit  die  Mahnung  des  Korans 
■  Du  sollet  kein  Kbenbild  do  menschlichen  Leibes  gestalten-,  auch  au^ 
photogniphische  Portrats  anwendbar  sei,  so  musste  das  Begehren  du^ 
mohammedanischen  Phutographen.  uns  just  in  der  Moschee  aufzd" 
nehmen,  als  wären  wir  frimime  Mnslemin.  um  so  unlogischer  erscheine  •'^  - 


begann  der  Fürst  im  Jalire  1630  der  geliebten  Gatlin  cÜl's  Crabnial  zu 
setzen,  in  dem  er  selbst  an  ihrer  Seite  im  ewigen  Schlafe  ruht.  Der 
Wille  Schah  Dschehans,  seiner  Mumtäz-i  Mahal  ein  Denkmal  zu  weihen, 
schüner  als  jedes  andere  auf  dieser  Erde,  unvergänglich  zu  jedem 
redend  von  der  Iheueren  Verblichenen,  hat  sich  vollauf  erfüllt .  .  . 

Nichts  schien  zu  kostbar,  nichts  schön  genug,  die  Todte  zu  ehren. 
Fremde  Künstler,  so  der  Venetianer  Gieronimo  Verroneo,  dann  Austin 
de  Bordeaux  und  ein  byzantinischer  Meister  haben  im  Vereine  mit  dem 
Wissen  und  Können  der  besten  einheimischen  Werkleute  an  diesem 
Baue  mitgeschaffen. 

Ungefähr  zwei  Jahrzehnte  hindurch  sollen  unablässig  zwanzig- 
tausend .Arbeiter  hiebei  beschäftigt  gewesen  sein.  Die  Kosten  werden 
—  obschon  so  manche  der  Baumaterialien,  manche  Edelsteine  und 
Schmuckgegenstände,  welche  das  Grabmal  zieren,  von  den  Rädschas 
und  N'awäbs  freiwillig  beigesteuert  wurden  und  die  Werkleute  und 
.Arbeiter  wohl  nur  kärglich  entlohnt  worden  sein  mögen  —  von  ein- 
heimischen Quellen  auf  die  zumal  für  die  damalige  Zeit  ungeheuere 
Summe  von  etwa  40  Millionen  Gulden  angegeben.  Trotz  all  dieses 
.Aufwandes  an  Kraft  und  Geld  erscheint  es  jenem,  welcher  die  Details 
Jes  Bauwerkes  näher  besichtigt  und  die  enormen  Schwierigkeiten 
berücksichtigt,  die  hier  zu  überwinden  gewesen  sind,  als  ein  Wunder, 
dass  innerhalb  der  Frist  von  nur  etwa  zwei  Jahrzehnten  all  das  zu 
Ende  gebracht  zu  werden  vermochte. 

Wer  kennt  nicht  das  Bild  des  Tadsch,  seinen  schneeweißen  Bau, 
Seine  Bogenpforte,  seine  Dome,  Fa^aden  und  Minarets?  Erblickt  nun 
»Jer  Wanderer,  dem  Leinwand  und  Holzschnitt,  Bild  und  Wort  den 
Tadsch  hundertmal  vor  das  Auge  gezaubert  haben,  das  Bauwerk 
selbst,  wie  es  sich  unvergleichlich  schön,  von  üppigem  Grün  umrahmt, 
himmelwärts  erhebt:  so  verblasst  alles  bisher  Geschaute,  verfliegt 
jedes  Wort,  welches  den  Bau  stammelnd  zu  schildern  versucht,  fällt 
<lör  Griffel  zur  Erde,  verstummt  der  verzückte  Beschauer. 

Ausgestattet  mit  der  vollen  Macht  unserer  herrlichsten  Bauten, 
heJir  wie  das  Gefüge  unserer  schönsten  gothischen  Dome,  edel  wie 
die  vornehmsten  Blüten  der  italienischen  Renaissance,  berückend  gleich 
*ieii  Orient  und  Occident  verschmelzenden  Perlen  venezianischer 
»d-Wst.  geschmückt  mit  jedem  Zaubermittel,  welches  dem  Menschen 
Kevfährt  worden,  um  der  höchsten,  reinsten  Schönheit  Ausdruck  zu 
^'erleihen  —  überwältigt  der  Tadsch  jedweden  Sterblichen,  der  zu  ihm 
aufblickt. 


■  Ein  marnitirner  Traum-,  so  slehl  das  Mausnleum  Schäti 
Dschehans  vor  uns.  Erhabene  Bilder,  Vorstellungen,  Emplindungcn 
ziehen  durch  die  Seele  des  Beschauers,  der  nicht  satt  wird,  zu  sehen, 
dass  hier  Menschenhand  das  geschaffen,  was  uns  die  kühnste  PhantasiL- 
kaum  vorzuspiegeln  vermag.  Und  dabei  diese  vornehme  Ruhe,  die^; 
unübertreffliche  Harmonie  des  Ganzen  trotz  aller  Kühnheit  der  Formen. 
diese  weiße  Reinheit  des  Steines.  Keine  Statue,  kein  Bild,  kein  Allar, 
noch  Teppich  ist  zu  sehen,  nur  Stein  und  wieder  Stein  —  doch  dieser 
Stein  allein  schmückt  das  Ganze  mehr  als  jede  andere,  noch  so  köst- 
liche Zier.  Es  ist,  als  blühe,  lebe,  rede  der  Stein.  .  .  . 

Der  Tadsch  steht  auf  einer  erhöhten  Plattform,  welche  95  m  im 
Gevierte  misst,  und  ist  in  quadratischem  Grundriss  mit  abgestumpften 
Ecken  (Oclogon  mit  vier  längeren  und  vier  kürzeren  Seiten)  gebaut. 
gekrönt  von  einer  mächtigen  Kuppel,  unterhalb  welcher  vier  kleinere 
Kuppeln  angebracht  sind.  Die  Bogenportale  und  Fensternischen  in 
maurischem  Stile  sind  mit  ausgemeißelten  Koransprüchen  umsäumt 
und  die  Fa^aden  überdies,  inbesonders  an  den  Sockeln,  mit  eingelegten 
Steinen  geziert.  An  den  vier  Kcken  der  Plattform  stehen  hohe  Minarels. 
Die  höchste  Spitze  der  Kuppel  liegt  74  i«  über  dem  Gartenwege. 

Ahnlich  wie  beim  Grabdenkmale  Akbars  tritt  man  zuerst  diuch  ci« 
hohes,  moscheenartiges  Thor,  das  aus  rothem  Sandsteine  gebaut,  mit 
feinem,  an  einen  Schleier  erinnerndem  Marmormosaik  verziert  ist.  Üaiiti 
folgt  der  herrliche  Park  mit  seinen  dunkelgrünen  Bäumen,  seinen 
blühenden  Blumen  und  seiner  schnurgeraden  Reihe  von  Wassenverken 
und  Springbrunnen,  die  von  dem  Eingangsthore  bis  zu  dem  Treppen" 
aufgang  des  Mausoleums  führen.  Sehr  effectvoll  ist  eine  CeJern-Alle'J 
angebracht,  die  als  Rahmen  für  den  weißen  Bau  des  Tadsch  diente 
wiihrend  der  Himmel  den  .\bschluss  bildet. 

Wohl  jeden,  der  dieses  herrliche  Gebäude,  dieses  Denkmal  de^ 
Schmerzes  betritt,  überkommt  ein  melancholisches  Gefühl:  mystische^ 
Halbdunkel  umgibt  die  beiden  Kenotaphe,  leises  Echo  lässt  die  .Stimm«^ 
wicderhallen.  Auch  hier,  in  der  Halle  des  Octogons,  kein  anderer" 
Schmuck  als  Stein,  der  aber  so  wunderbar  vertheilt  ist,  dass  er  deconi— 
Uvcr,  würdiger  und  reizvoller  wirkt  als  manches  Gemälde,  manchi 
Statue.  Das  Innere  des  Mausoleums  macht  keineswegs  einen  ka!l 
slairen,  im  Gegentheile  einen  warmen,  pietätvollen  Eindruck. 

Geradezu  verblüffend  wirkt  die  Pracht  und  Zanheit  der  Ausfuhrunj 
des   die   Kenotaphe  umgebenden   Gilterwerkes,  welches   aus   riesigen 
Marmorplatten   gefügt  ist,    die   so   fein  wie  Spinnengewebe   netzartig 


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(wrchmeißelt  sind.  An  den  Säulen  bewundern  wir  das  Schönste,  waa** 
die  musivische  Kunst  zu  bieten  vermag:  die  zartesten  Blumen  und 
Arabesken  aus  Halbedelsteinen,  wie  Carneol.  Lapis  lazuli,  Achat,  Jaspis, 
Malachit.  In  einer  unterirdischen  Gruft  stehen  die  Marmorsarkophage, 
welche  die  sterblichen  Reste  Schah  Dschehans  und  der  Mumtäz-i  Mahal 
enthalten,  während  die  in  dem  Octogon  aufgestellten  Kenotaphe  den 
Sarkophagen  der  Gruft  nachgebildet  und  leer  sind.  Der  Sitte,  fürstlichen 
Personen  zwei  Steinsärge  aufzustellen,  ein  Kenotaph  und  den  die 
Gebeine  bergenden  Sarkuphag,  ist  hier  ebensn  wie  in  Akbars  Grabmal 
Rechnung  getragen. 

Über  eine  kleine  Treppe  gelangte  ich  nuf  die  Plattform,  welche 
dachartig  die  Hauptkuppei  umgibt,  und  von  der  aus  man  einen  guten 
Ausblick  auf  die  beiden  Moscheen  genießt,  die  zwischen  den  Minarets 
in  der  Längsfront  des  Tadsch  stehen.  Jede  dieser  Moscheen  ist,  für  sich 
betrachtet,  ein  Prachtbau,  der  aber  in  der  Nähe  des  Marmorwunders 
von  diesem  fast  völlig  in  den  Schatten  gestellt  wird.  Das  Material,  aus 
welchem  die  beiden  Kuppelbauten  errichtet  sind,  ist  der  übliche  rothe 
Sandstein,  der  mit  Marmormosaik  verziert  ist. 

Ich  kehrte  in  den  Garten  zurück  und  um.schritt  den  Tadsch  noch- 
mals von  allen  Seiten,  um  seine  herrlichön  Formen  dem  Gedächtnisse 
genau  einzuprägen. 

Ein  bewaffneter  Spaziergang  im  Parke  des  Palais  zu  Agra  sollte 
mir,  da  ich  von  all  dem  Gesehenen  entzückt  und  geistig  doch  abgespannt 
ivar.  Erfrischung  bringen.  Des  Morgens  hatte  ich  auf  einem  der  Bäume 
iiiiOerhalb  des  Parkes  Marabus  (Leptopilus  argala)  sitzen  gesehen, 
ivelch  widerliche  Vögel  durch  ihre  enorme  Größe  und  Flügelspann- 
ii'eite.  sowie  durch  ihre  schönen  Federn  auffallen,  während  der  kahle 
Kopf  mit  dem  Kropf  und  die  Ernährungsweise  des  Thieres  nichts 
weniger  als  schön  und  ansprechend  sind.  Wir  pürschten  uns  an  die 
Stj hilafbäume  der  Marabus  an  und  erlegten  im  ganzen  sechs  Stücke, 
deren  zwei  meinen  Schüssen  zum  Opfer  fielen. 

Kinsky  erlitt  an  diesem  Tage  wieder  einen  Kleberanrall,  sn  dass 
bis  auf  vvefteres  das  Bett  hüten  muss. 

Agra,  13.  Februar. 

Der  Morgen  war  abermals  recht  garstig,  kalt  imd  regnerisch,  ganz 
anders,  als  man  sich  -indisches  Wetter-  \orzustullen  pflegt,  so  dass 
wir  uns  in  dicke  Kleider  und  Mäntel  hüllen  mussten.  trotzdem  aber 
Weutend  In  unserem  Küfigpalaste  froren. 


Wir  stillten  nach  [■'atehpur  Sikri  fahren  und  versahen  uns.  da  dte 
Distanz  26  km  beträgt,  mit  unseren  Gewehren,  was  wir  nicht  zu  bereuen 
hatten.  Die  Fahrt  selbst  bot  wenig  Reix;  die  Straße  führte  durch  ein- 
töniges, ebenes  Land;  hie  und  da  passierten  wir  ein  ärmliches  Ein- 
geborenendorf  und  sahen  im  übrigen  nur  flache,  mit  vereinzelten  Bäumen 
besetzte  Felder,  so  dass  wir  jeden  Meilenzeiger  zählten,  welcher  iin^ 
das  Vorrücken  gegen  das  Ziel  der  Fahrt  auswies. 

Für  die  Eintönigkeit  der  Landschaft  entschädigte  uns  die  Fauna. 
Unmittelbar  nachdem  wir  die  Stadt  verlassen  hatten,  schoss  ich  vom 
Wagen  aus  mehrere  große  Geier  (Gyps  indicus  und  Gyps  bengalensisl 
ferner  einen  der  so  häufig  sichtbaren  Schmutzgeier  und  einige 
Schmarotzer-  oder  Pariah-Milane.  Kurz  darauf,  noch  Im  Weichbildt 
der  Stadt,  fiel  mir  ein  Adler  zur  Beute,  den  ich  am  Rande  seines 
Horstes  erlegte;  wir  bestimmten  ihn  als  Aquila  mogilnik,  sogenannli'ii 
Russischen  Adler.  Ebenfalls  vom  Horste  herab,  der  auf  einem  Allec- 
baume  gebaut  war,  schoss  ich  einen  Vertreter  einer  anderen  Adlerurt 
nämlich  einen  Fahlen  Adler  (Aquila  vindhiana).  Auch  zwei  Honii;- 
Bussarde  {Pernis  ptilonorhyncha),  unserem  Wespen -Bussarde  ähnlich, 
wanderten  in  den  Rucksack.  Bei  einer  Pfütze  saßen  auf  einem  Baume 
zwei  Nimmersatte  (Tantalus  leucocephalus),  die  ich  mit  glücklichem 
Coup  double  herunterholte;  es  waren  selten  schöne,  große  Exemplari' 
mit  auffallend  rosarothen  Federn  an  den  Flügeln,  Im  weiteren  Verlaiifi; 
der  Fahrt  erbeutete  ich  noch  Dschungelkrähen  (Centropus  rufipennis). 
einen  Sirkier-Kuckuck  (Taccocua  sirkee)  und  zwei  Sperber-Bussarde 
(Butastur  teesa). 

So  gelangten  wir  endlich,  der  von  Agra  her  stets  genau  in  süd- 
westlicher Richtung  dahinziehenden  Straße  folgend,  nach  FatehpW 
Sikri,  der  Palaststadt  Akbars.  Ihre  Gründung,  um  das  Jahr  1570,  wi*""^ 
von  der  Legende  auf  folgende  Weise  erklärt;  Von  Agra  aus  in  Irüb«^*-"* 
Gedanken  zu  dem  Sandsteinhügel  wandernd,  auf  welchem  heule  *,*** 
Palaststadt  liegt,  traf  Akbar  hier  den  Fakir  Selim  Tschisti,  einen  wei-:**^'* 
und  frommen  Bettler,  der,  des  Moguls  Trauermiene  gewahrend,  die  \\m  *y' 
dem  weltentrückten  Einsiedler,  unverständliche  Ursache  der  Betrübt'^** 
eines  so  mächtigen  Herrschers  zu  erkunden  suchte.  Da  klagte  Akb  •**-  ' 
wohl  sei  er  ein  mächtiger  Fürst,  sein  Reich  aber  drohe  nach  sein^  ^^ 
Tode  zu  verfallen;  denn  jeder  der  Söhne,  die  ihm  seine  Gattin  gebort** 
sei,  noch  in  der  Wiege,  frühen  Todes  verblichen.  »Erbaue«,  spra«^" 
weissagend  der  Fakir,  »Dein  Schloss  auf  diesem  durch  meine  Gebc?**^ 
geheiligten  Hügel  und  schlage  hier  Deinen  Wohnsitz  auf.  Neun  Mon*^*^ 

2U4 


\ 


ch  Deinem  Einzüge  Jurch  die  Pforten  des  neuen  Palastes  wird  Dir 
1  Erbe  geschenkt  werden,  dem  der  Himmel  langes  Leben,  Kraft  und 
acht  verleihen  wird.  Dieser  Sohn  wird  Dir  folgen  auf  dem  Thrune 
T  Großmuguln.«  Die  Prophezeiung  erfüllte  sich.  In  dem  neuen  Pahiste 
in  Katehpur  Sikri  hat  Dschehangir,  der  Erbe  Akbars,  das  Licht  der 
'elt  erblickt 

Mit  Ausnahme  der  von  der  britischen  Regierung  im  Stande 
ihaltenen  Theile  der  Palaststadt  ist  Fatehpur  Sikri  —  an  der  Stätte 
■richtet,  wo  Schah  Baber  im  Jahre  1527  die  Fürsten  von  Rädschputana 
i  offener  Feldschlacht  vernichtet  hat  —  ein  Trümmerfeld,  aus  welchem 
lauern,  Säulen,  Reste  von  Sälen  und  Hallen  und  andere  verfallene 
auwerke  emporragen.  All  die  Erinnerungszeichen  der  einstigen  Grölie 
nd  Schönheit  der  Palaststadt  sind  von  einer  hohen,  crenelierten,  mehr 
Is  1 1  km  langen  Ringmauer  umgeben,  welche  den  Hügel  von  Katehpur 
likri  vüllig  umschließt. 

Als  Hauptursache  des  raschen  Verfalles  und  der  Verödung  der 
'alaststadt  Akbars,  eines  Riesenwerkes,  das  —  im  Widerspruche  mit 
lern  von  der  Legende  behaupteten  raschen  .Aufbaue  Fatehpur  Sikris 
—  lange  Jahre  hindurch  Tausende  von  Menschen  beschäftigt  haben 
hf<\\,  wird  angegeben,  Akbars  Sohn  habe  plötzlich  das  Wasser  und 
Jie  Luft  hier  schlecht  gefunden  und  den  Palast  einfach  verlassen,  ihn 
den  Unbilden  von  Wind  und  Wetter  preisgebend.  Doch  unter  Indiens 
Himmel  schreitet  der  Verfall  der  Bauwerke  glücklicherweise  nicht  so 
rasch  vor,  dass  wir  nicht  einen  Theil  der  Bauten  von  Fatehpur  Sikri 
H'ich  wohlerhalten  zu  Gesicht  bekommen  hätten. 

Wie  an  anderen  Fürstensitzen  Indiens  herrscht  auch  hier  eine 
vnhrtiafte  Verschwendung  von  Raum  und  edlem  Baumaterial.  Zunächst 
n  ü«n  Diwan-i-Am  eintretend,  überblickten  wir  großartige,  von  Säulen- 
allen  eingeschlossene  Plattformen  und  Terrassen,  die  einst  den  Schau- 
latz festlicher  Aufzüge  und  glänzender  Empfänge  gebildet  haben;  an 
eiti  Diwan-i-Am  liegt  eine  Plattform,  welche  dem  Patschisi-Spiele 
gedient  haben  soll,  Weiterhin  erheben  sich  Moscheen,  Prunkräume  und 
Vohngebäude  aller  Art,  welche  aus  dem  bei  Fatehpur  Sikri  gebrochenen 
•^'thcn  Sandsteine  hergestellt  sind. 

Die  schönsten  Beispiele  dafür,  wie  wohl  die  Werkleute  in  der 
Palaststadt  den  Sandstein  zu  verwenden  und  zu  schmücken  wussten, 
bietet  das  sogenannte  Haus  der  Türkischen  Königin  (Stambuli  Begum). 
Hier  Ündet  sich  keine  Wand,  keine  Säule,  kein  Fleckchen,  wo  nicht  die 
allcrfejnsten  Ornamente  ausgemeißelt  wären.  L'nweit  davon  ist  das  Haus 


tlor  (Christlichen  Krau  (Bibi  Miiriam  Ziimani)  erbaut;  heute  schmucklns, 
führte  dies  Ocbäudc  einst,  weil  innen  und  außen  vergoldet  und  bemall, 
den  Niinicn  Sunähra  Makän,  das  ist  -Goldenes  Haus«.  Zwischen  Jen 
beiden  Frauenhäusern  steht  der  Chwab  Gah  {Chäb  Ghar),  Akbars  Haus 
der  Träume,  das  in  seinem  Oberstockc  das  einfache  Schlafgemach  -iv» 
Gntlimoguls  birgt. 

Nördlich  von  Miriams  Haus  erhebt  sich  der  Pendsch  Mahiil, 
eine  in  stufenförmigen  Terrassen  aufsteigende,  mit  originellen  SüuIlt 
geschmückte  Colonnade  und  der  Üivvan-i-Khas  Akbars.  Auf  dem 
kiesencapitäl  der  hohen,  mit  Pilastern  geschmückten  und  prachtvoll 
ciselierten  Säule,  die  in  der  Mitte  der  Halle  aufragt,  soll  Akbar  gethront 
haben.  Diese  Säule  ist  durch  schmale  Steinstege  mit  vier  in  den  Ecken 
der  Halle  angeordneten  Sitzplätzen  verbunden,  welche  die  vier  Vezisrc 
Akbars  eingenommen  haben  sollen,  wenn  .Akbar,  auf  der  Säule  thronenJ, 
Kiith  hielt.  Ich  konnte  mich  des  komischen  Eindruckes  nicht  erwehren, 
den  die  \'i)rstellung  in  mir  hervorrief,  dass  .Akbar  auf  einem  die,';er 
sclimalen  Stege  zur  Mitte  der  Halle  hin  balancierte  und  dann  auf  stiner 
Säule  >!Uin'>aunile-,  wahrend  die  vier  Veziere  auf  ihren  Ecksilzen 
kauerten.  So  lächerlich  mir  dies  erschien,  si>  konnte  ich  mir  dnch 
auch  nicht  verhehlen,  dass  in  dieser  Halle  des  Rathes  oft  genug  über 
das  Wohl  und  Wehe  ganzer  Volker  entschieden,  dass  hier  mancher 
in  meinen  (,"onsci.nienzen  gewiss  noch  heute  bedeutsame  Entschluss 
gefassl   winde. 

He  merke  n;>  wert  ist  ferner  ein  langer,  gedeckter  Gang,  der  von  den 
Krauengomiichern  zu  einem  ziemlich  weit  entfernten  Thore  führt,  von 
welchem  aus  die  Frauen  des  Moguls  ins  Land   hinausblickten,  ihren 


Von  hüftonderer  Schönheit  ht  der  Palast  Birbnis  —  eines  Hindus 
und  Ministers  Akbars  —  ein  kleines,  zweistöckiges  Gebäude,  welches 
innen  und  aulien  so  reich  und  geschmackvoll  verziert  ist,  dass  man  es 
nach  V'ictor  Hugos  Worten  zwar  den  kleinsten  aller  Paläste,  jedoch 
das  größte  aller  Schmuckkästchen  nennen  darf. 

Weit  umfangreicher,  jedoch  minder  reich  geschmückt  ist  der  etwa 
in  der  Mitte  der  Palaststadt  gelegene  Palast  der  Prinzessin  Dschodh  Bai, 
einer  der  Frauen  Akbars  und  Mutter  Dschehangirs. 

Ohne  mich  auf  die  Anführung  der  übrigen  in  der  Palaststadt  und 
unter  ihren  Mauern  liegenden  Baudenkmale  aus  der  Glanzperiode  dcT 
GruUmoguln  einzulassen,  muss  ich  noch  der  Dargah,  des  «Heiligen 
Vierecks-,  welches  das  Grabmal  Scheik  Seüm  Tschistis  enthält,  sowie 
der  Moschee  Erwähnung  thun. 

Die  Dargah,  ein  Rechteck,  ist  von  Bogenhallen  umgeben,  in  deren 
Mitte  ein  Wasserbecken  liegt;  an  der  Nordseite  des  Hechteckes  steht 
Jas  Grabmal  Selim  Tschistis,  des  Fakirs,  auf  dessen  Prophezeiung  hin 
Akbar  die  Palaststadt  erbaute.  Während  fast  sämmtUche  Gebäude  der 
l'alaststadl  aus  rothem  Sandstein  errichtet  sind,  schimmert  uns  dies 
Grabmal,  eine  wahrhaftige  Miniaturausgabe  des  Tadsch  von  Agra,  in 
blendend  weißem  Marmor  entgegen,  so  dass  ich  auch  an  diesem  Mau- 
soleum die  Schönheit  der  Ciseiierungen,  die  herrliche  Arbeit  der  durch- 
brochenen Marmorgitter  bewundern  musste.  Die  Gitter  tragen  farbige 
Üandschleifen  und  bunte  Lappen,  die  von  den  am  Grabe  Selim  Tschistis 
um  Kindersegen  (lebenden  Pilgerinnen  herrühren. 

An  die  Westseite  der  Dargah  schließt  sich  die  ungefähr  'Jli  m  buhe 
Mi.ischee  an.  Für  den  Reichthum  ihres  Schmuckes  und  die  stilvolle 
.Ausführung  der  gewundenen  und  ineinandergeschlungenen  Ornamente 
Jieser  Moschee  spricht  wohl  deutlich  der  Umstand,  dass  ich  im  Innern 
derselben  einen  Zeichner  damit  beschäftigt  fand,  diese  Unica  der 
Rächendecoration  für  ein  Werk  zu  copieren,  welches  die  britische 
Regiening  über  die  Perlen  indischer  Kunst  herausgibt. 

Als  ich  die  Moschee  verließ,  hielt  ein  bakschisch-lüsterner,  alter 
Muezzin  heftig  gesticulierend  und  laut  schreiend  eine  unverständliche, 
wunderbar  klingende  Ansprache  an  mich. 

Südlich  der  Dargah  ragt  oberhalb  einer  den  Hügel  hinanführenden 
l'ryitreppe  die  berühmte,  43  m  hohe  Siegespforte  Buland  Darwaza 
i'inpor.  Auffallend  zahlreiche  Nester  einer  großen  Wespenart  verwehrten 
uns  den  Aufstieg  zu  den  Zinnen  der  Pforte,  welche  eine  schiine  Kund- 
schau gewähren  sollen. 


Zli  P'iilJen  der  Pforle,  aiiüerhalb  der  Wallmauer,  erstreckt  sich 
neben  den  verfallenen  Badern  ein  gemauertes  Bassin,  zu  dem  jedtr 
Fremde  geführt  wird,  um  den  Productionen  beizuwohnen,  welche  darin 
bestehen,  dass  Eingeborene  von  der  Oberkante  der  Wallmauer  kühne 
und  keineswegs  gefahrlose  Tauchersprünge  in  das  mit  Wasser  gefüllte 
Bassin  ausfuhren.  Zwei  Tage  vor  unserer  Ankunft  hatte  sich  einer  der 
Gilde  gelegentlich  eines  ähnlichen  Tiefsprunges  den  Tod  geholt. 

Die  Umgebung  der  Moschee  lieferte  mir  ornithologische  Ausbeute, 
indem  ich  in  dem  Trümmerhaufen  einen  Juggur-Falken  (Falcojiigguri 
und  den  seltenen  Grauen  Nashornvogel  {Ocyceros  birostris)  erleglt. 
Staunenerregend  war  die  Menge  der  gestreiften  Eichhörnchen,  die  auf 
den  Steinen  und  an  den  Bäumen  umherhuschten. 

Die  Rückfahrt  war  weit  angenehmer  als  die  Hinfahrt,  da  sich  da* 
Wetter  etwas  gebessert  hatte  und  die  Sonne  freundlich  aus  den  Wolken 
lugte.  Auf  dem  Heimwege  schoss  ich  nebst  einigen  Geiern  noch  eintn 
metallisch  schimmernden  Weißhalsigen  Storch  (Ciconia  leucocephalal, 
der  unserem  schwarzen  Storch  sehr  ähnlich  ist,  sowie  zwei  Marabus, 
darunter  ein  besonders  altes  Männchen  mit  schneeweißer  Brust  und 
langen  Flaumfedern. 

Im  Palais  zu  .Agra  erwartete  mich  der  Erzbischof  Monsignore  van 
den  Bosch,  mit  zweien  seiner  Geistlichen,  um  mir  seine  Aufwartung  zu 
machen;  er  ist  von  Geburt  ein  Belgier  und  wirkt  schon  lange  in  Indien. 


Agfa— Bhart pur,  14.  Februar, 

Für  den  heutigen  Tag  war  eine  von  dem  englischen  Residenten 
Colonel  Martelli  im  Gebiete  des  Maharadschas  von  Bhartpur  arrangierte 
.lagd  auf  Wasserwild  angesetzt.  Ich  hoffte  hiebei,  gewissermaßen  nur 
aus  Versehen,  auch  ein  bis  zwei  Nilgaus  zu  schieben,  deren  Tödtung 
im  Reiche  des  Maharadschas  wegen  ihrer  angeblichen  .Ähnlichkeit  mit 
den  heiligen  Kühen  streng  verpönt  ist  und,  wie  man  mir  sagte,  bloß 
dem  -zufälligerweise-  treflenden  Schützen  nachgesehen  werden  könnte. 

Schon  die  ungelahr  anderthalbstündige  Eisenbahnfahrt  von  .Agra 
westlich  nach  Bhartpur  bietet  abwechslungsreiche  Bilder,  welche  die 
Jagdlust  und  die  Spantuing  auf  die  Ergebnisse  des  Tages  steigern. 
.An    einem    kl  Teiche,    den  wir   passieren,    sehen    wir    Pelikane, 

dreierlei    Ar  Stöld||^  darunter   den    mächtigen    Riesenstorch 

(Xenorbync'  'M^^^\  schönen    Antigone -Kraniche,    Gänse, 

Knter  ■  Wasserwild,  In  ein  Dschungel  llüchtel 


^ 


m»  Kudel  Nilgaub,  "Blaut-r  Stiere-  (Piirtax  pictus),  die  ich  hier  zum  ■ 
erstenmale  sehe:  es  sind  große  Thiere,  in  der  Form  zwischen  Elch, 
Hirsch  und  Rind;  das  Haupt  ist  klein,  mit  kurzen,  gebogenen, 
schwarzen  Hörnern;  der  Hals  mächtig,  mit  langem  Barte;  die  Schulter- 
partie und  die  Croupe  wie  beim  Elch;  die  Läufe  sind  stark  und  sehnig; 
die  Stiere  sind  grau,  an  den  Extremitäten  schwarz;  die  Kühe  und 
Kälber  rehbraun.  Weiterhin  wurden  der  Bahn  entlang  auch  Wild- 
schweine sichtbar. 

In  der  Station  Bhartpur  empfieng  mich  der  Maharadscha  Sri 
Bridschindra  Seiwadsch  Dscheswant  Dschangh  Bahädur,  ein  kleiner, 
äußerst  finster  und  unwirsch  aussehender  Landesvater,  der  jedes  Wort 
wie  im  Tone  des  Zornes  ausstieß.  Er  soll  seinen  Unterthanen  ein 
keineswegs  gnädiger  und  gütiger  Herrscher  und  in  seinem  reiferen 
.\lter  nichl  sehr  scrupulös  in  der  Wahl  seiner  Vergnügungen  sein. 
Er  beherrscht  einen  nominell  sich  noch  der  Unabhängigkeit  erfreuenden 
Staat;  doch  hat  er,  wie  andere  im  Bannkreis  engUscher  Macht  stehende 
Fürsten,  einen  Residenten  an  seiner  Seite,  der  ihm  die  Last  des 
Regiments  tragen  hilft.  Der  Kürst  von  Bhartpur  stammt  von  einem 
Üschät  namens  Tschuraman,  der  Aurengzeb  bekämpft  und  den  G!anz 
jener  Dynastie  begründet  iiat,  welche  von  Bhartpur  aus  in  den  Jahren 
1(60  bis  1765  Agra  occupierte,  seit  1826  aber  jeder  selbständigen 
auswärtigen  Politik  dauernd  entsagen  und  der  britischen  Suprematie 
sich  beugen  musste.  Die  volkreichen  Geschlechter  der  Dschäts  sind, 
wie  manche  der  Rädschput-Stämme  im  Zwischenstromlande  des  Ganges 
und  der  Dschamna,  indo-skytischen,  das  ist  arisch-central-asiatischen 
Ursprunges  und  bekennen  sich  fast  ausschließlich  zum  Lslam. 

Umgeben  von  einer  berittenen  Leibwache,  fuhren  wir  in  einer 
l'rachtcaroöse  durch  die  Stadt,  die  festungsähnlich  von  einer  sehr 
starken,  ihurmbekränzten  Umvvallungsmauer  und  von  breiten  Wasser- 
gräben eingeschlossen  ist.  Bastionen  und  mächtige,  fortificatorisch  gut 
gebaute  Thore  erhöhen  die  Widerstandskraft  der  Festungsstadt. 

Die  Engländer  haben  Bhartpur  erst  nach  schweren  Kämpfen 
und  mit  dem  .Aufwände  aller  Mittel  europäischer  Kriegskunst  in  die 
Hand  bekommen.  Die  Belagerung  dieses  Bollwerkes  des  Dschätfürsten 
Randschit  Sindhia  durch  britische  Truppen  unter  dem  Eroberer  Hindu- 
stans,  General  Lake,  in  den  Jahren  1805  bis  1806,  endigte  mit  der 
Kinnuhmc  der  insbesondere  durch  ihre  Wasserbauten  geschützten, 
auf  das  tapferste  vertheidigten  Festung  erst  dann,  als  Lake,  dem  lange 
Zeit  hindurch  der  für  eine  regelrechte  Belagerung   erforderliche  Park 


iinJ  Train  mangelten,  umfassendere  Bclageriingsoperationen  durchzu- 
führen und  die  gesummte  bengalische  Armee  heranzuziehen  vermocht 
hatte.  Auch  im  Jahre  !82Ü  bot  Bhartpur  den  britischen  Belagerern  han- 
näckigen  Widerstand,  bis  es  dem  Befehlshaber  der  englischen  Truppen 
Lord  Cumbermere,  nach  sechswöchentliciier  Belagerung  gelang,  in  einen 
Theil  der  Bastionen  Bresche  zu  schießen  und  die  Festung  mit  Stumi 
zu  nehmen. 

Die  Stadt  hat  eine  Bevölkerung  von  etwa  60.000  Einwohnern.  In 
den  Straßen  stand  dichtgedrängt,  uns  mit  lautem  Geschrei  begrüüend. 
eine  große  Menge  Volkes.  .Auffallend  ist  die  Schar  von  Affen,  die  auf  den 
Dächern  der  Häuser  ihr  Unwesen  treiben.  Als  wir  im  Palais  des  Resi- 
denten, Colonel  Martelli,  angelangt  waren,  stellte  mir  der  Maharadscha 
unter  einigen  in  seinen  spärlichen  Bart  gemurmelten  Wnrten  seine  beiden 
Sühne  vor,  einen  etwas  abgelebten  Jüngling  von  neunzehn  und  einen 
hübschen,  intelligent  blickenden  Knaben  von  fünf  Jahren. 

Nachdem  der  Maharadscha  sich  zurückgezogen,  theilte  sich  die 
Gesellschaft,  indem  ich  mit  Wurmbrand  auf  die  Pürsche  von  Rlack- 
bucks  und  verbotenen  Nilgaus  fuhr,  während  die  anderen  Herren 
»auf  Wasserwild  auszogen.  In  einem  Galawagen  mit  grüner,  silber- 
gestickter Kutschbockdecke,  wie  solche  bei  uns  gelegentlich  von  Auf- 
fahrten zur  Frohnleichnamsprocession  oder  bei  besonderen  Hoffesten 
üblich  sind,  rollte  ich  in  das  Dschungel,  herzlich  lachend  über  die 
neue  Art  von  Pürschvvagen,  den  ich  benützte.  Doch  da  wahrscheinlich 
alles,  was  in  der  ganzen  Gegend  kreucht  und  fleucht,  beim  .Anblicke 
meiner  Carosse  schleunigst  geflohen  wäre,  verließ  ich  dieselbe  bald  und 
drang  auf  gut  Glück  in  das  Dschungel  ein.  Die  Entwicklung  von  Pomp 
und  Pracht,  das  Aufgebot  von  Galawagen  und  Escorte  hei  der  Jagd 
sind  zwar  gewiss  recht  gut  gemeint  und  bezeugen  liebenswürdige 
Zuvorkommenheit,  aber  auch  geringeren  praktischen  Jagdsinn,  da 
doch  das  Wild  sich  wie  vor  jedem  anderen  Sterblichen  so  auch  vor 
einem  reisenden  Prinzen  scheut,  der  ab  und  zu  die  Rolle  des  gefeierten 
Gastes  gerne  ablegen  würde,  um  dem  edlen  Waidwerke  nur  nach  den 
Regeln  der  Kunst  zu  obliegen. 

Das  erste,  was  ich  in  dem  dünnen  Dschungel  erblickte,  waren 
einige  Hasen  und  ein  Fuclis.  Am  Rande  eines  kleinen,  sumpfigen 
Teiches,  der  mit  Unzahl   von  Wasserwild  bedeckt  war,  äste  ein 

kud'.-l   Hl;i.-i.-l>nc  ■'^ßMÖÄCheu  waren,    so  dass  ich  nur  einen 

ischwciGcn  kiinnte.    Auf  dem  gegen- 
üi/,lich  eine  Gais  in  voller 


d 


Flucht  aus  dem  Dschungel  hervorkommen  und,  ihr  nachsetzend,  ein 
pantherartiges  Thier,  das  ich  aber  der  großen  lintfernung  halber  nicht 
näher  bestimmen  konnte. 

Weiter  pürschend  erblicke  ich  im  Dschungel  hnks  von  mir  auf 
100)«  die  Läufe  und  das  Blatt  eines  Nilgaus  —  ich  gebe  Feuer,  das 
Stück  zeichnet  gut,  bald  finde  ich  Lungenschweiß  und  auf  200  nt 
vom  Anschüsse  verendet  einen  capitalen  Stier,  mein  erstes  Nilgau.  Ich 
jubelte  und  Colonel  Martelli  mit  mir.  Die  alte  Geschichte,  dass  verbotene 
Früchte  besonders  gut  munden!  Sofort  sandten  wir  das  Beutestück 
heimlich  zur  Eisenbahnstation,  damit  der  Maharadscha  nichts  erfahre 
und  unser  Stier   unbehelligt  nach  Agra  gelange. 

Dann  gieng"s  quer  durch  einen  Teich  in  ein  dichteres,  wildreiches 
Dschungel,  wo  ich  mehrere  größere  Rudei  von  Black-bucks  antraf, 
aber  nur  einen  starken  Bock  in  voller  Flucht  erlegen  konnte.  Überali 
huschten  im  trockenen  Grase  Schakale  und  Pfauen  umher,  während 
Tausende  von  Tauben  über  mir  hinwegstrichen.  In  weiter  Ferne  sah 
ich  noch  einzelne  Nilgaus,  doch  ohne  zum  Schusse  zu  kommen.  Ein 
gar  zu  kecker  Schakal  erlag  meiner  Kugel. 

Nun  kam  der  Hauptbestandtheil  jeder  In  Indien  arrangierten  Jagd, 
das  Luncheon,  bei  welchem  ich  mit  dem  anderen  Theile  der  Jagdgesell- 
schaft wieder  zusammentraf.  Von  meinen  heimatlichen  Jagdausflügen 
her  gewohnt,  auf  der  Mutter  Erde  hingestreckt,  mit  etwas  kalter  Küche 
vorlieb  zu  nehmen,  kann  ich  mich  mit  der  englischen,  wenn  auch 
verschwenderisch  gastfreundlichen  Auffassung  eines  Jägerfrühstückes 
nicht  befreunden.  Mit  den  Empfindungen  meines  Jägerherzens  und  der 
Poesie  des  Dschungel-  und  Trapperlebens  lässt  sich  ein  opulentes, 
luxuriös  ausgestattetes  Gastmahl  nicht  vereinbaren.  Müdigkeit,  Hunger 
und  Durst  zu  ertragen,  gehört  eben  auch  zu  den  stählenden  Freuden 
des  U'aidwerkes.  Mitten  in  dem  von  Lianen  durchzogenen  Buschwerke 
prangt  hier  —  umkreist  von  Nilgaus,  Schakalen,  Tigern,  Panthern  und 
anderen  Bestien  —  ein  Speisezelt  von  riesigen  Dimensionen;  daneben 
erhebt  sich  ein  Küchenzelt  zur  Bereitung  der  warmen  Speisen  und 
endlich  noch  ein  Zelt,  in  welchem  die  Jäger  Toilette  machen,  ja  mitunter 
sogar  den  Frack  anlegen  sollen.  Dem  Zwange  dieses  Kleidungsstückes 
füge  ich  mich  im  Dschungel  nicht,  auf  die  Gefahr  hin,  dass  ich  Anstoß 
errege;  ich  bitte  ab,  doch  kann  ich  nicht  anders,  das  Jagdkleid  ist  stärker 
als  der  Frack.  Im  Speisezelte  ist  eine  Tafel  aufgeschlagen,  wie  für 
einen  Hochzeilsschmaus  —  silberne  Aufsätze,  Jardinieren  mit  Blumen 
gefüllt,  silbernes  Besteck,  gedruckte  Menu-Karten.  Zehn  Gänge  zählt  das 


Mahl  unJ  Weine  aus  aller  Herren  Ländern,  namentlich  Champagner, 
fließen  in  Strömen,  Derart  wird,  was  des  Waidmanns  frugaler  Imbiss, 
gewürzt  durch  einen  Trunk  aus  der  Feldflasche,  sein  soll,  zu  einer  Fett; 
champetre,  zu  dem  geeigneten  Abschlüsse  einer  allenfalls  mit  Damen 
unternommenen  Landpartie.  So  frühstückten  wir  denn  durch  einige 
Stunden,  um  dann,  schwer  und  träge  geworden,  wieder  dem  Waid- 
werke, der  in  Aussicht  gestellten  Wasserjagd,  die  sich  in  ihrer  Art 
ebenso  interessant  als  originell  gestaltete,  zu  obliegen. 

Drei  große  Teiche,  nur  durch  schmale,  niedrige  Dämme  von 
einander  getrennt,  dehnen  sich  zu  einer  bedeutenden  Wasser-  und  Sumpf- 
fläche  aus,  auf  der  es  von  Wild  im  wahren  Sinne  des  Wortes  wimmelt 
Die  Teiche  sind  von  dichten,  an  Wasseradern  reichen  Dschungeln 
umgeben,  die  einen  beliebten  Schlupfwinkel  für  Nilgaus,  Gazellen, 
Schakale  und  allerlei  Wasserwild  bieten.  Bevor  die  ersten  Schüsse 
gefallen  waren,  konnte  man  da  Kraniche,  allerlei  Storch-  und  Reiher- 
arten, Gänse,  Enten,  Cormorane.  Wasserhühner,  Taucher,  Schnepfen 
und  Wasserläufer  beobachten,  während  in  der  Luft  -■Xdler,  Geier  unJ 
Weihen  aller  möglichen  Arten  kreisten;  ein  Seeadler  holte  sich  auf 
10  Hl  von  mir  einen  Fisch  aus  dem  Wasser, 

Wir  nahmen  auf  einem  der  schmalen  Dämme  hinter  Schirmen 
.Stellung,  Auf  ein  gegebenes  Zeichen  begann  der  Trieb  durch  das 
Röhricht  und  den  Teich  gegen  uns  zu,  wobei  als  Treiber  sieben  groUe 
Elephanten  dienten,  die  ganz  willig  selbst  in  das  tiefere  Wasser  giengen 
und  das  Wild  aufstöberten.  Nach  den  ersten  Schüssen  hoben  sich  wahre 
Wolken  von  Wasserwild,  das  von  der  Linie  der  Schützen  eifrig 
beschossen  wurde.  Noch  nie  habe  ich  solche  Massen  von  Wasserwild 
an  einem  und  demselben  Flecke  vereinigt  gesehen;  doch  suchten  leider 
die  seltenen  und  scheuen  Exemplare,  besonders  die  Kraniche,  Störche 
und  Reiher  sehr  bald  das  Weite,  so  dass  mir  nur  zwei  schneeweiße 
Silberreiher  (.\rdea  alba,  im  Winterkleide)  zur  Beute  fielen.  Lange  konnte 
ich  die  in  unermess! icher  Höhe  ziehenden  Schwärme  von  Kranichen  und 
Störchen  mit  dem  Blicke  verfolgen.  Unausgesetzt  kamen  einzelne  Exem- 
plare sowie  ganze  Flüge  von  Gänsen  und  Enten  über  unsere  Köpfe 
gezogen,  so  dass  wir  bald  über  100  Stück  erlegt  hatten.  Fielen  die  Flüge 
wieder  auf  einem  der  drei  Teiche  ein,  so  gieng  alsbald  ein  Elephanl 
bedächtigen  Schri|||§^or,  um  das  Wild  neuerlich  aufzutreiben.  Sowohl 
Wurmbrand  alf'  *  ~  lossen  Q^se  seltener  Arten;  doch  konnten  die 
gierenden  Kulis  die  erlegten  Thiere 
fllreiche  Knien.  gröUtentheils  Stock- 


ungeschickten,: 
nicht  finden-  ' 


enlen  (Anas  boscas),  dann  Mittelenten  (Anas  slrepera),  Löffelenten  und 
Spießenten  (Anas  acuta),  sowie  Cormorane  und  fünf  Hlässhühner 
zur  Beute. 

Die  anderen  Herren  hatten  ebenfalls  zahlreiche  Enten  erlegt, 
meistens  auch  solche  Arten,  wie  sie  in  Europa  vorkommen,  nur  Captain 
Kairholme  schoss  eine  seltene  BuntschnabeÜge  Ente  (Anas  poecilo- 
rhyncha).  Letzterer  hatte  überhaupt  Waidmannsheil,  da  ihm  sieben 
Ottern  auf  wenige  Schritte  angeschwommen  kamen,  deren  er  eine 
erlegte.  Auf  unser  Befragen,  weshalb  er  denn  die  anderen  nicht  auch 
geschossen  habe,  antwortete  er:  >VVas  hätte  ich  mit  ihnen  anfangen 
sollen?«  Ottern  sind  eben  nicht  essbar  und  die  Engländer  erlegen 
in  Indien  merkwürdigerweise  nur  reißende  Thiere,  sowie  genießbares 
Wild,  während  sie  andere  Thiere,  seien  sie  auch  noch  so  interessant, 
in  der  Regel  nicht  beachten. 

Nach  zwei  Stunden  war  die  Jagd  zu  Ende,  doch  versuchten  wir 
noch   zum  Schluss   einen  combinierten  Streif  in  dornigem   Gebüsche. 
wobei  ich  einen  flüchtigen,  auffallend  starken  Nilgau-Stier  streckte  und 
einen  Black-buck  anschweißte,  dessen  wir  jedoch  wegen  Mangels  an  Zeit 
zur  Nachsuche  nicht  habhaft  wurden.  Während  der  Rückfahrt  schoss 
ich  noch  vom  Damm  aus  eine  im  Dschungel  niedergethane  Nilgau-Kuh. 
Die  Hora   legalis  für  die  Rückkehr   nach   Agra  war  stark   über- 
schritten und  der  Extrazug  wartete  bereits  seit  zwei  Stunden,  als  ich  in 
Begleitung  des  Maharadschas,  der  sich  mir  in  der  Stadt  angeschlossen 
hatte,  auf  der  Station  eintraf.  Der  düstere  Herrscher  erkundigte  sich 
lebhaft  nach  dem  Ausgange  der  Jagd,  doch  wurden  ihm  die  verpönten 
Nilgaus  bis  auf  ein  -aus  Versehen»  erlegtes  Stück  verschwiegen.  Eine 
larte  Andeutung  des  Residenten,  dass  die  Nilgaus  für  die  Feldcultur 
^ehr  schädlich   seien,  schien   der  Fürst    nicht   zu   bemerken.   Bei   der 
Abfahrt  des  Zuges  erdröhnten   2i   Salutschüsse  und  nach   anderthalb 
Stunden   waren   wir  wieder  in  Agra,  wo  wir  zu  unserem  Leidwesen 
Kinsky  noch  immer  nicht  wohler  fanden. 


^P  Agra  —  Bhartpur,   15.  Februar. 

Die  Jagd  und  besonders  das  Jagdterrain  des  Vortages  hatten  uns 
*o  sehr  angesprochen,  dass  wir  den  Beschluss  fassten,  noch  einen 
'au  zu  einem  abermaligen  Ausfluge  nach  Bhartpur  zu  verwenden  und 
^lait  am  Morgen  erst  des  .\bends  nach  Dehli  zu  fahren.  Um  7a8  Uhr 
""Jfgens  stand  unser  Extrazug  bereit.  Ich  ließ  den  Eisenbahn-Director 


bitten,  bei  dem  Teich,  auf  welchem  wir  tagszuvor  so  zahlreiches 
Sumpfwild  gesehen,  Halt  zu  machen,  eine  Proposition,  die  anfänglich 
der  entgegenkommenden  Züge  wegen  auf  Schwierigkeiten  stieß,  bis 
endlich   der  gestrenge   Director  fünf  Minuten   Aufenthaltes   bewilliglt 

An  Ort  und  Stelle  angelangt,  sprangen  wir  aus  den  Waggons 
und  feuerten  in  die  Schwärme  abstreichender  \'ögel.  Ein  Riesenstorch, 
sowie  drei  Enten  waren  das  Ergebnis  der  ersten  Salve.  Eben  hatten  wir 
das  Signal  zum  Weiterfahren  gegeben,  als  ein  Conducteur  eine  Strecke 
auf  dem  Bahnkörper  zurücklief  und  einen  prächtigen  Rosen-Pelikan 
(l'elecanus  roseus)  brachte,  den  er  stürzen  gesehen  hatte.  V'ermuthlich 
war  bei  der  Kanonade  auf  den  Riesenstorch  ein  rückwärts  streichendi;r 
Pelikan  durch  ein  Schrotkorn  getroffen  worden;  denn  keiner  von  uns 
hatte  direct  auf  einen  solchen  gezielt. 

In  voller  Fahrt  erlegte  ich  von  der  Plattform  meines  Coupes  aus 
noch  einen  streichenden  Riesenslorch  und  einen  fischenden  Metallstureh, 
wie  wir  den  Weißhalsigen  Storch  wegen  seines  glänzenden  Rücken- 
gefieders tauften.  Der  Locomolivführer  hatte  das  Kallen  der  beiden 
großen  Vogel  bemerkt  und  hielt  den  Zug  an,  so  dass  wir  das  WüJ 
holen  konnten.  Nun  wurde  die  Zugsbegleitung  von  einer  wahren  Leiden- 
schaft für  die  Jagd  ergriffen,  und  als  wir  bald  nachher  ein  Rudel  Nilgaus 
zu  Gesicht  bekamen,  stand  der  Zug  sofort  still,  worauf  WurmbranJ 
eine  Kuh  schoss,  die  in  den  Packwagen  wanderte. 

Kaum  wieder  in  Bewegung  gesetzt,  wurde  der  Zug  nach  einigen 
hundert  Metern  neuerlich  gebremst,  die  Conducteure  eilten  herbei  unJ 
zeigten  uns  ein  Rudel  Nilgau-Stiere,  die  in  einem  dichten  Dschungel 
ästen.  Die  Herren  waren  flugs  mit  ihren  Stutzen  aus  den  Waggons, 
während  ich  nur  als  Zuschauer  fungierte,  da  ich  ja  schon  tagszuvor  drei 
Nilgaus  erlegt  hatte,  Clam  streckte  einen  Stier  im  Feuer,  Wurmbrand 
schweißte  einen  anderen  stark  an,  den  er  nach  langer  Nachsuche  endlich 
ausmachte,  Prönay  fehlte  einen  Stier  in  der  Flucht.  Nun  erwachte  aber  in 
mir.  obschon  ich  nur  Beobachter  hatte  bleiben  wollen,  doch  auch  die 
Jagdpassion,  und  da  Clam  so  freundlich  war,  mir  seinen  Stutzen  zu 
leihen,  eilte  ich  im  Laufschritte  der  Herde  nach  und  erlegte  noch  glück- 
licherweise einen  sehr  starken  Stier  in  der  Flucht.  So  hatten  wir  vom 
Zug  aus  in  der  kürzesten  Zeit  drei  Nilgau-Siiere  und  eine  Nilgau-Kuh 
auf  der  Decke. 

Der  Train,  geführt  von  der  jagdeifrigen  Begleitung,  fuhr  bald  vor. 
bald  zurück,  je  nach  der  Richtung,  in  der  sich  die  Jagd  zog.  so  dass 
wir  das  erlegte   Wild   sofort   verladen    und   selbst  wieder  einsteigen 


konnten.  Ich  habe  schon  zu  Fuße,  zu  Prerd,  im  Wagen  und  im  Boote 
gepürscht,  aber  eine  »Pürsche  mit  einem  Eisenbahnzuge«  zum  ersten- 
male  mitgemacht,  kann  dieselbe  nur  als  höchst  gelungen  bezeichnen 
und  —  jedermann  bestens  empfehlen. 

Wir  kamen  mit  einstündiger  Verspätung  in  Bhaitpur  an,  wo  uns 
der  sehr  erstaunte  Maharadscha  abermals  empfieng,  nicht  ohne  ernste 
Blicke  durch  die  Fenster  meines  Waggons  zu  werfen,  in  welchem  die 
großen  Vögel  zum  Trocknen  aufgehängt  waren.  Von  den  >gewild- 
schützten*  Nilgaus  ahnte  er  zum  Glücke  nichts. 

Nach  einem  Frühstücke  bei  dem  liebenswürdigen  Colonel  Martelli 
entwarf  ich  den  Schlachtplan  und  beschloss  mit  allen  Herren  ein:;n 
großen  Streif  durch  das  ganze  Dschungel  zu  unternehmen,  in  dem  ich 
tagszuvor  gepürscht  und  zahlreiche  Nilgaus,  sowie  Schakale  gesehen 
hatte.  Letztere  waren  jedoch  leider  nicht  zu  finden,  da  sie,  durch  das 
gestrige  Schießen  beunruhigt,  ausgewandert  zu  sein  schienen.  Hin- 
gegen schoss  ich  gleich  zu  Beginn  der  Jagd  drei  der  kleinen  Indischen 
Hasen  (Lepus  ruficaudatus),  ferner  mit  der  Kugel  einen  prachtvollen 
Antigone-Kranich  mit  purpurrothem  Kopfe. 

Scharen  von  heiligen  Pfauen  und  Tauben,  ferner  zahlreiche  Nilgaus 
und  Black-bucks,  die  aber  selbst  auf  Kugeldislanz  nicht  Stand  hielten, 
waren  zu  sehen.  Da  das  Wild  noch  viel  zu  rege  war,  so  bat  ich  Colonel 
Martelli,  uns  in  dem  Dschungel  streifen  zu  lassen,  welches  den  einen 
der  Teiche  umgibt  und  gestern  nur  von  den  treibenden  Elephanten 
passiert  worden  war.  Um  rascher  dahin  zu  gelangen,  bestiegen  wir  die 
Elephanten  und  durchquerten  einen  der  Teiche,  wobei  wir  beobachten 
konnten,  wie  sicher  die  klugen  Dickhäuter  selbst  in  tiefem  Wasser 
giengen,  indem  sie,  langsam  schreitend,  stets  vorsichtig  den  Unter- 
gnmd  sondierten,  bevor  sie  die  mächtigen  Füße  aufsetzten.  Hiebei 
spielten  sie  ununterbrochen  mit  den  Küssein,  nahmen  Wasser  auf, 
spritzten  es  wieder  aus  und  ästen  die  zahlreichen  Wasserpflanzen  ab. 
Ich  benützte  diesen  Ritt,  um  mich  für  die  Jagd  in  Nepal  etwas 
cinzuschießen;  denn  infolge  der  fortwährenden  Unruhe  des  Elephanten 
ist  der  ungewohnte  Schuss  aus  der  Häuda,  wie  ich  mich  schon  in 
'l'andur  überzeugt  hatte,  anfanglich  sehr  unsicher.  Bei  dem  ersten  Ver- 
suche fehlte  ich  auch  eine  erkleckliche  Zahl  von  Enten  und  Cormo- 
ranen,  und  nicht  besser  ergieng's  mit  der  Kugel,  da  ich  gleich  nach 
Jtm  Eindringen  in  das  Dschungel  ein  Nilgau  fehlte.  Nur  ein  Riesen- 
storch,  dieser  herrliche  Vogel  der  hiesigen  Sumpfwell,  fiel  mir  zur  Beute. 
lerall   krachten   lustig  die   Büchsen,   und   als   wir  auf  einer  kleinen 


Lichtung  zusammentraren,  hatte  der  von  St.  Hubertus  stets  begünstigte 
Clam  eine  reizende  Indische  Gazelle,  sogenannte  Chinkara  (Gazella 
bennelti)  und  zwei  Schakale  aufzuweisen. 

Da  mir  das  Reiten  auf  dem  Elephanten  und  das  Fehlschießen  recht 
unangenehm  war,  formierte  ich  mich  mit  den  Herren  wieder  zu  FuS 
und  drang,  nicht  ohne  bedeutende  Schäden  an  Haut  und  Kleidern,  durcii 
das  dichte  Dornengehüsch,  wo  die  Ausbeute  eine  reichliche  war.  PnJnay 
und  ich  erlegten  noch  je  einen  Nilgau-Stier;  ferner  kamen  Schakale, 
kebhtlhner,  Wachteln  und  Hasen  zur  Strecke.  Wie  gewöhnlich  in 
so  dichtem  Buschwerke  war  die  Schützenlinie  etwas  in  Unordnung 
gekomtnen,  so  dass  es  einiger  Zeit  bedurfte,  bis  wir  uns  an  dem  Kende;;- 
vous  zusammengefunden  halten,  um  vergnügt  über  den  gelungenen 
.Streifzug  die  Wagen  zu  besteigen  und  nach  Bhartpur  zu  fahren. 

Aus  einem  oder  zwei  nur  «aus  Versehen«  zu  schießenden  Nilgaus 
waren  deren  neun  geworden;  ich  hoffe  aber,  dass  der  Maharadscha, 
sollte  er  je  den  Frevel  erfahren,  uns  als  eifrigen  Jüngern  Dianens  ver- 
zeihen und  seinem  Unwillen  nicht  an  anderen,  schuldlosen  Wesen  Lull 
machen  werde.  Beim  .■\bschiede  von  Bhartpur  war  der  Maharadscha  sehr 
freundlich,  schenkte  mir  sein  Porträt  sowie  einen  aus  Elfenbeinstreifen 
zusammengestellten  Fliegenwedel  und  ließ  abermals  Salutschüsse 
abfeuern,  dass  es  eine  Freude  war.  Hätte  er  schon  von  den  Nilgaun 
gewusst,  die  Trennung  wäre  sicherlich  keine  so  herzliche  gewesen! 

Als  wir  nach  Agra  zurückgekehrt  waren,  machten  wir  allerlei 
Handelsgeschäfte  —  in  unserem  Palais  hatte  sich  ein  förmlicher  BazW" 
entwickelt  —  kurz  ab,  nahmen  von  Kinsky,  der  seines  Fiebers  wegen 
vorläufig  zurückbleiben   musste,   Abschied  und  fuhren  gegen  9  V)^f 
abends  noch  einmal  zum  Tadsch;  denn,  da  uns  das  Wetter  bei  de*" 
ersten   Besichtigung  einen  so  argen   Possen  gespielt   hatte  und  auc^ 
jetzt  der  Mond    nicht  schien,   wollte   ich  Agra  nicht   verlassen,  ohn^ 
jenes    herrliche     Bauwerk    wenigstens    bei    künstlicher    BeleuchtunfS 
gesehen  zu  haben.  Letztere  erfolgte  mittels  bengalischer  Kerzen;  dies«^ 
wurden    von   Hunderten   von    Eingebornen   gehalten,    welche   auf  de*' 
Dächern   der  beiden   im   Garten   befindlichen  Seitenmoscheen    postiert 
waren,   und   sich   da  oben    ausnahmen,    wie   Neros   lebende    Fackeln. 
Die  Wirkung  der  Beleuchtung  war  geradezu  feenhaft,  und  sprachlos 
bewunderte    ich    die    ruhige   Pracht    und    Majestät    dieses    herrlichen 
Bildes.   In   blendend   leuchtendem   Weiß   lag  das  Juwel  orientalischer 
Baukunst  vor  mir,  dunkel  hoben  sich  die  Contouren  der  Bäume  sowie 


des  Cedero 


ib  und  ringsum  heri-schte  tiefe  Stille  der  Nacht.  Mir 


M 


war's,  als  umfächle  meine  Sinne  der  Odem  des  längst  versunkenen 
Jahrhunderts,  das  in  seinem  Meisterwerlie  seine  Größe  bezeugt.  Wir 
traten  in  eine  der  Moscheen  und  ließen  die  bengalischen  ICerzen  zuerst 
verlöschen  und  dann  wieder  anzünden,  so  dass  wir  durch  das  Thor  der 
Moschee  den  Tadsch  wie  in  einem  Kahmen  schauten.  Da  erstrahlten 
mild  wie  Mondschein,  die  bengalischen  Flammen  über  dem  stolzen 
Bau,  der,  als  war'  er  aus  Licht  gewoben,  zauberhaft  emporragte  —  ein 
hinreißender  Anblick.  Versunken  in  diesen  Genuss  standen  wir  lange, 
lange,  bis  Flamme  auf  Flamme  verloschen  und  das  entzückende  Bild 
in  dunkler  \acht  entschwunden  war. 

Kurze  Zeit  danach  gieng's  auf  der  Linie  der  East  Indian  Haihvay 
über  Tundla  und  Aligarh  nach  Dehli  weiter. 


Dehli-   AI  war. 


tim'\-A.m», 


Dehli  — Alwar. 


Dehii.  16.  Februar. 

h  einer  nicht  eben  in  behaglicher  Wärme  verbrachten  Nacht 
ifcn  wir  früh  morgens  bei  Regen  und  Kälte  in  Dehli  ein.  O,  oft 
phesene,  ebenso  häufig  getadelte  Wärme  Indiens,  wo  bist  du? 

Dehli,  »das  Hom  Asiens«,  eine  der  ältesten,  grööten  und  auch 
inzendsten  Städte  des  Pendschäb,  ja  ganz  Indiens,  war  einst  die 
utikvolle  Residenz  der  Großmoguln.  Seit  1803  in  britischem  Besitz,  ist 
auch  heule  noch  den  Hindus  heilig  durch  den  Dschamna- Strom, 
n  Moslemin  verehrungswürdig  durch  die  großartige  Moschee  Schah 
'Chehans.  Das  heutige  Dehli,  nordnordwestlich  von  Agra,  am  rechten 
fcr  der  Dschamna  gelegen,  füllt  den  Norden  jener  weiten,  fruchtbaren 
id  klimatisch  begünstigten  Ebene  aus,  welche,  von  den  Mewät-Hügeln 
lerseits,  von  dem  Strom  andererseits  begrenzt,  seit  uralter  Zeit  eine 
ädtiscbe,  strategisch  wie  commerziell  bedeutende  Niederlassung  ent- 
»Iten  hat. 

Diese  hat  jedoch  im  Laufe  der  Jahrtausende  —  bald  diesen,  bald 
"en  Theil  der  Ebene  erfüllend  —  häufig  den  Standpunkt  gewechselt 
nd  immer  wieder  dem  Verfalle  preisgegeben,  so  dass  das  Dehli  unserer 
age,  wiewohl  eine  Stadt  mit  etwa  200.000  Einwohnern,  nur  als  ein 
leiner  Theil  alles  dessen  erscheint,  was  in  den  verschiedensten  Perioden 
*ehli  dargestellt  hat.  Umfasst  ja  doch  das  Ruinenfeld  von  Dehli  155  km". 


Obwohl  Knotenpunkt  mehrerer  Eisenbahnhnien,  an  einem  schiff- 
baren Strome  und  im  Bereiche  wohlbewässerten  Landes  gelegen,  erscheint  ■ 
Dehli,  wenn  es  auch  heute  noch  immer  die  regste  und  größte  Handels-  | 
und  Industriestätte  des  gesammten  Pendschäb  ist,  doch  aus  politischer, 
wohl  mit  der  verhängnisvollen  Empörung  des  Jahres  1857  im  Zusam- 
menhange stehenden  Rücksichten  nach  und  nach  von  der  britischen 
Verwaltung  zu  einer  Provinzialstadt  herabgedrückt. 

Durch  den  strömenden  Regen,  der  uns  in  Dehli  thränenreich 
begrüßte,  ließen  wir  uns  nicht  abhalten,  nach  kurzer  Rast  in  unserem 
Quartiere,  dem  Metropolitan  Hotel,  eine  Rundfahrt  durch  die  Stadt 
anzutreten.  Diese  stellt  nahezu  einen  Halbkreis  dar,  wozu  der  die  Stadt 
bespülende  Theil  des  Stromes  etwa  den  Durchmesser  bildet. 

Wir  wandten  uns  zunächst  dem  Fort  zu,  das  den  einstigen  Palast 
der  Großmoguln  einschließt.  Dieses  liegt  im  östlichen  Theile  der  Stadt, 
hoch  über  der  Dschamna  und  ist  dem  Fort  von  Agra  so  ähnlich,  dass 
es  eine  .Miniaturausgabe  desselben  genannt  werden  darr.  Es  ist  aus 
rothem  Sandstein  erbaut,  von  einer  hohen.  S'/a  t:m  langen  Ringmauer 
und  von  einem  Wallgraben  umgeben  und  mit  schönen  Thoren 
geschmückt.  Das  hauptsächlichste  Interesse  erweckt  selbstverständlich 
Jener  Theil  des  Innenraumes,  welcher  den  Palast  enthielt,  der  Schah 
Dschehan  seine  Entstehung  verdankt.  Während  .\kbar  vorwiegend  zu 
.\gra  und  Labore  seine  Residenz  aufgeschlagen  hatte,  verlegte  Dschehan 
seinen  Sitz  nach  Dehli,  wo  er  im  Norden  der  Stadt,  welche  schon  sein 
.^hne  Humäyün  bewohnt  hatte,  ein  neues  Dehli  gründete,  dem  er  den 
Namen  .Schäh-Dschehanabad  beilegte. 

Wie  das  Fort  von  Agra,  so  enthält  auch  die  Burg  von  Dehli 
herrliche  Paläste,  Hallen,  Säle,  Moscheen;  doch  ist  ihre  Anzahl  weil 
geringer,  als  im  Fort  zu  Agra,  da  die  Engländer  nach  Unterdrückung 
des  großen  .\ufstandes  vom  Jahre  1857.  der  in  Dehli  mit  der  Ermordung 
der  hier  ansässigen  Europäer  durch  Schah  Bahädur  seinen  Anfang 
genommen  hatte,  einen  großen  Theil  der  Baulichkeiten  des  Forts 
schleiften,  um   an   deren  Stelle   Kasernen   und   Batterien  zu  errichten. 

Durch  die  Musikhaile  (Nakar  khana  oder  Naubakhana)  ein- 
tretend, besahen  wir  vorerst  die  beiden  für  Audienzen  bestimmten 
Räume.  Die  an  drei  Seiten  offene,  von  Säulen  aus  rothem  Sandsteine 
getragene,  große  Audienzhalle,  üiwan-i-Am,  weist  allerhand \'erzierungen 
auf,  insbesondere  erscheinen  der  Thron  sowie  die  Wand,  an  welcher 
sich  dieser  in  einer  Nische  erhebt,  mit  Malereien  und  köstlichen 
Mosaiken  aufs  reichste  verziert. 


^B  Mit  den  Renovierungsarbeiten,  welche  die  englische  Regierung  I 
in  neuester  Zeit  an  diesen  und  den  Wänden  vieler  anderer  Baudenkmale 
vornehmen  Heß,  vermag  ich  mich  nicht  zu  befreunden;  denn  so  löbüch 
auch  die  Absicht  dieses  Beginnens  ist,  scheint  mir  dasselbe  doch  etwas 
weit  zu  gehen.  Meines  Erachtens  wirkt  die  ursprüngliche,  alte  Flächen- 
decoratiun,  ob  Malerei,  ob  Mosaik,  und  mag  sie  noch  so  schadhaft  sein,  in 
den  sonst  unverändert  belassenen  Hallen  weit  stilvoller  und  jedenfalls 
stimmungsvoller  als  die  Imitationen  mit  ihrem  frischen  Goldglanz  und 
ihren  schreienden  Farben,  welche  an  die  Stelle  der,  wenn  auch  ver- 
blichenen und  verstümmelten,  doch  originalen  Ornamente  treten.  Aller- 
dings bildet  die  Frage,  ob  und  wieweit  die  Renovierung  schadhafter 
Kunstwerke  überhaupt  gehen  darf,  einen  Gegenstand  steter  Controverse 
zwischen  den  Sachverständigen,  welche  für  die  vollkommene  Wieder- 
herstellung der  ursprünglichen  Erscheinung  eintreten  und  dem  vielleicht 
unbewusst  nicht  minder  feinfühligen  Laien.  Ich  erinnere  hier  nur  an  die 
Säuberung  der  Innenwände  der  Stephanskirche  von  der  Patina;  diese 
Restaurierung  hat  bei  der  großen  Menge  die  Sehnsucht  nach  dem 
vormaligen,  fast  mystischen  Helldunkel  erweckt,  welches  dem  Dome 
eine  eigenartige,  ruhige  Schönheit  verlieh.  Ebenso  würde  es  mir  als 
l'rofanation  erscheinen,  wenn  etwa  der  Plan  gefasst  werden  sollte,  die 
Statue  der  Venus  von  Milo  durch  Hinzufügung  der  ihr  mangelnden 
.\rme  zu  ergänzen. 

Der  kleine  Audienzsaal,  Diwan-i-Khas,  im  Fort  von  Dehli  ist  ein 
offener,  ganz  aus  Marmor  errichteter,  mit  Goidomamenten  und  Pietradura 
geschmückter  Pavillon,  An  der  Ostseite  dieses  Saales  stand  einst  der 
berühmte  goldene,  mit  den  kostbarsten  Edelsteinen  geschmückte  Pfauen- 
thron (Tacht-i-täus),  welchen  Nadir  Schah,  der  persische  Eroberer 
flehlis,  als  vornehmstes  Stück  der  reichen  Kriegsbeute  1739  von  hier 
fortgeführt  hat.  In  derselben  Gebäudeducht  befinden  sich  auch  die  von 
Mamior  strotzenden  Privat-  und  Frauengemächer  des  Großmoguls  und 
die  Baderäume. 

An  der  Westseite  des  Diwan-i-Khas  steht  ein  überaus  graziöses 
Bauwerk,  die  Perl  -  Moschee  (Moti  Mesdschid),  sehr  kunstvoll  aus 
'''findend  weißem  Marmor  erbaut,  mit  Reliefs  und  zierlichen  Ornamenten 
Von  reinstem  Ebenmaße  geziert,  und,  wiewohl  von  kleinen  Dirtien- 
^Onen,  doch  durch  künstlerische  Gestaltung  und  Reichthum  des 
^t'hmuckes  höchst  bemerkenswert.  Das  Bronzethor  der  Moschee  ist 
<!"i  Meisterstück  getriebener  .Arbeit,  eines  Kunstzweiges,  der  in  Indien 
nucb  immer  erfolgreich  im  Schwünge  ist. 


Ks  hatte  wohl  nicht  gerade  viel  Divinationsgabe  seitens  der  finoüA 
S,  J.  Tellcry  &  Co.,  welche  hier  ihre  Hauptniedcrlage  und  Fabnk  kunst- 
{gewerblicher  Objecte  besitzt,  dazu  gehört,  unser  Kommen,  das  nun 
thatüächlJch  erfglgte,  zu  erwarten.  Über  dem  Thore  des  Etablissementj 

wülblc  sich  ein  anmuthigcr  Triumphbogen  mit  Bänderschmuck  in  äen 
usterreichihchen  und  den  ungarischen  I-'arben  und  mit  Spruchbändern, 
die  in  großen,  goldenen  Lettern  die  Worte  -Hoch«  und  -Eljen«  trugen. 
Wir  fanden  hier  so  ziemlich  dieselben  Gegenstände,  welche  wir  schon 
Von  Bombay  und  Colcuttu  her  kannten,  Kunstobjecte  und  Curiositäten 
aus  allen  Uegionen  Indien»,  aber  in  so  großer  Mannigfaltigkeit  und 
Auswahl,  dass  die  Kauflust  im  höchsten  Grade  angeregt  wurde  und 
sich  zu  unersättlicher  Begierde  steigerte. 

Den  Nachmittag  benützte  ich,  um  die  im  südlichen  Theil  Dehlis 
gelegene  berühmte  Moschee  Dschama  Mesdschid,  das  großartigste 
und  schönste  mohammedanische  Bethaus  Indiens,  in  Augenschein  zu 
nehmen.  Mächtige  Freitreppen,  auf  deren  Absätzen  allerlei  Händler 
und  Agenten  umherlungern,  führen  zu  den  grandiosen  Pforten  empor, 
welche  in  den  \'orhof  der  Moschee  Einlass  gewähren.  Dieser  V'orhof. 
ein  Quadrat  von  99  «i  Seitenlänge  bildend,  ist  an  drei  Seilen  von 
Säulengängen  mit  Eck-Kiosken  umschlossen,  welche,  von  der  Außen- 
seite der  gesammten  Anlage  betrachtet,  das  erste  Stockwerk  der  aus 
rothem  Sandstein  erbauten,  hohen  Mauer  gestalten.  Die  vierte  Seite  des 
Hofes  bildet  die  Moschee  selbst,  die  eine  Fläche  von  2243  tu'  bedeckt. 
Die  obenerwähnten  Pforten  tragen  über  dem  Kielbogen  des  Einganges 
(lallerien  und  Spitzkuppeln,  über  welche  hinaus  sich  schlanke  marmorne, 
mit  vergoldeten  Spitzen  gezierte  Minarets  erheben. 

Diese  um  das  Jahr  lt!58  erbaute  Moschee  trägt  denselben  Stil 
zur  Schau  wie  jene  zu  Agra,  und  auch  hier  ist  die  von  drei  Kuppeln 
überhöhte  Fa^ade  von  Minarets  begleitet,  während  der  Unterbau  aus 
rothem  Sandsteine  gefügt  ist.  Die  Kuppeln  und  die  Spitzen  der  beiden 
hohen  Minarets  hingegen  sind  aus  Marmor.  Diese  an  manchen  Stellen 
unharmonische  \'erschmelzung  von  Roth  und  Weiß  beeinträchtigt  den 
( lesammteindruck  einigermaßen;  besonders  missfie!  mir,  dass  die  weißen 
Marmorlareln  der  Kuppeln  abwechselnde  Reihen  schwarzer  Steine  auf- 
weisen. Ein  mir  neues  ^^IjMfend  ich  an  den  Minarets,  da  der  Sockel 
jedes  derselben  einenJ^^^^ben  Blumenkelch  bildet,  aus  dem  der 
schlanke  Thunn  itnpi^^^^^^IchftrSttner  ganzen  Höhe  entlang  von 
verticalcn.  .m  Jvi  SpilZi  RUiUinme  endigenden  Streifen  durch- 
zogen ibt.  »  


^™  In  einer  Ecke  der  Säulenhalle  der  Moschee  sehen  wir  das  eigent- 
liche Heiligthum,  einen  zierlichen  Marmorschrein  mit  Reliquien  des 
Propheten.  In  schmucklosen  Behältnissen,  die  jenen  gleichen,  welche 
Insectensammler  zur  Aufbewahrung  von  Küfern  zu  verwenden  pflegen, 
sind  hier  geborgen:  ein  feuerrothes  Haar  aus  dem  Barte  des  Propheten, 
die  abgetragenen  Pantoffel  Mohammeds,  Koransprüche  in  der  Hand- 
schrift der  Imams  Hiissain  und  Hassan  und  —  wie  wir  Jäger  uns  aus- 
drücken würden  —  die  'Fährte'  Mohammeds,  das  heißt  seine  in  Lehm 
abgedrückte  Fußspur, 

Von  der  Moschee  aus  durchschritten  wir  die  Hauptstraße  Dehlis, 
die  lange  Tschandni  Tschauk,  in  der  sich  Laden  an  Laden  drängt, 
Geschrei,  Lärm  jeder  Art,  Anpreisen  und  Feilschen  von  allen  Seiten 
ertönt,  dass  die  Sinne  schwinden  könnten. 

Der  Bazar  trägt,  gleich  der  ganzen  Stadt,  ebenso  wie  in  Agra, 
t:in  unverkennbar  muselmanisches  Gepräge  zur  .Schau.  Das  lebhafte 
Straßenbild  von  Dehli  lässt  uns  Typen  und  Trachten  schauen,  die  wir  in 
Caicutta  zum  Beispiel  vergeblich  suchen  würden.  Das  Hauptcontingent 
Jer  den  Bazar  belebenden  Menge  bilden  Moslemin  mit  buntem  Turban 
und  gesticktem  Kaftan,  mohammedanische,  verhüllte  Frauen  mit  farbigen 
Uüinkleidern  und  bunten  Tüchern.  Zwischen  solchen  Gestalten  bewegen 
sich  Hindus  und  in  auffällig  großer  Zahl  Afghanen.  Es  war  mir  inter- 
essant, die  hochgewachsenen,  kräftigen  Gestalten,  die  energischen,  ja 
trotzigen  Gesichtszüge  der  bärtigen  Afghanen  betrachten  zu  können. 
Das  selbstbewusste  Auftreten,  die  kräftige  Haltung  dieser  Hochlands- 
iöhne  machte  mir  glaubhaft,  dass  jeder  aus  diesem  unbändigen,  räube- 
rischen und  kriegerischen  Volke  das  eigene  Leben  so  wenig  als  jenes 
f-einer  .Mitmenschen  achtet  und,  will's  das  Schicksal,  mit  der  gleichen 
Kuhi;  zum  Morde  wie  zur  Kichtstätte  schreitet. 

Bei  Tellery,  wo  ich  am  Ende  des  rauschenden  Bazars  wieder 
landete,  besichtigte  ich  die  Werkstätten,  in  welchen  kunstgewerbliche 
'legenblände  nur  mit  der  Hand,  ohne  Zuhilfenahme  irgend  welcher 
Maschine,  von  äußerst  geschickten,  eingeborenen  Arbeitern  in  verhältnis- 
mäßig kurzer  Zeit  angefertigt  werden.  Ich  hätte  den  sonst  so  indolenten 
Eingeborenen  Indiens  solchen  Fleiß,  gepaart  mit  Geschicklichkeit,  nicht 
sJugemuthet,  .Mierdings  führt  ein  Landsmann,  ein  Wiener,  mit  fester  Hand 
den  Betrieb,  In  der  Werkstätte  für  Teppiche  erzeugen  acht-  bis  zehn- 
jährige Hindu-Knaben  die  schönsten  Gewebe,  während  in  einem  Xeben- 
faume  aus  verschiedenen  Holzsorten  bewundernswerte  Schnitzarbeiten 
kiiirchwegs   aus  freier  Hand  angefertigt  werden  und  Metallarbeiter  in 


Geschichtlich  ist  der  Platz  vor  dem  Mausoleum  Humäyüiis  dadurch 

l'interessant,  dass  sich  hier  der  letzte  Titular-Großmogul,  Bahädur,  wäh- 

Itend  des   Aufstandes  vom  Jahre   1857   den   Engländern    ergeben   hat. 

pas  über  Bahädur  verhängte  Todesurtheil  wurde    mit  Rücksicht  auf 

}as  hohe  Alter  dieses  Letzten  (1862  verstorbenen)  der  Großmoguln  in 

lebenslänglichen   Kerker  umgewandelt.    Die   beiden    Söhne   Bahädurs, 

■die  hier  gleichfalls  in  Gefangenschaft  geriethen,  fanden  während  ihrer 

■■Überführung  nach  Dehli  den  Tod,  da  sich  der  mit  der  Escorte  betraute 

I  Oflicier  angesichts  der  Gefahr,  diese  wichtigen  Gefangenen  durch  die 

1  massenhaft  den  Wagen  umdrängende  Volksmenge  befreit  zu  sehen, 

I  gezwungen  hielt,  die  Prinzen  eigenhändig  mit  der  Pistole  zu  erschießen. 

Auf  der  ganzen,  17  km  langen  Fahrt  von  Dehli  bis  Kutab  Minar 

1,  wie  gesagt,  die  Gegend  mit  Ruinen  bedeckt,  so  dass  unsere  Blicke 

I  unauHiörlich  ringsum  schweiften  und  unsere  Aufmerksamkeit  stets  aufs 

neue  erregt  wurde. 

Schon  von  weitem  winkt  uns  von  einer  kleinen  Anhöhe  der  Kutab 
.Minar  entgegen,  der  aus  der  Entfernung  den  Eindruck  eines  riesen- 
[  haften  Fabriksschlotes  macht,  in  der  Nähe  aber  durch  seine  gigantischen 
iFoTTnen,  in  denen  er  unversehrt  so  vielen  Jahrhunderten  getrotzt  hat. 
Itinser  Staunen  wachruft.  Der  Thurm,  eine  runde  Säule  darstellend,  hat 
leine  Höhe  von  84  m,  der  Durchmesser  beträgt  an  der  Basis  M'Smi, 
I  an  der  Spitze,  zu  der  eine  Treppe  von  378  Stufen  emporführt,  jedoch 
Inur  27  m.  Der  Thurm  gliedert  sich  in  fünf  durch  Gallerien  markierte 
|Ab<iälze;  die  drei  unteren,  aus  rothem  Sandstein  erbaut,  sind  cannelierte 
I  Schäfte,  die  beiden  oberen  aus  weißem  Marmor  mit  einfach  gehaltenen 
I  Cuinelierungen  verziert.  Der  Sockel  des  Thurmes  erscheint  bis  zur 
I  crsien  Gallerie  empor  mit  ausgemeißelten,  die  Cannelierung  bedeckenden 
I  Kuransprüchen  geschmückt. 

Ober  die  Entstehung  und  den  Zweck,  welcher  bei  der  Erbauung 

Jdcs  K'utab-ed-din  kä  Minar  vorwaltete,  herrschen  die  verschiedensten 

I  Meinungen.   Nach    der   einen   Version    sollte    der  Thurm   als    Mazinä 

I  (Muezzin-Thurm)  der  benachbarten,  jetzt  verfallenen  Moschee  Kutab-el- 

IIslam('Pol  des  Glaubens-)  dienen.  Andere  wollen  wissen,  der  Thurm 

'  sei  zu  Ende   des   12.  Jahrhunderts   von    einem   Fürsten,   namens  Rai 

Pithora,  erbaut  worden,  damit  dessen  Tochter  von  der  Spitze  der  Säule 

aus  den  heiligen  Dschamna-Strom  betrachten  könne;  eine  Erklärung, 

Welche  der  Vaterliebe   des  Erbauers  alle   Ehre  machen  würde.   Eine 

weitere  Tradition  besagt,  der  Kulab  Minar  sei  von  den  Hindus  gebaut. 

von  den  Mohammedanern    jedoch   umgestaltet   worden.    Für  letztere 

257  ,, 


Hypothese   spräche   das   Vorhandensein  der  zahlreichen   Ruinen  von 

Hindu-Tempeln  rings  um  den  Thurm,  obwohl  festzustehen  scheint, 
dass  der  Thurm.  von  König  Kutab-ed-din-Aibak  (t  1210)  begonnen,  von 
dessen  Lieblingssciaven  und  Thronerben  Altamsch  vollendet  worden  ist. 

Neben  den  er\vähnten  Ruinen  der  Hindu-Tempel  fallt  noch  ins 
Auge  ein  prachtvolles,  reichgeschmücktes  Thor,  das,  von  Alä-ed-din 
t,I295  bis  1313)  erbaut,  einst  die  Eingangspforte  der  Moschee  Kutab- 
el-lslam  gebildet  hat  Bemerkenswert  ist  an  diesem  Thore  die  Ver- 
quickung der  Hindu-Architektur  mit  dem  mohammedanischen  Stil  in 
der  Art  dass  Reliefs,  die  offenbar  aus  älteren  Hindu-,  beziehungsweise 
Dschaina- Tempeln  stitmmen,  hier  in  die  Bogen  und  Friese  indisch-sara- 
cenischen  Stils  eingemauert  sind.  Hier  hat  das  Kunstgefiihl  den  Racen- 
hass  überwunden! 

Ein  merkwürdiges  Object  ist  auch  die  berühmte,  viel  umstritlene 
Eisensäule«.  die  fast  7  ni  hoch  und  angeblich  aus  einer  Legierung 
von  Eisen.  Kupfer.  CuAd  und  Silber,  nach  Thompsons  .Ansicht  jedoch 
aus  reinem  Schmiedeeisen  hergestellt  ist.  Die  in  halber  Höhe  der  Säule 
angebrachte  Sanskrit-Inschrift  verewigt  den  Namen  des  siegreichen 
Rädscha  Dhawa.  der  diesen  •.Arm  seines  Ruhmes-  im  4.  Jahrhundert 
errichtet  haben  soll.  \'ermuihItoh  hat  die  Säule  einst  die  Figur  Wischnus 
getragen.  Eine  zweite  Inschrift,  mit  dem  Namen  Anang  Pals,  des  Gründer? 
der  Toniara-Dynastie,  hat  \'eranlassung  zu  der  allgemein  verbreiteten 
Tradition  gegeben,  die  Hisensüule-  sei  im  Jahre  1052  von  Anang  P«' 
errichtet  worden. 

Ich  erwähne  noch  das  kleine,  aber  mit  prachtvollen  Verzierungen 
geschmückte   Orabmal   .Al:,i:;isch'   und   das  Mausoleum  .Adam  Khan=- 


blgten,  der  eine  allerliebste  zahme  Gazelle  zum  Anlocken  des  Wildes  mit 
>ich  führte.  Das  Vorwärtsdringen  in  diesen  Ruinen  mit  den  spitzen 
Steinen,  den  Mauern  und  den  vielen  scharfen  Dornen  war  sehr  erschwert, 
loch  wurde  die  Mühe  gelohnt,  indem  ich  mehrere  Indische  Rebhühner 
'Ortygornis  pondiceriana),  sowie  vier  Stück  des  Bunten  Flughuhnes 
^terocles  fasciatus),  von  den  Engländern  »Sand  grouse«  genannt, 
erlegte.  Nach  einer  langen  Streifung,  eigentlich  einer  unausgesetzten 
Steeple  chase  über  Mauern  und  Steine,  kehrte  ich  mit  unserer  trefflichen 
Artilleriebespanniing  nach  Hause  zurück,  um  den  Abend  meinen  Auf- 
zeichnungen zu  widmen.  Hiezu  flackert  wohlthuend  prasselndes  Feuer 

im  Kamin,  heulen  Schakale  unter  meinen  Fenstern  ein  fremdartiges 

Concerl. 

Dehli.  18,  Februar. 

Ich  hatte  den  Wunsch  geäußert,  ein  indisches  Strafhaus  zu  sehen, 
wnrüuf  mir  bereitwilligst  Gelegenheit  gegeben  wurde,  die  Anstalt  zu 
besichtigen,  welche  im  Süden  von  Dehli  gelegen  ist.  Wir  passierten  das 
Dehli-Thor,  eines  der  zehn  Thore,  welche  die  8-8  km  lange  Wallmauer 
der  Stadt  durchbrechen,  und  befanden  uns  nach  kurzer  Fahrt  durch 
Jas  Trümmerfeld  Alt-Dehlis  vur  dem  etwa  500  Sträflinge  bergenden 
Gefangenhause. 

Durch  ein  doppeltes,  wohlverriegeltes  Thor,  das  einer  zweifachen 
Ringmauer  entspricht,  betraten  wir  den  Innenraum  und  sahen  ein  förm- 
liches Stadtviertel  kleiner,  ebenerdiger  Gebäude  vor  uns,  die,  zur  Auf- 
nahme von  Gefangeinen  bestimmt,  von  einander  getrennt  sind,  so  dass 
kttoerlei  Verkehr  der  Insassen  untereinander  stattfinden  kann,  wahrend 
»Ungewissen  Centralpunklen  aus  eine  genaue  Überwachung  möglich  ist. 
Im  allgemeinen  herrscht  hier  der  Grundsatz,  jeden  Sträfling  durch 
einige  Zeit  in  Einzelhaft  zu  haken,  bis  man  ihn  kennen  gelernt,  ich 
möchte  sagen,  seinen  Charakter  studiert  hat.  In  der  Einzelzelle  muss 
läer  Gefangene  arbeilen,  und  zwar  auf  ganz  primitive  Weise  täglich  ein 
^'estinimtes  Quantum  Korn  mittels  zweier  Mühlsteine,  die  mit  der  Hand 
bewegt  werden,  mahlen.  Ist  sein  Verhalten  ein  entsprechendes,  so  wird 
*r  zu  gemeinschaftlicher  Haft  und  Arbeit  mit  anderen  zugelassen,  hat 
V  jsdoch  im  entgegengesetzten  Falle,  oder  wenn  es  sich  zeigt,  dass  er 
^  *ineii  nachtheiligen  Einfluss  auf  seine  Genossen  nimmt,  die  ganze  Straf- 
*6it  in  ICinzelhafl  zu  verbüßen.  Besonders  schwere  Verbrecher,  ferner 
*<''che,  die  schon  aus  einem  Gefangenhause  entdohen  sind,  sitzen,  an 
^  Füßen  mit  schweren  Eisenstangen  gefesselt,  wie  wilde  Thiere  In 


offenen,  eisernen  Käfigen,  an  deren  Ende  sich  die  ebenfalls  offenen, 
mit  hartem  Lager  versehenen  Zellen  befinden.  In  einer  dieser  Zellen 
kauerte  ein  alter  Mann,  der  schon  dreimal  aus  einem  Strafhause  aus- 
gebrochen war.  Er  hatte  ein  Mittel  ersonnen,  die  dicksten  Eisensläbt 
zu  durchschneiden  —  Wollfäden,  die  er  sich  zu  verschaffen  gewussl. 
und  eine  Mischung  von  Öl,  Sand  und  Glassplittern.  Hiemit  rieb  er 
eine  Stelle  des  Eisengitters  so  lange,  bis  er  dieselbe  durchgeweLK 
hatte  und  entweichen  konnte.  Wohl  eine  der  größten  Geduld  proben! 
Zweimal  war  sie  von  Erfolg  gekrönt,  beim  dritlenmale  wurde  et 
ertappt.  Ein  anderer  Sträfling  hatte  sich  aus  abgekratztem  Blei  binnen 
drei  Monaten  einen  Schlüssel  construierl;  doch  wurde  das  kunsH'öilt 
Werkzeug  im  letzten  Augenblick  entdeckt.  Einen  besonders  wiUen 
Eindruck  machten  zwei  Afghanen,  deren  einer  wegen  Mordes  einge- 
zogen, der  andere  wegen  einer  ähnlichen  Übelthat  zu  37  Jahren 
schweren  Kerkers  verurtheilt  war. 

Die  Einzeizellen  enthalten  ein  Lager  aus  Lehm,  auf  das  eine 
Strohmatte  und  zwei  Kotzen  zu  liegen  kommen,  als  Bett;  die  weitere 
Einrichtung  bilden  ein  Trinkgefäß  und  die  schon  erwähnte  Mühle. 

Eine  eigene  Abtheilung  ist  für  Knaben  bestimmt,  unter  denen  man 
wahre  Galgengesichter  sieht;  eine  andere  für  Gewohnheitsverbrecher, 
welche  diese  heiligen  Hallen  schon  wiederholt  betreten  haben;  eine 
dritte  endlich  für  Weiber,  die  einige  äußerst  hässliche  und  verkonimene 
Individuen  in  ihrer  Mitte  zählten.  1 

Die  Kleidung  der  Sträflinge  ist  ganz  gleichmäßig;  sie  besteht 
aus  einem  kotzenartigen  Gewände,  darunter  einem  Leinwandlappen. 
welcher  um  die  Mitte  des  Leibes  geschlungen  wird.  Zur  Nahrung 
erhalten  sie  eine  nach  unseren  Begriffen  sehr  geringe  Ration,  und  üW'»'' 
des  Morgens  zwei  flache,  ungesäuerte  Brote  nebst  einem  Achtelliter  D* 
(einer  Art  von  Bohnen)  mit  Butter  und  Gewürzen,  zu  Mittag  eine  H&f*^' 
voll  gerösteten  Weizens,  abends  grünes  Gemüse  mit  zwei  Broten.  V^^ 
doch  befinden  sich  die  Sträflinge  wohl  und  sehen  gut  aus. 

Nach  der  Meinung  des  Gefängnis- Dircctors  soll  der  einz*^^ 
Fehler  des  Strafhauses  der  sein,  dass  die  Lebensweise  der  SträflifS 
daselbst  eine  viel  bessere  ist  als  die,  welche  sie  außerhalb  dessell?* 
rühren.  Klagen  wie  jene  des  Directors  verlauten  übrigens  auch  ' 
unserer  i  leimat,  wo  häufig  genug  Vergleiche  gezogen  werden  zwiscli  * 
der  Lebensführung,  deren  sich  selbst  schwere  Verbrecher  in  den  Str^' 
häusern  erfreuen,  und  den  Existenzbedingungen,  unter  welchen  uns^'' 
Soldaten    in    den    Kasernen    ihrem    Beruf  obliegen.     Ich    vermag  rf^ 


Ansicht  die  Berechtigung  nicht  ganz  abzusprechen,  dass  in  der  huma- 
nen Behandlung  der  Verbrecher  schwerer  Kategorie  zu  weit  gegangen 
und  hiedurch  der  Strafzweck  theilweise  vereitelt  wird. 

Ich  durchschritt  alle  Werkstätten,  in  welchen  die  Sträflinge  gemein- 
samer Arbeit  mit  den  einfachsten  Hilfsmitteln  obliegen.  Sie  erzeugen 
Cartonnage-  und  Töpferwaren,  Teppiche  und  aus  einem  an  allen  Fluss- 
ufern wachsenden  Grase  hübsche  Matten,  deren  ich  eine  große  Anzahl 
für  die  Corridore  von  Konopist  bestellte.  Auch  ihre  Kleidung  müssen 
die  Sträflinge  selbst  fabricieren. 

Kostbare  Zeit  gieng  verloren,  da  ich  mich  verleiten  ließ,  nach  der 
Rückkehr  in   die  Stadt  das    in   einem    geradezu    desolaten  Zustande 
befindliche  städtische  Museum  of  the  Institute  nächst  der  Tschandni 
Tschaukstraße  zu  besichtigen.  Von  dem  dort  herrschenden  Schmutze, 
der  überall  wahrnehmbaren  Verwahrlosung  und  dem  Kunterbunt  von 
Säugethieren,  Vögeln,  Bildern,  Gewändern,  allerlei  Hausrath  und  son- 
stigen ethnographischen  Gegenständen  sich  einen  Begriff  zu  machen, 
ist  schwer.  Immerhin  war  es  belehrend   zu  sehen,   wie   ein  Museum 
nicht  sein  soll. 

On   revient   toujours also  noch    einmal  zu  Tellery 

gewandert,    um   neuerlich    Einkäufe,   namentlich  von   Teppichen,  zu 
besorgen. 

Dann  wohnten  wir  vor  unserem  Hotel  mehreren  von  einigen  Ein- 
geborenen veranstalteten  Hahnenkämpfen  bei.  Wie  grausam  dieses 
Vergnügen  auch  ist,  so  entbehrte  es  doch  nicht  der  Anziehungskraft; 
denn  mit  staunenswerter  Tapferkeit  und  Kampfeslust,  ja  mit  Ingrimm 
hieben  die  braven  Hähne  mit  Schnabel  und  Sporn  auf  einander  ein,  bis 
kindlich  einer  der  Kämpfer  unterlegen  war. 

Abends  entführte  uns  der  Zug  nach  Alwar  (Ulwar),  das  nord- 
westlich von  Agra,  südwestlich  von  Dehli,  an  der  die  Rajputana-Malwa 
Kailway  einschließenden  Bombay,  Baroda  and  Central-India  Railway 
gelegen  ist,  welche  über  Ahmedabad  nach  Bombay  läuft. 

Alwar,  19.  Februar. 

Morgens  7  Uhr  wurden  wir  mit  der  Meldung  geweckt,  dass 
Wir  demnächst  in  Alwar  ankommen  würden.  Rasch  war  ich  ange- 
^<Wdet  und  betrachtete  vom  Coupefenster  aus  die  vollkommen  ver- 
änderte Gegend  —  überall  direct  aus  der  Ebene  emporsteigende  steile 
'fögel,  die   sehr   steinig   und   nur  von    spärlicher  Vegetation   bedeckt 

261 


warer;  einzelne  derselben  zeigten  scliarf  markierte  Formen  und  Cin- 
tüuren.  In  den  Feldern  neben  dem  Bahnkörper  stolzierten  unzatiltge 
heilige  Pfauen  umher. 

Der  Staat  Alwar,  welchen  ein  von  den  Briten  abhängiger  Fütm 
beherrscht,  gehört  zu  den  Staaten  Radschputanas,  jenes  umfangreichen, 
zwischen  der  Dschamna  und  dem  Indus  gelegenen  Gebietes  im  Nt^rJ- 
westen  Vorderindiens,  welches  bis  zur  Wüste  Tharr,  der  »Indischen 
Sahara«,  reichend,  gerade  an  deren  Rande  die  bedeutendste  Enhvlckc- 
lung  aufweist.  Unter  den  neunzehn,  in  sieben  britische  Agentien  etn- 
getheilten  Schutzstaaten  Radschputanas  nenne  ich  als  besonders 
bemerkenswert:  Dschodpur  (Jodhpore,  Marwar),  Dschaipur,  Udoipur 
(Mewar),  Bikanir,  Dholpur,  das  uns  schon  bekannte  Bhartpur  unJ 
Alwar.   Adschmir  (Ajmere)  ist  bereits  dem  britischen  Gebiet  einverleibt 

Alwar,  in  wasserarmer  Gegend  am  Fuße  eines  vom  Fort  Alwai 
gekrönten,  400  j«  hohen  Felskegels  gelegen  und  von  einer  zackigen 
Hügelkette  gedeckt,  ist  zu  Ende  des  verflossenen  Jahrhunderts  von 
Pratap  Singh,  —  aus  dem  von  Udaikaran  von  Dschaipur  (1367  Viis  1388i 
abstammenden  Hause  der  Karuka  —  einem  Vasallenfürsten  des  Maha- 
radschas von  Dschaipur,  gegründet  worden.  Unbotmäßig  und  ehrgeiiij; 
wanderte  Pratap  Singh  aus,  verschanzte  sich  an  der  Stelle,  wo  heute 
Alwar  steht,  und  gründete,  nachdem  ihm  der  Großmogul  von  Dehli 
einen  Freibrief  ertheÜt,  den  noch  bestehenden  .Staat.  Alwars  Fürsten 
gehören  zu  den  Emporkömmlingen  und  vermögen  sich,  wenn  auch 
vornehmen  Blutes,  doch  nicht  auf  so  ehrwürdige  Herrscherreihen  zu 
berufen,  wie  zum  Beispiel  der  Maharadscha  von  Dschodpur.  welcher 
den  Beginn  seines  Hauses  angeblich  bis  in  das  4.  Jahrhundert  n.  Chr. 
zurückzuleiten  vermag,  oder  wie  der  Fürst  von  Udaipur,  dessen  Ahnen 
nachweisbar  schon  im  8.  Jahrhundert  n.  Chr.  regiert  haben. 

Die  Staaten  der  Rajputana  Agency  stehen,  wie  gesagt,  unter  der 
Ägide  Englands.  Doch  wird  diese  in  milder,  rücksichtsvoller  und 
freundlicher  .Art  ausgeübt,  da  die  Fürsten  der  Rädschputen  (Königs- 
söhne)  im  allgemeinen  England  sympathisch  gegenüberstehen,  und 
namentlich,  weil  ihr  von  kriegstüchtigen  Mannen  erfülltes  Gebiet  eine 
Schutzwehr  wider  Afghanistan  bildet. 

Der  jetzt  regierende  Maharadscha  von  Alwar,  Dschai  Singh,  der 
Sohn  und  Nachfolger  Sawai  Mangal  Singhs  ff  1892),  eines  ebenso 
berühmten  Reiters  und  Tigerjägers  als  tüchtigen  Regenten  und  Sol- 
daten —  letztere  Eigenschaft  hatte  ihm  die  Ernennung  zum  Obersten 
in  der  englischen  Armee  eingetragen     -   ist  ein  Rädschpute  aus  dem 


sonnengeschlechte»  jenes  Katschwäha-Stamme:?,  welcher  in  Gwaliur 
nen  Königsthron  gegründet  hat,  im  Doäb  aber,  das  ist  im  Zwischen- 
romlande  des  Ganges  und  der  Dschamna,  heute  noch  blüht. 

Dschai  Singh  soll  sich,  wiewohl  heule  erst  etwa  zwölf  Jahre 
Ihlend,  nach  dem  Tode  seines  Vaters  bei  den  großen  Feierlichkeiten 
ilässlich  seiner  Thronbesteigung  sehr  würdig  und  höchst  energisch 
mommen  haben.  Es  herrscht  hier  nämlich  die  eigenthümliche  Sitte, 
ISS  der  Herrscher  bei  der  Thronbesteigung  angesichts  des  versam- 
ellen  Volkes  auf  einen  Hasen  schießen  muss;  trilTt  er  ihn,  so  ist  dies 
n  günstiges  Vorzeichen  für  seine  zukünftige  Regierung,  erfolgt  jedoch 
n  Fehlschuss,  so  gilt  dies. als  böses  Omen,  Bei  jener  orakelhaften 
lauguration  der  Regierung  wusste  sich  Dschai  Singh  ungeachtet  der 
efangenh'eit,  die  in  einem  solchen  Falle  begreiflicherweise  einen 
naben  dieses  zarten  Alters  überfäüt,  so  weit  zu  beherrschen,  dass  ihm 
er  prophetische  Meisterschuss  gelang. 

Auf  dem  Bahnhofe  von  Alwar  wurde  ich  von  dem  jugendlichen 
[elden  dieser  Episode,  ferner  von  dem  politischen  Agenten  Englands  in 
Iwar,  Colonel  Fräser,  der  zugleich  für  die  Dauer  der  Minderjährigkeit 
es  Fürsten,  im  Vereine  mit  dem  aus  einheimischen  Würdenträgern 
usammengesetzten  .Staatsralhe  die  Verwaltung  des  Landes  besorgt, 
Qwie  von  den  Mitgliedern  des  eben  genannten  Staatsrathes  festlich 
tnpfangen.  Dschai  Singh  ist  ein  schmucker  Junge  mit  intelligenten, 
ffenen  Gesichtszügen,  dessen  Erscheinung  ich  meines  Erachtens  am 
esten  durch  das  heimatliche  Wort  -herzig-  charakterisiere. 

Außerhalb  des  Bahnhofes  hatten  eine  Ehrencompagnie  riesiger 
ädschputen  mit  schwarzen  Vollbärten  und  eine  Escadron  Cavallerie 
-  die  Mannschaften  beider  im  rothen  Rock  und  Turban  —  neben  einer 
lusikkapelle  Aufstellung  genommen.  Die  Hädschputen  waren  gut  aus- 
ewahlle  Repräsentanten  der  kriegerischen,  schön  gewachsenen  Männer 
es  Landes,  die  noch  vor  kurzer  Zeit  Waffenkämpfe  nach  der  .Art  unserer 
littelaltcrlichen  Turniere  geführt,  unter  dem  neuen  anglo-indischen 
eglement  jedoch  sich  rasch  als  vorzügliche  Truppe  im  modernen  Sinne 
ewährt  haben.  Die  Armee  von  Alwar  zählt  etwa  8000  Mann,  die  unter 
em  Commando  englischer  Officiere  stehen. 

Eine  ganze  Reihe  prächtig  geschmückter  Staats- El ephanten  mit 
jichem  Geschirre,  bunten  Decken  und  vergoldeten  Häudas  war  gleich- 
Jls  ausgerückt.  Daneben  standen  eigenthümliche  Wagen  aus  dem 
larstalle  des  Maharadschas,  eigentlich  zweiräderige  Karren  mit  spitz 
ulaufenden,  mit  buntem  Zeuge  belegten  Dächern   und  Zebuochsen 

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als  Bespannung.    Gegenüber  paradierten  prächtige  Pferde,  stark  aus- 

gebunden,  mit  schön  frisierten  Mähnen  und  Schweifen;  meist  Hengsie 
aus  dem  naheliegenden  Gestüt.  Auch  eine  ganze  Reihe  von  Hof- 
Schikäris,  theils  mit  alterthumlichen  Lanzen.  Iheils  mit  funkelnagel- 
neuen englischen  Rifles  waren  zur  Erhöhung  der  Feierlichkeit  auf- 
marschiert. Weiterhin  stand  ein  ganzer  Trupp  Kameele,  die,  was  ich 
zum  erstenmale  bemerkte,  auf  dem  Höcker  Kanonen  oder  eigentlich 
für  starke  Ladung  bestimmte  Trombons  aufgeschnallt  trugen,  welche 
während  unserer  Fahrt  abgefeuert  wurden.  Ein  farbenbiinter,  lebhaft 
bewegter  .Aufzug  mit  echt  indischem  Glanz  und  Pompe! 

Der  würdige  Erzbischof  von  Agra  hatte,  da  es  Sonntag  war,  die 
Freundlichkeit  gehabt,  einen  Kapuziner  abzuordnen,  um  uns  in  einer 
kleinen  katholischen  Kapelle  die  Messe  zu  lesen.  Die  Katholiken- 
gemeinde des  Staates  AUvar  zählt  nur  elf  Köpfe.  Der  gute  Kapuziner 
hielt  als  ehemaliger  Unterthan  Seiner  Majestät  des  Kaisers  —  er  i'Sl 
im  Venelianischen,  noch  zur  Zeit  der  österreichischen  Herrschüft 
geboren  ^  nach  dem  Evangelium  eine  in  schlichten  Worten  gehaltene, 
warm  empfundene  Ansprache,  in  welcher  er  unser  Vaterland  unJ 
unseren  geliebten  Monarchen  dem  Schutze  des  Alimächtigen  empfahl. 
Ich  miiss  gestehen,  es  ergriff  mich  tief,  im  fernen  Indien,  milten 
unter  Millionen  von  Hindus  und  Mohammedanern,  in  dieser  nur  wenige 
Quadratmeter  messenden  Kapelle  einen  Geistlichen  meines  Bekennt- 
nisses für  Seine  Majestät  beten  zu  hören. 

Nach  dem  Gottesdienste  fuhren  wir  zu  dem  von  Banni  Singh,  dem 
dritten  Herrscher  von  Alwar  aus  dem  Hause  der  Naruka,  gebauten 
Palaste  Banni  Biläs,  der  uns  zur  Verfügung  gestellt  war.  Dieses  außer- 
halb der  Stadt  gelegene  Gartenpalais  macht  von  außen  einen  sehr 
imposanten  Eindruck  und  weicht  in  angenehmer  Weise  von  den  sonst 
meist  geschmacklosen  Palastbauien  der  modernen  indischen  Epoche 
ab.  Inmitten  eines  wohlgepflegten  Parkes,  zeichnet  es  sich  durch 
harmonische  Verschmelzung  von  verschiedenen  Stilarten,  sowie  durch 
glückliche  Anordnung  der  zahlreichen  Veranden  und  Erker  aus,  welche 
das  Gebäude  antnuthig  beleben.  Vor  der  Hauptfafade  des  Palastes  liegt 
ein  großes  Marmorbassin,  in  dessen  Mitte  ein  kioskartiger  Marmor- 
söller aufstrebt.  Die  innere  Einrichtung  des  Palais  ist  natürlich  euro- 
päischen Charakters  und  dabei  wenig  geschmackvoll.  Vom  Balkone 
meines  Zimmers  aus  hatte  ich  einen  hübschen  Blick  auf  die  Baum- 
kronen des  Parkes  und  weiterhin  auf  die  den  Palast  umsäumenden 
steinigen  Berge  mit  ihren  Ruinen  und  Forts. 


Nach  vielen  Tagen  schlechten  Wetters  hatte  sich  der  Himmel 
endlich  blau  angethan  und  wärmend  lachte  die  Sonne  auf  uns  durch- 
frorene Erdensöhne  herab.  Da  das  officieüe  Programm  des  \'orniittages 
erschöpft  war,  benützte  ich  den  Rest  desselben,  um  Briefe  in  die  Heimat 
zu  schreiben.  Gegen  Mittag  wurde  mir  dann  auf  dem  freien  Platze  vor 
dem  Palast  eine  Anzahl  Pferde  aus  dem  Marstalle  des  Maharadschas 
vorgeführt,  Producte  indischer  Zucht,  und  zwarMarwari  und  Kattywari, 
letztere  beinahe  ausschließlich  Füchse  mit  Tigerstreifen  an  den  Beinen 
und  einem  dunklen  Aalstreifen  am  Rücken.  Die  Pferde  sahen  sehr  gut 
aus,  zeigten  hübsche  Figur,  namentlich  schöne  Kupfe,  und  hatten 
gute,  jedoch  für  den  schweren  Rumpf  zu  feine  Füße.  Ein  Bereiter 
des  Maharadschas,  ein  schwarzer  Rädschpute,  ritt  die  Pferde  vor  und 
zeigte  mit  jedem  ein  anderes  Kunststück  der  höheren  Dressur;  das 
eine  piaffierte,  das  andere  gieng  in  Lanijaden,  das  dritte  auf  den 
Hinterfüßen,  ein  viertes  kniete  nieder   und  dergleichen  Scherze  mehr. 

Nachmittags  stattete  ich  dem  Maharadscha  in  dessen  von  den 
Engländern  «The  Royal  Palace«  oder  »The  City  Palace«  genannten 
Palaste  meinen  Besuch  ab. 

Auch  Alwar  weist,  wie  jede  der  bisher  gesehenen  indischen  Städte, 
Eigenthümlichkeiten  in  der  Anlage  und  Bauart,  neue  oder  neuartig 
verwendete  Motive  bei  der  Ausschmückung  der  Bauwerke  auf,  wodurch 
die  Stadt  ein  eigenartiges  Gepräge  gewinnt.  Die  Mannigfaltigkeit  der 
Eindrücke,  welche  der  Besucher  von  den  verschiedenen  Städten 
empfängt,  bietet  einen  besonderen  Reiz  des  indischen  Städtebildes; 
ich  mochte  es  dem  Reize  abwechslungsreicher  Variationen  desselben 
Themas  vergleichen.  Besonders  in  die  Augen  springend  schien  mir  der 
von  Scheodän  Singh  (|1874),  dem  Sohne  Banni  Singhs,  erbaute,  nun- 
mehr für  des  ersteren  Witwen  bestimmte  Palast  zu  sein,  welcher  sich 
durch  zahlreiche  kleine  An-  und  Vorbaue  und  Fenster  mit  zierlichen, 
wie  in  Elfenbein  geschnitzten  Ornamenten  auszeichnet. 

Der  jugendliche  Herrscher  empfieng  mich  umgeben  von  seinen 
Würdenträgem.  In  gewohnter  Weise  saßen  wir  einander  durch  einige 
Zeit  auf  reich  mit  Gold  geschmückten  Stühlen  gegenüber,  worauf  mir 
der  Maharadscha  ein  Exemplar  der  von  Th.  H.  Hendley  verfassten 
Monographie  -Ulwar  and  its  Art  Treasures«  {London,  W.  Griggs  1888). 
dedicierte,  eines  Prachtwerkes,  welches  in  vortrefflichen,  zum  Theil 
farbigen  Reproductionen  unter  anderem  auch  die  kostbarsten  Stücke 
der  Waffenkammer,  der  Bibliothek  imd  des  Schatzhauses  von  .^Iwar 
darstellt. 


Durch  den  Resulenten  < 
die  Waffensammiung,  wobei  i 


uFgefordert,  zeigte  mir  der  Maharadscha 
1  alter  Custos  die  einzelnen  Stücke  in 
sehr  komischer  Weise  demonstrierte,  indem  er  dieselben  nicht  nur 
selbst  anlegte,  sondern  so  gerüstet  auch  Operetten  hafte  Kampfesposen 
annahm.  Wir  sahen  hier  prachtvolle  Schwerter  mit  wertvollen  Klingen 
und  goldbesetzten  Griffen,  deren  eines  20.000  Rupien  gekostet  hatte, 
sowie  kleinere  Jagdmesser,  Dolche  und  Panzerhemden. 

Den  weitaus  größten  Schatz  des  Palastes  bilden  aber  die  alten 
Maniiscripte  der  Bibliothek,  die  unterhalb  der  Schriftzeichen  feinen 
Goldgrund  aufweisen  und  gleich  unseren  alten  Bibeln  die  herrlichsten 
Miniaturmalereien  enthalten.  Letztere  sind  von  einer  Zartheit  der 
Ausführung,  sowie  einer  Frische  des  Colorits,  wie  man  sie  nur  in 
den  besten  Handschriften  unseres  Mittelalters  finden  kann.  Ja,  ich 
möchte  jene  in  gewisser  Beziehung  höher  stellen  als  diese,  da  die 
Perspective  eine  viel  gelungenere,  die  Auffassung  eine  tiefere  ist  aU 
bei  unseren  Kunstwerken  der  bezeichneten  Epoche.  Mit  besonderem 
Vergnügen  besah  ich  diese  zahlreichen  Bilder,  die  meist  Scenen  au* 
der  Göttersage  oder  dem  Leben  früherer  Maharadschas,  deren  Feste 
und  vorzüglich  Jagden,  Schlachten  und  Feldzüge  darstellen.  Das 
kostbarste  Stück  der  ganzen  Sammlung,  eine  1848  vollendete  Abschnft 
des  -Gulistan-  (»der  Rosengarten«,  eines  der  beiden  Hauptwerke  des 
persischen  Dichters  Sädi,  aus  dem  13.  Jahrhunderte),  deren  Herstellungs- 
kosten mehr  als  120.000  fl.  ö.  W.  betragen  haben  sollen,  wird  zun"» 
Theil§  der  Kunstfertigkeit  eines  Deutschen  zugeschrieben. 

Dass  unter  Umständen  europäischer  Einfluss  auch  verwirrend  auf 
den  Schönheitssinn  der  Eingeborenen  wirkt,  konnte  ich  in  der  Schatz- 
kammer beobachten,  wo  die  Cusloden  als  hervorragendstes  Kunst- 
werk eine  Uhr  im  Empire-Stil,  ähnlich  jenen,  die  in  Genf  erzeugt 
werden,  anführten.  Dieselbe  enthielt  einen  singenden  Colibri  und  stw 
auf  silbernem  Tische,  über  den  herab  sich  Fluten  imitierten  Wass 
künstliche  Fische  bergend,  ergossen  —  eine  scheuüliche  Spielerei. 

Nicht  viel  besser  ist  es  mit  dem  bildnerischen  und  ornamentale™ 
Schmucke  der  Palasträume  bestellt.  Während  einige  Wände  mit  sehr 
bemerkenswerten  Porträts  der  Maharadschas  geschmückt  sind,  findet 
sich  daneben  europäische  Dutzendware.  Im  ersten  Stocke  des  Palais 
wird  mit  Stolz  ein  Gemach  gezeigt,  das  mit  kleinen  Spiegelplattcn 
und  mosaikartig  gemalter  Ornamentik  bedeckt  ist;  trotz  des  geringen 
Umfanges  desselben  hat  die  Ausschmückung  dreißigjähriger  Arbeil 
bedurft.  An  der  künstlerischen  Ausgestaltung  eines  anderen  Raumes 


i  staa^_ 


wird  schon  seit  zwölf  Jahren  gearbeitet,  ohne  dass  die  Beendigung  der 
Arbeit  abzusehen  wäre;  ja  auch  während  der  Besichtigung  schabten  und 
pinselten  einige  Künstler  an  dem  Meisterwerke.  Bei  der  Arbeitsscheu 
der  Hindus  können  übrigens  derartige  langsame  Arbeits fortschritte 
nicht  Wunder  nehmen,  und  ist  das  Kunstwerk  endlich  fertig,  so  lobt 
es  nicht  einmal  seine  Meister;  denn  der  Effect  ist  nichts  weniger  als 
schön  und  kann  höchstens  als  gesucht  auffallend  bezeichnet  werden. 
Welch  angenehmer  Contrast  zu  diesen  schillernden,  gekünstelten 
Werken  in  dem  Blicke  von  der  Plattform  des  Palastes  auf  dessen 
Umrahmung!  Unter  uns  der  Teich  Pratap  Singhs,  mit  breiten,  zum 
Wasserspiegel  führenden  Treppen  und  zehn  im  Wasser  auf  Säulen 
emporstrebenden,  mit  den  Uferterrassen  durch  Stege  verbundenen 
Kiosken;  linkerhand  vom  Palaste,  an  der  Südseite  des  Wasser- 
beckens, das  zierliche  Mausoleum  Bakhtawar  Singhs  (f  1815);  im 
Westen  Wischnu-Tempel,  an  die  Felswände  des  Burgberges  gelehnt 
wie  die  von  Bäumen  beschatteten,  kleinen  Heiligthümer  der  Nordseite; 
als  Abschluss  des  reizenden  Architekturbüdes  die  Festungsmauern 
und  die  weiß  leuchtenden  Thürme  des  Burgberges.  Steile  Berglehnen, 
mit  Felspartien  und  mächtigen  Steinblöcken  im  Hintergrunde  und 
darüber  der  tiefblaue  Himmel  vereinigen  sich  mit  all  diesen  Bau- 
werken zu  einer  ebenso  neuartigen,  als  anziehenden  Scenerie.  Leider 
durften  wir  den  Blick  auf  den  Palast  selbst  und  die  Stadt  nicht 
genießen,  da  die  hiezu  erbaute  Plattform  auch  in  die  Frauengemächer 
Einsicht  gewährt. 

Der  Maharadscha  begleitete  mich  zu  Wagen  in  das  Gestüt,  ein 
großes,  hofarliges  Gebäude,  woselbst  mehrere  hundert  Hengste  und 
Stuten,  gröfltentheils  im  Freien,  gehalten  werden.  Die  Thiere  sind  an 
beiden  Hinterfüßen  mit  Stricken  gekoppelt,  eine  in  Indien  allgemein 
herrschende  Sitte,  aus  welcher  sich  die  häufigen  Strickwunden  an  den 
Fesseln  und  hievon  herrührende  Krankheiten,  wie  Igelfuß,  Mauken 
u.  dgl.  m.  erklären.  Unter  den  Gestütspferden  sind  alle  möglichen 
Racen  vertreten,  vom  edelsten  Araber  bis  zum  gemeinsten  Gaule, 
Joch  werden  als  Vaterpferde  meist  nur  Araber  und  Kattyvvari  ver- 
wendet. Die  Mutterstuten  sind  aber  durchwegs  einheimischer  Zucht, 
tischlag. 
Anlässlich  der  Besichtigung  des  Gestütes  wurden  uns  Thier- 
pfe  aller  Art  vorgeführt,  eine  Lieblingsunterhaltung  der  Rädsch- 
puten.  Rebhühner,  Hähne,  Widder,  welch  letzlere,  ausgesucht  starke 
und  bösartige  Thiere,  mit  Erbitterung  fochten,  und  Black-bucks  kämpften 


Jagdlager  in  Siriska. 


*r. 


Jagdlager  in  Siriska. 


Ah 


-Siriska,  20.  Februar. 


"Or  sieben  Tage  sollten  wir  ein  40  km  von  Alwar  bei  Siriska  — 
t  durch  das  Vorkommen  von  Tigern  bekannten,  vor  uns  schon 
m  Herzog  von  Connaught  besuchten  Gegend  —  gelegenes  Zeitlager, 
'Iches  die  Regierung  von  Alwar  hatte  errichten  lassen,  beziehen,  um 
F  Tiger  zu  jagen.  Der  Morgen  war  schön  und  beizeiten  standen 
r  bereit,  den  Marsch  anzutreten;  aber  der  Aufbruch  verzögerte  sich 
ch  lange.  Zuerst  verlautete,  wir  sollten  direct  bis  ins  Lager  theils 
Iren,  Iheüs  reiten,  unterwegs  nebenbei  auf  Hühner  streifend,  bis  die 
gage  Zeit  hätte,  vorauszukommen;  doch  lief  bald  die  Nachricht  ein,  in 
r  Nähe  des  einzuschlagenden  Weges  sei  ein  Tiger  bestätigt  worden, 
f  welchen  unverzüglich  Jagd  gemacht  werden  würde.  Die  Folge  dieser 
jchseliiden  Pläne  war  eine  heillose  Verwirrung,  ein  arges  Durch- 
lander,  wie  das  in  Indien  fast  bei  jeder  Jagdexpedition  der  Fall  zu 
in  scheint.  Hier  vermochte  ein  Jäger  die  erforderlichen  Gewehre  nicht 
'fort  zu  linden;  dort  fehlten  Patronen:  da  waren  zu  wenig  Wagen; 
n  Herr  schrie  nach  seinem  Koffer,  ein  anderer  nach  dem  photo- 
T&phischen  Apparat.  Endlich  wurden  wir  flott  und  traten  den  Zug 
ns  Lager   zunächst  in   einem   vierspännigen   Gesellschaftswagen    an. 


wÄftfittd  die  Jüger  in  anderea  Wagen  und  die  Bagage  auf  zueiräderigen 
rr.it  Z«bu'»ch')tn  beTpannlen  Karren  folgten.  Die  berittene  Leibgari 
und  ein  ganzes  Heer  von  Kameelen  begleiteten  uns  im  Trab,  ohti' 
anderen  efiithtlichen  Zweck,  als  jenen,  sehr  viel  Staub  aufzuwicbeir 

ific  Gegend,  die  wir  durcheilten,  bot  neue  und,  da  wir  &o  lange  i 
der  Kbcne  geweilt,  willkommene  Bilder;  denn  das  schmale  Thal  ist  vo 
steilen,  sehr  steinigen  Hügeln  eingeschlossen,  an  denen  spärliche  Vege 
talion  -  verkrüppelte  Bäume  und  domige,  undurchdringliche  Gebüsch 
bemerkbar  ist.  Die  Landschaft  erinnert  hier  an  Palästina  und  S_vrier 
(Ifich  sind  die  Berge  in  dioien  Ländern  noch  kahler  als  jene  von  Aiwa 
In  mehreren  Dörfern  stand  die  gesammte  Bevölkerung  an  der  Straßi 
und  Münnlcin  sowie  Weiblein  sangen  zur  Begrüßung  unisono  eine  Ai 
Choral,  der  übrigens  nicht  so  unangenehm  klang,  wie  die  bishervei 
nommenen  indischen  Gesänge. 

An  einem  reizenden  Plätzchen  wurde  Halt  gemacht,  angeblich  ur 
Ndchrichtcn  über  den  angekündigten  Tiger  zu  erwarten,  in  Wirklichkei 
(ilx^r,  iitn  einem  Frühstücke  zu  fröhnen.  Die  Ruinen  eines  alten  Tempel 
lu^;cn  unter  dein  Schatten  riesiger  Bäume  hervor,  ein  dunkelgrüne 
VVciliL-r  erfreut  diis  Auge,  steile  Lehnen  ragen  rechts  und  links  empoi 
I  icr  I  (iiltpidtz  wnr  auch  das  Rendezvous  für  sämmtliche  Jagdelephanten 
dir  14  an  der  Zahl  —  schön  ausgerichtet  mit  ihren  Mahäuls  unc 

lläudiis   ddsliuulen,   sowie    für   sämmtliche    Pferde   und  Tragkameele 

Da  nKui  uns  erst  in  zwei  Stunden  nähere  Nachrichten  über  Tigei 
m  Aussicht  gestellt  liiitte,  so  benutzten  wir  die  Zeit  zu  einer  Streifung 
ilic  wir  «uf  die  ULnliegendcn  I'elder,  auf  einen  kleinen,  aus  dem  Tha 
i'inporrHgiMuk'n  Kegel  und  auf  eine  der  steilen  Felslehnen  ausdehnten 


en  ich  noch  nicht  versucht  hatte,  so  dass  ich,  allerdings  auf  große 
lislanz,  einen  Caracal  (Felis  caracal),  der  an  einem  Felsrande  flüchtig 
'urde,  und  ein  gewaltiges  Krokodil,  das  sich  am  Rande  eines  Tümpels 
ehaglich  sonnte,  fehlte.  Beide  Thiere  wären  prächtige,  für  meine 
ammlung  sehr  wiilkommene  Beutestücke  gewesen! 

Bald  traf  auf  demRastplatze  die  Meldung  ein,  derTiger  sei  unsicher, 
-■)  empfehle  sich,  den  Weg  ins  Lager  fortzusetzen.  Einige  Herren  ritten, 
:h  aber  fuhr  in  einer  alterthümlichen  Kutsche  mit  hohen,  bogenförmigen 
'eJem;  bespannt  war  sie  mit  vier  Pferden,  auf  welchen  zwei  alte,  weiß- 
lilrtige  Hindus  saßen,  die  ein  Mixtum  compositum  von  englischer  und 
fidischer  Livree  trugen.  Das  Thal  wurde  immer  enger,  die  Gegend 
omantischer;  wir  durchquerten  so  manches,  jetzt  trocken  liegende 
Vasserbett,  in  welchem  während  der  Regenzeit  wiide  Fluten  tosen, 
allmählich  wurden  die  Stöße  und  das  .Schwanken  in  der  vorsündflut- 
chen  Kutsche  doch  zu  empfindlich;  ich  bestieg  daher  eine  kleine 
rabische  Stute  und  legte  in  schnellem  Tempo  die  Strecke  zurück,  die 
ms  noch  vom  Lager  trennte. 

War  schon  das  Lager  in  Tandur  großartig  gewesen,  so  wurde 
s  doch  weit  übertroffen  von  der  Ausdehnung  und  dem  Luxus  des 
.agers  von  Siriska,  in  welchem  für  unser  leibliches  Wohlergehen  in 
erschwenderischester  Weise  gesorgt  war.  In  grünender  Umrahmung 
rhebt  sich  hier,  weithin  sich  erstreckend  und  sorgsam  angeordnet,  eine 
»■ahrc  Leinwandstadt!  46  Zelte  sind  für  mich,  meine  Suite  und  die 
nderen  Herren  und  Functionäre  der  Jagdgesellschaft,  andere  41  Zelte 
ir  die  Diener  und  das  Küchenpersonale  bestimmt;  eine  lange  Zeltgasse, 
1  deren  Mitte  meine  Standarte  auf  einem  künstlichen,  mit  Blumen 
lesehmückten  Hügel  flattert,  trennt  die  schneeweißen-  Herrenzelte;  das 
ipeisezelt  mit  einem  nebenliegenden  großen  Salon  bildet  den  Abschluss; 
linter  dem  Speisezelte  ragt  wieder  ein  künstlicher  Hügel  empor, 
leschattel  von  einem  großen  Ficusbaum  und  umrahmt  von  Anlagen, 
'asenplätzen.  Blumenbeeten,  Springbrunnen  und  Bassins  mit  Gold- 
ischen, Den  Rand  der  Beete  bedecken  aus  farbigen  Steinchen  zusammen- 
lefügle  Mosaikslreifen,  welche  Spruchbänder  und  Jagdscenen  darstellen, 
ch  verfüge  nebst  dem  Wohnzelte  noch  über  einen  .Salon,  in  dem  mit 
Jold  geschmückte  Decken  und  Möbel  prangen,  jeder  der  Herren  über 
!'n  Zelt,  das  mit  allem  nur  wünschenswerten  Comfort  —  die  Bade- 
^»binen  nicht  zu  vergessen  —  ausgestattet  ist.  Wenn  nur  die  .Anzahl 
Jer  Tiger,  die  uns  zur  Beute  fallen  sollen,  im  entsprechenden  Verhält- 
niwe  zu  der  aufgewendeten  Pracht  steht! 


Das  Lager  breitet  sich  mitten  in  einem  großen,  freundlichen  Thal- 
kessel aus,  der  rings  von  steinigen  Hügeln  umgeben  ist.  In  Jer  JCähe 
des  Hauptlagers  befindet  sich  noch  eine  Reihe  anderer  Lager,  deren 
jedes  eine  große  Anzahl  von  Menschen  und  Thieren  birgt  und  dem 
Beobachter  manche  neue  Typen  und  Scenen  zeigt.  Da  ist  zunächst  das 
Lager  der  Jagdelephanten,  ihrer  .Mahäuts  und  Wärter,  wo  nach  voll- 
brachtem Tagewerke  die  großen  Thiere  gefüttert  und  dann,  sich  i\i 
diesem  Zwecke  oft  niederlegend,  von  den  Wärtern  geputzt,  gestriegelt 
und  gewaschen  werden,  An  dieses  Lager  schließt  sich  jenes  der  Treiber 
und  Kameele.  femer  das  der  berittenen  Leibwache  und  der  Pferde  an; 
letztere  stehen  in  vier  Reihen  angebunden  und  sind  gegen  die  Launer 
des  Wetters  durch  warme  Decken  geschützt.  Den  Schluss  bildet  der 
Wagenpark  mit  den  zahlreichen  Bagagewagen  und  den  als  Bespannung 
dienenden  Zebuochsen. 

Die  Anzahl  der  Jäger,  der  Treiber,  der  Speer-  und  Lastträger,  d« 
Elephantenführer  und  Wärter,  der  .\ufseher,  der  zum  Aufstellen  der 
Zelte  bestimmten  und  jener  Leute,  welchen  die  verschiedenartigsten 
Dienste  und  Verrichtungen  obliegen,  erhebt  sich  zu  der  stattlichen  Ziffer 
von  1793  Mann,  25  Elephanlen,  148  Pferde  und  39  Hunde  stehen  für 
Jagdzwecke  zur  Disposition.  Der  Train  des  Lagers  umfasst  84  theils 
vier-,  theils  zweiräderige  Wagen  und  Karren.  Im  Bereiche  des  l-agers 
sind  nicht  weniger  als  2b  Buden  aufgeschlagen,  in  welchen  Hand- 
werker ihrem  Berufe  obliegen  und  Krämer  Waren  aller  Art  feilbieten- 
Eine  unter  Commando  eines  eingeborenen  Officiers  stehende  Abtheilung 
von  40  Cavalleristen  versieht  den  Nachrichten-  und  Postdienst,  ein 
Detachement  von  72  Infanteristen  den  Wachdienst.  _ 


Siriska,  2I.Febnil^| 

Die  erste  Tigerjagd  stand  auf  dem  Programme.  Schon  geger* 
9  Uhr  morgens  kam  der  den  Titel  -Head-Schikäri«  führende  Oberst- 
jägermeister von  Alwar,  Harnarain,  ins  Camp,  um  uns  zu  sagen,  der 
Tiger  hatte  gerissen,  wir  sollten  uns  bereit  halten  und  gegen  1 1  Uhr 
aufbrechen;  er  seihst  gienge  gleich  voraus,  um  seine  Vorbereitungen  zu 
treffen  und  die  Treiber  anzustellen. 

Von  einem  Elephanten  einst  bös  abgeworfen,  hinkt  dieser  Würden- 
träger, in  dessen  Erscheinung  und  Benehmen  etwas  von  unwillkürlicher 
Komik  liegt.  Auffallend  war  uns  an  ihm  die  frappante  Ähnlichkeit  seiner 
Gesichtszüge  mit  jenen  des  früheren  ungarischen  Ministerpräsidenten, 


ishalb  wir  ihm  den  Beinamen  -Tisza'  verliehen.  Der  Head-Schiliäri  ist 
t  allen,  selbst  mit  dem  Residenten  Colonel  Fräser,  der  die  Leitung  der 
pedition  übernommen  hatte,  sehr  kurz  angebunden,  ertheill  seine 
fehle,  schimpft  gelegentlich  tüchtig,  ist  aber  in  Jagdsachen  im  Staate 
.var  eine  sehr  gewichtige  PersÖnlichlteit,  so  dass  man  als  Waidmann, 
mentlich  der  Tiger  halber,  zart  mit  ihm  umgehen  muss.  Ich  ließ  mich 
n  daher  auch  feierlichst  vorstellen,  Neben  dem  Amte  des  Oberstjäger- 
risters  versieht  er  noch  die  Functionen  des  Generalinspectors  der 
Wässerungen,  der  Forste  und  der  Gärten.  Die  Wälder  dürften  ihm  aber 
um  zu  großem  Ruhme  gereichen,  da  für  Aufforstungen  gar  nichts 
schieht  und  nur  Dornen  und  verkrüppelte  Hölzer  dem  Boden  ent- 
rießen,  obschon  dieser  an  manchen  Orten  zur  Waldcuitur  sehr 
:eignet  scheint. 

Um  1 1  Uhr  wurde  unter  großem  Hailoh  gestartet,  eine  Legion  Schi- 
iris mit  Gewehren  und  Lanzen  begleitete  uns,  die  wir  auf  Elephanten 
jszogen.  Am  Beginne  einer  engen,  sehr  romantisch  gelegenen  Thal- 
chlucht  wurde  Halt  gemacht,  um  das  Zeichen  des  Head-Schikäris,  der 
,u  den  Treibern  geritten  war,  abzuwarten.  Hier  lagen  die  Überreste  eines 
.'on  einem  Tiger  gerissenen  Büffelkalbes:  Geier  umkreisten  das  Aas  oder 
saüen  angekröpfl  auf  den  Bäumen, 

Endlich,  nach  langem  Warten  zeigte  sich  auf  der  gegenüber- 
liegenden Höhe  jenseits  der  Thalschlucht  der  Oberstjägermeister  auf 
seinem  Elephanten,  und  nun  hieß  es  die  Stände  einnehmen.  Der  fast  drei 
Viertelstunden  erfordernde  Weg  durch  die  Thalschlucht  war  zwar  sehr 
pittoresk,  aber  auch  beschwerlich:  denn  wir  mussten  uns  jeden  Schritt 
durch  die  dornigen  Aste  der  Bäume,  die  an  unsere  Häudas  schlugen, 
erkämpfen,  so  dass  wir  an  den  Händen  blutig  gerissen  wurden.  Erstaun- 
lich war  die  Vorsicht,  mit  welcher  die  Elephanten  vorwärts  drangen  und 
die  Geschicklichkeit,  mit  welcher  sie  steile  und  schlechte  Saumwege,  ich 
möchte  sagen  -Gamssteige-.voUkommen  sicher  hinanstiegen.  Die  Häuda 
schwankt,  hebt  und  senkt  sich,  aber  der  Elephant  lässt  sich  durch  nichts 
bemen,  sondiert  vor  jedem  Schritte  mit  dem  Russe!  und  dem  Fuß  und 
Irin  dann  erst  fest  auf;  ist  ein  Stein  oder  Baum  im  Wege,  so  wird  das 
Hindernis  mit  dem  Rüssel  beseitigt,  an  größere  Bäume  stemmt  sich  der 
"lese  mit  ganzer  Kraft  an,  bis  der  Stamm  bricht. 

Wir  umstellten  in  Form  eines  Halbkreises  eine  kesseiförmige, 
dicht  bewachsene  Nebenschlucht,  in  der  ein  Tiger  hausen  sollte.  Ich 
hatte  den  höchsten  Stand  und  kletterte,  in  wahrem  Sinne  des  Wortes,  mit 
meinem  Elephanten   die  rechte  Lehne  der  Thalschlucht  bis  zur  halben 


h.ir,ar;.  uvr,  £rj:zi~  E;r.b'_:;ii  :-.  d:±  Sjh'cch:  zu  gewinnen.  Da«e!b>t 
e  -jh  Hält  und  hirr:=  i=r  uir.g±.  cit  da  k-cmoier.  ^-She:;.  Einigt 
:  Wirtr.  vor.  dtrr.  i:;r.:er.  Dcm^ebQschs  freier  geblieben  und  ich 
-e:e  g:e::au.  vvc-  ur.d  -.vis  ich  5oh:e3er:  würde,  falls  der  Tiger 
rr.e.  Der  Tneb  beiranr.  ~::  den;  ibuche-  Geschrei,  wobei  d:e  Treiber 
fr  Höhe  herabstierer:.  Die  Abr-jn^ibende  S^^ecke  war  eine  ganz 
e.  aber  äU?  .Ar.c?:  fTlerser.  die  Treiber  r.ur  ia::gsam.  in  Panien  zu 
4'-'  hir.;creirAr.d=r  iuf  der.  bes:e=  \Ve;h>e;r:  vor,  ohne  sich  in  die 
-.iieru  in  we'.^he  >ie  nur  :'■:  rrwlhrend  Sceine  warfen,  zu  wagen,  vi 
er  Trieb  z\\t':  S:undin  erf:  rderre.  Ginz  wie  in  Tandurl  Cbrigens 
;  jh  dies~il  die  \'.Tsi  Jh:  der  Treiber  zdr.z  überflüssig,  da  der  Tiger 

liiT-.  ersten— A^e  s^  ::rh  hier  Äi.-nbirh:r?che  ->ier  Rusas  .Cenus 
>r  .  und  rwir  einen  ^erlnien  Gib.er,  ein  .Mrüer  mi:  Kalb  und  ein 
linier;  sie  ilei.'hen  unsere—  Hccb,M"iIi,  haben  aber  bei  weiiem 

Sie  schöne  S:ir,:r  und  d:e  s::l:e.  tdlt  Halrun^  uT^seres  Körigs  der 

l;  tritt  und  i~  Ge-.ve-.r..   :bw;>I  diss^rre  bis  zü   l',i»Lär.;e 


:;n  u~^e^nen  We 


■  kirnten  -A-ir  att  einen:  kleinea  von 
sn  un,:  ritten  au:"  den  Elephanier. 


Alsbald  brachen  wir  ;iuf  und  strebten  liocli  zu  Rosse  den  niichsl- 
:elegenen  Hügeln  zu,  wo  uns  ein  Schilsäri  eilfei-tig  entgegen  kam,  der 
inen  Sambarhirsch  bestätigt  hatte.  Alle  Herren  blieben  zurück;  ich 
.Hein  pürschte  mit  dem  Schikäri  und  Janaczek  einen  überaus  steilen 
lergrücken  hinan,  von  dessen  Grat  aus  der  Schikäri  nach  der  gegen- 
Iberliegenden  Lehne  auf  einen  angeblich  starken  Sambarhirsch  deutete. 
ch  konnte  diesen  jedoch  aller  Bemühung  ungeachtet  durch  längere  Zeit 
licht  wahrnehmen,  da  er  unbeweglich  auf  uns  herüberäugte  und  sich 
lurch  seine  braungelbliche  Färbung  von  dem  ihn  umgebenden  trockenen 
^rase  gar  nicht  unterschied.  Endlich  ersah  ich  den  Hirsch;  der  Schikäri 
vollte  mich  durchaus  bewegen,  sofort  zu  schießen,  doch  schien  mir  die 
Distanz  —  bei  400  Sehritte  —  für  einen  sicheren  Schuss  zu  groß.  Da 
iber  ein  Anpürschen  durch  das  zwischenliegende  Thal  nicht  möglich 
war,  so  gab  ich  dem  Drängen  des  Schikärt  nach  und  schoss  von  dem 
einen  Bergrücken  auf  den  andern;  der  Hirsch  zeichnete  zu  meiner 
besonderen  Genugthuung  gut  auf  Blattschuss,  wurde  flüchtig  und  ver- 
schwand auf  der  anderen  Seite  des  Rückens.  Mit  großer  Anstrengung 
kletterte  ich  über  die  Steine  und  das  dornige  Gestrüpp  die  eine  Lehne 
herab,  die  andere  hinan  und  fand  am  Anschüsse  Schweiß.  Der  Fährte 
folgend,  sah  ich  den  kranken  Hirsch  durch  dichtes  Gestrüpp  ziehen  und 
schoss  noch  einmal,  fehlte  jedoch  in  der  Hitze  des  Gefechtes. 

Die  im  Thale  zurückgebliebenen  Herren  und  die  eingeborenen 
Jäger  hatten  nach  dem  Schusse  den  Hirsch  ebenfalls  krank  flüchten 
gesehen,  und  nun  gieng  es  mit  wildem  Geschrei  und  Durcheinander 
hinter  dem  angeschossenen  Stücke  her.  Der  Oberstjägermeister  brüllte 
mit  Stentorstimme  Befehle  von  seinem  Elephanten  herab,  die  Schikäris 
wollten  nach  englischer  Methode  gleich  nachlaufen,  bis  ich  mich 
endlich,  nach  vielem  Flehen  und  Schreien,  mit  den  Leuten  soweit 
verständigte,  dass  «l!e  Eingeborenen  sich  von  meinem  Leibjäger  in 
Ordnung  anstellen  ließen  und,  nachdem  ich  mit  den  Herren  1000  m 
fom  Anschuss  in  der  Lehne  Posto  gefasst,  auf  ein  Signal  gleichzeitig 
Jnd  regelrecht  angiengen.  In  der  That  kam  der  angeschossene  Hirsch 
■•^ch  wenigen  Minuten  in  Sicht  und  endete  unter  drei  von  mir  und 
Wurmbrand  abgegebenen  Schüssen.  Er  war  ein  ausnehmend  starkes 
^"eniplar,  anscheinend  ein  besonders  rauflustiger  Geselle,  da  er  ganz 
"■'erkämpft  war  und  die  Spuren  davon  an  den  Läufen,  der  Decke, 
^*ie  besonders  an  den  völlig  zerschnittenen  Lauschern  zeigte,  so 
"iass  er.  was  ich  lebhaft  bedauerte,  nicht  einmal  zum  Ausstopfen 
geeignet  erschien.  Sehr  schön  waren  die  schmalen  dunklen  Grandin. 


Während  der  Pürsche  hatten  die  \%'artenden  Herren  im  Thale  sich 
die  Zeit  mit  kindlichen  Spielen  wie  »Blindekuh-,  •Plumpsack.  u.  dgl.  irt. 
gekürzt,  zum  besonderen  Ergötzen  des  Oberstjägermeisters,  der  in  eine 
Art  Lachkrampf  verfiel,  vor  Freude  auf  seinem  Elephanten  hin  und  her 
sprang  und  am  liebsten  mitgespielt  hätte,  wäre  dies  mit  seiner  Würde 
vereinbar  gewesen. 

Nun  sollte  ein  Trieb  versucht  werden,  doch  kam  abermals  ein 
Schikäri  mit  der  Meldung,  dass  in  der  Nähe  noch  ein  Sambar  bestätigt 
sei,  worauf  -Tisza-  mich  zur  Pürsche  «befahl'  und  die  Herren  auf  die 
umliegenden  Hügelspitzen  vertheilte.  Ich  keuchte,  so  schnell  ich  konnte, 
den  steilen  Hang  hinan  und  musste.  in  einen  kleinen  Thalkessel  gelangt. 
unter  ähnlichen,  nur  vielleicht  noch  ungünstigeren  Umständen  schießen 
wie  das  erstemal,  da  der  Hirsch  spitz  stand.  Als  ich  ihn  jedoch  im  Feuer 
geschossen  hatte  und  das  mächtige  Thier,  gefolgt  von  einer  Lawine 
von  Steinblöcken,  mit  Gepolter  in  die  Tiefe  stürzte,  kam  das  ganze  Corps 
der  Schiküris  laut  jubelnd  auf  mich  zu  und  beglückwünschte  mich 
unter  den  drolligsten  Kundgebungen  der  Freude.  Befriedigt  lächelnd 
emptieng  mich  der  Oberstjägermeister  und  ordnete  den  Weitermarsch 
an,  der  alsogleich  auf  den  Elephanten  angetreten  wurde. 

.Aul"  einem  steilen,  steinigen  Pfad  zog  die  Karawane  über  ein  Joch 
in  ein  langgestrecktes  Thal.  da.s  mit  hohem,  trockenem  Grase  und  dichten 
Dornen  bedeckt  war.  Bei  dem  .Abstieg  über  eine  besonders  schlechte 
Stelle,  einen  FelsabSatz,  setzten  ^ich  die  klugen  Elephanten  zuerst  auf 
das  Hintertheit.  sprangen,  auf  den  Rüssel  gestützt,  mit  den  \'orderfüßei 
hinab  und  zogen  dann  den  Hinterleib  nach. 

\'on  den   ausgesandten  Schikäris    kam  die   Meidung,    dass  sich 


ias  Gewirre  des  Dschungels  zu  gewinnen;  Prönay,  Stockinger  und 
F"airhoIme  aber  sollten  mit  den  Treibern  streifen.  Das  Erklimmen  des 
äergabhanges  war  jedoch  leichter  gesagt  als  gethan;  denn  er  war  so 
steil  und  mit  glatten  Steinplatten  und  Felsblöcken  besäet,  dass  wir  nur 
ils  Quadrupeden  kriechend  hinaufkommen  konnten.  Ich  postierte  mich 
in  eine  kleine  Schlucht,  die  mir  als  Wechsel  nach  oben  günstig  erschien, 
\'ach  einiger  Zeit  begann  der  Trieb,  wurde  aber  so  schlecht  geführt, 
iass  wir  kein  Stück  Wild  zu  Gesicht  bekamen,  da  die  tapferen  Treiber 
ivieder  jede  größere  Dickung  umgiengen.  Die  Anwendung  der  kleinen 
Sammlung  hindustanischer  Kral'tausd rücke,  die  ich  mir  bereits  ange- 
eignet hatte,  fruchtete  leider  gar  nichts,  da  der  Jagdgewaltige  kein 
Interesse  mehr  an  den  Tag  legte  und  sich  erst  nach  Beendigung  des 
leeren  Triebes,  mit  großer  Seelenruhe  und  verschmitztem  Lächeln 
nahend,  wieder  sehen  ließ. 

Solange  noch  Schussücht  andauerte,  streiften  wir  in  der  Ebene 
beim  Camp  und  brachten  zahlreiche  Hühner  und  Sand  grouse  zur 
Strecke.  Wurmbrand  halte  das  Waidmannsheü,  eine  Gazelle  zu  erlegen. 
Die  im  Lager  verbliebenen  Herren,  darunter  Kinsky,  hatten  nach- 
mittags zu  Pferde  Schweine  und  Schakale  gehetzt  und  einen  Frischling 
gefangen,  wobei  auch  Dr.  v.  Lorenz  mitgeritten  war,  nicht  ohne  den 
strällichen  Leichtsinn  mit  zweimaliger  Berührung  der  Mutter  Erde 
büßen  zu  müssen. 

Der  Abend  gehorte  der  Correspondenz,  da  die  Post  den  nächsten 
Tag  abgehen  sollte.  Leider  begann  es  neuerlich  heftig  zu  regnen  und 
strömte  fast  die  ganze  Nacht  hindurch.  Das  Wetter  verfolgt  uns  mit 
seinen  Tücken;  gerade  jetzt,  wo  wir  auf  Tiger  jagen  wollen,  müssen 
wir  eine  zweite  Sündflut  erleben! 

Siriska,  23.  Februar, 

Dichter  Nebel  bedeckte  das  Thal,  als  ich  aus  meinem  Zelte  trat; 
der  Regen  halte  zwar  aufgehört,  aber  von  den  Bäumen  träufelte  es 
it>ch  und  alles  schwamm  im  Wasser.  An  Tigerjagd  war  nicht  zu 
•ierken,  da  die  nur  früh  morgens  mögliche  Bestätigung  eines  Tigers 
J<Jrch  den  Nebel  ausgeschlossen  war. 

Gegen  1 1  Uhr  begann  der  Nebel  endlich  zu  sinken,  die  Spitzen  der 
"^fge  wurden  sichtbar,  der  Himmel  lächelte  blau  und  die  Sonne  glänzte 
"  etiniilich,  so  dass  der  Head-Schlkäri  eine  Jagd  mit  Falken  und  Luchsen 
"^-aracals)  arrangieren  konnte,  die  aber  besser  gemeint  war,  als  sie 
lf>atsächlich   ausfiel.    Die   Falken   zeigten   sich    als  ungeschickt    und 


wenig  abf;erichtet,  da  sie  auf  die  zahlreich  aufstehenden  Hühner  nioq 
recht  stoßen  wollten,  während  die  Caracals  die  Hasen,  welche  sie  ja( 
sollten,  wenig  beachteten  und  nach  einigen  Sätzen  zu  ihren  Hern 
zurückkehrten. 

Inzwischen  waren  Sambars  und  Nilgaus  bestätigt  worden,  i 
mich  der  Oberstjägermeister  aufforderte,  anzupiirschen.  Zu  sein« 
größten  Erstaunen  überließ  ich  erstere  Wurmhrand,  letztere  Kinski 
der  damals,  ais  wir  die  verpönten  Nilgaus  in  Bhartpur  geschossen, 
heftigem  Fieber  gelegen  war.  Kinsky  erbeutete  auch  nach  langer  Pürecll 
ein  Nilgau  und  schweißte  ein  zweites  stark  an,  während  Wurmbran 
leider  unverrichteter  Dinge  heimkehrte. 

Mit  den  anderen  Herren  führte  ich  eine  große  Durchstreifun^ 
des  ganzen  Thaies  aus,  wobei  wir  alle  kleinen  Bodenerhebungen,  alle 
Dschungel  und  Lehnen  absuchten  und  in  vier  Stunden  80  Hühner  linii 
Sand  grouse  zur  Strecke  brachten.  Prönay  und  ich  schössen  außerdem 
je  einen  Indischen  Wüstenfuchs  (Vulpes  leucopus);  auch  ein  Schakal 
fiel  mir  unter  ungewöhnlichen  Umständen  zur  Beute,  Wir  hörten  lautes 
Bellen  und  Heulen  von  Schakalen  und  erblickten,  über  einen  Hügel 
streifend,  in  der  Ebene  acht  Schakale,  die  einer  ran2igen  Fee  folgten, 
wobei  sie  ein  Höllenconcert  aufführten,  sich  jagten  und  bissen,  dass 
jeden  Augenblick  einige  von  ihnen  übereinanderkollerten.  Ich  ließ  unsere 
TreiberÜnie  halten  und  pürschte,  wie  es  eben  gieng,  vor,  aber  leider 
war  die  Ebene  ohne  gute  Deckung,  so  dass  ich  nicht  näher  als  aul 
400  Schritte  herankommen  konnte.  Clam  und  Prönay  beinerkten  difiS 
letzterer  lief  den  Schakalen  zu  Fuß  vor,  während  Clam  auf  einem  PonJ 
reitend  mir  dieselben  zutrieb.  Das  Hauptrudel  änderte  leider  die  Directiö« 
und  passierte  außer  Schussweite;  dagegen  kamen  zwei  Schakale  i| 
voller  Flucht,  gefolgt  von  Clam,  auf  100  Schritte  an  dem  Steine  vorüba 
hinter  dem  ich  mich  nothdürftig  gedeckt  hatte,  so  dass  es  mir  geiat»! 
einen  Schakal  mit  der  Kugei  zu  roulieren. 

Wir  waren   noch   im  eifrigsten  Jagen  begriffen,   als  ein  Schikä' 
meldete,   es  seien  in  den   nächstgelegenen   Vorbergen  Tiger  gesehfl 
worden.   Natürlich   wurde    alsbald   das   Feuer  eingestellt.   Wir  galo) 
pierten  nach  dem  Lager,  wo  unserem  Medicus  Dr.  Bem  ein  Iragikoif 
sches  Missgeschick  widerfuhr,  Auch  er  hatte  stolz  ein  Ross  bestiege*^* 
doch   endigte  dieses  kühne  Vorhaben   sehr  bald  mit  einer  Berührur»* 
der  Erde,   wobei  sein  Pferd  überdies  boshaft  genug  war,  ihn  gerac^ 
über  einer  dichten  Cactushecke  abzuschütteln,  so  dass  er  mit  Stache*- 
bedeckt  ins  Zelt  wankte.  Daselbst  sank  er  auf  das  Bett,  ein  Bild  d^' 


I 


Jammers,  wehklagcnii,  ein  Dorn  sei  ihm  in  die  I-unge  gedrungen  und 
eine  schwere  Krankheit,  die  ihn  wochenlange  ans  Schmerzenslager 
fesseln  werde,  stehe  bevor;  ja  selbst  der  Tod  könne  ihm  hier,  ferne  von 
der  Heimat,  in  der  Wildnis  nahen,  wo  keine  theure  Hand  ihm  das 
brechende  Auge  schließen  würde.  Tief  ergriffen  von  solch  düsteren 
Bildern  und  stöhnend  lag  der  Ärmste  da.  Wir  aber  umstanden  ihn  voll 
Mitleid  und  doch  wider  Wiilen  hellauflachend:  denn  in  unverfälscht 
böhmisch-deutschem  Accent  entrangen  sich  diese  Seufzer  und  Klagen 
der  gequälten  Brust.  Endlich  waren  durch  den  englischen  Collegen 
zwanzig  groüe  Stacheln  aus  dem  Körper  des  tapferen  Keiters  entfernt, 
der  nun  frei  und  getröstet  aufathmete,  von  Krankheit  und  Tod  nichts 
mehr  wissen  wollte,  sondern  bald  guter  Dinge  war.  Nur  hatte  er,  nach 
dem  Grundsatze,  dass,  wer  den  Schaden  hat,  für  den  Spott  nicht  zu 
sorgen  braucht,  die  Kosten  der  Unterhaltung  während  des  Abends  zu 
bestreiten. 

Siriska,  24.  Februar. 

Nach  der  ersten  regenlosen  Nacht  war  Hoffnung  vorhanden,  dass 
ein  Tiger  mit  Sicherheit  bestätigt  werden  würde.  Das  Geschäft  des 
Bestätigens  verstehen  die  hiesigen  Schikäris  ganz  vorzüglich;  sie  sitzen 
Tag  und  Nacht  auf  Bergspitzen,  Graten  und  überhaupt  hochgelegenen 
Punkten,  von  welchen  aus  sie  eine  gute  Übersicht  über  Stellen,  an  denen 
sieh  die  Tiger  am  liebsten  auflialten,  genießen  und  namentlich  die 
Plätze,  wo  die  Büffelkälber  zur  Anlockung  von  Tigern  angebunden  sind, 
beobachten  können.  Schlägt  ein  Tiger  das  Kalb,  so  thut  er  sich  in  der 
Kegel,  nachdem  er  das  Stück  angeschnitten,  in  dessen  Nähe  für  einige 
Zeit  nieder.  Bleibt  er  nun  in  einem  bestimmten  von  Beobachtern 
umstellten  Gebiet,  einer  Thalschlucht  oder  einem  Dschungel,  so  wird 
htevon  schleunigst  die  Meldung  ins  Lager  erstattet,  wo  alsbald  lebhafte 
Bewegung  entsteht,  bis  in  aller  Hast  die  letzten  Vorbereitungen  zur 
Jagd  getroflen  sind  und  die  Elephantenkarawane  zum  Jagdplatz  auf- 
bricht. Nach  dem  Einlangen  solcher  Meldungen  schickten  wir  meist 
iinsere  Jäger  mit  den  Elephanten  voraus  und  folgten  zu  Pferd,  obgleich 
das  Reiten  auf  den  verrittenen  und  zappelnden  indischen  Gäulen  gerade 
kein  Oenuss  ist. 

So  war's  auch  heute.  Gegen  9  Uhr  vormittags  kam  die  Meldung, 
Jass  zwei  Tiger  in  einem  dichtbewachsenen  Thale  geschlagen  hätten  und 
Jon  bestätigt  seien.  Der  Oberstjägermeister  ritt  auf  seinem  Elephanten 
">'*  den  Schikäris  und  Treibern  voraus,  um  alle  Anstalten  zu  treffen ;  wir 


folgten  eine  Stunde  später  nach,  durchtjiierten  zunächst  die  Ebene  und 
ritten  dann  in  einem  engen,  sehr  dicht  verwachsenen  Thal  etwa  'S  km  i 
vor,  bis  an  einen  Punkt,  wo  uns  der  Jagdgewaltige  mit  der  sehr  erfreu- 
lichen Meldung  eiwartete,  dass  die  Tiger  noch  da  seien,  und  zwar  in  der  | 
Nähe  des  Platzes,  auf  dem  sie  im  Morgengrauen  ein  Büffelkalb  gerissen  | 
hatten.  Die  Pferde  wurden  nun  mit  Jagdelephanten  vertauscht;  ich  i 
bestieg  das  Lieblingsthier  des  verstorbenen  Maharadschas,  dessen  sich  | 
dieser  bei  seinen  Tigerjagden  stets  bedient  hatte. 

Der  Head-Schikäri  ordnete  nun  an,  dass  ich,  da  der  Tiger  sich  l 
entweder  auf  dem  geschlagenen  Büffel  oder  ganz  in  der  Nähe  befinden  | 
müsse,  zuerst  allein  vorpürschen  und  anzukommen  trachten  solle,  worauf  | 
im  Falle  des  Misslingens  ein  Trieb  gemacht  werden  würde.  Meinem  i 
Mahäut  wurde  die  größte  Ruhe  beim  Vorgehen  anempfohlen,  damit  nicht  i 
die  Aufmerksamkeit  des  Tigers  vorzeitig  erregt  werde.  Ich  richtete  mich  1 
in  meiner  Häuda  so  gut  als  möglich  ein  und  legte  zwei  Springer'sche 
Stutzen  geladen  neben  mich,  mit  der  Absicht,  dem  Tiger  aus  meinem 
alten  500er  Stutzen,  dessen  ich  mich  auf  heimatlichen  Jagden  bei    der 
Erlegung  von  über  tausend  Stück  Wild  bedient  hatte,   den  ersten  Gruss 
zu   senden.  Janaczek   und   der  Schikäri,  welcher  den  Tiger  bestätigt  ] 
hatte,  saßen  hinter  mir.  So  pürschte  ich,  auf  meinem  klugen  Elephanten  1 
thronend,  möglichst  geräuschlos,  den  Bäumen  und  Asten  ausweichend,.! 
in  der  Thalsohle  weiter,  während  die  Schikäris  auf  den  Kämmen   der  | 
Hügel  folgten,  um  die  Bewegungen  des  Tigers  zu  beobachten.   Hohes,, 
gelbes  Gras  wechselte  mit  Bäumen  und  dornigem  Gebüsch,  und  jeden  1 
Augenblick  glaubte  ich  das  Haupt  des  Tigers   irgendwo  auftauchen  j 
sehen  zu  müssen. 

Bald  waren  wir  an  dem  Killplatze  angelangt,  wo  das  angerissene  ' 
Kalb  lag,  um  welches  Geier  und  Schakale  stritten;  doch  war  vom  Tiger  ( 
keine  Spur.  Ich  drang  noch  eine  Strecke  weiter  vor  und  wollte  eben  auf  | 
Anrathen  des  Schikäri  umkehren,  als  von  der  jenseitigen  Lehne  ein  i 
spähender  Schikäri  laut  »Bägh,  Bägh-  (Tiger)  zu  mir  herabschrie.  In  1 
demselben  Augenblicke  sah  ich  auf  ungefähr  300  m  einen  Tiger 
voller  Flucht  von   der  Höhe   der  Lehne   durch  das  Gebüsch   gegen  das 
Thal   zukommen,   leider  aber  auch   in   einem   dichten  Dschungel   ver- 
schwinden. Schon  gab  ich  Jede  HotTnung  auf,  erlheilte  aber  gleichwohl 
dem  Mahäut  den  Befehl,  dem  Tiger  in  der  Direction,  die  er  genommen, 
so  rasch  als  möglich   nachzueilen.   Zum  Glücke   hatte  Colonel  Fräser, 
ein  vielerfahrener  Tigerjäger,  der  weiter  rückwärts  im  Thale  stand,  das   . 
Manöver  des  Tigers  bemerkt  und   schoss   einige  Meter  vor  denselben   1 


■ 

I 


hin,  um  ihn  zu  einer  Wendung  zu  bestimmen.  Der  Versuch  gelingt;  der 
Tiger  schlägt  um  und  kommt  nun  in  vciller  Flucht  auf  60  Gänge  durch 
das  Gebüsch  an  mir  vorbei.  Ich  habe  gerade  noch  Zeit,  dem  Mahäut 
•  Teiro«  (Halt)  zuzurufen,  der  Schuss  kracht  —  und  wie  ein  Hase 
roulierend  liegt  das  mächtige  Thier  vor  mir. 

Meine  Freude  über  den  ersten  Tiger,  den  ich  erlegt,  vermag  ich 
''nicht  zu  schildern;  nur  ein  Waidmann  kann  das  Gefühl  ermessen,  das 
mich  in  diesem  Augenblicke  erfüllte.  Mein  Jäger  musste  einen  herz- 
haften •Juchezer«  schreien,  worauf  die  Herren  herbeieilten,  mich  zu 
beglückwünschen. 

Doch  blieb  keine  Zeit  zur  näheren  Besichtigung  des  Tigers;  denn 
nach  wenigen  Minuten  riefen  uns  die  noch  auf  den  Höhen  postierten 
Späher  und  die  das  Thal  absperrenden  Treiber  zu,  dass  sich  noch 
ein  Tiger  im  Thale  befinde  und  wir  gegen  eine  Schlucht  vorgehend 
am  Rande  derselben  Stellung  nehmen  sollten.  Ich  hielt  es  nicht  für 
wahrscheinlich,  dass  ein  zweiter  Tiger  nach  den  Schüssen  und  dem 
Lärm  Stand  gehalten  haben  würde  und  dies  um  so  weniger,  da  die 
Breite  der  Schlucht  höchstens  200  Schritte  betrug  und  die  Treiber  mit 
größtem  Geschrei  schon  bis  an  den  Rand  derselben  vorgerückt  waren. 
Doch  klärte  sich  später  der  Sachverhalt  auf;  die  Treiber  hatten  Recht; 
ein  zweiter  Tiger  hatte  sich  thatsächüch  in  der  dichtbewaldeten  Schlucht 
niedergethan  und  wollte  nun  das  Weite  suchen,  stieß  aber  hiebei  auf 
die  Treiberwehr,  vor  welcher  er  sich  wieder  in  das  Dschungel  zurückzog. 

Nachdem  sich  die  Aufregung  etwas  gelegt,  giengen  wir  in  Linie 
auf  unseren  Elephanten  gegen  besagte  Schlucht  vor,  ein  Unternehmen, 
das  nicht  ganz  leicht  durchführbar  war,  da  einige  unter  uns,  zu  denen 
auch  ich  gehörte,  eine  steile,  steinige  Lehne  erklettern  mussten.  Hiebet 
hatte  ich  abermals  Gelegenheit,  die  Geschicklichkeit  und  Kraft  meines 
Elephanten  zu  bewundern,  der  mit  dem  Kopfe  sich  anstemmend,  einen 
im  Wege  stehenden  Baum  von  mindestens  30  bis  40  cm  im  Durchmesser 
abknickte. 

An  dem  steil  abfallenden  Rande  der  kesselartigen  Schlucht 
stellten  wir  uns  im  Halbkreis  auf,  und  zwar  in  folgender  Anordnung: 
zu  oberst  stand  Clam,  dann  folgten  Stockinger,  ich,  Wurmbrand,  Prönay 
und  Kinsky,  in  der  Sohle  der  Schlucht  aber  schloss  sich  der  Head- 
Schikäri  mit  einigen  Elephanten  zur  Abwehr  an;  auf  der  anderen  Lehne 
hatten  sich  Colonel  Fräser  und  Fairholme  postiert.  Dieser  Punkt  war 
eigentlich  für  mich  bestimmt  gewesen,  doch  hatte  mich  mein  Mahäut 
in  der  Aufregung  auf  die  linke  Lehne  entführt. 


Die  Treiber  gierigen  höchst  vorsichtig,  Schritt  für  Schritt,  Steine  ia 
die  Schlucht  rollend,  vor.  Nach  einigen  Minuten  spannender  Erwartunj 
klopfte  mir  mein  Jäger  auf  die  Schulter,  nach  der  Thalsohle  weisen^ 
in  der  ich  einen  capitaien  Tiger  tief  unter  mir  ijber  eine  kleine  Bloß« 
langsam  gegen  den  Stand  Fräsers  und  Fairholmes  wechseln  sah  — 
prächtiger  Anblick,  wie  die  große  Katze,  von  allen  Seiten  bedri 
vorsichtig  schleichend,  kaum  die  Äste  des  Buschwerkes  streifend,  nac^ 
einem  Ausweg  suchte,  Schon  seit  langer  Zeit  wusste  ich  nicht  mehä 
was  Jagdfieber  sei;  aber  in  diesem  Augenblicke  erfasste  es  mich  wiedet 
so  wie  damals,  da  ich  ais  Knabe  ein  Jünger  St.  Hubertus  werden  durfte  ' 
und  meine  ersten  Versuche  im  edlen  Waidwerke  unternahm. 

Fairholme  schoss  auf  den  Tiger,  fehlte  ihn  jedoch,  so  dass  derselbe 
in  das  Dschungel  zurückwechselte,  um  in  der  Sohle  des  Thaies  zu 
entweichen,  wo  er  aber  vom  Oberstjägermeister  mit  seiner  Wehr  sehr 
geschickt  vertrieben  wurde,  um  sich  dann  in  das  dichteste  Buschwerk 
zu  verkriechen.  Ich  halte  diesen  Bewegungen  mit  der  größten  Spannui 
zugesehen  und  konnte  vor  Ungeduld  den  Moment  kaum  erwarten,  iffl 
dem  Colonel  Fräser  das  Zeichen  geben  würde,  gegen  den  Tiger  vorzil 
gehen.  Als  dies  endlich  geschehen,  spornte  ich  meinen  Mahäut  i 
größtmöglichen  Eile  an  und  kletterte  nun  auf  meinem  Elephanten  drt 
Böschung  hinab,  wo  sich  mir  Kinsky  und  Prönay  als  die  Nächst 
stehenden  anschlössen.  So  drangen  wir  in  ein  wahres  Labyrinth  v 
Bäumen  und  Buschwerk  ein,  bis  ich,  kaum  50  Schritte  vorwUrt 
gekommen,  zwischen  zwei  Bambusschäften  einen  gelben  Fleck  erblicke, 
den- ich,  schärfer  hinlugend,  als  Tiger  ausnehme,  welcher  auf  mich 
zurückäugt.  Rasch  gebe  ich  dem  Mahäut  das  Zeichen  zu  halten;  doch 
der  Tiger  bemerkt  dies  und  wendet  sich.  Ich  drücke  los,  sehe  sofort 
nach  dem  Schusse  den  Tiger  stürzen  und  höre  ihn  über  eine  kleine 
Lehne  auf  ungefähr  30  Schritte  von  meinem  Elephanten  mit  großem 
Gepolter  herabkollem.  Im  dichten  Dschungel  verliere  ich  das  Thier  aus 
dem  Auge,  sehe  es  jedoch  bald  wieder  sich  erheben  und  Anstalten 
treffen,  meinen  Elephanten  anzugreifen;  aber  nur  ein  einziger  Sprung 
gelingt  dem  Tiger,  dann  versagen  die  Kräfte  und  er  bricht  zusammen, 
In  demselben  Augenblick  arbeitet  sich  Wurmbrand  von  der  anderen 
Seite  durch  die  Bäume  und  Äste,  gibt  dem  Tiger  einen  Fangschuss  ü 
einen  Lauscher  und  regungslos  liegt  das  gewaltige  Thier  vor  uns, 

Da  sich  inzwischen  Jäger,  Schikäris  und  Treiber  versammelt  hatten^ 
entwickelte  sich  in  der  wilden  Schlucht  rings  um  den  todten  ' 
eine  der  lebendigsten  Scenen,  die  ich  je  gesehen.    Oberhalb  des  Tigar 


:iber,  die  ihn  alle  aus  nächster  Nähe  sehen  wollen;  neben  dem 
Tiger  die  freudestrahlenden  Schikäris,  die  in  ihm  einen  alten  Bekannten, 
dem  sie  so  manche  durchwachte  Nacht  gewidmet  hatten,  begrüßen  und 
nun  ihrer  Freude  durch  Schreien,  Jauchzen  und  fortwährende  Ver- 
beugungen vor  mir  Ausdruck  verleihen;  alle  Elephanten  im  Halbkreis  um 
den  Tiger,  darunter  einige  noch  in  höchster  Erregung  trompetend  und 
schnaubend;  mitten  in  diesem  Chaos,  hoch  in  seiner  Häuda  thronend, 
der  Head-Schikärt,  bald  mich  beglückwünschend,  bald  —  Jupiter  tonans 
gleich  —  schreiend,  griihlend  und  Befehle  ertheilend. 

Der  heutige  Tag   mit  seiner  Beute  von  zwei  Tigern  im  Verlaufe 
von  kaum  einer  halben  Stunde  bildet  die  schönste  jagdliche  Erinnerung 

^nieines  Lebens,  und  heißen  Dank  sage  ich  dem  heiligen  Hubertus  für 

^Bplches  Waidwerk, 

^B        Die  beiden  Tiger  waren  starke,   ausgewachsene  Exemplare  mit 

^^uffallend  schönen,  tadellosen  Decken  und  nach  Schätzung  des  Oberst- 
Jägermeisters  fünfjährig.  Hodek  hatte  seinen  photographischen  Apparat 
mitgenommen  und  verewigte  das  Trio,  nämlich  den  Tiger,  «Tisza> 
und  mich,  gleich  an  Ort  und  Stelle.  Bei  einer  Flasche  Champagner 
wurden  die  Tiger  gefeiert,  und  fröhlich  trat  die  Karawane  den  Heim- 
weg an:  voran  die  beiden  Tiger,  auf  Elephanten  gebunden;  dann  wir 
theils  zu  Pferde,  theils  auf  Elephanten;  hinter  uns  das  ganze  Corps 
der  Schikäris  und  Treiber.  Nach  der  Ankunft  im  Lager  kam  die  Ein- 
wohnerschaft, Alt  und  Jung,  des  in  der  Nähe  gelegenen  kleinen  Dorfes 
herbei,  um  die  Tiger  zu  bewundern.  Dann  wurden  diese  der  Hund 
Hodeks  übergeben,  der  sie  noch  denselben  Abend  für  meine  Sammlimg 

Iäparierte.  Die  Tigerin  hatte  vier  Junge  in  der  Grolle  von  Ratten  inne. 
Noch  während  des  gestrigen  Diners,  gegen  8  Uhr  abends,  hatte 
plötzlich  zu  donnern  und  zu  blitzen  begonnen.  Alsbald  entlud  sich 
ein  heftiges  Gewitter  mit  wolkenbruch artigem  Regen,  welcher  die  ganze 
Nacht  andauerte  und  an  unserem  schönen  Lager  großen  Schaden  an- 
richtete; denn  wahre  Wildbäche  flössen  durch  alle  Zelte,  deren  einige 
einstürzten,  und  des  Morgens  war  das  Lager  in  ein  Kothmeer  verwan- 
delt. Ein  großer  Kater,  der  aus  dem  Dorfe  gekommen  war,  hatte  sich 
auf  meinem  Bette  häuslich  eingerichtet,  als  wollte  er  sich,  wie  bei  einer 
Sündflut,  durch  .Aufsuchung  höherer  Punkte  bergen;  so  ofl  ich  auch  den 
Kaier  in  das  nasse  Element  zurückschleuderte,  immer  wieder  sprang 


Siriska,  2.^,  Februar, 


er  auf  das  schützende  Bett.  Als  ich  des  Morgens  erwachte,  flüchletei 
zwei  andere    Katzen   aus   dem    Zelte,    die   auf  meinen   Kleidern  ein^ 
wie  die  vielen  umherliegenden  Federn  bewiesen,  aus  wilden  Taulw 
bestehende  Mahlzeit  abgehalten  hatten. 

Gegen  8  Uhr  morgens  hörte  der  Regen  auf,  aber  leider  war  jei 
Aussicht  auf  Tiger  benommen,  da  wegen  des  schlechten  Wetters  keind 
geschlagen  hatte.  Als  Ersatz  proponierte  der  Oberstjägermeister  einig 
Triebe  auf  Sambarhirsche;  doch  versprach  ich  mir  gleich  anfangs  wenid 
von  einer  solchen  Jagd,  da  der  Head-Schikäri  eigentlich  ein  GegnC^ 
von  Treibjagden  ist  und  sie  nur  pro  forma,  damit  die  Zeit  vergeht 
zu  veranstalten  scheint. 

Vor  dem  Aufbruche  wurde  noch  ein  gefangenes  Stachelschw^Äl 
gehetzt,  wobei  die  Hunde  einen  unglaublichen  Muth  bewiesen,  indem 
sie  das  Stachelschwein,  obgleich  dessen  Stachel  den  Angreifern  in  den 
Kopf  und  die  Schnauze  drangen,  binnen  wenigen  Minuten  dennoch^ 
abfiengen.   Äußerst  komisch  war  es,  als  das  flüchtige  Stach elschweiil 
mitten  unter  die  zum  Abmärsche  bereit  stehenden  Elephanlen  gerathW 
war  und  diese  im  höchsten  Schrecken  auseinanderstoben,  einen  Heidet 
spectakel  machten,  zu  blasen  und  zu  trompeten  begannen,  so  dass  s 
nur  mit  Mühe  zu  beruhigen  waren. 

Wir  nahmen  sodann  mehrere  Triebe  in  anscheinend  günstigef 
Lagen;  allein  ohne  das  geringste  Resultat,  da  der  Head-Schikäri  kei^ 
Interesse  zeigte  und  die  Treiber  langsam  und  lässig  vorgiengen. 
ich  endlich  beim  dritten  Triebe  zum  Zeitvertreib  in  meiner  Häuda  lai 
zu  singen  und  zu  jodeln  begann,  stürzte  -Tisza-  entrüstet  herbd 
kanzelte  mich  in  Hindustani-Sprache  gründlich  ab  und  erklärte  kate- 
gorisch  die  Jagd  für  beendet.  Das  Ergebnis  dieser  Triebe  bestand  i 
einem  Schakal,  den  ich  —  gesehen  hatte. 

Während  der  Jagd  kamen  wir  an  den  Ruinen  eines  kleinen  JagdiJ 
hauses  vorbei,  welches  dem  verstorbenen  Maharadscha  gehört  halle,  da 
hier  in  seltsamer,  jedenfalls  sehr  bequemer  Art  vom  Anstände  aus  a 
Tiger  zu  jagen  pflegte.  So  oft  nämlich  der  Maharadscha  in  mondhellei 
Nächten  das  Jagdhaus  bezogen  hatte,  wurde  in  einem  der  unter  dei 
Kenstern  des  Gebäudes  gelegenen  Gräben  ein  Büffelkalb  angebunden,  um 
Tiger  herbeizulocken.  Inzwischen  schlief,  bis  ihn  die  Meldung  weckta 
dass  ein  Tiger  zur  Stelle  sei,  der  Nimrod  ruhig  auf  seinem  Pfühle  und 
feuerte  dann,  im  »Gewände  der  Nacht«,  mit  der  größten  Seelenmb 
seinen  Schuss  auf  den  Tiger  zum  Fenster  hinaus  ab,  um  nach  wenige] 
Minuten  den  unterbrochenen  Schlaf  fortzusetzen. 


Während  ich  nach  dem  letzten  Triebe  auf  einem  Umwe^je  dem 
Lager  zustrebte,  gelang  es  mir,  mit  zwei  Schüssen  auf  weite  Distanz  — 
über  300  Schritte  —  zwei  Chinkara-Gazellen,  Bock  und  Gais,  äußerst 
zierliche,  graziöse  Thiere,  zu  erlegen.  Gazeilen  einer  ähnlichen  Art  hatte 
ich  schon  seinerzeit  in  Syrien  gesehen,  aber  nicht  zu  erbeuten  vermocht. 
Außerdem  schoss  ich  einen  auffallend  starken  Schakal  und  mehrere 
Hühner.  Auch  die  anderen  Herren  brachten  verschiedenes  Wild  heim; 
Clam  unter  anderem  auch  ein  Exemplar  des  Gemeinen  Flughuhnes 
(Pterocles  exustus). 

Zum  Glücke  hatte  sich  der  Himmel  im  Laufe  des  Tages  vollkommen 
aufgeheitert,  so  dass  wir  einen  herrlichen  Abend  bei  prachtvoller  Be- 
leuchtung der  umliegenden  Berge  genossen.  Die  Landschaft  schwamm 
in  silberhellem  Mondschein  und  schließlich  —  Ende  gut,  alles  gut  — 
traf  auch  die  langersehnte  Post  vom  13.  Jänner,  die  in  der  halben 
Welt  unseren  Spuren  nachgeirrt  war,  mit  guten  Nachrichten  aus  der 
geliebten  Heimat  ein. 

■  Siriska,  26.  Februar. 

Dem  schönen,  klaren  Tage  war  eine  kalte  Nacht  vorausgegangen, 
dass  leider  ungünstige  Nachrichten  über  Tiger  einliefen.  Zwei  Tiger 
halten  zwar  gerissen,  aber  dann  nicht  Stand  gehalten,  so  dass  sie  nicht 
bestätigt  werden  konnten.  Wir  mussten  uns  daher  abermals  mit  einem 
regellosen  Treiben  an  den  Berglehnen  begnügen  und  bedauerten  dies 
umsoraehr,  als  es  der  letzte  Tag  war,  den  wir  im  Lager  von  Siriska  zu 
verbringen  hatten,  und  das  Wetter  eine  Wendung  zum  Besseren  zu 
nehmen  schien.  Der  erste  Trieb,  geführt  vom  Head-Schikäri,  wurde 
wieder  mit  großem  Geschrei,  sowie  in  üblicher  Unordnung  abgewickelt 
und  blieb,  dem  Erwarten  gemäß,  resultatlos.  Nur  heilige  Pfauen  strichen 
über  uns  hinweg;  in  der  Ferne  sah  ich  eine  Nilgau-Kuh  mit  ihrem  Kalbe. 
Für  den  jagdlichen  Misserfolg  entschädigte  die  Scenerie,  da  sich  ober- 
halb der  Lehne,  an  welcher  getrieben  wurde,  steile  Felsen  und  Wände 
erhoben,  welche  die  Erinnerung  an  unsere  schönen  Gemsjagdgebiete 
in  den  Alpen   lebhaft  wachriefen. 

Gegen  Ende  des  Triebes  ertheilte  der  Oberstjägermeister  meinem 
Mahäut  einen  mir  unverständlichen  Befehl,  worauf  jener  mich,  der  ich 
ihm  willenlos  preisgegeben  war,  um  eine  kleine  Hügelkette  herumleitete 
und  auf  einem  V'orsprung  aufstellte,  von  welchem  aus  ich  trotz  ein- 
slündigen  Wartens  weder  Wild,  noch  Treiber,  noch  Irgend  einen  der 
Herren  erblicken  konnte.  Die  lebhafte  Zeichensprache,  die  ich  mit  dem 


Mahäut  zu  führen  versuchte,  endigte  nur  mit  Ausbrüchen  ungezügelter 
Heiterkeit  seinerseits,  so  dass  ich  mich  schließlich  in  mein  Schicksal 
ergab  und  ruhig  weiter  wartete.  Endlich  kamen  die  Treiber  und  der 
Head-Schikäri  herbeigeschlichen  und  fanden  sich  auch  die  anderen 
Herren,  welche  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  des  Berges  meiner 
vergeblich  geharrt  hatten,  ein.  Der  gute  Oberstjägermeister  hatte  eine 
arge  Verwirrung  angerichtet,  ordnete  aber  jetzt  einen  neuen  Trieb  an. 

Ein  steiler,  bewachsener  Abhang  wurde  auf  zwei  Seiten  im  Halb- 
kreise durch  die  Schützen  umstellt;  aber  der  Trieb  dauerte,  obgleich  er 
sehr  klein  war,  endlos,  bis  es  plötzlich  hieß,  ein  Panther  sei  im  Triebe. 
worauf  sofort  die  Hälfte  der  Treiber  in  den  Bäumen  saß,  von  denen  sie 
um  keinen  Preis  herabkommen  wollten.  Alles  schrie  durcheinander,  der 
Trieb  stockte,  die  nicht  aufgebäumten  Helden  giengen  nur  zögernd  vor, 
und  endlich  kam  die  ganze  Gesellschaft  hübsch  vereinigt  auf  einem 
Wechsel  heraus,  ohne  die  Dickung  ordentlich  durchstreift  zu  haben. 
Wo  war  mittlerweile  schon  der  Panther! 

Nach  Schluss  dieser  famosen  Expedition  sprang  ein  starker 
Sanibarhirsch  auf,  den  Pronay  anschoss,  worauf  wir  alle  mit  den 
Klephanten  concentrisch  in  das  Dschungel  eindrangen  und  den  Hirsch 
ausmachten.  Der  Oberstjägermeister  selbst  schien  von  dem  Verhallen 
seiner  Leute  nicht  sehr  erbaut  zu  sein,  denn  er  schimpfte  und  fluchte 
durch  eine  halbe  Stunde  ununterbrochen,  ritt  dann  eiligst  nach  Hause 
und  ließ  sich  nicht  mehr  blicken. 

Wir  beschlossen  noch  auf  gut  Glück,  das  Thal  zu  durchstreifen, 
wobei  wir  jeden  kleinen  Hügel,  jedes  Dschungel  durchstöberten:  doch 
blieb  das  Resultat  hinter  unseren  Envartungen  zurück,  da  ich  nur  einen 


Sirtska  —  Alwar,  27.  Februar. 

Um  '/-.ö  Uhr  früh  war  großer  Feueralarm  im  Lager,  da  eines 
Zelte  in  der  zweiten  Lagerreihe,  welches  tagszuvor  verlassen 
worden  war,  lichterloh  brannte  und  in  wenigen  Minuten  ein  Raub  der 
Flammen  wurde.  Zum  Glücke  herrschte  jedoch  völlige  Windstille,  so 
dass  sich  der  Brand  nicht  weiter  ausdehnte. 

Der  Tag  war  heiTÜch  und  machte  uns  das  Scheiden  von  dem 
schünen  Lager  in  Striska  recht  schwer;  wir  hatten  in  dem  Camp 
so  angenehme  Tage  verbracht,  dass  ich  dem  Aufenthalte  daselbst  — 
namentlich  dank  meiner  ersten  beiden  Tiger  —  eine  dauernde  Erinne- 
rung bewahren  werde.  Das  offlcielle  Keiseprogramm  forderte  mit 
unerbittlicher  Strenge  die  Abreise;  der  Maharadscha  von  Dschodpur 
erwartete  mich  am  kommenden  Morgen  und  mit  indischen  Fürsten  muss 
glimpflich  umgegangen  werden,  besonders  wenn  sie  dem  englischen 
Regimente  eben  günstig  gesinnt  sind.  So  sagten  wir  denn  allen  unseren 
Jagdgefährten,  den  Mahäuts,  Schikäris  und  Treibern  Lebewohl  und 
ritten  in  den  frischen,  klaren  Morgen  hinein. 

Auf  halbem  Wege  trafen  wir  mit  Mrs.  Fräser,  der  Gemahlin  des 
Residenten,  zusammen,  der  ich  mich  vorstellen  ließ  und  eine  Strecke  das 
Geleite  gab,  der  Dame  für  die  freundliche  Fürsorge  bestens  dankend, 
welche  sie  während  unseres  Aufenthaltes  im  Lager  bekundet  hatte. 
Mrs.  Fräser,  die  schon  wiederholt  an  Tigerjagden  theilgenommen,  war 
ursprünglich  von  der  Absicht  geleitet  gewesen,  in  unserem  Lager  auch 
ihr  Zelt  aufzuschlagen,  da  sie  eine  weibliche  Hand  nicht  nur  zur  Pflege 
für  den  möglichen  Fall,  dass  ein  Mitglied  der  Expedition  erkranken 
würde,  sondern  auch  zur  Anordnung  des  Blumenschmuckes  auf  der 
Tafel  als  nothwendig  erachtete.  Da  ich  aber  der  Dame  die  Unbequem- 
lichkeit des  Lagerlebens  ersparen  wollte,  hatte  ich  General  Protheroe 
schon  einige  Zeit  vor  dem  Eintreffen  im  Lager  ersucht,  Mrs.  Fräser  zum 
Aufgeben  ihres  Vorhabens  zu  bestimmen.  Dies  hatte  Anlass  zu  einer 
längeren  diplomatischen  Verhandlung  zwischen  dem  General  und 
dem  Residenten  gegeben,  welche  mit  dem  Compromiss  endete,  dass 
Mrs.  Fräser  ein  eigenes  Camp  in  einiger  Entfernung  von  dem  unseren 
bezog.  Von  hier  aus  flocht  und  wob  sie  —  nach  edler  Frauenart  Böses 
mit  Gutem  vergeltend  —  zarte  .Aufmerksamkeilen  in  unser  jagdliches 
Leben,  bald  das  Menu  durch  köstliche  «Sweets-  bereichernd,  bald  die 
Zelte  durch  Skizzen  von  der  eigenen  Hand  schmückend,  bald  Büchlein 
sendend,  in  die  wir  unsere  Namen  schreiben  sollten. 


Unsere  von  Sinska  gegen  Alwar  ziehende  Karawane  ' 
stattlicher  Länge.  Voran  die  berittene  Garde,  dann  wir  hoch  zu  Ro&5e,1 
hierauf,  von  den  Dienern  gefolgt,  die  Gelehrten,  theils  auf  Elephanten,  I 
theils  in  zweispännigen  Wagen,  sodann  die  Kameele  und  zum  Schlüsse  | 
der  gewaltige  Train  der  Bagage,  die  Küche,  die  Munition  und  die  I 
Gewehre  auf  Ochsenkarren.  Zu  Ehren  der  Leiter  der  Expedition  sei  I 
gesagt,  dass  alles  glatt  vonstatten  gieng,  und  als  wir  gegen  11  Uhr  I 
vormittags  auf  der  Eisenbahnstation  in  Alwar  anlangten,  war  das  I 
Gepäck  bald  verladen,  indessen  Wutzier,  der  Küchenchef,  mit  Befrie- 
digung meldete,  dass  im  Speisewagen  bereits  ein  warmes  Frühstück 
unser  harre. 

Am  Bahnhof  erschien  zur  Verabschiedung  der  jugendliche  Maha- 
radscha Dschai  Singh,  brachte  mir  sein  wohlgetropfenes  Porträt, 
besichtigte  noch  meinen  Waggon  und  ließ  sich  über  unsere  Expedition 
berichten,  wobei  er  in  lebhafter  Weise  seine  Befriedigung  über  den  Erfolg 
der  Tigerjagd  an  den  Tag  legte. 

Der  Extrazug  führte  uns  gegen  Dschodpur.  wo  wir  den  nächsten 
Margen  anlangen  sollten.  Die  Rajputana-MahvaTheilstrecke  der  Bombay 
Baroda  and  Central  India  Railway,  welche  wir  zunächst  benutzten, 
läuft  in  südlicher  Richtung  bis  nach  Bandikui.  Von  diesem  Kreuzungf^- 
punkte  der  einerseits  östlich  nach  Bhartpur  und  Agra,  andererseits 
gegen  Dschodpur  führenden  Linien  geht  die  Bahn  zuerst  westlich 
nach  Dschaipur  und  Phalera  (Phulcra),  sodann  südwestlich  über 
Adschmir  nach  Marwar.  Hier  schließt  die  ebenfalls  schmalspurige 
Jodhpore  Bikanir  Railway  an,  welche  in  nordwestlicher  Richtung 
nach  Dschodpur  führt. 

Wir  hatten  in  Alwar  den  Train  bestiegen,  den  wir  schon  von 
Agra  aus  nach  Bhartpur  benützt.  Dem  Zuge  war  auch  diesmal  das 
Personal  beigegeben,  welches  sich  auf  dem  .Ausfluge  nach  Bhartpur 
als  so  jagdfreundlich  erwiesen  hatte,  welchem  Umstände  wir  ver- 
dankten, dass  nun  auch  auf  der  Fahrt  von  .Alwar  gegen  Bandiku-, 
binnen  kurzem  auf  offener  Strecke  plötzlich  gehalten  wurde  und  die 
Jagdfreunde  meldeten,  sie  hätten  in  der  Nähe  Gazellen  gesehen.  Ich 
pürschte  nun  einige  hundert  Meter  vor  und  erlegte  eine  Gazellengais 
sowie  einen  Kitzbock,  während  Wurmbrand  auf  einen  starken  Bock 
schoss.  Nach  diesem  ermunternden  Erfolge  hub  abermals  die  heitere 
Eisenbahnpürsche  an,  in  deren  Verlaufe  wir  noch  dreimal  Gelegenheil 
hatten,  an  Black-bucks  heranzukommen,  so  dass  ich  einen  starken 
Bock,    Clam    eine    Gais    erlegen    konnte.   Wir   standen    alle    auf   der 


Plaltform  unserer  Waggons  und  schössen  in  voller  Fahrt  auf  sitzeniJes, 
flüchtiges  oder  streichendes  Wild,  wobei  wir  natürlich  ganz  anders 
zielen  und  schießen  mussten  als  unter  gewöhnlichen  Umständen.  Diese 
äußerst  anregende  Jagdweise  lieferte  eine  Beute  von  130  Stücken, 
worunter  sich  ein  Schakal,  ein  Fahler  Adler,  verschiedene  Falken  und 
Weihen,  Rebhühner,  Tauben  und  Papageien  befanden.  Erstaunt  blickten 
die  Landbewohner  und  noch  erstaunter  die  Bahnwächter  dem  eilen- 
den ^uge  nach,  aus  welchem  ununterbrochen  Schüsse  fielen,  bis  die 
einbrechende  Dunkelheit  uns  veranlasste,  von  der  Plattform  in  die 
Coupes  zurückzukehren. 


Dschodpur. 


Dschodpur. 


^H^  Dschodpur,  28,  Februar. 

Nächst  Adschmir  berührt  die  Bahnstrecke  die  Ausläufer  des 
_  Arawali-Gebirges,  welches  die  westliche  Grenze  des  gewaltigen  Strom- 
gebietes des  Ganges  bildet.  Aus  Schiefern,  Quarzen  und  Gneiß 
bestehend,  ist  das  Arawali- Gebirge  geologisch  durch  seine  Faltung, 
geographisch  durch  seine  Rolle  als  Scheidewand  zwischen  Ost-Rädsch- 
putana  und  dem  schon  zum  Gebiete  der  Wüste  oder  richtiger  gesagt 
der  Mulde  Tharr  gehörenden  Flachlande  von  Manvar  bemerkenswert. 
Die  Kette  der  Arawali  mag  in  einer  Trüberen  Periode  die  Küste  einer 
Meereszunge  gebildet  haben,  in  welch  letzterer  das  Hügelland  von 
Dschodpur  eine  Insel  dargestellt  hat.  Spärlich  bebaut  und  besiedelt, 
wasserarm  und  reich  an  Sand,  weist  jener  Thei!  W'est-Rädschputanas, 
den  wir  durchfuhren,  anscheinend  denselben  landschaftlichen  Charakter 
auf,  wie  die  Gegend  von  Alwar.  Thäler  in  der  Breite  von  16  bis  24  km 
erschienen  von  Hügelketten  eingefasst;  bebautes  Land  wechselt  mit 
ausgedehnten  Heideflächen  ab,  die  dort,  wo  süßes  Wasser  und  Strauch- 
werk Tränke  und  Deckung  bieten,  ganzen  Rudeln  von  Wildschweinen, 
sowie  Gazellen  und  Black-bucks  Aufenthalt  gewähren. 

Schon  aus  weiter  Ferne  blickten  uns  über  die  kahle  Ebene  her 
die  Sandsteinhügel,  der  hoch  aufragende  Burgberg,  das  Fort  und  ein- 
zelne Paläste  von  Dschodpur  entgegen.  Um  9  morgens  lief  unser  Zui; 
in  den  Bahnhof  ein. 


Auf  dem  Perron  empfiongen  mich  Dschaswant  Sinyh  Butiädttl 
der  Maharadscha  vun  Dschodpur  oder,  wie  sein  Reich  auch  genannt 
wird,  von  Marwar,  der  britische  Resident  Colonel  Abbott  und  die 
Würdenträger  des  mächtigen  Rädschputenfürsten.  Alle  trugen  ihre  so 
kleidsamen  Nationalcostiime;  das  Gewand  des  Maharadschas  war  mit 
den  liostbarsten  Smaragden  und  Rubinen  geschmückt.  Der  Empfang 
war  in  jeder  Beziehung  glänzend.  Außerhalb  des  Bahnhofes  harrte  eine 
große  Volksmenge,  während  Truppen  Spalier  bildeten.  Diese  sowie 
die  uns  begleitende  Escorte  waren  von  dem  Cavalleneregimentc. 
welches  der  Maharadscha  der  englischen  Regierung  stellt.  Auch  reich- 
geschmückte Elephanten.  mit  kostbaren  goldgestickten  Decken  ver- 
sehen, und  der  Marstall  waren  en  plelne  parade  ausgerückt.  Das 
Cavallerieregiment  sieht  ausnehmend  gut  aus  und  ist  weitaus  das 
schönste,  weiches  ich  bisher  in  Indien  gesehen;  durchwegs  aus  gut 
gewachsenen  Leuten  recrutiert  und  mit  vorzüglichen,  gröUtenlheib 
einheimischen  Pferden  beritten  gemacht.  Die  Adjustierung  besteht  aus 
weißem  Rocke  mit  lachsrotheni  Gürtel  und  weißen  Hosen,  lichtgraucm 
Turban  mit  kleiner  silberner  Aigrette;  die  Bewaffnung  aus  Lanze  mii 
Fähnlein  und  Carabiner  —  ein  malerischer  Anblick. 

Die  Conversation  mit  dem  Maharadscha,  der  etwa  50  Jahre 
zählen  dürfte,  struppigen,  schwarzen  Vollbart  trägt  und  ernst  in  die 
Welt  blickt,  gieng  etwas  schwerfällig  vonstatten,  da  Crawford  jedes 
Wort  in  die  Hindustani-Sprache  übersetzen  musste. 

Der  Rädschputenstaat  Marwar  oder  Dschodpur,  den  angeblich 
Rao  Siadschi,  ein  Enkel  Maharadscha  Dschai  Tschands,  Königs  dts 
am  rechten  Gangesufer  gelegenen  Reiches  von  Kanodsch  (Kanai^jl 
im  Jahre  1211  n.Chr.  gegründet,  hat  sich  seit  jeher  durch  die  Tapfer- 
keit seiner  Fürsten  und  Krieger  hervorgethan. 

In  der  Reihe  der  Fürsten  von  Dschodpur  erscheinen  besonJos 
bemerkenswert:  Rao  Dschudha,  der  Stifter  der  neuen,  nach  ihm 
benannten  Hauptstadt  Dschodpur  (1459);  Rao  Maldco,  unter  dessen 
Herrschaft  der  Großmogul  Akbar  Manvar  mit  Krieg  überzog  (1561): 
Rao  Maldeos  Sohn,  Tschander  Sen,  bot  dem  Großmogul  17  Jahre 
lang  die  Spitze;  Rao  Ude  Singh,  dem  vom  Großmogul  der  Titel 
Mota  Rädscha  und  neuer  Länderbesitz  verliehen  worden  ist;  Suf 
Singh  (t  1620)  und  Gadsch  Singh,  dessen  Sohn  (+  1638),  genannl 
Dalthamban,  »die  Abwehr  des  Feindes«,  beide  große  Krieger;  J*' 
ebenso  gelehrte  als  streitbare,  im  Jahre  1638  zur  Regierung  gelang"' 
Dschaswant  Singh,  dessen  Macht  selbst  ein  .^ui'engzeb  fürchten  gelernl 


hiitte,  und  emilich  Takat  Singh  (f  !87:i},  ein  Seitenspross  des  regie- 
renden Hauses,  der  während  des  Aufstandes  vom  Jahre  1857  auf  der 
Seite  Englands  stand.  Der  Sohn  Takat  Singhs  ist  der  jetzt  regierende 
Maharadscha,  unter  dessen  Machtgebot  Dschodpur,  das,  von  kleinen 
Trübungen  abgesehen,  seit  dem  im  Jahre  1803  mit  England  abge- 
schlossenen Friedens  vertrage  der  britischen  Krone  treu  anhängt, 
modernen  Reformen  unterzogen  wurde  und  neuer  friedlicher  Blüte 
entgegenreift. 

Wir  sahen  sonach  in  Dschaswant  Singh  den  Abkömmling  der 
Räthor,  eines  Hauptstammes  der  alt-arischen  Sonnendynastie,  einen 
Urenkel  der  Sonnenkönige,  deren  Thaten  das  Naiionalepos  Rämäyana 
verherrlicht,  deren  Städte  und  Residenzen  in  altersgrauer  Zeit  das 
Zwischenstromland  des  Ganges  und  der  Dschamna  erfüllt  haben.  Die 
nicht  eben  zahlreichen  Rädschputen  sind  edlen  Stammes  und  nicht 
bloß  im  Volke,  sondern  selbst  durch  englische  genealogische  Werke 
als  Nachkommen  der  glorreichen  Geschlechter  der  uralten  Sonnen- 
könige beglaubigt. 

Das  Haus  Dschaswant  Singhs  gehört  zu  den  durch  Macht  und 
Ansehen  blühenden  Herrscherhäusern  Rädsehputanas  und  ist  in  der 
Lage,  sich  wahrhaft  königlichen  Blutes  zu  berühmen.  Gleichwohl  sollen 
zwischen  Mitgliedern  dieses  Hauses  und  solchen  der  großmogulischen 
Dynastie  abgeschlossene  Ehebündnisse  wiederholt  zu  erbitterten  Streitig- 
keiten und  Kriegen  zwischen  Dschodpur  und  Udaipur  geführt  haben, 
da  die  in  Udaipur  regierende  Familie,  auf  ihre  reinblütige  Abstammung 
stolz,  jede  Verbindung  mit  der  dem  Hause  der  Großmoguln  versippten 
Dschodpurer  Dynastie  als  Missheirat  betrachtete.  Dieser  Zwist  ver- 
mochte schließlich  nur  unter  der  Bedingung  geschlichtet  zu  werden, 
dass  die  den  Ehen  mit  Prinzessinnen  aus  dem  Hause  Udaipur  entstam- 
menden Söhne  der  Fürsten  von  Dschodpur  in  der  Erbfolge  den  Vorrang 
eingeräumt  erhielten. 

Der  Staat  Dschodpur  umfasst  rund  95.000  km'  mit  etwa  drei 
Millionen  Einwohnern,  worunter  86  Procent  Hindus,  deren  Mehrzahl 
auf  Rädschputen  entfällt,  10  Procent  Dschainas  und  4  I'rocent  Moham- 
medaner. Getreide,  Opium,  etwas  Baumwolle,  Tabak  und  Zuckerrohr, 
Obst,  Vieh,  Häute  und  Wolle,  Marmorwaren  aus  Makräna.  sowie 
Salz  bilden  die  Hauptproducte  des  Landes.  Großartige  Salziager 
finden  sich  als  Auswitterung  auf  dem  Boden  jener  Mulde,  welche  zur 
Regenzeit  den  480  km'  umfassenden  Sambar-See  bildet.  Die  Aus- 
beutung dieses  Lagers,   welches   im  Jahre   durchschnittlich   300.000 


englische  Tonnen  Speiaesaiz  liefert,  ist  im  Jahre  1870  seitens-' 
der  Uferfürsten  von  Dschodpur  und  Dschaipur  als  Hoheitsrecht  der 
englischen  Regierung  abgetreten  worden,  welche  den  Betrieb  und 
Verschleiß  dieses  größten  aller  indischen  Salzwerke  rationell  einge- 
richtet hat. 

Abgesehen  von  den  irregulären  Truppen  zählt  die  Armee  256 
Mann  Artillerie  mit  7ö  brauchbaren  Kanonen,  3162  Reiter  zu  Pferde  um 
auf  Kameelen  und  3653  Mann  Infanterie.  Nebstbei  hält  der  Mahi 
rädscha  ein  Regiment  von  600  Mann  zu  Pferde  zur  Verfügung  di 
englischen  Regierung  —  vielleicht  die  best  berittene  und  adjustierte  di 
Imperial  Service  Troops  in  Indien,  der  unter  Aufsicht  der  englischi 
Regierung  stehenden  Contingente  indischer  Fürsten. 

Neben  dem  Galawagen  ritt  rechts  der  Bruder  des  Mahärädschi 
der  Mahärädsch  Adhiradsch  Coloiiel  Sir  Pratap  SingH,  der  allmächti 
Reformator  von   Dschodpur,    der  eine   Reihe    von  Würden    in    seini 
Person  vereint.  Er  steht  als  erster  Minister  (Awal  Musahib)  an  der  Spil 
der  Verwaltung  und  commandiert  nebstbei  sämmtliche  Truppen  sein» 
Bruders,  dessen  Rathgeber  er  in  allen  Angelegenheiten  ist,    Ein  eni 
gisches,  ausdrucksvolles  Gesicht  bekundet  die  Fähigkeit  dieses  Reii 
kanzlers  und  Generalissimus  von  Dschodpur  zu  allen  seinen  Amtei 
Er  ritt  ein  schönes  englisches  \'ollblutpferd,  das  er  bei  Gelegenheit 
des  Jubiläums  der  Königin  in  England  gekauft  hatte.  Zur  Linken  des 
Wagens  ritt  Hardschi  Singh,  ein  Adjutant  des  Maharadschas,  ein  seltei 
schön  gewachsener  junger  Mann,  der  sich  in  allen  Sports  ganz  besi 
ders  hervorthut  und  namentlich  beim  Polospiel  und  Pigsticking, 
echter  Rädschpute  Schneidigkeit  und  Ausdauer  bethätigend,  in  seim 
Leistungen    unerreicht   sein   soll.    Zum   Reiter  geboren,   macht   er   im 
Sattel  eine  brillante  Figur,  hat  einen  beneidenswerten  Sitz  und  scheint 
mit  seinem  Pferde  verwachsen. 

In  einer  Art  Gartenanlage,  Paota  Bäg,  unweit  von  Rai-ka  Bäg,  dem 
im  Osten   der  Stadt  gelegenen  Sitze   des  Maharadschas,   war  für  uns 
mit  indischer  Pracht  und  Raumverschwendung  ein  Zeltlager   errichl 
worden,  das,  ebenso  wie  die  bisher  bewohnten,  eine  kleine  Stadt 
sich   bildete.    In    meiner   mit  wertvollen  Teppichen  ganz  ausgele] 
Behausung  fand   ich   eine   Anzahl   Genfer  Spieluhren   und   »Werkel- 
die  ein   Gegenstand  besonderer  Vorliebe    des   Maharadschas   zu    si 
scheinen.    Vor    dem    Zeltlager    dehnte    sich    eine    parkähnliche 
Springbrunnen,  Marmorstatuen  und  schattigen  Bäumen  gezierte  Avci 
aus;  überall  standen  Wagen,  Reitpferde,  ja  sogar  Bicycles  zu  unsi 


Itei^ 

m 


Verfügung;  ganze  Züge  von  k'ameelen  schleppten  ununterbrüclicn 
in  grulien  Schläuchen  Wasser  herbei,  um  tlas  Löschen  des  liistigeu 
Staubes  zu  ermöglichen. 

Eine  halbe  Stunde  nach  meiner  Ankunft  erschien  der  Maharadscha 
in  glanzvollem  Aufzug,  umgeben  von  Würdenträgern  und  Leibwachen, 
um  mir  seine  officielle  Visite  zu  machen,  die  in  landesüblicher  Weise 
verlief.  Er  und  ich  auf  zwei  Thronsesseln;  rechts  von  uns  die  euro- 
päische, links  die  indische  Suite;  einige  verdolmetschte  Phrasen  als 
Bindemittel.  In  einer  Kunstpause  stand  der  englische  Resident  auf  und 
stellte  mir  die  indischen  Hofchargen  vor,  worauf  ich  dem  Maharadscha 
Attur  und  Pan  überreichte,  ihn  mit  Blumen  bekränzen  und  ihm  einen 
Tropfen  des  so  bösen  Sandel-  und  Rosenöles  in  das  Sacktuch  geben 
musste.  Officielle  Besuche  sind  in  der  Regel  die  einzige  Gelegenheit, 
bei  welcher  sich  die  Inder  des  letztgenannten  Culturgegenstandes 
.bedienen,  da  ihnen  sonst  einfachere  Mittel  genügen. 
^  Der   Visite    musste    selbstverständlich    sofort   der   Gegenbesuch 

Vblgen,  weshalb  ich,  nachdem  zwei  eingeborene  Herren  mich  abgeholt 
hatten,  unter  dem  unausgesetzt  salutierenden  Donner  der  Batterien  an 
dem  Justizpalaste,  einem  großen,  vor  kurzem  erst  vollendeten  Gebäude 
in  indischem  Stile,  vorbei  in  die  Residenz  des  Maharadschas  fuhr. 

Dieser  Patast  stellt  sich  als  ein  eigenthümlicher,  runder  Bau  mit 
ebenfalls  runden,  vorgebauten  Thürmen  dar,  welcher  einem  großen 
Glashause  oder  einem  Ausstellungspavülon  ähnelt.  Der  grellweilie 
Anstrich  blendet  durch  HeHectierung  des  Sonnenlichtes  das  Auge.  Im 
Souterrain  Hegen  offene  Gallerien  für  Pferde.  Auf  einer  sehr  steilen, 
steinernen,  stufenlosen  Rampe,  welche  direct  in  das  erste  Stockwerk 
führt,  emplieng  mich  Freund  Dschaswant  Singh,  während  seine  Truppen 
im  Hofe  präsentierten  und  eine  Regimentskapelle  unsere  Hymne  als 
Schnellpolka  spielte.  Der  erste  Stock  des  Palais  besteht  bloß  aus 
einem  runden  Empfangszimmer  mit  kleinen  Nebenzimmern,  die  mit 
wenig  geschmackvollen  europäischen  Bildern  und  Nippsachen  angefüllt 
sind.  Die  Gegenvistte  unterschied  sich  vom  Besuche  des  Maharadschas 
nur  dadurch,  dass  jetzt  ich  der  leidende  Theil  war,  indem  ich  mit 
Sandelöl  bedacht  wurde  und  Betel  kaute,  den  ich  zum  erstenmale. 
auf  die  Gefahr  hin,  rothe  Zähne  zu  bekommen,  versuchte.  Ich  fand 
ihn  ungemein  scharf  und  herb  schmeckend,  sowie  Durst  erzeugend. 
Unter  allen  Bewohnern  Indiens,  die  ich  bisher  gesehen,  gefielen  mir 
am  besten  die  Rädschputen,  von  welchen  freilich  nur  relativ  wenige  eine 
reinblülige  .Abstammung  aufzuweisen  vermögen,  wogegen  jeder  andere 
301 


Hinilu.  iler  zu  Reichlhum  und  Ansehen  gelangt,  bemüht  ist,  seinen  Glani 
durch  einen  apokrypher  RAilschpiiten-Stammbaum  zu  erhöhen.  iJic 
Männer  sind  groß,  kräftig,  schlank,  mit  schwarzen  Schnurr-  und  Vnll- 
bänen,  die  sie  in  ganz  origineller  Weise  nach  aufwärts  bürsten,  ja  sogar 
um  die  Ohren  winden.  Sie  haben  in  vortheilhafter  Abweichung  von  den 
übrigen,  zumeist  schlappen  und  lässigen  Hindus  ein  martialischcK 
echt  soldatisches  Aussehen,  das  auf  den  ersten  Blick  auffällt  und  wohl 
von  ihrer  jahrhundertelangen  kriegerischen  Beschäftigung  herrührt  Stet«^ 
haben  die  verschiedenen  Fürsten  und  Stämme,  ja  sogar  benachbarte 
Dörfer  untereinander  in  wilder  Fehde  gelebt;  stets  gab  es  Krieg,  Raub- 
züge und  blutige  Unternehmungen.  Noch  heutzutage,  wo  kaum  noch 
zehntausend  echte  FJädschputen  in  der  englischen  Sipoi-Armee  dienen. 
trägt  jeder  männliche  Rädschpute  sein  scharf  geschliffenes  Schwert;  ja 
sogar  die  Kutscher  auf  dem  Bocke  sind  mit  Schwertern  umgürtet.  Auch 
der  Charakter  des  Landes  zeugt  von  den  Kämpfen  früherer  Zeilen. 
indem  jede  Stadt,  jeder  kleine  Ort,  jeder  Palast  auf  das  sinnreichste  mit 
Mauern,  Wällen  und  Bastionen  befestigt  ist.  Auf  zahlreichen  Bergen 
sieht  man  noch  Ringmauern  und  Auslugthürme  sowie  die  kleii 
Burgen,  welche  von  den  einzelnen  Fürsten  gegen  die  Einfalle 
unruhigen  Nachbarn  errichtet  worden  sind. 

Mit  den  kriegerischen  Eigenschaften  der  Rädschputen  steht  offefT 
bar  im  Zusammenhange,  dass  diese  vorzügliche  Reiter  sind.  Nirgends 
sah  ich  so  gewandte  Naturreiter,  so  gute  und  besonders  gut  gehaltene 
Pferde,  als  in  Dschodpur.  In  den  jetzigen  friedlichen  Zeilen  widmen  sich 
die  Rädschputen  dem  Reitsporte  und  zeichnen  sich  namentlich  im 
Pigsticking,  sowie  im  Polo  aus,  worin  sie  durch  ihre  Geschickiichkoit 
zu  Pferde  alle  Engländer  schlagen.  Tonangebend  sind  in  Sachen  des 
Reitsportes  Sir  Pratap  Singh  und  Hardschi  SJngh,  sowie  Major  ßcatson, 
ein  liebenswürdiger  und  tüchtiger  Officier,  der  sich  den  einheimischen 
Sitten  und  Passionen  assimiliert  hat,  mit  den  Eingeborenen  reitet,  jag! 
und  unter  ihnen  besonderes  Ansehen  und  Vertrauen  genießt.  Er  wurde 
vor  drei  Jahren  nach  Dschodpur  gesandt,  um  die  Imperial  Service  Troops 
dieses  Staates  zu  organisieren.  Major  Beatson  erzählte  mir,  dass  es  ihm 
wahre  Freude  gemacht  habe,  mit  den  Dschodpurem  zu  arbeiten; 
hätten  ihm  viel  guten  Willen  entgegengebracht  und  so  sei  es 
Leichtes  gewesen,  eine  vorzügliche  Truppe  zusammenzustellen. 

Der  Rest   des  Tages   gehörte   der  Besichtigung   der   Stadt 
ihrer  Sehenswürdigkeiten,   Erstere,  etwa  60.000  Einwohner  zahli 
am   Südfuße   der   Hügelkette   gelegen,    die   sich   hier  aus   der  El 

302 


rgen 


erhebt,  ist  von  langen,  durch  sieben  Thore  untürbrochenen  Mauern 
umgeben.  Zunächst  lenkte  ich  meine  Schritte  in  den  Bazar,  jenen  Oit 
der  indischen  Städte,  der  das  Volksleben  in  seiner  Ursprünglichkeit 
zeigt  und  dem  ethnographischen  Sammler  reiche  Ernte  bietet. 

Dschodpur  ist  bemerkenswert  als  Sitz  reich  entwickelter  commer- 
cieller  Thätigkeit,  welcher  ein  ansehnlicher  Theil  der  Einwohnerschaft 
obliegt,  wie  denn  überhaupt  ein  beträchllicherBruchtheil  der  Bevölkerung 
Indiens  im  Betriebe  verschiedener  Handelszweige  seinen  Erwerb  sucht. 

Dem  Handel  in  allen  seinen  Formen,  vom  Tausche  der  Feld- 
producte  gegen  kurze  Waren  angefangen  bis  hinauf  zur  Speculation  in 
VVeltartikeln  und  Eisenbahnactien,  Hypotheken  und  Wechselbriefen,  ist 
die  Thätigkeit  von  etwa  zehn  Millionen  Indern,  welche  verschiedenen 
Racen,  Kasten  und  Confessionen  angehören,  gewidmet.  Die  Kaufleute, 
welche  Warenhandel  en  gros  und  Geldgeschäfte  betreiben,  seit  alter  Zeit 
Mahädschan,  •große  Leute-,  genannt,  sind,  ebenso  wie  die  Krämer, 
Handler,  Marktfahrer,  Hausierer,  nach  dem  Principe,  jeden  Erwerbszweig 
in  Kasten  zusammenzuschließen,  in  Gilden  und  Zünften  vereinigt.  Der 
Einfluss  dieser  auf  dem  Gebiete  des  Verkehrs  ist  so  maßgebend,  dass 
ihnen  in  den  Hauptemporien  Indiens  selbst  europäische  Firmen  beizu- 
treten pflegen. 

Im  Range  auf  die  Brahmanen  und  die  Rädschputen,  die  Adeligen, 
folgend,  spielen  die  Banquiers  (Parikh),  ferner  die  Großhändler  {Rakam 
betschnevvätä)  und  Wechsler  (Sarräf)  in  den  Städten  eine  ebenso  wichtige 
Rolle,  wie  die  Kleinhändler  (Chürdafarosch),  die  Aufkäufer,  die  Dorf- 
krämer und  Darleiher  auf  dem  flachen  Lande.  Die  Könige  des  indischen 
Handels  sind  die  Parsi- Kaufherren,  deren  Wechsel  wie  im  anglo- 
indischen  Reiche,  so  auch  auf  dem  Londoner  Platze  und  in  den  chine- 
sischen Häfen  Respect  einflößen.  Für  den  Reichthum  und  die  Munificenz 
dieser  Parsis  sprechen  zahlreiche  öffentliche  Bauten  und  Stiftungen.  Die 
zahlreichste  aller  Handelskasten  ist  jene  der  Baniyas,  die  vornehmlich 
Export  treibt.  Die  originellsten  Figuren  weisen  die  Bandscharis  auf, 
eine  Art  von  Frachtführern,  die,  wohlbewafTnet  und  tapfer,  mit  Ochsen- 
karawanen durch  das  Land  streifen. 

Durch  die  Wüste  Tharr,  an  deren  Hand  die  blühendsten  Rädsch- 
putenstädte  liegen,  ziehen  von  Afghanistan,  Herat,  Kabul,  Ghasna,  Kan- 
dahar und  von  dem  belutschistanischen  Kelat  her  Handelskarawanen 
den  lockenden,  reichen  Stromländern  Hindustans  zu,  die  Waren,  die 
Traglhiere,  die  Weiber  eifrig  bewachend;  in  den  Sandhügeln  nach 
Brunnen,  Strauchwerk  und  Steppengras  ausspähend;  rastend,  wo  die 


Bauern  der  spärlichen  Dörfer  süßes  Wasser  zur  Benetzung  der  Gänen. 
zum  Tranke  der  Menschen  und  der  Herden  erbohrt  haben.  Hyänen  udJ 
Steppenwölfe  durchstreifen  die  Steppen  des  Tharr;  gefahrlicher  aber  ab 
diese  Raubthiere  erscheinen  den  Karawanen  und  den  Herden  auf  der 
Weide  die  rädschpiitischen  Raubritter,  die  hier,  in  kleinen,  Bteineraen 
Burgen  hausend,  mit  ihren  Mannen  den  Marktfahrern  und  Hirten  mit- 
lauern,  um  sie  zu  plündern. 

Weiche  Entwicklung  der  Handelsgeist  in  Marwar  seit  altersb« 
genommen,  zeigt  der  auf  Marwar  (Dschodpur)  zurückleitende  Gesammi- 
name  der  Händler  aus  dem  Nordwesten  Indiens:  Marwari.  Heute  jedoch 
hat  Marwar  seine  Bedeutung  als  Brennpunkt  der  Handelsthätigkeil 
Nordweslindiens  längst  eingebüßt.  Dagegen  genießt  das  benachbarle 
Adschmir  mit  seinen  meist  der  Dschaina-Secte  angehörenden  Kauf- 
leuten und  seinen  berühmten  Bazarpalästen  den  Ruf,  der  HauptgcIJ- 
markt  von  Rädschputana  zu  sein. 

Gleichwohl  herrscht  im  Dschodpurer  Bazar  auch  Jetzt  noch  leb- 
haftes Treiben  der  Käufer  und  Verkäufer,  welch  letztere  nach  Kate- 
gorien in  den  einzelnen  Theilen  des  Bazars  oder,  richtiger  gesagt,  in 
eigenen  Bazars  vereinigt  sind.  Wir  durchschritten  den  außerhalb  de> 
Stadtthores  gelegenen  Bazar  der  Schuster  und  Gerber,  welche,  der 
niedersten  Kaste  angehörend,  für  unrein  gelten,  da  sie  die  Häulc 
geheiligter  Thiere  verarbeiten;  ferner  den  Bazar  für  Metallwaren,  jener 
der  Geldwechsler,  der  Händler  mit  Lehensmitteln  u.  s.  w. 

Im  Innern  der  Stadt  hatte  ich  vielfach  Gelegenheit,  an  den 
Fronten  der  steinernen  Häuser  die  reiche  Ornamentik,  sowie  die 
schönen,  mit  Metall  verzierten  Thore  zu  bewundern.  Fast  jedes  Haus 
erscheint  als  ein  Kunstwerk.  \'erschiedene  größere  Paläste  reicher 
Rädschputen  fallen  durch  ihre  beinahe  überreiche  Ausschmückung  unJ 
die  in  bedeutenden  Dimensionen  gehaltenen,  aus  Stein  gemeißellen 
Elephanten  mit  Mahäut  und  Häuda  auf,  die  rechts  und  links  vom  Ein- 
gangsthore  angebracht  sind.  Viele  Tage  könnte  man  verwenden,  um  all 
die  originellen  und  interessanten  Formen  der  Häuser  zu  betrachten  unJ 
dem  Gedächtnisse  einzuprägen. 

Meine  Wanderung  führte  mich  im  Geleite  einer  johlenden  unJ 
schreienden  Menge  auch  in  eine  Seitengasse,  in  der  uns  ein  EiH' 
geborener  herbeiwinkCe,  um  uns  einen  merkwürdigen,  alten  Brunnen  tv 
zeigen,  welcher  in  drei  übereinander  liegenden,  aus  Säulen  geforrole" 
Etagen  abgebaut  ist,  und  zu  dessen  Wasserspiegel  beiläufig  fünfaß 
.Stufen  führen.   Das  Wasser  schien  schlecht  und  faul  zu  sein,  was 


jedoch  eine  Anzahl  Hindu-Weiber  nicht  verhinderte,  in  sehr  luftigem 
Costüm  im  Brunnen  zu  baden  und  Wäsche  zu  waschen.  In  dieser 
Beschäftigung  durch  unsere  Ankunft  aufgeschreckt,  niussten  diese 
Najaden  von  Dschodpur  zu  dem  Schaden,  in  ihrer  Behaglichkeit  und 
Arbeil  gestört  worden  zu  sein,  obendrein  das  spöttische  Gelächter  der 
Menge,  die  uns  an  den  Brunnen  begleitet  hatte,  mit  in  den  Kauf  nehmen. 

Ein  Merkmal  Dschodpurs  ist  die  geringe  Anzahl  religiöser  Bau- 
werke. Außer  einigen  größeren  Tempeln,  unter  welchen  der  die  Hoch- 
schule Te!aiti-ka-mi\ha!  enthallende  Erwähnung  verdient,  sieht  man  nur 
hin  und  wieder  kleine,  dem  Elephantengotte  geweihte  Hauskapelien, 
Der  Grund  dieser  Erscheinung  liegt  in  dem  Charakter  der  Rädschputen, 
die,  obgleich  gläubigen  Sinnes,  dem  überwuchernden  Einflüsse  der 
Brähmanen  Widerstand  leisten  und  infolge  dessen  nicht  allzuviel  Wert 
auf  die  Errichtung  und  Erhaltung  von  Tempeln  legen. 

Hierin  werden  die  Dschodpurer  von  dem  jetzigen  Minister  Mahä- 
rädsch  Sir  Pratap  Singh  unterstützt,  welcher  das  schwindelhafte  Treiben 
dei  Brähmanen,  die  es  auf  .Ausbeutung  der  Gläubigen  abgesehen  haben, 
einzuschränken  bestrebt  ist. 

Sir  Pratap  Singh,  ein  weitgereister  Mann,  der  auch  unsere  Kaiser- 
stadt kennt  und  wiederholt  in  freudiger  Erinnerung  zu  schildern  wusste, 
zeichnet  sich  überhaupt  durch  Menschenkenntnis,  klaren  Blick  und 
praktischen  Sinn  aus.  Ihm  allein  ist  es  zu  verdanken,  dass  der  Prunk  bei 
Hochzeitsfesten,  die  vormals  oft  tagelang  andauerten  und  durch  ihre 
immer  kostspielige,  ja  oft  geradezu  ruinöse  .Ausgestaltung  selbst  wohl- 
habende Familien  an  den  Bettelstab  brachten,  kurzweg  durch  staat- 
liehe \'erbote  abgestellt  worden  ist,  und  dass  die  Eheschließungen  in 
Dschodpur  auf  die  einfachsten  Formen  reduciert  erscheinen.  Bei  der 
Durchführung  dieser  Reform  ist  Sir  Pratap  Singh  selbst  mit  gutem 
Beispiele  vorangegangen,  indem  er  anlässlich  der  Vermählung  seiner 
Tochter  die  .Abhaltung  Jedweder  Festlichkeit  verbot,  am  Hochzeitstage 
ohne  weitere  Ceremonien  die  Brautleute  niederknien  Heß.  ihnen  selbst 
seinen  Segen  ertheilte  und  sie  für  Mann  und  Frau  erklärte.  Dieses 
gewiss  einfach  zu  nennende  Verfahren  hat  als  drastisches  Exempel  für 
die  Bevölkerung  im  Vereine  mit  der  Erlassung  des  genannten  Verbotes 
zur  Folge  gehabt,  dass  die  verschwenderischen,  überdies  oft  rohen, 
traditionellen  Hochzeitsfeste  in  Dschodpur  ihr  Ende  gefunden  haben. 

Durch  verschiedene  Gässchen,  in  denen  fast  überall  neugierige 
Gesichter  aus  den  Häusern  auf  uns  lugten,  kamen  wir  an  den  Fuß  des 
Berges,  auf  dem,  stolz   die  Stadt   überragend,    das    Fort    mit    seinen 


Thürmen,  Mauern  und  Palästen  Hegt.  Majestätisch  erhebt  es  sich,  { 
schier  unbezwingliche  Burg,  mit  100»»  hohen  Mauern  und  starken 
Thürmen,  auf  einem  Felsliege!,  dessen  Nordseite  eine  senkrecht  zur 
Ebene  abfallende  Klippenwand  bildet.  Ein  steiler,  gepflasterter,  von 
Thoren  beschirmter  Weg  führt  hart  an  den  Abstürzen  der  Felswände  in 
vielfachen  Krümmungen  im  Zickzack  zum  Fort  hinan.  Jedes  der  Thore 
dieses  Aufstieges  bietet  Unterkunftsräume  fiir  die  Wachposten  und 
ist  mit  alterthümlichen  Feuerwaffen  armiert;  einige  der  Außenthore  sind 
wie  in  Gwalior  mit  Eisenspitzen  beschlagen,  welche  auch  hier  den 
Zweck  haben,  im  Falle  einer  Belagerung  des  Forts  den  Ansturm  von 
Elephanlen  abzuwehren. 

Wie  mein  Begleiter,  Major  Beatson,  ein  gründlicher  Kenner  der 
Geschichte  Dschodpurs,  erzählte,  hatten  in  einem  der  früheren,  sii 
häufigen  Kriege  die  Angreifer  des  Forts  dieser  Eisenspitzen  wegen  es 
vergeblich  versucht,  eines  jener  Wegthore  einzurennen.  Endlich  habe 
eine  Anzahl  tollkühner  Rädschputen,  um  dieses  Hindernis  zu  über- 
winden, ihren  Rossen  die  Augen  verbunden,  und  das  Thor,  mit  voller 
Wucht  wider  die  unteren,  von  Eisenzähnen  freien  Planken  desselben 
anreitend,  eingerannt,  mochte  auch  Ross  und  Reiter  zerschmettert  in  die 
Bresche  stürzen. 

An  den  Wandmauern  des  obersten  der  Thore,  durch  das  mnn 
direct  in  das  Innere  des  Forts  gelangt,  sind  die  Abdrücke  von  schmalen 
Frauenhänden  sichtbar.  Diese  mit  Gold-  und  Silberfarbe  überzogenen 
Handzeichen  gemahnen  an  ein  trübes  Capitel  der  Sittengeschichte 
Indiens,  an  die  Sati  oder  Witwenverbrennung,  welch  ungeheuerlicher 
Gebrauch  auf  den  freiwilligen  Feuertod  Satls,  der  Enkelin  Brahmns, 
zurückgeführt  wird  und  den  orthodoxen  Hindus  noch  heule  so  heilig 
ist,  dass  ungeachtet  aller  Bemühungen  der  englischen  Behiirden,  welche 
die  Beförderer  der  Sati  als  Mörder  bestrafen,  vor  nicht  allzulanger  Zeit 
noch  Fälle  von  Witwenverbrennungen  vorgekommen  sind.  Hier  in  der 
Burg  von  Dschodpur  nun  legte  jede  Witwe  eines  Maharadschas,  ehe  sie 
den  Scheiterhaufen  bestieg,  eine  ihrer  vorher  roth  gefärbten  Hände  an 
die  weißgetünchte  Wand.  Diese  einzigen  Spuren  des  irdischen  Daseins 
der  durch  das  Feuer  vernichteten  weiblichen  Wesen  wurden  als 
Merkmale  ehelicher  Treue  bewahrt  und  zum  Zeichen  der  größten  Ver- 
ehrung mit  Gold  und  Silber  verziert.  Welche  entsetzliche  Todesangst 
musste  diese  unseligen  Opfer  fanatischer  Verblendung  auf  ihrem  letzten 
Gonge  erfüllen;  welche  Qualen  mögen  die  jugendfrohen  Herzen  der 
armen  Frauen  durchtobt  haben,  angesichts  des  lodernden,  von  einer 


tosenden  Menge  umgebenen  Sclieiterhaufens,  dessen  Flammenglut  sie 
so  grausam  ergreifen  und  in  ein  Häuflein  todler  Asche  verwandeln 
sollte! 

Nächst  dem  'l'horeingange  war  eine  Wache,  aus  Artilleristen 
bestehend,  aufgestellt.  Von  hier  gieng  es  zwischen  hohen  Mauervvänden 
fort,  zunächst  zu  dem  Paläste,  welchen  seit  den  Zeiten  Hao  Dschodhas, 
des  Gründers  des  Forts  (1459),  bis  auf  Takat  Singh  (f  1873)  herab  die 
Maharadschas  bewohnt  haben.  Die  Außenseite  dieses  aus  Sandstein 
erbauten  Gebäudes  ist  mit  reicher  Ornamentik  geschmückt,  deren 
zarte  Muster  mich  lebhaft  an  den  Mauerschmuck  der  Bauten  in  Agra 
erinnerten.  Das  Innere  des  Palastes  birgt  reiche  Schätze,  kostbare 
Waffen,  Juwelen  und  Geschmeide. 

Wiewohl  die  WafTen Sammlung  in  einem  düsteren  Räume  auf- 
gestellt ist,  vermochten  wir  dennoch  einen  allgemeinen  Überblick  über 
die  ebenso  reichhaltige  als  interessante  Collection  zu  gewinnen.  Nächst 
der  Eingangspforte  fallen  dem  Beschauer  dieser  bewundernswerten 
Rüstkammer  seltsam  geformte  Lanzen  und  schöne,  aus  Elfenbein 
oder  Muschelschalen  geschnitzte  Pulverhömer  auf;  weiterhin  enthalten 
mehrere  Schränke  Prachtexemplare  der  so  charakteristischen  Rädsch- 
putcnschwerter,  vorzügliche  Damascener  Klingen,  die  reich  mit  Gold 
eingelegt  sind,  sowie  Messer  und  Dolche  mit  schönen  Steingriffen.  Eine 
complete  vergoldete  Rüstung  erinnert  in  Bau  und  Zeichnung  an  alt- 
persische Stücke  dieser  Art. 

Das  Wertvollste  in  der  Waffenhalle  sind  die  Gewehre,  weiche 
uns  die  Entwicklung  des  Schießwesens  in  den  Rädschputana-Staaten 
von  den  ältesten  Zeiten  an  bis  zum  heutigen  Tage  veranschaulichen. 
Luntengewehre  primitivster  Form  mit  schmalen,  kurzen  Schäften 
stellen  die  ersten  Feuergewehre  dar;  daran  reihen  sich  F"linten  mit 
Feuersteinschlössem  und  eigenthümlichen,  halbmondförmig  gebogenen 
Schäften,  deren  Form  mir  ganz  neu  war.  Die  von  den  Maharadschas 
zu  Jagdzwecken  verwendeten  Gewehre  sind  über  und  über,  insbesondere 
an  den  Läufen  und  Schlössern,  mit  den  reichsten  Goldzieraten  bedeckt; 
vom  kleinsten  Carabiner  an  bis  zu  langen  Entenflinten  sind  alle  Größen, 
alle  Arten  indischer  Feuergewehre  vertreten.  Unter  den  neueren  Jagd- 
gewehren finden  sich  hier  auch  manche  europäischen  Ursprunges,  die, 
obgleich  mit  wahrhaft  orientalischer  Verschwendung  ausgestattet,  bei 
Londoner  oder  Suhler  Büchsenmachern  erzeugt  worden  sind.  Endlich 
gibt  es  hier  noch  Schilde,  Speere,  Lanzen  und  eigenthümlich  gestaltete 
Todtschläger. 


Bewundernswert  ist  der  Inhalt  der  unter  sicherer  Obhut  befii 
liehen   Schatzkammer.  Die   Fülle   der  hier  angehäuften  Kostbarkeiten 
findet  ihre  Erklärung  darin,  dass  die  Maharadschas  von  Dschodpur, 
wiewohl   ein  nur  kleines  Reich  beherrschend,  unter  den  Großmoguln 
Akbar,  Dschehangir,  Aurengzeb  Kriegsfahrten  durch  halb  Indien  unter- 
nummen   haben   und   vorübergehend  \'icekönige   von  Dekhan,   Malwu 
und  (Judsoheriit  gewesen  sind.  Als  mächtigen  Feldherren,  Statlhaltem 
und  (lünstlingen  sind  den  Maharadschas  theils  als  Kriegsbeute,  theüs 
iils  Ehrengeschenke  Schätze   zugefallen,  die  jedem  Kaiserpalaste  zur 
Zierde  gereichen  würden.  Der  Wert  der  Edelsteine,  Juwelen  und  Perlen 
im  Schatzhause  von  Dschodpur  dürfte  viele  Millionen  betragen,  doch 
ist  genaues   darüber  nicht  bekannt,   da   der  abergläubische  Sinn  der 
Hädschputen  eine  deren  Ansicht  nach  Unglück  bringende  Abschätzung 
verwehrt.  Ein  einziges  Collier  aus  Smaragden  und  Perlen  mit  Diamanl- 
tropfcn   in  der  Größe  von  Taubeneiern,  welches  der  Sohn   des  Maha- 
radschas   bei     meinem    Empfange   gelragen    hatte,    mag   400.000  bis 
500,000  Gulden  wert  sein.  Solcher  Colliers  liegt  aber  in  den  Vitrinen  der 
Schatzkammer  wohl  ein  ganzes  Dutzend.  Daneben  funkelt  eine  Reihe 
von    Diademen,   deren   eines,   mit   den   prachtvollsten   Diamanten  und 
Kubinen  verziert,  ganz  besonders  auffällt.  Weiterhin  sind  sech.s  Vitrinen 
ungefüllt  mit  den  schönsten,  kostbarsten  Agrafien,  Bracelets,  Brochen, 
Ringen  und  Geschmeiden  anderer  Art.  Durch  Glanz,  Feuer,  Farbe,  reines 
Wasser,  kurz  alle  Vorzüge  ausgezeichnet,  gewinnen  die  hier  bewiihrten 
Edelsteine  noch  an  Wert  und  Schönheit  durch  die  geschmackv<j|le 
Fassung.  Schilde,  Tafelgeschirr  und  Aufsätze  aus  purem  Golde,  Practit- 
stücke  der  Emailindustrie  Dschaipurs,  Prunkgeschirre  aus  getriebenem 
Silber   für   Pferde  und  Elephanten,  silberne  und   goldene   Zellstangen 
vervollständigen  den  blendenden  Inhalt  des  Schatzhauses,  dieses  Wahr- 
zeichens der  Pracht  und   Herrlichkeit  des  Dschodpurer  Fürstenhofes. 

Die  übrigen  Räume  des  Burgpalnstes,  deren  architcklonische 
und  ornamentale  Ausgestaltung  vornehmlich  den  Maharadschas  Takat, 
Adschit  und  Abhey  zu  verdanken  ist,  boten  unseren,  nun  schon  recht 
anspruchsvoll  gewordenen  Blicken  wenig  Bemerkenswertes.  Nur  ein 
durchaus  mit  Gold  und  Facettenspiegelchen  decoriertes  Gemach,  dess 
Wandschmuck  drastische  Scenen  aus  der  indischen  Göttersage  und  ^ 
dem  Leben  der  Maharadschas  bilden,  verdient  hier  Envähnung, 

?^inen  wahren  Genuss  bot  mir  die  Rundsicht  von  dem  flactlffl 
Dache  des  Palastes  über  Dschodpur  und  das  umliegende  Land.  Gegen 
Süden  und  Osten  erblickt  man  scharfgegliederle,  kahle.  mitMauemunJ 


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Burgen  {jekri'mte  Hügelketten;  gegen  Nurden  und  Westen  aber  breitet 
sich  die  Ebene  des  Tharrgebietes  aus,  in  deren  gelbschimmerndem 
Bereiche  von  blauem  Dufl  überhauchte  P'elskegei  gleich  großen  Maul- 
wurfshügeln hervorleuchten.  Uns  zu  Fü(3en,  rings  um  den  jäh  abfallenden 
Schlossberg,  liegt  die  Stadt  Dschodpur. 

Das  Bild,  welches  sich  hier  dem  Blicke  darbietet,  ist  fesselnd 
und  eigenartig.  Vermissen  wir  auch  die  grandiosen  Linien,  die  kühnen 
Profile,  den  Farbenschmelz  der  Hochgebirgspanoramen,  so  wirkt,  wa.s 
wir  sehen,  dennoch  mächtig  auf  uns  ein  durch  den  Reiz  der  unermest.- 
lichen  Fläche  und  ihrer  stimmungsvollen  Färbung.  Gelb  in  Gelb  gemalt, 
durchsetzt  von  leuchtenden  Punkten,  zieht  sich  melancholisch  die  Ebene 
hin,  soweit  nur  das  menschliche  Auge  reicht. 

Wir  überblicken  Dschodpurs  Straßen  und  Häuser  und  den  steiner- 
nen, mit  Bastionen  besetzten  Mauergürtel,  welcher  die  Stadt  umschließt. 
Als  Hauptbollwerk  aber  thront  inmitten  Dschodpurs  gleich  einem 
Adlerhorst  das  Fort  auf  dem  Burgberge,  welchem  gegenüber,  noch 
innerhalb  der  Außenmauer  der  Stadt,  im  Norden  des  Forts  eine  hohe 
Felskuppe  aufragt,  die  in  den  Fortificationsrayon  einbezogen  wurde,  da 
von  ihr  aus  einst  das  Fort  beschossen  und  beschädigt  worden  ist. 
Dessen  eingedenk  und  der  Besorgnis  voll,  es  Itönnle  eines  Tages  von 
jener  Felskuppe  her  das  Fort  neuerdings,  zumal  mit  modernen,  weit- 
tragenden Geschützen  bedroht  werden,  hat  der  jetzt  regierende  Maha- 
radscha vor  kurzem  den  Befehl  ertheilt,  diese  Kuppe  abzutragen,  und 
war  zur  Zeit  unserer  Anwesenheit  in  Dschodpur  an  die  Durchführung 
dieser  gigantischen  Aufgabe  bereits  Hand  angelegt  worden.  Um  das 
.Fort  jedoch  völlig  zu  sichern,  wird  an  dessen  Nordseite  eine  Batterie 
ichtet,  von  welcher  aus  der  Rayon  vollständig  bestrichen  werden  kann. 

Zwischen  der  Kuppe  und  demBurgberge  liegt  ein  kleines, einsames 
Thal,  in  dem  eine  große  Zahl  schmuckloser  Grabdenkmale  sichtbar 
ist  —  es  sind  dies  die  Ruhestätten  tapferer  Krieger,  die  bei  einer  der 
Belagerungen  des  Forts  den  Tod  gefunden  haben  und,  ob  Freund,  ob 
Feind,  hier  beigesetzt  wurden.  Der  Streit,  welcher  diesen  Mannen  das 
Leben  gekostet,  war  ein  »Wasserkrieg-,  entbrannt  um  den  Besitz  des 
Teiches,  der,  in  jenem  Thale  gelegen,  bei  der  Spärlichkeit  der  Wasser- 
adern im  Gebiete  von  Dschodpur  wert  genug  erschien,  Bkit  zu  vergießen, 
um  VV'a.sser  zu  gewinnen. 

Militärische  Remini.scenzen  weckt  auch  die  Hauptbatterie  des 
Forts,  auf  einem  schmalen  Felsrücken  gelegen,  der  seiner  Form  wegen 
der    ■■  Pfauenschweif'   (Mordhadsch)  genannt  wird;  denn  hier,  auf  der 


Plattform  der  Haiiptbatterie  liefen  unter  freiem  Himmel  atlertei  wunder- 
liche Geschütze  aus  Ahmedabad,  (Jhasipur  und  anderwärts  herstam- 
mend. Jedes  der  Geschütze  hat  ein  anderes  Kaliber,  ein  Umstand,  der 
ihre  Bedienung  recht  erschweren  muss.  Gemeinsam  ist  ihnen  nur  der 
»schöne-  pechschwarze  Anstrich.  Auch  eine  Art  Mitrailleuse  oder 
Höllenmaschine,  die  jedoch  einer  friedlichen  Säemaschine  sehr  ähnlich 
sah,  wurde  uns  hier  produciert,  doch  versicherte  mir  der  einheimische 
Artillerist  selbst,  lächelnd,  dass  das  Abfeuern  dieses  Geschützes  mil 
Schwierigkeiten  verbunden  sei  und  weniger  dem  Feinde  als  vielmehr 
der  Bedienungsmannschaft  verderblich  werden  könne.  Trotz  alledem 
soll  der  Maharadscha  nicht  wenig  stolz  auf  seine  Batterie  sein, 

Wir  vermochten  von  dieser  Stelle  aus,  da  die  Luft  ganz  rein  war, 
trotz  der  bedeutenden  Höhe,  in  der  wir  uns  befanden,  das  Getriebe  unJ 
Gewimmel  in  der  tief  unter  uns  liegenden  Stadt  genau  zu  beobachten,ja 
selbst  das  allen  indischen  Städten  eigenthümliche  Geschrei  und  Lärmen 
der  Bewohner  Dschodpurs  deutlich  wahrzunehmen. 

Gar  stattlich  sind  die  runden  bastionartigen  Vorbaue  des  Palastes, 
(Jit;  unterhalb  seiner  Fenster  bis  ins  Thal  abfallen.  An  einem  dieser 
Rundpfeiler  wurde  mir  die  Stelle  gezeigt,  an  welcher  der  Mahärädsclia 
in  seiner  Jugend,  als  er  noch  der  gestrengen  Hand  seiner  Erzieher 
anvertraut  war,  sich  nächtlicher  Weile  an  einem  Seil  ins  Thal  hinablicfi, 
um  heimlich  in  die  Stadt  zu  dringen.  Zur  Rückkehr  in  das  Fort,  den 
Palast  seiner  Väter,  bediente  sich  der  Prinz  desselben  Communications- 
mittels.  Angesichts  der  etwa  1 50 ni  betragenden  Niveaudifferenz  zwischen 
Fort  und  Thal,  welche  der  junge  Herr  lediglich  mit  Hilfe  des  Seiles  zu 
überwinden  wiisste,  zollten  wir  der  Uncrschrockenheit  des  Klellcrcrs 
alles  Lob.  Die  Fäden,  die  ihn  so  mächtig  zur  Stadt  gezogen,  dass  er  ein 
derartiges  Wagestück  nicht  scheute,  sind  wohl  nicht  minder  stark 
gewesen,  als  das  Seil,  das  ihn  über  den  Abgrund  hinab-  und  wieder 
emporgetragen  hat. 

Auf  einem  weniger  seltsamen,  dem  Serpentinenwege,  den  wii  zum 
Aufstiege  ins  Fort  benutzt  halten,  zur  Stadt  niedersteigend,  durchqutrten 
wir  Dschodpur  und  begaben  uns  auf  den  großen,  vor  der  Stadtmauer 
gelegenen  Wiesenpian,  wo  uns  zu  Ehren  ein  Polospiel  stattfand.  Itfi 
war  von  der  Geschicklichkeit,  welche  die  einheimischen  Spieler  unJ 
einige  in  Dschodpur  ansässige  Engländer  hiebei  entwickelten,  gaM  ent- 
zückt, Vor  allen  zeichneten  sich  durch  vorzügliche  Keitkunst  Harjschi 
Singh,  der  Minister  Sir  Pratap  Singh,  welcher,  obwohl  Ober  fünfzig' Jahre 
alt,  sein  Koss  tummelte,  als  wäre  er  ein  Jüngling,  und  Major  Beul&<m  aus 
310 


Trotz  der  so  scharfen  Wendungen  und  Paraden  in  schnellster  Gang- 
art behandelten  diese  Spieler  ihre  Pferde  nicht  roh;  die  Führung  erfolgte 
im  Gegentheile  immer  mit  erstaunlicher  Weichheit  und  Geschicklich- 
keit, über  anderthalb  Stunden  wohnten  wir  dem  fesselnden  Kampf- 
spiele bei. 

Dann  hieß  es  ins  Camp  zurückeilen,  da  sich  der  Maharadscha  bei 
mir  zum  Gala-Diner  angesagt  hatte :  doch  speiste  er,  als  frommer  Hindu, 
nicht  mit  uns,  sondern  erschien  erst  am  Schlüsse  der  Tafel,  worauf 
die  wechselseitigen  Toaste  erfolgten.  Hiebet  wurde  der  Trinkspruch 
des  Maharadschas  nicht  von  diesem  selbst,  da  er  des  Englischen  nicht 
mächtig  ist,  ausgebracht,  sondern  an  seinerstatt  vom  Minister  Sir  Pratap 
Singh  gesprochen.  Ein  Dolmetsch  vermittelte  auch  die  anregende  Conver- 
sation,  die  ich  mit  dem  Maharadscha  unterhielt,  welcher  sich  trotz  seines 
mürrischen  Aussehens  als  ein   freundlicher  und  launiger  Herr  erwies. 

Nach  dem  Diner  überraschte  uns  ein  großes  Nätsch-Fest,  wofür 
ein  beinahe  60  m  im  Durchmesser  betragendes  Riesenzeit  gespannt 
worden  war,  in  welchem  die  Tänzerinnen  bei  Fackelbeleuchtung  und 
eintöniger  Musik  ihre  wenig  berückende  Kunst  zum  besten  gaben. 
Auch  der  übliche  näselnde  Gesang  fehlte  nicht.  Der  Maharadscha 
erhält  eine  ganze  Legion  von  Tänzerinnen,  deren  Schönheit  aber  sehr 
problematisch  ist.  Dem  Alter  nach  sind  in  dem  Hof-Balletcorps  von 
Dschodpur  alle  Stufen  vom  Kinde  bis  zur  Matrone  vertreten.  In  einem 
Punkte  unterscheiden  sich  diese  Damen  von  den  anderen  Vertreterinnen 
der  Tanzkunst  in  Indien,  und  zwar  durch  eine  geradezu  erschreckende 
Menge  von  übereinander  getragenen  Röcken,  die  ihnen  das  Aussehen 
wandelnder  Glocken  geben  und  beim  Tanzen  in  schwingende  Bewegung 
gerathen.  Sehr  komisch  wirkte  der  Eifer  eines  alten  Oberregisseurs  oder 
Tanzmeisters,  der  jene  Damen,  welche  sich  wegen  Ermüdung  zurück- 
ziehen wollten,  immer  wieder  höchst  eigenhändig  in  den  Reigen 
zurückstieß. 


Dschodpur, 


.  März 


Während  der  größere  Theü  der  Gesellschaft  des  Morgens  zum 
Pigsticking  ritt,  wollte  ich  auf  Anrathen  mehrerer  Schikäris  mit  Wurm- 
brand in  der  Nähe  von  Dschodpur  jagen.  Wir  fuhren  in  Begleitung  des 
Residenten,  der  sich  seiner  Kränklichkeit  halber  nicht  activ  an  der  Jagd 
beiheiligte,  ungefähr  3  iim  vor  die  Stadt  bis  zu  der  Stelle,  wo  uns  die 
Treiber  und  ein  Jagdleiter,  ein  ganz  junger  Mann,  empfiengen,  welcher 
Uns  seines   vernachlässigten  Aussehens   halber   ein  Schikäri   zu   sein 


dünkte,  später  aber  erfuhren  wir,  dass  er  die  Stellung  eines  Obercomman- 
danten der  gesammten  Infanterie  von  Dschodpur  einnehme.  Das  Jagd- 
terrain war  eine  sandige  Heide,  mit  spärlichen  Büschen  bewachsen;  nur 
hin  und  wieder  lag  ein  Feld  oder  eine  mit  trockenem,  hohem  Grase 
bedeckte  Fläche.  Zu  Beginn  der  Jagd  begegneten  wir  nur  unglaublich 
vielen  röthlichbraunen  Rattenj  welche  ihre  Baue  im  Sande  hatten  und 
unablässig  vor  uns  umherhuschten.  Weiterhin  gab  es  im  hohen  Grase 
zahlreiche  Wachteln,  deren  ich  eine  ziemliche  Anzahl  erlegte.  Im  übrifien 
sah  es  aber  mit  dem  versprochenen  Wilde  wohl  recht  kärglich  aus; 
doch  schoss  ich  noch  einige  Adler  und  Falken,  die  mir  unbekannten 
Arten  angehörten.  Endlich  kamen  uns  nicht  einmal  mehr  Wachteln 
zu  Gesicht,  so  dass  Ich,  nach  dreistündigem  Waten  im  Sande,  wenig 
befriedigt  eben  nach  Dschodpur  zurückkehren  wollte,  als  sich  in 
weiter  Feme  ein  Rudel  Chinkara-Gazellen  zeigte.  Rasch  entschlossen 
requirierten  wir  einen  mit  Zebuochsen  bespannten  Wagen,  durch 
welchen  gedeckt  wir  trachteten,  an  das  scheue  Wild  heranzukommen, 
so  dass  ich  einen  starken  Bock  erlegen  konnte.  Durch  diesen  Erfolg 
angeeifert,  wiesen  uns  die  Schikäris  eine  Jagdgelegenheit,  woselbst 
wir  auf  mehrere  Rudel  Gazellen  stießen  und  auf  weite  Entfernung 
feuernd  noch  einige  Böcke  sowie  Gaisen  erlegten.  Im  Eifer  der  Jagd 
war  die  Gesellschaft  auseinandergerathen,  so  dass  endlich  die  einzelnen 
Schützen  sich  nicht  mehr  wahrnahmen  und  aus  verschiedenen  Rich- 
tungen, aber  in  der  Direction  der  anderen  Jagdgefahrten,  auf  dieselben 
Rudel  Gazellen  ein  lebhaftes  Feuer  eröffneten.  Die  Folge  hieven  war. 
dass  von  allen  Seilen  Kugeln  durch  die  Luft  pfiffen  und  jedermann, 
mochte  er  auch  sonst  der  größte  Held  sein,  das  Hei!  in  der  Flucht  suchte. 


n  der  Stelle,  wo  diese  Mausoleen  stehen,  wurden  die  Fürsten 
nach  ihrem  Tode  mit  ihren  Frauen  verbrannt.  Die  120  Frauen  des 
Maharadschas  Dschaswant  SJngh  jedoch  sollen  den  P"euertod  als  so 
heilige  Pflicht  angesehen  haben,  dass  sie,  als  der  Herr  und  Gebieter  im 
weit  entfernten  Lande  Kabul  gestorben  war,  wie  die  Sage  berichtet, 
zu  Fuße  dorthin  geeilt  sind,  um  sich  verbrennen  zu  lassen.  Die  hervor- 
ragendsten Kenotaphe  sind:  jenes  des  Maharadschas  Takat  Singh 
(f  1873),  an  dessen  Grabe  die  fürstliche  Familie  und  die  Würdenträger 
des  Reiches  alljährlich  zweimal  Opfer  und  Geschenke  darbringen, 
ferner  jene  Rao  Maldeos,  Mota  Rädscha  Ude  Singhs,  Sur  Singhs  und 
das  durch  seine  schöne  .Architektur  und  seine  Größe  bemerkenswerte 
Dewal  (Heiligthum)  Adschit  Singhs, 

Zwischen  Obstgärten  sieht  man  die  Überreste  des  ehemaligen 
Palastes;  da  steht  zunächst,  von  hohen,  schattigen  Bäumen  umgeben, 
eine  .Art  kleinen  Lusthauses,  geschmückt  mit  Agraer  durchbrochener 
Ornamentik;  dann  folgen  Theile  von  Gebäuden  und  Tempeln  mit 
tiefen,  jetzt  verfallenen  Wasserbecken.  Einen  gewissen  Contrast  zu  den 
sonst  stillen  Plätzen  und  Räumen  bildet  ein  von  den  Gläubigen  noch  jetzt 
besuchter  Tempel,  der  mit  Zinnober  und  Blattgold  scheußlich  bemalte 
fratzenartige  Hautreliefs  der  Göttin  Kali,  Krischnas  und  des  Elephanten- 
gottes  birgt.  Ein  wild  aussehender  Fakir  mit  mähnenartigem  Haare 
sitzt  hier  singend  in  Weltentsagung  auf  einem  erhöhten  Steine,  von 
-Almosen  lebend. 

Dem  Tempel  reiht  sich  die  noch  ganz  gut  erhaltene  Götter-  und 
Helden-Gallerie  mit  Darstellungen  der  ersten  Rädschputenfürsten,  über- 
lebensgroßen, leichtbemalten  Hautreliefs  aus  Stuck  an,  welch  letzterer 
mit  einer  Glasur  von  Steingut  überzogen  ist.  Alle  Fürsten  sind  mit 
gar  grimmigen  Gesichtern,  zu  Pferde  und  in  reichem  Waffenschmucke 
sowie  mit  den  verschiedenartigsten  Attributen  ihrer  Macht  dargestellt. 
Bei  der  Bemalung  der  Pferde  scheint  der  ehrenwerte  Schöpfer  dieser 
Kunstwerke  etwas  fehlgegriffen  zu  haben,  da  alle  Gäule  entweder 
himmelblau  oder  rosenroth  sind.  Interessant  ist  die  Beobachtung,  dass 
Gewänder,  Waffen,  Schmucksachen  und  Rüstungen  der  Reiter,  deren 
sie  sich  vor  vielen  hundert  Jahren  bedienten,  von  den  heute  üblichen 
nur  wenig  abweichen. 

Während  in  den  westlichen  Ländern  das  rascher  pulsierende  Leben 
der  Völker  häufig  in  nur  kurzer  Zeit  auf  den  verschiedensten  Gebieten 
tief  eingreifende  Umgestaltungen  mit  sich  bringt,  vollziehen  sich  in 
Indiens  einheimischer  Kunst   und  Cultur  selbst  im  Laufe  von  Jahrhun- 


derten  nur  ganz  geringe  VeränJerungen.  Dieses  langsame  VurschreÜi 
des  Vulksgeistes  in  Indien  beruht  einmal  darauf,  dass  hier  Cultur  und 
Kunst  schon  in  altersgrauen  Zeiten  tiefe  Wurzeln  geschlagen  haben; 
dann  auf  dem  Umstände,  dass  die  Inder  ihre  Traditionen  und  Gebräuche 
theils  des  steten  Connexes  mit  der  Religion  halber,  theils  vermöge  der 
Gliederung  in  Kasten,  getreu  von  einer  Generation  auf  die  andere 
vererben. 

Auf  dem  Rückwege  in  unser  Camp  lauerte  uns  ein  Bruder  des 
Maharadschas,  Kischur  Singh,  ein  sehr  jovialer  Herr,  freundlich  lächelnJ 
vor  seinem  Landhaus  auf.  Er  begrüßte  uns,  worauf  ich  wieder  einmal 
dem  Sandelöl  ein  Taschentuch  opfern  musste  und  endlich  von  Kischur 
und  allen  seinen  Begleitern  wie  eine  gefeierte  Opern-Diva  mit  Blumen 
und  Kränzen  überschüttet  wurde. 

Abends  ergoss  der  Vollmond  sein  mildes  Licht  über  unser  Lager, 
über  das  Fort  und  die  vielen  umliegenden  Festungswerke,  die  sich  in 
gespenstischen  Formen  vom  Horizonte  abhoben;  tiefe,  nur  hin  und 
wieder  vom  Bellen  eines  Schakals  oder  dem  Rufe  des  Käuzchens  unter- 
brochene Ruhe  umfieng  uns.  Lange  wanderte  ich,  nachdem  ich  eine 
Reihe  vun  Briefen  für  die  Heimat  vollendet,  Gedanken  und  Träumen 
nachhängend,  unter  den  Vorwerken  des  Forts  einher. 


Dscbodpur,  '2.  März. 

Der  Ruf  Dschodpurs,  eines  der  günstigsten  Terrains  in  ganz  Indien 
für  Eberstechen  zu  sein,  bestimmte  mich,   der  Proposition  Sir  Pralap 
Singhs,  den  heutigen  Morgen  dem  Pigsticking  zu  widmen,  bereitwill 
Folge  zu  leisten.   Um  guter  Beule  gewärtig  sein  z\i  können,  hiefl 
allerdings  mit  dem  Frühesten  aufbrechen.   Die  Wildschweine  pUcf 
hier  in  der  Nacht  von  den  Hügeln  herab  in  die  Ebene  auf  Äsung  nus-' 
zugehen  und  schon  im  Morgengrauen  auf  denselben  Wechseln 
in  die  steilen  Schluchten  der  Höhenzüge  zurückzukehren,  um  sich  hier 
für  die  heißen  Stunden  des  Tages  einzuschlagen.  Da  eine  Jagd  zu  l'ferd« 
auf  Keiler  in  dem  Hügelgebiete  von  Dschodpur  unmöglich  ist,  muss  der 
Moment  ausgenützt  werden,  in  welchem  das  Schwarzwild  die  AsungS- 
plätze  bereits  verlassen  hat,  sich  aber  noch  in  der  Ebene  befindet 
wurde  denn  um  4  Uhr  morgens  gestartet.  Bei  herrlichem  Mondschf 
und  kühler,  angenehmer  Morgenluft  gienges  zunächst  zu  Wagen  dia 
der  Nähe  des  Forts  gelegenen  Hügel  hinan,  und  von  hierzu  Herde 
einer  mit  Steinplatten  belegten  Straße  weit  in  die  Ebene  hinaus,  wo 


ulap 


nach  Art  wn  Vorposten  aufgestülU,  den  Anbruch  des  Tages  erwarteten. 
Endlich  färbte  sich  der  östliche  Horizont  röthlich,  verblasste  der  Schein 
des  Mondes,  traten  die  Umrisse  der  nahe  gelegenen  Objecte  deutlicher 
hervor.  Wahrend  wir  so  auf  unseren  Posten  aufmerksam  ausspähtefi, 
war  Hardschi  Sfngh  in  Begleitung  eines  gewandten  Reiters  einige  Hun- 
dert Schritte  weit  hinausgeritten,  um  Auslug  zu  halten.  Nach  kurzer  Zeit 
gab  Hardschi  ein  Zeichen,  worauf  die  beiden  Reiter  in  der  Direction 
unseres  Haltplatzes  zurückgaloppierten. 

Alsbald  begann  die  Jagd  mit  einem  scharfen  Run.  Das  Terrain,  auf 
dem  sich  das  Eberstechen  abspielte,  ist  nach  unseren  Begriffen  keines- 
wegs zu  so  scharfem  Galoppe  geeignet.  Hohes  Gras,  das  nicht  erkennen 
lässt,  wohin  die  Pferde  treten,  wechselt  hier  mit  Dornbüschen  und  Stein- 
platten ab,  hie  und  da  gibt  es  kleine  Schluchten  und  an  den  Stellen, 
wo  ein  Rudel  Schweine  gebrochen  hat,  tiefe  Löcher.  An  dergleichen 
gewöhnt,  giengen  unsere  Pferde  mit  erstaunlicher  Geschicklichkeit 
füll  pace  über  diese  Hindemisse  hinweg,  wobei  allerdings  einige  Reiter 
stürzten.  Unser  armer  General  Protheroe  kam  so  arg  zu  Fall,  dass  er 
durch  einige  Zeit  am  ganzen  Körper  steif  blieb. 

Ich  ritt  einen  besonders  tüchtigen,  arabischen  Hengst,  den  Sir 
Pralap  Singh  für  mich  ausgewählt  hatte,  und  hatte,  so  beritten,  die 
Freude,  als  Erster  mit  dem  Speer  einen  Keiler  zu  stechen,  worauf 
Hardschi  demselben,  einem  starken  Stücke  mit  schönen  Waffen,  den 
Fang  gab.  Mein  Hengst  hatte  sich  sehr  geschickt  benommen;  denn 
als  der  Keiler,  sobald  ich  ihm  hinter  dem  Blatte  den  ersten  Stich  bei- 
gebracht, mich  sofort  angenommen  halte  und  meinem  Pferde  zwischen 
die  Beine  gefahren  war,  setzte  der  wackere  Hengst  mit  einem  Sprunge 
über  den  Keiler  hinweg. 

Nach  diesem  viel  verheißenden  Beginne  wurde  die  Jagd  immer 
reger.  Sobald  die  Sonne  aufgegangen  war,  zogen  die  Schweine  gegen 
das  Gebirge;  von  allen  Seiten  her  kamen  hier  ganze  Rudel,  dort  ein- 
zelne Stücke  heran.  Da  nur  Keiler  gejagt  werden  durften,  mussten  die 
jagdbaren  Stücke  aus  den  Rudeln  herausgesucht  werden,  so  dass  es 
manche  Fehljagd  gab,  weil  es  öfters  erst  bei  näherem  Herankommen 
an  die  Stücke  möglich  war,  festzustellen,  dass  der  Jäger  irrthümlich 
eine  Bache  oder  einen  Überläufer  verfolgt  hatte. 

Wir  jagten  ursprünglich  in  zwei  Partien,  deren  eine  von  Pratap 
Singh,  die  andere  von  Major  Beatson  geführt  wurde,  doch  trennten 
sich  oft  einzelne  der  Herren  von  ihrer  Partie  ab  und  folgten  einem  von 
der  andtiren  Gruppe  gehetzten  Stücke;  mitunter  vereinigten  sich  wohl 


auch  beide  Panien  und  machten  einige  Zeit  gemeinschaftlich  Jagd.  Die 
schärfsten  und  längsten  Runs  gaben  immer  die  geringeren  Stücke, 
wahrend  die  starken  Keiler  sich  bald  stellten  und  dann  Jeden  annahmen, 
der  ihnen  in  die  Nähe  kam.  Die  Keiler  von  Dschodpur  waren  bedeu- 
tend b('>ser  und  schärfer  als  jene,  die  wir  in  Gwalior  gejagt  hatten  und 
giengen  blindlings  auf  die  Pferde  los,  so  dass  mehrere  dieser  letzteren 
geschlagen  wurden. 

Als  Hardschi  Singh  mir  im  Verlaufe  der  Jagd  meldete,  er  wisse 
einen  Keiler,  der  sich  in  einen  Dornenhaufen  retiriert  habe,  ritten  wir 
sofort  an  Ort  und  Stelle.  Dort  sprang  Hardschi  Singh  mitten  in  die 
iJfirnen,  die  hier  von  Bauern  aufgehäuft  worden  waren,  hinein,  worauf 
alsbald  in  der  dem  Reiter  entgegengesetzten  Richtung  ein  starker  Keiler 
mit  auffallend  schönen  Waffen  hinausflüchtete,  den  ich  nach  wenigen 
Sprüngen  erlegte. 

Min  besonders  böser  Bursche  war  der  letzte  Keiler,  den  wir  jagten. 
Dieser  führte  uns  in  ein  Dornendschungel,  wo  er  alsbald  alles,  waser 
in  Sicht  bekam,  angriff;  selbst  die  Soldaten,  die  als  Ordonnanzen  in  der 
NiUic  stunden,  wurden  nicht  verschont.  Wir  hatten  ausgemacht,  dass 
diesen  Keiler  Wurnibrand,  der  noch  kein  Schwein  erlegt  hatte,  stechen 
■loliU';  iliicli  kam  Wurnibrand  leider  zu  spät  an  dasselbe  heran.  Ein  Soldat. 
wi'li'JK'ni  das  Thicr  stark  zusetzte,  liess  dasselbe  auflaufen,  wobei  der 
S|i('i'r  ihuvli  die  Kraft  des  .Anpralles  in  Stücke  gieng.  Damit  war  die  Jagd 
zu  \\\uU';  die  Schweine  hatten  schon  sämmtüch  die  Berge  aufgesucht: 
iln'  Sonno  stand  hoch  am  Himmel  und  so  zogen  wir  mit  unserer  Beule 
''-'  Ki'ilt'rn        heimwärts. 

I>ii'.  lÜKi'biiis  dos  heutigen  Pigstickings  befriedigte  uns  höchlich. 


Geschenk  annehmen,  wobei  ich  jedoch  Jen  Vorsatz  fasste,  dem  freund- 
lichen Spender  nach  meiner  Rückkehr  in  die  Heimat  einen  Lippizaner 
zu  senden. 

Nachmittags  standen  abermals  sportliche  Unterhaltungen  auf  dem 
Programme.  Zuvor  aber  musste  sich  der  zwölfjährige  Sohn  des  Maha- 
radschas, Mahärädsch  Kumvar  Sardar  Singh,  vor  uns  in  verschiedenen 
Fechtübungen,  und  zwar  zunächst  im  Stockfechten  producieren.  Der 
junge  Herr  zeigte  sich  hiebei  äußerst  geschickt  und  anstellig,  und  hieb 
weidlich  auf  seinen  Lehrer  los,  der  ihm  übrigens  von  Zeit  zu  Zeit  auch 
einen  Schlag  auf  den  Turban  versetzte.  Später  kam  das  Fechten  mit 
Holzsäbeln  und  dann  jenes  mit  Schwert  und  Schild  an  die  Reihe.  Zum 
Schlüsse  belobten  wir  den  jungen  Fechter,  was  ihn  mit  Freude  imd 
Stolz  zu  erfüllen  schien. 

Die  Erziehung  dieses  Knaben  stellt  eine  glückliche  Vürbindung 
körperlicher  und  geistiger  Ausbildung  dar.  Erstere  erfreut  sich  in  den 
verschiedenen  Formen  des  Fechtens,  Turnens  und  Reitens  aufmerk- 
samster Pflege  und  sichert  dem  Kinde  eine  gesunde,  kräftige  Ent- 
wickelung;  die  geistige  Ausbildung  wird  rationell  betrieben  und  hat 
schon  jetzt  anerkennenswerte  Erfolge  aufzuweisen,  wie  sich  aus  den 
staunenswerten  Fragen  und  Bemerkungen  des  Knaben  über  Österreich 
folgern  ließ.  Obschon  ich  mir  ganz  klar  bin,  dass  die  bei  diesem  fürst- 
lichen Sprossen  angewandte  Methode  der  Erziehung  nicht  für  unsere 
heimatlichen  Verhältnisse,  geschweige  denn  für  den  Durchschnitt 
unserer  Jugend  maßgebend  sein  kann,  so  forderte,  was  ich  hier  sah, 
doch  unwillkürlich  zur  Vergleichung  heraus. 

Durch  Hintansetzung  der  körperlichen  Ausbildung  einerseits 
und  durch  Übermaß  geistiger,  oft  übereilter  und  nur  das  Gedächtnis 
beschwerender  AnTorderungen  andererseits,  wird  die  allseitige  Entwick- 
lung unserer  heranreifenden  Generation  verkümmert  und  in  den  jungen 
Staatsbürgern  nur  zu  häufig  der  Grund  zu  den  mannigfachsten  leib- 
lichen Gebrechen  gelegt,  .allerdings  bildet  die  Aufgabe,  das  richtige,  auf 
den  Durchschnitt  der  lernenden  Menschheit  anwendbare  Verhältnis 
zwischen  der  körperlichen  und  geistigen  .Ausbildung  zu  finden,  ein 
schwieriges  Problem  für  die  Pädagogik;  es  verdient  daher  Anerkennung, 
dass  namentlich  in  letzterer  Zeit  manche  zweckmäßige  Anläufe  zur 
Lösung  desselben  genommen  wurden.  Allein  von  dem  anzustrebenden 
Ziele  sind  wir  wohl  noch  weit  entfernt.  Ich  rede  einer  rationellen,  den 
verschiedenen  Alters-  und  Entwicklungsstufen  angepassten  körperlichen 
Ausbildung  unbedingt  das  Wort,  nicht  nur  ihrer  hygienischen,  sondern 


insbesondere  auch  ihrer  ethischen  Bedeutung  halher.  Unter  sonsi 
gleichen  Umständen  wird  ein  körperlich  gut  entwickelter  und  gekräfligter 
Mann  sich  in  schwierigen,  kritischen  Augenblicken  des  Lehens  besser 
bewähren  als  die  bedauernswerten  Producle  der  überbürdenden  geistigen 
Treib hauscullur,  die  dann  zu  siechen  beginnen,  wenn  steain  üppigsten 
blühen  und  gedeihen  sollen.  Selbst  die  souveränste  Beherrschung  der 
Classiker,  die  vollste  Vertrautheit  mit  den  siibtilsten  Geheimnissen  <icf 
Mathematik  ersetzen  im  Leben  jene  Eigenschaften  nicht,  die  den  ganzen 
Mann  ausmachen.  Eine  angemessene  körperliche  Ausbildung  unscrö" 
Jugend  scheint  mir  —  ich  wage  diese  Ansicht  auf  die  Gefahr  rückschritl- 
lieber  Allüren  beschuldigt  zu  werden  —  selbst  um  den  Preis  ausgiebiger 
Entlastung  in  scientifischer  Hinsicht  nicht  zu  theuer  erkauft,  weil  ja 
hiedurch  ein  Sinken  des  geistigen  Niveaus  nicht  nothwendig  bedingt, 
höchstens  die  geistige  Detailbildung  hinausgeschoben  ist  —  mens  sana 
in  corpore  sano. 

Den  Productionen  des  künftigen  Maharadschas  anwohnend,  konnte 
ich  mich  eines  Lächelns  nicht  enthalten  bei  dem  Gedanken  an  die  .W 
und  Weise,  in  welcher  wohl  in  der  Heimat  ein  Kind  gleichen  Alters  den 
Gästen  des  Hauses  vorgeführt  würde.  Wenn  die  glückliche  Zeit  vorbei  isl, 
in  welcher  des  jungen  Erdenbürgers  Aufgabe  und  Verdienst  nur  darin 
besteht,  an  Gewicht  zuzunehmen,  so  hört  der  fördernde  Einfluss  auf 
seine  körperliche  Ausbildung  zumeist  auf.  Der  Geist  ist  nun  Alles;  das 
Kind  möglichst  früh,  möglichst  viel  lernen  zu  lassen,  das  einzige  Streben. 
Väter  und  Mütter  fragen  nicht,  ob  der  Junge  laufe,  springe,  turne,  fechte, 
wohl  aber,  in  welcher  Ciasse  er  angelangt  sei,  wie,  mit  welchem  Erfolge 
er  lerne,  welche  Sprachen  er  spreche;  ja,  wenn  es  thunlich  ist, 
das  gequälte  Kind  sofort  eine  Probe  seiner  Fertigkeiten  ablegen. 

Zu  der  verfehlten,  das  Schwergewicht  fast  ausschließlich  auf 
geistige  Ausbildung  legenden  Erziehungsmethode  gesellt  sich  nuch 
immer  weitere  Kreise  der  Bevölkerung  erfassende  Bestrehen,  die  Söhne 
für  die  höheren  Studien  zu  bestimmen  —  ein  Bestreben,  welches  ilen 
Sohn  des  Bauers  vom  väterlichen  Pfluge,  den  Sohn  des  ehrsi 
Gewerbsmannes  vom  väterlichen  Handwerke  hinwegdrängt  und  so 
geistige  Proletariat  vermehrt,  das  meistens  zugleich  auch  ein  köi 
liches  ist.  Socialpolitiker  und  Assentienmgs-Commissionen  di 
hierüber  näheren  Bescheid  wissen. 

Auf  derselben  Wiese,  auf  welcher  uns  zwei  Tage  vorher  das 
produciert  worden  war,  führten  uns  die  wackeren  DhChodpurer  n< 
einige  Reiterspieie   vor,  so   das  uns  schon  bekannte    Tentpegging, 


1 


k-elchcni  der  kleine  Sohn  des  Maharadschas  sich  auf  einem  17  Faust 
lohen  Schimmel  eifrig  betheiligte;  dann  das  im  Galopp  auszuführende 
i^ntzwei hauen  von  Schafen  (Goatcutting).  Bei  dem  letzteren,  echt  asia- 
ischen  Spiele  muss  der  Reiter  an  einem  todten  Schafe,  welches  an 
inem  Galgen  hängt,  in  voller  Carriere  vorbeireiten  und  mittels  eines 
charf  geschliffenen  Säbels  das  Schaf  mitten  entzweihauen.  Nur  wenn 
,uf  einen  Hieb  die  eine  Hälfte  des  Schafes  zu  Boden  fällt,  ist  die  Übung 
ichtig  ausgeführt.  Diesmal  waren  fünf  Schafe  in  Intervallen  von  je 
ünfzig  Schritten  aufgehängt.  Auch  hier  zeichnete  sich  wieder  vor  allen 
iardschi  Singh  aus,  der  meinen  Hengst  ritt  und  einmal  rechts,  einmal 
inks  hauend,  alle  Schafe  mit  je  einem  Hieb  in  zwei  Theile  trennte. 

Wer  Gelegenheit  gehabt  hat,  die  Dschodpurer  bei  derartigen  halb 
Lriegerischen,  halb  equestrischen  Spielen  zu  sehen,  ihre  Gewandtheit 
ind  Kühnheit  zu  beobachten,  vermag  wohl  gleich  uns  der  herrschenden 
ileinung  beizupflichten,  dass  die  Rädschputen  mit  Fug  und  Recht  als 
lie  vorzüglichsten  und  tapfersten  Krieger  Indiens  gelten. 

In  einem  mit  zwei  sehr  eleganten  arabischen  Schimmeln  bespann- 
en Kulschierwagen  kam  nach  Beendigung  der  Reiterspiele  der  Mahä- 
ädscha  angefahren  und  lud  mich  ein,  einem  großen  Wettkampfe  seiner 
lesten  Ringkämpfer  beizuwohnen.  Da  der  Maharadscha  bereits  zu  alt 
ind  zu  schwer  geworden,  um  den  anderen  Sports  zu  huldigen,  findet 
■r  darin  Zerstreuung,  eine  ganze  Schar  der  auserlesensten  Ringer  — 
iber  hundert  an  der  Zahl  —  zu  halten,  die  alle  aus  dem  Pendschäb 
tammen.  An  dem  Hofe  von  Dschodpur  erhalten  diese  Kämpfer  in 
lesonderen  Schulen  durch  Trainers  die  für  ihren  Beruf  erforderiiche 
Ausbildung  durch  tägliche,  vielstündige  Übungen  und  entsprechende 
lahrung;  die  Ringer  werden  bei  sparsam  bemessenem  Trünke  reichlich, 
Tsbesondere  mit  Milch  und  Butter,  genährt,  müssen  sich  jedoch  an 
;em  einem  Kampfe  unmittelbar  vorhergehenden  Tage  von  Speise  und 
Trank  völlig  enthalten.  Der  Maharadscha  interessiert  sich  sehr  für 
eine  Schützlinge,  kennt  die  Leistungsfähigkeit  jedes  Einzelnen  und 
bestimmt  die  Kämpfer,  die  gegeneinander  in  die  Schranken  zu  treten 
laben,  Nach  den  Kämpfen,  die  äußerst  anstrengend  sind,  erhalten.die 
tinger  Geldpreise  bis  zu  je  100  Rupien. 

Wir  saßen,  von  zahlreichen  Würdenträgern  umgeben,  in  einem 
;roßen  Zelte,  vor  welchem  sich  der  mit  weißem  Sande  bestreute 
Campfplatz  ausdehnte.  Eine  große  Menschenmenge  umstand  den- 
clben  und  nahm  lebhaften  Antheil  an  den  einzelnen  Phasen  des 
Campfcs.   Besonders   die  Trainers   der  einzelnen   Ringer    geberdeten 


sich  wie  toll  und  schrieen  ihren  Leuten  unaufhörlich  Ermahnungen 
zu,  Mehrere  Ordner  leiteten  die  Kämpfe  und  wachten  darüber,  Juss 
den  genau  festgesetzten  Regeln  gemäß  vorgegangen  werde.  Die  Ober- 
leitung des  Kampfes  ruhte  in  den  Händen  eines  baumlangen,  herkulisch 
gebauten  Mannes,  eines  ehemaligen  Ringkämpfers,  der  den  Titel  »def 
Heros*  führt  und  seinerzeit  der  beste,  der  unbesiegt  gebliebene  Kämpe 
Indiens  gewesen  ist. 

Die  Kämpfer  schritten,  bis  auf  einen  Lendenschurz  unbekleidet, 
paarweise  in  den  Kreis,  um  auf  ein  Zeichen  des  Maharadschas  das  Ringen 
zu  beginnen.  Sechs  Paare  traten  in  die  Schranken:  hiebei  waren  ininief 
Angehörige  verschiedener  Schulen  einander  gegenüberge.stellt,  welcher 
Umstand  nicht  wenig  dazu  beitrug,  die  Kämpfer  zum  Aufgebote  aller 
Kräfte  anzuspornen.  Besonders  aufregend  gestaltete  sich  ein  Kampf 
zwischen  einem  sehr  corpulenten  Ringer  und  einem  etwas  leichler 
gebauten  Kämpfer.  Das  Ringen  endete  mit  der  Niederlage  des  Kolosses, 
worauf  der  Sieger  —  beide  Kämpfer  waren  vor  Erschöpfung  beinahe 
ohnmächtig  niedergesunken  —  von  seinen  Trainers  umarmt  und  von 
der  Menge  bejubelt  wurde.  Jeder  Kampf  galt  als  entschieden,  sobaU 
einer  der  Ringer  den  Boden  mit  beiden  Schultern  berührt  hatte:  aber 
selbst  wenn  ein  Ringer  schon  »geworfen«  war,  wendete  er  sich  heim 
Falle  oft  so  geschickt,  dass  er  nicht  auf  den  Rücken  zu  liegen  kam. 

Die  Zähigkeit,  Ausdauer  und  Widerstandskraft  der  Leute  war 
bewundernswert,  denn  nahezu  alle  Kämpfe  dauerten  zwischen  40  und 
50  Minuten.  Angesichts  der  vollkommenen  Ausbildung  dieser  Ringer 
erklärt  es  sich,  dass  ein  Champion  Englands,  der  nach  Dschodpur 
gekommen  war,  nur  um  sich  mit  den  Ringern  daselbst  zu  messen,  nach 
wenigen  Minuten  besiegt  war.  Zwei  Stunden  lang  Sahen  wir  dem 
interessanten  Schauspiele  zu;  dann  aber  war  es  Zeit,  an  das  Diner  zu 
denken,  da  unser  Zug  schon  um  9  Uhr  abends  abgehen  sollte. 

Auf  dem  Bahnhofe  nahmen  wir  von  Sir  Pratap  Singh,  Hardsclii 
Singh,  Major  Beatson  und  den  anderen  Herren,  die  wir  während  unseres 
nur  allzu  kurzen  Aufenthaltes  in  Dschodpur  liebgewonnen  halten,  in 
sehr  herzlicher  Weise  Abschied.  Pratap  Singh  betheuerte,  er  habe  von 
allen  Europäern,  die  er  kenne,  niemand  so  sehr  schätzen  gelernt,  wie 
mich  und  meine  Landsleute.  Wir  erwiderten  diese  Worte  mit  der  Xct- 
Sicherung,  dass  lediglich  das  längst  festgesetzte  Reiseprogramm  unserem 
Bleiben  ein  Ziel  setze  und  bekräftigten  wahrheitsgetreu,  dass  die 
Rädschputen  unsere  volle  Sympathie  hatten;  auch  nahmen  wir  den 
genannten  Herren  das  Versprechen  ab,  uns  in  Wien  zu  besuchen.  Dann 


riefen  uns  diese  in  deutscher  Sprache  -Waidmannsheil!«  zu,  ein  Wort, 
das  wir  ihnen  gelehrt,  —  der  Zug  setzte  sich  in  Bewegung  und  wir 
verließen  Dschodpur,  von  dem  wir  nicht  ohne  Rührung  schieden. 

Heller  Mondenschein  beleuchtete  Berg  und  Thal,  während  wir 
gegen  Dschaipur  hinsausten.  Vor  Mitternacht  stieg  leuchtende  Röthe 
am  Horizont  auf  und  eine  halbe  Stunde  später  fuhren  wir  mitten  durch 
einen  weithin  reichenden  Steppenbrand.  Das  hohe,  trockene  Gras 
brannte  lichterloh;  mit  Blitzesschnelle  züngelten  die  Flammen  den  Boden 
entlang,  einen  Streifen  um  den  anderen  erfassend.  Gleich  feurigen 
Riesenschlangen  wälzte  sich  das  entfesselte  Element  dahin;  in  rothen 
Feuersiiulen  stieg  der  dichte  Qualm  empor  gegen  den  nächtlichen 
Himmel,  knisternd,  prasselnd,  knatternd,  als  ertöne  Kleingewehrfeuer; 
in  Milliarden  von  Funken  wehte  die  Lohe  versengend  über  die  Steppe . .  . 


Dschaipur. 


I 


Dschaipur. 

Dschaipur,  3.  März. 

Die  festlichen  Empfänge  in  Indien  folgen  einander;  aber  sie  gleichen 
sich  so  wenig,  wie  die  Städte.  Jeder  Empfang  bietet  ein  neues  Bild 
orientalischer  Pracht  und  Originalität,  in  welchem  charakteristische 
Eigenthümlichkeiten  des  Staates  oder  seines  Herrschers  zutage  treten. 
Auf  dem  Perron  von  Dschaipur  harrten  der  Maharadscha  Sir  Mahdo 
Singh  Bahädur,  der  vicekönigliche  Agent  von  Rädschputana  Colone! 
Bradford,  der  Resident  von  Dschaipur  Colonel  Peacock  und  die  Staats- 
würdentruger.  Xach  gegenseitiger  Begrüßung  und  Vorstellung  fuhren 
wir  in  Galawagen  eine  halbe  Stunde  lang  durch  eines  der  merkwür- 
digsten und  interessantesten  Spaliere. 

Der  Maharadscha  stellt  der  indo-britischen  Regierung  keine 
Truppen,  auch  befindet  sich  in  Dschaipur  keine  englische  Garnison; 
hingegen  obliegt  diesem  Staat  im  Kriegsfalle  die  Beistellung  von 
400  zweiräderigen  Transportwagen  mit  1000  gut  eingefahrenen  Ponies 
und  666  Mann.  Ein  Detachement  dieses  Trains  war  nun  —  die  Mann- 
schaft in  griinfarbiger  Adjustierung  —  zur  Bildung  des  Spaliers  aus- 
gerückt und  dem  Bahnhofe  zunächst  aufgestellt. 

Die  Fußsoldaten  und  die  Reiter  des  Maharadschas,  welche  weiter- 
hin ebenfalls  Spalier  bildeten,  stellten  eine  höchst  drollige  und  bunte 
Horde  dar.  In  den  Reihen  der  Infanterie  standen   neben  halbwüchsigen 


Iiinnoii  >ilbi'ibnilino  liroisc;  die  ('icwühre,  theils  an  defecten  Riemen. 
ihoiK  (in  Sihmlivn  noiriigon,  );i:li''n'^ii  '■Icn  uriiltesten,  schier  unglaub- 
luhcn  S_\>U'nion  un,  j.»  soj^nr  Foiicrsiein-  und  Wallbüchsen  waren  zu 
m'Ih'H,  die  Adii'^iK'ninji,  v*clcho  jener  europäischer  Truppen  nachge- 
l>iK1i'l  1^1,  ioi.-lineie  >ich,  oKvclion  grCU^lc  Parade  angesagt  war,  durch 
i'iiu-n  /»-.iund  « itlivhrtrt  kliiiiliclicr  VerUimpung  aus.  Die  ",)fticierd 
(l'-\\,»luu-n  wenn  i«;'');'''"!''  'l«-""  AnMick  ncich  größerer  Vemahr- 
l.v>in\.i;  äN  »lio  MaiinMiialV  die  (\*r5iniandos  schienen  auf  die  Ab:he:- 
hiAs.-n  nui  woili*;  V^iidnick  ni  machen,  Hio  Verfassung  der  (.' avallere 
Will  um  ;iiv-lil>  tvss<-r,  d,-»>  IVrdemaioha!  klein,  schlecht  gewane: 
uiU  dsv  NalJ.-l^ouj;  v.\n  j?i-radcf.i;  des.ilaier  BeschaffenheiL  Das  Au?- 
>.'!i.-!i  ,101  Tn^i'^iVLi  ,ic>  XlÄ^Ärjädi-cIi.is  verräih  auf  den  er&ien  BücIl 
.U-v^  .!.^:Vi ,  « :c«-.^!i]  K-i.iN.'^V'"'-  '"•J"  >i"i'"'f  ATnit'e  keinerlei  l:i:erej>: 
>.-V;  -  -' .^■>■^■^  fr--;';.^!-;  \  lolnic-: .  \»'i>'  ■-i.T-  m^t,,  gi.r.:  u:>d  \\>i:  dem  Hartr;. 
i'   -.•;>  i'>:«,-'':x'..;jo:-.  ":''..->c/'.;.-k  ^; .-.ii-ii"  "ichii^r:  das  Litfoige  -rc 


ind,  als  Bespannung  von  Kquipagen  tüunend,  -Hof-Ochsen-.  Letztere, 
velche  mit  grünen  oder  rothen  Schabracken  bedeckt  waren,  hatten, 
ier  Feierlichkeit  entsprechend,  die  Hörner  vergoldet  oder  mit  grünem 
l'uch  umwunden.  Mehrere,  an  verschiedenen  Stellen  placierte  Musik- 
japellen  ließen  unsere  Volkshymne  in  allen  möglichen  Tonarten  und 
Fempi  erklingen. 

Unter  dem  Donner  einer  aus  drei  Kanonen  bestehenden  Batterie 
;ogen  wir  in  die  englische  Residenz  ein,  wo  wir  als  Gäste  des  Mahä- 
'ädschas  unsere  Wohnung  aufschlugen.  Vor  den  Thoren  des  Palais 
itand  eine  Ehrencompagnie  —  aus  Räubern  bestehend.  Diese  Elite- 
ruppe  von  Dschaipur  ist  thatsächlich  aus  den  Räuberbanden,  die 
'rüher  im  Lande  gehaust  haben,  recrutieit.  Der  Maharadscha  konnte 
dieser  Plage  nur  dadurch  Herr  werden,  dass  er  die  Räuber  zu  einer 
sauber  uniformierten  Leibwache  umgestaltete,  welcher  Vorgang  eine 
gewisse  Analogie  mit  der  hie  und  da  in  der  Heimat  zu  beobachtenden 
Erscheinung  zeigt,  dass  Wildschützen  zu  Jagdhegern  bestellt  werden. 
Die  Dschaipurer  Räuber  fanden  an  dem  mit  wenig  Mühe  und  ver- 
hältnismäßig gutem  Leben  verbundenen  Dienste  Geschmack,  hängten 
ihr  früheres  Handwerk  an  den  Nagel  und  stehen  nun  eifrig  Schild- 
wache vor  den  öffentlichen  Gebäuden, 

In  der  Residenz  empfieng  mich  Mrs.  Peacock,  die  Gemahlin  des 
Residenten,  mit  ihren  zwei  Töchtern  und  deren  Erzieherin.  Ich  und 
Wurmbrand  waren  im  Palais  selbst  untergebracht,  während  für  die 
anderen  Herren  in  der  Nähe  ein  Zeltlager  aufgeschlagen  war.  Mit  Rück- 
sicht auf  das  begreifliche  Bedürfnis  nach  größerer  Bequemlichkeit  und 
Kühe  hätte  ich  allerdings  vorgezogen,  gleichfalls  im  Zeltlager  Quartier 
nehmen  zu  können,  entsprach  jedoch  dem  Wunsche  der  Mrs.  Peacock, 
welche  sich  nicht  nehmen  lassen  wollte,  für  unsere  Bewirtung  und 
gesellige  Unterhaltung  zu  sorgen.  Voraussichtlich  dürften  wir  infolge 
dessen  auch  genöthigt  sein,  wenn  wir  von  der  Jagd  ermüdet  zurück- 
kehren, in  die  grässlichen  Fracks  zu  schlupfen,  um  mit  den  nach 
englischer  Sitte  in  großer  Toilette  erscheinenden  Damen  zu  dinieren 
und  zu  conversieren,  anstatt  in  zwangloser  Herrengesellschaft  über 
die  Erlebnisse  des  Tages  zu  plaudern. 

Der  Maharadscha  hatte  mich  bis  zur  Residenz  geleitet  und  wollte 
mir  nach  Ablauf  einer  kurzen  Pause,  die  er  mit  einem  Rundgang  im 
Garten  ausfüllte,  seine  officielle  Visite  machen,  doch  erlitt  diese  eine 
kleine  Verzögerung,  da  das  Laden  der  Geschütze  der  trefflichen  Drei- 
Kanonenbatterie,  unter  deren  Donner  der  Besuch  sich  vollziehen  sollte. 


nicht  rasch  genug  vonstatten  gieng.  Endlich  krachte  der  erste  Schus: 
der  Maharadscha  trat  ein  und  die  Ceremonie  der  Darreichung  von  AI 
und  Pan  sowie  der  Bekränznng  nahm  den  üblichen  Verlauf. 

Hochgewachsen  und  von  kräftiger  Statur,  stellt  der  Mahärädsi 
eine   stattliche  Erscheinung  dar,  die  durch  das  reiche   Kleid  und 
prächtigen    Schmuck    —   er  trug  nebst  anderen  Kostbarkeiten    ei 
herrlichen,  mit  großen   Diamanten  förmlich  besäeten  Säbel  —  auf 
vorth eilhafteste  zur  Geltung  gebracht  wurde.  Die  Physiognomie  d« 
Fürsten  aber  zeigte  den  .^Xusdruck  völliger  Passivität;  ich  vermissie 
in  seinen  Blicken  jenen  Feuergeist,  der  aus  den   klugen   Augen  vor- 
nehmer   RädschpLiten    zu   strahlen   pflegt   und  schenkte    willig  jenen 
Glauben,  die  den  Maharadscha  als  ein  gefügiges  Werkzeug  in  den 
Händen  Englands  bezeichneten.   Von  seinem   Vorgänger  Räm   Singh 
(1835    bis    1880)  an  Kindesstatt   angenommen,   hat  der  jetzige  Fürst 
von  Dschaipur,  ein  Seitensprosse  des   uralten  Dynastengeschlechtes 
der  Katschwaha-Rädschputen,  wohl  deren  Blut,  keineswegs  aber  ihre 
Thatkraft  geerbt. 

Haben  doch  die  früheren  Katschwaha-Fürsten  das  Gebiet, 
dem  ihr  Stamm  vom  Jahre  9t37  an  herrscht,  durch  WaPfenthaten  ; 
erobern,  zu  vergrößern  und  zu  erhalten,  die  Hauptstädte  des  Land 
aber,  Amber  und  Dschaipur,  durch  Künste  des  Friedens  zu  Metropot 
zu  gestalten  gewusst,  deren  Bauten  an  Großartigkeil  und  Schönhi 
mit  den  berühmtesten  W'erken  der  indischen  Architektur  wetteifern.  I 
hat  Amber,  einst  der  Sitz  der  Minas,  nach  deren  Unterwerfung  aber  fj 
sieben  Jahrhunderte  lang  (bis  1728)  die  Hauptstadt  jenes  Gebietes,  dl 
heute  Dschaipur  heißt,  durch  die  Pracht  seiner  von  Man  Singh 
Sivvai  Dschai  Singh  geschaffenen  Marmorbauten  selbst  den  Neid  tJl 
Großmoguls  Schah  Dschehan  erweckt.  Das  von  Dschai  Singh  H.,  -d« 
Astronomen*  (1699  bis  1742)  erbaute  Dschaipur  mit  seiner  elegant« 
Schönheil  gilt  —  dank  der  Regelmäßigkeit  seines  Grundplanes  ua 
vermöge  seiner  Luxusbauten,  Paläste  und  Gärten  —  als  einer  4 
schönsten  Orte  Indiens. 

Die  Geschichte  des  Landes  weiß  von  unzähligen  VVaffenÜiiM 
seiner  ebenso  klugen  als  tapferen  Fürsten  zu  berichten.  Von  derÜW 
macht  der  Großmoguln  endlich  gebeugt,  wusslen  sich  die  Fürsten  J( 
Reiches  Amber-Dschaipur  dadurch  in  ihrer  Macht  zu  behaupten,  das 
sie  als  Kronfeldherren  der  Moguln  deren  Heere  zu  Stegen  führten,  > 
welche,  wie  wir  bei  unserem  Einzüge  zu  erfahren  Gelegenheit  gcM 
halten,  noch  heute  die  Fahnen  der  Dschaipurer  Truppen  erinnern  solKl 


späterhin  war  Dschaipur,  dessen  Fürsten,  der  Oberherrschaft  der  ent- 
arteten Moguln  milde,  die  Maharatten  als  Befreier  ins  Land  gerufen 
hatten,  in  jene  langwierigen  Fehden  verflochten,  die  erst  mit  der  Unter- 
jochung der  Maharallen-Staaten  durch  die  Engländer  ihr  Ende  gefunden 
haben.  Doch  schon  im  Jahre  1803  war  der  Maharadscha  von  Dschaipur, 
den  Wechsel  der  politischen  Lage  erfassend,  in  Beziehungen  zu  der 
anglo- indischen  Macht  getreten  und  britische  Truppen  halfen  den 
Rädschputenstaaten  das  Joch  der  Maharatten  abzuschütteln. 

So  wenigstens  nach  dieser  Seite  zur  Unabhängigkeit  zurück- 
gekehrt, steht  der  Staat  Dschaipur  seither  als  willkommener  Bundes- 
genosse an  der  Seite  Englands  und  unterhält  seit  Kam  Singhs  Regierung, 
zumal  aber  seit  der  durch  britischen  Einfluss  geförderten  Thronbestei- 
gung des  jetzigen  Maharadschas,  die  allerfreundlichsten  Beziehungen 
zu  der  anglo-indischen  Krone. 

Vorläufig  stellt  Dschaipur,  wie  bereits  gesagt,  zu  dem  Contigente 
der  anglo-indischen  Armee  nur  Traincolonnen,  Die  einheimischen  Streit- 
kräfte —  gegen  1000  Mann  Artillerie  mit  281  Kanonen  aller  Art,  auf 
31  Forts  vertheilt,  16.000  Mann  Infanterie  und  4500  Mann  Cavallerie  — 
sind,  wie  sich  dem  prüfenden  Auge  schon  beim  Einzüge  offenbarte, 
recht  mangelhaft  bewaffnet,  adjustiert  und  beritten.  Immerhin  würde  im 
Falle  eines  Krieges  diese  Mannschaft  zur  Vertheidigung  des  Landes 
brauchbar  sein  und,  bei  der  zahlreichen  Bevölkerung  und  den  ergiebigen 
Hilfsmitteln  des  Landes,  leicht  vermehrt  und  besser  ausgerüstet  werden 
können. 

Auf  einer  Fläche  von  39.500  km'  fast  zwei  Millionen  Einwohner 
zählend,  gilt  Dschaipur,  dessen  fast  durchwegs  ebenes  Gebiet  gut 
bewässert  und  sonach  fruchtbar  ist,  dank  seiner  zahlreichen,  gewerbs- 
neißigen  und  handelsthätigen  Bevölkerung  als  einer  der  biühendsten 
Staaten  Rädschputanas.  Das  Jahreseinkommen  des  Maharadschas  wird 
mit  etwa  4'/a  Millionen  Gulden  ö.  VV,  beziffert. 

Kaum  hatte  sich  der  Mahärädsha  mit  stummem  Gruß  entfernt, 
so  fuhr  ich,  nachdem  ich  das  abermalige  Laden  der  Geschütze  abge- 
wartet hatte,  von  ihrem  Donner  geleitet,  nach  der  Stadt  zum  Palaste  des 
Fürsten,  um  diesem  meinen  Gegenbesuch  abzustatten.  Der  Weg  nach  dem 
l'alast  war,  weil  die  Residenz  in  beträchtlicher  Entfernung  außerhalb  der 
Stadt  liegt,  ziemlich  lange  und  führte  in  einer  Allee  bis  an  das  Siadtthor. 
Dschaipur  liegt  am  Fuße  einer  Hügelkette,  die  zu  den  Ausläufern 
des  Ära wali- Gebirges  gehört.  Diese  Hügelkette  schließt  die  auf  dem 
Hoden  eines  ehemaligen  Ssebeckens  angelegte,  gegen  Süden  zunächst 


von  bcwits^frlüii  (iärtcn.  weiterhin  von  sandigem  Terrain  begreniie 
Stiiilt  an  drei  Seiten  ein.  Hier  steil  abfallend  und  die  Stadt  durch  hoch 
fielegL-ne  Forts  beschützend,  senkt  sich  die  Hügelkette  im  Norden 
iiihniililich  und  birgt  dort  am  Rand  einer  bewaldeten  Schlucht  di; 
Koste  der  lUten  Residenzstadt  Aniber.  Die  Situation  Dschaipurs  in  dem 
nach  Süden  hin  offenen  Thulkessel  hat  der  Anlage  der  jetzt  nahez'j 
liiO.iKX*  Kinwohner  zahlenden  Stadt  sowie  deren  Envetterung  vollauf 
Raum  j-eboten.  I>er  im  Westen  Dschaipurs  dem  Tschambalstrome  zu- 
eilende KUiss,  der  jiroüe  Teich  Man  sajiar,  künstliche  Wasserbehälter 
und  Hrunnen  versorgen  die  Stadt  und  deren  grünes  Weichbild  mi! 
Trink-  und  Nuizwasser.  I>or  Cberlluss  an  Wasser,  das  günstige  Klima. 
die  Keinlichkeit  der  breiten,  mit  Sieinlliesen  belegten  Straßen,  die  zahl- 
reichen i."i;inen,  die  großen  Plätze,  die  Straßenbeleuchtung  —  alle>  ■ik- 
veivinig!  sich,  um  Dschaipur  den  \\»rzi:g  einer  äußerst  gesunden  Stad: 
.:u  Mchonv 

hl  IVchaipur,  das  wie  a'-e  Rädschriiu-r.städie  stark  befestigt  unJ 
\  i»!i  einer  h\>her.  Wa'.Sniauer  umschtossen  is:.  faSien  sofon  zwei  eigen- 
:h;:"',^ic'5e  Krschei:'.'.;"};!.".-  ay:.  r.ä:^:lich  die  im  rechter.  Winkel  gebauier. 
brn-.ti':'.  S:r.i;>e:'.  d:o  r..ich  ihrer  .Vnlajie  wei:  m-'hr  in  eine  m-j-iier-t; 
S;.ui:  .i'.s  hu-her  i;ehörer.  w>;rde:;.  ur.d  der  S-e^'^l"-*^-g«-  rosenfait-rje 

.:.-.:  d.-s  El,-such=.'s  dis  t>:::.-;n  v--.  W-Ües.  da  danials  au:"  Befehl  Je* 

i;;;.:.-c~:  v»>r.i^.-.  "Uäs:;-,  vi'^".i:-.c>..  «-.i  -.--.in  sj-::.  die  Frc-nten  zah!- 

■■•,^;   .;>■■••  '.•:.•.;:   ü.;   \':r":;^^   wi.'iri  Mihiriischi  SIrr,  Sirghs  rü: 


ver,  Phag  oder  auch  Abir  genannt,  bewerfen  —  dem  Abfalle  der  Farbe, 

welcher  die  Priester  an  diesem  Feste  das  Idol  Krischnas  schmücken, 
s  hat  zur  Folge,  dass  sich  der  größte  Theil  der  Bevölkerung  an 
sieht  und  Kleidung  roth  bestäubt  präsentiert.  Wenn  auch  bei  diesem 
icrze  die  rothe  Farbe  sich  vorzugsweiser  Beliebtheit  erfreut,  so 
d  doch  auch  Dunkelblau,  Grün  und  Gelb  nicht  verschmäht;  ja  man 
it  zur  Zeit  des  Holi-Festes  Knaben,  welche  in  greulicher  Weise  mit 
imtlichen  Farben  des  Regenbogens  überhaupt  bestrichen  sind,  in 
jleitung  von  Musikkapellen  von  Haus  zu  Haus  ziehen.  Der  Mahä- 
scha  pflegt  sich  am  ersten  Tage  des  Festes  persönlich  in  den 
ißen  an  dem  Werfen  des  Pulvers  zu  betheiligen. 

Wie  man  erzählt,  soll  der  Maharadscha  von  Indor  beim  letzten 
li-Fest  ein  eigenthümliches,  jedenfalls  sehr  summarisches  Verfahren 
gewendet  haben,  um  allen  seinen  Frauen  das  Vergnügen  zu  bereiten, 
chzeitig  mit  rothem  Pulver  bestäubt  zu  werden.  Er  ließ  die  Frauen 
linen  Hof  führen,  das  rothe  Pulver  in  eine  Kanone  laden  und  diese 
m  gegen  die  armen  Geschöpfe  abfeuern,  deren  etwa  zwölf  diesen 
:herz-<  mit  dem  Leben  büßten. 

Der  Maharadscha  empfieng  mich,  meinen  Gegenbesuch  erwartend 
l  von  seinen  Würdenträgern  umgeben,  in  einer  offenen  Säulenhalle 

Palastes.  Am  Hofe  von  Dschaipur  besteht  die  löbliche  Einführung, 
s  während  der  Staatsvisiten  ganze  Scharen  von  Tänzerinnen  ihre 
iste  vor  den  Thronsesseln  producieren,  ein  Schauspiel,  welches 
ürlich  die  Aufmerksamkeit  aller  Anwesenden  auf  sich  zieht  und  so 
löglicht,  den  Austausch  höflicher  Phrasen  auf  das  Unumgängliche 
zuschränken. 

Noch  während  der  Aufführung  langte  die  Meldung  ein,  dass 
veit  von  der  Stadt  ein  Tiger  bestätigt  sei  und  wir  daher  baldigst 

dem  Jagdplatze  eintreffen  möchten.  Rasch  empfahlen  wir  uns  beim 
härädscha,  eilten  in  die  Residenz,  Gewehre  und  Jäger  zu  holen,  und 
ren  dann  in  südöstlicher  Richtung  etwa  7  km  hinter  die  Stadt,  zu 
er  Stelle,  wo  bereits  Pferde  auf  uns  warteten.  Auf  dem  Wege  dahin 
ncn  wir  an  zahlreichen  Ruinen  von  Tempeln  imd  Palästen  vorbei, 
en  eine,  jene  eines  alten,  mitten  aus  einem  Teiche  aufragenden 
astes,  besonders  erwähnenswert  ist. 

Hoch  zu  Ross  einer  gut  erhaltenen  Straße  folgend,  durchquerten 

nun  pittoreskes  Hügelland.  \n  dem  ersten  Thale,  das  wir  nach  Über- 
zung  des  Kammes  der  Hügelkette  durchzogen,  liegt,  von  hohen 
.imen    anmulhig    eingefasst,    ein   Teich,    der,    durch    einen    großen 

33 1 


Querdamm  abgeschlossen,  das  Wasser  des  von  den  Hügeln  tienS 
strömenden  Baches  aufspeichert.  Oberhalb  des  Teiches,  auf  iea 
Abhänge  der  waldigen  Hügel  erhebt  sich  der  jetzt  verlassene,  von  Man 
Singh  im  Jahre  1600  begonnene  Palast,  der  zur  Zeit,  als  Amber  noch 
die  Hauptstadt  des  Reiches  war,  vor  den  Maharadschas  bewohnt  wurJe 
Die  knapp  bemessene  Zeit  gestattete  leider  nicht,  dns  Innere  diese» 
berühmten  Bauwerkes,  seine  Höfe,  Hallen  und  Pavillons  zu  besichligen 
Von  außenher  konnten  wir  nur  die  großartigen  Dimensionen  des 
langgestreckten,  in  mehreren  Stockwerken  aufsteigenden  Fürslen- 
schlosses,  welches  an  die  Bauwerke  Dschodpurs  und  Gwaliors  erinnert. 
conslatieren. 

Die  Stadt  Amber,  am  Westende  des  Teiches  gelegen,  ist  heute  zum 
größten  Theile  zerstört  und  öde,  bloß  einige  Priesterfamilien  hausm 
im  Bannkreise  der  zahlreichen  Tempel-  und  Palastruinen,  die,  zwiscbK 
belaubten  Bäumen  malerisch  gruppiert,  ihre  Spitzdome,  Säulen,  Tbönn- 
chen  imd  Terrassen  als  Wahrzeichen  einstiger  Größe  und  Schönheit 
erheben.  Beinahe  völlig  erhalten  sind  die  alten  Stadtthore,  sowie  die 
Befestigungen,  welche  im  Zickzack  laufende,  mit  strategischem  Ceschid 
ausgewählte  Punkte  der  im  Rücken  der  Stadt  liegenden  Hügelicetie 
krönen.  Diese  mit  zahlreichen  kleinen  Warten  und  mit  Auslugthürmen 
bewehrten  Festen,  welche  crenelierte,  mit  Wartthürmen  durchsetzle 
Fliinkenwäüe  und  Mauertreppen  zu  Thal  aussenden,  blicken  gleichsam 
in  stolzer  Trauer  hinab  auf  die  Reste  des  einst  so  herrlichen  .Ambef, 
welches  jetzt  todl  und  verlassen  daliegt,  ein  den  Beschauer  emsl 
stimmendes  Wahrzeichen  des  Wandels  im  Schicksale   großer  StäJle. 

Der  Weg  wurde  immer  schlechter  und  steiniger,  so  dass  wir  nur 
mehr  im  Schritte  vorwärts  kamen,  bis  wir  endlich  in  der  Nähe  desJagJ- 
platzes  angelangt  waren,  wo  wir  Elephanten  bestiegen.  Die  Ürtlichkeit. 
in  welcher  der  Trieb  stattfinden  sollte,  —  ein  dschungelartig  bewachsen« 
Bergabhang,  der  in  eine  Art  Thalkessel  übergieng  —  versprach  zva^ 
viel;  weniger  aber  entzückten  mich  die  künstlichen  Vorbereitungen, 
die  gelrofi'en  waren  und  sich  so  gar  nicht  mit  der  Jagd  auf  Tiger 
zusammenreimen  ließen.  Da  gab's  zwei  aus  hohen  Pfosten  constniiert«i 
mit  einladenden  Bänken  versehene  Hochstände,  zu  welchen  ein  durch 
das  Dickicht  geschlagener,  bequemer,  mit  feinem  Sande  bestreuter  F^i"' 
weg  führte.  Wenn  man  erwägt,  wie  lange  die  Eingeborenen  infolge  ihfct 
Saumseligkeit  wohl  gebraucht  haben  dürften,  um  derartige  Anlagen 
auszuführen,  und  welcher  Lärm  bei  dieser  Gelegenheit  im  Thale  w'ieitJ- 
hallt  haben  dürfte,  so  kann  es  wohl  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  hieduP* 


,  aass  nieoui*"    g 


ir  etwa  hier  hausende  Tiger  in  seiner  Ruhe  arg  gestört  wurde,  und 
Lss  er  Zeit  hatte,  diese  Kunstbauten  hinlänglich  genau  kennen  zu 
"nen,  um  ihnen  nie  in  die  Nähe  zu  kommen. 

Das  Terrain  war  gut  eingeschlossen;  einerseits  war  es  durch 
ne  alte  Befestigungsmauer,  andererseits  durch  eine  Felswand  begrenzt 
id  im  Thale  durch  die  Elephanten,  die  in  einer  langen  Reihe  aufgestellt 
aren,  abgesperrt.  Das  Ergebnis  des  Triebes  gestaltete  sich  meiner 
3fürchtung  gemäß.  Eine  große  Schar  Treiber  war  aufgeboten  worden; 
irunter  wirkten  auch  einige  hundert  Soldaten  mit,  welche  das 
schungel  mit  ergrifiFenem  Säbel  durchsuchten.  Allenthalben  gab  es  viel 
eschrei,  kleine  Raketen  wurden  abgebrannt,  Musikkapellen  schlugen 
n  —  aber  der  Tiger  ließ  sich  bei  den  Ständen,  deren  einen  ich  einnahm, 
ährend  alle  anderen  Herren  auf  dem  zweiten  postiert  waren,  nicht 
icken.  Einen  Augenblick  allerdings  hatte  in  der  Treiberlinie  große 
ufregung  geherrscht;  denn  es  hieß,  ein  Tiger  sei  nach  rückwärts  aus- 
^brochen,  worauf  die  Treiber  sofort  zurück  und  dann  wieder  vorwärts 
^ordert  wurden,  was  sie  mit  noch  größerer  Vorsicht  und  Langsamkeit 
is  zuvor,  aber  auch  mit  dem  gleichen  negativen  Ergebnis  wie  das 
"Stemal  ausführten.  Als  der  Trieb  beendet  war,  erlegte  ich  einen  knapp 
ov  den  Treibern  flüchtenden  Sambarhirsch. 

Im  wundervollsten  Mondscheine  ritten  wir  nach  Hause.  Träu- 
lerisch  lag  der  stille  See  unter-  dem  Bergpalaste  und  den  Ruinen  der 
tadt  vor  uns  —  ein  Anblick,  der  theilweise  für  die  misslungene  Jagd 
ntschädigte. 

Dschaipur,  4.  März. 

Ich  benützte  die  Zeit  bis  zum  Einlangen  verlässlicher  Nachrichten 
iber  die  Bestätigung  eines  Tigers  zunächst,  um  die  Sehenswürdigkeiten 
)schaipurs,  und  zwar  in  erster  Linie  das  dem  Maharadscha  gehörige, 
inter  Dr.  Hendleys  Leitung  stehende  Museum  zu  besichtigen.  Dieses, 
■■OT  der  Stadtmauer  in  dem  etwa  28  ha  umfassenden,  prachtvollen  Stadt- 
?arke  gelegen,  imponierte  mir  durch  seine  Reichhaltigkeit,  die  zweck- 
näßige  Anordnung  der  Objecte  und  durch  den  überraschend  guten 
-rhaltungszustand.  Das  Museum  zeigt,  dass  Dr.  Hendley  den  ihm 
f^ Vertrauten  Schätzen  mit  Lust  und  Liebe  vorsteht  und  mit  Feuereifer 
ir  die  Sammlungen  arbeitet. 

In  den  geräumigen  Sälen  des  Erdgeschosses  liegen  alle  Arten 
Jnstindustrieller  Erzeugnisse  Indiens,  nach  Staatsgebieten  und  nach 
^Zeugungsorten  geordnet  und  sehr  anschaulich  gruppiert.   Von   den 

333 


Producten  der  priniilivsten  Handarbeit  dar  Eingeborenen,  so  von  Jen 
höchst  einfachen  Schmuckgegensianden  und  Götterbildern  an,  bis  in 
den  wertvollsten  Erzeugnissen  des  Kunstgewerbes,  ist  hier  die  Ent- 
vvickelung  derkunstindustriellen  Productlon  in  allen  Stufen  und  Stadien 
vorgeführt. 

Im  ersten  Stocke  befindet  sich  eine  reichhaltige,  naturwissen- 
schaftliche Sammlung,  Diese  ist  insbesondere  dazu  bestimmt,  durch 
Ermöglichung  unmittelbarer  Anschauung  belehrend  auf  die  Ein- 
geborenen zu  wirken,  da  Dr.  Hendley  von  dem  richtigen  Grundsatie 
ausgehl,  dass  diese  Form  des  Unterrichtes  den  nachhaltigsten  EinHiiss 
zu  üben  vermag.  In  dieser  Ablheilung  sind  Skelette  und  (Juerschniüe 
der  Hausthiere,  Darstellungen  ihrer  Krankheiten,  die  Krniihrungsmillel 
dieser  Thiere  —  in  einem  anderen  Räume  alle  giftigen  .Schlangen  Indiens. 
die  gebräuchlichsten  .Arzneipflanzen,  die  zu  Bauzwecken  üblichtu 
Materialien  u,  dgl.  m.  vereinigt,  Jedes  Ohject  ist  mit  einer  passenden 
Aufschrift  versehen  und  in  systematisch  richtiger,  leicht  fasslicher 
Weise  untergebracht. 

Eine  besondere  Abtheilung  bringt  in  'l'erracottn- Figuren,  Jic 
wahrhaft  künstlerisch  modelliert  und  mit  peinlicher  Genauigkeit  bcmail 
sind,  Typen  des  gesammten  Volkslebens  in  Indien  zu  plastischer  Dar- 
stellung. In  einem  Schranke  sind  in  dieser  Weise  die  sämmtliclier 
Gewerbe  Indiens,  in  einem  anderen  volksthümliche  Gebräuche,  Hoch- 
zeilen, Festmahle  und  Begräbnisse  veranschaulicht;  der  Durchsclmill 
eines  Hauses  zeigt  dessen  Räume  und  seine  Einwohner,  letztere  tei 
ihrer  täglichen  Beschäftigung;  auch  sind  alle  .Arten  von  Fakiren  mit 
den  verschiedenen  Formen  der  krankhaften  Selbstkasteiung  hier  zu 
sehen,  Zu  meiner  Befriedigung  erklärte  sich  Dr,  Hendley  bereit,  (Iff 
mich  eine  Collection  dieser  plastischen  Darstellungen  anlegen  unJ 
nach  Wien  senden  zu  wollen. 

Rings  um  das  Museum  dehnt  sich  als  weiterer  Sclimuck  desSUiB- 
parks  der  zoologische  Garten  des  Maharadschas  aus.  Dieses  Vivariiim 
fiel  mir  nicht  bloß  durch  seine  Reichhaltigkeil,  sondern  auch  gi"" 
besonders  durch  das  gute,  sorgfältige  Pflege  bezeugende  Aussehen  der 
Thiere  angenehm  auf;  umsomehr,  als  mir  die  Thiere  in  den  zoologischen 
Gärten  Indiens,  welche  ich  bisher  besucht  hatte,  durchwegs  nicht  (p)' 
gehalten  erschienen  waren.  Große  Volieren  bergen  zahlreiche  u»! 
höchst  interessante  Vögel,  darunter  Angehörige  mir  noch  unbekanc'*'' 
Elster-  und  Kuckuck-Arten  in  buntschillerndem  Federkleide,  fcrnf 
Sumpf-  und  Wassergeflügel  aller  Arten.   Die  Familie  der  Raubthie«'" 


sehr  vollständig  vertreten:  desgleichen  das  Geschlecht  der  Affen,  deren 
einer,  ein  PaviHn  (Hamadryas),  in  der  besonderen  Gunst  des  PuhUcums 
steht,  da  er,  ausnehmend  bösartig,  unter  den  greulichsten  Grimassen 
alle  Umstehenden  zu  deren  lebhaftem  Vergnügen  mit  Steinen  imd  Sand 
zu  bombardieren  trachtet.  Kin  nettes  Haus,  zahme  Ottern  enthaltend, 
und  eine  Collectian  von  Hirschen  verdienten  besondere  Erwähnung. 
Spannend  war  ein  Kampf  zwischen  zwei  Rhinocerossen,  in  welchen 
die  beiden  Dickhäuter  aus  irgend  einer  Meinungsdifferenz  gerathen 
waren,  so  dass  sie  nun  einen  äußerst  erbitterten  Strauß  kämpften,  dem 
erst  die  Vermittlung  mehrerer  mit  Stangen  bewehrter  Warter  ein  Ende 
bereitete.  Eigenthümlich  ist  der  hier  herrschende  Gebrauch,  die  Rhino- 
cerosse  ganz  mit  einer  schwarzen,  glänzenden  Farbe  anzustreichen. 

An  den  Besuch  des  zoologischen  Gartens  schloss  sich  jener  der  in 
der  Stadt  gelegenen  Kunstindustrieschule  an,  welche,  dem  Tellery'schen 
Institute  in  Dehli  ähnelnd,  eine  große  Anzahl  von  Arbeitern  bei  der 
Erzeugung  von  Schmuck  und  artistischen  Objecten  beschäftigt.  In 
einem  Zeichensaale  werden  Knaben  unterrichtet,  die  später  als  Modell- 
zeichner in  der  Anstalt  Verwendung  finden. 

In  die  Residenz  zurückgekehrt,  erfuhren  wir,  —  zur  raschesten 
Überbringung  von  Nachrichten  aus  dem  Jagdgebiete  war  zwischen 
diesem  und  der  Stadt  ein  Estafettendienst  eingerichtet  —  dass  leider 
der  kühlen  Witterung  wegen  kein  Tiger  bestätigt  worden  sei;  wir 
pürschten  daher  in  der  Umgebung  der  Stadt  auf  Black-bucks. 

Schon  während  der  Fahrt  nach  Dschaipur  waren  mir  von  der  Bahn 
aus  die  Menge  der  Black-bucks  und  deren  starke  Gehörne  aufgefallen, 
eine  Beobachtung,  deren  Richtigkeit  sich  bei  unserer  Pürsche  bestätigte ; 
denn  die  Bücke  waren  in  der  That  nicht  nur  viel  stärker,  sondern  auch 
weit  zahlreicher  als  in  Haidarabad.  Das  Jagdterrain  bildet  eine  Reserve 
des  Maharadschas,  in  der,  ihn  und  den  Residenten  ausgenommen, 
niemand  einen  Schuss  machen  darf;  doch  scheint  keiner  dieser  Herren 
dem  Wilde  daselbst  eifrig  nachzustellen,  weshalb  die  Black-bucks  hier 
auch  nicht  so  scheu  sind  wie  anderwärts.  Ich  bediente  mich  zur  Pürsche 
eines  fürchterlich  stoßenden  Ochsenkarrens,  angesichts  dessen  das 
Wild  übrigens  gut  standhielt,  und  verständigte  mich  mit  dem  äußerst 
gesprächigen  und  alleriei  Geschichten  zum  besten  gebenden  Lenker 
dieses  Gefährtes  pantomimisch,  so  gut  es  eben  gieng.  In  dieser  Weise 
erlegte  ich  nächst  einem  kleinen  Teiche  einen  jungen  Riesenstorch, 
einige  indische  Wildgänse  (.i\nser  indicus),  sowie  acht  Black-hucks  und 
ein«  Chinkara-Gazelle,  letztere  mit  einem  Coup  double  auf  diese  und 


einen  Black-buck.  Mehrere  der  erbeuteten  Böcke  waren  geradezu  capi- 
ta!e  Exemplare.  Die  anderen  Herren,  die  in  verschiedenen  Richtungen 
gejagt  hatten,  brachten  neun  Biack-bucks  heim. 

Zum  Schlüsse  streifte  ich  noch  einen  Wasserlauf  entlang  und 
erlegte  zwei  schöne,  himmelblau  gefärbte  Porphyrhühner  (Porphyrifi 
poliocephalus),  eine  schätzenswerte  Bereicherung  meiner   Sammlung, 

Nach  dem  Diner,  an  welchem  Mrs.  Peacock  mit  ihren  Töchtern 
theilnahm,  fanden  sich  zahlreiche  W'affenhändler  vor  der  Residenz  ein. 
die  daselbst  ihre  Schätze  auslegten  und  uns  zu  Ankäufen  verlockten. 


Dschaipur,  5.  März, 

Wir  hörten  zunächst  in  einer  kleinen  Kapelle  die  sonntägliche 
Messe  und  fuhren  sodann  bei  Regen,  der  uns  jede  Chance  für  die  Tiger- 
jagd verdarb,  in  den  Palast  des  Maharadschas,  um  dieses  Bauwerk  einer 
eingehenden  Besichtigung  zu  unterziehen.  In  der  Mitte  der  Stadt  gelegen 
und  ringsum  von  einer  hohen  crenelierten  Mauer  umschlossen,  bedeckt 
der  Complex  von  Palästen,  Thürmen,  Hallen,  Höfen,  Stallgebäuden, 
Parkanlagen,  Gärten,  Teichen,  welcher  »Palast  des  Maharadschas« 
genannt  wird  und  im  wesentlichen  Dschai  Singh  seine  Entstehung 
verdankt,  eine  bedeutende  Fläche,  deren  Langseiten  je  etwa  800  m 
betragen.  Der  günstige  Eindruck,  welchen  die  ganze  Anlage  durch  den 
l'nifung,  die  Zahl  und  die  pittoreske  Anordnung  der  Bauten,  den  Reiz 
der  Baum-  und  Blumengärten  beim  ersten  Anblicke  hervorruft,  wird 
iirg  beeinträchtigt,  sobald  man  diesen  Herrlichkeiten  näher  tritt;  denn 
allciithiilbcn  macht  sich  arge  Verwahrlosung,  an  den  meisten  Gebäuden 


Unser  Weg  führte  uns  in  den  Marslall,  in  Jessen  KeithaUe  eine 
inzahl  vvohlgem ästete r,  einheimischer  Rosse  von  schönen  Knmien  in 
er  üblichen  Weise  vorgeritten  wurde,  wobei  die  Stallmeister,  um  die 
.evaden,  Pirouetten,  Piaffen  u.  s.  w.  zu  erzielen,  recht  unbarmherzig  mit 
ohen  Hilfen  arbeiteten.  Schließlich  wurde  in  einem  der  länglichen  Hofe 
les  Marstalls  ein  Paar  dicker  Schimmel  eine  Viertelstunde  lang  in  voller 
'arriere  umhergehetzt,  bis  die  armen  Thiere  keuchend  und  pustend 
hre  Pflicht,  uns  von  der  Schnelligkeit  und  Leistungsfähigkeit  des  Land- 
chlages  zu  überzeugen,  gethan  hatten.  Die  Sattelkammer  zeichnete 
ich   nur  durch  die  Buntheit  des  Sattelzeuges  und  der  Geschirre  aus. 

,Aus  der  Waffen  kam  mer  wehte  uns  pestilenzialischer  Geruch  und 

!ci-  Hauch  eingesperrter  Luft  entgegen.  0,  Wohlgerüche  Indiens! 

n  einzelnen  Räumen  der  Wnffenkammer  vermochte  man  überhaupt 
lichts  zu  sehen;  in  anderen,  in  welche  durch  kleine,  unsaubere  Fenster- 
;cheiben  wenigstens  etwas  Licht  fiel,  fand  ich  eine  sehr  wertvolle 
iammlung  aller  Üschaipurer  oder,  besser  gesagt,  Rädschput-Waffen: 
eich  mit  Gold  eingelegte  Schwerter  mit  Damascener  Klingen,  zahlreiche 
Eostbare  Dolche  und  Handspeere,  eine  große  Anzahl  aus  Elfenbein 
)der  Muschelschalen  geschnitzter  Pulverhörner,  deren  eines  ich  mir  vom 
^lahärädscha  als  Andenken  erbat,  und  manche   andere   Kostbarkeiten. 

Von  der  Waffenkammer  aus  machten  wir  eine  Art  Distanzmarsch 
Kirch  die  Garten  und  Gartenhäuser  des  Palastes,  um  zu  den  beiden 
lerühmten  Krokodil- Teichen  zu  gelangen.  Diese  Teiche  sind  im  Viereck 
gebaut  und  enthalten  schmutziges,  grünes  Wasser,  in  welchem  die 
•Crokodile  sich  besonders  wohl  zu  fühlen  scheinen.  Der  niedrigen 
Temperatur  halber  waren  die  Thiere  bei  unserer  Ankunft  unsichtbar; 
loch  versprach  ihr  Wärter,  dieselben  herbeizulocken,  zu  welchem 
Zwecke  er  die  an  einem  Strick  befestigte  Leber  eines  Ochsen  wiederholt 
luf  die  Wasserfläche  klatschen  ließ,  hiebei  seine  Schutzbefohlenen  mit 
Jen  zärtlichsten  Ausdrücken,  wie  -Komm',  mein  lieber  Bruder,  komm'!- 
inrufend.  Die  »Brüder»  schienen  jedoch  kein  Verlangen  nach  der  Lock- 
>peise  zu  verspüren;  denn  sie  regten  sich  nicht,  und  nur  meterlange 
Kiesenschildkröten  schnappten,  die  plumpen  Köpfe  über  den  Wasscr- 
üpiegei  erhebend,  nach  dem  leckeren  Bissen,  um  alsbald  wieder  zu 
verschwinden.  Endlich,  nach  langem  Rufen,  tauchte  ein  Krokodil  aus 
jer  schlammigen  Flut  empor  und  kam  langsam  gegen  das  Ufer,  um 
iiich  daselbst  an  der  Leber  güUich  zu  thun.  In  dem  benachbarten, 
kleineren  Teiche  lagen,  umschwirrt  von  SU)rchschnepfen,  sechs  groüe 
Krokodile,    auf   den    Schlammbänken    sich    behaglich    sonnend.    Die 


-,.  ^^  .I;-  s.-.!«  .idie  vri  hmr  ^-^  ernst  genommen,  dass,  als  jünjisl 
■i_  -.r-  .:=;:  "^^si  i«i  ^rnL  ■■■"■m  den  Bestien  erfasst,  um  Hilfe 
-^■:?^  ^=  s=  Tti^cicuntien  Anitehörigen  nichts  zu  ihrer  Ketlun); 
-i-'Trw^.rr  ~=   bre^Ti  Schmksaie  überließen,  um  nur  ja  die  f;eht!i- 

t  ^-riisr-  iizzu:.  r.  -IKT  Süsidenz  noch  immer  keinerlei  Mei- 
.:r^  "~isr  ri;nij;ijii:KT  .vur.  i.>  bejjaben  wir  uns  abermals  in  Jer 
•u-.-j:^  -=r  -^ilk:^  -l::  ^s  -uud.  Cwn  Wasserlauf,  an  dem  ich  j^estem 
■'.T— - — uiitÄf  ;rr=ir  tucji.  i^streifend,  erbeutete  ich  noch  fünf 
■— c    ^=s4E    ~<z:.'.:isx   rSoiCis.  Dass  ich   hiebei   ein   Dschunjjel- 

,  ■i','^;-^  •  T  mr  m^  j«ni  Sumpfe  flüchtig  wurde,  sghüss, 
- :  '  -;-,^r  j.^^-  moh  bej:JeHenden  englischen  Herren,  wektn; 
-"iT:  _=-  -s;r  'ipTcecrrii:  Ausschließlich  vorbehalten  betrachten, 
^  --■.=>  u,!-^- ^"rx:^  ViTcthtn.  —  analog  dem  Schießen  von  Füchsen 
,  >- ■= 't.  ,-;;-  • -.i.  huniing  geweihten  Boden  —  dass  sie  mich 
^-^   "Ä-i'      i    jsTAdczu  beschworen,  solches  Verschulden  nie 


=•■  .-r^  i'.>e-.  zur  Pürsche  auf  Black-bucks  angeschickt.  al> 
.«'".    v-^ssi  ir.v.  Reiter  mit  der  Meldung  angesprengt  kam. 

.'  -iji-ü-SÄ-  Kasch  eilten  wir  in  die  Sladt,  um  Kinsky,  der 
;■     »:ir  i^.r^holen.  leider  aber  auch,  um  einem  schlimmen 

*v.vt.v^-"  —  -iie  Residentin  wünschte  uns  »viel  Glück-. 
-  ■>-  ■»  jLCvttÄr.ner  jeder  Zweifel   über  den   Ausgang  Jcr 


-.■>v 


^ur  unweit  der  Sladt  in  einem  Thatkessel  beslälij;! 
-:t>-  r"<r^.dnten.  und  zwar  an   den  Fuß   einer  Lehne 


der  gegenüberliegenden  Lehne  durch  das  Gebüsch  auf  mich 
chnüren  sah.  Im  nächsten  Augenblick  schon  musste  er  auf  einen 
eren  Platz  gelangen,  wo  ich  ihn  aufs  Korn  nehmen  wollte;  doch  leider 

plötzlich  ein  neben  mir  postierter  Schikär?,  ofiFenbar  zur  Warnung, 

Treibern  das  Wort  >Tschitä«  (Panther)  zu.  Alsbald  lassen  diese 
1er  Richtung  gegen  das  gefürchtete  Thier  einen  Hagel  von  Steinen 
l  Felsblöcken  niedergehen;  der  Panther  schlägt  um;  ich  sende  ihm 
s  Geradewohl  etwa  300;;/  weit  eine  Kugel  nach;  Pronay  und  Clam 
;en  meinem  Beispiele  —  leider  vergebens,  in  voller  Flucht  hatte  der 
ither  bereits  die  Treiberwehr  durchbrochen  und  war  verschwunden. 
Die  F'lut  meines  sich  über  die  hasenherzigen  Schikäris  und  Treiber 
ießenden  Unwillens  wurde  durch  einen  Schikäri  unterbrochen, 
eher  mit  der  Nachricht  herbeistürzte,  dass  der  Panther  in  einem 
eren  Thale  neuerdings  eingekreist  sei.  Nun   hub  eine  wilde  Jagd 

jeder  Schikäri  versicherte  sich  eines  oder  zweier  Schützen  sowie 
iv  Anzahl  Treiber  und  rannte  mit  diesen  blindlings  auf  irgend 
in  Punkt  des  Thalrandes  oder  der  Anhöhen  zu;  jeder  wollte  den 
ther  gesehen  haben;  die  Treiber  giengen  planlos  vor,  hier  schreiend 
1  brüllend,  da  Büsche  abklopfend,  aus  denen  nur  erschreckte  Amseln 
flogen,  dort,  Titanen  gleich,  Felsblöcke  thalab  rollend.  Die  Schützen 
ssten,  kaum  auf  einer  Höhe  postiert,  thalwärts  kollern,  um  sofort 
der  eine  Lehne  hinanzukriechen;  denn  bald  hieß  es,  der  Panther  sei 
Thale,  bald,  er  habe  sich  den  Hügeln  zugewandt.  Der  eingerissenen 
wirrung  gegenüber  blieb  der  die  Jagd  leitende  Resident  machtlos, 
dass  er  den  Dingen  ihren  Lauf  lassen  musste.  Erst  als  die  Sonne 
:er  den  Bergen  verschwunden  war,  gelang  es  uns,  leidliche  Ordnung 
nachen  und  einen  halbwegs  planmäßigen  Trieb  zustande  zu  bringen; 
er  blieb  aber  alles  vergeblich,  vom  Panther  war  keine  Spur,' und  nur 
Sambarhirsch  fiel  der  Kugel  Clams  zum  Opfer. 

Wieder  in  der  Residenz  angelangt,  nahmen  wir  daselbst  an  dem 
er  mit  den  Damen  des  Hauses  theil,  sind  aber  nicht  frei  von  der 
.orgnis,  dass  die  Ermüdung,  ihre  Rechte  geltend  machend,  die  Leb- 
ligkeit  unserer  L'nterhaltungsgabe  etwas  beeinträchtigt  haben  dürfte. 

Dschaipur,  6.  März. 

Dschaipur  ist  durch  die  daselbst  üblichen  Thierkämpfe  berühmt, 
che  in  dem  Maharadscha  einen  eifrigen  Förderer  finden.  Dieser 
:  für  jenen  Sport  einen  ganzen  Zwinger  von  Thieren,  die  zu  den 

•.VM) 


Kampfspielen  ganz  besonders  trainiert  werden.  Früher  dauerten  ci; 
Kampfe  slei<  bi*  zur  Kampfunfähigkeit,  bis  zum  völlii:i;n  L'mertieger. 
des  einen  der  Streiter,  was  sich  jedi>ch  dank  dem  Einflüsse  der  Eng- 
länder, welche  bestrebt  waren,  die  Kämpfe  ihres  blutigen  und  grau- 
sijmen  Charakters  zu  entkleiden,  insofeme  geändert  hat.  als  nunmehr 
die  Thiere  knapp  vor  dem  entscheidenden  Moment  getrennt  werden, 
l'ns  zu  Ehren  wurde  heute  eine  ganze  Suite  von  Thierkämpfen  Jer 
verschiedensten  An  aufgetuhn. 

In  dem  Hofe,  wo  tagszuvor  die  Pferde  des  Marstalles  pn.iducier. 
worden  waren,  standen,  zum  Strauße  bereit,  die  verschiedensten  Thiere. 
Wie  schon  in  .Ahvar  mussten  auch  hier  alleriei  befiederte  Recken  - 
Wachteln.  Reb-.  Stein-  und  Haushühner  —  ihre  Kräfte  messen.  Die 
wildesten  Leidenschaften  dieser,  zum  Theile  äußerst  zierlichen  Kämpfer 
waren,  ebenfalls  M'ie  in  Alwar,  durch  den  .Anblick  und  die  Lockrufs 
des  ewig  Weiblichen,  Hennen  in  Käfigen,  entflammt. 

Je  mehrere  Paare  von  Black-bucks,  Gazellen  und  Schweinsbirscher 

—  letztere  besonders  erbitterte  Streiter,  die  wüthend  aufeinander  lii>- 
stürzten.  so  dass  weithin  das  .Aneinanderschlagen  der  Gehörne  schalli; 

—  fochten  grimmig.  .Auch  Widder  und  mächtige  Sambarhirsche.  Jie 
nur  mit  .Anstrengung  getrennt  werden  konnten,  sowie  Büffel.  Mauer- 
brechern gleich  daherstiirmend,  betraten  die  Wahlstatt.  Einen  Glanz- 
punkt des  Schauspieles  bildete  der  Kampf  zwischen  Wildschweinen. 
wobei  paarweise  alle  .Altersstufen,  von  Frischlingen  angefangen  bis  zu 
capttalen,  achtjährigen  Keilern,  ringen  mussten.  welch  letztere  mit  der- 
selben Erbitterung  kämpften,  die  man  zur  Rauschzeit  auch  in  unseren 
Thiergärien  beobachten  kann. 


innerhalb  der  Arena  Gallerien  itngebracfit  sind,  unter  uelchi;,  durch 
niedrige  Thüren  schlüpfend,  jene  Leute  sich  bergen  kiinnen,  dunen  die 
Aufgabe  gestellt  ist,  die  Thiere  zum  Kampfe  zu  reizen. 

Auf  ein  Zeichen  des  Maharadschas  iiffnete  sich  ein  Thor,  aus  dem 
ein  mächtiger,  mit  gewalligen  Stoßzähnen  bewehrter  Elephant  in  den 
Kampfplatz  trat,  erstaunt  um  bich  blickend  und  langsam  d^n  roth- 
gekieideten  Leuten  folgend,  die  ihn  durch  Geschrei,  Steinwürfe  und 
Schwenken  von  Tüchern  zu  erbosen  suchten  und,  sobald  der  Elephant 
sich  näherte,  sofort  in  die  Rettungsplätze  verschwanden.  Endlich  sah  das 
kluge  Thier  das  Nutzlose  seiner  Bemühungen  ein  und  blieb  in  der  Mitte 
des  Hufes  ruhig  stehen.  Nun  wurde  aus  einem  anderen  Thore  hervor- 
schrcitend  ein  zweiter  Elephant  sichtbar,  und  sofort  giengen  die  Thiere 
hnchtretend  im  Trabe  mit  erhobenen  Rüsseln  und  aufgestellten  Ohren 
auf  einander  los.  Dröhnend  prallten  sie  mit  den  Köpfen  zusammen, 
suchten  sich  mit  den  Rüsseln  zu  fassen,  attaquierten  sich  mit  den  Stoß- 
zähnen in  der  Flanke,  so  dass  der  eine  den  anderen  fast  in  die  Luft 
hob.  und  jagten  sich  im  Hofe  umher. 

Unserer  gespannten  Envartung  auf  den  weiteren  Verlauf  des 
Kampfes  wurde  jedoch  ein  vorschnelles  Ende  bereitet,  da  der  um  das 
Wohl  seiner  Elephanten  sehr  besorgt  scheinende  Maharadscha,  sobald 
der  Kampf  ernster  zu  werden  begann,  die  Thiere  trennen  ließ.  Dies 
gelang  nur  mit  grotier  Mühe  und  unter  Zuhilfenahme  von  Feuerwerks- 
kijrpern.  die,  zwischen  die  Kämpfenden  geworfen,  in  Brand  geriethen. 
Übrigens  geht  es  bei  diesen  Schauspielen  nicht  immer  so  glatt  ab; 
mitunter  ist  auch  der  Verlust  von  Menschenleben  zu  beklagen,  da  es 
den  wüthend  gemachten  Thieren  zuweilen  gelingt,  eines  oder  des 
anderen  ihrer  VVäiter  habhaft  zu  werden;  erst  kürzlich  wurden  bei 
einem  derartigen  Kampfe  mehrere  Leute  getödtet. 

Noch  während  der  Production  war  die  Botschaft  eingelaufen,  dass 
etwa  IQkm  von  der  Stadt  ein  Tiger  bestätigt  worden  sei.  Wir  brachen 
alsbald  auf,  legten  theils  zu  Wagen,  theüs  zu  Pferde  denselben  Weg, 
den  wir  am  vorgestrigen  Tage  kennen  gelernt  hatten,  bis  zur  alten 
Stadt  .Amber  zurück  und  bogen  dann  rechts  in  ein  Seitenthal,  in  dem  wir 
dank  dem  guten  Boden  die  restlichen  !ß  km  fast  ganz  im  Galopp  nehmen 
krmnten.  Das  Jagdterrain  —  eine  bewachsene  Ebene,  die  aus  weiter 
Entfernung  gegen  die  mit  Wehren  besetzten  Höhenränder  zu  abge- 
trieben werden  sollte  —  ähnelte  jenem,  auf  weichem  die  erste  missglücktc 
Tigerjagd  stattgefunden  hatte,  und  auch  heute  bemerkte  ich  zu  meinem 
Schrecken   ähnliche    kunstvolle  Vorbereitungen,  Hochsitze   und   Park- 


nnlngen,  wie  bei  jener  ersten  Jagd,  st)  dass  ich  mich  auf  das  gleicht 
Ergebnis  gefassl  machte.  Der  Trieb  währte  überlang,  ohne  dass  der  Tiger 
sich  hätte  blicken  lassen.  Ich  bekam  nur  —  das  einzige  Intermezzo  J« 
Jagd  —  eine  Hyäne  zu  Gesicht,  die  erste,  welche  ich  in  Indien  gesehen. 

Ein  rascher  Ritt  brachte  uns  gerade  noch  rechtzeitig  in  Jk 
Re-sidenz  zurück,  um  uns  für  das  bei  dem  Maharadscha  um  8  l'hr 
angesagte  Bankett  in  Gala  werfen  zu  können.  Ich  hatte  zwar  ersucht 
von  dieser  Festlichkeit  Umgang  zu  nehmen,  doch  bestand  der  Maha- 
radscha auf  derselben,  nicht  nur  weil  auch  die  Fürsten,  welche  ich  vur- 
her  besucht,  mich  in  dieser  Weise  gefeiert  halten,  sundern  insbesondere, 
weil  er  sich  verpflichtet  fühlte,  des  unbefriedigenden  Erfolges  der  Jagden 
halber  ein  übriges  zu  thun.  Die  mit  Lampions  und  kleinen  ÖUämpchen 
taghell  erleuchteten  Höfe  des  l'alastes  durchschreitend,  betraten  wir 
die  geräumige  Säulenhalle,  in  welcher  die  Tafel  gedeckt  war  und  der 
Maharadscha  mich  empfieng.  Keider  zog  er  sich  nach  der  Begrünung 
zurück,  da  ihm  als  Hindu  seine  religiösen  Satzungen  die  Theilnahme  an 
dem  Mahle,  bei  dem  ich  zwischen  Mrs.  Peacock  und  einer  ihrer  T&chtcr 
saß.  verwehrten,  Er  erschien  erst  zum  schwarzen  Kaffee  wieder  in  der 
Halle,  worauf  die  üblichen  vier  Toaste  —  an  Stelle  des  Mahnridscha<^ 
sprach  dessen  Minister  —  gehalten  wurden. 

Nach  dem  Diner  producierte  sich  in  einem  glänzend  beleuchtclen 
Hofe  das  gesammte  Balletcorps  von  Dschaipur  mit  seinen  mimolonen 
Tänzen  und  Gesängen.  Die  Bürde  der  Regierung  scheint  den  Mahn- 
rädscha  kaum  besonders  zu  drücken;  man  sollte  vielmehr  glauben. 
d«ss  ihm  seine  einen  abgesonderten  Theil  des  Palastes  bewnhnendc 
,\rmee  von  Frauen,  wie  man  sagt  5000  an  der  Zahl,  weit  quälenderv 
Sorgen  bereitet.  Jedenfalls  sucht  und  findet  der  Maharadscha  J«nn 
Zerstreuung,  dass  er  allabendlich  bis  zum  Morgengrauen  in  einem  der 
Palasthöfe  den  Productionen  der  Tänzerinnen  beiwohnt. 

Hin  Feuerwerk  markierte  den  Schluss  des  Festes.  Lächelnd  wei- 
dete sich  der  Maharadscha  an  dem  Anblicke  der  Raketen,  Schwärmer, 
Sonnen,  bengalischen  Lichter,  an  dem  Krachen,  Sprühen  und  Zistrhen 
der  aufleuchtenden  Fronten,  imd  in  heiterster  Laune  machte  er  unsaui' 
pyrotechnische  Effecte  aufmerksam,  die  sein  Wohlgefallen  besondtm 
erregten. 

Dann  nahmen  wir  Abschied  von  dem  licbenswlirdigen,  ptft- 
frcundlichen  Maharadscha,  nicht  ohne  die  Taschentücher  neuerlich  dem 
Sandclöl  und  die  Uniformen  der  besonders  für  die  Guldsorlcn  abtriJt' 
liehen  Einwirkung  feuchter  Blumenkränze  preisgegeben  zu  habea 


^ 


Dschaipur — Agra,  7.  März. 

Die  Kinwaggonierung  der  umfangreichen  Bagage  erwies  sich  als 
ein  so  langwieriges  Geschäft,  dass  unser  Extrazug  erst  um  die  neunte 
Morgenstunde  flott  wurde.  Von  Dschaipur  aus  strebten  wir  über  Agra 
den  Jagdlagern  in  dem  Gebiete  von  Xepal  zu. 

Die  Erfolge  der  bisher  ausgeübten  Eisenbahnjagden  veranlassten 
mich,  den  ganzen  Tag  diesem  originellen  Sport  zu  widmen,  und  sn 
stand  ich,  während  der  Zug  in  östlicher  Richtung  auf  der  Linie  der 
Bombay  Baroda  and  Central  India  Railway  über  Bandikui  und  Bhartpur 
gegen  Agra  rollte,  mit  Clam  auf  der  Plattform  meines  Waggons,  in 
voller  Fahrt  alles  Wild  beschießend,  das  der  Strecke  entlang  sichtbar 
wurde.  Ich  erlegte  auf  diese  .Art  208  Stücke,  darunter  Geier,  Falken, 
Reb-  und  Steppenhührer  und  eine  große  Zahl  von  Wildtauben, 

Gegen  Abend  erreichten  wir  wieder  das  Gebiet  des  Maharadschas 
von  Bhartpur,  woselbst  es  von  Nilgaus  wimmelte.  Hatten  wir  nun,  unge- 
achtet des  diese  Thiere  schützenden  Jagdbannes,  schon  aniässlich 
unseres  Aufentlialtes  in  Bhartpur  dem  Maharadscha  mehrere  Nilgaus 
vorweg  genommen,  so  konnte  ich  jetzt,  wo  ich  nicht  als  Gast  dieses 
Staates,  sondern  nur  als  Durchreisender  Bhartpurer  Boden  unter  mir 
hatte,  umso  weniger  der  Versuchung  widerstehen,  noch  einige  dieser 
Riesenantilopen  niederzustrecken.  Der  Leiter  des  Zuges,  der  uns  schon 
bekannte  passionierte  Jäger  —  auf  diese  Eigenschaft  wies  auch  seine, 
für  einen  Eisenbahn -Director  allerdings  seltsame  Kleidung,  ein  Jagd- 
gewand, hin  —  postierte  einen  der  Zugsdiener  auf  das  Dach  des 
Waggons  und  hieü  ihn  mittels  eines  Fernglases  Auslug  halten.  Dieses 
.Arrangement  bewährte  sich  vortrefflich;  denn  plötzlich,  inmitten  eines 
dichten  Dschungels,  stoppte  der  Train,  kam  der  Zugsleiter  herhei- 
gestürzl  und  machte  mich  auf  ein  Rudel  Nilgaus  aufmerksam,  die  etwa 
500»!  von  uns  entfernt  ästen,  Ich  verließ  den  Waggon,  pürschte  mich  an 
und  erlegte  einen  starken,  schön  gefärbten  Stier,  der  sofort  aufgebrochen 
und  in  den  Waggon  gethan  wurde.  Der  Zug  gieng  sausend  weiter,  um 
eine  halbe  Stunde  später  abermals  Halt  zu  machen,  worauf  Wurmbrand 
einen  NÜgau-Stier  anschweißte,  den  er  jedoch  nicht  auszumachen  ver- 
mochte. Knapp  vor  Einbruch  der  Dunkelheit  pürschte  ich  mich  abermals 
an  zwei  Stiere  an  und  war  glücklich,  beide  Stücke  zu  erlegen.  So 
verließen  wir  denn  das  Gebiet  von  Bhartpur  mit  einer  Beute  von  drei 
Nilgaus,  hoffend,  dass  auch  diesmal  dem  Maharadscha  unser  Wild- 
schützcnzug  ein  Geheimnis  bleiben  werde. 


tin  Agra  hallen  wir  dtn  Zug  zu  wechseln.  Wir  Tanden  liastHlK 
den  Matrosen  wieder,  der  fieberkrank  zurückKeblieben  war,  dodt  haut 
sich  dieser  so  wenig  erholt,  dass  ich  ihn  direcl  nach  Caicutta  expedieren 
tieü.  Hier  wurde  auch  John  sowie  ein  zweiter  indischer  Diener,  die  sirh 
beide  durch  besondere  Saum  sei  if^keit  ausgezeichnet  hatten,  entlaawn. 
Wir  nahmen  noch  von  Dr.  v.  Lorenz,  der  von  Agra  aus  zunächst 
naeh  Caicutta  und  dann  nach  Wien  zurückkehren  sollte,  Abschied  tin.! 
setzten  hierauf  unsere  Reise  fort. 


.  jß?fc*v 


Nepal. 

Jagdlager  in  Dakna  Bägh. 


\'on  A^'ra  aus  hatten  wir  in  nordwestlicher  Kichtung  bis  Aügarh 
lit!  East  Indian.  von  Aligarh  ab  in  nordöstlicher,  beziehungsweise  öst- 
icher  Richtung  die  Oudh  and  Kohiikund  Railway  benützt.  Um  6  Uhr 
ruh  langten  wir  in  Bareilly  an  und  liefen  hier  in  die  schmalspurige  Linie 
1er  Rohilkund  Kumaon  Railway  ein,  welch  letztere  uns  an  unsere  nord- 
östlich liegende  Endstation  Pilibhit  zu  bringen  hatte,  von  wo  aus  die 
;roße  Expedition  nach  Nepal  ihren  .Anfang  nehmen  sollte.  Der  Morgen 
rar  klar  und  sonnig,  und  unmittelbar  nachdem  wir  die  Station  Bareilly 
erlassen,  winkten  uns  die  Vorberge  des  Himälayas  in  bläulichem  Duft 
ntgegen.  Wie  glücklich  war  ich,  wieder  Berge  mit  grünenden  VVäl- 
iem  begrüßen  zu  können;  ihr  Anblick  versetzte  mich  in  die  gleiche 
;ehobene  .Stinnmung,  die  mich  damals  erfüllt  hatte,  als  ich  gegen 
)ardschiling  gefahren  war.  Allmählich  tauchten  hinter  den  Vorbergen 
ilendend  weiß,  in  Eis  und  Schnee  starrend,  die  elirwürdigen  Häupter 
les  Himälayagebirges  empor;  ein  eigenthümlicher  Contrast  —  die 
[elbe  ausgedorrte  Ebene,  aus  dieser  schroff  aufsteigend  die  bläulich 
H:himmemden  V'orberge,  und  hinter  ihnen,  weithin  leuchtend,  in 
najestätischer  Ruhe  aufragend,  die  Spitzen  des  Himälayas. 


-  Mr.  Ma-pn.-r- -.. 
.-.-r;inL:i;mi.'n!?  :"l' 
«:r  uns  Jor  ni-pü- 
--..  J■,■^t'l  üF?i.i;cr 
^;-.l  .»cncn  \V;ilJ- 
•..:.  si.-inL->  H..1Z.-- 
■■,:  unseren  Ki^-hur. 
ji-L-rannt  i^t,  J^n; 
:r.-:'::!v:ho   S^-Jiluri- 

.:j;-',;il  Lind  :iiii:h 
:=rUVf,'Z..-v..r: 

..-r-.   bald  dUR-i; 

-,-:=-(.•>  Vieh  cir 

::.  ..renzoXeraS 
-^:-,-^  KeMdenU':: 
KxpL'diiii'a  iilicr- 

-  ■■-::.  n.^ficbicienJi.- 


j;'.  nieinen  Jji.u'ii- 
ire  !<r...k..di!e.Jio 


welcher  die  Natur  keine  Scliranken  kennt,  alles  sich  entwickelt,  Redeiht, 
zugrunde  geht,  ohne  dass  die  regulierende  Hand  des  Menschen  ein- 
grifle:  hier  sollten  wir  auf  reißende  Thiere  jagen  und  das  Leben  und 
Wehen  der  Thierwelt  im  Urwalde  belauschen.  Volt  der  schönsten 
Hoffnungen  betraten  wir  den  Boden  Nepals;  hatten  wir  uns  ja  schon 
wahrend  der  ganzen  Reise  auf  diese  Expedition  gefreut  und  bei 
mancher  festlichen  Gelegenheit  sehnsuchtsvoll  an  die  Jagdlager  und 
die  Tiger  gedacht. 

Gleich  der  erste  Eindruck  war  ein  sehr  günstiger  und  viel- 
versprechender. Die  herrlichste  Gegend,  su  grundverschieden  von  der 
zumeist  monotonen  indischen  Ebene  —  im  Hintergrunde  Berge,  überall 
Dschungel  —  und  ein  Zeltlager  nach  meinem  Herzen  empfiengen  uns. 
Da  gab's  keinen  Blumenschmuck,  keine  Gärten  mit  Springbrunnen. 
keine  Stein-  und  Mosaikzier,  Jeder  von  uns  hatte  ein  kleines,  prak- 
tisches Zelt,  das  mit  einer  Liegerstatt,  einem  Sessel  und  einem  Tische 
versehen  war  und  genügenden  Raum  für  Unterbringung  der  Effecten. 
Gewehre  und  Patronen  bot.  Um  die  Zelte  lagerten  in  großer  Zahl  die 
Schikäris,  die  Elephanten-  und  Kameeltreiber  und  Kulis,  welch  letztere 
das  Lager  aufzustellen  und  abzubrechen  hatten.  Dasselbe  war  unter 
mächtigen,  schattenspendenden  Bäumen,  an  einer  im  N'olksmunde 
•  Dakna  Bägh«  benannten  Stelle  aufgeschlagen  und  hatte  uns  bald 
gastlich  aufgenommen. 

Der  Staat  Nepal  ist  ein  eigenthümliches  und  im  allgemeinen  noch 
wenig  bekanntes  Land,  das  im  Norden  an  Tibet,  das  große  Nebenland 
Chinas,  im  Westen  und  Süden  an  die  indischen  Nordwestprovinzen,  im 
Osten  an  Sikkim  grenzt.  Wie  Bhutan,  von  welchem  es  durch  Sikkim 
getrennt  ist,  hat  sich  Nepal  bis  auf  den  heutigen  Tag  dem  anglo-indi- 
schen  Reiche  gegenüber,  welches  mit  Ausnahme  Nepals  und  Bhutans 
das  gesammte  Himälayagebiet  und  damit  die  strategisch  wichtigen 
Pässe  nach  Turkestan  und  Tibet  beherrscht,  seine  Selbständigkeit  zu 
bewahren  gewusst.  .\n  dieser  Thatsache  hat  die  .Anerkennung  der 
englischen  Suzeränität  seitens  Nepals  ebensowenig  geändert  als  der 
Umstand,  dass  das  anglo-indische  Heer  unter  seinen  Sipois  eine  nam- 
hafte Zahl  nepalischer  Krieger,  Ghurkas,  —  lö  Procent  des  gesammten, 
nach  der  letzten  Volkszählung  aus  i  10.000  .Mann  bestehenden  Sipoi- 
Continge/its  —  zählt.  Denfi  diese  Ghurkas  oder  Khas,  wie  die  kräftigen, 
kriegerischen  Hochländer  Ost-Nepals,  des  Districtes  Ghurka,  ohne  Rück- 
sicht auf  die  verschiedenen  Racen,  denen  sie  angehören,  heißen,  dienen 
nur  außerhalb   ihres  Stammlandes  und,  bis  auf  ein  kleines  von  Nepal 


Stromgebiete  des  Ganges  angehörige  Wasserläufe  beleben  und  befruch- 
ten, wird  überall  Terrassencultur  getrieben,  Gerste  und  auch  Weizen 
gebaut;  in  den  nach  Indien  zu  abfallenden  tieferen  Territorien  gedeiht 
selbst  noch  der  Reis.  Einzelne  Landstriche,  wie  das  etwa  20  km  lange, 
stark  bevölkerte  Kesselthal,  in  welchem  Katmandu.  der  berühmteste 
Marktort  des  Landes,  dann  Nayakot,  die  einstige  Winterresidenz  der 
Fürsten  von  Nepal  gelegen  sind,  zeichnen  sich  durch  subtropische 
Vegetation,  herrliche  PVuchtgärten  und  reiche  Bewaldung  der  Höhen 
aus.  Eisen-  und  Kupferwaren,  sowie  Papier  aus  der  Faser  der  Daphne 
cannabina,  Harze  und  andere  Producte  des  Waldes,  Pelze,  Opium, 
Wolle,  Tuch,  Salz,  Türkise  und  Goldstaub,  ferner  die  kleinen,  vortreff- 
lichen Pferde  des  Landes  und  endlich  Moschus  von  den  vormals  hier 
zahlreichen  Moschusthieren  (Moschus  moschiferus)  bilden  neben  den 
Erzeugnissen  der  Bodencultur  die  wesentlichsten  Productions-  und 
Handelsartikel  Nepals.  Der  Handel  ist  sowohl  nach  Tibet,  als  auch 
nach  Nordwest-Indien  hin  ein  reger,  wiewohl  ihn  allerlei  Zölle  und 
Taxen  belasten  und  der  Transport  der  Waren  über  manchen  der  Pässe 
ein  höchst  schwieriger  ist.  Für  das  Jahr  1892  wird  die  Einfuhr  nach 
Nepal  auf  11,759.314  fl.  ö.  \W.  und  die  Ausfuhr  aus  diesem  Lande 
auf  10,071.685  fl.  ö.  W.  bewertet. 

Die  geographische  Gestaltung  Nepals  ist  in  ihren  Details  noch 
wenig  bekannt,  da  der  Maharadscha,  welcher  eine  sehr  begreitliche 
Abneigung  gegen  kartographische  Aufnahmen  des  Landes  besitzt,  dem 
Eintritte  von  Europäern,  insbesondere  aber  von  Forschungsreisenden, 
die  größten  Hindernisse  bereitet.  Es  ist  denn  auch  nur  selten  ein 
Forscher  hier  eingedrungen,  und  der  größte  Theil  der  Routen  im  Innern 
Nepals  lediglich  durch  einzelne  von  der  anglo  -  indischen  Regierung 
entsendete,  verkleidete  Panditen  —  Eingeborene,  die  bei  Vermessungen 
und  P2rforschungen  in  den  Europäern  verschlossenen  Gebieten  Verwen- 
dung finden  —  ausgekundschaftet  worden. 

Das  Areal  des  Staates  wird  auf  etwa  154.000  ä';;/-,  die  Zahl  seiner 
Bevölkerung  —  X'olkszählung  ist  hier  wohl  durch  Schätzung  ersetzt  — 
annäherungsweise  auf  3  Millionen  angegeben. 

Die  Einwohner  Nepals  stellen  ein  Gemisch  von  Völkerschaften 
dar,  in  welchem  tibetanische  Elemente  überwiegen,  doch  findet  sich 
hier  auch  viel  arisches  Blut.  Insbesondere  rühmen  sich  die  Ghurkas, 
oder  Khas  wenn  auch  meist  mit  Unrecht,  echte  Hindus  zu  sein  und  der 
Kriegerkaste  der  Kschatriya  anzugehören.  Der  Typus  der  Nepalesen  ist 
fast  ausschließlich  mongolischer  lugenart. 

351 


Tibetanischen  Ursprunges  war  auch  das,  dem  Volke  der  Newa: 
angehörige  Fürstenhaus,  welches,  in  Kirtipur  nächst  Kalmandit  residit- 
rend,  im  Jahre  1707  von  den  Ghurkas  entthront  worden  ist.  Das  gegen- 
wärtit;  herrschende  Ghurka-Haus  Sahi  rühmt  sich  der  Abstammung  vnr 
den  Rädschpulfürsten  von  Udaipur  —  ob  mit  Recht,  bleibe  dahingestflll. 

Die  Newars,  welche  die  Mitte  des  Landes  rings  um  dessen  Haupt- 
stadt bevölkern,  stellen  auch  heute  noch  das  reinste  nationale  Klemcnl 
der  Nepalesen  dar.  Die  politischen  .Aspirationen  und  die  Sitten  im  Südtn 
und  im  Westen  des  Landes  tragen  vorwiegend  hinduisches,  jene  im 
Norden  und  Osten  tibetanisches  Gepräge. 

Von  1792  an,  nach  einem  unglücklichen  Feldzuge  der  GhurkA? 
gegen  Tibet,  kurze  Zeit  hindurch  nominell  zum  chinesischen  Reiche 
gehörig  und  seither  demselben  tributpflichtig,  suchte  Nepal  eine 
Annäherung  an  England,  die  jedoch  in  der  Folge  zu  kriegerischen 
Verwicklungen  mit  diesem  führte  (1814),  welche  mit  der  Abtretung  Jer 
Gebiete  Kumaon  und  Garwhal.  sämmtlich  im  Westen  des  Reiches  gelcften, 
endigten.  Auch  wurde  der  ostindischen  Compagnie  zu  jener  Zeit  der 
Transithandel  über  nepalisches  Gebiet  mit  Tibet  zugestanden.  Aus  der 
Geschichte  Nepals  sind  ferner  hervorzuheben  der  Krieg,  den  dieses  im 
Jahre  1855  gegen  Tibet  geführt  hat,  und  die  Erweiterung  des  nepalisch«! 
Gebietes  gegen  den  Brahmaputra  zu  (18)37), 

Für  den  gegenwärtigen,  noch  minderjährigen  Maharadscha  Adhi- 
radsch  Bikram  SchamschirDschang  (geb.  1874)  führt  der  erste  Minister. 
Hir  Schamschir  Dschang  Rana  Bahädur  die  Geschäfte  der  Regierung. 
Die  hohe  Stellung  eines  Ministers  in  Nepal  soll  aber  eine  ziemlich  gefiihr- 
lichc  und  grftßtentheils  von  kurzer  Dauer  sein,  da  die  Minister  hier, 
sobald  sie  einige  Zeil  ihre  Functionen  ausgeübt  haben,  zumeist  eines 
({ewultsamen  Todes  sterben.  Es  gibt  in  Nepal  eine  Menge  kleiner 
Parteien,  und  wenn  der  Minister  der  einen  Partei  unbequem  odef 
zu  grnüe  Einllussnahmu  in  Hofkreisen  missliebig  geworden  ist, 
einfach  aus  dem  Wege  geräumt. 

Der  Maharadscha  besitzt  eine  Heeresmacht,  welche  nach  neueren 
yilellun  aus  17.1X^1  Mann  regulärer,  mit  Enfield-Gewehren  bewaffneter 
und  i;t,(XX)  Mann  irregulärer  Truppen  bestehen  soll.  Die  Einkünfte  des 
Fürnlon  bulfiufcn  sich  auf  einen  Wert  von  etwa  11,550.000  fl.  ö.  \ 

Diu   llnupt-    und    Residenzstadt   Katmandu,    ihrer   Bauart 
nahcxii    rein    tibetanischen    Gepräges,   mit    einer  Ei nwi>hn erzähl 
"(I,IK10  Seelen,  liegt  im  Innern  des  Landes,    H4  l:m  vim  der  nächste" 
Klitunliiilinnlalkon  untferni. 


Iciner  I 

ueren  I 
hcter 

jdes  I 


;  Gegend,  in  weicher  wir  durch  mehr  als  zwei  Wochen  jagen 
sollten,  ist  das  obenerwähnte  Tarai -Gebiet,  eine  schmale,  sumpfige 
Ebene,  die  zwischen  dem  Grenzflusse  Nepals,  Sarda,  und  den  Ausläufern 
des  Himälayas  liegt  und  durch  ihren  Wildreichthum  bekannt  ist;  auf 
Befehl  des  Maharadschas  geniei3en  hier  selbst  die  Tiger  einer  gewissen 
Schonung.  Nicht  ohne  Schwierigkeiten  ist  die  Eriaubnis  zu  erhallen, 
in  diesem  jagdlichen  Paradiese  dem  Waidwerke  obliegen  zu  dürfen.  In 
der  Rege!  werden  nur  in  jedem  zweiten  oder  dritten  Jahre  größere  Jagd- 
expeditinnen  zusammengestellt,  welche  dieses  Gebiet  während  einiger 
W<ichen  durchstreifen.  An  dem  letzten  Jagdzuge  hat  der  seither  verstor- 
bene Herzog  von  Clarence  theilgenommen;  vor  ihm  hatten  der  Herzog 
von  Orleans  und  im  Jahre  1875  der  Prinz  von  Wales  hier  gejagt.  Auch 
der  britische  Resident  in  Nepal,  durch  dessen  Vermittlung  ab  und  zu 
einzelnen  englischen  Sportsmen  die  Bewilligung  ertheilt  wird,  in  den 
Grenzgebieten  zu  jagen,  weilt  des  öfteren  während  der  Wintermonate 
hier,  sein  Waidmannsheil  zu  versuchen. 

Leider  ist  gerade  der  die  besten  Jagdplätze  enthaltende  Theil  des 
Landes  durch  die  daselbst  herrschenden  Fieber  übel  berüchtigt  und  dünn 
besiedelt,  da  die  Bevölkerung  durch  Krankheiten  aller  Art  decimiert 
wird.  Die  Regierung  thut  das  Möglichste,  um  das  Land  zu  bevölkern, 
Iheilt  Grund  und  Boden  unentgeltlich  aus  und  begünstigt  Nieder- 
lassungen in  jeder  Weise,  ohne  jedoch  bisher  ein  wesentliches  Resultat 
erzielt  zu  haben. 

Bei  Jagdexpeditionen  von  dem  Umfange  der  unseren,  bildet  die 
Verpflegung  so  vieler  Menschen  und  die  Ernährung  so  zahlreicher 
Thiere  eine  besondere  Schwierigkeit.  Hatten  wir  ja  doch  einen  Ver- 
pllegungsstand  von  1223  Mann  und  415  Thieren,  darunter  203  Ele- 
phanten!  Erwägt  man,  dass  ein  Elephant  täglich  an  Futter  etwa  75  kg 
Heu  oder  Gras  sowie  Brot  und  Körner  bedarf  und  dass  selbst  diese 
Futterstoffe  aus  weiter  Entfernung  herbeigeschafft  werden  müssen,  so 
lässt  sich  ein  Schluss  ziehen  auf  die  GröUe  des  Apparates,  welcher 
lediglich  für  die  tägliche  Approvisionierung  des  Lagers  in  Bewegung 
gesetzt  werden  musste.  Der  Bedarf  für  unsere  Küche  kann  nur  vim 
Pilibhit,  also  einer  Entfernung  von  41  km,  gedeckt  werden,  da  das 
Jagdgebiet  bloß  das  liefert,  was  wir  an  Wild  erlegen. 

Das  Arrangement  der  Jagden  wird  von  dem  Residenten  im  Vereine 
mit  einem  Oheime  des  Maharadschas,  namens  Kesar.Singh,  und  dessen 
.Stihne  Prem  Schamschir  besorgt,  welch  letztere  der  Maharadscha  zu 
diesem  Zweck  entsendet  hatte. 


Di»  tfs  lioi  uiisorom  EintrL'ffen  in  Dakna  Bägh  noch  früh  an  Jer 
Zoit  war.  wünschlc  ich  die  rni^öhung  des  Lagers  zu  durchstreifen, 
wonuil"  der  kesidont  sofort  .W  Elcphnnten  zur  Treibjagd  beorderte.  In 
dem  tlebieie,  in  welchem  wir  uns  befanden,  kann  bloß  mit  Elephanlen 
jjeliieben  werden,  du  das  Uschiingel  viel  zu  hoch  und  dicht  ist,  als 
iliiss  ein  KuiJiiJinjier  durchzukommen,  j-eschtteige  denn  Wild  heraus- 
:;uii\'iben  venHiWhtO-  .\uf  das  ».\»mni,indo  'Line«  stehen  in  wenigen 
.\ui<enbhcken  >ämmtliche  Klephanien  in  einer  Linie  gerade  ausgerichw 
di>,  die  cinjrelnen  "Phierv  jiemlich  nahe  aneinander;  die  Schützen  ^inJ 
in  ihfx'n  lläudAs  in  bestimmten  Intervallen  einpelheilL  Trotz  mancher 
l  "nebeiiheiten  des  rerrains  und  r,-»hlTeicher  Hindemisse  rückt  die  Linie 
»n  \\«Hsier  **rdnui\i;  \\*r.  fa^t  wie  es  bei  einer  wohlgeregelien  und  auf- 
gesteckten Haseni.-»j;vi  i"  B^'hmen  der  K,»!!  ist. 

M'ssJich  bU-ib;  :';:r  die  uns  scroti  bekannte  Schwierigkeit,  au- 
,ter  ll,i',:da  sicher  ;;;  schteöe:;.  Ir.  ,;eT  Regel  gesjaaea  die  L'msiänJe 
■■,!C^:,  de«  K;erhA:;:e-'  ha;:en  ru  Uisser,  s^>>n^em  der  Schflue  mus«  meis 
>e:->'^'!  Sv->;viss  A;-i\!br,';j:sr-  si:c^e^.  wihrvr;^  die  ^ewalüpe  Masse  i:; 
Hi^we»:',:'>i:  -s;.  Nur  we^-:^  es  si.-h  ■,;"•  Ss.-?:C;s*e  r:ti:  der  Kui^fi  handelt,  die 
~,v>-:  j;at  iü  rT>k.:;:n:  \v.i.nirr,  r,:-^.  — d.-r  der:  Mihit::  dAS  \\\»r:  -Rök 
HdL-  iJ^  ,-^i,:'ec?>.  wr;  \v:r  sc?r..'--  -.viöe<^>-t  ii^'ihnK:,  :Äe  Hlüda.  auch 
w^—  j;t  K>r->J.-:  ■■  i;?  Hiw-'^'J."*:  — ■ehX':-  -?-.<h  ?«ieu:err>f  schwarfe. 
L>j.-'v  cjr  V..'(-,:x:.-i  ■:-  -i^r.  ■T'j.> ;r^r  jd^-i'^i^urr:  zuLLnsijiep.  3r.-^  übri»:ens 
>.■>,■;■   -j-C'-  ws".-.^vr-   r^i'^r-  s;;;-r  ■'aurrÄ  K'JÄs'sotCÄ?*  s^U^  wy:  jeni 

ÜV"  b;  ".^^  ö'js  .'ju-rs  -^  sei'--  ■Aeserrci»:*!  •Kn  ixn  il^Avr. 
_  v  -■■,'--.--■."'  -.■^■■s:i.-v-..>-.'.-;-;r*:  b~;-i^J'e-  iuf  ces-  ■irscirsc  fcc^c-xwr: 


einstimmen,  um  überdies  durch  ganz  unzwcideuligü  Geberden  ihrer 
[ieringfichätziing  des  hilflosen  Jägers  Ausdruck  zu  geben.  Anfänglich 
ist  der  Jäger  Gegenstand  sorgfaltiger  Beobachtung  seitens  des  Mahäuts, 
ier,  wenn  der  Schütze  Hich  als  wohlbewandert  in  der  Handhabung 
ier  Büchse  und  treffsicher  erweist,  bald  Vertrauen  zu  demselben  fasst 
und  sein  Möglichstes  thut,  ihn  zum  Schusse  zu  bringen. 

Der  unternommene  Streif  lieferte  uns  einen  Schweinshirsch  (Cervus 
porcinus),  mehrere  Geier.  Falken  und  Frankoline,  sowie  einen  .Schakal. 

Kntzückt  von  dem  prächtigen  Schauspiele,  welches  die  in  den 
Strahlen  der  sinkenden  Sonne  ePfectvoll  beleuchteten  Gebirge  darboten, 
kehrten  wir  hei  anbrechender  Dunkelheit  in  das  Lager  zurück. 


,        DaknuBägh,  a  März. 

Am  Morgen  lief  gute  Botschaft  ein.  Tiger  hatten  nicht  weit  vom 
Lager  mehrere  Stücke  Vieh  gerissen.  Alsbald  eilten  wir  auf  Reit- 
elephanten  nach  dem  Rendezvous,  während  die  Begleitung  auf  Jagd- 
elephanten  folgte.  Die  nepalischen  Reitelephanten  sind  wie  Pferde 
gesattelt  und  bewegen  sich  äußerst  rasch  vorwärts,  so  dass  die 
Benützung  derselben,  namentlich  auf  längere  Strecken,  jener  der  Jagd- 
elephanten,  welche  die  schwankenden  Häudas  tragen,  weit  vorzuziehen 
ist.  Am  Jagdplatze  angelangt,  harrten  wir  der  Bestätigung  der  Tiger 
durch  die  vorausgesandten  Schikäris. 

Mittlerweile  wurden  unter  Leitung  des  jungen  Schamschir  21.X)  Ele- 
phanten  zur  Jagd  rangiert,  und  boten  die  gewaltigen  Dickhäuter,  alle 
in  einer  Reihe  aufgestellt,  einen  imposanten  .Anblick.  Neben  uralten 
Thieren  mit  langen  Stoßzähnen,  deren  Spitzen  alljährlich  abgesägt 
werden,  standen  kleine,  kaum  zwei  Jahre  zählende  P^lephanten.  Einer 
der  letzteren  hatte  die  Rolle  des  Clowns  übernommen,  da  er  seine 
Genossen  ununterbrochen  neckte  und  allerlei  Unarten  zum  besten  gab. 
Wie  die  Folge  zeigte,  benahm  er  sich  seiner  L'n Vertrautheit  halber 
bei  den  Jagden  höchst  ungeberdig,  indem  er  jedes  aufspringende  .Stück 
Wild  mit  einem  Trompetenstoße  begrüßte,  gelegentlich  auch  umkehrte 
und  durchgieng,  bis  ihn  die  Schläge  seines  Lenkers  wieder  auf  den  Pfad 
der  Pflicht  brachten.  Ein  junger,  mit  heiterer  Lebensauffassung  begabter 
Elephant  bringt  durch  die  drollige  Beweglichkeit  seiner  ungeschlachten 
.Masse  überaus  komische  Eindrücke  hervor,  und  nur  die  Bedachtnahme 
auf  die  Schwierigkeiten  des  langen  Transportes  hielten  mich  ab,  einen 
dieser  heiteren  Gesellen  für  die  Heimat  zu  erwerben. 


Nach  je  20  Treiber- Elephanlen  war  immer  ein  Häiiiia-Elephani 
einj^elhcilt,  für  welche  Kunctiun  würdiye  Greise  ausersehen  waren,  Jic 
schon  manches  Tigergefecht  mitgemacht  und  sich  hiebei  durch  nihiges 
Standhalten  und  Furchtlosigkeit  bewährt  hatten.  Jeder  der  Treibcr- 
Eiephantcn  trägt  außer  dem  Mahäut  noch  einen  Mann,  dessen  Aurgahi: 
es  ist,  das  Thier  mit  einer  hiilzernen  Keule  zu  bearbeiten.  Die  BehanJ- 
lung  des  Etephanten  durch  seine  Leiter  ist  sehr  unsanfl.  da  das  Thi« 
oft  wegen  der  geringfügigsten  Unart  oder,  um  es  zu  rascherer  Ganßart 
anzutreiben,  so  heftig  geschlagen  wird,  dass  das  Blut  herabläuft. 

In  der  Mitte  sowie  an  den  Flügeln  der  langen  Elephanlcnlinii; 
sorgen  Commandanten  für  die  Aufrechthaltung  der  Ordnung;  außerdem 
patrouilliert  der  Ober-Schi käri,  seine  Befehle  ertheilend,  auf  einem  sehr 
raschen  Elephanten  fortwährend  hinter  der  Linie  auf  und  ab. 

Nachdem  wir  eine  hafce  Stunde  gewartet  hatten,  erschienen  die 
ausgesandten  Schikäris  mit  der  Meldung,  dass  sie  einen  Tiger  in  cinon 
dichten  Dschungel  bestätigt  hätten.  Flugs  kletterten  wir  in  diu  HAuJa.s, 
die  Elephantenlinie  machte  linksiim  und  zog  im  Gänsemarsch  eilig  in 
den  Wald. 

Diese  Wälder  enthalten  meist  hohe  Sal-Bäume,  die  vielfach  von 
nmidicken  Lianen  umrankt  sind  und  ein  dichtes  Blätterdach  bilden 
Der  Boden  ist  mit  kniehohem,  sehr  dichtem,  geihem  Gnise  bedeckt,  das 
unserem  Schilfe  völlig  ähnelt.  Manche  der  Dschungel  sind  von  Lich- 
tungen unterbrochen,  auf  welchen  das  Gras  besonders  üppig  wuchert 
und  eine  solche  Hohe  erreicht,  dass  man  in  der  Häuda  stehend,  eben 
mich  über  die  Spitzen  desselben  hinwegsehen  kann.  Mit  solchem  Grase 
verdeckte  Wasserläufe,  Erdri&sc  und  Lachen  durchziehen  das  Tcmiin. 
Wild  aller  Art  findet  daselbst  sichere  Schlupfwinkel  und  baut  (ürmliclie 
Tunnels,  in  denen  es  sich  niederthut  oder  schleichend  auf  Äsung  unJ 
Haub  ausgeht.  Hier  hausen  der  Tiger  und  der  Panther,  von  kleineren 
Raubthieren  der  Schakal,  der  Zibcthniarder  (Viverricula  mnlacccnsis\ 
die  verschiedenen  Mangusten;  Rudel  von  Wildschweinen  brechen  an 
den  versumpften  Stellen;  schöngefleckte  Axishirsche  (Cervus  axis).  J« 
Schweinshirsch  mit  seinem  rehbockartigen  Geweih  imd  der  rothhnninc 
Bellende  Hirsch  oder  Muntjak  (Cervulus  muntjac)  tinden  sich  hier, 
während  der  mächtige  Sumpfhirsch  oder  Barasinga  (Cerx-us  duvaucelü 
und  der  Sambarhirsch  seltener  zu  sehen  sind;  das  Stachelschwein 
errichtet  da  seinen  weitläufigen  Bau;  vereinzelt  kommen  der  einem 
Meerschweine  nicht  unähnliche  Erdhase  (Lepus  hispidus)  und  dff 
gemeine  Indische  Hase  vor. 


4 


\'un  Vögeln  sind  am  liiuiligsli^n  Pfauen  zu  beobachten,  die,  liier 
glücklicherweise  nicht  heilig,  geschossen  werden  dürfen,  ferner  das 
Krankolinhuhn,  das  sehr  seltene  Sumpf-Frarkolinhiihn  (Francolinus 
gularis)  und  das  schöne  Bankivahuhn,  gemeinhin  Dschungelhuhn 
(Gallus  ferrugineus)  genannt,  von  dem  unsere  Haushühner  stammen. 
Auf  den  zahlreichen  dürren  Bäumen  sitzen  die  verschiedensten  Galtungen 
von  Adiem,  Geiern  und  Falken,  während  naseweise  Krähen  und  Kolk- 
raben mit  heiserem  Geschrei  die  Plätze  umkreisen,  an  denen  ein  ver- 
endetes oder  gerissenes  Stück  Wild  liegt;  mitunter  begegnen  wir 
dem  grauen  Nashornvogel  (Ocyceros  hirostris),  einem  gelben  Pirol 
mit  schwarzem  Kopfe  tOriolus  melanocephalus).  einem  prachtvollen 
rothen  Mennigvogel  (Pericrocotus  speciosus),  sowie  mancherlei  bunten 
Spechten;  von  Tauben  zieht  besonders  die  herrliche  Bronzetaubc 
(Chatcophaps  indica)  mit  ihrem  metallisch  grünen  und  violetten  Gefieder 
unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich;  scheue  Eulen  huschen  mit  geräusch- 
losem P"lügelschlag  aus  Baumlöchern  hervor;  von  allen  Seiten  ertönt 
das  Geschrei  der  Papageien.  Affen,  die  in  Nepal  sehr  häutig  sind,  dürfen, 
weil  von  den  Eingeborenen  als  heilig  angesehen,  nicht  geschossen 
werden. 

Wir  mochten  etwa  anderthalb  Kilomeier  schweigend  hintereinander 
geritten  sein,  als  plötzlich  der  Ober-Schikäri  einen  Theil  der  Elephanten 
und  Schützen  nach  rechts,  den  anderen  nach  links  abschwenken  und 
eiligst  einen  Kreis  bilden  ließ,  so  dass  die  Lichtung,  in  der  wir  uns 
befanden,  von  einem  undurchdringlichen  Ringe  von  Elephanten  um- 
schlossen war.  In  der  Mitte  der  Lichtung  stockte  zwei  Meter  hohes, 
dichtes  Röhricht  und  Gras.  Da  der  Kreis  kaum  80»«  im  Durchmesser 
hatte,  so  zweifelten  wir,  mit  dieser  Art  zu  jagen  nicht  vertraut,  daran, 
dass  nach  all  dem  Lärme,  welchen  das  Schließen  des  Ringes  verursacht 
hatte,  ein  Tigeraufdem  kleinen  Platze  standgehalten  haben  könne,  Ja  dass 
es  überhaupt  möglich  sei,  einen  Tiger  mit  so  apodiktischer  Sicherheit 
zu  bestätigen.  Bald  sollten  wir  jedoch  eines  Besseren  belehrt  werden. 

Als  der  Kreis  geschlossen  war,  ritten  drei  Schikärts  auf  besonders 
verlässlichen  Elephanten  in  das  dichte  Gras.  Nach  einer  kleinen  Weile 
machte  einer  der  Elephanten,  laut  trompetend,  mit  erhobenem  Rüssel 
und  aufgestellten  Ohren  einen  Sprung  nach  vorwärts,  ein  sicheres 
Zeichen,  dass  er  auf  einen  Tiger  gestoßen:  gleich  darauf  sah  ich  die 
Spitzen  des  Grases  sich  bewegen,  aber  nur  so  schwach,  als  ob  eine 
Schlange  oder  ein  kleines  Thier  am  Boden  schliche  —  kein  Zweifel,  ein 
Tiger    befand    sich    im  Kreise.  Unsere  Erwartung   war  aufs  höchste 

357 


};i-NiMiiiH,  rn;ui^j;o>ol2i  rincn  die  Schikäris  im  Dschungel  umher:  JeJcn 
Aiiiicnbliol;  ir\>mpcioitf  einer  der  Elephamen:  die  Spitzen  de*  Gra,*e> 
smonen  Nild  da  Kild  don.  cinij-enial  in  meiner  nächsten  Nähe  —  d..>ch 
ki>nnu"  K-h  don  Tijior  nichl  2U  liesichi  bekommen, 

KasJ  eine  Xienei^iunde  snvöier  Spannunj;  für  alle  Schulzen  «a.- 
vcnv'nnen,  bis  die  Klep^amen  dem  Tig«-  endlich  han  auf  der  Fei^ 
wäre:',  und  er,  nw  tietri:!!  aus  dem  Dschungel  g^?en  den  ResJdenien  zu 
hi.T\  i'rschioÄMid,  den  KfvJs  ru  Jurchbre>clien  suchie.  Durch  da*  Ges:?irei 
d;T  KH-j>*ijr!ien:;;^rtT  •i:T\äcks;-c^'J:euch: ,  l;e:'  der  Tiger  an  ungelX*:: 
:.''>  K;e;'*i*:;;eT;  i::  voV^er  Kti40?5:  v,*:*«  ;;r~i  »\v?]:e  rf»ein  ir,  das  benienJi 
vlTas^-u-iiJCh:  j-JiTniok,  A^s  :ch  äu;'  ihr:  feuere-  l>er  Re^-den:  tr,d  -e:r 
-^A»:eT  ^J«;eJ;  der*.  I'^pcr  "JtcJi  de^ic  Schusse  «üiaen  geseh««,  d-vh  wi' 

>^»-ie  >i\i.;«  -K-jf-hnir^  SvH^CsSi  :-  djjs  tX'.-fcchi  ii^si>.  N'-in  scfe.-*;«- 

^iT  ["■.4-^,  jl-'-  dii';  v^  i.';>c:"? .'!>;>«  1-  ~ii;:i-  vir~r\5>«:  irr.  ,\r!s«Äu>se  '.'.^zi- 
,:>.  ■."„■ssii^^  s<.i-a..-^  .'.■SiriMT  -liir.-srrü  T:j:ir  -~  fo^cs;  s*ii:r. 

■V'j.:>ici'.-c~  ■'.■^i-  si.--~  ^dJc  -1."-"^  Rl-c«  ier  'Vcri^r:^  =cär^-i 

■U>rx;r  !(_'  &r;'c  i"so.r"tf!iJ.  ■"  ,■■;!-  "K-sis  'ri,~eir>  w<.'  ■?!>;  iin  Teffl-!;!:^!;? 
S<i'-''.---'-.;i_vT  4U'   i'^«s,   -Äxs  soT  jii  -Cirr:;.  irifSriitsr.  Ddi  wur  £■■■?•:" 

eftiinMftj-  we.  3QaA  >fca  <»tia  StJinai  Manwa  Oufci 


in  der  Hinterprante,  der  andere  zwei  Schüsse  am  Schlegel.  Das  zuerst 
von  mir  erlegte  Thier,  eine  capitale  Tigerin,  hatte  zum  Glücke  nur 
meinen  Schuss,  auf  den  hin  die  Katze  gestürzt  war.  Auf  der  Strecke 
lagen  im  ganzen  außer  der  alten  Tigerin  noch  drei  ziemlich  ausge- 
wachsene Tiger,  anscheinend  Junge  vom  vorigen  Jahre.  Von  letzteren 
gebürte  einer  dem  Captain  Fairholmc,  während  das  Schiedsgericht  von 
den  beiden  Tigern,  welchen  ich  den  Kangschuss  gegeben  hatte,  den 
einen  dem  Generalconsul  Stockinger,  den  andern  aber  Prönay  zusprach, 
da  der  Schlegelschuss  von  einer  Expansivkugel  herrührte  und  nur 
Pronay  solche  Kugeln  führte. 

Die  Vertheilung  der  Beute  war  nicht  so  einfach,  da  einige  der 
Herren  in  der  Hitze  des  Gefechtes  und  der  mit  einer  Tigerjagd  ver- 
bundenen Aufregung  eine  ganze  Reihe  von  Schüssen  abgegeben  hatten. 
Die  Strecke  von  vier  Tigern  hätte  übrigens  noch  um  einen  bereichert 
werden  können,  w^enigstens  behaupteten  die  Eingeborenen,  dass,  als 
der  Kreis  während  der  Jagd  gelichtet  wurde,  ein  fünfter  Tiger,  durch 
das  hohe  Gras  gedeckt,  entwischt  sei.  Jedenfalls  war  der  Beginn  der 
nepalischen  Expedition  ein  herrlicher  und  erfüllte  -uns  mit  Freude, 
welche  auch  die  Eingeborenen  theilten,  indem  sie  uns  mit  unausgesetzten 
Seläms  begrüßten. 

Der  Resident  ordnete  die  Fortsetzung  der  Jagd  an,  worauf  bald 
ein  neuer  Kreis  geschlossen  wurde,  in  welchem  die  Schikäris  einen 
starken  männlichen  Tiger,  welcher  in  dieser  Gegend  schon  längere  Zeit 
sein  Unwesen  trieb,  vermutheten.  Diese  Annahme  erwies  sich  jedoch 
als  irrig;  nur  einige  wunderschöne  Dschungelhähne  standen  erschreckt 
auf,  und  über  unsere  Köpfe  strich  ein  Nashornvogel  mit  weißem  Leib 
und  schwarzgelb  gebänderten  Flügeln  von  seltener  Größe;  er  gehörte 
einer  Art  an,  die  ich  nicht  kannte. 

Die  Schikäris  gaben  die  Hoffnung  nicht  auf  und  giengen  mit  ihren 
raschen  Elephanten  auf  Suche,  während  wir  ein  PVühstück  einnahmen. 
Neben  dem  Dschungel,  in  dem  eben  gejagt  worden  war,  hatten  wir  ein 
schattiges  Plätzchen  unter  einem  großen  Sal-Baume  erwählt  und  thaten 
uns  gütlich,  als  plötzlich  neben  uns  der  Ruf  »Bägh,  Bägh«  (Tiger) 
erscholl.  Wir  sprangen  sofort  auf  und  bestiegen  so  schnell  als  möglich 
die  Elephanten,  welche  in  unserer  Nähe  standen.  Ich  war  kaum  in  meiner 
Hauda,  als  mein  Mahäut  schon  nach  den  sich  bewegenden  Grasspitzen, 
hart  neben  der  Stelle,  auf  der  ich  gesessen,  deutete,  mir  zuflüsternd,  dass 
dort  ein  Tiger  sei.  Dies  schien  mir  unglaublich;  denn  wir  hatten  diese 
.Stelle,  wenn  auch  in  Abständen  von  einander,  bei  Schließung  des  zweiten 

3n9 


Kreisi-'s  passiert,  kaum  20  Schritti;  von  dcr.scibcn  beim  Frühstücke  laut 
gesprochen  und  yelachl;  ja  ich  halte  dort  überdies  auf  ein  über  miraul- 
f;ebaiimles  Dschungelhuhn  ßeschossen.  Und  doch  war  dem  so,  wie  mein 
Mahäut  gesagt. 

Die  geschickten  und  findigen  Eingeborenen  schlössen  mit  ihrtn 
Klephanten  sofort  einen  Kreis  um  den  kleinen  Grasbusch,  ich  drang  ein 
und  im  selben  Augenblicke  sprang  rechts  von  mir  ein  Tiger  hervor,  dem 
ich  einen  Schuss  nachsandte,  worauf  der  Tiger  flüchtig  wurde  und  einij:t' 
Klephanten  des  Kreises  annahm,  die  sich  trompetend  und  schnaubend 
herumdrehten  und  ein  gewaltiges  Getöse  machten.  Nach  einigen  Secun- 
den  kam  der  Tiger  in  der  Flucht  wieder  aus  einem  Grasbusch  auf  eine 
kleine  Blöüe  hen'or,  auf  der  ihn  Ciam  mit  einem  Blattschusse  roulierte. 

Eine  Reihe  von  Schüssen  wurde  dann  noch  auf  den  verendenden 
Tiger  abgegeben,  eine  hier  übliche  Unsitte,  die  ich  nicht  billigen  kann, 
Meil  sie  Zweifel  darüber  her\'orruft,  wem  ein  erlegter  Tiger  zuzusprechen 
,^ei,  und  weil  sie  wegen  der  Gewehre  großen  Calibers,  welche  die  Eng- 
länder führen,  den  \'erderb  des  schönen  Felles  nach  sich  zieht;  vnr 
allem  aber,  weil  sie  nicht  waidmännisch  ist.  Doch  gelten  in  Indien  eben 
wesentlich  andere  Anschauungen  über  waidmännische  Kegeln  als  in 
unserer  Heimat.  Der  Unterschied  ist  etwa  jener,  welcher  zwischen  den 
.Vnsichten  eines  Sportsman   und  eines  waidgerechten  Jägers  besteht. 

Unter  den  Eingeborenen  verlautete,  dass  der  zuletzt  erbeutete 
Tiger,  ein  stärkeres  Männchen,  mit  jenem  nicht  identisch  sei,  auf  Jon 
ich  geschossen  hatte.  si>ndern  dass  letzterer  mit  durchbohrter  Kinn- 
lade, nachdem  er  die  Klephanten  angenommen,  entkommen  sei.  Ich 
theilte  diese  .Ansicht  jedoch  nicht  und  glaube  vielmehr,  den  Tiger  im 


zu  unterscheiden  war,  so  dass  man  ungefähr  folgern  konnte,  worauf 
der  Nachbar  wohl  geschossen  haben  mochte.  Unsere  Strecke  betrug 
51  Stück.  Ich  selbst  hatte  zwei  Schweine,  mehrere  Axishirsche,  Pfauen, 
PVankoline  und  eine  schwarzbrüstige .  Bengal-Trappe  (Sypheotides 
bengalensis),  welche  in  der  Größe  die  Mitte  zwischen  der  Zwerg-Trappe 
und  unserer  großen  Trappe  hält,  erbeutet. 

Den  Abend  verbrachten  wir  in  dem  die  Mitte  des  Lagers  ein- 
nehmenden, kleinen  Speisezelt,  in  heiterster  Stimmung  die  jagdlichen 
Ereignisse  des  Tages  besprechend. 

Dakna  Bägh,  10.  März. 

Es  war  9  Uhr  vormittags,  als  wir  aufbrachen,  um  in  einem  mit 
Röhricht  dicht  bedeckten  Sumpfe,  in  dem  mehrere  Tiger  bestätigt  worden 
waren,  zu  jagen.  Das  Terrain  zeigte  einen  wesentlich  anderen  Cha- 
rakter als  jenes  des  gestrigen  Tages,  da  es  sich  als  eine  ausgedehnte 
Sumpfregion  darstellte,  in  der  sich  fast  undurchdringliche  Röhricht- 
partien befanden,  w-elche  gute  Schlupfwinkel  für  Tiger  bilden.  Wir 
schnitten  einige  Stengel  des  hier  vorkommenden  Rohres  ab,  welche  bis 
zu  G  m  maßen,  eine  Längendimension,  die  man  geneigt  sein  könnte, 
für  unglaublich  zu  halten.  In  gewohnter  Ordnung  und  Schnelligkeit 
wurde  an  der  geeignetsten  Stelle  ein  Kreis  gebildet;  doch  leider  ohne 
Resultat  —  in  jedem  Dschungel  können  eben  nicht  fünf  Tiger  hausen. 
Wenn  wir  auch  nicht  zum  Schusse  kamen,  so  boten  doch  der  Eifer  und 
die  Geschicklichkeit,  welche  die  Eingeborenen  an  den  Tag  legten, 
Interesse  genug.  Hier  vollzog  sich  jede  Bewegung  ohne  Geschrei  und 
Zeitverlust,  bloß  unter  einigen  kurzen  Commandos,  ganz  in  militärischer 
Alt,  so  dass  sich  die  Nepalesen  zu  ihren  Gunsten  wesentlich  von  ihren 
indischen  Brüdern  unterschieden,  bei  denen  Unentschlossenheit  und 
Lärm  unentbehrliche  Erfordernisse  jeder  Jagd  zu  bilden  scheinen. 

Die  Schikäris  entschuldigten  sich  ob  des  Misserfolges,  wollten 
ihr  (jlück  wiederholt  versuchen  und  kreisten  noch  zweimal  ein,  aber 
ebenfalls  vergeblich,  so  dass  nur  zwei  der  seltenen  Sumpffrankoline  die 
ganze  Beute  des  letzten  Triebes  bildeten.  Ein  auf  einer  kleinen  Insel 
sich  sonnendes  Krokodil  von  riesigen  Dimensionen  schoss  ich  an,  ohne 
desselben  habhaft  werden  zu  können,  da  es  nach  dem  Schusse  in  tiefes, 
schlammiges  Wasser  glitt  und  darin  verschwand. 

Die  Fruchtlosigkeit  ihrer  Bemühungen  wurde  von  den  Schikäris 
dadurch  erklärt,  dass  das  Wasser  infolge  der  jüngsten  Regengüsse 
gestiegen  sei  und  die  Tiger  vertrieben   habe.   Thatsächlich   stand   das 


Wasser  im  Sumpfe  50  hoch,  dass  unsere  Elephanten  bis  an  den  Bauch 
im  Schlamme  versanken  und  sich  nur  mühsam  durcharbeiten  konnlcn. 
Xach  dem  anstrengenden  Marsche  durch  den  tiefen  Sumpf  gönnten  wir 
den  braven  Elephanten  et^vas  Ruhe,  um  dann,  wieder  in  langer  Linie 
aufgelöst,  ein  Gebiet,  in  welchem  SalAVälder  mit  Dschungeln  abwech- 
selten, zu  durchstreifen.  Hier  gab  es  reiche  Ausbeute;  unter  anderem 
schoss  Wurmbrand  einen  auffallend  starken  Keiler  und  Kinsky  einen 
Sumptliirsoh -Spießer,  während  ich  ein  Thier  gleicher  .^rt  erlegte.  Der 
Sumpfhirsch,  welcher  sich,  wie  schon  sein  Name  bezeugt,  in  der  Regel 
in  feuchten  Rieden  aufhält,  ist  ein  wenig  verbreitetes  Wild,  das  sich 
hauptsächlich  durch  seine  Größe,  welche  jene  unseres  Hochwildes  weil 
übertrifift.  auszeichnet,  Charakteristische  Merkmale  sind  die  langen 
bartähnlichen  Granen  am  Vorschlage,  die  zolltiefen,  ovalen  Thränen- 
gruben  und  der  schuhlange  Wedel:  die  Farbe  der  Decke  entsprich! 
jener  unseres  Hochwildes:  die  Thiere  sind  schwächer  und  lichter 
getarbt  als  die  Hirsche.  Unmittelbar  naL-hher  erlegte  ich  auch  mein  erstes 
Stachelschwein,  das  in  der  N'ähe  meines  Elephanten  hoch  geworden 
war  und  in  der  Flucht  einen  höchst  befremdlichen,  komischen  .Anblick 
dargeboten  hatte.  Die  tiesammtslreckc  belief  sich  auf  57  Stück  ver- 
schiedenen Wildes. 

Bein\  Passieren  einer  SimipfaJer  gerieth  ich  in  eine  nicht  sehr 
erfreuliche  Situation;  denn  mein  besonders  großer,  schwerer  Elephart 
war  an  einer  tieferen  Stelle  stecken  geblieben  und  sank  um  so  weiter 
ein,  je  heftigere  Versuche  er  machte,  vorwärts  zu  kommen.  Seine  Beile- 
gungen wurden  .-ichltetiüch  so  ungestüm,  dass  ich  mich,  die  Gewehr.: 
erf.is^end,  mit  aller  Krait  .ir.  die  Wand  der  HAuda  anklammem  mussle. 


IjeJHgt  wurden  und  das  unisomchr,  als  nuch  während  dus  Krülistticks 
'ast  gleichzeitig  zwei  erlreuliche  Botschaften  eingelaufen  waren.  Diu 
iine  besagte,  dass  in  der  Nacht  ein  Tiger  aus  einer  kleinen,  15  ü'iii  vom 
^ager  befindlichen  Ansiedelung  ein  Stück  Vieh  geraubt  habe  und  vun 
Jen  Bauern  bestätigt  worden  sei;  die  andere,  dass  die  mit  den  Ele- 
Dhanten  ausgesandten  Jager  in  der  Nähe  des  Lagers  zwei  Tiger  in  ein 
ÜbchLingel  wechseln  gesehen  und  dasselbe  gleich  eingekreist  hätten. 
IJa  hieü  es  nicht  zaudern;  im  Nu  waren  wir  auf  unseren  schnellen 
Elcphanten  und  eilten  der  Stelle  zu,  wo  wir  den  Kreis  bereits  gebildet 
Tanden. 

Der  Resident  wies  jedem  rasch  seinen  Platz  an,  die  Lücken  im 
Kreise  wurden  noch  durch  die  Reitelephanten  ausgefüllt  und  drei 
Schikäris  drangen  wie  an  den  vorhergehenden  Tagen  in  das  innere  des 
Kreises  ein.  Zu  meiner  rechten  Hand  befand  sich  junger  Wald,  zu  meiner 
linken  und  vor  mir  hohes  Schilfdschungel.  Nach  wenigen  Augenblicken 
hiirc  ich  rechts  von  mir  die  Elephantenführer  schreien,  ihre  Thiere  zeigen 
L'nruhc  und  durch  das  Stangenholz  sehe  ich  ein  tigerähnliches  Kauh- 
ihier  in  voller  Flucht  gegen  das  Dschungel  wechseln.  In  dem  Momente, 
da  es  in  das  Dschungel  setzen  will,  schieße  ich  zweimal  und  glaube  gut 
abgekommen  zu  sein.  Die  Schikäris  tummeln  sich  mittlerweile  noch 
immer  im  Gras  und  Röhricht  umher,  bis  Kinsky  und  drei  seiner  Nachbarn 
feuern,  worauf  ich  das  Gras  in  dem  Dschungel  sich  so  bewegen  sehe, 
als  ob  daselbst  ein  gröberes  Stück  im  Verenden  liege.  Ich  ritt  nun  zu  der 
Stelle  hin  und  fand  da  einen  sehr  starken,  bereits  verendeten  Panther, 
den  Kinsky  erlegt  halte,  während  dort,  wo  ich  hingeschossen,  ebenfalls 
ein  auffaltend  starker,  dunkelgefärbter  Panther  mit  zwei  Blattschüssen 
lag.  Die  Kugein  hatten  so  nahe  nebeneinander  eingeschlagen,  dass  sie 
sich  dann  beim  Zerwirken  des  Panthers  in  dessen  jenseiligem  Schulter- 
blatte aufeinanderliegend  fanden,  Der  Irrthum  der  Schikäris.  welche 
anfänglich  die  Panther  für  Tiger  gehalten  hatten,  erklärte  sich  aus  der 
seltenen  Stärke  der  Panther,  deren  einen  erlegt  zu  haben,  mich  umsu- 
mehr  beglückte,  als  er  mein  erster  war.  Doch  war  noch  nicht  aller 
Tage  Abend;  es  sollte  noch  besser  kommen. 

Der  Jagdralh,  bestehend  aus  dem  Residenten  imd  den  einheimi- 
schen Leitern  der  Expedition,  beschloss,  trotz  der  Entfernung  von  15iH(, 
auch  jenen  Tiger  aufzusuchen,  der  sich  zum  Morgenimbiss  ein  Stück 
Vieh  bei  den  Bauern  geholt  hatte.  Was  ist  auch  diese  Distanz  für 
begeisterte  Nimrode,  wenn  ihnen  die  Hoffnung  winkt,  einen  Tiger  zu 
erlegen! 


Als  wir  an  Ort  und  Stelk-  angelangt  waren,  gahen  uns  enlgcgcn- 
komtncndc  Schikaris  die  frohe  Kunde,  dass  drei  Tiger  bestätigt  worvkn 
seien,  jedoch  das  Dschungel  Schwierigkeiten  bereite,  sonach  der  ErfolR 
unsicher  sei.  Der  erste  Theil  der  Botschaft  wirkte  elektrisierend,  sd 
dass  wir  das  Eintreffen  sämmtlicher  Elephanten  kaum  erwarten  konnlitn, 
der  zweite  entmuthigte  nicht,  obwohl  die  Schwierigkeit,  das  Dschungtl 
zu  durchstreifen,  sehr  bedeutend  war.  Wir  hatten  in  einen  mit  Lianen 
völlig  überwucherten,  dichten  Wald  einzudringen,  der  zwar  dem  Auge 
ein  malerisches  Bild  bot.  aber  uns  auch  zwang,  jeden  Schritt  zu 
erkämpfen;  Elephanten  und  Messer  mussten  zusammenwirken,  um 
einen  Weg  zu  bahnen.  Eine  Fulge  des  fast  undurchdringlichen  Dickichts 
war,  dass  ein  Schikän  mit  den  ihm  anvertrauten  Schützen,  zu  wolchtn 
auch  Wurmbrand,  t'lam  und  Kinsky  gehörten,  die  Richtung  verlor,  urnl 
ich  nur  mit  l'röniiy  und  den  englischen  Herren  an  der  Stelle,  wo  der 
Kreis  geschlossen  werden  sollte,  anlangte. 

Das  hnhe  Grasdickicht,  in  dem  sich  die  Tiger  befinden  sollten, 
maß  kaum  50  Schritte  im  Durchmesser  und  bildete  einen  regelmäßiKt-n 
Kreis,  der  ganz  von  dicht  stehenden  Bäumen  umgeben  war.  Bcvnr 
an  das  Auftreiben  der  Tiger  gegangen  werden  konnte,  hatten  die 
Kluphanten  noch  eine  harte  .Arbeit  zu  verrichten:  sie  mussten  nämlich 
alle  am  Rande  des  Dschungels  stehenden  Biiume  im  Umkreise  vm 
ungefähr  zehn  Metern  stürzen,  damit  ein  ausbrechender  Tiger  nicht 
etwa,  von  einem  Baume  gedeckt,  entweichen  könne,  und  falls  ein 
Tiger  einen  der  Elephanten  anspringe,  der  Ausschuss  nicht  behindert 
sei.  In  der  unglaublich  kurzen  Zeit  von  einer  Viertelstunde  war  diese 
herkulische  Arbeit  vollbracht.  Die  Elephanten  stemmten  sich  mit  dem 
Kopf  und  den  Stoßzähnen  gegen  die  stärksten  Bäume,  diese  ivi 
Strohhalme  knickend;  Buschwerk  und  kleinere  Bäume  wurden  mit 
Hilfe  des  Rüssels  entwurzelt.  Fast  schien  es,  als  ob  diese  Leistung 
mächtigen  Thiercn  keinerlei  Anstrengung  kostete. 

Nachdem  die  Elephanten  rasch  noch  vor  der  Schützenlinie 
fiTtis  niedergetreten  hatten,  drangen  die  Schikaris  gegen  die  Mitte 
Dschungels  vor.  Einer  ihrer  Elephanten  kündigte  alsbald  durch  dnen 
Trompetonsttiß  die  .■Anwesenheit  eines  Tigers  an.  der  gleich  darauf  in 
voller  Flucht  zwischen  mir  und  einem  der  englischen  Herren  auszu- 
brechen suchte.  Durch  das  plötzliche  Erscheinen  des  Tigers  erschreckt, 
machten  einige  jüngere  Elephanten  Miene,  auszureißen,  wurden  aber 
durch  kriiftige  Hiebe  bald  zur  Besinnung  gebracht.  Mein  EleplianI 
hatte  wie  eine  Srtule  Standgehalten,  Durch  Geschrei  zurückgescheuchl, 
3(U 


mit 


wandte  sich  der  Tiger  wieder  gegen  das  Dsciiuiigel,  nicht  ohne  dass 
mein  Nachbar,  vom  Jagdeifer  hingerissen,  versucht  hätte,  ihm  Icnapp 
vor  mir  einen  Schuss  beizubringen.  Glücklicherweise  gieng  der  Schuss 
fehl,  worauf  ich  dem  Tiger  eine  Kugel  nachsandte,  auf  die  er,  sich  im 
Dschungel  bergend,  mit  Gebrüll  antwortete.  Die  Schikärfe  streiften 
unentwegt  im  Dickicht  hin  und  her,  so  dass  bald  danach  auf  dem 
schon  vom  ersten  Tiger  benützten  Wechsel  ein  zweiter  Tiger  hervor- 
stürzte, auf  den  ich  zweimal,  Cntwford  einmal  feuerte. 

Durch  die  Schüsse  in  die  richtige  Direction  geleitet,  waren  endlich 
auch  die  verirrten  Schützen  angelangt  und  hatten  in  der  Kreislinie  Stel- 
lung genommen,  wobei  C'lam  und  Kinsky  neben  mir  zu  stehen  kamen. 
Innerhalb  des  Kreises  wurde  es  immer  lebhafter,  die  Elephanten  trom- 
peteten, die  Tiger  brüllten:  ja  plötzlich  wandte  sich  ein  Tiger  gegen 
einen  zurückweichenden  Elephanten  und  sprang,  beide  Pranlen  ein- 
schlagend, auf  dessen  Croupe.  Nicht  minder  kritisch  war  die  Situation, 
als  ein  Elephant,  den  ein  verwundeter  Tiger  plötzlich  ansprang,  durch 
den  Überfall  erschreckt,  bei  einer  raschen  Wendung  stürzte,  so  dass  der 
Mahäut  und  der  Schikäri  in  Gefahr  kamen,  abgeschleudert  und  vom 
Tiger  erfasst  zu  werden.  Diese  ernsteren  Intermezzi  liefen  jedoch  ohne 
Unfall  ab,  da  die  Tiger  vom  Angriff  ablassend,  sich  in  das  Gras  bargen, 
wo  ich  dem  bereits  venvundeten  Tiger  den  Fangschuss  gab.  Kinsky 
schoss,  kurz  nachdem  er  angelangt  war,  den  von  mir  angeschweißten 
Tiger  —  ein  prächtiges  Exemplar  —  nieder.  Wenige  Minuten  darauf 
stürzten  sich  in  unmittelbarer  Aufeinanderfolge  abermals  zwei  gesunde 
Tiger  brüllend  in  riesigen  Sätzen  gegen  den  Elephanten  Clams. 
Crawford  eriegte  die  eine,  Clam  die  andere  der  Bestien. 

Auf  der  anderen  Seite  des  Kreises  war  mittlerweile  abermals  ein 
Schnellfeuer  eröffnet  worden,  dessen  Ergebnis  ein  vielfach  zerschossener 
und  Zerfetzter,  geringer  Tiger  war,  welcher  dem  englischen  Arzte  der 
Expedition  zugesprochen  wurde.  Die  Betheiligung  desselben  an  der  Jagd 
wollte  meinem  Leihjäger  nicht  einleuchten,  welcher  der  Meinung  war, 
dass  der  Arzt  im  Lager  der  Verwundeten  harren  solle,  den;n  es  jedoch 
glücklicherweise  keine  gab,  obwohl  seitens  einiger  Herren  hitzig  auf 
jeden  Grasbusch,  in  dem  sich  etwas  zu  bewegen  schien,  geschossen 
wurde,  ja  sogar  der  schwere  Paradox-Stutzen  eines  der  Schützen  sich 
unmittelbar  oberhalb  unserer  Kopfe  entladen  hatte.  Auch  darauf  wurde 
keine  Rücksicht  genommen,  in  wessen  Nähe  ein  Tiger  sich  befand  und 
wer  daher  berufen  war,  zuerst  zu  schießen,  doch  wussten  wir  immer 
genau,  wer  von  uns  den  ersten  Schuss  gethan  und  wer  getroffen  hatte. 


so  dass,  da  wir  aulJerdem  unsere  Schlisse  kannten,  darüber  kein  Zwtifd 
bestand,  dass  ich  zwei  und  Clani  einen  Tiger  erlegt  halte.  Andernfalls 
wäre  eine  Entscheidung  recht  schwierig  gewesen,  da  alle  Tiger  durch- 
löchert waren  wie  Siebe. 

So  waren  denn  auch  heute  fünl'Tiger  zur  Strecke  gebracht  worden. 
An  zwei  Tagen,  bei  nicht  sonderlich  günstigem  Wetter,  zehn  Tiger  und 
zwei  Panther!  Fürwahr  ein  VV'aidmannsheil,  das  keiner  von  uns  zu 
träumen  gewagt  hätte.  Dieses  glänzende  Resultat  ist  nur  dem  trefflichen 
Arrangement  der  Jagden,  der  Geschicklichkeit  und  dem  Eifer  der  Kin- 
geborenen.  die  ich  nicht  genug  zu  rühmen  vermag,  zuzuschreiben.  Da 
die  wackeren  Häthis  (Klephanlen)  sich  sn  besonders  ausgezeichnet 
hatten,  erließen  wir  ihnen  zum  Lohne  ein  Cieneral-shooting  und  kehrten 
linea  recta  ins  Lager  zurück,  von  wii  wir  einen  Boten  nach  dem  41  km 
entfernten  Telegraphenamte  abrertigten,  um  die  Nachricht  von  unseren 
Jagderfolgen  in  die  Heimat  zu  senden. 

Hndek  widmete  seine  künstlerische  Hand  den  erbeuteten  Tisi'm. 
während  wir  am  Abende  die  Strecke  des  Tages  gebürend  feierten. 


Dakna  Bägh,  IL'.  MüT 

Nachts  hatte  es  wieder  stark  geregnet,  so  dass,  obschon  der  Himral 
am  Morgen  heiter  lächelte,  kein  Tiger  bestätigt  worden  war.  Der  Resids| 
proponierte  daher  ein  General-shnoting,  das  unmittelbar  bei  dem  L 
beginnen  und,  in  einem  großen  Halbkreise  durchgeführt,  gegen  Aban 
wieder  in  der  Nähe  des  Lagers  enden  sollte.  Geschäfte  hielten  i 
Residenten  von  der  Theilnahme  an  der  Jagd  ab,  deren  Leitung  er  6 
Arzte  der  Expedition  übertrug.  Letztere  Verfügung  schien  die  i 
geborenen  zu  verdrieüen;  auch  wir  zogen  vor,  uns  lieber  der  bewährt* 
Führung  der  Nepalesen  anzuvertrauen.  Kaum  war  die  Linie  formiert,! 
knallten  derselben  entlang  auch  schon  Schüsse  auf  mannigfaltiges  WTM 
ich  schoss  einen  starken  Keiler,  Clam  ein  Stachelschwein;  auch  wurd*^ 
mehrere  Hirtiche,  sowie  Pfauen  und  Frankolinhühner,  die  vor  unsal 
standen,  erlegt. 

Wir  mochten  ungefähr  eine  halbe  Stunde  gejagt  haben,  als  recM 
von  mir  ein  Kugelschuss  Kinskys  fle!  und  der  Ruf  -Tschitä,  Tschilfi 
(Panther)  erscholl.  Gewaltige  Aufregung  erfasste  die  lange  Linie;  i 
Schikäris  riefen  ihre  Commandos,  die  Mahäuts  spornten  die  ElephartW 
durch  unbarmherzige  .Schläge  zu  schnellstem  Laufe  an.  und  schon 
glaubte  ich  die  ärgste  Unordnung,  völlige  Debandade  eingerissen,  als  ich 


zu  meinem  Erstaunen  einen  regelrecliten  Kreis  gebildet  und  die  Schikäns 
in  dessen  Mitte  umherreiten  sah,  um  den  eingekreisten  Panther  aufzu- 
scheuchen. Die  Schnelligkeit  und  Sicherheit,  mit  welcher  die  Nepalesen 
verstehen,  eine  lange  Elephantenünie  durch  Vorschieben  und  Einziehen 
der  P'lügel  zu  einem  Kreise  um  eine  bestimmte  Stelle  zu  gestalten,  ist 
geradezu  bewundernswert.  Der  Panther,  dem  Kinskys  Schuss  geg<ilten. 
hatte  sich  mitten  im  Kreise  in  einem  kleinen  Grasbusche  nach  Katzenart 
geduckt,  sprang  aber  bald  wieder  vor  und  wurde  nun  von  Kinsky  mit 
zwei  Kugeln  erlegt.  Es  war  ein  starkes  männliches  Thier  mit  lichter, 
schim  gefleckter  Decke. 

Nach  diesem  interessanten  Intermezzo  wurde  die  Streuung  fnrl- 
geselzt,  in  deren  Verlauf  ich  zunächst  einige  Bellende  Hirsche  erbeutete, 
die  immer  knapp  vor  dem  Elephanten  aufstanden  und,  in  dem  hohen 
Grase  kaum  sichtbar,  llüchtig  wie  Hasen  ausrissen.  Ein  sehr  .stark 
aufhabender  Axishirsch  und  drei  Stück  Thiere  aus  einem  Rudel  liclon 
mir  unmittelbar  darauf  zu. 

Ich  hefasste  mich  eben  mit  der  Verludung  dieser  \ier  Stücke  auf 
Elephanten,  als  abermals  rasch  nacheinander  Kugelschüsse,  von  dem 
Kufe  -Tschitä,  Tschitä-  begleitet,  ertönten.  .Prönay  und  Stockinger 
hatten  auf  einen  Panther  im  hohen  Grase  geschossen  und  ihn  gefehlt. 
Mit  meinem  schnellen  Elephanten  kam  ich  eben  noch  zurecht,  um  den 
Panther  vorsichtig  in  das  Dschungel  wegschleichen  zu  sehen.  Ich  gab 
Eeuer,  roulierte  den  Panther  und  rief  den  herbeikommenden  Herren 
zu,  nicht  mehr  zu  schielien,  da  das  Thier  bereits  verendet  sein  müsse, 
als  der  Panther  plötzlich  wieder  hoch  wurde  und  unter  heftigem  Brüllen 
den  noch  nicht  ganz  geschlossenen  Kreis  durchbrach.  Auf  Nimmer- 
wiedersehen, dachte  ich;  doch  hatte  ich  nicht  mit  den  scharfen  Augen 
und  der  Gewandtheit  der  Eingeborenen  gerechnet;  denn  während  es  uns 
unmöglich  gewesen  wäre,  die  Richtung  anzugeben,  in  welcher  der 
Panther  gellüchlet,  halten  die  SchikärTs  dieselbe  sehr  wohl  bemerkt  und 
den  Flüchtling  bald  wieder  eingekreist.  Auch  diesmal  brach  er,  obwohl 
schwer  angeschweiUt,  durch,  ohne  dass  wir  einen  sicheren  Schuss  hätten 
anbringen  können,  retirierte,  a  vue  von  einer  wilden  Jagd  gefolgt,  in 
einen  Stachel-schweinbau  und  war  kurz  darauf  neuerdings  eingekreist. 
Die  Mahäuts  sahen  den  Panther  am  Rande  der  Röhre  niedergethan  und 
deuteten  nach  der  Stelle,  die  ich  jedoch  des  gelben  Grases  halber  nicht 
ausnehmen  konnte;  endlich  schien  dem  Panther  die  Situation  doch 
zu  bedenklich,  so  dass  er  in  voller  Flucht  hervorstürzte  und  einen 
Elephanten  attaquierte,  indem  er  mit  beiden  Vorderpranten  auf  dessen 


Croupe  sprang,  worauf  ihm  Pn'may  .schließlich  den  Fangschuss  gaK 
Obschon  meine  Kugel  im  Blatte  sail,  hatte  iJef  Panther  «loch  nudi  Jic 
Kraft  gefunden,  zweimal  auszubrechen  und  einen  AngrifT  auf  nncn 
Elcphanten  zu  unternehmen,  —  geuiss  ein  Beweis  erstaunlicher  Lebens 
zähigkeiL 

Wir  gönnten  nun  uns,  dem  Jagdgefolge  und  den  braven  Ele- 
phanten  eine  kurze,  durch  ein  Frühstück  geuürzie  Rast,  welche  nach 
dem  erfolgreichen  Waidwerke,  das  wir  vollbracht  hatten,  eine  wohl- 
verdiente genannt  werden  durfte.  Der  Sammlungseifer  ließ  uns  jedoch 
auch  während  dieser  Pause  nicht  völlig  zur  Ruhe  kommen,  so  dass  wir 
unausgesetzt  nach  Beute  ausspähten.  Hiebei  war  ich  insofeme  v-m 
filücke  begünstigt,  als  ich  in  unserer  unmittelbaren  Nähe  im  Grase  di« 
Haut  einer  über  5  m  langen  P>'thon -Schlange  fand.  Nach  dieser  Unler- 
brechung  wurde  die  Jagd  wieder  aufgenommen. 

Das  Terrain,  welches  wir  durchstreiften,  war  besonders  reich  an 
Wild,  namentlich  an  solchem  seltener  vorkommender  Arten.  Clam  und 
ich  erlegten  je  einen  Erdhasen,  ich  außerdem  zwei  Zibethmarder;  reiche 
Beute  lieferte  ein  von  Famen  und  Lianen  über^vucheries  Dschunprl, 
der  Ueblingsaufenthalt  von  Bronzetauben  und  Dschungelhühnem.  AI* 
diese  schönen  Hühner  mit  dem  gelb  und  metallisch  schillemiii'ii 
Gefieder  und  den  rothen  Kämmen  vor  uns  herliefen,  konnten  «ir 
glauben,  in  einen  Hühnerhof  gerathen  zu  sein;  fliegend  hingegen 
streichen  sie  ebenso  rasch  wie  unsere  Rebhühner.  In  der  Regel  atwr 
bekommt  man  sie  selten  zu  Gesicht,  da  sie  ungemein  schnell  unJ 
undauernd  vorlaufen  und  erst,  wenn  sie  am  Rand  eines  Dschungel-' 
oder  an  einem  Wasserlauf  angelangt  sind,  aufstehen,  um  hoch  abiu- 
streichen.  Wir  waren  jedoch  überaus  begünstigt,  so  dass  wir  im  gun«" 
52  Dschungel hühner  erlegten. 

Die  Gesammtstrecke  des  Tages  betrug  100  Stücke,  wonjnter 
16  Hirsche  verschiedener  Arten.  Abends  im  Lager  versicherte  uns  J*f 
Resident.  —  und  die  Nepalesen  stimmten  zu  —  dass  eine  so  reiche 
Strecke  noch  niemals  an  einem  Tag  erzielt  worden  sei.  Kein  WunJef. 
dass  die  beste  Laune  im  Kreise  der  Jagdgefährten  herrschte  und  J"-' 
Ergebnisse  des  Tages  unerschöpflichen  Stoff  zu  anregendster  l'ntet* 
haltung  boten. 

Bei  den  großen  Streifungen  sind  immer  zahlreiche  Terra! nhinJc- 
nisse  zu  übcru-inden;  namentlich  Flusslaufe  und  tiefeingeschnittene,  a" 
der  Sohle  versumpfte  Grüben   und  Schluchten.   Die  Flusslaufe  dur 
ziehen  in  mäandrischen  Krümmungen  die  Ebene;  die  Ufer  liegen  ho^ 


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Nepal. 


^diager  in  Barbatta  Tal 
L  Beli-Katni 


-  Dechta  Boli  - 
Bhanderia. 


Barbatta  Tai.  13.  März. 


Zeitlich  morgens  schon  herrachte  lebhafte  Bewegung  im  Lager 
kna  Bägh,  welches  abgebrochen  und  !0  km  südöstlich  in  Barbatta 
1  aufgeschlagen  werden  sollte.  Das  Abbrechen  eines  so  großen  Lagers, 
:  das  unsere  war,  erfordert  geraume  Zeit  und  nimmt  daher  bereits  mit 
gesgrauen  seinen  Anfang;  zwei  Stunden  vor  dem  Abmärsche  wird 
lon  an  den  Zelten  gerüttelt,  so  dass  an  Schlafen  und  Ruhen  nicht 
hr  zu  denken  ist;  zuerst  werden  das  Küchen-  und  das  Speisezelt, 
in  die  übrigen  Behausungen,  unsere  zuletzt,  abgebrochen;  in  langer 
ihe  stehen  Lastkameele  bereit,  um  mit  den  Zelten  bepackt  zu 
irden;  jedes  Kameel  wird  auf  einer  Seite  mit  der  um  die  Zeltstangen 
wickelten  Zellleinwand,  auf  der  anderen  Seite  mit  einem  großen,  die 
öcke  enthaltenden  Sacke  beladen;  die  Elephanten  werden  gesattelt, 
;  Zugthiere  vor  die  Karren  gespannt,  auf  welchen  die  Bagage  und 
e  Zelteinrichtung  untergebracht  wird.  Was  in  den  Karren  nicht  mehr 
atz   findet,  nimmt  ein  Tross   von  Kulis  auf  die  kräftigen  Schultern. 

Endlich  ist  die  Karawane  zum  Aufbruche  bereit  —  ein  langer, 
inter,  lebhafter  Zug,  den  wir  von  der  Höhe  unserer  Reitelephanten  über- 
ihauen:   voran,  im  Gänsemarsche,   alle  Elephanten   mit  den  Häudas; 


dann  die  Kameele  mit  ihrer  Last;  hierauf  die  Kulis,  an  deren  Tmg- 
stangen  Geräthe  alter  An,  solche  intimster  Beätitnmung  nicht  aus- 
geschlossen, schwanken;  unter  Bedeckung  einer  bewaffneten  Escor« 
schließen  sich  die  Karren  an,  gezogen  von  den  wunderlichsten  Bespttn- 
nungen.  Hier  sieht  man  V'iererzüge,  aus  Ochsen  und  Büffeln  zusammen- 
gestellt; dort  theilt  fm  Zweigespann  ein  Büffel  mit  einer  Kuh  Jes 
Weges  und  der  Last  Beschwerde;  da  müht  sich  mageres  JungvieS 
ab,  einen  Karren  zu  schleppen;  auf  jenem  Vehikel  thront  ein  nepa- 
lischer Beamte,  Babu  genannt;  dort  sitzt  stolz  der  Koch,  wohlbeleibt, 
wie  es  sich  ziemt;  hier  flattern  Bettdecken  aus  einem  Karren,  auf 
welchem  Perlhühner  fröhlich  gackern;  todbringende  Gewehrein  trauter 
Gemeinschaft  mit  friedlichen  Küchengeräthen  lagern  auf  diesem  Fahr- 
zeuge; jenes  führt  die  Kiste  mit  dem  literarischen  Rüstzeug,  den  trans- 
portablen Flaschenkeller  und  all  die  Gifte  Hodeks.  Hin  und  wieder 
bleibt  wohl  im  aufgelockerten  Weg  einer  der  Wagen  stecken,  der  müh- 
selig genug  mit  Vorspann  wieder  Hott  gemacht  werden  muss.  Nach 
mancher  Fährlichkeit  aber  ist  der  Zug  am  neuen  Lagerplatze  in  guter 
Ordnung  angelangt,  wo  die  Soldaten  der  Kscorle  llugs  den  Raum 
abstecken,  und  die  Zeltstadt,  an  einem  reizenden,  von  mächtigen  Sa!- 
Bäumen  beschatteten   Fleck  Erde  gegründet,  in   kurzer  Zeit  erbaut  isl. 

Auf  dem  Lagerplatze  wurden  wir  mit  der  angenehmen  Nachricht 
begrüßt,  dass  in  dem  Dschungel,  wo  wir  zwei  Tage  zuvor  gejagt. 
Tiger  seien.  Die  Schikäris  baten,  vorauseilen,  die  Tiger  bestätigen 
und  allenfalls  den  Kreis  schließen  zu  dürfen;  wir  sollten  günstige 
Botschaft  abwarten  und  dann  auf  den  Rertelephanten  folgen.  Wir  Itialen 
unterdessen,  was  wir  nicht  lassen  konnten,  will  sagen,  wir  ergötzlen 
uns  an  einem  Frühstücke,  nach  dessen  Beendigung  einer  um  den 
andern  aus  der  Gesellschaft  in  sein  neu  errichtetes  Heim  verschwand. 
der  süßen  Ruhe  zu  pflegen.  Bald  lag  das  ganze  Lager  in  sanllen' 
Schlummer. 

Plötzlich  wurden  wir  aufgescheucht  —  von  Zell  zu  Zelt  lief  die 
Kunde:  sechs  Tiger  sind  bestätigt.  Vorbei  war's  mit  der  Ruhe,  dem 
Schlummer,  alles  stüi-zte  aus  den  Zelten,  warf  sich  in  die  Sättel  und  [ort 
gieng'b  in  die  Sumpfregion,  wo  unser  bereits  ein  geschlossener  Kre'* 
harrte.  Hier  schmolzen  die  sechs  Tiger  bald  auf  einen  einzig*^" 
zusammen,  allerdings  ein  ausnehmend  starkes  Exemplar,  welches  ili^ 
in  das  Dschungel  eindringenden  Elephanten  mit  Gebrüll  empfleng,  sofo" 
hoch  wurde  und  im  dichten  Grase  umhersauste,  ohne  sichtbar  zu  werden. 
Kndlich  schoss  ich  auf  ein  Röhricht,  hinter  dem  ich  irrigerweise  den 


Tiger  vermuthete;  Wurmbrand  folgte,  fehlemi,  meinem  Beispiele,  bis 
Clam,  dessen  Elephanten  der  Tiger  angriff,  demselben  einen  Blattschuss 
beibrachte,  worauf  ich  ihm  den  Fangschuss  gab. 

Bei  prachtvollem  Sonnenuntergänge  —  der  Himälaya,  über  dem  ein 
schweres  Gewitter  aufzog,  leuchtete  in  fahlen  Farben  ^  kehrten  wir  in 
unser  Waldlager  zurück. 


Dechta  Bnli,  14.  März. 


tObschrin  der  Platz  für  das  Lager  in  Barbatta  Tai  gut  gewählt  war 
die  Umgegend,  nach  den  Erfahrungen  des  Vortages  zu  schliefen. 
gute  Beute  zu  versprechen  schien,  wurde  das  Lager  doch  schon  am 
frühen  Morgen  abgebrochen,  um  1 1  tut  östlich  nach  Dechta  Boli  veriegt 
zu  werden. 

Während  die  Traincolonne  den  kürzesten  Weg  einschlug,  streiften 
wir  mit  etwa  100  Elephanten  durch  dichte  Dschungel  gegen  den  neuen 
Lagerplatz.  Hatte  das  Jagdterrain  anfänglich  auch  vielverheißend  aus- 
gesehen, so  trafen  wir  hier  doch  nur  auf  wenig  Wild,  so  dass  ich  bloß 
einen  Schopf-Schlangenadler  (Spilornis  cheela)  und  einen  Bellenden 
Hirsch  erlegte;  erst  in  der  Nähe  eines  Flusses,  an  dessen  Llfer  unser 
Lager,  fast  schon  völlig  aufgeschlagen,  sich  erhob,  standen  Pfaue  und 
Dschungelhühner  auf,  deren  wir  einige  erbeuteten. 

Nach  dem  Eintreffen  im  Lager  sah  ich  den  Ober-Schikäri,  gefolgt 
von  einer  Anzahl  Elephanten,  gegen  das  nördlich  vom  Flusse  gelegene 
Walddschungel  reiten,  woraus  ich  schloss,  dass  im  Laufe  des  Tages 
noch  auf  eine  Tigerjagd  zu  hoffen  sei.  Ich  hatte  mich  nicht  getäuscht; 
denn  zwei  Stunden  später  bestimmte  uns  ein  Bote,  dem  Oher-Schikäri 
bis  an  eine  Stelle  zu  folgen,  an  der  in  einem  Dschungel,  mitten  im 
prächtigen  Walde,  ein  Tiger  eingekreist  war.  Ich  stand  an  einer  dicht- 
bewachsenen  Mulde,  aus  welcher  nach  kurzer  Zeit  der  Tiger  brüllend 
hervorstürzte,  um  sich,  durch  zwei  meiner  Kugeln  getroffen,  gegen  Clam 
zu  wenden  und,  von  diesem  mit  einem  Fangschusse  bedacht,  verendend 
in  das  Gras  zurückzustürzen.  All  dies  hatte  sich  innerhalb  weniger 
Augenblicke  abgespielt.  Jubelnd  umdrängten  die  Nepalesen  den  starken 
Tiger,  den  sie  so  vorzüglich  bestätigt  hatten,  und  der  auf  dem  Rücken 
eines  Elephanten  festgebunden,  —  ein  imposanter  Anblick  —  alsbald 
ins  Lager  gebracht  wurde,  wo  ihn  Hodek  übernahm. 

So  oft  dieser  einen  Tiger  abzieht,  ist  er  von  Eingeborenen  um- 
lagert, die  auf  den  Augenblick  lauern,  in  welchem  der  Präparator  seine 
.Arbeit  gethan;  dann  stürzen  sie  wie  die  Geier  auf  den  Tiger,  von  dem 


sie  ein  Stück  zu  erhaschen  suchen,  da  dem  Tigerfleische  besonders  heil- 
kräftige Wirkung  zugeschrieben  wird.  Als  Arcana  werden  am  meisten 
die  Leber  und  das  Pett  geschätzt. 

Nach  Anbruch  der  Dunkelheit  sahen  wir  in  weiter  Feme  einen 
starken  Dschungelbrand  —  ein  Schauspiel,  das  man  übrigens  sehr  oft 
genießen  kann,  da  die  Eingeborenen  das  dürre  Gras  häufig  in  Brand 
stecken,  um  das  Henorsprießen  neuer  Keime  zu  befördern. 


Dechta  Boli,  15.  Mari 

Da  kein  Tiger  gerissen  hatte,  wurde  ein  General-shooting  unter- 
nommen und  zu  diesem  Zwecke  nach  Passierung  des  Flusses  der  Weg 
an  einem  Dorfe  vorbei  eingeschlagen. 

Wir  konnten  hier  aus  nächster  Nähe  die  armseligen  Rohr- 
hütten, sowie  die  primitiven  Haus-  und  Feldgeräthe  der  Nepalesen 
beobachten.  Rings  um  die  Hütten  ist  dem  Dschungel  etwas  Boden  ab- 
gewonnen und  dieser  durch  die  Eingeborenen  bebaut  worden,  welche 
trotz  ihrer  Armut  und  des  fieberigen  Klimas  nicht  so  herabgekommen 
und  verwahrlost  aussehen,  wie  mitunter  deren  indische  Verwandte,  die 
Hindus,  \iolc  der  Orisinsassen  befassen  sich  mit  X'iehzucht  und  nehmen 
sogar  Vieh  aus  Indien  auf  ihre  Weiden;  doch  ist  das  Aussehender 
Herden  ein  geradezu  schreckliches;  denn  die  einzelnen  Stücke  \ie'' 
scheinen  nur  aus  Haut  und  Knochen  zu  bestehen.  Krankheiten  und 
roilJcndc  Thiere,  namentlich  Tiger,  fordern  zahllose  Opfer,  da  im  Tar»' 
(■icbieie  Kinder  und  Büffel  in  halbwildem  Zustande  umherlaufen,  so 
dtiss  man  häutig  mitten  im  Walde  an  Orten,  wo  weil  und  breit  kei^* 
Niederlassunj;  ;*.u  sehen  ist.  einer  Herde  begegnet,  die  scheu  vor  li*^ 


n  Anliegen  wurde  zwar  willfahrt,  doch  gienß  dies  gegen  die 
ursprünglich  von  den  Jagdleitern  gefasbtcn  Pläne,  wet.halb  wir  ziemlich 
rath-  und  ziellos  auf  einer  großen  N'iehtrift  umherzogen,  ohne  ein 
gutes  Dschungel  zu  finden.  Doch  bot  auch  dieses  Gebiet  jagdliche  Aus- 
beute, nämlich  Hasen,  deren  wir  eine  für  Indien  sehr  erhebliche  Anzahl 
zur  Strecke  brachten.  Endlich  entschloss  man  sich  zum  Frühstücke, 
—  immer  ein  probates  Auskunftsmittel  —  wonach  wir,  da  die  Jagd- 
leiter sich  wieder  zurechtgefunden  hatten,  einen  recht  hübschen  Streif 
längs  eines  Wasserlaufes  machten,  in  dessen  Uferbereiche  sich  zahl- 
reiches kleines  Wild  fand  und  einmal  sogar  —  angeblich  —  ein  Panther 
gespürt  wurde,  da  plötzlich  der  Ruf  -Tschitü,  Tschitä«  erscholl;  ja 
mehrere  Leute  wollten,  wie  dies  bei  ähnlichen  Gelegenheiten  schon 
zu  gehen  pflegt,  den  Panther  bestimmt  gesehen  haben;  doch  lieferte 
der  mit   gewohntem  Geschicke   sofort  formierte  Kreis  kein  Ergebnis. 


^H  Dcchta  Boli,  16.  März. 

^^  Wir  hatten  uns  noch  immer  mit  der  Hoffnung  getragen,  Tiger  zu 
erbeuten.  Aus  diesem  Grunde  war  das  Lager  noch  nicht  abgebrochen 
worden.  Da  jedoch  bis  10  Uhr  vormittags  keine  Meldung  eingetroffen 
■war,  ordnete  der  Resident  einen  großen  Streif  in  den  günstigsten,  das 
heißt  in  jenen  Theilen  des  Dschungels  an,  die,  wie  behauptet  wurde, 
Tigern  zum  Aufenthalte  dienten.  Wir  bekamen  zwar  auch  hier,  während 
<ier  den  ganzen  Tag  erfüllenden  Jagd  keinen  Tiger  zu  Gesicht,  dafür 

jedoch  allerlei  anderes  Wild;  so  erlegte  ich  allein  10  Stück  .-^xiswild, 
S  Stück  Schweinshirschwild,  einen  Bellenden  Hirsch,  ein  Stück  Schwarz- 
wild, einen  Schopf-Schlangenadler,  einen  mir  bisher  noch  unbekannten 
liabi  cht  ähnlichen  Adler  (Spizaetus  nipalensis),  —  zur  Gattung  der 
-Haiibenadler  gehörig  —  verschiedenes  anderes  Federwild,  darunter 
«inen  der  prachtvollen  zinnoberrothen  Mennigvögel.  Pronay  schoss 
«inen  .Sumpfhirsch  von  sechs  Enden. 

Bei  dieser  Jagd  gieng  es  zunächst  durch  lichten  Wald  mit 
<.'irasuntervvuchs;  dann,  nach  einer  großen  Schwenkung  und  nach 
Durchquerung  eines  Flusses,  in  coupiertes  Terrain  mit  gemischtem 
Vnterwuchs.  Ein  großer  Theil  des  hier  besonders  zahlreichen  Wildes 
fcrach  —  was  selten  zu  erfolgen  pflegt  ^  durch  die  Elephantenlinie 
zurück,  gleichwohl  gelang  mir  zu  meiner  Freude  ein  coup  double  auf 
einen  starken  Axishirsch  und  ein  Wildschwein,  die  in  der  Flucht  an  mir 
vorbeiwechselten. 


Plötzlich  entstand  der  falsche  Alarm,  es  sei  ein  Panther  erblickt 
worden,  aber  die  Aufregung,  die  sich  angesichts  solcher  Verheißung 
unser  bemächtigte,  machte  leider  rasch  tragikomischer  Enttäuschung 
Platz;  denn  das  als  Panther  angesagte  Stück  erwies  sich  als  ein  —  Wild- 
schwein ! 

Der  Streif  führte  uns  zu  einer  von  zwei  Flussläufen  eingeschlos- 
senen Halbinsel,  deren  Formation  die  Schützen  einander  ganz  nahe 
brachte;  da  nun  aber  jeder  mit  seinen  Schüssen  dem  andern  zuvor- 
kommen wollte,  gab  es  eine  große  Zahl  eiliger  und  deshalb  schlechter 
Schüsse.  Hier  wurde  selbst  auf  die  allerweiteste  Distanz  noch  die  Büchse 
abgedrückt,  dort  in  der  Überstürzung  ein  Stück  Wild  von  mehreren 
Herren  zugleich  gefehlt. 

Ein  kleines  .Abenteuer  war  dem  guten  Hodek  vorbehalten.  Der- 
selbe hatte  meine  Erlaubnis  erbeten,  an  der  Jagd  theilzunehmen:  allein 
gegen  Mittag  überkam  ihn  schwere  Sorge  um  die  Bälge  und  Felle, 
welche  zum  Trocknen  aufgehängt  und  noch  nicht  verpackt  waren. Von 
Pflichteifer  erfüllt,  trennte  er  sich  von  uns,  um  zum  Lager  zurückzu- 
kehren, nachdem  sein  Häudist.  das  ist  der  Eingeborene,  der  mit  ihm  in 
der  Häuda  saß,  über  den  kaum  eine  Stunde  betragenden  Weg  insUger 
genau  instruiert  worden  war.  .\\s  wir  des  ,\bends  von  der  JagJ  ein- 
rückten, war  aber  noch  immer  kein  Hodek  da.  Es  schlug  9  Uhr,  als  er 
uns  endlich  wieder  vor  Augen  kam,  mit  Recht  unwillig  darüber,  dass 
ihn  sein  Mahäut,  immer  aufs  neue  den  Weg  verfehlend,  so  viele  Stunden 
lang  in  halb  Nepal  spazieren  geführt. 

Guleria,  17.  Mä« 


zustatten  kam.  Die  unfreiwillige  Pause  unseres  Jagdlebens  wurde  — 
nicht  ohne  mancherlei  Erwägungen  über  die  respectiven  Vorzüge  von 
Schreibfeder  und  Büchse  —  zur  Erledigung  der  Post  benützt. 

Mit  Beginn  der  Dunkelheit  ballten  sich  schwere  Wolken  zusammen 
und  es  regnete  in  Strömen.  Wiewohl  die  Zelte  sich  als  regendicht 
erwiesen,  hatten  wir  von  dem  recht  unliebsamen  meteorologischen 
Phänomen  insofern  zu  leiden,  als  im  Innern  der  Zelte  alle  Gegenstände, 
insbesondere  die  Kleider  und  die  Wäsche  ganz  feucht  wurden. 

Beli,  18.  März. 

Der  Abbruch  des  Lagers  Guleria  bereitete  Schwierigkeiten,  da  die 
nassen  Zelte  sich  schwer  zusammenlegen  und  rollen  ließen.  Von  Tigern 
war  keine  Meldung  eingelaufen.  Da  es  eben  nicht  regnete,  sollte  in  Form 
eines  General-shootings  zum  nächsten,  23  km  in  östlicher  Richtung 
entfernten  Lagerplatze  Beli  gestreift  werden;  die  Linie  war  jedoch  kaum 
aufgestellt,  als  sich  die  Berge  neuerdings  mit  Wolken  umhüllten  und 
ein  starker  Regen  niedergieng,  der  mit  kurzen  Pausen  den  ganzen  Tag 
andauerte,  um  gegen  Abend  an  Intensität  zuzunehmen. 

Das  Terrain  der  heutigen  Streifjagd  war  besonders  schwierig, 
da  wir  zum  mindesten  zwanzigmal  einen  der  sich  in  Schlangen- 
windungen dahinziehenden  Flüsse  mit  seinen  steilen  Ufern  zu  passieren 
hatten,  eine  harte  Arbeit  für  unsere  Elephanten.  Überdies  mussten  wir 
meistentheils  durch  dichtes  Baumdschungel  ziehen,  so  dass  die  Köpfe 
der  Elephanten  und  die  Messer  der  Eingeborenen  viel  zu  thun  hatten. 

Gleich  im  Anfange  wurde  ein  Tiger  gespürt,  das  Schießen  auf 
anderes  Wild  eingestellt  und  nur  nach  dem  Tiger  gefahndet;  doch  da 
sich  die  Fährte  in  Bälde  verlor,  kam  wieder  die  Ordre,  alles  Wild  zu 
bejagen.  Ich  erlegte  in  der  Folge  meinen  ersten  Sumpfhirsch,  der  leider 
nur  ein  Spießer,  im  Wildpret  jedoch  so  stark  war  wie  ein  sehr  guter 
jagdbarer  Hirsch  unserer  Wälder;  im  übrigen  war  aber  das  so  dichte 
Dschungel,  auf  welches  die  Eingeborenen  viel  Hoffnung  gesetzt  hatten, 
sehr  wildarm. 

Als  wir  auf  eine  größere  Viehtrift  heraustraten,  sah  ich  einen 
Vogel  in  der  Größe  einer  Zwerg-Trappe  vor  mir  wegstreichen,  den  ich 
nicht  ansprechen  konnte.  Da  der  Vogel  sehr  scheu  war  und  vor  dem 
Elephanten  nicht  aushielt,  so  schlich  ich  ihn  zu  Fuß  an  und  erlegte  in 
ihm  zu  meiner  großen  Freude  einen  seltenen  Ibis  (Geronticus  papil- 
losus)  mit  stahlblaufarbigen  Flügeln,  braunem  Leib  und  rothem  Kopfe. 

379 


In  demselben  Augenblicke  strich  ein  großer  Adter  knapp  über  mir 
hinweg;  ich  hatte  gerade  noch  Zeit,  eine  frische  Patrone  zu  laden,  um 
ihn  aus  der  Luft  zu  holen.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Jagd  traf  mich  da« 
Missgeschick,  bei  einem  schwierigen  Cbergange,  der  meine  HäuJa 
bedeutende  Schwankungen  brachte,  einen  besonders  schönen  Nashi 
vogel  zu  fehlen. 

Der  Regen  wurde  stets  heftiger,  die  Klephanten  ermüilel 
infolge  der  vielen  Terrainhindernisse  und  des  nassen,  schlüpfrigen 
Bodens  halber;  wir  waren  bis  auf  die  Haut  durchnässt;  die  Gurten  unJ 
Riemen  der  Häudas  verschoben  sich  immer  mehr  —  so  kamen  wir 
denn  schließlich  in  recht  kläglichem  Zustande  im  Lager  von  Bell  an. 
Hier  sah  es  trübselig  genug  aus;  zwischen  den  Zelten  blieb  man  beinah« 
im  Kothe  stecken:  kein  Feuer  wollte  brennen;  alles  war  feucht  utuldw 
Arzt  lief  fortwährend  mit  Chininpillen  umher,  jeden,  dem  er  begegnete. 
damit  überfallend,  um  das  Gespenst  der  hier  stark  grassierenden  Malaii» 
zu  bannen. 


da« 

1 


Bell.  19. 


J 


{dleit  - 
unsj 
rigtiffl 
gefO^ 


Die  ganze  Nacht  hindurch  hatte  es  unaufhörlich  geregnet.  Geg**^ 
Morgen  legte  sich  das  Unwetter,  so  dass  wir,  da  kein  Tiger  bestätig 
war,  wenigstens  zu  einer  StreiQagd  in  ein  nahe  am  Lager  befindlich® 
Dschungel  ausziehen  konnten,  das  sich  jedoch  nahezu  wildleer  erwi  ^ 
kaum  jede  halbe  Stunde  hörte  man  einen  Schuss.  Als  wir  den  JagdleiC^  * 
den  \'etter  des  Maharadschas,  deshalb  interpellierten,  erklärte  er  uiü 
habe  dergleichen  geahnt,  da  man  ihm  aber  gemeldet,  dass  ein  Tig( 
diesem  Walde  gespürt  worden  sei,  habe  er  den  Streif  dahin  ] 

Um  allen  weiteren   Erörterungen  ein  Ziel   zu  setzen,   befahl  ^* 
das  Frühstück  herbeizubringen  und  ordnete  eine  Rast  an.  womit  ich,  ^ 
bei  unseren  bisherigen  Expeditionen  das  Frühstück  schon  oft  eine  se 
günstige  Wendung  in   die   Schicksale   des  Jagdtages  gebracht  hatc3 
zufrieden  war,  besonders  weil  wir  bald  wieder  aufbrachen,  um  in  e. 
besseres,  gemischtes  Dschungel  zu  gelangen. 

Ich  hatte  eben  eine  kleine  Schlucht  passiert  und  die  ganze  Lin. 
war  in  ein  sehr  hohes  Gras-  und  Schilfdschungel  gekommen,  als  ic^ 
Theile  eines  von  einem  Tiger  frisch  gerissenen  Rindes  im  Grase  fnn^ 
Ich  machte  die  neben  mir  reitenden  Schikäris  und  Jagdleiter  darauf  au 
merksam,  welche,  nachdem  sie  den  Killplatz  genau  untersucht,  d^ 
Häupter  schüttelten  und  mit  lebhaften  GesticulatJonen  eine  längei — 
Besprechung  abhielten,  der  ich  entnahm,  dass  sich  der  Tiger  nicht  we  * 


lässt.  Beim  Aufbrechen  fand  man  im  Magen  die  noch  ganz  erhaltene 
Hälfte  einer  Kuh  mit  Decke,  Kopf,  Ohren  u.  s.  w..  ebenso  beim  Abstreifen 
meine  Schrote  unter  der  Decke  genau  auf  dem  Blatte  sitzen.  Ich  hob  sie 
mir  als  trauriges  Andenken  auf.  Bei  all  dem  war  ich  sehr  erfreut,  das« 
gerade  Wurmbrand,  der  bisher  noch  kein  W'ai  dm  annsheil  gehabt,  den 
Tiger  erlegt  hatte.  Die  weitere  Fortsetzung  des  Streifes  ergab  nichl 
mehr  viel  Wild,  dafür  aber  als  Vertreter  einer  für  uns  neuen  Art,  zwei 
Zibethkatzen  (Viverra  zibetha),  welche  durch  intensive  und  zahlreiche 
dunkle  Flecken  und  Streifen  ausgezeichnet  sind. 

Gegen  .Abend,  als  wir  schon  ins  Lager  zurückgekehrt  waren,  gieng 
ein  heftiges  Gewitter  nieder,  bei  dem  es  ohne  Unterbrechung  donnerte. 
Der  niederströmende  Gussregen  war  keineswegs  danach  angelhan,  die 
Feuchtigkeit  des  noch  von  gestern  her  nassen  Lagers  zu  vermindern. 

Beim  Abendessen  gab"s  auf  einmal  Tigeralarm.  Einige  ängstliche 
Kulis  stürzten  mit  der  Meldung  herbei,  ein  Tiger  habe  einen  Büffel 
gerissen  und  sitze  auf  ihm.  Die  um  die  Thiere  besorgten  Leute  zündelen, 
um  den  Tiger  zu  verscheuchen,  allenthalben  Feuer  an;  die  Meldung 
erwies  sich  jedoch  als  falsch,  so  dass  es  beim  bloßen  Schrecken  bli 


Katni,  20.  Mäf 

Die  Eingeborenen  und  namentlich  die  leitenden  Führer  hatten 
uns  schon  tagszuvor  erklärt,  dass  bei  .i^ndauer  des  Regenwetters  an  e 
Abbrechen  und  Fortschaffen  des  Lagers  nicht  zu  denken  sei,  da  sär 
liehe  Kameele  und  Wagen  im  Kothe  stecken  bleiben  müssten  und  fl 
dies  die  nassen  Zelte  beim  Verpacken  Schaden  leiden  würden.  Da  a 
auch  zugegeben  wurde,  dass  die  Gegend,  in  der  unr  uns  befani 
keine  sonderliche  Jagdausbeute,  insbesondere  keine  solche  an  Tigj 
erwarten  lasse  und  wir  auf  Erfolge  erst  im  nächsten  Lager  rechl 
dürften,  so  drang  ich  mit  allem  Nachdrucke  darauf,  das  Lager  i 
brechen  und  unter  jeder  Bedingung  zu  versuchen,  die  nächste  Sta 
Katni,  zu  erreichen.  Nach  langen  Debatten  gelang  es,  die  Jagdleiter^ 
überreden,  und  zeitlich  morgens  schritt  man  daran,  das  Lager  ahj^ 
brechen.  Das  Fatalste  bei  der  Sache  war,  dass  wir  einen  langen  Mal 
von  23  km  in  südöstlicher  Richtung  vor  uns  hatten;  dafür  lugte  «bei 
Sonne  hervor  und  trocknete  wenigstens  unsere  durchnassten  Klfiifl 

Wir  ritten  mit  den  Reit- und  Jagdelephanten  vor-ius.  da  ein  1 
in  der  Nähe  des  neuen  Lagerplatzes  gekillt  hatte;  die  Karawane  s 
folgen.  Im  Verlaufe  unseres  langen  Rittes  sahen  wir  aber  mit  Besorg 


ie  Verwüstungen,  welche  der  nachhiiUige  Regen  an  den  Waldpfaden 
ngenchtet  hatte;  denn  überall  gab  es  Wasserlachen  und  Koth.  so  dass 
nsere  Elephanten  allerorts  tief  einsanken;  die  sonst  trockenen  Erdrisse, 
/eiche  die  Wege  kreuzen,  waren  stellenweise  meterhoch  mit  Wasser 
ngefüllt. 

Auf  dem  Lagerplätze  von  Katni  lief  bald  die  Meldung  ein,  die 
Carawane  sei  völlig  stecken  geblieben,  könne  nicht  vonvärts  und 
i'erde,  da  alles  umgeladen  werden  müsse,  wohl  nicht  vor  dem  nächsten 
borgen  anlangen.  Die  Kameele  glitten  nämlich  in  dem  kothigen  Terrain 
lerart  aus,  dass  ein  Weitertreiben  derselben  nicht  möglich  war,  und 
lie  schwächlichen,  schlecht  genährten  Ochsen  und  Büffel  waren  nicht 
m  Stande,  die  unpraktisch  gebauten,  zweiräderigen  Karren  fortzu- 
ichleppen. 

Auf  Strohbündeln  sitzend  harrten  wir,  während  die  Schikäris  mit 
ien  Elephanten  auszogen,  um  den  gemeldeten  Tiger  zu  bestätigen,  der 
iinge,  die  da  kommen  sollten.  Nach  und  nach  trafen  einige  \'orboten 
ies  Trains,  die  Kulis  mit  ihren  Lasten  und  einzelne  Soldaten  der 
iscorte  ein.  So  mochten  wir  ungefähr  fünf  Stunden  gewartet  haben, 
ils  die  sehr  erfreuliche  Botschaft  kam,  es  sei  den  Schikäris  gelungen, 
Jen  Tiger  zu  finden  und  einzukreisen.  Im  schnellsten  Laufe,  dessen 
Elephanten  fähig  sind,  gieng's  an  den  bezeichneten  Platz,  wo  wir  ganz 
iurchgerültelt  ankamen,  aber  zu  unserer  Befriedigung  den  Kreis  in 
schönster  Ordnung  fanden;  rasch  waren  die  Plätze  vertheilt,  und  die 
gewöhnliche  Arbeit  der  Schikäris  nahm  ihren  .'\nfang. 

Der  Jagdplatz  war  sehr  hübsch  gelegen,  ein  dichtes,  grünes  Gras- 
Ischungel,  umgeben  von  hohen  Sal-Bäumen  und  anderen,  mir  unbe- 
iannten  Bäumen,  die  wohlriechende,  rosarothe  Schmetterlingsblüten 
rügen.  Der  Tiger  riss  bald  vor  den  Elephanten  aus,  schlich  einige  Zeit 
n  dem  Dschungel  umher  und  fuhr  dann  plötzlich  gegen  Kinsky,  der 
hn  fehlte,  heraus,  um  sofort  wieder  im  Grasdickichte  zu  verschwinden; 
lach  einigen  Minuten  stürzte  derselbe  mit  Gebrüll  abermals  her\'or  und 
lahm  meinen  Elephanten  an.  Ich  rouHerle  den  Tiger  nun  zu  den  l-'üßen 
neines  tapferen  Häthi,  der  sich  nicht  gerührt  hatte,  worauf  der  Tiger. 
ier  einen  Hochblatlschuss  hatte  und  auf  dem  Boden  lag,  das  Haupt 
jegen  mich  wendete,  brüllend  den  Rachen  Öffnete  und  mir  die  Zähne 
vies.  Ein  prachtvoller  Anblick,  über  dem  ich  vergaß,  dem  Tiger  noch 
Hnen  Fangschuss  zu  geben,  so  dass  das  mächtige  Thier  plötzlich  wieder 
lOch  wurde  und  sich,  wenn  auch  noch  von  einer  zweiten  meiner  Kugeln 
getrofTen,  neuerdings  in  das  Grasdschungel  zurückzog. 


Nun  begann  eine  sehr  aufregende  Jagd,  da  der  schwerverwunJelc 
Tiger  sich  auf  das  energischeste  vertheidigte  und  alles  annahm,  was  ihm 
in  die  Nähe  kam.  Wir  durften  unsere  Stände  Im  Kreise  nicht  veria^sen, 
weil  sonst  Lücken  entstanden  wären,  durch  welche  der  Tiger  hätte  eni- 
wischen  können;  so  ritten  denn  die  Schikäris  in  das  Gras,  um  ihn 
herauszutreiben.  Der  Tiger  war  jedoch  schon  zu  schwach,  um  den  Platz, 
auf  dem  er  lag,  zu  verlassen,  und  vertheidigte  nur  mehr  in  sitzenJer 
Stellung  sein  Leben.  Ein  besonders  tapferer  Elephant  gieng  ihn  direct 
mit  dem  schrillen  Kampfesrufe,  welchen  diese  Thiere  bei  solchen 
Gelegenheiten  ausstoßen,  an,  warf  sich  auf  ihn  und  brachte  ihm  mit 
den  Stoßzähnen  eine  tiefe  Risswunde  am  Schlegel  bei;  doch  hatte  Jer 
Tiger  noch  hinlängliche  Kraft,  den  Elephanten  anzuspringen  und  sich 
in  einen  Vorderfuß  desselben  zu  verbeißen,  so  dass  das  Blut  in  Strömm 
hervort|uoll.  Nach  einigen  .Attaquen  dieser  Art  hörten  das  Gebrüll  und 
der  Kampf  endlich  auf;  der  Tiger  war  verendet. 

Wir  konnten  bei  dieser  Scene  nur  als  Zuschauer  ftjngieren  ufJ 
keinen  Fangschuss  anbringen,  da  der  Elephant  mit  seinem  Mahäut  unJ 
der  Tiger  immer  knapp  aneinander  waren  und  wir  befürchten  mussLer, 
den  Elephanten  oder  den  Mahäut  zu  treffen.  Der  Tiger,  ein  alles 
Männchen,  das  über  3  m  maß,  war  der  stärkste,  den  ich  bisher  erbcuiei 
hatte;  erst  als  er  verendet  war,  konnten  wir  die  klaffende  Wunde  in  d« 
Flanke  beobachten,  welche  ihm  der  Elephant  mit  den  Stoßzähnen  bei- 
gebracht; aber  auch  dieser  war  schlimm  zugerichtet,  hob  schmerzerfüÜi 
den  Kuß  empor  und  sog  das  strömende  Blut  mit  dem  Rüssel  auf. 

Nachdem  der  Tiger  noch  photographiert  worden,  nahmen  wir 
fröhlich  den  Weg  zum  Lager,  wo  uns  abends  wieder  ein  Tigeralann 
.Stoff  zur  IMterhaltung  bot.  Das  angebliche  Erscheinen  eines  Tigere 
hatte  unter  den  Kulis  große  .Aufregung  hervorgebracht,  bis  sich  scMiell- 
lich  hcniusstellte,  dass  der  -Tiger-  nur  ein  seinem  Wärter  entkommenef 
lUlffcl  wiir,  welcher  in  der  Finsternis  mit  einem  anderen  Büffel  kämpfte 


Katni.  21.  Märt 

Morgens  hieß  es.  ein  starker  Tiger  habe  in  der  Nacht  gerissen  und 
«Di  in  einem  nicht  sehr  entlegenen  Dschungel  ziemlich  sicher  bestätigL 
EtttKi'K<;n  dem  Kalhc  des  Residenten,  unsere  Jäger  mit  den  HäuJa- 
KkphimU'n  vorausKUSchieken  und  erst  eine  Stunde  später  selbst  nach- 
RuIiilttDH,  ungen  wir  es  vor  sofort  mitzureiten  und  wurden,  auf  dem 
Slülkllclicln  nnpclHnpt,  vom  Oheim  des  Maharadschas  mit  der  Naclirichl 
3S4 


cfen,  dass  der  Tiger  noch  jung  wäre  und  sieh  beim  geschlagenen 
Stücke  befände.  Als  die  Flügel  voreilten,  um  den  Kreis  zu  formieren, 
wurde  aus  dem  Tiger  ein  Panther  und,  als  der  Kreis  geschlossen  war, 
aus  dem  Panther  —  nichts.  Ziemlich  enttäuscht  verließen  wir  das 
Dschungel;  doch  da  die  Eingeborenen  mit  Bestimmtheit  auf  einen  Tiger 
rechneten  und  uns  versicherten,  dass  ein  solcher  sich  in  der  Nähe 
befände,  wurde  die  Linie  gebildet  und  ein  Streif  in  einem  ziemlich 
lichten,  benachbarten  Dschungel  unternommen,  wobei  aber  auf  kein 
anderes  Wild  als  auf  Tiger  geschossen  werden  sollte. 

Dem  hervorragenden  Spürsinne  der  Schikäris  widerfuhr  glänzende 
Genugthuung;  denn  wir  mochten  ungefähr  eine  halbe  Stunde  gestreift 
haben,  als  vom  linken  Flügel  her  der  Ruf  -Bara  Bägh-  erscholl.  Tch 
befand  mich  mit  Wurmbrand  und  Kinsky  in  der  Mitte  und  musste 
stehen  bleiben,  während  die  Flügel  von  den  Schikäris  zur  Schließung 
des  Kreises  beordert  wurden.  Mein  Mahäut  wies,  mir  •Bägh»  zurufend, 
beständig  gegen  einen  ziemlich  entfernten  Grasbusch  hin,  ohne  dass 
ich  jedoch  etwas  wahrnehmen  konnte,  da  ich  beim  Halten  der  Linie  in 
eine  sehr  ungünstige  Position,  in  eine  von  Bäumen  umgebene  Vertiefung 
gerathen  war.  Um  die  Anordnungen  der  Eingeborenen  nicht  zu  beirren, 
verharrte  ich  auf  meinem  Posten  und  sah,  als  die  Flügel  bereits 
anfiengen,  den  Kreis  zu  schließen,  in  beträchtlicher  Entfernung  von 
mir  einen  Tiger  zwischen  den  Bäumen  sich  im  Trolie  fortbewegen. 
In  demselben  Augenblicke  fiel  ein  Schuss  Kinskys,  der  Tiger  stürzte 
getroffen  und  that  sich  bei  einem  großen  Baume  nieder.  Kurz  darauf 
schoss  Wurmbrand  links  von  mir  auf  einen  schwachen  Tiger,  den  ich 
nicht  sehen  konnte  und  der  sich,  auch  getroffen,  in  einem  Grasbusche 
verbarg.  Unmittelbar  nachher  sah  ich,  ebenfalls  sehr  weit  von  mir, 
einen  dritten  Tiger  über  eine  kleine  Blöße  direct  gegen  Clam  wechsein, 
der  ihn  roulierte,  worauf  das  Thier  noch  bei  Kinsky  durchzubrechen 
versuchte,  von  diesem  aber  einen  Fangschuss  erhielt. 

Bei  dem  Einschwenken  des  linken  Flügels  zur  Schließung  des 
Kreises  war  eine  kleine  Verwirrung  dadurch  entstanden,  dass  ein 
vierter  Tiger  durchbrach  und  Fairholme  denselben  mit  einigen  Eie- 
phanten  besonders  einzukreisen  versuchte.  Stockinger  und  Prönay 
wollten  die  hiedurch  eingerissene  Lücke  verstellen,  verloren  aber  hiebei 
die  Direction,  erschienen  im  Jagdeifer  plötzlich  mitten  im  Kreise  vor 
uns  und  eröffneten  hier,  auf  den  von  Wurmbrand  angeschossenen  Tiger 
stoßend,  auf  diesen  ein  wohlgenährtes  Schnellfeuer,  so  dass  er  zum 
Schlüsse  von  sieben  Kugeln  durchbohrt  auf  die  Strecke  gebracht  wurde. 

^8-1 


Erlegung  von  Tigern  besonderer  Erlaubnis,  welche  dann  ertheilt  wird, 
wenn  ein  Tiger  unter  den  Viehherden  der  benachbarten  Ortschaften 
große  Verheerungen  anrichtet. 

Leider  wurde  abermals  ein  Nashornvogel  gefehlt;  Fairholme  erlegte 
einen  Black-buck,  den  ersten,  den  wir  bisher  in  Nepal  gesehen. 

Gegen  Ende  unseres  Streifs,  schon  ganz  nahe  am  Lager,  begannen 
zwei  Elephanten  aus  unbekannter  Ursache  miteinander  zu  kämpfen, 
wobei  der  eine  derselben  mit  einem  Stoßzahne  dem  Mahäut  des  anderen 
Elephanten  eine  tiefe  Riss-  und  Quetschwunde  in  der  Kniekehle  bei- 
brachte und  den  Mann  hiedurch  so  schwerverletzte,  dass  der  Bedauerns- 
werte das  Bett  wohl  durch  viele  Wochen  wird  hüten  müssen. 

Im  Lager  statteten  wir  dem  armen  angeschossenen  Elephanten 
einen  Besuch  ab  und  fanden  ihn  eben  unter  der  Behandlung  des  Arztes, 
wobei  ich  die  Klugheit  und  Geduld  des  Thieres  bewundern  konnte.  Auf 
Befehl  des  Wärters  legte  sich  der  Elephant  auf  die  rechte  Seite  und  sah 
mit  den  klugen  Augen  nach  dem  Arzte,  der  die  Wunde  mit  der  Sonde 
untersuchte,  ohne  dass  sich  hiebei  die  Kugel  gefunden  hätte.  Empfand 
der  Elephant  Schmerz,  so  verzog  er  nur  die  Lippen,  verhielt  sich 
aber  im  übrigen,  ebenso  wie  bei  der  noch  schmerzvolleren  Operation 
des  Auswaschens  und  Einpinselns  der  Wunde  ganz  ruhig,  als  wüsste 
er,  dass  ihm  diese  Procedur  nützen  würde.  Die  Ruhe  des  Thieres  war 
um  so  höher  anzuschlagen,  als  nach  den  Thränen,  welche  den  kleinen 
.■\ugen  entquollen,  zu  urtheilen,  die  Schmerzen,  welche  der  arme  Häthi 
7A\  ertragen  hatte,  nicht  geringe  waren. 

Katni,  22.  März. 

Der  heutige  Jagdtag  war  ziemlich  missglückt,  doch  der  richtige 
Jäger  muss  ja  des  Sprichwortes  stets  eingedenk  sein:  »Es  ist  alle  Tage 
Jagdtag,  aber  nicht  alle  Tage  Fangtag.«  Das  Wetter  war  so  herrlich, 
A'ie  es  in  unseren  Ländern  an  besonders  schönen  Septembertagen  zu 
sein  pllegt. 

Der  Morgenrapport  lautete,  dass  ein  starker  Tiger  auf  11  km 
lördlich  vom  Lager  gerissen  habe,  weshalb  wir  sofort  nach  dem  Kill- 
platze aufbrechen  sollten.  Die  Jagd-  und  Hauda-Elephanten  waren  bereits 
w'orausgcgangen,  wir  folgten  denselben,  einen  genussreichen  Ritt  durch 
3inen  grünen  Sal-Wald  bis  zum  Jagdplatz  unternehmend,  der  fast  un- 
mittelbar am  P'uße  des  Gebirges  gelegen  war.  Daselbst  emptiengen  uns 
die  Schikäris  mit  dem  Ausdrucke  der  Enttäuschung  in  ihren  Mienen  und 
meldeten,  dass  sie  bereits  einen  großen  Kreis  gemacht,  den  envartcten 


38: 


'Jö* 


fanden  zwischen  Hals  und  Blatt  eine  ganz  eingekapselte  Rundkugel 
größten  Calibers,  die  ihm  seinerzeit  gewiss  viel  Unannehmlichkeiten 
bereitet  haben  dürfte. 

Die  Eingeborenen  schienen,  da  in  den  letzten  drei  Tagen  vier 
Tiger  gefallen  waren,  ohne  dass  ich  einen  derselben  erlegt  hatte,  mit 
dem  Resultate  der  Jagd  nicht  einverstanden;  sie  eilten  daher  sofort  ins 
Lager,  wohin  wir  ihnen  eine  Stunde  später  folgten,  zurück,  um  nach- 
mittags einen  Panther  aufzusuchen,  der  in  südlicher  Richtung  vom  Lager 
gerissen  hatte.  Bei  dem  Eintreffen  im  Lager  hieß  es  jedoch,  der  Panther 
sei  nicht  gefunden  und  als  Ersatz  für  die  Jagd  auf  diesen  könne  ein 
General-shooting  unternommen  werden. 

Als  wir  uns  zu  diesem  rangierten,  fiel  mir  auf,  dass  hinter  der  Linie 
einige  Leute  Feuer  anzündeten,  um  einen  im  hohen  Dschungel  sicht- 
baren Bau  auszuräuchern.  Auf  mein  Befragen  wurde  mir  bedeutet,  es 
handle  sich  hier  nur  um  eine  Spielerei  der  Leute,  worauf  wir  beruhigt 
von  dannen  zogen,  eine  Ebene  am  Rande  eines  größeren  Flusslaufes 
durchstreifend,  in  der  ich  wieder  eine  der  schönen  Bengal -Trappen  mit 
weißen  Flügeln,  einen  capitalen  Schweinshirsch  mit  hohem,  starkem 
Geweih  und  zwei  Zibethmarder,  sowie  verschiedenes  kleineres  Wild 
erlegte. 

Leider  entkam  uns  eine  alte  starke  Hyäne  auf  eigenthümliche  Art. 
Ich  passierte  eben  ein  hohes  Grasdickicht,  als  einige  Elephantenführer 
in  meiner  Nähe  mir  auf  nepalisch  etwas  zuriefen  und  gleich  darauf 
unter  Schreien  und  Gesticulationen  ein  Stück  Wild  verfolgten,  das  sie 
auch  bald  eingekreist  hatten.  Ich  frug  den  neben  mir  reitenden  Resi- 
denten, was  es  sei,  worauf  mir  dieser  bedeutete,  es  sei  nur  ein  Zibeth- 
marder, den  man  in  dem  Grase  nicht  erblicken  könne,  weshalb  ich  auch 
nicht  zu  der  Stelle  reiten  möge,  wo  das  Thier  stehe,  da  ja  doch  jedes 
Bemühen  vergeblich  sei.  Infolge  dessen  meinen  Weg  fortsetzend,  gerieth 
ich  jedoch  in  nicht  eben  freudiges  Erstaunen,  als  ich,  zurückblickend, 
aus  dem  Dickicht,  welches  früher  leicht  zu  erreichen  gewesen  wäre,  eine 
gewaltig  große  Hyäne  springen  und  flüchtig  werden  sah.  Ihr  eine  Kugel 
nachzusenden,  verwehrte  mir  der  Umstand,  dass  sich  zwischen  der 
Hyäne  und  meinem  Standpunkte  Leute  und  Elephanten  befanden.  Clam 
und  Crawford  vermochten  nur  auf  weite  Distanzen  einige  erfolglose 
Schüsse  abzugeben. 

Als  die  Jagd  beendet  war,  brachten  uns  Leute  zwei  junge  Hyänen 
ins  Lager,  die  sie  aus  dem  Baue,  den  ich  schon  bei  Beginn  der  Jagd 
wahrgenommen,  ausgeräuchert  und  erschlagen  hatten;  somit  hatte  ich 


hinvveggcschleppt  hatte.  Dieser  schien  ein  erfahrener  Tiger  zu  sein, 
der  wohl  auch  schon  eine  Jagd  mitgemacht  hatte;  denn  als  wir  am 
Stelldichein  anlangten,  meldeten  uns  die  Schikäris,  sie  hätten  einen 
Tiger  gesehen,  ihn  aber  nicht  einkreisen  können.  Vermuthlich  —  das 
wollten  sie  nicht  eingestehen  —  war  ihnen  der  Tiger  auf  irgend  eine 
geschickte  Weise  entschlüpft.     ' 

Da  wir  den  Tiger  nunmehr  in  der  Richtung,  die  er  genommen, 
suchen  sollten,  wurde  die  Linie  gebildet  und  ein  schöner  Wald  durch- 
streift. Wie  selbstverständlich  war  die  Parole  ausgegeben  worden, 
hier  auf  kein  anderes  Thier  zu  schießen.  Doch  fügte  der  Zufall,  wie  fast 
stets  in  solchen  Fällen,  dass  uns  eben  hier  eine  große  Anzahl  des 
interessantesten  Wildes  zu  Gesicht  und  in  beste  Schussnähe  kam; 
capitale  Axishirsche,  Bellende  Hirsche,  selbst  scheue  Sumpfhirsche 
wagten  sich  nahe  an  unsere  Elephanten  heran.  Nach  langem  Streifen 
gaben  endlich  die  Schikaris  die  Hoffnung  auf,  den  Tiger  zu  finden. 

Ein  Frühstück  sollte  nun  die  nothwendige  Berathung  versüßen. 
Schon  wollte  ich  frohlocken;  denn  kein  Frühstück  war  zur  Stelle,  da 
die  Leute,  denen  es  anvertraut  worden  war,  sich  mit  ihren  Elephanten 
in  dem  Dschungel  verirrt  hatten;  aber  kaum  eine  halbe  Stunde  später 
kamen  die  Proviantträger,  durch  die  von  Hunger  und  Durst  erpressten 
Rufe  unserer  englischen  Gefährten  auf  den  rechten  Weg  gebracht,  herbei, 
so  dass  eine  Stunde  lang  gefrühstückt  werden  konnte. 

Mittlerweile  waren  die  Schikäris  mit  den  Jagdelephanten  voraus- 
geeilt, einen  anderen  Tiger  abzuspüren.  Wir  folgten  auf  Reitelephanten, 
kamen  an  dem  verlassenen  Lagerplatze  von  Katni  vorbei  und  fanden 
die  Schikäris  endlich  am  Ufer  eines  Flusses  in  einem  hohen  Schilf- 
dschungel, wo  sie  zwar  keinen  Tiger,  wohl  aber  einen  Panther  ein- 
gekreist hatten.  Wir  waren  kaum  in  unsere  Häudas  geklettert,  als  sich 
auch  schon  das  Schilf  bewegte  und  der  Panther  in  voller  Flucht  an  einer 
der  weniger  dicht  mit  Elephanten  besetzten  Stellen  den  Ring  durch- 
brach, ohne  dass  in  dem  Schilf  ein  Schuss  angebracht  werden  konnte. 

Doch  das  brachte  die  an  derlei  schon  gewöhnten  Schikäris  nicht 
aus  der  Fassung  —  einige  Commandorufe,  der  Kreis  öffnete  sich,  die 
Plügel  liefen  neuerdings  aus,  um  sich  nach  200  Schritten  wieder  zu 
schließen,  so  dass  nach  wenigen  Minuten  der  Panther  abermals  ein- 
gekreist war.  Er  versuchte  es  von  neuem  mit  dem  Durchbrechen,  kam 
aber  diesmal  an  eine  dichte  Phalanx  von  Elephanten  und  wurde  in 
entgegengesetzter  Richtung  flüchtig,  um  schließlich  von  mir  rouliert 
zu  werden.    Dieser  Panther  war  noch  stärker  als  jener  des  Vortages. 

393 


Auf  Jeni  Heimwege  von  der  Pantherjagd,  der  durch  einen  dichten 
Wald  iKnoniüien  wurde,  widerfuhr  unserem  Generalconsul  Stockinger 
tfi;:  kLiJ-isis  Missgesohick,  indem  ihn  ein  herabfallender  Baumast  so 
hv'iii;;  J.:r.  Kopfe  traf,  dass  die  Stime  die  blutunterlaufenen  Spuren  des 
Svhl^ue*  reiste. 

y^-t  klarem  Mondscheine  wurde  das  südlich  von  Katni  bei 
ya.uTii>;nji  duiä:oschla»:ene  Lager  bezogen. 


Bhanderia  —  Sohela,  26.  März. 

H>.'Utu  hiüü  es  Abschied  nehmen  von  dem  schönen  Nepal ;  Abschied 
imcii  vk'n  di;n  nepalischen  Eingeborenen,  namentlich  den  Jagdleitern 
j  is."hiiiäns.  diesen  prächtigen  Leuten,  die  wir  während  unseres  allzu- 
I  ^eii  Auieuthalces  so  sehr  schätzen  gelernt  hatten;  Abschied  nehmen 
I  Liis-cien  bi-uven  Hdchis.  die  uns  drei  Wochen  hindurch  so  fleißig 
.!  Ltvu  aul  manch  schwierigen  Märschen  und  Jagden  getragen  hatten. 

\'.>ll  der  sciionsten  t^rinnerungen  an  die  so  gelungene,  hoch- 
cK-^iiiic  ,'ai;d:!e!C.  an  merkwürdige  Erlebnisse  und  an  ein  freie?, 
i;i.>iiiidctie-i  .'^-lilebeii  tu  der  L'r\valdnatur,  verließen  wir  Nepal.  Ms 
':\w  Uli-  viel-  Himmel  das  Scheiden  recht  schwermachen,  war  der  Tag 
t^w-\  '.uivi  ur'ikeiilos:  die  blauen  Berge  und  die  Gletscherspitzen 
i.v^t'.t  'iii:^  v'Meii  AoschiedsgruL)  zu:  das  grüne  Dschungel  mit  seinen 
,iii;,.>Lt  S>i;  MäuiiKii  lag  so  einladend  vor  uns,  als  sollten  wir  neuer- 


n  Nepalesen  kam  heran,    um  mir 
iszusprechen.    Der  Onke!  und  der 


Dann  kamen  die  Unterbeamten,  die  Mahäuts,  die  Soldaten  der 
Escorte,  mit  einem  Worte  jedermann  aus  dem  ganzen  Völkchen,  mit 
dem  wir  drei  Wochen  in  angenehmster  Weise  verlebt  hatten,  heran, 
um  mir  aufzuwarten  und  mir  seinen  Seläm  zu  machen,  worauf  die 
Auszahlung  der  Leute  erfolgte.  Es  war  ein  hübsches  Bild,  als  sie  alle, 
die  Mahäuts  auf  ihren  Elephanten  voraus,  vorbeidefilierten,  Lohn  und 
Trinkgeld  in  Empfang  nahmen  und  hiebei  ihre  Danksagungen  zum 
Ausdrucke  brachten.  Eine  komische  Figur  bot  unser  einheimischer  Post- 
meister, als  er,  sofort  nach  Empfang  des  ihm  gespendeten  Geldbetrages, 
um  Ausfertigung  eines  Certificatcs  bat,  des  Inhaltes,  dass  er,  der  Post- 
meister, auf  redlichem  Weg  in  den  Besitz  dieser  Summe  gelangt  sei. 

Auch  die  anderen  alle  baten  dringend  um  schriftliche  »Wohlver- 
haltungs-Zeugnisse«',  ein  Begehren,  dessen  Erfüllung  uns  den  ganzen 
Morgen  über  in  Athem  hielt,  da  das  Niederschreiben,  Fertigen,  Siegeln 
der  Briefe  gar  kein  Ende  finden  wollte.  Eine  rechte  Freude  äußerten  die 
Leute  über  das  Roth-Weiß  der  Stampiglie  meiner  Kammervorstehung, 
da  diese  Farben  die  Landesfarben  von  Nepal  bilden. 

Endlich  war  das  Lager  abgebrochen,  alles  verpackt;  wir  winkten 
all  den  Freunden  noch  einen  letzten  Abschiedsgruß  von  unseren 
Elephanten  zu;  dann  setzte  sich  die  Karawane  in  Bewegung,  um  die 
Grenze  zu  überschreiten  und  sich  in  südlicher  Richtung  gegen  Sohela, 
den  letzten  Lagerplatz,  zu  wenden.  Wir  hatten  vorgehabt,  während 
des  Marsches  auch  auf  dem  indischen  Gebiete  bis  nach  Sohela  hin  zu 
jagen,  da,  wie  in  Nepal,  auch  hier  günstige  Dschungel  sind,  doch  die 
Nepalesen,  Onkel  und  Vetter  des  Maharadschas  an  der  Spitze,  waren  um 
keinen  Preis  zu  bewegen,  anglo-indisches  Gebiet  zu  betreten. 

Wiewohl  hiedurch  meine  Jagdpläne  behindert  wurden,  konnte 
ich  den  Nepalesen  so  starres  Festhalten  an  der  Theorie  vollkommener 
Absperrung  ihres  Landes  gegen  anglo-indisches  Gebiet  nicht  verübeln. 
Die  stete  Besorgnis  vor  der  Annexion  ihres  Reiches  durch  England 
scheint  eben,  angesichts  der  Mcdiatisierung  der  benachbarten,  vormals 
unabhängigen  Fürsten,  wohlberechtigt  und  die  systematische  Ein- 
schränkung des  Verkehres  zwischen  Nepal  und  Indien  das  einzige 
Mittel  zu  sein,  Nepal  wenigstens  vorderhand  selbständig  zu  erhalten. 

Die  freundlichen  Beziehungen  jedoch,  welche  uns  mit  den  Nepa- 
lesen verbanden,  ein  Verhältnis,  das  vielleicht  durch  die  persönliche 
Überreichung  der  Hirschfänger  noch  bestärkt  worden  war,  bestimmten 
die  Bevollmächtigten  des  Maharadschas  von  Nepal  mir  gegenüber 
zu  besonderen   Concessionen.    Diese  bestanden   darin,    dass  sich   die 

395 


waren  und  nur  erschreckte  VVasserrallen  aufflogen.  Wie  es  schien, 
kannte  der  Oberforstmeister  den  ihm  zugewiesenen  District  nicht  ganz 
genau,  und  nur  ein  besonderes  Waidmannsheil  führte  uns  zufällig 
in  ein  äußerst  günstig  gestaltetes  Dschungel,  in  dem  wir  auch  sofort 
auf  Wild,  namentlich  auf  Pfaue  trafen. 

Plötzlich  hörte  ich  links  von  mir  die  Pfaue  laut  schreien  und  sah 
ein  ganzes  Bouquet  derselben  aufstehen,  das  sicherste  Zeichen,  dass 
sich  größeres  Raubwild  in  dem  Dschungel  befinde.  In  der  That  ertönte 
gleich  darauf  der  willkommene  Ruf  »Bägh!  Bägh!«  und  instinctiv 
stürmten  alle  Elephanten  concentrisch  dem  Punkte  zu,  von  dem  der 
Ruf  erscholl.  Der  Kreis  ist  bald  geschlossen,  zwei  Schikäris  reiten  in 
demselben  längere  Zeit  umher;  endlich  bewegt  sich  auch  das  Gras,  die 
Elephanten  trompeten  —  aber  statt  des  Tigers  wechselt  ein  sehr  starker 
Keiler  gegen  mich.  Ich  schieße  denselben  und  frage  mich,  ob  denn  die 
Treiber  nur  so  ins  Blaue  hinein  »Bägh«  gerufen  haben  sollten?  Dies 
war  bei  der  großen  Erfahrung  der  Nepalesen  nicht  anzunehmen,  schien 
aber  trotzdem  auf  Wahrheit  zu  beruhen;  denn  im  Kreise  rührte  sich 
nichts  mehr  und  alle  Mahäuts  kamen  mit  den  Elephanten  herbei,  um 
den  Keiler  zu  betrachten. 

Da  springt  zwischen  zwei  Elephanten  ein  Panther,  der  sich  bisher  im 
Grase  geduckt  und  nicht  gerührt  hatte,  auf,  durchbricht  in  dem  Tumulte, 
den  sein  unerwartetes  Erscheinen  hervorruft,  die  Linie,  und  flüchtet, 
ohne  dass  geschossen  werden  kann,  in  das  benachbarte  Dschungel. 
Nun  aber  zeigten  sich  die  braven  Nepalesen  wieder  in  ihrer  ganzen 
Tüchtigkeit;  im  Nu  hatten  wir  den  Panther  eingekreist,  und  ich  gab, 
als  ich  dann  durch  eine  kleine  Lücke  ein  Stück  gefleckter  Decke  sah, 
Feuer;  der  Panther  zeichnete,  wurde  im  Grase  flüchtig  und  setzte  eben 
zum  Sprunge  gegen  meinen  Elephanten  an,  als  ihn  ein  Fangschuss  des 
neben  mir  stehenden  Residenten  streckte.  Der  Panther  war  klein,  so  dass 
ihm  leider  die  großcaliberige  Kugel  des  Residenten  das  ganze  Haupt 
zerschmettert  hatte,  während  meine  Kugel  am  Stiche  saß. 

Obgleich  sich  noch  einige  sehr  einladende  Dschungel  in  der  Nähe 
zeigten,  baten  die  Nepalesen,  mit  dem  größten  Theile  ihrer  Elephanten 
nach  Hause  zurückkehren  zu  dürfen,  um  noch  vor  Einbruch  der  Dunkel- 
heit heimisches  Gebiet  zu  erreichen.  Wir  konnten  ihnen  die  Bitte  nicht 
abschlagen,  und  so  ritten  wir  auf  Reitelcphanten  in  unser  Lager  Sohela, 
das  16  km  vom  Lager  Bhanderia  entfernt  lag,  indes  die  Nepalesen  in 
langen  Linien  nordwärts  zogen.  Wie  gerne  wären  wir  den  Jagdgenossen 


1. 1 


Das  Lager  stand  knapp  an  einer  eben  im  Baue  begriffenen  Bahn, 
die  von  Mailani  aus,  einer  Station  der  Rohilkund  Kumaon  Railwny. 
nördlich  über  den  Sardafluss  bis  knapp  an  die  nepalische  Grenzeluhren 
soll.  Mit  der  Herstellung  dieser  Zweigbahn  wird  hauptsächlich  der 
Zweck  verfolgt,  die  unermesslichen  Wälder  zu  erschließen,  die  sich  *n 
der  Grenze  befinden  und  in  ihren  Beständen  einen  sehr  bedeutenden, 
gegenwärtig  ertraglosen  Capitalswert  darstellen. 

Den  letzten  Abend,  den  wir  im  Zeltlager  verbrachten,  widmeien 
wir  der  ZusammenstelUmg  der  Schussliste  über  die  nepalische  Expe- 
dition, Welche  Fülle  von  Erinnerungen  an  frohe  und  glücklich  verlebt« 
Tage  wurde  hiebei  wach! 


Sohela  —  Lucknau  -  Calcutta  —  Diamond 

Harbour  — Pulu  Besar. 


Obwohl  die  Bahn,  wie  ei^wähnt,  erst  im  Baue  begriffen  und 
■erst  nur  der  Unterbau,  anscheinend  recht  flüchtig,  hergestellt  ist,  so 
irde  doch  auf  dem  provisorischen  Geleise  ein  Zug  abgelassen,  der 
s  und  unsere  Bagage  in  langsamem  Tempo  von  Sohela  bis  an  den 
^nzfluss  Sarda  zu  der  Stelle  brachte,  wo  die  Eisenbahnbrücke  eben 
er  Vollendung  entgegenschritt.  Hier  wurde  das  Gepäck  durch  Kulis 
3r  eine  in  der  Nähe  befindliche  Schiffbrücke  getragen,  während  wir 
einem  von  einem  Bahningenieur  gelenkten  Boote  das  andere  Ufer 
eichten.  Dies  war  jedoch  mit  Schwierigkeiten  verbunden,  da  der 
ht  ganz  schiffkundige  Mann  uns  zweimal  mitten  im  Fluss  auf  Sand- 
ike  führte,  so  dass  wir  von  Wellen  umspült  ganz  fest  saßen,  bis  uns 
beiwatende   Kulis   aus    dieser   unerquicklichen   Situation    befreiten. 

Auf  dem  anderen  Ufer  harrte  ein  Extraziig.  der  uns,  nachdem 
■s  verladen  war,  auf  der  Linie  der  Rohilkund  Kumaon  Railway  nach 
cknau  brachte.  Ein  schweres  Gewitter  stand  am  Himmel,  es  donnerte 
i  blitzte,  Regentropfen  begannen  zu  fallen,  als  der  Zug  sich  in 
.vegung  setzte.  Zuerst  führte  die  Bahn  durch  schöne  Dschungel, 
en  ahnlich,  die  wir  in  Nepal  gefunden,  durch  Teak-  und  Sal-VVälder; 
m  nahm  die  Gegend  wieder  den  monotonen  Charakter  der  indischen 


Ebene  an.  Schlaf  und  Lecmre  verkürzten  uns  die  Zeil,  bis  wir  gege:; 
7  L'hr  abends  in  Lucknau  eintrafen.  Da  wir  hier  Wagenwechsel  hatter 
und  die  U:nladunp  des  Gepäckes  die  sofortige  Abreise  venvehne. 
benützten  wir  die  uns  gegönnte  Rast  zu  einem  Spaziergange  in  der 
lauen  Nacht,  wobei  der  Mond  in  schönstem  Glänze  strahlte. 

Um  1 1  L'hr  bestiegen  wir  den  Zug,  der  uns  ohne  Unierbrechun:; 
zunächst  auf  der  Linie  der  Oudh  and  Rohilkund  Railway  über  Dschaun- 
pur  -Jaunpur-  und  Benäres  nach  Moghal  Sarai  und  von  hier  auf  der 
Linie  der  Eas:  Indian  Railway  nach  Caicutta  bringen  solhe. 

Lucknau  — Ca! cutta.  28.  Marx. 

.\uf  bekannter  Strecke  eüten  wir  Caicutta  zu.  Allenthalben  waren 
die  Fruchte  der  Felder  bereits  gereift  und  überall  sah  man  Menschen 
emsig  beschäftigt,  die  Ernte  einzuheimsen.  Die  Hitze  hatte  bedeutend 
zugenommen  und  wurde  in  der.  Waggons  fast  unerträglich.  Drückenii 
schwül  lag  die  .Atmosphäre  über  dem  Lande,  das  melancholisch.  |n^u 
in  Grau,  weithin  vor  unseren  Blicken  >ich  dehnte;  heißer  Wind  wirbete 
ab  und  zu  dichte  Staubwolken  auf  —  so  machte  die  indische  Ebent 
noch  zum  .Abschied  einen  recht  ;r'.'-t!'>sen  Eindruck. 


t"it!ci;:!.^      Diamond  Harbour.  29.  Mär; 

Morgens  7  l'hr  :r.iien  wir  in  Caicutta  ein  und  wurden  auf  dem 
Bahnhofe  von  dcni  .Müitärsecretär  des  Vicekönigs  und  einem  .Adjutanten 
doselben  empfitrger.  Diese  Herrc"  celeiteten  uns  nach  dem  GovemmerT- 
Hi'Use,  wo  r:i:ch  der  XicekOrii:,   sich'.üch  erlreut   über  den  so  befri*;- 


em  Generalconsul  Stockinger,  der  uns  während  der  ganzen  Reise  durch 
idien  begleitet  hatte  und  nun  in  die  Heimat  zurückkehren  sollte.  Wir 
lle  haben  Stockinger  nicht  nur  als  liebenswürdigen,  charmanten  Gesell- 
chafter,  sondern  auch  als  gründlichen  Kenner  Indiens  schätzen  gelernt, 
/oselbst  er  während  der  zehn  Jahre  seines  amtlichen  Aufenthaltes  sich 
ie  wesentlichsten  Verdienste  um  die  Heimat  erworben  hat,  dabei  stets 
jbhaftes  und  dauerndes  Interesse  für  alle  Verhältnisse  Indiens  an  den 
\ig  legend. 

Nach  zweistündiger  Fahrt  durch  ein  von  zahlreichen  Wasser- 
iufen  durchzogenes,  stark  versumpftes  Gebiet  langten  wir  in  Diamond 
larbour  ein,  wo  mich  Schififscommandant  v.  Becker  empfieng,  um  mich 
Ti  Galaboote  durch  einen  Seitencanal  nach  der  » Elisabeth  ^^  zu  geleiten, 
lie  in  dem  Hugli  vor  Anker  lag.  Ich  war  freudig  bewegt,  nach  einer 
Vbwesenheit  von  dritthalb  Monaten  unser  schönes  Schiff  wieder  zu 
eben  und  ein  Stück  heimatlichen  Bodens  zu  betreten.  Die  Volkshvmne 
irklang,  die  Mannschaft  war  an  den  Salutstationen  und  die  Geschütze 
ionnerten,  als  ich  mich  einschiffte.  An  Bord  wurde  ich  von  den  Herren 
des  Stabes  begrüßt,  die  manch  interessantes  Erlebnis  von  der  langen 
Fahrt  über  Goa,  Colombo,  Trincomali  nach  Calcutta,  bis  wohin  die 
*  Elisabeth«  gelangt  war,  zu  erzählen  wussten. 

Erst  nach  Sonnenuntergang  ließ  die  drückende  Schwüle  etwas 
lach,  und  eine  frische  Brise  gewährte  Kühlung,  als  uns  der  Abend  mit 
fen  Herren  der  englischen  Suite  zum  Abschieds-Diner  am  Achterdeck 
ereinigte.  Bussatto,  der  Koch,  hatte  sein  Bestes  gethan,  die  Bordkapelle 
eß  die  schönsten  Weisen  ertönen,  so  dass  ungeachtet  der  bevorstehen- 
-n  Trennung  von  einigen  unserer  Reisegefährten  in  Indien  bald  eine 
cht  animierte  Stimmung  herrschte  und  die  allseits  ausgesprochene 
oftnung  auf  baldiges  Wiedersehen  für  das  Auseinandergehen  einiger- 
^>-ßen  trösten  konnte.  Gleichwohl  sahen  wir  Kinsky,  sowie  die  Herren 
^  englischen  Suite,  General  Protheroe,  Captain  Fairholme  und  Mr. 
^iwford  sehr  ungern  ziehen;  denn  wir  hatten  uns  im  Laufe  der 
rrieinschaftlichen  Kreuz-  und  Querzüge  durch  Indien,  alle  Eindrücke 
^^i  Erlennisse  theilend,  an  das  Miteinanderleben  gew^öhnt  und  waren 
eine  einheitliche  Reisegesellschaft  so  sehr  zusammengewachsen, 
^ss  wir  die  Auflösung  derselben  nur  als  den  schmerzenden  Riss  eines 
nippenden  Bandes  empfinden  konnten.  Die  Freunde,  von  denen  wir  uns 
'^nncn  sollten,  waren  nicht  bloß  angenehme  Begleiter  gewesen,  sondern 
'^^Uen  sich  auch  wichtige,  den  Erfolg  der  Reise  sichernde  Verdienste 
•^Worben:  Kinsky  durch  die  trefflichen  Vorbereitungen,  die  englischen 

403 

20* 


Herren  durch  die  fürsorgliche,  umsichtige  Leitung  aller  Fahrten  u 
Expeditionen,  durch  das  unermüdliche  Bestrehen,  die  Reise  zu  eii 
wahrhaft  genussreichen  zu  gestallen. 

Die  vier  Sowärs,  eingeborene  Cav allen e-Unterofficiere  der  BrigaJe 
des  Generals  Protheroe,  welche  die  ganze  Reise  mitgemacht  und  sich 
durch  musterhafte  Aufführung,  sowie  durch  gewissenhafte  Erfiillung 
ihrer  Pflichten,  namentlich  bei  der  ihnen  übertragenen  Obsorge  für  die 
Bagage  und  als  Büchsenspanner  ausgezeichnet  hatten,  waren  ebenfalls 
an  Bord  gekommen.  Sie  konnten  über  das  prächtige  Schiffe  sie  hulUin 
noch  nie  ein  Kriegsschiff  gesehen  —  nicht  genug  staunen;  die  Bofd- 
kapelle  versetzte  sie  geradezu  in  helles  Entzücken.  Reich  beschenkt 
kehrten  sie  ans  Land  zurück. 

Als  Kinsky,  General  Protheroe.  Captain  Fairholme  und  CrawforJ 
nach  herzlicher  Verabschiedung  gegen  Mitternacht  vom  Schifte  abslie- 
ßen, ließ  ich  Blickfeuer  abbrennen  und  die  englische  Hymne  spielen 
Mit  einem  dreimaligen  Hurrah  verschwanden  die  Reisegefährten  im 
Dunkel  der  Nacht. 

In  See  nach  Singapur,  :W,  Märt. 

Heiße  Nacht  umlieng  uns  in  den  Cabinen;  die  Sonne  hatte  l»p- 
vorher  brennend  niedergestrahit  und  drückende  Schwüle  lagerte  übet 
dem  Hugli  und  den  Sümpfen.  Trotz  mancher  Verbesserungen,  die  iii 
meiner  Cabine  vorgenommen  worden  waren,  sank  die  Temperatur 
nachts  nicht  unter  30°  Celsius  und  der  Schlaf,  welcher  endlich  ded 
doch  die  ermüdeten  ,^ugen  schloss,  war  nicht  erquickend. 

Früh  morgens  lichteten  wir  die  Anker  und  traten  unter  Führu 
eines  alten  englischen  Piloten,  dessen  Gesichtszüge  an  die  uns  geläufig 
FalsIalT-Physiognomie  erinnerten,  die  Fahrt,  den  Hugli  abwärts,  an.  D^^ 
Uft-rland  trug  völlig  den  trübseligen  Charakter,   welcher  den  untere  f* 
Thcilen  des  Deltas  eigen  ist,  nirgends  Grün,  überall  nur  hohe,  schwirr 
kcndc,    farblose  Rohrgewächse    von  jener  .\rt  (Typha    elephantinÄ-)* 
welche  in  Bengalen  «Hugli-  heißt  und  auch  dem  Flusse  seinen  Name 
gegeben  hat. 

Der  Hugli,  der  bedeutendste  Arm  des  Ganges-Deltas,  hat  s 
bei  Diamond  Harbour  eine  Breite  von  3889  m,  bei  der  Mündung  d* 
solche  von  22.224  m.  Trotzdem  bietet  dieser  Flussarm  der  Schiffahrt 
infolge  der  sich  fortwährend  verändernden  Barren  und  Sandbät»*^^ 
bedeutende  Schwierigkeiten,  so  dass  die  Schiffe  oft  mehrere  Tag* 
brauchen,  um  die  offene  See  jtu  erreichen.  Selbst  die  Strandung  ^'O" 

404 


teraiu" 

ihrunH 
läufi^^ 
n.D^^ 
nler&n 

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ntinÄ-)* 

ne  dii*^ 


hiffen  im  Laufe  derThalfahrt  ist  keine  seltene  Erscheinung.  Obgleich 
r  Curs,  welchen  die  Schiffe  zu  nehmen  haben,  durch  Wachtschiffe 
irkiert  wird,  bedarf  es  sehr  tüchtiger  Piloten,  um  die  Fahrzeuge 
gefährdet   durch  das  Labyrinth  von  Hindernissen  hindurchzuführen. 

Um  3  Uhr  nachmittags  wird  der  Lotse  auf  eine  kleine  Segel- 
gg  überschiHt;  die  Ufer  sind  nur  mehr  in  nebelhafter  Ferne,  in  kaum 
ihrnehmbaren  Umrissen  erkenntlich:  ein  letzter  Blick  (liegt  noch  dem 
lischen  Festlande  zu  —  und  wir  schwimmen  in  offener  See  neuen, 
nen  Reisezielen  entgegen. 

Indien  ist  in  den  Ocean  versunken,  —  Indien,  von  dem  sagen- 
d  rnärchenumwobene  Kunde  schon  in  altersgrauen  Zeiten  nach  dem 
■nen  Westen  gedrungen  ist,  —  das  aus  dem  Dunkel  der  mythen- 
denden  Zeit  allmählich  immer  mehr  in  den  Vordergrund  geschicht- 
her  Ereignisse  hervorgetreten  ist,  um  heute  eine  der  Grundlagen  für 
iglands  Machtstellung  zu  bilden  und  so  als  ein  die  Schicksale  Europas 
leinflussender  Factor  zu  erscheinen,  —  das  Eroberer  und  Entdecker 
igelockt.  Gelehrte,  Kaufleute  und  Touristen  angezogen  hat  und 
izieht,  —  das  Dichter,  Künstler  und  Schriftsteller  begeistert  hat.  Als 
'iege  einer  vieitausendjährigen  autochthonen  CuUur,  welche  in  ent- 
ickenden  Meisterwerken  der  Kunst  blendende  Lichtbilder,  in  düsteren, 
tieußüchen  Gebräuchen  Nachtseiten  des  Menschenthums  aufweist,  — 
s  der  großartige  Schauplatz  einer  stürmisch  bewegten,  nur  zu  oft  auch 
Husamen  Geschichte,  in  deren  Verlaufe  Millionen  von  Menschen  auf 
ni  Schlachtfelde  fielen  und  Ströme  von  Blut  flössen,  mächtige  Reiche 
tstanden  und  blühten,  um  zugrunde  zu  gehen,  —  als  Gebiet  von 
hier  unerschöpflichem  Reichthum  an  Gütern  alter  Art,  wirkt  Indien 
Ichtig  ein  auf  unser  Denken  und  Träumen. 

Es  ist  eine  zauberhafte  Fernwirkung,  weiche  von  diesem  Lande 
sgeht,  und  der  auch  ich  unterlegen  bin,  als  ich  den  Plan  gefasst, 
lindienwärls  zu  steuern.  Dritthalb  .Monate  habe  ich  Indien  durch- 
st  —  eine  kurze  Frist,  und  dennoch  vermochte  ich  innerhalb  derselben 
le  Fülle  von  Eindrücken  der  mannigfachsten  Art  in  mich  aufzu- 
htnen,  welche  ich  als  dauernden  Gewinn,  als  bleibende  Bereiche- 
ng verzeichne.  Die  umsichtige  Fürsorge,  welche  die  Regierung  Ihrer 
ajestät  der  Kaiserin  von  Indien  meiner  Reise  zugewandt,  die  groB- 
tige  Gastfreundschaft,  deren  ich  mich  auf  indischem  Boden  zu  erfreuen 
*tte.  haben  der  Kürze  des  Aufenthaltes  ungeachtet,  den  vollsten  Erfolg 
sr  Reise  gesichert.  Ich  habe  einen  großen  Theil  dieses  Juwels  der 
ritischen  Krone  kennen  gelernt,  Einblick   in  das  Wesen,  Leben  und 


Treiben  der  Bevölkerung  gewonnen  und  häufige  Gelegenheit  gefunJen. 
mir  ein  ürtlieil  über  die  culturellen  Verhältnisse  und  Zustände  des 
Landes  zu  bilden,  sowie  dessen  politische  Lage  und  vielfach  verzweigte 
Administration  zu  würdigen. 

Wie  in  einem  Wandeldiorama  Bild  um  Bild  an  dem  Beschauer 
vorüberzieht,  so  tauchen  alle  Eindrücke,  die  ich  empfangen,  alle  Vur- 
stellungen,  die  jene  wiichgerufen,  vor  mir  auf.  Von  der  Entfernungen 
verschlingenden  Locomotive  gezogen,  durcheile  ich  die  weite  indische 
Ebene,  klimme  ich  dort,  wo  früher  wohl  nur  Saumthiere  und  Träger 
unter  Lasten  seufzend  aufwärts  geklettert  sind,  steile  Bergesabhänge 
empor;  ich  wandle  umher  in  den  glänzenden,  gewühlerfüllten  StraÜen 
Bombays  und  (.alcuttas,  mächtiger  Emporien  des  Handels,  die  in 
ihrer  heutigen  destallung  einem  alten  Stamme  aufgepfropften,  üppigf 
Früchte  tragenden  Reisern  gleichen:  all  die  anderen  Städte,  die  ich 
besucht,  durchwandere  ich  unter  den  kriegerischen  und  den  künst- 
lerischen Bauten,  den  zum  Theile  schon  ruinenhaften  Zeugen  einer 
ruhmvollen  Vergangenheit:  in  kostbarem  Juwelenschmucke  strahlenJ. 
erscheinen,  geluhrt  vom  Nisam  von  Haidarabad,  die  Maharadschas  und 
Kädschas,  an  deren  Höfen  ich  geweilt  und  deren  Paläste  ich  besucht: 
ferne  im  Hintergrunde  tauchen  die  gmßen,  historischen  Gestalten  d« 
.Moguln  auf,  welche  der  Geschichte  Indiens  bleibende,  mit  Staunen  und 
Scheu  erliillendtf  Spuren  aufgeprägt,  der  Nachwelt  künstlerische  Schatte 
in  wunvierbaren  Bauwerken  überliefert  haben:  diesen  Gewaltmensch^^ 
sehe  ich  ihre  Heere,  in  bunter,  farbenprächtiger  Gewandung  und  n"»' 
phantastischen  WatTen  bewehrt,  zum  blutigen  Streite  folgen;  unt-^ 
klingendem   Spiele   marschieren   vor    mir  zur   Parade    englische    u.t^ 


So  fließt,  indem  ich  der  in  Indien  verbrachten  Zeit  nachsinne,  Wahrheit 
und  Dichtung,  Gegenwart  und  Vergangenheit  fast  unterscheidungslos 
ineinander. 

Indien  wird  oft  genug  ein  Land  der  Wunder  genannt,  ich  möchte 
es  vielmehr  ein  Land  der  Räthsel  heißen  und  die  Berechtigung  hiefür  in 
den  Gegensätzen  erblicken,  die  allenthalben  in  reicher  Fülle  ohne  Ver- 
mittlung nebeneinander  liegen  und,  soferne  sie  sich  der  befriedigenden 
Erklärung  nicht  gänzlich   entziehen,  derselben   doch  Schwierigkeiten 
bereiten  und  jedenfalls  von  überraschender,  befremdender  Wirkung  sind. 
Auf  den  Ankömmling  stürmen  anfänglich   so  massenhafte  Eindrücke 
geradezu  sinnverwirrend  ein,    dass  er  sich  versucht  fühlt,    sich  der- 
selben zu  erwehren,  bis  er  lernt,  sie  zu  beherrschen  und  richtig  zu 
beurtheilen.  Der  oberflächliche  Beobachter  läuft  Gefahr,  sich  durch  eine 
gewisse  Gleichförmigkeit  der  Erscheinungen  auf  den  verschiedensten 
Gebieten   täuschen   zu   lassen  —  und   doch   welch    unerschöpflicher 
Reichthum  an  Mannigfaltigkeit  tritt  jenem  entgegen,  der  zu   schauen, 
zu  erfassen  versteht! 

Das  Land   selbst  trägt  den   Stempel    einerseits   monotoner  und 
andererseits  doch  überaus  wirksam  contrastierender  Gestaltung  an  sich. 
VV^eithin,  schier  endlos  dehnen  sich  Ebenen  aus,  um  ihre  Grenzen  am 
Fuße  der  mächtigsten  Bergriesen  dieser  Erde  zu  finden.  Wo  Hügelland 
die  Flucht  der  Ebenen  unterbricht,  ragen  meist  kahle,  steinige,  von  nie- 
drigem Dornengebüsche  bedeckte  Hänge   auf,  doch  findet  sich   auch 
hügeliges  Gelände,    welches  dem  Blicke  anmuthige,    selbst   wirklich 
'*>chöne  Bilder  darbietet.  Heiß,  trocken,  dürr,  den  Charakter  der  Wüste 
^^    sich  tragend,    liegt  hier  die  Landschaft  vor  uns,    dort  ist  sie  von 
unzähligen  Wasseradern,  Flüssen  und  mächtigen  Strömen  durchzogen, 
^n  deren  Gebieten  sich  üppig  grünende  Vegetation  entfaltet  und  Cultur- 
S^  Wachse  aller  Arten  gedeihen.  An  Gegenden,  die  nach  dem  Charakter 
^^r   Flora  die  Kraft  des  tropischen  Klimas  nicht  ahnen  lassen,  schließen 
Sich   Gefilde  an,  welche  im  üppigsten  tropischen  Schmucke  prangen; 
^uf  ganze  Landstriche,  die  des  landschaftlichen  Reizes  völlig  entbehren, 
^<^lgen  solche,  welche  dem  verwöhntesten  Naturfreunde  Bewunderung 
^nd  Entzücken  abringen.  In  letzterer  Hinsicht  bezeichne  ich  als  Perle 
^^^ciiens,  soweit  ich  in  der  Lage  war,  mir  selbst  ein  Urtheil  zu  bilden, 
^^s  Himälaya-Gebiet,  wohin  derjenige  seine  Schritte  lenken  möge,  der 
^^    Naturgenusse  zu  schwelgen  gedenkt  und   der  in  anderen  Theilen 
^^s    von  mir  durchreisten    Indiens  geringe   und   seltene    Befriedigung 
finden  wird. 

407 


eP    1 

e*    f 


Weite  Strecken  Lmides  scheinen  öde  und  unbewohnt,  jeder 
menschlichen  Niederlassung  bar,  dann  drängen  sich  Ortschaften  und 
Städte  auf  engbegrenztem  Raum.  In  der  Unzahl  von  Städten,  welche  in 
den  vtm  unserer  Reiseroute  durchzogenen  Landstrichen  gesiiet  sind, — 
wir  hahen  dieser  .Ansiedelungen  eine  stattliche  Anzahl  gesehen  und 
dürfen  hievon  auf  andere  schlieDen  —  ist  wohl  auch  nicht  eine,  welche 
nicht  der  anderen  gliche,  aber  auch  keine,  welche  nicht  durch  ein  gani 
eigenartiges  Gepräge  von  allen  anderen  scharf  abstäche. 

In  so  miinchen  Gebieten  Indiens  glaubt  man  tagelang  wandeiDJu 
können,  ohne  auch  nur  einem  Menschen  zu  begegnen,  während  ar 
vielen  anderen  Stellen  die  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  einen  geraj«u 
unglaublichen  Grad  erreich!  hat.  Nicht  weniger  schwer  ist  die  Eatillost 
Menge  von  Bevßlkerungselementen  begreiflich,  welche  Indien  in  dem 
denkbarsten  Kunterbunt  des  Nebeneinander  birgt,  und  die,  in  so  mancher 
Hexiehung  ausgeglichen  und  nivelliert,  doch  in  vielfacher  Hinsichl  m 
scharfem  Contraslc  zueinander  stehen.  Am  auffallendsten  war  mir  dei 
Gegensatz  zwischen  den  eher  weich,  weniger  thatkräftig,  unentschlossen 
erscheinenden  anderen  Hindus  und  den  Rädschputen.  sowie  Je*^ 
Ghurkas,  die  —  groß,  kräftig  und  schön  gebaut  —  in  ihrem  gante 
Wesen  kriegerische  Vergangenheit,  soldatischen  Sinn  und  Eretg* 
bezeugen. 

In  verblüffender  Untermengung  finden  sich  zahllose  Religione^"^ 
inid  sectenartige  Abzweigungen  derselben,  so  das  Christenthum  mi"^ 
seinen  verschiedenen  Bekenntnissen,  der  Brahmanismus,  der  Buddhis— 
mu.s,  der  Islam  und  viele  andere  Lehren,  Hart  neben  den  zartcsteu 
Blüten,  welche  religiöses  Lehen  getrieben,  erhalt  sich  roher  Fetischis- 
mus, gedeihen  wührhafto  .\usgeburten  religiöser  Verirrungen,  wie  die 
auf  offener  StraUe  ihr  Unwesen  treibenden  Fakire,  die  ekelerregenden, 
ubscöncn  Riten  und  Gebräuche,  welche  wir  in  Tempeln  gescham.  der 
helle  Wahnwit?^  dem  wir  in  Benärcs  begegnet  sind.  Großartige  Werke 
und  Unternehmungen,  welche  von  lief  religiösem  Sinne,  von  wahrer 
Menschenliebe  zeugen,  lassen  alle  edlen  Saiten  in  uns  erklingen, 
wÄhrond  uns  ein  hnitalcr  Mangel  an  jeglicher  Pietät  dort,  wo  Todte 
vvrbrnnnt  und  halbvcrkohll  ins  Wasser  geworfen  werden,  schaudern 
mAcht  und  uns  unhcxuingl icher  Wideru-ille  befallt,  wenn  wir  die 
KAtime  betreten,  in  welchen  bresthafte  und  sieche  Thiere  das  Kndc 
\hns  Dn^oins  ubwarlen.  Das  Erhabene  und  das  Gemeine,  das  SchOne 
und  das  Hlsslichc.  das  Ernste  und  das  Lächerliche  stoßen  in  Indiens 
weilen  Gauen  überall  hart  aneinander. 


Wenn  mir  manch  interessanter  Einblick  in  die  polili&chtMi  Ver- 
hältnisse und  die  Administration  Indiens  und  in  das  ganze,  vielfach  ver- 
schlungene Gewirre  von  Fäden  gegönnt  war,  welche  in  Alt-England? 
ordnender,  vertheilender  Hand  zusammenlauren,  so  danke  ich  Uti, 
nicht  zum  geringsten  Theile  der  Offenheit,  mit  welcher  die  Engländer 
über  indische  Einrichtungen  und  Angelegenheiten  Fremden  gegenüber 
sprechen,  dem  Freimuthe,  wnmil  sie  selbst  Mängel  ihrer  Institutionen- 
rückhaltlos  darlegen.  Ungeachtet  solcher  Mängel  haben  die  England« 
in  Indien  wahrhaft  großartige  Leistungen  aufzuweisen  —  StaatskUQ) 
und  Colonialpolitik  haben  Triumphe  gefeiert.  Waffen,  Geld  und  dipl^ 
matische  Künste,  welch  letztere  in  der  Eifersucht  und  Zwietracht  d 
einheimischen  Fürsten  willkommene  Objecte  fanden,  mussten  zusai 
menwirken.  Und  wenn  ab  und  zu  in  dem  bald  gewaltsamen,  bald  frie4 
liehen  Hingen  Englands  mit  widerstrebenden  Kräften  aller  Art  jeH 
Feinheit  der  Empfindung  vermisst  werden  sollte,  welche  allein  ennä( 
licht,  immer  sehr  streng  in  der  Wahl  der  Mittel  zu  sein,  wer  vermocht 
dies  zu  tadeln? 

Indien  ist  unstreitig  eine  Zierde  der  britischen  Krone  und  dd| 
halb  muss  England  um  diesen  Besitz  auch  wie  um  eine  KoslbaTlc(| 
besorgt  sein.  Indem  es  sich  Indiens  freut,  muss  England  zittern  \xm 
vorbauen.  Mag  sein,  dass  erfahrene  Continental-  und  Cnlonialpolitikerl 
dem  Gedanken  einer  Imperial  Confederation,  eines  engeren  Zusammei 
Schlusses  der  britischen  Cnlonien  untereinander  und  mit  dem  Muttd 
lande  ein  nicht  zu  verwirklichendes  Traumgebilde  sehen  —  ich  erlaube 
mir  dafürzuhalten,  dass  hierin  nur  die  Einrenkung  der  über  den  Erdball 
verstreuten  Glieder  eines  Ganzen  zu  einem  Organismus  erblickt  werden 
könnte,  welcher  es  England  möglich  machen  würde,  seine  Macht- 
stellung nachdrücklicher  zu  behaupten,  als  es  bei  dem  jetzigen  Zustande 
einer  doch  nur  sehr  losen  Aggregation  der  Bestandtheile  der  Fall  ist. 


In  See  nach  Singapur,  31.  März. 

Bei   herrlichstem  Welter  schwimmen  wir  auf  der  tiefblauen  See 
nch  der  In^el  Singapur  zu  steuern.   Das 
.!.(■  verhältnismäßig  gi-oQen 
-.il.  .Auf  dem  Achterdeck 
-l  L>-  in  den  Cabinen  und 
■  ■  i'iinetcr  eine  fast  s 


fast  siändifl^l 


In  See  nach  Singapur,  2.  April J 

.Schon  um  5  Uhr  l'rüh  verließ  ich  die  Kajüte  und  gleng  auf  die 
Brücke,  mich  an  dem  Schauspiele  des  untergehenden  Vollmondes  und 
des  gleichzeitig  aufgehenden  Tagesgestimes  zu  ergötzen.  Einige  am 

Kirmamcnte   schwebende   V\'olken   verschönerten  das  Bild   durch  ihre 
grotesken  Formen  und  ihre  eigenthümlichen  Färbungen, 

Vormittags  war  —  wir  feiern  Ostersonntag  —  Gottesdienst,  dessen 
AbhultUHH  auf  hoher  See  mir  immer  tiefen  Eindruck  hinterlässt:  der 
Altar  auf  Deck,  von  unserer  Standarte  überragt;  davor  die  Handvoll  ' 
Menschen,  ein  Spiel  der  Elemente,  allein  auf  Gott  vertrauend;  Musik  in 
feierlichen  Klängen  ertönend;  dazu  das  leise,  geheimnisvolle  Kauschen 
des  ewigen,  unendlichen  Meeres. 

Nach  der  kirchlichen  Feier  widmete  ich  mich  den  ganzen  Tag 
hindurch  der  .Arbeit  und  namentlich  den  für  die  Heimat  bestimmien 
Briefen. 

In  See  nach  Singapur,  3,  .Apr'^i' 

Der  Himmel  ist  stark  bewölkt,  und  eine  heftige  Regenböe  seht  «t* 
schweren  Tropfen  nieder,  die  auf  Deck  prasseln,  aber  alsbald  in  4*' 
Wärme  verdunsten.  Der  Gottesdienst  findet  daher  in  der  Batterie  st«- *■ 

Noch  vormittags  kommen  die  Sayer-lnseln,  die  der  Panga-Hal  *' 
inscl  vorgelagerte  Insel  Salang  und  nachmittags  die  Brothers-Inseln  "*" 
Sicht.  Alle  diese  kleinen  Eilande  scheinen,  nach  dem  Rücke  durch  d  ■*'-^ 
Fernrohr  zu  urthcilen,  vulcanischen  Ursprunges  und  dicht  mit  tropiscl»  *' 
Vegetation  bedeckt  zu  sein, 

Tagsüber  beobachteten   wir  die  in  der  Straße   von  Malakka     ^ 
hüufigcn  Tide  Rips  oder  Strom-Kabbelungen:  es  sind  dies  durch  e*"^.. 
gegengesetzte  Strömungen  entstandene  Wellenbewegungen,  die  s«^^ 
streifenförmig  durch  die  sonst  ganz  ruhige  See  ziehen  und  das  Steue  '^ 
indom  sie  das  Sehiff  vom  Curs  ablenken,  wesentlich  erschweren.  %■  ^^ 


möchte  diese  Strömungen  mit  einen- 
üowfisser  vergleichen,  das  an  seiner 
Wellen  wirft. 

In  auffallender  Zahl  tummeltei 
Scharen  von  Dclphini 
verfolgten,  aus  dem 
wieder  größere  schar^^^^|      "-«^•.•V 
vermochte,  nachzogei 


ich  dahinflieSentA  ' 
\  schäumende,  Unzei»  * 


Der  Abend  war  lau  und  mild,  so  dass  ich,  bevor  ich  mich  zur 
le  begab,  noch  ein  Stündlein  auf  der  Brücke  verbrachte,  umfächelt 
i  der  kühlenden  Abendbrise,  versunken  in  den  Anblick  des  südlichen 
menhimmels,  welchen  ich  übrigens  an  Mannigfaltigkeit,  Schönheit 
1  Glanz  der  Sternbilder  dem  nördlichen  Firmamente  nachstelle. 

• 

In  See  nach  Singapur,  4.  April. 

Wieder  herrliches  Wetter  und  ruhige  See.  Vormittags  kam  in 
ter  Ferne  die  zu  den  britischen  Straits  Settlements  gehörende  Insel 
u  Penang,  auch  Prince  of  Wales  Island  genannt,  in  Sicht.  Ich  hatte 
prünglich  die  Absicht,  dieselbe  anzulaufen  und  einen  Tag  dort 
venveilen,  um  die  Vegetation  kennen  zu  lernen  und  nach  neuen 
icies  der  Ornis  zu  fahnden.  Da  ich  aber  die  Versicherung  erhielt, 
s  mir  die  Umgebung  von  Singapur  in  beiderlei  Hinsicht  das  Gleiche 
:en  werde,  und  da  ich  danach  strebte,  den  malayischen  Archipel  und 
a  baldigst  zu  erreichen,  so  gab  ich  jenes  Vorhaben  auf  und  wir 
ielten  den  Curs  auf  Singapur  weiter  bei. 

Von  Zeit  zu  Zeit  erblickten  wir  die  nebelhaften  Umrisse  der  Halb- 
3I  Malakka  und  die  bläulichen  Contouren  ihrer  Bergzüge. 

Zum  erstenmale  begegneten  wir  einem  der  kleinen  malayischen 
jclboote,  Praus  genannt,  welche,  den  Warentransport  vermittelnd  oder 
1  Fischfange  dienend,  zwischen  Sumatra  und  der  malayischen  Halb- 
2l  hin  und  her  segeln.  'Ganz  eigenthümlich  ist  die  Bauart  dieser 
mpen  Fahrzeuge  und  vor  allem  deren  Takelage;  die  Segel  bestehen 
i  kleinen,  länglichen,  rothbraunen  Strohmatten,  welche  an  Stangen 
cstigt  sind;  sollen  die  Segel  gerefft  werden,  so  lassen  die  Bootsleute 
scs  Gefüge  von  Matten  zusammenklappen  wie  eine  Ziehharmonika. 

Gegen  4  Uhr  nachmittags  kam  der  mitten  in  der  Malakkastraßc 
?ende  vulcanische  Kegel,  der  Pulu  Dscharak  (Jarak)  in  Sicht,  eben- 
s  ein  guter  Orientierungspunkt  für  die  Schiffahrt.  Wir  fielen,  um  ihn 
ler  betrachten  zu  können,  etwas  backbord  ab;  derselbe  erhebt  sich 
^'unz  runder  Form  bis  152  m  aus  dem  Meere  und  ist  bis  zum 
isserspiegel  hinab  mit  üppiger,  tropischer  V^egetation  bedeckt.  Die 
Jbkronen  der  mächtigen  Bäume  wurden  von  der  imtergehcnden 
nne  effectvoll  beleuchtet. 

Zahlreiches  Treibholz,  namentlich  Palmenholz,  schwamm  auf  den 
3gen  —  Trophäen,  die  das  Meer  in  ununterbrochenem  Anstürme 
t\  Lande  abgerungen  hatte. 

413 


In  See  nach  Singapur^Pulu  Besar.  5.  ApriL 

Einige  Meilen  vun  der  Küste  der  Halbinsel  Malakka  entfernt, 
nahmen  wir  unseren  Curs  derart,  dass  wir  unausgesetzt  reizende  AuSr 
blicke  sowohl  auf  die  Küste,  die  Hügel  und  Berge  der  Halbinsel,  woselbst 
der  in  Dschohor  (Johore)  gelegene  Ophir  bis  zu  1 1 75  m  hoch  emporragt, 
als  auch  auf  die  kleinen  Inselgruppen,  die  sich  längs  der  Küste  vorlÄgern, 
genossen.  Selbst  mit  unbewaffnetem  Auge  war  das  üppige  PflanzenkIciJ 
erkennbar,  welches  die  Halbinsel  wie  die  Inselgruppen  ziert. 

Zahllose  malayische  Fischerboote  segelten  auf  der  ruhigen  Stc. 
deren  intensiv  smaragdgrüne  Färbung  einen  wirkungsvollen  Omtrnsi 
zu  dem  tiefen  Blau  des  Himmels  bildete.  Erstaunlich  ist  die  weile 
Entfernung,  aufweiche  sich  die  malayischen  Fischer  mit  ihren  C«ioes 
in  die  hohe  See  wagen,  und  die  Geschicklichkeit,  mit  der  sie  bei 
hohem  Seegang  arbeiten.  Diese  Canoes  sind  fast  noch  kleiner  als  unsere 
Sandolinen  oder  Seelentränker;  je  zwei  Mann  sitzen  in  den  Booieti 
und  bewegen  dieselben  mit  Doppelrudern  vorwärts;  manchmal  wird 
sogar  ein  kleines  Segel  beigesetzt.  In  weitem  Umkreise  war  die  See 
förmlich  bedeckt  mit  solchen  Canoes,  deren  Insassen  mit  ihren  kleinen, 
stechenden  Augen  die  stolz  vorbeifahrende,  mächtige  .Elisabeth- 
neugierig  anstarrten.  Als  Kopfbedeckung  trugen  die  Fischer  ; 
glockenförmige  Strohhüte,  während  der  Rest  der  Bekleidung,  der  Hid 
und  der  Beschäftigung  entsprechend,  sehr  mangelhaft  war. 

Im  Verlaufe  der  letzten  Tage  hatten  wir  auffallend  wenig  Seid 
gesehen,  bekamen  aber  heute  mehrere  Dampfer  in  Sicht. 

Da  ich  erst  am  nächsten  Morgen  in  Singapur  einlaufen  wollte  ij 
uns  noch  einige  Stunden  zur  Verfügung  standen,  beschloss  ich. 
der  vielen,  der  Küste  entlang  liegenden  Inseln  zu  besuchen.  Die  Km 
wurde    zurathe   gezogen    und    auf    derselben    bald   eine   Insel,  BcSiff 
genannt,   zur  Gruppe   der  Water  Islands   gehörig,   südöstlich  von  d^t 
einst  so  mächtigen  Handelsstadt  Malakka  gefunden,  wohin  die  Exp*' 
dition  gehen   sollte.   Ich   warb  Theilnehmer  und   binnen    kurzer  Fri^^ 
hatte   sich   ein  Häuflein    von    Naturfreunden    und    Jägern,   nebst  n^'' 
und   meinen    Herren   noch    aus   Sanchez,   Bourguignon,   Regner  u  *^^ 
Mallinarich  bestehend,  gefunden,  die  Insel  zu  durchstreifen. 

Die  Water  Islands  bilden  eine  Gruppe  kleiner  Inseln,  deren  griit^'^ 
Besar  ist.  Sie  sind  sämmtlich  mit  reicher  Vegetation  bedeckt  und,  na-*- 
der  Karte  zu  urtheilen,  unbewohnt;  nur  auf  Pulu  Undan,  der  äußerst'*^" 
dieser  Inseln,  befindet  sich  ein  Leuchtfeuer. 


Nachdem  die  »Elisabeth«  eine  halbe  Meile  von  der  Insel  vor 
Anker  gegangen  war,  stieß  das  Expeditionscorps  in  zwei  Booten  ab 
und  landete  in  einer  kleinen  Bucht,  die  von  Korallenrificn  erfüllt  war 
und  nur  in  einer  schmalen  Passage  Durchfahrt  gestattete. 

Auf  dem  Ufer  stellte  ich  die  Herren  in  einer  Linie  an,  nach  je 
einem  Schützen  zwei  Matrosen  einreihend;  ich  selbst  wollte  die  Mitte 
der  Linie  einnehmen,  Sanchez  und  Regner  aber  sollten  die  beiden 
Flügel  bilden  —  in  dieser  Weise  beabsichtigten  wir  die  Insel  zu 
durchqueren.  Das  war  nun  sehr  schön  gedacht;  bald  aberzeigte  sich, 
iass  ein  derartiger  Streif,  so  vortrefflich  er  zweifellos  in  den  heimat- 
ichen  Rübenfeldem  ausgefallen  wäre,  auf  einer  Insel  in  den  Tropen 
nicht  durchführbar  ist.  Kaum  waren  wir  etwas  vorgedrungen,  so 
stellten  sich  uns  schon  fast  unüberwindliche  Hindernisse  entgegen,  da 
der  Pflanzenwuchs  in  seiner  Üppigkeit  und  Dichtigkeit  ein  Weiter- 
kommen nahezu  ausschloss. 

Von  dem  hier  herrschenden  wuchernden  Wachsthume  der  Bäume, 
Sträucher,  Kräuter  und  Lianen  vermögen  demjenigen,  welcher  die  Natur 
in  ihrer  zeugenden  Urkraft  nicht  selbst  geschaut,  bildliche  Darstellungen, 
die  ja  immer  nur  einen  schwachen  Abglanz  der  Wirklichkeit  bieten, 
r<ein  richtiges  Bild  zu  geben.  Allenthalben  liegen,  auf  dem  Boden  hin- 
p^estreckt,  mächtige,  den  Elementen,  dem  Alter  und  der  langsam  aber 
sicher  würgenden  Thätigkeit  der  Lianen  zum  Opfer  gefallene  Stämme, 
bedeckt  mit  Moosen,  Farnen  und  Orchideen;  über  diesen  Zeugen  der  nie 
rastenden  Zerstörung  wölben  die  verschiedenartigsten  Bäume  ihr  hoch- 
ragendes Blätterdach;  armdicke  Lianen  verbinden,  Schlangen  gleich, 
in  todbringender  Umarmung  einen  Baum  mit  dem  anderen;  Baum- 
farne, sowie  Bambus,  Bananen  und  Rhododendren  bilden  einen  dicht 
geschlossenen  Unterwuchs,  in  welchem  jeder  Schritt  mit  dem  Messer 
erkämpft  werden  muss.  Ich  schwelgte  im  Anblick  und  im  Genüsse 
dieser  Pracht,  die  mich  fesselte  und  mich  wiederholt  in  der  schweren 
Arbeit,  dem  Urwald  einen  Pfad  abzuringen,  innehalten  lieli. 

In  der  That  war  es  keine  geringe  Mühe  vorwärts  zu  dringen; 
namentlich  bei  45**  ('.  und  unter  fast  senkrecht  herniederbrennenden 
•Sonnenstrahlen.  In  dem  Kampf  um  den  Raum,  den  wir,  das  Messer  in 
ier  Hand,  führten,  troff  der  Schweiß  von  der  Stirne,  als  wären  wir 
n  einem  Dampfbade.  Bald  war  auch  die  Direction  verloren,  die  Ord- 
iUng  löste  sich  auf,  die  schön  ausgerichtete  Linie  war  unterbrochen, 
!  ie  Matrosen  giengen  nicht  mehr  zwischen  uns,  sondern  hinter  uns  drein, 
i  nd  jeder  der  Gesellschaft  bahnte  sich  seinen  Weg  so  gut  wie  möglich. 

41.-) 


Die  Thierwell  war  spärlich  vertreten;  nur  einige  Vögel  waren  zu 
hören,  aber  selten  einer  derselben  in  dem  undurchdringlichen  Meere 
von  Blättern  zu  erblicken.  Gleichwohl  gelang  es  mir,  eine  Fruchttaube, 
deren  Gefieder  in  allen  Karben  des  Regenbogens  schillert  und  einen 
Schwarzen  Kuckuck  (Eudynamis  hnnorata)  zu  erlegen,  während  Regner 
eine  prächtige  Nektarine  (Arachnechthra  pectoralis)  schoss. 

Die  Verbindung  miteinander  immer  mehr  verlierend,  mus&ten  wir 
uns,  um  völlige  Trennung  zu  verhindern,  gegenseitig  fortwährend 
zurufen  und  die  Rufe  beantworten.  Endlich  waren  wir  darüber  einig, 
dass  weitere  Versuche  vorwärts  zu  kommen  nutzlos  seien,  und  drangen, 
lim  die  Insel  zu  umkreisen,  gegen  die  Küste  heraus,  wo  u-ir  mit 
Mallinarich  zusammentrafen,  der  sich  schon  früher  von  uns  getrennt 
hatte  und  mit  zwei  Mann  auf  den  Fang  von  Krabben,  Schwammen, 
Mollusken  und  ähnlichen  \'ertretern  der  Meeresfauna  ausgezogen  wir 

Bald  fanden  wir  im  Sand  eine  Fährte,  welche,  nachdem  sämml- 
liche  fährtenkundige  Waidmänner  zusammenberufen  worden  waren,  als 
jene  eines  Einhufers,  und  zwar  der  Species  Equus  caballus  erklStl 
wurde.  Dies  deutete,  da  Pferde  hier  nicht  indigen  sind,  auf  die  Nihe 
menschlicher  Wesen,  so  dass  die  Insel  keineswegs  unbewohnt  w 
sein  schien,  wie  wir  nach  der  Angabe  der  Karte  angenommen  hatten. 
Eine  Bestätigung  der  Richtigkeit  dieser,  unseren  Forsch ungsdrnng 
herabstimmenden  Thatsache  ergab  sich  daraus,  dass  ich  unter  cinec^ 
großen  Baum  einen  —  Coeur-. 'achter  fand,  welcher  den  letzten  Re*' 
der  Illusion,  als  hätten  wir  ein  noch  jungfräuliches  Eiland  belreter»- 
•  ausstach«. 

Und    in   der  That,    als    wir   abermals    eine   Wendung  gemacf* 
hatten,  standen   malayische  Fischer  vor  uns,  welche  die  europiiischff^* 
Eindringlinge  zuerst  sehr  erstaunt  betrachteten,  dann  aber  in  freunc:^" 
liebster  Weise,  uns  und  unsere  Matrosen  zu  laben,  Wasser  aus  einec"* 
tiefen  Brunnen  schöpften.  Einige  elende  Rohrhütten,  an  welchen  NetiS^ 
zum  Trocknen    hiengen.    dienten  den   Fischern   als  Behausungen,  i 
deren   Nähe  sich  zwei  allerliebste  Scheck-Ponies  tummelten,  wodun: 
die  räthselhafte  Fährte  ihre  natürliche  Erklärung  fand,  Rings  um  di 
Hütten   war  von   den  Insulanern  der  Urwald   niedergebrannt   worder"' 
offenbar  um  Raum  für  irgend  eine  Cultur  zu  gewinnen. 

Wer  beschreibt  nher  unser  Erstaimen,  als  wir,  auf  einem  kleine^ 
Fußsteige  fortschreitend,  uns  auf  einmal  zwei  Buddha-Tempeln  und  eine^^ 
kleinen,  sehr  reinlich  gehaltenen  Ansiedelung  von  Chinesen  gcgcnübi 
befanden.  Die  beiden  Tempel,  sowie  das  größte  der  Wohnhäuser  Ware 

4t  fi 


aus  himmelblau  bemaltem  Mauerwerk  erbaut:  in  der  Nähe  standen 
mehrere  Rohrhütten,  nach  Gepflogenheit  der  Malayen  auf  Pfählen 
errichtet.  Im  Schatten  großer  Bäume  gelegen,  machte  diese  Nieder- 
lassung einen  so  überaus  einladenden  Eindruck  auf  uns,  dass  wir, 
zumal  hier  Aussicht  geboten  war,  eine  Erfrischung  zu  erhalten,  unseren 
Misserfolg  als  Erforscher  von  Besar  willig  in  den  Kauf  nahmen.  Mit 
freundlicher  Miene  kamen  uns  die  eingewanderten  Kinder  des  himm- 
lischen Reiches  entgegen;  eine  sehr  heitere,  geschwätzige,  alte  Chinesin 
schien  über  den  unerwarteten  Besuch  ganz  besonders  erbaut  zu  sein. 
Die  Chinesen  wandern  bekanntermaßen  in  großer  Menge  aus 
ihrer  Heimat  aus  und  überschwemmen,  nach  Westen  und  Osten  vor- 
dringend, aller  Herren  Länder.  Dass  wir  die  bezopften  Brüder  schon  in 
C^alcutta  getroffen,  war  nicht  zu  verwundern;  immerhin  musste  es  aber 
Befremden  erregen,  dass  selbst  dieses  abgeschiedene  Eiland  hinläng- 
liche Anziehungskraft  für  chinesischen  Erwerbssinn  bot. 

Die  Leute  brachten  Stühle    und  zur  willkommenen  Erquickung 

Zwieback  sowie  vortrefflichen  Thee  herbei,  und  jeder  von  uns  leerte 

einige  Schalen  dieses  Getränkes,  während  die  wackere  Alte,  Uichend  und 

unermüdlich,  immer  neue  Quantitäten  herzutrug.  Als  wir  endlich  zum 

^Aufbruche  rüsteten  und   unsere  Erkenntlichkeit  durch   Verabreichung 

einiger  Geldstücke  bezeigen  wollten,   lehnten  die  Chinesen  jeglichen 

Dank   ab  und  waren  trotz  allen  Drängens   nicht  zur  Annahme  einer 

Bezahlung  zu  bewegen.  Schließlich  half  Clam  aus  der  Verlegenheit, 

indem  er  mit  zierlichen  Verbeugungen  der  freundlichen  Alten  Blumen 

ciarbot,  welche  jene  unter  einer  Lachsalve  ins  Haar  steckte.  Sanchez 

reichte   der  Inselwirtin    seinen    färbigen   Gürtel   dar,   worauf  wir  mit 

h)  erzlichem  Händedruck  von  unseren  Gastfreunden  schieden. 

Wir  zogen  nun  weiter  der  Küste   entlang.   Drei   blau   und  weiß 

i^-e färbte  Baumlieste  (Halcyon  chloris),  sowie  mehrere  Exemplare  einer 

-A  rt    von    Zwergreihern    (ButoroYdes   javanica)    fielen    uns    zur    Beute. 

/^i^il  mblätter,    die  ich   unterwegs  abhieb,    sollten   zur  Ausschmückung 

un^seres  Achterdeckes   dienen.  Bald  änderte  die  Küste  ihren  (liarakter, 

"Meiern  an  Stelle  des  weichen  Wellsandes  große,  rundliche  Felsblöcke 

^'*^^t:cn,  über  die  wir  springen  oder,  Equilibristen   gleich,  hinwegklettern 

^**^ci  balancieren  mussten.   Manche  dieser  Steine   des  .Anstoßes  waren 

'^^i^ic:ht,   so  dass  wir  auf  denselben  gar  nicht  Fuß  fassen,   sondern  uns 

*^^^^»"^n   nur  mühsam   anklammern  konnten.  Der  X'ersuch,   einen   mehr 

'^'^  deinwärts  gelegenen   Pfad  ausfindig  zu  machen,   scheiterte  bald  an 

^^^^Ti  Terrain,  welches  daselbst  noch  unwegsamer  war,  und  so  kletterten. 


417 


27 


krochen  und  glitten  wir  denn  im  Gänsemarsche  vorwärts;  Kleiderund 
Schulie  waren  bald  in  trostlosem  Zustande;  die  Flut  stieg  immer  höher: 
die  Brandung  schlug  brüllend  über  die  Felsen  —  und  endlich  lagen  wir 
bei  einem  besonders  schwierigen  Übergänge  von  einem  Felsen  zu  einem 
andern  allesammt  im  Wasser, 

Nach  mancherlei  Fährlichkeiten  waren  wir  schließlich  an  der  Stelle 
angelangt,  wo  die  Boole  lagen,  und  befanden  uns  bald,  herzlich  müde, 
in  zerrissenen  und  durchnässten  Kleidern,  an  Bord  der  •Elisabeth-,  wi' 
wir  schleunigst  unsere  Lagerstätten  aufsuchten,  um  erst  am  späten 
Abend  zum  Diner  auf  Deck  zu  erscheinen. 

.Msbald  wurde  die  Fahrt  auf  Singapur  fortgesetzt.  Spät  abend- 
kam das  Feuer  von  Pulu  Pisang  in  Sicht. 


Singapur    Dschohor. 


Singapur  —  Dschohor. 


Singapur,  0.  April. 

Gegen   5  Uhr  morgens   wurde   ich   durch   ein   heftiges   Gewilter 

.geweckt,  das  sich  mit  Vehemenz  entkid.  Ein  Donnerschlag  folgte  dem 

I        andern;   der  Regen  fiel  so  dicht,   dass   man  selbst  auf  wenige  Schritte 

[      keinen  Auslug  hatte   und   der   Commandant   sich   bestimmt   sah,    hei 

Alligator  Island,  unter  dem  Leuchtfeuer  von  Kaffles  Island,   vor  Anker 

zu    gehen.   Da  unter  solchen  Umständen   an  Schlafen   nicht   mehr  zu 

denken  war,  stieg  ich  auf  die  Brücke  und  genoss.  mitten  im  strömenden 

^egen,  das  elementare  Schauspiel.   Eine  halbe  Stunde  später  ließ  die 

li^e  nach  und  bald  schimmerte  der  blaue  Himmel  hervor,   so  dass  wir 

>J'e   Fahrt  fortsetzen  konnten. 

In  weiter  Ferne  sah  man  rechts  die  Umrisse  von  Sumatra,  während 
'■"^s  links  die  Halbinsel  Malakka  und  kleine  Inseln  begleiteten.  Endlich 
^<-ichten  im  Frühnebei  die  Signalstation,  einige  Schiffe  und  dann  nach 
•Jnci  nach  die  größeren  Gebäude  von  Sinj^apur  auf.  Der  Lotse  kam  an 
'^^^fii  und  führte  uns  auf  die  Rhedc.  wo  wir  imgefähr  ir»  Meilen  weit 
^'*-*r»i  Land  Anker  warfen. 

Gleich  darauf  erschien  in  \'ertretung  unseres,  auf  Urlaub  befind- 
'*cHen  Consuls  der  belgische  Generalconsul,  M.  J.  de  Bernard  de  Fau- 
*^Orfcval.  mit  der  Meldung,  dass  in  Singapur  die  Cholera  ziemlich  heftig 


aufgetreten  «ei.  dass  di^se  UJckJ«che  Krankheit  «ich  auch  sdnxi  uruif 
den  Eun^päeni  Opfer  au&«rsehen  habe  und  endlich,  das»  beim  SuJti' 
von  Dscbohor  keine  gröfleren  Jagden  abgehalten  wcnjcn  kiVinlen.  tte 
der  Herrscher  ^Ibst  nach  KarMmJ  verreisi  und  auch  die  Saison  nicht 
als  günstig  zu  bczei^men  seL 

Ich  hatte  ursprüngltch  die  Absicht  einige  Tage  In  Dsdwbnr 
zuzubfingen.  da  mir  die  Gastfreundsdiaft  und  <£e  vorzfl^ichefl  Sigä- 
gdrielc  des  Suhans  oft  gerühmt  »vurden  waren,  entschloss  mich  4tw 
angesichts  all  dieser  Hitfb-^H^ten  n«»thgcilrungen.  in  Singapur  nur 
so  lange  zu  verweilen,  als  erfurdedich  ist.  um  die  Stadt  und  Jercn 
L'mgcbung  kennen  zu  lernen,  um  einen  AusQug  nach  dem  luiien 
Dschoh*«-  zu  uniemuhmen.  sowie  um  Kohlen  einzu^chiGTen,  und  J«nn 
gteicti  na^h  Bata\ia  weiterzurahren- 

Xun  begann  eine  Reihe  von  Be^^uchen.  Vor  allem  kam  der  Gou- 
verneur der  Straits  Settlements  Sir  (ecil  Clement!  Smilh.  und  nach  ihm 
der  (Kommandant  der  siamesischen  Vachl  -fbon  Burathid«.  Die.*eni 
gab  als  Dolmetsch  ein  Bekannter  aus  Wien,  eine  ständige  Figur  Jr 
Kingstraße  und  der  Freudenauer  Kennen,  der  Siamese  Nai  Glinn.  J»> 
Geleite,  welcher  durch  längere  Zeit  als  Lieutenant  dem  7.  Dmgtw- 
regimcnte  zugetheilt  gewesen  und  vor  kurzem  in  seine  Heimat  zurück- 
gekehrt w-ar,  um  dieselbe,  wie  er  mir  sagte,  bald  wieder  mit  Je 
Bestimmung  als  Militär- Attache  nach  Bedin  zu  verlassen.  Ich  warrcChl 
erTreut.  Nai  Glinn  -  er  bekleidet  jetzt  den  Rang  eines  Capiian^  unJ 
führt  den  Namen  l.uang  Salyooth  —  wiederzusehen.  In  voller  l'ftraJ';> 
als  Lieutenant  der  Lothringen- Dragoner,  erschien  er.  um  Bescheid  '■" 
holen,  wann  ich  den  zu  meiner  Begrüßung  nach  Singapur  t;nl>andi<- 
Halbbruder  des  Königs  von  Siam  empfangen  wurde. 


iiner  Kajüte,  woselbst  mir  Prinz  Bidyalab  ein  Schreiben  des  Kiniigs 
»erreichte,  entspann  sich  eine  längere,  durch  Nai  Glinn  verdolmetschte 
)nversation. 

Die  Sendung  des  Prinzen  verfolgte  hauptsächlich  den  Zweck,  mich 
i  bestimmen,  direct  von  Singapur  nach  Siam  zu  kommen  und  die  Reise 
ich  Java,  sowie  nach  Australien  einem  späteren  Zeitpunkte  vorzu- 
:halten,  da  sonst  der  herannahenden  Regenzeit  wegen  die  Jagden  und 
imentlich  der  Fang  von  Elephanten  in  Frage  gestellt  wären.  Zu  meinem 
ndwesen  musste  ich  mich  jedoch  darauf  beschränken,  durch  den 
inzen  dem  Könige  meinen  Dank,  sowie  mein  Bedauern  darüber  aus- 
rechen zu  lassen,  dass  ich  die  Reiseroute  im  gegenwärtigen  Zeitpunkte 
cht  zu  ändern  vermöchte.  Der  Prinz  schien  über  das  Scheitern  seiner 
plomatischen  Mission  nicht  eben  erfreut  zu  sein  und  verließ  nach 
istausch  einiger  Höflichkeiten  unter  dem  Donner  der  Geschütze,  sowie 
Uer  den  Klängen  der  siamesischen  Hymne  das  Schiff. 

Ich  fuhr  sonach  an  Bord  der  Yacht  des  Prinzen,  traf  aber  weder 
n,  noch  einen  der  Officiere,  sondern  nur  einen  siamesischen  Unter- 
ücier  an,  der  nicht  verstand,  was  wir  wollten. 

Nachmittags  setzte  mich  unsere  Barkasse  ans  Land,  um  die  Stadt 
ngapur  zu  besichtigen.  Singapur,  »die  Löwenstadt«,  heute  eine  Groß- 
adt  und  der  Kreuzungspunkt  der  wichtigsten  Schiffahrtslinien  des 
idischen  wie  des  Stillen  Oceans,  ist  rasch  zu  der  Bedeutung  gelangt, 
eiche  es  als  Centrum  des  Transithandels  zwischen  Australien,  Ost- 
sien,  Polynesien,  Indien  einerseits  und  Europa  andererseits  besitzt. 

Nach  der  Rückgabe  Javas  an  die  Holländer  (1815)  wendeten  die 
Engländer,  darauf  bedacht,  einen  Ersatz  für  jenen  herrlichen  Besitz 
LI  linden,  ihre  Blicke  nach  der  Südspitze  des  asiatischen  Festlandes, 
ich  dem  Fußpunkte  der  Halbinsel  Malakka,  welcher  von  ihnen  in 
rategischer  wie  commerzieller  Hinsicht  mit  Recht  als  überaus  günstig 
itrachtet  wurde.  Zunächst  erwirkte  Sir  Thomas  Stamford  Raffles, 
►  rmals  Statthalter  der  Englisch-ostindischen  Gompagnie  auf  Java,  im 
Hre  1819  von  der  Regierung  des  Sultanats  Dschohor  die  Bewilligung, 
Lt'der  Insel  Singapur  britische  Niederlassungen  zu  gründen.  1824 
!^ng  die  Insel  durch  Kauf  in  den  Besitz  der  Englisch-ostindischen 
->inpagnie,  18(37  durch  einen  neuen  X'ertrag  in  das  Eigenthum  der 
i  tischen  Krone  über. 

Die  Insel  Singapur,  welche  43  km  lang  und  2.'^  km  breit  ist, 
^vi  zu  deren  Bereich  noch  etwa  70  kleine  Eilande  gehören,  ist  von 
'111  Festlande,  der  das  Sultanat  Dschohor  darstellenden  Südspitze  der 

423 


malayischen  Halbinsel,  durch  eine  Wasserstraße,  Salat  Tabras,  getrennt. 
welche,  im  Durchschnille  I  bis  1  öJtiii  breit,  die  nördliche  Hälfte  des 
Eilandes  in  der  Form  eines  Halbkreises  von  etwa  öj  km  Länge  umlangt 
Derart  dem  gegenüberliegenden  Festlandc  ganz  nahe,  hat  die  Insel  m;l 
diesem  auch  die  geologische  Siructur  gemein.  Sandstein  und  Granit 
bilden  das  Gerüste,  fruchtbare  Alluvien  die  Decke  der  Insel,  Vun 
Bachen  durchzogenes  Hügelland  wechselt  hier  mit  Flächen  ab,  welche, 
einst  mit  L"rwäldem  und  Sümpfen  bedeckt,  sich  heute  zum  groSten 
Theilc  in  Culturliindereien  venvandelt  haben.  Auf  den  einstigen  Sumpf 
und  l'rvi'aldböden  gedeihen  nun.  im  Schöße  üppiger  Vegetation, 
tropische  Feld-  und  Baumfrüchte  in  solcher  Fülle,  dass  Singapur  seinen 
malayischcn  Namen  •Tamsak«.  das  ist  'Liebesgarten«.  mit  volbttm 
Rechte  tragen  darf. 

Aus  Sümpfen  auch  hat  sich  die  Stadt  Singapur  erhoben,  v^che 
die  Engländer  im  Jahre  1819  an  der  SQdostküste  der  Insel  an  derSwIlc 
des  uralten,  im  Laufe  der  Zeiten  zum  ärmlichen  Fischerdorfe  henb- 
gesunkenen  Singhapura  angelegt  haben.  Zum  Freihufen  erklärt  und 
rasch  bevölkert,  blühte  die  neue  Stadt,  dank  ihren  vortrefRichen  .Anker- 
plätzen und  der  unvergleichlichen  geographischen,  wie  commcrzielien 
Lage,  rasch  empor;  um  so  rascher,  als  es  den  an  ihren  weitausblicken- 
den [Bestrebungen  beharrlich  fe-ith  alt  enden  Engländern  gelungen  ist,  im 
Laufe  der  Zeiten  und  Dinge  einen  bedeutenden  Thcil,  etwa  drei  Künftel 
der  malayischen  Halbinsel,  theils  als  Schutzstnalen,  theils  als  unmitUl" 
bare  Besitzungen,  letzlere  unter  dem  Namen  Straits  Settlements,  ihrcW 
.Machtgebiete  einzuverleiben. 

Die  malayischen  .Schulzslaaten.  zu  welchen  auch  das  als  sou- 
verän anerkannte  Sultanat  Dsch()hor  gehört  umfassen  86.000  hw'  n^'' 
(iO.VO0O  Einwohnern.  Die  unmittelbaren  Besitzungen,  nämlich  die  Ins«*^" 
Penang  und  Singapur,  sowie  einige  auf  der  malayischen  Halbin^^ 
gelegene  Gebiete  messen  3908  km'  und  zählen  312,342  Einwohn ^ 
I>avon  entfallen  auf  die  Insel  Singapur  allein  ä>5*w'  und  184.554  E»  * 
wohncr.  so  dass  dieses  im  Jahre  1819  nur  von  wenigen  FischerfaroÜi  ^^ 
besiedelte  und  als  Zufluchtsort  malayischer  Piraten  berüchtigte  Eila*"^ 
heute  Sli'i  Einwohner  per  Quadratkilometer  aufweist  —  gewiss  ei^*' 
großartige  Entwickelungl 

Die  Straits  Settlements  stehen  unter  einem  Gouverneur,  w» 
zugleich   Oberbefehlshaber  di 
gerichles,  auch  die  Bezi 
zunehmen  hat.  Seine  Resi 


Für  die  commerzielle  Bedeutung  Singapurs,  dem  ja  der  Löwen- 
heil  des  Verkehrs  zufällt,  sprechen  folgende  Ziffern:  Im  Jahre  1891 
rüg  iter  Wert  der  Einfuhr  254,182.6^1  !1  ü.  W.,  jener  der  Ausfuhr 
i,332.632  (1.  ö.  W.  In  demselben  Jahre  betrug  die  Anzahl  der  ein- 
fenden  Hochseeschiffe  4184  mit  3,324.680/  und  jene  der  Küsten- 
rzeugö  7293  mit  260.672  /.  In  der  That  herrschte  auch  bei  unserer 
kunft  in  der  alten  Rhede,  an  den  Ankerplatzen  für  kleine  wie  für 
iße  Schiffe,  im  neuen  Hufen  mit  seinen  Docks  und  Anlegeplätzen,  an 
1  Quais  und  an  den  Landungsbrücken  das  regste  Leben.  Insbesondere 
der  Neue  Hafen,  New  Harbour,  in  dem  einerseits  von  der  Insel 
igapur,  andererseits  von  den  Inseln  Blakan-Mati  und  Ayerhrani 
bildeten  Canale  mit  den  Etablissements  der  Peninsular  and  Oriental 
lam  Navigation  Company  und  den  Docks,  welche  eine  Wassertiefe 
zu  6  m  besitzen,  unaufhörlich  Bilder  eifrigster  Thätigkeit,  Ohne 
terjass  liefen  gro[3e  Dampfer  ein  und  aus;  überall  wurden  Waren 
öscht,  Kohlen  gemacht,  eilten  die  verschiedenartigsten  einheimi- 
len  Fahrzeuge,  große  malayische  Praus,  chinesische  Dschunken,  die 
inen  Canoes  der  Sundancsen  geschäftig  hin  und  her. 

Gleich  lebhaft  ist  das  Treiben  an  der  langen  Landungsbrücke,  dem 
inston  Pier,  sowie  in  den  angrenzenden  Straßen  des  europäischen 
jrtels,  in  welchem  sich  Geschäftshäuser.  Kaufladen,  öffentliche 
bände.  Hotels  und  Clubs  der  Europäer  befinden.  Hier  wogt,  die  Quais 
lang,  nächst  den  Docks,  rings  um  die  Magazine,  ein  vielfarbiger, 
s  Vertretern  der  verschiedensten  Viilker  und  Racen  gebildeter  Men- 
lenstrom. 

Noch  origineller  ist  das  Bild,  welches  der  südlichere  Theü  der  Stadt, 
eigentliche  Geschäftsstadt  sowie  der  Wohnsitz  der  Eingeborenen 
d  der  Chinesen,  bietet.  Malabaren  drawidischen  Stammes,  doch 
layischer  Zunge;  Tamilen,  hier  Kaiinga  (Klings)  genannt,  Hindus 
1  der  Südostküste  Vorderindiens;  Malayen,  die  L'reinwohner  von 
Igapur;  Chinesen,  welche  heute  schon  mehr  als  die  Hälfte  sämmt- 
ler  Bewohner  der  Insel  bilden:  jede  dieser  Gruppen  ist  in  -Singapur 
gesiedelt  und  in  besonderen  Vierteln  sesshaft. 

Den  Hauptbestandthei!  der  nichteuropäischen  Bevölkerung  der 
idt  stellen  die  Chinesen  dar;  diese  haben  sich  hiervon  der  Gründung 
igapurs  an  festgesetzt  und  bewohnen  im  südwestlichen  Theüe  der 
idt  jenseits  des  Singapurflusses  ein  besonderes  N'iertel,  welches 
rch  seine  himmelblau  bemalten  Häuser,  die  zahlreichen  chinesischen 
hriftzeichen  an  deren  Fronten  und  anderes  mehr  sofort  kenntlich  ist. 


Üa  herrscht  allenthalben  das  Gewühl,  die  Geschäftigkeit,  der  Bienen- 
tleiü,  welche  den  Sühnen  des  Reiches  der  Mitte  eigen  sind.  Keinen 
Augenblick  stehen  sie  müßig;  unaufhörlich  wird  gearbeitet,  gehandelt 
und  gefeilscht.  Mitten  im  Drange  der  Geschäfte  suchen  sie  dann  wieder 
Erholung  in  den  zwischen  den  Kaulläden  angebrachten  Thee-  und 
Opiumbuden  oder  in  den  nahebei  aufgeschlagenen  offenen  Theatern, 
wo  es  den  ganzen  Tag  über  X'oritellungen  gibt. 

Unweit  von  dem  Chinesen -Viertel  liegen  die  von  Indem  und 
Malayen  bewohnten  Stadttheile.  Rings  um  die  Landseite  der  SlaJi 
erstrecken  sich  chinesische  und  malayische  Niederlassungen  und  am 
nordöstlichen  Ende  Singapurs  ein  malayisches  Dorf,  dessen  kleine 
Hütten  als  Pfahlbauten  das  Ufer  des  Rohere  River  beleben.  WahrenJ 
die  chinesische  Bevölkerung  von  Tag  zu  Tag  an  Zahl.  Reichthum  unJ 
Macht  zunimmt  und  die  übrigen  asiatischen  Elemente  unwiderstehlich 
verdrängt,  schwindet  die  Menge  der  Malayen,  infolge  deren  Indolenz. 
zusehends,  umsomehr,  als  zahlreiche  Einwanderer  aus  Süd-China  sith 
mit  Malayinnen  verbinden  und  deren  Nachkommenschaft  chinesische> 
Gepräge  annimmt. 

Das  europäische  Viertel,  am  linken  LTer  des  Singapurilusse^ 
erbaut,  bedeckt  eine  beiläutig  halbkreisfiirmige  Fläche,  deren  mehrere 
Kilometer  Linger  Durchmesser  durch  Hen  Quai  der  Rhede  gebildei 
wird.  Dieser  Quai  sowie  die  benachbarten  StraÜen  dienen  vomehmlicli 
der  geschäftlichen  Thäligkeit  der  Europäer.  Landeinwärts  ziehen  sich 
die  übrigen  Theile  dos  europäischen  Viertels  bis  zu  den  drei  Hügeln 
hin,  welche  >tch  im  Westen  der  Stadt  erheben.  .Auf  einem  dieser  Hügel- 
dem  Go\emment  Hill,  ist  das  Palais  des  Gouverneurs  erbaut;  auf  Jem 


JMese  lisplanadü.  an  welclier  sich  tiucli  das  elegante  Gymkhana-(_'luLv 
haus  erhebt.  Die  Kathedrale  und  dii;  Retfierungsgebäude  verleugnen 
ebenfalls  den  Stil  ihrer  Erbauer  nicht. 

Das  RafTles-Museum,  welchem  mein  erster  Besuch  galt,  sobald 
ich  das  Land  betreten  hatte,  enttäuschte  mich  einigermaßen,  da  die 
Sammlungen  weder  quantitativ,  noch  qualitativ  meinen  Erwartungen 
entsprachen.  Die  zoologische  .'\btheilung  ist  ziemlich  lückenhaft,  nur 
einige  mir  unbekannte  Vertreter  der  Ornis  von  Malakka  und  ein  auf- 
fallend großes  Krokodil,  das  in  der  Nähe  von  Singapur  erlegt  worden, 
erregten  hier  meine  Aufmerksamkeit,  Die  ethnof^raphische  .Abtheilung 
befindet  sich  in  ziemlich  verwahrlostem  Zustande. 

Das  Government  House,  ungefähr  4ökm  vom  Centrum  der  Stadt 
entfernt,  liegt,  von  den  reizendsten  Gärten  umgeben,  auf  dem  bereits 
genannten  Government  Hill.  Hier  einen  schönen  Garten  anzulegen, 
bietet  wenig  Schwierigkeit:  das  nächste  beste  Dschungel  wird  gelichtet, 
mit  Wegen  durchzogen,  die  üppig  wuchernde  Natur  sich  selbst  über- 
lassen und  der  prächtigste  Garten  ist  fertig. 

Der  Gouverneur,  der  mir.  wie  gesagt,  schon  morgens  seinen 
Besuch  an  Bord  abgestattet  hatte,  empfleng  mich  in  dem  elegant  einge- 
richteten Palais  mit  der  Nachricht,  dass  er  noch  am  selben  Tage 
nach  Pulu  Penang  abreisen  müsse.  Diese  Mittheilung  schien  den 
niich  begleitenden  belgischen  Generalconsul  zu  befremden,  und  auch 
ich  war  erstaunt,  den  Gouverneur  unmittelbar  nach  meinem  Ein- 
treffen abreisen  zu  sehen.  Vermuthlich  stand  diese  plötzliche  Reise  mit 
unaufschiebbaren  Regierungsgeschäften  anlässüch  des  Ausbruches  der 
Cholera  in  Zusammenhang. 

Die  Kahn  in  das  Bungalow  des  belgischen  Generalconsuls  gewährte 
mir  einen  Überblick  über  die  Lage  Singapurs  und  verschaiTte  mir 
Gelegenheit,  einen  Theil  der  Landsitze  in  Augenschein  zu  nehmen, 
welche  in  einem  weiten  Bogen  westlich  von  Singapur  die  Stadt  umgeben. 
Diese  Bungalows,  fast  ausnahmslos  auf  Hügeln  errichtet,  deren  Abhänge 
Tiit  reizenden  Gärten  geschmückt  sind,  bieten  ihren  allabendlich  aus 
Jeni  Amts-  und  Geschäftsviertel  Singapurs  heimkehrenden  Bewohnern 
erquickenden  Aufenthalt.  In  beträchtlicher  Höhe  über  dem  Meere 
gelegen,  gewährt  ein  derartiges  Bungalow  herrliche  Aussicht  über  die 
^'adt  hin  nach  der  von  Schiffen  belebten  See,  frische,  reine  Luft  und 
J^n  Heiz  tropischer  Vegetation  rings  um  das  wohnliche  Gebäude. 
'jrüne.  von  weißschimmernden  Bungalows  gekrönte  Hügel  reihen  sich 
hier  aneinander  und  meilenweit  dehnt  sich  diese  Villenstadt  aus. 


Auf  den  vortrelTiichen,  diese  Ansiedelung  durchziehenden  SlraÖen 
rollen  zahllose  kleine,  geschlossene,  je  mit  einem  Pony  bespannte 
Wagen  lustig  einher;  in  der  Stadt  selbst  werden  vorH-iegend  die 
sogenannten  Dschin-Rickschas.  in  der  Regel  kurzweg  Rickschas  genanm 
'  das  ist  -Mann- Kraft- Wagen«  —  benützt,  zweiräderige,  bunt  bemalk 
Wägelchen,  jenen  ähnlich,  welche  wir  in  Colonibo  gesehen.  Chinesische 
Kulis  ziehen  das  Gefährte,  In  den  Straßen  Singapurs  eilen  unaufhörlich 
solche  Rickschas,  deren  es  hier  2200  gibt,  auf  und  nieder,  und  es  isl 
staunenswert,  wie  rasch  und  auf  wie  weite  Distanzen  hin  die  armen 
Kulis  diese  bequemen  Gefährte  fortzubewegen  vermögen.  Freilich  fällt 
die  Mehrzahl  der  Kulis  binnen  wenigen  Jahren  diesem  beschwerlichen 
Transportdienste  zum  Opfer,  weil  die  damit  verbundene  Anstrengung 
die  Lunge  der  bedauernswerten  menschlichen  -Gespanne«  in  hohem 
Grade  angreift. 

Beim  belgischen  Generalconsul  nahmen  wir  mit  \'ergnügen  die 
Erfrischungen  an,  welche  der  liebenswürdige  Herr  des  Hauses  uns  anb"t 
denn   die   starke  Hitze  hatte  uns  nach  solch  willkommener  Kühlung 
lechzen  gemacht.  Neugestärkt  nahmen  wir  sodann  eine  reichhaltJRe 
interessante  CoUection  malayischer  Kopfbedeckungen  näher  in  Aui 
schein,   welche   uns  der  Generalconsul,  der  bei   all  seinen  vielfact 
Arbeiten  auch  noch  Muße  findet,  praktische  Ethnographie  zu  treil 
fachkundig  erläuterte.  M.  de  Bernard,  der  ein  .Allerweltsconsul  zu 
scheint  —  augenblicklich   vertritt  er  nicht  weniger  als  vier  Staaten 
wusste   uns   allerlei   interessante   Details   über  Singapur  zu  berichten 
Unter  anderem  wies  er  auf  die  Feuchtigkeit  des  KÜmas  hin,  —  Regen 
gibt  es  hier  fast  tagtäglich  —  welchem  Umstände  die  Insel  ihre  hi 
liehe   Vegetation  verdankt,  die  Bewohner  aber  mancherlei  Ungei 
zuschreiben.   Ein   weiterer   Übelstand    ist    das    massenhafte   Aufli 
von  Termiten,  welche  fälschlich,  wenn  auch  allgemein,  weiße  .\me\ 
genannt  werden;  den.se!ben  fällt  oft  fast  der  ganze  Hausrath  zumO] 
Thalsächlich  wies  das  Mobiliar  in  dem  Bungalow  bedeutende  Spi 
der  verderblichen  Thätigkeit  dieser  Insecten  auf,  und  so  hat  denn 
dieses  paradiesische  Eiland  wie  alles  hienieden  seine  Schattensi 

Der  hierauf  besehene,  nahegelegene  botanische  Garten 
Singapur  ist  eine  sinnreich  disponierte,  aber  noch  junge  Anlage. 
Baumreihen  und  Anpflanzungen  versprechen,  diese  der  Wissenst 
gewidmete  Stätte  binnen  weniger  Jahre  in  einen  schattigen  Garten 
verwandeln,  der  nicht  nur  Belehrung,  sondern  auch  Erholung  bii 
wird.  In  systematischer  Anordnung  sind  hier  neben  dem  LabjTinthe 


lutlR 

i 


Gehwege  Gruppen  gebildet,  welche  die  Vegetation  dcv  malayischen, 
tropisch-immergrünen  Kegion,  insbesondere  fast  alle  Gattungen  Palmen 
dieser  Zone,  in  verschiedenen  Exemplaren  darstellen. 

Mit  dem  botanischen  Garten  ist  auch  ein  kleiner  Thiergarten 
verbunden,  welcher  Vertreter  weniger,  dafür  aber  seltener  Arten  der 
Fauna  der  indo-malayischen  Subregion  birgt;  so  einen  gefleckten 
Tapir  {Tapirus  indicus).  ein  zahmes  Thier,  welches,  an  einer  Schnur 
lose  befestigt,  mitten  im  Wege  lag  und  jeden  Besucher  freundlich 
beschnüffelte;  dann  einen  gewaltigen  Orang-Utan  von  Bornen;  mehrere 
tigerartiß  gezeichnete  Katzen,  die  mir  völlig  neu  waren;  malayische 
Honigbären;  schöne  Nashornvögel;  ein  in  Sumatra  indigenes,  kleines 
Oschungelhuhn  mit  violettem  Kamme;  Reiher,  Kasuare  u.  s.  w. 

Unweit  von  hier  liegt  der  Park  und  der  Palast  des  Sultans  von 
Dschohor,  welchen  dieser  prachttiebende  Fürst,  ein  Freund  der  Bau- 
kunst, hier  in  jüngster  Zeit  —  der  Palast  war  erst  zwei  Monate  zuvor 
fertiggestellt  worden  —  hatte  errichten  lassen.  Der  Palast  erhebt  sich 
mitten  im  Park  auf  einem  dominierenden  Hügel,  der  eine  schöne  Rund- 
sicht auf  die  zahlreichen  (iilrten,  Parks  und  Bungalows,  auf  den  ganzen 
Kranz  der  Villenstadt  von  Singapur  bietet.  Das  groLie  viereckige,  in 
-gemischtem  Stile  gehaltene  Gebäude  verdankt  einem  malayischen 
Architekten  seine  Entstehung:  es  ist  mit  fürstlicher  Raumverschwen- 
dung angelegt,  mit  elektrischer  Beleuchtung  ausgestattet  und  durch- 
wegs in  höchst  luxuriöser  Weise  eingerichtet. 

Die  zuweilen  unvermittelte  \'ermengung  der  europäischen  mit  der 
orientalischen  Geschmacksrichtung  ist  auf  einen  besonderen  Umstand 
zurückzuführen.  Sultan  Abu  Bekr,  welcher  bekanntlich  alljährlich  den 
Sommer  in  England  oder  auf  dem  Continente  zubringt  und  insbesondere 
zu  vviederholtenmalen  mehrere  Monate  hindurch  in  unserem  welt- 
berühmten Karlsbad  verweilt  hat,  pflegt  nämlich  von  seinen  Reisen 
zahlreiche  Gegenstände  heimzubringen,  mit  welchen  er  seine  Paläste 
schmückt,  Diese  Objecte  nun,  so  kostbar  und  schön  sie  auch  sonst  sein 
mögen,  stehen  mit  dem  orientalischen  Schmucke  der  Palastgemächer 
nicht  völlig  im  Einklänge.  Originell  sind  hingegen  die  zahlreichen  ver- 
zierten Elephantenzähne,  die  in  all  den  Gemächern  auf  dem  Boden 
liegen. 

Auch  in  .Xbwcsenhoil  des  Sultans  äulieite  sich  dessen  Zuvor- 
kommenheit, indem  uns  in  dem  Palaste  in  prachtvollen  goldenen  GefäÜcn 
Champagner  und  Kaffee  serviert  wurde,  worauf  wir  an  den  Bungalows 
der  verheirateten   englischen  Officiere  vorbei,   deren  jeder   mit  seiner 


[■"iimiliü  ein  eigenes,  nettes,  in  einer  parkähnlichen  Anlage  siluiertes 
lioini  bewohnt,  nach  Singapur  zurückkehrten.  Als  wir  uns  der  Stadt 
näherten,  war  es  bereits  so  dunkel,  dass  die  Fahrt  durch  das  Chinesen- 
Viertel  sich  nun  noch  anziehender  und  interessanter  gestaltete  als  bei 
'rajjc.  Zu'ar  pulsierte  dasselbe  Leben,  dieselbe  fieberhafte  Thätigkeit  in 
Straüe  und  Haus,  doch  boten  die  unzähligen  bunt  schimmernden,  hell 
riinkelndcn  Lampions  und  Lämpchen,  die  taghell  beleuchteten  Verkaufs- 
liitlen.  die  Ruddha-Tempel,  Theater  und  Restaurants,  in  welchen  die 
Menge  wogte,  ein  neues,  ebenso  fesselndes  als  fremdartiges  Bild.  Ein 
besonderes  Merkmal  ist  in  diesem  N'iertel  die  Nettigkeit,  welche  trotz 
der  zahlreichen  Werkstätten  und  der  vielen  Buden,  in  denen  Fische  unJ 
allerlei  andere  Producte  der  See  und  des  Landes  von  Garküchen  und 
llJtndlom  feilgeboten  werden,  allenthalben  herrscht.  Mag  diese  Sauber- 
keit vielleicht  aucli  nur  an  der  Oberfläche  sitzen,  so  bildet  sie  doch 
ein  angenehmes  Widerspiel  zu  dem  entsetzlichen  Schmutz  all  der 
N'alivo-V'iertel  in  den  Städten  Indiens.  Die  Geruchsnerven  des  Hum- 
piiers  werden  allerdings  hier  wie  dort  in  ebenso  seltsamer  als  wenij; 
eriVoulicber  Weise  articien. 

In  der  .Studl  besuchte  ich  noch  zwei  grolie  Kaufläden,  in  welchen 
viele  von  den  malayischen  Inseln  stammende,  ethnographische  .Artikel 
feilgehalten  wurden,  konnte  aber  mit  den  Händlern  angesichts  der 
jrefordorten,  ubertriot'cn  hohen  Preise  nicht  handelseins  werden,  so 
dass  ich  ntich  unvorrichtetor  Dinge  an  Bord  zurückbegab. 


Singapur,  ; 


Slaumind  und  cril/.ückt  bleibt  das  Auge  an  den  Wundern  hiiflen, 
welche  die  Natur  in  den  Kindern  Floreni?  hervorzaubert.  Während  ich 
für  Ceylon  das  Vorherrschen  der  Palme  und  des  Banian-Baumes  als 
charakteristisch  bezeichnen  möchte,  zeigt  sich  hier  bunt  wechselnde 
Mannigfaltigkeit  der  Bilder.  Bambus,  Mango-  und  Durianbjiume  säumen 
die  Straße  ein;  dahinter  stehen  Kaffee-  und  PfetTerbäume;  Urwald,  aus 
dessen  unentwirrbarem  Dickichte  die  Sago-  und  Arekapalme,  sowie  die 
Baumfarne  aufragen,  schließt  sich  an,  Zahlreiche  kleine  Ansiedelungen 
von  Malayen  und  Chinesen  bringen  belebende  Farbentöne  in  das  saftige 
tlrün  der  Landschaft, 

Zwei  Stunden  etwa  waren  wir  gefahren,  als  wir  endlich  an  das 
Ende  der  Insel  gelangten  und,  nur  durch  die  schmale  Wasserstraße 
Salat  Tubras  getrennt,  die  Stadt  Dschohor  vor  uns  liegen  sahen.  Der 
erste  Anblick  von  Dschohor  ist  ein  äußerst  lieblicher.  Aus  der  tiefblauen 
See  erheben  sich,  links  vom  Sungei  (Bach)  Tschat  durchströmt,  grüne 
Hügel,  parkähnlich  geschmückt  und  von  Bungalows  gekrönt:  in  derMitte 
die  Istana  Laut,  das  Palais  des  Sultans;  rechts  davon  die  Hegierungs- 
gebäude  und  das  ehemalige  Scräi  des  Sultans;  links  die  kleine  blühende 
Stadt  mit  lichtruthen  Ziegeldächern;  dazwischen  Gruppen  von  Bäumen 
und  grüne  Rasenplätze.  Wahrlich,  wenn  wir  nicht  wiissten,  dass  eine 
Meeresstraße  vor  uns  liegt,  könnten  wir  uns  an  das  freundliche  Gestade 
eines  Binnensees  versetzt  wähnen. 

An  der  diesseitigen  Landungsbrücke  von  zwei  Neffen  des  Sultans 
empfangen,  wurde  ich  auf  einer  schmucken  Barkasse  an  das  Dscho- 
horer  Ufer  geleitet,  wo  sich  der  erste  Minister,  sowie  die  sammtlichen 
Würdenträger  und  hier  weilenden  Europäer  versammelt  hatten.  Eine 
hübsche  Dampf-Yacht  des  Sultans  lag  vor  Anker.  Zu  Fuße  gieng's 
in  das  Palais,  in  welchem  mich  der  Thronfolger,  ein  hochgewachsener 
ISjähriger  Jüngling  von  sehr  sympathischem  Wesen,  sowie  ein  jüngerer 
Bruder  des  Sultans  begrüßten.  Der  Palast  ist  ein  lange.s,  zweistöckiges 
Gebäude,  dessen  Äußeres  sich  schmucklos  präsentiert,  während  das 
Innere  geschmackvoller  und  wohnlicher  eingerichtet  ist  als  jenes  des 
Palastes  in  Singapur.  An  Gastzimmern  herrscht  kein  Mangel;  denn  der 
Sultan  übt  Gastfreundschaft  in  großartiger  Weise  und  jeder  Europäer. 
der  nach  Singapur  kommt,  besonders  aber  jeder  Seeofficier  ist  bei  ihm 
gerne  gesehen. 

In  einer  \'orhalle  der  Istana  wurde  Thec  genommen  und  das  Pro- 
gramm für  den  Tag  besprochen,  wobei  die  maßgebenden  Persönlich- 
keiten offenbar  nicht  ganz  einig  waren.  Am  Hofe  des  Sultans  scheinen 


— ■i-:-:^±  £_•  ciir.  l:t  zü^rt  Theile  ein  ziemlich  bewegtes  Leben  hinti-r 
-i-:r.  -iT'ir  i-lrr.t-  --r.d  nicht  im  besten  Einvernehmen  miteinar.ie' 
irr-ir-.  i^-.d-irr.  i:v;r^lerenden  Ansichten  huldigen,  sowie  persörlk-h.; 
■-T3ri~~ti':  "irT'fzi".  "ach  entscheidendem  Einllusse  auf  den  Sulur 
t-  znch^är.  Vr.Zir  anderen  lebt  hier  ein  Schweizer,  der  jetzt  eine  Kaffee- 
T'hiT.r^r.ic  dü<-  i>ii'.'Jir.s  in  Pacht  genommen  hat  und  am  Hofe  wahrenj 
-r:s«;n;s  Aurcrrhahiis  al>  Arrangeur  und  Dolmetsch  fungierte;  ferne:. 
Tüberr  anderer!  Bnten.  ein  Schotte,  der  als  Ingenieur  nach  Dschohi-: 
zek-mmer:  urd  jetzt  Besitzer  einer  großen  Dampfsüge  ist. 

Ijer  T^n'nf'>l;jer  scheint  dem  Einflüsse  dieser  Fremden.  obglei;h 
ir  5->nsi  cjinen  entschiedenen  Charakter  zur  Schau  trägt,  ziemlich 
jnterwi'rien  zu  =ein;  er  bekleidet  eben  erst  seit  kurzem  die  WiirJc 
eines  riironl'ilgers.  da  der  Sultan  früher  einen  anderen  seiner  Ver- 
wandten in  E.-^gland  zu  dieser  Würde  heranbilden  ließ,  densdNm 
■ed"crT,  jis  er  nicht  nach  seinem  Wunsche  gerieth.  dieses  Hanges  utine 
v:ei  Lrnschweife  ba!d  wieder  verlustig  erklärte  und  zum  Chef  der  Polizei 
s:m.i:-!-:e,  W"rauf  der  jetzige  Thronfolger  zum  Erben  des  Reiches  vnr 
l»schohor  designier,  wurde. 

Nach  Beendii^ung  der  Discussion  über  das  Tagesprogramm  wurJt 
^•■iTc  Kalirt  Tili:  dem  Üampfboote  unternommen  und  zwar  in  dem 
Mcerc>iinnc.  der  die  Insel  Singapur  von  dem  Festlande  trennt.  Zuer,-i 
■üh;'  uriser  Schiff  längs  des  kleinen  Städtchens,  dann  an  mehreren 
ltlaii.;!.mgcn  wrbei  und  schließlich  steuerten  wir  zwischen  L'rwalJ 
d«b;",  der  an  beiden  L't'em  bis  an  den  Strand  reicht,  eine  entzückende 
lüiriihifung  der  Meeresstral3e  bildend. 

( >a-i:>  rolgtc  ein  ■.>pulentes  Frühstück,  wobei  ich  Gelegenheit  hatte. 


vornehmlich  aus  den  auf  die  Einfuhr  von  Opium  und  vun  Spirituosen, 
sowie  auf  die  Ausfuhr  von  Gambir,  Pfeffer  und  anderen  Bodenproducten 
gelegten  Zöllen,  welche  übrigens  die  einzige  Auflage  bilden,  mit  welcher 
.die  Bevölkerung  von  Dschnhor  besteuert  ist. 

Das  Innere  Dschohors,  ob  Sumpfland,  welliges  Terrain  oder  bergig, 
ist  durchwegs  mit  dichtem,  tropischem  Dschungel  bedeckt,  wie  denn 
überhaupt  unter  dem  Einflüsse  der  fast  täglich  erfolgenden  Regen,  der 
starken  Thaufälie  und  der  großen  Luftfeuchtigkeit  hier  überall  immer- 
grüne \'egetation  zu  finden  ist. 

Palmen,  wie  die  zuckerreiche  Cabongpalme,  die  Cocos-,  die  Sago- 
iind  die  Arekapalme,  Guttaperchabäume  (Isonandra  gutta),  Kampfer- 
bäume (Camphora  officinalis)  und  vortreffliches  Bauholz  liefernde  Hoch- 
stämme des  jungfräulichen  Waldes  charakterisieren  die  Baumzone; 
Harze,  Öle  und  Gifte  liefernde  Sträucher  bilden  den  Unterwuchs  der 
Dschungel.  Das  Culturiand  ist  insbesondere  der  Production  von  Keis, 
Mais,  namentlich  aber  von  Pfeffer  tmd  Katechu,  des  gerbstoffhaltigen 
Extractes  aus  den  Zweigen  de.';  Gambirstrauches  (Uncaria  Gambir), 
einer  Rubiacee,  gewidmet. 

Die  starke  Cultur  von  Pfeffer  und  Gambir-Kalechu,  welche  vor- 
zugsweise in  der  Nordwestprovinz  Muar  und  fast  durchwegs  von 
Chinesen  betrieben  wird,  kommt  auch  in  der  .Ausfuhr  Dschohors  zum 
.Ausdrucke,  da  die  beiden  genannten  Producte  die  wichtigsten  Export- 
artikel bilden.  Die  Einfuhr  begreift  vor  allem  Keis,  das  hauptsächlichste 
Nahrungsmittel  der  Bevölkerung. 

Bisher  sind  relativ  nur  wenig  Ländereien  in  Culturboden  umge- 
wandelt; die  Waldungen  werden  an  vielen  Stellen  des  Reiches  gar  nicht, 
im  übrigen  nur  irrationell  ausgebeutet,  woher  es  denn  kommt,  dass 
die  Dschungel  Dschohors  noch  zahlreiche  Affen  der  Gattung  Gibbon 
(Hylobates),  dann  Semnopithecus  obscurus  u.  s.  w.,  vereinzelt  auch 
Elephanten,  Rhinocerosse,  Tapire,  Bisons  (Gaur),  Bären,  ja  den  Malayi- 
schen  Tiger,  femer  Sambarhirsche  und  die  kleineren  Kidschangs 
(Cervus  muntjac),  dann  Krokodile,  Schlangen,  endlich  mancherlei  Vögel 
bergen. 

Die  Mineralschätze  Dschohors  sind  bis  auf  Zinn,  woran  ja  die 
ganze  malayische  Halbinsel  außerordentlich  reich  ist,  und  Gold  so 
ziemlich  unerschlossen.  Letzteres  findet  sich  insbesondere  im  Umkreise 
des  Ophir  (Gunong  Ledang),  des  höchsten  Berges  im  Gebiete  von 
Dschohor,  dessen  jäh  aufsteigende  Spitze  wir  schon  am  n.  .April  von 
der  See  aus  erblickt  hatten. 


Polizeistation,  wo  die  Arrangeure  das  Misslingen  der  Jagd  damit  ent- 
schuldigten, dass  ihnen  die  Zeit  zu  besseren,  Erfolg  versprechenden 
Vorbereitungen  gemangelt  hätte.  Obschon  nämlich  die  Nachricht,  dass 
meine  Ankunft  bevorstehe,  in  Singapur  und  in  Dschohor  bereits  fünf 
Wochen  früher  bekannt  geworden  war,  soll  der  belgische  General- 
consul,  vielleicht  durch  die  gleichzeitige  Vertretung  von  vier  Staaten 
zu  sehr  in  Anspruch  genommen,  den  Hof  von  Dschohor  von  meinem 
Eintreffen  doch  erst  kürzlich  verständigt  haben.  Der  Generalconsul 
hatte  auch  an  der  Jagd  nicht  theilgenommen,  sondern  mich  ersucht, 
die  Zeit  zur  Besichtigung  des  Staatsgefängnisses  benützen  zu  können, 
so  dass  er  seines  Antheiles  an  dem  Sturzbade,  das  wir.  abbekommen 
hatten,  verlustig  gieng. 

Während  der  Rückfahrt  genoss  ich  die  Gesellschaft  des  Prinzen- 
Thronfolgers,  welcher  mit  Entzücken  von  Wien,  das  er  vor  kurzem 
besucht,  und  von  Frankfurt  am  Main,  wo  er  ein  halbes  Jahr  geweilt 
hatte,  sprach.  Der  Sultan  hat  große  Neigung  für  abendländische  Cultur 
und  pflegt  seine  Verwandten  zur  Ausbildung  nach  Europa  zu  senden. 

An  einem  Gala-Diner  im  Palais  nahmen  wir  mit  dem  Prinzen, 
einer  größeren  Anzahl  von  Würdenträgern  und  dem  von  den  Engländern 
abgesetzten  Fürsten  von  Pahang  theil.  Dieser,  vormals  der  selbständige 
Fürst  eines  25.900  km^  umfassenden,  an  der  Nordgrenze  Dschohors 
gelegenen  Reiches,  war  von  den  Engländern  wegen  angeblicher  Unruhen 
in  seinem  Lande  einfach  depossediert  worden  und  hatte  sich  grollend 
und  schmollend  nach  Dschohor  zurückgezogen,  wo  demnächst  eine 
Verbindung  seiner  Tochter  mit  unserem  Gastgeber  stattfinden  soll,  und 
zwar  auf  besonderen  Wunsch  des  Sultans  von  Dschohor;  doch  scheint 
der  Prinz  mit  diesem  Plane  nicht  ganz  einverstanden  zu  sein  und  sich 
vorläufig  noch  ablehnend  zu  verhalten.  Beim  Diner  war  neben  mich  der 
Premierminister  zu  sitzen  gekommen,  ein  freundlicher  und  verständiger 
alter  Herr,  mit  dem  ich  mich  durch  Vermittlung  eines  Dolmetsches  lebhaft 
unterhielt.  Er  wusste  viel  von  unserer  Heimat  und  von  allen  Officieren 
der  Missionsschiffe  unserer  Marine,  die  hier  zu  Gaste  gewesen,  zu 
erzählen.  In  Abwesenheit  des  Herrschers  führt  er  die  Regierung  und 
genießt  den  Ruf,  ein   sehr  geschäftskundiger,  thätiger  Mann  zu  sein. 

Die  goldenen  Aufsätze,  welche  die  Tafel  schmückten,  waren, 
wenn  irgend  möglich,  noch  kostbarer  und  prachtvoller  als  jene,  die  wir 
des  Morgens  bewundert  hatten.  Ein  recht  gutes  Privat-Orchester  des 
.Sultans  besorgte  die  Tafelmusik  und  gleich  nach  dem  Diner  die  Beglei- 
tung zu  einem  malayischen  Tanze,  bei  dem  sich  als  Mädchen  gekleidete 

435 


OQ« 


28 


Knaben  im  Kcigen  drehten;  das  weibliche  Geschlecht  ist  nach  der  hier 
geltenden  Anschauung  von  der  Theilnahme  an  öffentlicheii  Tünicn 
ausgeschlossen.  Die  Vorstellung  war  übrigens  ziemlich  interesbeios, 
obgleich  die  armen  Bursche  ihr  Möglichstes  thaten. 

Nachdem  ich  von  dem  Prinzen  und  den  Herren  in  Dschohor  herz- 
lichen Abschied  genommen,  besuchte  ich  noch  eine  chinesische  Spiel- 
bank, die,  früher  in  Singapur  etabliert,  nun  hier,  mehr  geduldet  ai^ 
gestattet,  ihr  Heim  aufgeschlagen  hat.  Die  Chinesen  fröhnen  dem  .Spielt 
mit  wahrer  Leidenschaft,  ihm  den  Erwerb  mühsamer  Arbeit  opfemJ, 
und  ziehen  an  jedem  Feiertage  in  ganzen  Karawanen  aus  Singapur  in 
die  Spielbank  von  Dschohor.  Der  Spielsaai  ist  recht  sauber  eingerichtet 
Nebenan  befindet  sich  ein  Restaurant  und  eine  Opiumhöhle.  Das  Spiel 
ist  ein  sehr  einfaches  Hazardspiel,  da  hiebei  auf  vier  Nummern  gesetn 
und  durch  Drehung  eines  Würfels  die  Knischeidung  herbeigeführt  wirJ. 

Als  abgesagter  Feind  des  Hazardspieles,  das  mir  —  nebenbei 
bemerkt  —  weder  Unterhaltung  noch  Interesse  bietet,  empfieng  ich 
in  dieser  Spielhöhle  einen  geradezu  widerlichen  Eindruck.  Gleichwohl 
versuchten  wir,  um  auch  dies  mitgemacht  zu  haben,  unser  Glück  unJ 
kehrten  um  einige  Dollars  erleichtert,  in  herrlicher,  lauer  Tropennach! 
dahinfahrcnd,  auf  dem  heute  morgens  eingeschlagenen  Wege  un  Bord 
der  "Elisabeth-  zurück,  wo  wir  spät  am  .Abend  einlangten. 


Singapur,8.  .ApiiL 

Zunächst  unterzog  ich  vormittags  eine  Sammlung  ethnographi- 
scher Gegenstände  aus  Neu-Guinea,  Sumatra,  Nias  und  Bomeo,  die  ein 
ehemaliger  Capitan  der  Handelsmarine  im  Laufe  der  Zeilen  zusammen- 
gestellt hatte,  einer  eingehenden  Besichtigung,  welche  nach  langem 
Handeln  mit  dem  Ankaufe  der  ganzen  Sammlung  endete.  Dieselbe  ent- 
hält interessante  Gegenstände  von  großem  ethnographischen  Worte, 
besonders  Waffen  primitivster  Art,  ohne  Verwendung  von  Eisen  oder 
sonstigen  Metallen  angefertigt;  ferner  Schmucksachen,  Dolche  urJ 
Messer  aus  Menschenknochen;  Heihen  von  geschnitzten  Ahnenbildcm, 
die  auf  Nias  zur  Umfriedung  geheiligter  Orte  verwendet  werden;  eine 
Unzahl  von .  Fetischen,  Haus-,  Fischerei-  und  Jagdgerälhen  u.  dgl.  m. 

Während  Wurmbrand  und  Clam  die  Verpackung  der  Gegenstände 
besorgten,  machte  ich  noch  mehrere  andere  Einkäufe,  in  einem  rn.scbcn 
Kiekscha  von  Laden  zu  Laden  fahrend;  auch  vermehrte  ich  die  BoT 
menagerie  durch  zwei  allerliebste  Affen  und  einige  Papageien. 

430 


4 

r  ^ 


Die  VerrichtLing  von  Geschäften  in  der  liei(3en  Zone  vcrniaj; 
auch  einen  sehr  ruhigen  Temperamentes  sich  erfreuenden  Europäer 
in  gelinde  Verzweiflung  zu  versetzen.  Das  unvermeidliche,  endlose 
Handeln  und  Feilschen  bedingt  eine  erschreckliche  Zeitvergeudung. 
Der  .Ankauf  eines  Hutes  oder  eines  Paares  Sehuhe  wird  daher  zu  einer 
sehr  ernsten  Angelegenheit,  die  unter  zwei  Stunden  kaum  zu  erledigen 
ist.  Meine  Einkäufe  eiforderten  den  ganzen  Vormittag,  namentlich  da  ich 
der  Mitwirkung  des  Generaiconsuls,  der  nicht  Bescheid  wusste.  ent- 
rathen  musste,  so  dass  ich  schließlich  den  Lluydagenten  zu  Hilfe  rief. 

Zu  Mittag  an  Bord  zurückgekehrt,  entsandte  ich  einige  Boote,  um 
die  ethnographische  Sammlung  noch  rechtzeitig  einschiffen  zu  können. 
Der  Rest  des  Tages  war  dem  Ahschiednehmen  und  Vorbereitungen  für 
die  Fahrt  nach  Java  und  für  die  Expeditionen  daselbst  gewidmet. 


11 


Tandjong  Priok— Batavia  -Buitenzorg 

Garut  —  Tj  iandj  ur. 


Tandjong  Priok 


Batavia   —    Buitenzorg  —   Garut  — 
Tjiandjur. 

In  See  nach  Java,  9.  April. 

Bei  Morgengrauen  lichteten  wir  die  Anker,  um  den  Hafen  von 
Singapur  zu  verlassen.  Für's  erste  wurde  der  Curs  durch  die  zwischen 
den  Inseln  Batam  und  Bintang  führende  Riostraße  genommen.  Allent- 
halben wurden  lachende  Eilande  sichtbar,  a!s  führen  wir  auf  einem 
überaus  breiten  Strome  dahin;  in  der  Ferne  zeigte  sich  die  Küste 
Sumatras,  tauchten  hohe  Berge  empor.  Die  .Annehmlichkeit  der  Fahrt 
wurde  dadurch  erhöht,  dasb  die  See  ganz  glatt  und  ruhig  und  die  Hitze, 
ausgenommen  in  den  Cabinen,  nicht  übermäßig  war.  So  schön  aber 
die  Fahrt  für  den  Reisenden  erschien,  so  schwierig  war  sie  in  Hinsicht 
der  Navigation;  denn  in  den  engeren  Meeresstraßen  unseres  Curses 
befanden  sich  an  allen  Stellen  nicht  nur  Strömungen,  die  zuweilen 
recht  heftig  waren,  sondern  auch  Sandbänke  und  Untiefen,  welche  sorg- 
fältig vermieden  werden  mussten.  Doch  unter  der  bewährten  Leitung 
unseres  Commandanten  und  jener  des  Linienschiffs-Lieutenants  Gratzl, 
eines  vortrefflichen  Navigationsofflciers,  zweier  Herren,  die  ohne  Rück- 
sicht auf  ihre  Gesundheit  Tag  und  Nacht  fast  unausgesetzt  und  in 
eifrigster  Erfüllung  ihrer  Pllicht  auf  der  Brücke  weilten,  konnten  wir 
getrost  die  schwierigsten  Passagen  durchfahren. 


spielte,  nach  Wahl  der  Arrangeuie  des  Festes,  ein  kleiner  Tiroler,  dessen 
pausbackiges  Gesicht  mit  den  großen,  biauen  Augen  im  Vereine  mit  der 
blonden  Perrücke,  dem  decolletierten  Gewände  und  allerlei  Bänder- 
schmuck und  Geschmeide,  die  Illusion  hervorrief,  Amphitrite  werde  von 
einem  jungen,  anmuthigen  Mädchen  dargestellt.  Eine  baumlange  Amme 
schleppte  in  ihren  Armen  mühsam  den  schon  ziemlich  erwachsenen 
Sprössling  des  Gölterpaares,  der  recht  ungeberdig  unaufhörlich  schrie 
und  weinte.  Diese  drollige,  den  natürlichen  Humor  unserer  Mannschaft 
bezeugende  Gruppe,  erregte  unsere  Lachlust  auf  das  lebhafteste.  Die 
Gestallung  der  Gruppe  that  aufs  Neue  in  bewundernswerter  Weise  dar, 
wie  wohl  unsere  Matrosen,  sobald  man  ihrer  angeborenen  Lustigkeit  die 
Zügel  schießen  lässt,  es  verstehen,  mit  den  allerbescheidensten  Hilfs- 
mitteln komische  Wirkungen  hervorzubringen. 

Hinler  dem  Festwagen  kam  das  Gefolge  Neptuns  einher;  der 
Astronom,  der  Leibarzt,  der  Barbier,  rabenschwarze  Wilde  und  ihre 
Khegesponsinnen,  Tritonen  u.  a.  m.  Nun  verlässt  Neptun  den  Festwagen, 
besteigt  mit  Amphitrite  eine  kleine  Tribüne,  gebietet  Ruhe  und  stellt  an 
den  Commandanten  die  üblichen  Fragen:  Woher  er  komme,  wer  ihn 
abgesandt  und  wer  der  Eigenthümer  des  Schiffes  sei.  Dann  befiehlt 
Neptun  dem  Leibarzt  und  dem  Astronomen  ihres  Amtes  zu  walten. 
Ersterer  ruft  den  Chefarzt  des  Schiffes,  vergewissert  sich,  ob  das  Schiff 
einen  Gesundheitspass  habe  und  ob  nicht  ansteckende  Krankheiten 
an  Bord  seien,  während  letzterer  die  astronomischen  Messungen  und 
Peilungen  in  komischer  Weise  carikiert,  was  allgemeine  Heiterkeit 
hervorruft:  alle  astronomischen  Instrumente  sind  aus  Holz  täuschend 
nachgebildet.  Zum  Schlüsse  zieht  der  Sterndeuter,  der  sogar  englisch 
kann,  ein  Riesenfernrohr  aus  der  Tasche  und  meldet  dem  Gotte,  dass 
der  .\quator  bereits  zu  sehen  sei  und  wir  uns  in  seiner  nächsten  Nähe 
befänden.  Nun  sendet  Neptun  seine  Gattin  zu  mir  auf  die  Tribüne.  Mit 
tiefem  Knix  und  einigen  huldigenden  Worten  überreicht  mir  Amphitrite 
einen  aus  Werg  sehr  kunstvoll  consfruierten  Meerespudel,  während  die 
schwarzen  Gemahlinnen  der  Wilden  mir  kniend  in  Muscheln  die  ver- 
schiedensten Früchte  darbieten. 

Hierauf  wendet  sich  Vater  Neptun  an  mich  und  hält,  nachdem  er 
zuerst  sein  unausgesetzt  schreiendes  Kind  durch  einige  derbe  See- 
nriannsdüche  heruhigt,  eine  Anrede,  in  der  er  hervorhebt,  wie  glücklich 
er  sei  und  wie  sehr  es  ihn  freue,  im  Verlaufe  von  einigen  Jahrzehnten  die 
Äquatorialtaufe  an  dem  vierten  Mitgüede  des  Kaiserhauses  vollziehen 
zu  können.  Dann  wünschte  er  dem  Schiffe  eine  gute  Fahrt  und  sprach 


vollgefüllt  gefunden  und  gießt  den  Inhalt  einem  ahnungslosen  Kame- 
raden über  den  Kopf;  ein  rabenschwarzer  Wilder  ist  zu  einem  Schecken 
geworden,  da  die  eine  Seite  seines  Körpers  von  der  Dampfspritze 
behandelt  worden  war,  indessen  die  andere  Seite  noch  schwarz  glänzt; 
alles  läuft,  eilt  und  spritzt  durcheinander. 

Doch  auch  hier,  inmitten  dieser  übermüthigen  Scherze,  gedachten 
wir  als  treue  Söhne  des  Vaterlandes  unseres  all  ergnädigsten  Herrn. 
Plötzlich  gebot  Neptun  Ruhe  und  der  Commandant  brachte  auf  Seine 
Majestät  den  Kaiser  ein  Hoch  aus,  welches  unter  den  hehren  Klängen 
der  Volkshymne  in  einem  hundertstimmigen,  begeisterten,  donnernden, 
dreifachen  Hurrah  von  uns  allen  Wiederhall  fand.  Dann  betrat  Neptun 
seine  jetzt  ganz  durchnässte  Tribüne  und  übergab  mir  mit  weihevoller 
Anrede  ein  reizendes  Diplom,  in  welchem  der  Meergott  mir  bestätigt, 
dass  ich  den  .-Äquator  passiert  hatte;  dieses  künstlerisch  ausgeführte 
Diplom  war  von  Ramberg  gezeichnet  und  mit  sinnigen  Emblemen  und 
Ornamenten  geschmückt. 

Neuerdings  wüfhete  hierauf  die  Wasserschlacht,  die  sich  jetzt, 
da  schon  viele  der  Offleiere  sich  in  ihre  Cabinen  zurückgezogen  hatten, 
um  die  Kleider  zu  wechseln,  hauptsächlich  unter  der  Mannschaft  ab- 
spielte. Es  hatten  sich  nämlich  ungefähr  30  Mann  versteckt,  um  sich  so 
der  Taufe  zu  entziehen;  das  aber  HeUen  die  Kameraden  der  .Ausreißer 
nicht  zu;  das  ganze  Schiff,  jeder  seiner  Winkel  wurden  durchsucht, 
endlich  die  Opfer  aus  ihren  Verstecken  geholt  und  zur  Strafe  minuten- 
lang mit  dem  Kopfe  direct  unter  die  Pumpe  gehalten.  Einzelne  wurden 
in  den  Booten,  andere  unter  den  Geschützen  oder  zwischen  Kisten 
und  Bagage  verborgen  im  Schiffsraum  aufgefunden.  So  oft  Preuden- 
geschrei  kundgab,  dass  einer  der  Flüchtlinge  entdeckt  worden  war, 
drang  sofort  ein  ganzer  Schwärm  auf  ihn  ein,  um  den  Taufact  zu  voll- 
ziehen. Einer  der  Matrosen  war  gar  bis  zur  höchsten  Spitze  des  GroÜ- 
mastes  geklettert,  doch  auch  dieser  Fiüchtling  wurde  imverzüglich 
von  dreien  seiner  Kameraden  herabgeholt,  eine  Scene,  die  von  Deck 
aus  betrachtet  umso  possierlicher  erschien,  als  sich  unter  den  Verfolgern 
eines  der  Negerweiber  befand. 

Ich  stand  eben  bei  einer  Gruppe  von  Matrosen,  als  plötzlich  die 
Losung  ausgegeben  wurde:  »Jetzt  holen  wir  den  Hofkoch!-  Diese  Idee 
fand  auch  meinen  Beifall,  und  ich  freute  mich  schon  zum  voraus,  den 
dicken  Bussatto  unter  die  Pumpe  gehalten  zu  .sehen;  aber  bald  kamen  die 
Leute  mit  der  Meldung  herauf,  dass  sich  der  schlaue  Italiener  in  seiner 
Cabine  eingesperrt  habe.  Der  wohlgemeinte  Rath,  die  Thüre  derselben 


.  "  ^:  j.r.  —  -^i^,,,^  jz  -din^iT'JtiW'andung  erklärten  sie 
-VV.I  ":t'r  .  j:Äj-ri  ^,;::r^  -ussäcd.  lür  üe  Matrosen  endlich  < 
^.v:-  •    .:i!tc  -  .:-,i::T2?*^r-*£Er  "2Jisr  .imi  rnr  itngen  wollten,  eine  n 


>*,.  .   $;5ir?ftittntÄ!»    --=::  ^z^roes- AacTtsrcMSser  ergriffen   und 
-  ^iL.-**!.**-*'*'!';-^  _:r'ssr  >Hßase  rftibcmir  srgK>ssen  hatte;  diese  a 
-^^z**  .^-     -rie=n  rleae  -in  Siiö*  reniacht,  indem  sie  Bus 

,,_..    ^»  .*r^.  ~*x     -innenci^.  ia^  scri^n  zum  Diner  bereit  st 
^  ^.   --_c^:ct.    !minmr  Siuctin  fotgen  ließen  und  dann  den 

-  :   ^.^:c:i  -;c:iite  jui  Homsignal   das  lustige  Treiben 
-.^^>  -voraite  Bu^siUto  uns  ein  Diner  fertigstellen,  da  er 

_  .;;^.   . -  c-ereus  vollendeten  Gerichte  seien  theilweise  i 

>^    .      ;...Ac:t:?c  ^urch  >^iz\vasser  zugrunde  gerichtet  worde 

,-    .u.v.n    ceui    Fleckchen  auf  dem   Schiffe,  das   ni< 

^^,.   .u;r- >^^i^ '-^^i  ?'"^«^^'^^ri  Bälge  hatten  durch  das  S 

.  ^;,  >,iK«.Mi   Vir  ?ttc  iert  Herren  des  Stabes,  deren  einig« 
^ ^_  ^rcin  !*  i<>i!TC^ck5e  beisammen  und  besprachen  die 

In  See  nach  Java,  : 

;v .  iv^.i-v  ,.ai  :^  ^  V>r  lecen  wir  in  die  Bankastraße  ein.  S: 

v^...^^x^v4i    vv.4vS;.^t^<'tvx:>  vKjwölk  ließ  eine  Böe  mit  starkei 

.-vi     I.JC   -vii^  ^'nwetter  vorbei,    so   dass   wir  d 


V         V      V    -V  ^*    ^ 


'>i      oi^micuur^  passierte   die   »Elisabeth«    die 
A   .i-s-v  .nKs  Vjusch:rfes.  welches  mit  einer  Kohle 


Baiavia,  11.  April. 

Nach  6  Uhr  morgens  ließ  ich  mich  wecken  und  gieng  sofort  auf 
die  Brücke,  da  wir  in  einer  halben  Stunde  in  Batavia  landen  sollten.  Der 
Himmel  war  stark  bewölkt  und  die  Temperatur  auf  Deck  sehr  behaglich. 
Wie  bisher,  war  ich  auch  hier  insofern  angenehm  enttäuscht,  als  ich 
befürchtet  hatte,  dass  wir  in  den  Tropen,  insbesondere  aber  in  den 
äquatorialen  Regionen,  von  Hitze  viel  zu  leiden  haben  würden;  doch 
fand  ich  es  ganz  leidlich,  die  Bleikammern,  das  heißt  die  Cabinen, 
ausgenommen,  in  welchen  die  Temperatur  namentlich  zur  Nachtzeit 
fast  unerträglich  zu  nennen  war. 

Das  erste,  was  wir  von  Java  erblickten,  waren  die  beiden  hohen, 
erloschenen  Vuicane  Salak  (2215  m)  und  Gede  (2962  m).  die  gerade 
oberhalb  Batavia  oder,  besser  gesagt,  südlich  davon  oberhalb  Buiten- 
zorg  liegen.  Nach  und  nach  erkannte  man  auch  die  grüne  Küste  und 
den  schönen  Hafen  Tandjong  Priok,  in  welchem  die  Masten  vieler 
Schiffe  sichtbar  wurden.  Der  Lotse  kam  an  Bord  und  führte  uns  in  den 
Innenhafen,  in  welchem  Momente  die  hier  liegenden  Handelsschiffe 
die  große  Flaggengala  hissten. 

Nach  dem  Ankern  leisteten  wir  den  Territorialsalut,  der  alsbald 
von  einer  Landbatterie  erwidert  wurde.  Ganz  nahe  von  uns  lagen  drei 
holländische  Kriegsschiffe  und  zwar  das  Hafenwach tschiff  »Gede«,  der 
Kreuzer  -.Atjeh«  und  die  Panzerdeck-Corvette  »Sumatra-,  alle  Offleiere 
und  die  Mannschaften  standen  auf  Deck,  um  unser  Einlaufen  zu  sehen 
und  aus  mancher  Stückpforte  lugten  auch  Damenköpfe,  mit  Gläsern 
und  Guckern  bewehrt,  hervor. 

Zunächst  kam  unser  Consul  Dirk  Fock  und  gleich  darauf,  vom 
Generalgouvemeur  gesendet,  Oberstlieutenant  Nepveu  an  Bord,  um 
mich  zu  begrüßen  und  mir  das  Programm  für  den  .Aufenthalt  in  Java 
vorzulegen.  Die  Besprechung  dieses  Programmes  that  mir  dar,  welche 
Fülle  von  Sehenswürdigkeiten  die  schöne  Insel  birgt  und  welche 
große  -Anzahl  herrlicher  Streifzüge  auf  derselben  ausgeführt  werden 
können.  .Allein  da  ich  auf  meiner  Reise  um  die  Weit  noch  an  so  vielen 
anderen  Punkten  zu  verweilen  vor  hatte,  sah  ich  mich  genöthigt,  das 
Programm  für  meinen  Aufenthalt  in  Java  der  kurzen  Frist  von  14  Tagen 
anzupassen,  Nach  langen  Verhandlungen  gelang  es  festzustellen,  was 
innerhalb  dieser  Spanne  Zeit  ausführbar  sei,  wobei  das  Interessanteste 
wiederholt  hinter  das  Sehenswürdige  und  zugleich  leicht  Erreichbare 
zurücktreten  musste. 


Unserem  Einzüge  wohnte  vor  den  Häusern  und  in  den  Straßen 
eine  große  Menge  von  Chinesen,  Malayen,  Javanen  und  Europäern  bei, 
die,  bunt  durcheinandergewürfelt,  in  lebhafter  Weise  ihr  Interesse  für 
uns  an  den  Tag  legten.  Ich  hatte  hier  zum  erstenmale  Gelegenheit,  das 
luftige  Costüm  zu  sehen,  dessen  sich  die  Europäerinnen,  wie  man  mir 
sagt,  auf  ganz  Java  bedienen;  als  Kleid  dient  der  Sarong,  ein  großes 
Stück  Tuch,  das  malerisch  um  die  Lenden  festgeknüpft,  rockartig 
herabfällt;  den  Oberkörper  verhüllt  eine  mit  Ausschnitt  versehene  Jacke 
aus  Leinwand.  Diese  sehr  einfache,  den  Temperaturs-  und  sonstigen 
klimatischen  Verhältnissen  angepasste  Toilette,  welche  die  Trägerinnen 
namentlich  in  jüngeren  Jahren  reizend  kleidet,  ist  bei  allen  weiblichen 
Mitgliedern  europäischer  Familien  üblich  und  wird  auch  in  den  höheren 
Gesellschaftsclassen  tagsüber  bis  zur  Stunde,  da  für  das  Diner  Toilette 
gemacht  wird,  getragen.  Bis  zu  ihrem  12.  oder  13.  Jahre  begnügen  sich 
Mädchen  mit  einem  Hemdchen  ä  la  baby.  Da  die  körperliche  Ent- 
wickelung  der  Kinder  in  den  Tropen  rascher  vor  sich  geht,  als  in  den 
Ländern  der  gemäßigten  Zone,  macht  es  auf  den  Ankömmling  einen 
befremdenden  Eindruck,  Mädchen,  die  schon  ganz  erwachsen  scheinen, 
in  dieser  Tracht  zu  begegnen. 

V^or  dem  Hause,  welches  von  der  Regierung  gemietet  worden 
war,  um  mir  als  Absteigequartier  zu  dienen,  erhob  sich  ein  großer, 
aus  Bambussen  und  blühenden  Palmenzweigen  kunstvoll  gefügter, 
mit  unseren  Farben  und  der  niederländischen  Tricolore  geschmückter 
Triumphbogen. 

Das  Haus  —  ebenerdig,  wie  fast  alle  Gebäude  auf  Java,  da  diese 
Insel  von  Erdbeben  heimgesucht  ist  —  liegt  in  einem  kleinen  Garten  an 
einer  der  lebhaftesten  Straßen  Batavias.  Geräuschvoll  und  schleifend 
saust  vom  Morgen  bis  zum  Abend  die  Dampftramway  an  dem  Hause 
vorbei,  auf  dem  nahe  gelegenen  Canale  schaukeln  sich  melancholisch 
kleine  Bambusflöße.  Auch  das  Innere  des  Hauses  trägt  das  Gepräge 
der  javanischen  Bauten;  hinter  der  großen,  gedeckten  Veranda  ist  ein 
weitläufiger  Raum,  der,  als  Speisesaal  und  Salon  zugleich  dienend,  die 
Eingänge  in  die  verschiedenen  Wohngemächer  enthält.  Die  Fenster  und 
die  Thüren  pflegen  hier  selbst  bei  Nacht  fast  niemals  geschlossen  zu 
werden;  deren  Stelle  vertreten  zumeist  spanische  Wände.  Die  Räume 
sind  durchwegs  hoch  und  luftig,  die  Fußböden  mit  Strohmatten  bedeckt, 
die  Himmelbetten,  welche  das  Lager  bilden,  zwar  geräumig,  lang  und 
breit,  jedoch  so  hart,  dass  sie  lebhaft  an  die  Pritschen  in  unseren 
Gebirgshütten   mahnen.   Offenbar  legen   die   Erfahrungen   der  localen 


atte,  dass  ich  ja  gern  auf  jeden  Comfort,  jede  Bequemlich- 
bte,  wo  es  sich  um  Jagd  handelt.  So  wurde  denn  endlich 
Sion  in  der  Dauer  von  zehn  Tagen  in  den  südlichen  Theil  der 
Andschaften  zum  Beschluss  erhoben.  Nur  erbat  sich  Herr 
1  eine  Frist  von  fünf  Tagen,  um  die  nothwendigen  Anstalten 
n,  Jäger  und  Träger  zu  bestellen  u.  s.  \v.  Diese  Frist  wurde 
k  und  beschlossen,  dieselbe  zum  Besuche  Buitenzorgs  und 
Ifr. int  eres  sanier  Punkte  Javas  zu  verwenden. 
tth  konnte  ich  schon  heute  dem  Jagdvergnügen  huldigen,  da 
iswürdige  Resident  von  Batavia  für  den  Nachmittag  eine  Kro- 
i  anberaumt  hatte,  zu  der  wir,  sobald  der  Regen  einigermaßen 
(sen  hatte,  aufbrachen.  In  der  Vorstadt  Weltevredcn  passierten 
1  lange  Straße,  welche  auf  beiden  Seiten  ausschließlich  von 
,  bewohnt  ist.  Auch  hier  in  Batavia  macht  sich  der  'Gelbe 
tschon  sehr  stark  bemerkbar;  es  zählt  unter  1 14.864  Einwohnern 
f  Chinesen.  Auf  Gelderwerb  erpicht,  wie  kaum  ein  anderes  Volk, 
ibtilem  Handelsgeist  und  erstaunlicher'  Genügsamkeit  ausge- 
j  haben  diese  echten  Mongolen  nicht  bloß  in  Batavia,  sondern 
1  allen  anderen  javanischen  Handelsplätzen  festen  Fuß  gefasst,  so 
^Uf  Java  überhaupt  unter  einer  Bevötkeiimg  von  22,754.749  Seelen 
i  Armee  und  die  Bemannung  der  Flotte  nicht  inbegriffen  —  neben 
Sl  Europäern,  13.995  Arabern,  2843  anderen  Orientalen  und 
10.553  Eingeborenen  241.727  Chinesen  gezählt  wurden. 
Der  misstrauische  und  hinterlistige  Charakter  der  Chinesen,  ihr 
5  In  crassem  Egoismus  verzerrendes  Wesen  und  andere  ihrer  Eigen- 
Schäften  machen  mir  dieses  schon  äußerlich  unsympathische  Volk 
widerlich,  so  wenig  ich  leugne,  dass  es  auch  Vorzüge  besitzt.  Ungemein 
rührig  und  erfindsam  in  gewerblicher  Thätigkcit,  voll  Geschick  in  tech- 
nischen Fertigkeiten,  intelligente  Acker-  und  Gartenbauer  und,  wo  es 
der  Betrieb  der  Urproduction  erfordert  oder  wo  der  Vortheil  lockt, 
selbst  die  schwerste  .Arbeit  nicht  scheuend,  streben  die  Chinesen  vor 
allem  dahin,  im  Wettbewerbe  des  Güteraustausches  und  bei  Geld- 
geschäften auf  welche  Art  immer  Gewinn  zu  erzielen.  Die  meisten 
treiben  Handel,  thcils  als  Hausierer  (Klontongs),  Krämer,  Laden besitzer, 
Agenten,  theils  als  Commissionärc,  DetailHstcn,  Gouvernementspächter, 
Geldwucherer,  Banquiers.  Die  übrigen  Chinesen  er\verben  als  Hund- 
werker,  Hausdiener,  Schreiber,  Kutscher,  Köche  ihren  Unterhalt,  bis 
auch  sie,  von  kleinauf.  zunächst  mit  crediticrter  Ware  beginnend,  als 
Händler  ihre  mercantile  Findigkeit  verwerten  können. 


Eine  bunte  Menge,  auf  beiden  Ufern  dichtgedrängt,  folgte  neu- 
gierig unserer  Fahrt.  Weiterhin  erschienen  kleine  Ansiedelungen,  ab  und 
zu  eine  malayische  Dorfschaft,  dann  wurden  Pflanzungen  von  An'owroot 
«'Maranta  arundinacea),  welche  das  bekannte  Nährmehl  liefern,  sichtbar. 
Zwischen  diesen  Pflanzungen  und  niedrigem  Buschwerke  dabinschwim- 
mend,  legten  wir  endlich  an  der  Mündung  eines  schmalen,  natürlichen 
Seitengrabens  an,  welcher,  in  der  Art  eines  Dschungels  verwachsen, 
mitten  durch  dichtes  Tamarisken-  und  Myrtengebüsch  führte. 

Es  waren  hier,  wie  mir  schien,  allzu  viele  Anstalten  in  der  Absicht 
getroffen  worden,  die  Jagd  auf  die  in  diesem  Graben  zahlreich  vor- 
handenen Krokodile  zu  begünstigen.  Das  Gebüsch  war  gelichtet  worden. 
damit  es  uns  den  Ausblick  nicht  benehme;  den  Canal  entlang  waren, 
um  das  Auswechseln  der  Krokodile  zu  verhindern,  Verhaue  gemacht 
und  zu  denselben  aufwärts  wie  abwärts  Wächter  postiert. 

Gleich  bei  der  Ankunft  an  dem  Canale  hatte  ich  kleine,  aus  dem 
Wasser  hervorragende  Punkte,  die  Lichter  und  die  Nasenspitzen  einiger 
Krokodile  wahrgenommen,  doch  waren  diese  rasch  untergetaucht  und 
erst  einige  Zeit  später  kam  ein  sehr  starkes  Exemplar  wieder  zum 
Vorscheine.  Ich  erlegte  das  Thier  mittels  eines  Kopfschusses;  in  den 
letzten  Zuckungen  schlug  es  mächtig  umher,  Wasser  und  Schlamm 
weithin  emporschleudernd,  bis  es  endlich  mehrere  Minuten  lang  ein  Rad 
schlug,  um  dann  leblos  hinzusinken.  Nun  warfen  die  eingeborenen  Jäger 
dem  Reptil  eine  Tauschlinge  um  den  Hals  und  zogen  es  an  das  Land. 

Hierauf  schritt  ich  längs  des  Ufers  auf  und  nieder  und  entdeckte 
bald  ein  zweites  Krokodil,  welches  sich,  durch  den  von  mir  abgegebenen 
Schuss  erschreckt,  in  den  weichen  Schlamm  so  tief  eingegraben  hatte, 
dass  ich  nur  wahrnehmen  konnte,  wie  sich  hier  das  Erdreich  abwech- 
selnd hob  und  senkte.  Ich  schoss  auf  gut  Glück  nach  der  Stelle  hin, 
an  welcher  ich  das  Haupt  des  Thieres  vermuthete  und  alsbald  bewies 
eine  Schweißspur,  sowie  das  Umberschlagen  des  aus  dem  Schlamm 
auftauchenden,  gezackten  Schweifes,  dass  ich  das  Krokodil  getroffen 
hatte.  Fortan  blieb  jedoch  alles  ruhig,  da  sich  die  Reptilien  nicht  mehr 
blicken  ließen;  sie  hatten  sich  unter  Wasser  im  tiefen  Schlamme  ver- 
krochen und  erst,  als  mehrere  Leute  mittels  langer  Bambusstangen  auf 
das  Wasser  schlugen  und  das  Erdreich  auf  dem  Grunde  des  Canals 
durchstocherten,  kam  wieder  Leben  in  den  Canal.  Die  Krokodile  nahmen 
diese  Operationen  sehr  übel  auf  und  fuhren  schnappend  und  beißend 
auf  die  Stangen  los.  So  oft  sich  ein  Kopf  zeigte,  gab  ich  auf  die  Lichter 
oder  auf  den  Halswirbel,  die  einzig  verwundbaren  Stellen  der  Krokodile, 


I'cucr  und  vcrniuchle  auf  diese  Art  noch  sechs  starke  Exemplare  zu 
erlegen,  so  dass  meine  Strecke  acht  Krokodile  betrug,  deren  jedes 
über  2  Hl  maß. 

Die  FUrbung  der  einzelnen  Exemplare  war  sehr  verschieden, 
sie  variierte  zwischen  schwarz  oder  grünlichgrau  und  hellgelb  mit 
schwarzen  Rändern.  Welch  dicke,  undurchdringliche  Haut  und  welch 
harte  Schädelknochen  das  Krokodil  besitzt,  konnte  ich  an  einem  Stüclu 
beobachten,  welches,  in  einer  Entfernung  von  etwa  25  Schritten  auf- 
tauchend,  nur  das  Haupt  hatte  sichtbar  werden  lassen.  Ich  schoss  mil 
meinem  Kxpress,  Caliber  500,  dreimal  hintereinander  auf  die  Schädci- 
deckc  des  Thieres  zwischen  dessen  Lichter;  allein  nach  jedem  Schusse 
tauchte  das  Krokodil,  ohne  das  geringste  Schusszeichen  zu  geben, 
unter,  um  alsbald  an  die  Oberfläche  zurückzukehren;  erst  der  \-iene 
Schuss  traf  knapp  oberhalb  des  Lichtes,  worauf  das  Thier  sich  über- 
schlug und  verendete.  Nachdem  das  Krokodil  ans  Land  gezogen  worden 
war,  fand  ich  bei  genauer  Untersuchung,  dass  die  drei  ersten  Kugein 
nicht  eingedrungen,  sondern  an  der  Schädcldecke  zwischen  den 
Lichtem  wie  von  einer  Panzerplatte  abgeprallt  waren,  ohne  dort,  wx) 
sie  aufgeschlagen  hatten,  mehr  als  kaum  wahrnehmbare  Flecke  tu 
hinterlassen. 

Die  erlegten  Krokodile  wurden  in  ein  Boot  verladen,  dieses  ii-oo 
unserer  Klotille  ins  Schlepplau  genommen  und  nun  kehrten  wir  auf 
demselben  Wege,  den  wir  schon  vorher  gesteuert,  mitten  durch  il 
jetzt  hell  erleuchtete  und  sich  daher  äuUerst  malerisch  präscnttereoitad 
Chinesen-N'iertcl  heim,  um  uns  zu  dem  beim  Generalguuvemetir  Kn| 
siiglen  Diner  umzukleiden. 

Der  Oeneralgtjuvcmcur  Dr.  C.  Pj-nncker  Hordijk.  dessen  Kesidci 
sich  in  Ruitenzoix  belindel.  besitzt  in  ßatavia,  dem  Sitze  der  Re| 
ein  sch(>nes,  ebenerdiges  Palais,  in  welchem  er  und  seine  Genwbti 
mich  erwarteten.  In  dem  großen  Speisesaal,  der  mit  den  Wappen  u 
lünblemen  der  Heimat  Reschmückt  war.  herrschte  leider  n-ährend  d«f] 
nun  fo^nden  Diners  drückende  Schwüle.  Ich  saß  zwischen  der  Frau 
\t«n  Hause  und  dem  ViccadmirsI  Jonkheer  J.  A.  Rocll.  Dieser,  eine 
liebenswürdige  IVr^mlichkeit.  erzählte  mir  allerlei  Interessantes  ober 
die  seil  dem  Jahre  1873  wfthrenden  kri^rerischen  Expeditiunen  < 
Niedeiiilnder  gegen  das  ihrer  Macht  widerstrebende,  immer  niNzh  a 
hftrtingc  Ktiich  .Mschin  i.AIjeh)  auf  Sumatra.  An  dem  Diner,  wöl 
v!es-sen  eine  MUitArkapelle  ihre  Weisen  erklingen  liefl.  nahmen  a 
l'iKUQMndaat  der  rüederlindisch-oättndischen  .Armee  Gcnerallieutei 


-A.  K,  VV.  Gcy  van  Pittius,  der  Generalsecretär  Sweerts  de  Landas  und 
andere  Würdenträger,  darunter  mehrere  Mitglieder  des  Käthes  von 
Indien  (Raad  van  Indie)  theil. 

Die  Tafel,  welche  sich  durch  Fehlen  der  Toaste  und  des  Cercles 
auszeichnete,  war  bald  aufgehoben  und  so  konnte  ich  in  meiner 
Wohnung  mit  unserem  Schiffscommandanten  noch  die  Fortsetzung 
der  Reise  besprechen. 

Batavia—  Buitenzorg.   12.  April. 

Der  Wunsch,  das  Museum  von  Batavia  und  andere  Sehenswürdig- 
keiten dieser  Stadt  in  Augenschein  zu  nehmen,  hatte  mich  veranlasst, 
die  Fahrt  nach  Buitenzorg,  welche  dem  Programme  gemäß  schon  für 
den  gestrigen  Abend  anberaumt  gewesen  war,  auf  den  Nachmittag  des 
heutigen  Tages  zu  verschieben,  um  vorher  eine  Rundfahrt  durch 
Batavia  und  dessen  Vorstädte  antreten  zu  können,  zu  welcher  wir 
sohim  früh  morgens  aufbrachen. 

Die  Gründung  von  Batavia  ist  auf  das  Jahr  1614  zurückzuführen. 
Zu  jener  Zeit  errichtete  der  holländische  General gouvern cur  Pieter  Both 
auf  einem  kleinen,  auf  dem  Ostufer  des  Tji  Liwung  gelegenen  Grund- 
stücke, welches  er  im  Jahre  1611  für  3000  holländische  Gulden  von 
dem  Häuptling  von  Dja-Karta,  einem  Vasallen  des  Reiches  Bantam, 
erkauft  hatte,  eine  befestigte  Factorci,  -Nassau«  genannt.  Diese  Factorei 
der  Holländisch-ostindischen  Compagnie,  jener  mercantil  wie  politisch 
mächtigen  Handelsgesellschaft,  welche,  1602  gegründet,  nach  vielen 
Jahrzehnten  des  Glanzes  mit  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
erlosch,  bildet  den  Ausgangspunkt  Batavias. 

Von  dem  Kasteel  beschützt,  von  ebenso  emsigen,  als  klugen 
Bürgern  besiedelt,  entstand  hier  unter  der  Venvaltung  fernblickender 
Behörden  im  Laufe  weniger  Jahrzehnte  ein  zukunftsreiches  städtisches 
Gemeinwesen.  Seit  1619  offlciell  den  Namen  Batavia  führend,  hat  sich 
die  Hauptstadt  Holländisch-lndiens  so  rasch  entwickelt,  dass  sie  zu 
Beginn  des  19.  Jahrhunderts  unbestritten  der  bedeutendste  Hafenpiatz 
Südostasiens  war.  Seit  dem  Aufschwünge  Singapurs  hat  Batavia  in 
seiner  commerziellen  Thätigkeit  einen  starken  Rückschlag  erlitten, 
doch  ist  es,  dank  der  reformaturischen  Fürsorge  der  niederländischen 
Regierung,  auch  heute  noch  unleugbar  ein  sehr  bedeutendes  Handels- 
centrum für  allerlei  Colonialproducte.  Außer  den  schon  früher  erwähnten 
27.270  Chinesen  zählt  Batavia  8613  Europäer,  2622  Araber,  104  andere 
Orientalen  und  76.246  Eingeborene. 


Dlt  Hufen  TiindjonR  Priok  weist  freilich  eine  weit  geringere  Zahl 
vi'ii  lliimlclsschiffun  auf,  als  andere  Emporien  des  Welthandels;  allein 
die  dichte  Hcvölkcrunfi  Javan,  die  intensive  Cultur  des  überaus  fruch:- 
liarcn,  k"slhiire  i'ioducte  liefernden  Bodens,  der  Ausbau  der  Verkehr^- 
wene.  vor  iillem  aher  die  tinanzielle  Weisheit  der  Holländer  sichern 
dieser  Mühenden  Ackerbaucolonie,  der  schönsten  aller  malayischen 
Inseln,  auch  fernerhin  volles  Gedeihen. 

l>or  \'crkehr  und  das  städtische  Leben  in  Batavia  sind  eigenaniß. 
In  den  europäischen  Vierteln  herrscht  nach  außenhin  eine  gewisse 
Soninolen/;  unlor  der  schlummernden  Oberfläche  jedoch  bethäti^  sich 
.lolhewus-l.  zähe  und  euisip  der  Xationalcharakter  der  Niederländer, 
lüo  Kuriipäer  bewohnen  die  südlichen  Vorstädte  Noorjwijk  und 
Kii'-wi.tk,  sowie  d.is  von  diesen  südöstlich  gelegene  Weltevreden:  Jit 
liöheivsi.  südlichen  Thei'.e  der  S:aJt  sind  die  gesündesten;  die  in  lier 
NälU'  der  See  .co'c.co^x':^  «.'.oschäftsvienel  haben  von  dem  feuchten 
K'::v,)  |!:i;,;\:;i>  .i:;:  :",c-,s:on  r.M  ■.oiden.  Die  Heimstätten  der  Eur^jpäcr 
;ii»i;c-  '"icv  ,-;;:v;'«ciL>  da?;  vi^rräjre  der  Nettigkeit.  Reinlichkeit  unJ 
Wo'.- •"  c'Vc  :  .■w,>c''.c-  w  :-.".Ci:-r:'=^e-  Gi.re:i  mit  reichem  Blumen- 
'.'■  ,■■■,:■,•■  -c'.:  .Vi  c>c-c-cici"  H^iUSi-r,  weiche  vermöge  ihrer  sozu- 
-Aj;v  ■  c.,  v"-^  c":  cc  -  ";%.=..;.■.-:  .i;-  l.:.':  freier,  Durchz-Jg  gewähren.  Auf 

.iv^  ,-.-,v  i:.-^,. — ;;    "-..,>   c.-j  '..iT---  i.:-:  h:;r.  ;«-;>;■'-=-  ien  mit  Bildern 
.:  •,■  "• ,  ■,    c.-  -  ,"  V  ■  ,-,,-  -  i.\:^-  -"_^^;;-  Wir.ien.  hslter.  auf  Ottomane 

•  ^  ■■     .  ■    ,■  ,     '-    -  . ,     ■,-.-.  ■      ■  ..-"c-;  iir  ^c:->er.  Ticesstunden  die 


Der  Konings-Plein  ist  ein  ausgedehnter,  4  Im  grüßer,  viereckiger 
Rasenplatz,  welchen  Tamarindenalleen  begrenzen.  An  den  Außenseiten 
dieser  Alleen  sehen  wir  das  neue  Palais  des  Generalgouverneurs,  dann 
jenes  des  Residenten,  Kirchen,  das  Museum,  die  Bahnstation  Konings- 
Plein  und  andere  öffentliche  Gebäude.  So  schon  die  Umrahmung  des 
Platzes  auch  ist,  so  wenig  bietet  der  baumlose,  mit  schlechtem  Grase 
bewachsene  Konings-Plein  selbst.  In  dem  angenehmen  .Schatten  der 
Alleen  tummelt  sich  gegen  Abend  die  ganze  Gesellschaft  Batavias,  in  den 
verschiedenartigsten  Equipagen  frische  Luft  schöpfend:  auch  wimmelt 
es  hier  von  Fußgängern,  selbst  einzelne  Reiter  wagen  sich  heivor. 

Bei  meiner  Fahrt  durch  Weltevreden  begegnete  ich  einrückenden 
niederländischen  Truppen  und  zwar  einem  Bataillon  Infanterie  und  einer 
Kscadron  Cavallerie.  letztere  durchwegs  mit  ganz  kleinen,  javanischen 
Ponies  beritten;  die  Reiter  haben  eine  wenig  kleidsame  blau-gelbe 
Uniform,  sitzen  mit  ungemein  kurz  geschnallten  Bügeln  im  Sattel  und 
tragen  den  Carabiner  derart,  dass  er.  am  Sattel  befestigt,  über  dem 
rechten  Schenkel  liegt  —  eine  Tragweise,  die  ich  nicht  praktisch 
finden  kann. 

Während  die  von  Europäern  bewohnten  Stadttheile  durch  verhält- 
nismäßige Ruhe  ausgezeichnet  sind,  herrscht  um  so  regeres  Treiben 
in  dem  ("hinesen-Viertel.  Da  wird  unablässig  gefeilscht  und  gearbeitet; 
kein  Garten  unierbricht  die  lange  Reihe  der  Häuser;  da  hier  alles  nur  auf 
das  Praktische  und  auf  Gewinn  basiert  ist,  wäre  ein  Ziergarten  über- 
flüssiger Luxus.  Die  bezopften  Leute  sitzen  vor  ihren  Werkstätten,  ent- 
wickeln eine  beinahe  fieberhafte  Thätigkeit  und  tragen,  sobald  sie 
etwas  erworben  haben,  einen  Theil  des  Gewinnes  in  die  Opiumhöhlen 
oder  Spielhäuser.  Meine  Rundfahrt  brachte  mich  von  den  lebenden 
Chinesen  auch  zu  den  todlen.  Die  Ruhestätten  dieser  liegen  im  Osten 
der  Stadt,  hauptsächlich  in  den  Pagansan  und  Sentiong  benannten 
Stadttheilen;  daselbst  schlafen  unter  Palmen  und  Bananen  auch  die  im 
vorigen  Jahrhunderte  dem  Hasse  der  Bevölkerung  zum  Opfer  gefallenen 
.Söhne  des  himmlischen  Reiches.  Die  Gräber  springen  durch  ihre  cigen- 
thümliche  Bauart  ins  Auge;  gar  manche  derselben  sind  schon  verfallen 
und  über  ihnen  wuchern  üppige  Schlinggewächse  oder  ziehen  sich 
Felder  und  Palmenpllanzungen  hin. 

In  der  Nähe  dieser  Begräbnisstätten  findet  man  neben  der  alten 
Kirche  der  Altstadt  das  Haus  Pieter  Elberfelds,  des  Verräthers  von 
Batavia,  der  im  Jahre  1722  hingerichtet  worden  ist;  eine  Steinplatte, 
oberhalb  deren  sich  ein  aus  Stein  gemeißelter,  von  einer  Lanze  durch- 


i.|i>'ii<.i  l>i.|l<>iilci|'l  i'iliflil.  IrüKt  eine  Inschrift  mit  der  [iarste'lü-j 
I  I  liiii  iiii'l  Hill  >t<'ii)  lli'lfhif.  ilitss  an  «.licsur  Stelle  bi!>  in  die  Evsigk::: 
|i<  iii'lit  )i>'1»iiii  w>'i.l<<ii  >IUi-k>. 

til''  \  l'MiiM,  Hdilu'  \"ii  den  KinKehiircnen  Javas  bewohnt  werJe-, 
uii'ii  "In.'M  11'"''''"  Kiinni  t'in  iiiui  Irajtcn  den  Charakter  von  Dörfery. 

iiM  it,\i\y  tinli'i  IVtlnicn  und  Hananon  versteckt  erscheinen.  Auch  die^f 
"l«'!!''!!!'»»''!».  Uiinii'unK^  «»der  Dessus  K'-'nannt.  tragen  den  Stemp:;; 
I  t'J.Mili.  hU.'il  lind  Ni'tliKkoil  an  sich;  ein  swi"  wohlthuender  Unier- 
ti.,t  vwi-i.  li.n  ili'ii  Mi'liiuiMiniton  der  Javanen  und  den  schmutzigen, 
.|ii..li.n.t.'ii.  \.'i\MihiltiNlcn  Wohntuiscn  der  Hindus  in  Britisch- 
li.-ii  iM  liii'i  hrm.'iKt'ar  I>ii'  cinzolncn  Hütten  sind  zumeist  ai:- 
nil'nn  (i.LiiiKl.  d;!-«  IViv'h  und  die  Soitenwändc  bestehen  entwejer 
•  ll,Mid>iiMl.'.  liiw.'ik,  \lrt II jrs'-'sS'».' 'locht  "Vier  einfach  aus  trockenen 
imM.ui.Mi.  \\,-l.li,'  .imvli  ilitv  lö-ötV  und  ihre  ziemliche  WiderstanJ*- 
M..Kvii  .1-1  Mii''^  ii:^i  ^!'.!l^r,-s  R-»u;iialerial  ^ilden.  Sehr  häutig  stehen 

ttt.M.  ■'  ,*ii.  '■•  <i\::  V:;i','\':'-  On-  ^\lc^o;■,  meistens  sowohl  nach  vorrc 
,     •  i,  ■•     ,-.,  ^vv  .",■■;*■  '■■■■  ^^■■■'■.■^■■,^;:•■'■■:,   >c>ch«;;er.  kleine  CiaHcrien  <•■}<:: 


•  !-,,.;:e~  ■>:  c-.r^c  sehr  einfache:  Jenr 
cv'-v'  S*;;t.  Ais  Ber:>teHcn  dieni-r 
■  ?v,-j:-:  «-o'-iir..  vor.  anderen  M;.^e!: 

V   j.  i.-::.■^^  C-:-.U:c    RiTib-JSSJ^tmt  : 


im  Werte  von  etwa  10  fl.  ö.  VV.  liefert.  Wie  mir  der  Resident  versicherte, 
benutzen  die  Leute  häufiß  zum  Sammeln  der  C'ocosnüsse  abgerichtete 
Affen,  weiche  die  glatten,  hohen  Stämme  emporklettern  und  die  reifen 
Früchte  herabwerfen.  Will  der  .'Vffc  eine  noch  unreife  Frucht  pflücken, 
so  erhält  er  mittels  einer  Schnur  einen  Huck,  worauf  er  alsbald  davon 
ablässl  und  eine  reife  Frucht  auswählt.  Ein  zu  solchem  Dienste  gut 
abgerichteter  .Affe  soll  für  seinen  Eigenthümer  eine  große  Einnahms- 
quelle bilden,  da  dieser  das  Thier  vielfach  an  Besitzer  von  Cocos- 
palmenplantagen  vermietet. 

Nebst  der  Reinlichkeit  berührt  den  von  Britisch-Indien  kommen- 
den Reisenden  auf  Java  noch  ein  zweites  Moment  aufs  angenehrtislc 
—  die  große  Ruhe,  mit  welcher  die  Malayen  alles  vollbringen,  so 
dass  man  wohl  öfters  an  einem  von  Bäumen  umhüllten  Kampong 
vorüberschrei len  würde,  ohne  seiner  Existenz  gewahr  zu  werden,  wäre 
das  Auge  nicht,  welches  die  Hütten  zwischen  dem  Baumgrün  hervor- 
lugen sieht.  Das  Ohr,  zumal  wenn  es  von  dem  Lande  der  Hindus 
her  durch  deren  ohrenzerreißenden,  betäubenden  Lärm,  ihr  eigenthüm- 
liches  Geschrei  und  Geheul  einigermaßen  an  Empfindlichkeit  für 
Geräusche  verloren  hat.  vermag  selbst  in  der  Nähe  der  Kampongs 
nichts  Auffallendes  wahrzunehmen. 

Von  dem  malayischen  Viertel,  wo  die  Natürlichkeit  noch  ziemlich 
ungetrübt  waltet,  thaten  wir,  bildlich  gesprochen,  einen  gewaltigen 
Sprung,  indem  wir  den  Platz  besahen,  auf  welchem  im  Herbste  1893 
eine  Weltausstellung  en  miniature  ihre  Schätze  ausbreiten  soll.  So 
hat  denn  das  Expositionsfieber  auch  die  ruhigen  Bewohner  Javas 
ergriffen!  Nicht  ohne  Slo!z  wies  der  Resident  auf  die  allerdings  noch 
im  Anfangsstadium  begriffenen  Vorbereitungen  hin;  einige  Gerüste 
ließen  einstweilen  die  künftige  Pracht  noch  nicht  ahnen.  Immerhin  ist 
der  gewaltige  Gegensatz  fühlbar:  dort  im  Kampong  Volkslehen,  das 
Jahrtausende  lang  in  gleichförmiger  Weise  zum  Ausdrucke  kommt;  hier 
Zurüstungen  für  die  Verwirklichung  einer  jener  Ideen,  in  welchen  das 
Culturleben  der  Völker  in  der  allermodernsten  Fassung  zur  Darstellung 
gelangt! 

In  der  Folge  halte  ich  auch  Gelegenheit,  die  javanischen  Ponies 
zu  beobachten,  kleine,  höchstens  12  Faust  hohe  Thiere,  welche  die 
unschönen,  landesüblichen  Wagen  im  schärfsten  Trabe  durch  die 
Straßen  ziehen.  Diese  Ponies  stammen  zumeist  von  den  Sunda-Inseln 
Sumbawa  und  Sumba  fSandelhout)  her.  Nebst  den  Producten  der 
einheimischen    Pferdezucht,    unter    welchen    insbesondere    jene    der 


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vVi:--^?^:  i::  -.virr/'/l-iti  Münze  h=:T'.j.:Iicr:er.  L'^rrurTyre*  u-i: 
'•i'iV;.T::;ri-Ij-j. ■.".:-  -iU~  -=rr  Jahrd  t:*;^5  ?<;tn. 

[j:-  -:;rT  ur-?,;r.;:c:i«-!,:i  ar--hü-.->i'.>!2i:'N:?:=  Sa-nmtung  ■>:  ■ 
n-j-i.-r.T  Z--:'  cr.>:ir.d,'r.  Ja  T:..ir  :r  irüheren  Jahren  in  Java 
Ir.-.;-;^-;  VjT  A!:ir.:-;ii;T!er  jr  Jsr:  Ta^  :?ele!it  hat  Einzeir^i  ij 
h-x'j':-.  -■s^.  -.r.  ^.■'■■:'r.-'.  ■.■;rdi<;r.<t:-''\'.-ir  \\'i\-i<i  der  Erforschung  de; 
I^-.-'-<-T-.i!,-r  d--r  [-r~v'  ^u^i-uard:.  vv- .bei  festiiesietlt  w-urde.  d^ 
>::'.  i,-r  ;.i  a.-ii-wT.-r  T j:T'.rü:':?aL;:ec.  unbeachtet  einiger  AbvA'eicn 
l'ii'f-.i":  a::  jjr..-:-;  \"'TJ jdrJi'j::-  i;r;nnert.  Diese  Enjcheinunj  rirc 
na:L.r::.::;  KrUr-^n^;  d.irin.  das-  -n  früheren  Zeiten  der  Brahnra' 


Darstellungen,  so  snkhe  Schiwas,  der  Dreieinigkeit  Brahma,  Wischnu 
und  Schiwa,  des  heiligen  Stieres  Nandi.  jene  der  Göttinnen  Lakschmi 
und  Kali  sowie  des  Elephantengottes  Ganescha  in  allen  möglichen 
Stellungen;  ferner  waren  mehrere  Lingams,  Urnen  der  verschiedensten 
Grijfien,  Säulenpiedestale  u.  a.  m.  zu  sehen. 

Eine  Sammlung  aufgefundener  oder  ausgegrabener  Metallgegen- 
stände ist  sehr  bemerkenswert;  auch  hier  begegneten  wir  den  ver- 
schiedenen Gottheiten  der  brahmanischen  Theogonie,  in  Bronze,  Silber 
oder  Gold  gestaltet,  —  einzelne  dieser  Nachbildungen  zeigen  künst- 
lerische Vollendung  —  femer  mannigfaltigen  Tempelgeräthschaften, 
besonders  Glocken,  Gongs.  Opferkesseln,  sowie  Lämpchen  und  Schmuck- 
gegenständen. 

Den  Hauptanziehungspunkt  und  zugleich  den  wertvollsten  Theil 
des  Museums  bildet  die  in  langen,  großen  Sälen  untergebrachte  ethno- 
graphische Sammlung,  welche  nicht  allein  Java,  sondern  auch  die 
ganze  Inselwelt  des  asiatischen  und  des  australischen  Archipels  umfasst 
und  sich  durch  ihre  ungewöhnliche  Reichhaltigkeit  auszeichnet.  Die 
genauere  Besichtigung  all  der  Objecte,  welche  die  verschiedenen  Cultur- 
stufen  der  malayischen  Volker,  von  den  Kannibalen  angefangen  bis 
hinauf  zu  den  schon  ziemlich  hoch  entwickelten  Javanen.  darstellen, 
würde  Tage,  ja  Wochen  in  Anspruch  nehmen. 

Da  sieht  man  zunächst  Modelle  verschiedener  Behausungen, 
höhlenartiger  Bambushütten  von  Borneo  und  schön  geflochtener  Häuser 
von  Java,  femer  alle  Geräth Schäften,  deren  sich  die  verschiedenen 
V'ölkerstämme  bei  der  Jagd  und  der  Fischerei  bedienen.  Eine  Unzahl 
der  merkwürdigsten  Waffen  ist  an  den  Wänden  angebracht.  Nicht  bei 
allen  Völkerstämmen,  deren  Erzeugnisse  hier  für  oder  gegen  sie 
sprechen,  ist  die  Steinzeit  schon  durch  die  Eisenzeit  verdrängt;  daher 
sind  denn  vielfach  Speer-  und  Lanzenspitzen,  sowie  Beile  noch  aus 
sehr  hartem  Gestein  oder  aus  Holz  angefertigt;  manche  der  Waffen  sind 
mit  schnellwirkenden  Giften  imprägniert.  Aus  dem  Lande  der  Dajaks 
auf  Biirneo  stammen  Blasrohre  mit  vergifteten  Pfeilen. 

Mit  großem  Fleiße  sind  alle  Arten  von  Kleidungsstücken,  deren 
sich  die  Inselvölker  bedienen,  zusammengetragen.  Die  Schaustellung 
der  Garderobe  mancher  dieser  Inselstämme  hat  wenig  Mühe  und 
Schwierigkeit  verursacht;  die  Tracht  ist  mitunter  sehr  nothdürftig  und 
von  unseren  Stammeltern  im  Paradiese  ziemlich  getreu  überkommen. 
Hingegen  finden  sich  aus  Java  Tanzcostüme,  Brautkleider  und  Proben 
von  Kain.s,  gewebten  Kleidern,  die  einen  ziemlich  bedeutenden   Wert 


repräsentieren.  Danehen  stehen  Pajungs  (Dislinctionsschirme)  unj  in 
großer  Zahl  Masken  zu  dem  Topeng- Tanze,  sowie  Wajang- Figuren  unO 
Musikinstrumente  der  abenteuerlichsten  Formen  für  den  Gamelang.  JajJ 
javanische  Orchester,  hierunter  riesige  Gongs,  cymbalähn liehe  Instru- 
mente und  ein  höchst  eigenthümlich  gestaltetes  Instrument.  Anklong 
genannt,  bestehend  aus  gestimmten  Bambusrohren .  welche  durch 
Schütteln  zum  Tönen  gebracht  werden. 

Der  originellste  Theil  der  hier  aufgestapelten  Schätze  besteht  in 
der  groJ3en  Menge  von  Fetischen  und  Götzen,  sowie  von  Schmuck- 
gegenständen der  Kannibalen,  vor  allem  der  Papuas,  der  Dajaks,un>J 
der  Battas.  Diese  Fetische  und  Götzen  stellen  sich  als  sehr  realislbcli 
aufgefasste,  scheuüliche  Fratzen  dar;  einige  sind  bemalt  und  mit  Haaren 
geschmückt  oder  mit  Muscheln  ausgelegt. 

Die  Schmucksachen  sind  in  phantastischer  Weise  aus  Vogel- 
fedem,  Muscheln  und  Knochen  oder  Zähnen  von  Thieren,  mitunttf 
aber  auch  aus  Überresten  menschlicher  Körper  hergestellt;  so  sah  mm 
hier  Schädel,  einzelne  Knochen  oder  Haarbüschel,  ähnlich  den  Indianer- 
Scalps,  und  als  Halszierat  Colliers  aus  aufgefädelten  Zahnen  von 
Menschen.  Das  Material,  wenn  ich  mich  so  ausdrücken  darf,  zur  Her- 
stellung all  dieser  Schmucksachen  liefern  den  Kannibalen  die  Leich- 
name der  von  ihnen  erschlagenen  Feinde.  Herrscht  ja  doch  auf  Bomeo, 
Sumatra  u.  s.  w.  die  greuliche  Sitte,  dass  ein  Jüngling  von  den  Ältesten 
des  Stammes  erst  dann  für  mannbar  erklärt  wird,  sobald  er  uine  geH-i?.sc 
Anzahl  Schädel  erschlagener  Menschen  vorzuweisen  vermag  ^  eine 
Anforderung,  welche  an  die  Jünglinge  auch  bei  der  Wahl  einer  BrauL 
bei  gewissen  Festen  und  bei  dem  Tode  eines  Häuptlings  geslelll  wird 
Die  Roheit,  welche  in  dieser  unser  Gefühl  auf  das  tiefste  verletzenJcn 
Sitte  zum  Ausdrucke  gelangt,  lässt  darauf  schlieflen,  dass  bei  derartigen 
Kopfjagden  .Schädel  wohl  nicht  nur  im  Kampfe,  sondern  auch  durch 
Meuchelmord  erbeutet  werden. 

Hin  besonderer  Raum,  die  Goldkammer,  welche  durch  Panücr- 
platten  gegen  etwaige  Einbrüche  gesichert  ist,  birgt  die  wertvollsten 
Gegenstände;  so  mit  Gold  und  Silber  eingelegte  Wnflen  und  Schmueh- 
gegenstände,  die  Reichskleinodien  aus  dem  Nachlasse  des  Sultannls 
Bandjermasing  und  kostbare  Objecte  holländischer  Provenienz,  die  noch 
aus  der  Zeit  der  Ostindischen  Compagnie  datieren. 

Mehrere  Stunden  hatte  ich  der  Besichtigung  des  Museums 
gewidmet  und  besorgte  sodann  bis  zur  Abfahrt  nach  Buitenzorg.  Jie 
um  4  Uhr  nachmittags  erfolgte,  noch  einige  Bestellungen  und  Einkäufe. 


Der  Weg  von  Batavia  nach  Buitenzorg.  den  wir  in  anderthalb- 
stündiger  Fahrt  zurücklegten,  führt  zumeist  durch  cultiviertes  Land, 
insbesondere  durch  Reisfelder,  Er  bietet  landschaftliche  Reize  in  Fülle, 
da  er  unausgesetzt  schöne  Ausblicke  auf  den  Nordabhang  des  den 
Hintergrund  dieser  Stadt  bildenden  Gebirges  und  auf  das  tropische 
V'egetalionsbild  des  Vorlandes  gewährt. 

In  Biütenzorg,  das  wesentlich  höher  gelegen  ist  als  Batavia, 
wehte  uns  angenehme,  durch  eines  der  täglichen  Gewitter  abgekühlte 
Luft  entgegen.  Das  Sanssouci  von  Batavia  —  Buitenzorg  bedeutet 
-AulJer  Sorge-  —  ist  die  Gesundheitsstation  der  javanischen  Haupt- 
stadt und  die  Lieblingsvilleggiatiir  der  reicheren  Stände  Batavias.  Der 
erste  Eindruck,  den  wir  hievon  empfiengen,  war  ein  äußerst  angenehmer, 
und  wir  begriffen  sehr  wohl,  wie  reizend  ein  längeres  Verweilen  in 
der  lieblichen,  am  Fuße  des  Gebirges  gelegenen,  von  immergrüner, 
üppiger  Vegetation  umgebenen  Niederlassung  sein  müsse. 

Wie  in  Batavia  finden  wir  auch  hier  ein  europäisches  \'illen- 
viertel  sowie  malayische  und  chinesische  Kampongs,  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  die  Europäer  hier  noch  mehr  als  dort  den  Ton 
angeben.  Auch  hier  dieselbe  Reinlichkeit  und  Nettigkeit,  derselbe 
gemüthliche  Ton.  dieselben  Sitten  und  Gewohnheiten.  Ich  kam  gegen 
Abend  an.  als  die  Bewohner  Buitenzorgs  eben  bei  den  Klängen  einer 
Militärkapelle  unter  den  großen  Bäumen  der  Hauptstraße  lustwandelten, 
und  hatte  hier  Gelegenheit,  viele  audallend  hübsche  Holländerinnen  zu 
bewundern.  Eurasier,  das  sind  Mischlinge  von  Europäern  und  Ein- 
geborenen, die  sich  europäisch  kleiden,  deren  Gesichtsfarbe  und  Typus 
aber  doch  immer  vorwiegend  malayische  Merkmale  zeigen,  waren  in 
großer  Zihl  zu  sehen. 

Das  Leben  und  Treiben  in  den  Straßen  Buitenzorgs  ist  des 
Morgens  und  am  .Abend  ein  sehr  buntes,  da  die  Stadt  an  der  Haupt- 
straße nach  den  Preanger  Landschaften  liegt.  Neben  schweren,  mit 
Ochsen  bespannten  Karren,  sind  es  leichtere,  von  kleinen,  schnellen 
l'onies  gezogene  Gefährte,  die  den  Wagenverkehr  vermitteln;  ganze 
Karawanen  halbnackter  Kulis,  welche  auf  ihren  Schultern  Producte  des 
Landes  tragen,  ziehen  einher;  da  sieht  man  Kulis,  die  mit  Keishalmen, 
mit  Paketen  von  Palmen;!ucker,  mit  anderen  Lebensmitteln  oder  mit 
frischem  Grase  für  Viehfutter  schwer  beladen  sind.  Alles  das  ist 
ungemein  geschickt  und  sauber  verpackt.  Die  Verpackung,  mag  sie 
in  der  Form  von  Stäben,  Fasern  oder  Körben  erscheinen,  ist  unab- 
änderlich aus  Bambus  hergestellt;  denn  diese  Pflanze  spielt  auf  Java 


Der  Handlung  dieser  Lelakons  liegt  beinahe  immer  dasselbe,  den 
verschiedenen  F'ällen  angepasste  Thema  zugrunde:  ein  König  will  die 
Hand  seiner  Tochter  einem  Prinzen  gewähren  unter  der  Bedingung, 
dass  dieser  eine  besonders  schwierige  und  kühne  That  vollbringe;  diese 
|[^elingt  dem  Prinzen  nicht;  nun  unternimmt  sie  ein  aus  einer  feindlichen 
Dynastie  stammender  kühner  und  glücklicher  Rivale;  inzwischen  wird 
die  Prinzessin  v-on  einem  Riesen  geraubt,  aber  alsogleich  von  dem 
Rivalen  wieder  befreit;  der  erste  Werber  fordert  sodann  den  zweiten 
zum  Zweikampf  heraus,  unterliegt  jedoch,  und  der  glückliche  Held 
führt,  von  dem  Segen  des  Vaters  begleitet,  die  Königstochter  heim. 
Diese  romantische  Handlung  ist  je  nach  den  Erfordernissen  des 
einzelnen  Falles  variiert  und  ausgeschmückt.  Die  Aufführungen  ziehen 
sich  oft  durch  die  halbe  Nacht  hin;  ja  im  Wajang  Wong  am  Hofe  zu 
Surakarta  (Soerakarta)   dauern   sie  nicht    selten    mehrere  Tage    lang. 

Der  uns  zu  Ehren  aufgeführte,  für  den  Wajang  Wong  vor  etwa 
fünf  Jahren  verfasste  Lelakon  ist  ein  offenbar  modernisiertes  Product, 
das  nur  durch  indische  Namen  an  die  alten  Sagen  erinnert.  Die  Schau- 
spieler traten  in  bunten,  phantastischen  Costümen  mit  Masken  auf;  den 
Königen  folgten  tanzende  Sclavinnen.  Die  Vorstellung  muthete  uns, 
besonders  da  uns  die  begleitenden  Worte  unverständlich  waren,  recht 
komisch,  aber  ihrer  Fremdartigkeit  halber  auch  fesselnd  an.  In  den 
Bewegungen  und  namentlich  in  den  Schritten  der  Schauspieler  war 
eine  gewisse  Anmuth  nicht  zu  verkennen;  insbesondere  die  Tänzerinnen 
ersetzten,  was  ihnen  an  körperlichen  Reizen  fehlte,  durch  (irazie. 

Buitcnzorg  —  Garut,  13.  April. 

Da  der  Extrazug,  der  uns  an  einige  interessante  Punkte  im  Innern 
des  Landes  zu  bringen  hatte,  bereits  um  halb  7  Uhr  früh  abgehen  sollte, 
trat  ich  schon  früh  morgens  eine  Rundfahrt  durch  Buitenzorg  an. 
Ivs  begann  eben  erst  zu  grauen;  viele  der  geflügelten  Sänger  waren 
erwacht  und  schmetterten  ihr  Lied  in  den  Wipfeln  des  botanischen 
(iartens.  In  dem  Chinesen-Viertel  schickten  sich  die  lleißigen  Bewohner 
gerade  an,  ihre  tägliche  Arbeit  zu  beginnen.  Durch  einen  prächtigen 
Wald,  in  dem  sich  zahlreiche  Malayen-Ansiedelungen  befanden,  und 
weiterhin  durch  Reisfelder  eilend,  betraten  wir  in  einem  tief  gelegenen 
Thale  den  Badeplatz  Sukaradja  (Soekaradjaj,  der  von  einer  l'nzahl 
badender  Männlein  und  Weiblein  bevölkert  war,  welche  da  ihre 
rituellen  Waschungen  vornahmen. 

46r> 


hi'-  iriinn'iiisfliL'n  IliUiser  in  diesem  Thale  bilden  ein  eigener 
\'l"(li'l,  ilfi'i  ^i^■||.  wii-  (Ins  ciiropiusfhe  Viertel  in  Batavia,  durch  \ettig- 
Im-iI,  \\''iliiili''likL'il  iiml  iluTi  Schmuck  zahlreicher  Gärten  auszeichnei 
V'ni  il''i  Km'h'IIIi'  iitul  iluni  Obclisktin.  der  hier  einem  Gouverneur  zu 
Khri'pi  mim-lzl  ist.  zifhl  sich  his  zur  Huhnstation  Buitenzurg  eine  Alltrc 
\>iii  m  lilmiU  itcwiichsoncn,  sehr  hohen  Bäumen  —  ich  schätzte  sie  auf 
miiiil.'.li'H'.  I-I  »I  bis  IS»;  hin.  die,  wie  ich  zu  meinem  größlen 
l'>'ilmini'ii  ciiiihr,  hintu-n  vier  Jahren  diese  Höhe  erreicht  haben  solicn. 
Uli"  dilrlli'ii  wohl  >lio  schiiclhvCldisitisten  Büiime  der  Welt  sein! 

ItiiM  M'i/io  sjoh  unser  Triiin  mich  tiamt  (Garoet)  in  Bewegung.  Dit 
Mr.'iKi'  .lifM'i'  Huhn  lauU  von  lUiitonzorü  ah  in  südlicher  Kichtung  unJ 
liiH  iirt.'hsl  diT  StiUii'u  'rjitjuruj:  i'rjitjoomcg)  in  das  Gebiet  der  Resideni- 
-.1  hiill  nI.'i  rii'iinKi'r  1  iindsohnricn  ein,  sich  von  da  gegen  Osten  wendenJ 

I >ii'  I ';ihil  bN  ,u  uiisotor  Kndstiition  f.arui  ist  ungemein  anziehend 
Oi.^  1  ju\.N«h,tll  li.uil  oiiioii  hobUchou  «.'haraktor;  der  Reisende  wahnt 
I.  h  111  iiii.'iu  l\uK."  mit  lr.'iM>v-her  Vogolation,  von  welchem  aus  sich 
1,1  iiyi.'  Vu'^Mukv'  all!  Uoi>rc  und  Höhenzüge,  besonders  aber  auf  die 
-.|'ii  ,'11  K,'';,-l  V  i>''„"i-  \"iiU'ane  ,i;u-bicten.  an  denen  ganz  Java  so  reich  i>L 
l;i  u,'!  ,'!h;,'v,-'«tmi:,-;-,';'  IViale:-;'!  und  SchUu-hicn  mit  fast  senkreohi 
.iMi.:.  •.-■..':■  l  :,  ■  ;^  ■.i;;v,:io-,  V";;>vo  o.ier  M,.-he.  die  wir  erst  entdeckten. 
v\,  •  -  w  ■  ■•,!  ;  ,i  ■■  l  ,■■:,; -.ic  .■.'. >;,■".-. -,i;'  waren.  Der  Eisenbahn-DireciiT, 
\\.  ;>■•,■■  V:,"-  >,x'.  ;>'--■-  s-".^  ■""■■  ■■"•>  m\'ork  lammend  st  er  Cicerv,>ne  aüe 
■ .  \\ ,  •■.,"■.,■•  V,  "v  ,;■■-.  ->,,•■■  ;.  •,-  :>-,i:;.'  >:c>  v.;ch;  wenig  slolz  auf  seine 
!t.  ..>-■•  •  ,  ,  V  ,  ■•  -  ■•„,  u.  ■  W  •d;:T-:i:er.  ^ur^-h  das  Land  ziehL 
,   ■-,     .   •.   '^.■■.,'-.-   •■  ,    "■■,-  ,"i,  ,\.-.>.>,-—-.  Ä;;f  kühnen  Brücken  über- 


mit  dem  schilfähnüchen  Alang-Alang  bewachsen  sind,  welches  keine 
andere  Pflanze  aufkommen  lässt  und  so  dicht  steht,  dass  es  für  den 
Menschen  kaum  durchdringbar  ist. 

Wer  anders,  denn  ein  Fachmann,  welcher  die  Flora  von  Java 
erforscht  hat,  vermöchte  die  Üppigkeit  und  Schönheit,  die  Formenfülle 
und  die  Eigenart  der  Pflanzenbilder  nach  Gebür  zu  schildern,  welche 
uns  die  aus  dem  Ocean  emportauchende,  durch  gleichmäßige  Wärme 
und  durch  Regenfall  begünstigte  Insel  in  ihrem  tropischen  Tieflande,  in 
ihren  subtropischen,  jungfräulichen  Bergwäldern  und  in  den  auch  mit 
zahlreichen  europäischen  Pflanzenformen  bekleideten  Höhenregionen 
der  vulcanischen  Gebirgszüge  bietet! 

Tropisch  immergrüner  Wald,  Palmen,  —  darunter  die  Nipapalme 
(Nipa  fructicans),  deren  Blätter  zur  Herstellung  von  Cigaretten  (Rokos) 
dienen,  während  der  Saft  braunen  Zucker  und  Palmwein  liefert  — 
Bambus,  Pandanen  schmücken  das  von  Alang-Savannen  durchsetzte 
Tiefland;  eibenfthnüche  Nadelhölzer,  Eichen-  und  Teak-Bäume,  blüten- 
reiche Zingiberaceen,  breitblätterige  Musaceen,  ferner  hochstämmige 
Karnbäume,  bedeckt  mit  Orchideen  und  Lycopodien.  überwuchert  von 
Moosen  und  Famen,  füllen  die  Urwälder  und  Schluchten  der  mittleren 
Höhen;  Schachtelhalme,  Brom  beerarten,  an  Cypressen  erinnernde  Nadel- 
hölzer, Sträucher  und  Kräuter  einer  gemäüigten  Zone  steigen  bis  an 
die  grünen  Abhänge  der  Krater  empor,  an  deren  Rändern  eine  eigen- 
artige Flora  gedeiht. 

.So  bietet  schon  das  autochthone  Pflanzenkleid  Javas  in  Tausenden 
von  Arten,  von  welchen  erst  gegen  7001!)  botanisch  bestimmt  sind,  eine 
Fülle  von  Gewächsen,  welche  Nahrungsmittel,  Gewürze,  Hölzer,  Flecht- 
material, Arzneimittel,  alleriei  PVüchte.  Säfte  und  Harze  liefern  und 
iillen  Bedürfnissen  der  Eingeborenen  wie  der  Pflanzer  und  Kaufleute 
zu  genügen  scheinen.  Und  dennoch  hat  der  nimmermehr  ruhende,  weit- 
blickende, immer  wieder  nach  Neuerungen  strebende  Geschäftssinn  der 
Europäer  die  javanischen  Fluren  mit  Handelsgewächsen  besiedelt,  die, 
wiewohl  Einwanderer,  heute  mit  Fug  und  Recht  in  der  allerersten  Reihe 
der  pflanzlichen  Culturproducte  Javas  stehen.  Afrika  hat  den  Kaffeebaum, 
Südasien  das  Zuckerrohr,  den  Thce,  die  Baumwolle,  den  Zimmt,  China 
den  Reis,  Amerika  den  Cacao,  die  Cinchona,  die  Vanille,  den  Tabak 
gesendet  --  Pflanzen,  welche  die  wichtigsten  Exportartikel  Javas  liefern. 

Auf  dem  Bahnhofe  des  Städtchens  Tjiandjur  (Tjiandjoer),  dem 
Sitze  eines  eingeborenen  Regenten,  envartete  mich  dieser  sowie  der 
niederländische  Resident  der  Preanger  Landschaften,  der  mich  auf  der 


weiteren  Tour  begleiten  sollte.  Eine  einheimische  MusikkapeHe.  nach 
Landessitte  auf  dem  Boden  kauernd,  spielte  auf  dem  Gamelang  ilie 
Volkshymne,  welche  in  den  weichen  Accorden  der  gestimmten  t  jinbat* 
und  kesselartiyen  Instrumente  recht  angenehm  erklang.  Da  es  rudihar 
geworden,  dass  ich  cjrnithoiogische  Objecte  sammle,  brachten  die  Ein- 
geborenen eine  große  Anzahl  lebender  V5ge!  herbei,  deren  ich  einip: 
auswählte. 

Nach  einem  Aufenthalte  von  zehn  Minuten  gieng  es  weiter  und 
erst  in  Bandung  (Bandoeng)  hielt  der  Zug  wieder.  Hier,  am  Sitze  der 
Hesidentschal't  der  Preanger  Landschaften,  wurde  mir  von  dem  Resi- 
denten ein  Frühstück  in  seinem  Palais  angeboten,  eine  Hinladung,  dsr 
ich  gerne  Folge  leistete.  Eine  große  Menschenmenge,  die  gröÜtenthciK 
aus  Eingeborenen,  doch  auch  aus  Europäern  bestand,  halte  sich  «u( 
dem  Bahnhofe  eingefunden.  Ein  vierspänniger,  schier  antediluvianischer 
Wagen  brachte  uns  in  das  Regierungsgebäude,  welches,  im  .Stile  aller 
javanischen  Häuser  gehalten,  ebenerdig  gebaut  ist  und  in  einem  sauber 
gepflegten  Garten  Hegt. 

ÄuUersl  drollig  nahm  sich  eine  javanische  Escorte  aus,  die  vf.r 
dem  Wagen  und  hinter  demselben  einherstürmte.  Einheimische  Büi- 
germeister  und  Stadträlhe  waren  es,  welche,  angethan  mit  einem  Mixtum 
compositum  von  holländischer  und  einheimischer  Kleidung,  mit  gani 
kleinen,  javanischen  Pontes  beritten,  uns  das  Ehrengeleite  gaben.-  Die 
Heiter  hatten  gelblackierte,  breite  Hüte;  holländische,  bluue,  mit  gol- 
denen oder  silbernen  Tressen  gezierte  Gehröcke  —  jenen,  welche  unsere 
Hofkapellensänger  tragen,  ähnlich  und  wohl  schon  manches  Jahr  im 
liesitz  ihrer  Herren:  einen  kurzen  Sarong:  einen  krummen  PoUzeisähd 
en  bandouliere  und  weiße  Hosen.  Die  Reiter  waren  barfüUig  und  hielte» 
mit  der  großen  Zehe  die  Steigbügel  krampfhaft  fest.  Das  Sattel-  und  Ricm- 
zeug  bestand  zum  Theile  nur  aus  Stricken.  Da  die  kleinen  l'nnies  sich 
oft  störrisch  zeigten,  kam  mancher  der  .Stadiväter  in  sehr  kriltsche 
Situationen,  die  meine  Lachmuskeln  auf  das  lebhafteste  erregten,  dort 
genierte  oder  kränkte  das  die  ehrenwerten  Mitglieder  des  Raiideriui 
nicht  im  geringsten:  denn  sie  selbst  brachen  in  solchen  Fallen  in  hoa^ 
risches  Gelächter  aus,  so  dass  die  Fahrt  unter  allgemeiner  Heiter 
endete. 

In  den  Straßen  stunden  die  Eingeborenen,  nicht  allein  aus  i 
Stadt,  sondern  auch  aus  der  L'mgebung,  dichtgedrängt  und  bezeig 
bei  der  .■Xnnäherung  des  Wagens  ihre  Ehrfurcht,  indem  sie  sich| 
hockende  Stellung  niederkauerten  und  den  IJlick  zu  Boden  senkten.  B 


Kingehorcnen  sehen  bei  dieser  merkvvürJijjcn,  allgL'müin  üblichen  An 
des  Gruües  jenem,  weichem  ihr  Gruß  gilt,  nie  ins  Gesicht;  ja  manchmal 
wenden  sie  sich  von  dem  Begrüßten  sogar  ganz  ab  und  hfihergestellte 
Javanen,  besonders  Regenten  und  Beamte,  veiToUstandigen  noch  den 
Gruß,  indem  sie  die  Hände  oberhalb  der  Stime  zusammenschlagen.  Ich 
beobachtete  häufig,  dass  javanische  Regenten  und  selbst  eingeborene 
Fürsten,  wenn  sie  von  dem  Generalgouverneur  oder  von  einem  der 
Residenten  angesprochen  wurden ,  sich  diesem  nur  in  kriechender 
Weise  näherten  und  dann  vor  dem  Würdenträger  mit  gesenkten  Blicken 
hockend  oder  knieend  verweilten.  Da  es  in  den  Gegenden,  die  wir  durch- 
eilten, bekannt  war,  dass  ich  mich  des  Extrazuges  bediene,  und  da 
überdies  die  Locomotive  Fahnenschmuck  trug,  so  kauerte  sich  auch, 
wäiirend  der  Zug  vorbeiflog,  die  gesammte  Landbevölkerung  in  den 
Feldern  oder  bei  den  Ortschaften  wie  auf  Commando  nieder,  was  einen 
äußerst  befremdlichen  Eindruck  machte. 

Zwischen  Bandung  und  Garut,  welch  letzterem  wir  uns  nun 
näherten,  bot  die  Eisenbahnfahrt  einen  besonderen  Reiz  durch  den  Aus- 
blick auf  das  Thal  von  Garut.  Der  Zug  war  noch  höher  zum  Gebirge 
emporgeklettert,  bis  wir  nach  Passierung  einiger  hoher  Brücken  und 
V'iaducte.  aus  einer  Biegung  der  Strecke  hervorsausend,  plötzlich  das 
üppige,  wasserreiche,  von  mächtigen  Bergspitzen  und  Vulcankegein 
umschlossene  Thal  von  Garut  erblickten.  Allüberall  schlängelten  sich, 
im  Scheine  der  Abendsonne  glänzend,  Flüsse  und  Bäche  gleich  silbernen 
Fäden  durch  das  herrliche  Grün.  Dieses,  wie  ganz  Java,  von  reichen 
Wasseradern  getränkte  Thal  bot  ein  entzückendes  Landschaftsbild  dar. 

In  Garut  war  der  Empfang  ähnlich  gestaltet,  wie  in  Bandung: 
der  antediluvianische  Wagen  mit  dem  dunkelfarbigen,  in  rothem, 
betresstem  Rock  imd  in  lackiertem  Cylinder  prangenden  Kutscher,  der 
mich  unwillkürlich  an  einen  Acteur  aus  der  Affenkomödie  erinnerte; 
das  Banderium,  die  Menschenmenge  und  —  selbst  hier  ein  Schneil- 
photographl 

ich  stieg  in  einem  sehr  reinlichen  und  bequem  eingerichteten, 
aus  mehreren  Pavillons  bestehenden  Hotel  ab,  welches  inmitten  eines 
Gartens  gelegen  war,  in  dessen  Büschen  und  Bäumen  morgens  und 
abends  zahlreiche  Singvögel  lustig  concertierten. 

Nachdem  ich  noch  ein  wenig  in  dem  Städtchen  auf-  und  nieder- 
gegangen war  und  eine  Menge  fliegender  Hunde  beobachtet  hatte,  die 
alle  in  der  gleichen  Richtung  ihren  Schlafslätten  zueilten,  wurde  gespeist. 
Dann  gab  es  im  Hause  des  Regenten  abermals  einen  Wajang. 


■   K;- ;■:-::-.    Ur-.r:  W_-s~--i    ^-^  B^'i-r/i    s; 


^■ir.z  .'.i.a  '^iIÖLjr  j;«;s;r  an  iinüm  larrir'.'r  "n"  cs; 
V.  j.i-  ■  ■.r".\:h:-"'i:c\-.^Zd  A::2aii:her!  ^ür  U'^ir^t  ü> 

r-  .4.,-a:i:i  ji:  ■'.uci'..  ja  lucri  ich  wur^ie   -'.xdr.i  üiTi: 


aufzulachen.  Der  Negent,  ein  ziemlich  bejahrter  Mann,  hatte  um  seine 
Staats  uniform  ein  langes,  himmelblaues  Band  geschlungen,  dessen 
Enden  er  graziös  in  den  Händen  hielt.  Er  erschien  in  Begleitung  einer 
jungen,  seinem  Hofstaat  angehörenden  Malayin,  deren  eigentüche 
sociale  Stellung  ich  aber  nicht  zu  ergründen  vermochte.  Dieses  Hof- 
fräulein hatte  eine  dem  heißen  Klima  entsprechend  luftige  Kleidung 
angelegt  und  begann  den  Tanz,  indem  sie  zunächst  die  Strophen 
eines  Liedes  im  gewagtesten  Discant  sang  und  sich  dann  rhythmisch 
um  ihre  eigene  Achse  drehte.  Nun  entwickelte  auch  der  Regent  mit 
züchtig  gesenkten  .Autien  seine  choreographische  Thätigkeit,  indem 
er  sich  in  den  drolligsten  Wendungen  um  seine  Partnerin  drehte  und 
einen  Grotesktanz  aufführte,  der  die  Mitte  hielt  zwischen  dem  Pas 
einer  Prima  Hallerina  und  dem  Benehmen  des  Birkhahnes,  wenn  er 
sich  in  voller  Balz  befindet.  So  oft  sich  der  Tänzer  seiner  Dame  mit 
zierlichen  Sprüngen  näherte,  markierte  dieselbe  ein  fluchtartiges  Ent- 
rinnen, so  dass  aus  dem  Tanz  eigentlich  ein  getanztes  »Fangspiel- 
vvurde,  das  an  Komik  und  Originalität  nichts  zu  wünschen  übrig  ließ. 

Als  endlich  die  Kräfte  des  alten  Herrn  zu  versagen  anfiengen,  kam 
ein  Unterbeamter  in  feierlichem  Schritte  herangehüpft  und  credenzte 
dem  müden  Künstler  perlenden  (.'hampagner.  Der  Regent  umtanzte  noch 
eine  Weile  hindurch  den  schäumenden  Becher  und  ergriff  ihn  schließ- 
lich, um  ihn  mit  sichtlichem  Behagen  zu  leeren,  während  das  Hoffräulein, 
das  leer  ausgegangen  war,  sich  mit  einem  Zipfel  ihres  ätherischen 
Gewandes  den  Schweiß  auf  der  Stirne  trocknete. 

Nach  diesem  köstlichen  Feste  kehrte  ich  in  mein  Hotel  zurück. 
Zwischen  den  Palmen  des  Gartens  schwirrten  Hunderte  von  Leucht- 
käfern durch  die  laue  Tropennacht. 

Garut,  14.  April. 

In  Java,  dem  typischen  Vulcanlande  reisend,  konnte  ich  dem  Reiz, 
einen  noch  thätigen  Vulcan  zu  besteigen,  umsoweniger  widerstehen, 
als  der  bekannte  Papandajan,  einer  der  Gipfel  des  südöstlichen  Hoch- 
gebirges der  Preanger  Landschaften,  von  Garut  aus  leicht  zu  erreichen 
ist.  So  brachen  wir  denn  mit  dem  Frühesten  auf  und  gelangten  in  etwa 
dreistündiger  Fahrt  zu  dem  KuUe  des  Papandajan.  Der  Weg  dahin  ist  ein 
schwieriger;  er  ist  ungemein  steil,  führt  unausgesetzt  bergauf,  bergab, 
worin  er  allen  Straßen  Javas  gleicht.  Diese  sind  zwar  an  und  für 
sich  sehr  gut,  haben  einen  festen  Unterbau,  gute  Einrichtungen  für 
die  Ableitung  des  Wassers,  feste  Brücken  und  ähnliches;  die  Art  ihrer 
471 


l-nliriirit;  i^t  juilouli  eine  recht  primitive,  weil  meist  die  linca  re^ta 
llluT  lliTK  ii'ul  l'lii'l  Kt^"''''i"  ^^irJ  und  Serpentinen  sowie  ähnliche  («h- 
nj'ii'hi-  AnliiKcn  zur  fberwindunj;  von  Höhen  den  Erbauern  der  Straßer 
IdVif'  iinlK'knnntc  i'tlcr  vtin  ihnen  wenigstens  nicht  angewandte  Hill>- 
nitll<'l  MMd, 

l  'iiscrcni  WiiKcn  waren  vier  javanische  Ponies  vorgespannt,  die  ein 
iH'n'ndi'M  'IVnipo  «icnHen,  Sie  wurden  von  dem  Kutscher  und  außerdem 
nml»  viin  zwei  mit  lannen  IVitschen  bewehrten  Burschen  angetrieben. 
wcK'hi'  nul  di-r  Ilinlenichse  des  Wagens  standen  und  von  Zeit  zu  Zü'a 
iih'.pr(umen.  iini  vurzulautcn  imd  die  Pferde  aufs  neue  anzufeuern. 
All»'  Stt'iKunj;i'ii  wurden  in  voller  (arriere  genomnien;  die  drei  I,eiik' 
hieben  vereint  auf  den  X'icrcrzuj;  ein,  und  im  Nu  war  die  Höhe  erreicht; 
nlu••^len  iovloi'li  SteiKHHKen  (jenomnien  werden,  die  gar  zu  bedeutend 
wiuvn  iider  7U  lunjie  wiihrton.  so  spannte  man  vor  den  Wagen  noch 
?\\oi  vtarko  IliltVol.  so  dass  wir  mit  einem  Sechserzuge  fuhren.  Da 
\\'.iH''iibremNe  oder  Kadschuh  hier  unbekannte  Dinge  sind,  wissen 
••iili  die  .la\  iuien  bei  Kahrten  im  Bergland  auf  ganz  primitive  Art  r.u 
Ivlii'lleti,  um  an  Med  borgalMiihrenden  Stellen  des  Weges  das  allzu- 
Li-iOhe  AbiMllon  des  Wagens  ?»  verhindern.  In  solchen  Fällen  werden 
an  d.-m  Wa.nen  Stnoke  befestigt,  an  welche  >ich  etwa  zwanzig  Kuli^ 
Iiai^j;.-!!,  d.ivii  \u!j:abe  es  ;n;n  i>t,  durch  ihr  Körpergewicht  das  Rollen 
i!.-«-  ;vi);;ib  o^K'tid--;';  <"<,-'ah;';c>  ru  \erl,^n>rsamen. 

\\:\  d.-;  .i^.i-'vo:"  l"o;;r  '■■.::"'.  Paraiid-ijan  befanden  wir  uns  unter 
,1,-iv  V'-;:;  0  v.';-^  Ivoo;:,',  :■  Oi;-.e-.  Wedaras  iider  Demangs  iDistrict?- 
i  r%Mv'  :,M  p  „:-,\^  l'»is-;;  !-;;,;i;-::;:-i.c,  i'r;s\%->rsiändei  neb^t  einer  Anzahl 
>.■•  IV-  „  ..-..■•  -..".•.  ,■•.•,•.■■,■-  Vi  ^^:■c>^^^T-.or:  Einwohnern  miiriiten.  Diese 
l."v,-.s:-:,  •  >,•„-,  \s. ..s.  .■■-.    •■•■cl-  k,.T,:scherc  Rilöer  als  die  Reiier- 


nllnemejncn  schlank  und  wolilsebaut,  vnn  kleiner  Statur,  mit  liüll- 
brauner,  bronzearti^jer  Hautfarbe;  der  Bartwuchs  ist  sehr  spärlich; 
das  lange  Haupthaar  wird  in  einem  verschlungenen,  das  Hinterhaupt 
bedeckenden  Knoten  getragen.  Die  Weiber,  bedeutend  kleiner  als  die 
Männer,   erfreuen  sich   ebenfalls  wohlproportionierten  Kfirperwuchses. 

Die  Kieidung  ist  eine  sehr  einfache;  die  Männer  tragen  zumeist 
eine  bis  zur  Hüfte  hinabreichende  Jacke  (Badju)  aus  Kattun  und  eine 
Art  Frauenrock,  Bebed  genannt,  auf  dem  Kopf  ein  turbanartig  geknüpftes 
Tuch,  dessen  Knden  bei  den  Westjavanen  vom  Haupte  abstehend 
getragen  werden;  die  Frauen  tragen  den  Sarong  (Kain),  der  um  die 
Taille  festgeschlungen  wird,  dann  ein  Brusttuch,  welches,  etwa  in  der 
Art  des  schottischen  Plaids  geknüpft,  den  Oberleib  bedeckt,  und  darüber 
eine  Jacke  (Kabaya)  aus  Kattun.  Die  Kulis  sind  oft  nur  mit  einem 
Lendentuche  bekleidet,  während  die  Kinder  zumeist  völlig  unbekleidet 
umhergehen. 

Von  Schmucksachen  sieht  man  im  Volke  nur  wenig;  dagegen 
prangt  im  Gürtel  jedes  Mannes  die  Liehlingswaffe,  der  Kriss  oder 
Duwong,  ein  dolchartiges,  scharf  geschliffenes  Messer,  dessen  Scheide 
je  nach  den  Vermögen sverhällnissen  des  Besitzers  mehr  oder  weniger 
reich  geschmückt  ist. 

Der  arme  Javane  lebt  meist  nur  mit  einer  einzigen  Frau  bei- 
sammen; der  Reiche  jedoch  richtet  seinen  Hausstand,  den  Satzungen 
des  Islams  gemäU,  polygamisch  ein.  In  allen  Fällen  nehmen  die  Frauen. 
auf  deren  Schultern  die  Hauptlast  der  Arbeit  ruht,  eine  vollkommen 
untergeordnete  Stellung  ein.  Eigenthümlich  ist  die  Art.  in  welcher 
die  javanische  Mutter  ihren  Säugling  trägt;  dieser  sitzt,  in  ein  Tuch 
eingeschlagen,  oberhalb  der  Hüfte  seiner  Trägerin. 

Der  Gesammteindruck,  den  ich  von  den  Javancn  emplieng,  war 
ein  recht  günstiger.  Zu  diesem  Urtheile  veranlassten  mich  insbeson- 
dere zwei  Momente:  die  wohlthuende  Reinlichkeit  der  Behausungen 
der  Javanen,  sow'ie  deren  respectvolle  und  zugleich  freundliche  .-\rt, 
den  Fremden  zu  begegnen. 

Am  Fuße  des  Vulcans  harrten  unser  nächst  dem  Haus  eines 
Kegierungsbeamten  Reitponies,  welche  uns  nach  einer  kurzen  Rast 
den   steilen  Pfad  emportragen  sollten. 

Auf  dem  freien  Platze  vor  dem  Hegierungshause  waren  mehrere 
Gamelangs  postiert,  die  durch  ihr  Zusammenspiel  einen  betäubenden 
l.ärm  verursachten.  Hier  konnte  ich  die  verschiedenen  histrumente.  deren 
Stich  die  javanischen  Musiker  bedienen,  genau  besichtigen;  vor  allem  den 


mil  zwei  Mctallsailen  bezogenen  Rebah,  eine  Art  schmaler  \"ioline  mit 
gekrümmtem  Sireichstocke;  dann  den  Gendeer,  einen  Complex  auh^chl 
stehender  Bambusrohre,  die  mit  kleinen  Hämmerchen  geschlagen  werd«! 
und  entsprechend  ihrer  verschiedenen  Gröüe  auch  in  verschiedene 
Tönen  erklingen:  ferners  den  Gambang  kaju,  ein  Instrument,  welches. 
unserem  Xylophon  ähnlich,  aus  einer  Kiste  besteht,  auf  welcher  Hwli- 
oder Metallplatten  liegen,  die  mit  hölzernen  Klöppeln  geschlagen  werden: 
diu  verschiedenartigen  B()nongs,  Metallbccken,  die  zwischen  ßambui- 
lullen  hängen,  sowie  große  Ciongs,  Pauken  und  trommclartige  Instni- 
mente,  welche  den  Gamelang  completieren. 

Kndlich  war  alles  besehen;  wir  .saQen  auf  und  nun  gieng  e$. 
anfangs  im  Trab,  dem  Gipfel  des  Papandajan  zu.  Der  Weg  zog  sich  durch 
Gärten,  Kaffee-  und  Cinchona-Plantagen;  dann  kamen  wir  auf  freie,  mit 
.Mang  bewachsene  Stellen  und  endlich  in  noch  jungfräulichen  Urwali 
der  uns  fast  bis  zu  dem  Krater  hin  begleitete.  Der  Ritt  inmitten  ia 
tropischen,  üppig  schönen  Waldes,  den  unzählige  klare  [iSchc  und 
Quellen  durchrauschten,  war  herrlich.  Der  Pfad  stieg  aihnähiich  immer 
>chArrer  an  und  war  im  Dunkel  des  Waldes  so  glatt,  dass  unsere 
kleinen  Pferde  nur  mit  der  größten  Anstrengung  weitcrklettem  konnten 

Auf  1  km  vom  Krater  ändert  sich  der  Charakter  der  Landschaft, 
die  gr\>Den  ß&ume,  die  Baumfame  und  Palmen  treten  zurück  uni 
machen  strauchartigem  Myrtengebösch  Platz.  Längs  des  Weges  findet 
ninn  bereits  Lava  und  Schwcfelstücke;  die  aus  dem  Boden  brechenden 
Quollen  sin«!  hetH  und  stark  eisen-  oder  schwefelhaltig;  die  Atmosphäre 
läKNt  bereit!'  die  Nähe  des  Kraters  ahnen.  Bei  einer  Biegung  des  Pfadi» 
h^it  wie  mil  einem  Schlage  alle  Vegetation  auf;  wir  befinden  uns  in 
üii\cin  Stctntnccre;  u'eiScs,  von  Schwcfctadern  durchzogenes  Gestein 
ttmgibl  uns  t^Vn.tfle,  nadctc  Fdsblöcke  liegen  witd  durcheinander;  nackl 
>Chimi«ert  auch  das  Gestein  der  beiden  diese  Wüste  begrenzenden 
Mwruwftnde;  kein  Vi>}^  kein  Schmelterting,  kein  Insect;  alles  ist  tndl 
tllKl  oiitl<^^^.  In  einiger  Entfernung  sieht  man  bereits  die  nebelarttgcn 
I  Mimcte  des  Krater»  emporstogca,  wir  sind  an  der  Stelle,  wo  die  IdzU 
l'i-uplion  l\tr  ewige  Zeiten  «n  kaUes  Trütiuncrfeld  geschafTen  und  m 
\WA\i*U\%M\<*te  ^uren  IwntwUsscn  hat. 

Kfnot  mute  <Acr  Vulcan  IHipan>Siv'ut  (ns  zu  der  Hi'Vhe  von  nahezu 
ihUWiM  a\i\\  vhv*»  «rii.ite'*^  %v»  etwa  50  Jahren  ein  außergewöhnlich 
\\%\y,  ■  \.  •  *  x^MgK  ^esMQ  der  Bas  eine  gewaltige  Stetnmasse 
\ . .  :>  J»e  t^Ocr  saskAc  so  dass  der  eigentliche  Krater 

\vi  1  ^ .  M>  iMter  den  Meere  Bi«L 

4;« 


Noch  gab  es  ein  sehr  steiles  Stück  zu  überwinden;  unserü  Pl'eriie 
kletterten  wie  üiegen  über  das  Gestein,  dann  standen  wir  am  Rande  des 
Kraters,  Der  Papandajan  ist  einer  der  wenigen  Vulcane,  deren  Krater 
bestiegen  werden  kann,  und  gestattet  sonach  aus  nächster  Nähe  einen 
Einblick  in  das  VVahen  unterirdischer  Kräfte. 

Der  Krater  hat  die  Form  eines  Kegels,  der  über  und  über  mit 
verbranntem,  bimsstein artigem  Gesteine,  sowie  mit  gelbieuchtenden 
Sohwefelkrystallen  und  Schwefelstücken  absonderlichster  Form  bedeckt 
ist.  Diese  Schwefelproducte  entstehen  aus  dem  Niederschlage  der  allmäh- 
lich sich  abkühlenden  Dämpfe,  welche  übelriechend  und  die  Atmo- 
sphäre mit  Stickluft  füllend,  unter  zischendem  Brausen  aus  zahlreichen 
kleinen  Öffnungen  dringen.  Auch  kochendes  Wasser  stößt  der  Vulcan 
aus  und  vielen  Löchern  und  Rissen  entquellen  heil3e  Sprudel.  Wir 
stachen  mittels  Stangen,  die  wir  mitführten,  in  diese  Öffnungen,  und 
warfen  in  dieselben  Steine,  die  alsbald  in  heifJcm  Zustande  wieder  aus- 
geworfen wurden;  auch  versuchten  wir  an  mehreren  Stellen  den  Boden 
aufzugraben;  kaum  waren  wir  einige  Centimeter  tief  eingedrungen,  so 
spritzte  schon  kochendes  Wasser  hervor  oder  flogen,  von  Schwefel- 
gasen getrieben,  unter  pfeifendem  Gesurre  Steinstücke  empor.  Der  Kegel 
des  Kraters  ist  durchwegs  hohl;  überall  tönt  und  haltt  es;  an  manchen 
Stellen  ist  es  sogar  gefährlich  zu  gehen,  da  die  brüchige  Rinde  sich  nur 
allzuleicht  spaltet  und  einstürzt.  Erst  vor  kurzem  war  ein  Malaye  in 
einer  solchen  Spalte  versunken  und  auf  Nimmerwiedersehen  ver- 
schwunden. Das  Brausen,  Zischen  und  Sausen,  die  stechenden  und 
brennenden  Dämpfe  betäubten  uns  fast,  so  dass  wir  erst  viele  Hundert 
Schritte  vom  Krater  entfernt  wieder  frisch  aufathmeten;  leider  machten 
wir  zugleich  die  unangenehme  Bemerkung,  dass  alle  aus  Gold  beste- 
henden Gegenstände,  die  wir  bei  uns  trugen,  schwarz  geworden  waren, 

Noch  im  Bereiche  des  Kraters  hatte  die  Regierung  aus  Anlass 
meines  bevorstehenden  Besuches  eine  groLJe  Bambushütte  erbauen 
lassen,  in  der  uns  ein  opulentes  Frühstück  ser\-iert  wurde;  doch  muss 
ich  gestehen,  dass  mir  andere  Gastmahle  schon  besser  gemundet  haben. 
da  in  dieser  Atmosphäre  alle  Gerichte  mit  Ingredienzien  der  Hexen- 
küche versetzt  zu  sein  schienen.  Auch  Musik  gab  es  hier  oben; 
unablässig  ertönten,  während  wir  auf  dem  Gipfel  des  Vulcans  weilten, 
die  monotonen  Klänge  der  einheimischen  Bambusinstrumente. 

Nachdem  ich  noch  einige  Gesteinsproben  aufgelesen,  verließ  ich 
nach  allzu  kurzem  Aufenthalle  den  Gipfel  des  merkwürdigen  Vulcans, 
der  uns  grollend  einen  letzten  Grufl  nachsandte. 


,\n  der  Stellt:.  W'm  die  WaKen  bereit  standen,  veranstalteten  dir 
KinKcborcnen  einen  Widderkampf,  welcher  von  den  Thieren  mit  grüßier 
KrhitturunK  K^^führt  wurde.  Dieses  Schauspiel  unterschied  sich  v>r 
ähnlichen,  die  wir  in  Indien  gesehen  hatten,  dadurch,  dass  die  Leuic 
hier  die  Widder  auskämpfen  ließen,  bis  der  eine  der  beiden  Streiter  Jen 
Kampf  aufgab  und  als  geschlaf^en  den  Platz  räumte- 

Ijer  Kefcenl,  der  von  meiner  Sammetpassion  gehört  hatte,  wars.- 
freundlich,  nach  unserer  Rückkehr  auf  dem  Platze  vor  seinem  Palais 
in  flanit  eine  förmliche  ethnographische  Ausstellung  zu  arrangierea 
aus  welcher  ich  die  für  meine  Zwecke  passenden  Gegenstände  wählcfi 
konnte,  \)a  gab  es  allerlei  f'reräthschaften,  deren  sich  die  Eingeborenen 
bei  Bebauung  des  Bodens  sowie  in  ihren  Wohnungen  bedienen:  ferner- 
Werkzeuge  für  Handwerker,  als  Schmiede,  Töpfer  u.  dgl.;  einzelne 
Musikinstrumente  und  vollständige  Gamelangs;  Waffen,  zumeist  Pfeile 
Bogen  und  Krisse. 

Abends  genossen  wir  abermals  die  Aufführung  eines  Wajangs  iinJ 
zwar  diesmal  eines  Wajangs  Kulit,  bei  dem  aus  1-eder  geschnittenL- 
und  bunt  bemalte  Marionetten  als  Schattenfiguren  hinter  einer  weißen 
Papierwand  bewegt  wurden.  Wie  bei  anderen  Wajangs  erklang  Mu^ik 
und  ertönte  aus  dem  Hintergrund  eine  näselnde,  die  Handlung  erläu- 
ternde Stimme,  welche  eher  eine  einschläfernde  Wirkung  hervorbringt, 

.Am  Schlüsse  der  \'orstellung  erfreute  uns  das  holde  Paar,  der 
Regent  mit  seinem  Htiffrüulein,  abermals  durch  einen  Tanz.  Dieser 
wurde,  offenbar  im  Hinblick  auf  die  Erfolge  der  Tänzer  am  verflossenen 
.•\bendc.  noch  weit  feuriger  executiert  und  endete  mit  einer  gesteigerten 
Nuance,  indem  diesmal  nicht  bloü  ein  Ganymed  erschien,  sondern  eine 


fanden  wir  stark  cnupiciles  Terrain,  so  duss  abermals  Kulis  die  Wagen 
an  steilen  Stellen  schieben  oder  hemmen  mussten.  um  unseren  so  wacker 
galoppierenden  Pferdchen  das  Ziehen  der  Gefahrte  zu  erleichtern.  In 
einem  ziemlich  tief  eingeschnittenen  Thal  angelangt,  bemerkte  ich  mit 
Kr^taLme^  viele  Hunderte  von  Menschen,  die  sämmtlich  mit  Kind  und 
Kegel  herbeigekommen  waren  und  in  malerischer  Gruppierung  alle 
umliegenden  Hohen  besetzt  hatten,  um  dem  Schauspiel  einer  filrsl- 
lichen  Jagd  beizuwohnen. 

Alles  war  im  Festgewande,  den  landesüblichen  Hut  auf  dem 
Haupte,  erschienen;  schlaue  Händler  hatten  hier  rasch  einen  ganzen 
Bazar  aufgeschlagen,  in  welchem  sie  dem  Volke  Esswaren  und  Erfri- 
schungen feilbolen.  Auf  der  einen  Lehne  des  Thaies  war  aus  Bambus  ein 
Haus  errichtet,  welches  mit  Fahnen  in  unseren  und  den  niederländi- 
schen Farben,  sowie  mit  Blumen  und  Cuirlanden  reich  geschmückt  war. 
Auf  der  im  ersten  Stockwerke  gelegenen  Estrade  sollte  ich  in  einem 
mit  grünem  Sammet  ausgeschlagenen  Fauteuil  Platz  nehmen  und  von 
hier  aus  meine  Geschosse  auf  die  Schweine  schleudern,  als  sei  ich 
ein  altrömischer  Imperator,  den  die  Lust  angewandelt,  auch  einmal  und 
zwar  in  allerbequemster  Weise  zu  jagen.  Den  Eindruck,  dass  es  sich 
hier  um  ein  cäsarisches  Jagdfest  handle,  verstärkte  die  Ausschmückung 
der  Zufahrtsstraße  zu  dem  Hause;  denn  diese  war  als  Via  triumphalis 
mit  Ehrenpforten,  Flaggenstangen  und  BUimengruppen  auf  das  präch- 
tigste ausgeschmückt.  In  einem  der  Nebenräume  des  Hauses  walteten 
Mundschenken  ihres  .-^mtes,  nur  floss  hier  nicht  Falerner,  sondern 
schäumender  Wein  aus  der  Champagne  in  .Strömen.  Eine  unseren 
Blicken  entzogene  Musikkapelle  brachte  während  der  Jagd  rastlos  und 
fortissimo  die  Volkshymne  zum  Vortrage. 

Das  Thal  und  die  uns  gegenüberliegende  Lehne  waren  zum  Theil 
abgeholzt  und  mit  einem  dichten  Bambusgitter  umgeben,  welches  bis  an 
das  Haus  heranreichte,  so  dass  sich  das  Treiben  auf  .Schweine  offenbar 
auf  ein  eingestelltes  Jagen  beschränken  sollte  und  das  Ganze  somit  kein 
u'nidmännischcs  Unternehmen,  sondern  vielmehr  eine  Art  Volksfest  war, 
das  mich  durch  seine  komischen  Vorbereitungen  und  die  Ansprüche, 
die  es  auf  den  Titel  Jagd  machte,  höchlichst  amüsierte. 

Treiber  in  großer  Zahl,  geführt  von  eingeborenen  Würdenträgern, 
warteten  auf  der  jenseiligen  Thallehne  das  Zeichen  zum  Beginne  des 
Triebes  ab  und  drangen,  sobald  dieses  gegeben  worden  war,  mit  infer- 
nalischem Geschrei  und  Geheul  in  die  Grasdickung  ein,  wobei  sie  eine 
Meute  von  ungefähr  vierzig  Kotern  aller  .Arten  losließen.  Sofort  hub  der 


Spectakel  an,  da  die  Hunde  die  Schweine  bald  gerunden  halten  und 
Hals  gebend  in  dem  UntenvLichs  umherjagten.  Dieser  war  trotz  Jet 
erfolgten  Lichtung  an  den  noch  mit  hohem  Grase,  Bambusbüschen  und 
Kamen  bedeckten  Stellen  so  dicht,  dass  uns  selbst  starke  Schweine  nur 
auf  .Augenblicke  zu  Gesicht  kamen.  Jeden  Moment  stellte  sich  ein  Slück. 
worauf  CS  dann  viele  geschlagene  Hunde  gab,  die  klagend  zu  ihren 
Herren  zurückkehrten. 

Das  erste  Opfer  meiner  Büchse  war  ein  kecker  Frischling,  den 
ich  auf  der  jenseitigen  Lehne  eräugte  und  wie  eine  Gemse  herabschos^ 
Überhaupt  waren  die  Schüsse  an  und  für  sich  interessant  und  keines- 
wegs leicht,  da  das  Wild  sehr  flüchtig  kam  und  an  der  steilen  Lehne 
oder  in  der  tiefen  Thalsohle  immer  nur  auf  Momente  sichtbar  wurde. 
Frischlinge,  die  nicht  größer  waren  als  Hasen,  boten  in  der  Kntfemimi; 
von  100  Schritten  Gelegenheit  zu  schönen  Schüssen, 

Äutierst  unterhaltend  war  die  unbeschreibliche  Angst  der  Treiber 
und  ihrer  Führer  vor  den  sehr  harmlosen  Schweinen.  Kam  ein  Schwtin 
in  die  Nähe  der  Helden  oder  versuchte  es,  von  Hunden  gehetzt,  die  Linie 
zu  durchbrechen,  so  waren  die  Treiber  wie  die  Würdenträger  alsbald 
auf  den  Bäumen.  Es  war  ein  .Anblick  von  übcnvältigend  komischer 
Wirkung,  wenn  so  ein  Würdenträger,  mit  den  blinkenden  und  gleitenden 
Insignicn  der  amtlichen  Stellung  angethan,  vor  einem  schreienden  Frisch- 
linge flüchtend,  in  seiner  schon  an  und  für  sich  die  Lachlust  erregendtn 
Uniform  mit  affenartiger  Geschwindigkeit  cine'bchlanke  Palme  hinan- 
kletterte, so  dass  diese  sich  unter  der  ungewohnten  Last  niederbKR. 
Drohte  keine  Gefahr,  so  giengen  die  Treiber  in  acht  orientalischer  Weise 
ohne  Ordnung  planlos  im  Trieb  umher;  die  Würdenträger  folgten  ihnen 
mit  gezückten  Schwertern;  die  Hunde  vergnügtan  sich  in  irgend  einer 
Ecke  damit.  Frischlinge  zu  fangen  und  natürlich' anzuschneiden,  soda:>» 
von  vielen  derselben  nur  mehr  einzelne  Oberreste  zur  Strecke  gebm 
wurden. 

Ich  schoss  im  ganzen  21  Stücke,  danmter  aber  nur  einen  gil^ 
Keiler.  Die  Schweine  zeigen  hier  einen  ganz  anderen  Typus  als  u 
sie  sind  kleiner,  haben  eine  beinahe  nackte  Schwarte,  nur  am  Wurf  flbl 
dem  Gebrech  eine  Art  Backenbart  von  dichten  Nadeln,  ferner  sehr  an| 
gesprochene  Backenknochen  und  viel  längeren,  spitz  zulaufenden  Wid 
die  Waffen  sind  der  ganzen  Statur  des  Schweines  entsprechend  aue 
geringer.  Die  Eingeborenen  unterscheiden  zwei  Arten:  das  Feld- und  il 
Waldschwein  (Sus  verrucosus  und  Sus  vittatus);  doch  konnte  ich  kei^ 
wesentlich  verschiedenen  Merkmale  herausfinden. 


Ein  Frischling  wurde  lobend  in  einem  großen  Reisighaiifen 
gefangen;  wir  banden  dem  Thier  die  Läufe  zusammen  und  sandten  es, 
in  einem  Rucksacke  verwahrt,  direct  nach  dem  Hafen  von  Tandjong 
Priok  aufs  Schiff,  wo  es  sich  wahrscheinlich  durch  seine  besondere 
Wildheit  auszeichnen  und  daher  den  Zähmungskünsten  meines  Thier- 
wärters  Biaggio  eine  harte  Aufgabe  stellen  dürfte. 

Die  Jagd  \var  beendet,,  das  Volk  brach  in  ein  unarticuliertes  Freu- 
dengeheul aus  und  in  einer  Art  Triumphzug  verließ  ich  den  Schau- 
platz der  lustigen  Saujagd.  Bei  der  Rückfahrt  nach  Oarut  genoss  ich  — 
der  zu  Beginn  der  Jagd  trübe  Himmel  hatte  sich  völlig  aufgeheitert  — 
einen   prächtigen   Blick   nuf  den   rauchenden   Krater  des   Papandajan. 

Nachmittags  hatten  wir  uns  von  dem  freundlichen  GaruC  verab- 
schiedet und  waren  noch  am  selben  Abend  in  Tjiandjur,  wo  mich  der 
Regent,  ein  sehr  liebenswürdiger  Mann,  welcher  den  Titel  und  Namen 
Raden  Adipatti  Frawira  dij  redja  trug,  in  seinem  Hause  gastlich  auf- 
nahm. Das  I'alai.s  erstrahlte  in  festlicher  Beleuchtung.  Als  llluminations- 
kürper  dienten  hier  Stöcke  des  unvermeidlichen  Bambus,  die,  in  Bündeln 
gruppiert,  die  Triumphpforten  und  Fa^aden  efTectvoH  schmückten.  Die 
ausgehöhlten  Bambusstücke  waren  mit  Öl  gefüllt,  in  dem  ein  brennender 
Docht  schwamm;   solch   ein  Stock   vermag  stundenlang  zu  leuchten. 

Der  Regent  scheint  gleichfalls  ein  passionierter  Jäger  zu  sein,  denn 
mit  Stolz  zeigte  er  mir  seine  Gewehre,  sowie  Häupter  von  erlegten 
Hirschen  (Cervus  hippelaphus),  von  Bantengs,  dem  wilden  Rinde  der 
indischen  Inseln,  und  von  Rhinocerossen.  Als  lebendes  Beutestück  von 
einer  Banteng-Jagd  erfreut  sich  hier  seines  Daseins  ein  sehr  zahmer. 
als  kleines  Kalb  gefangener  Banteng-Stier,  welcher  der  besondere  Lieb- 
ling des  Regenten  ist  und  täglich  von  ihm  eigenhändig  gefüttert  wird. 

Eine  zweite  Leidenschaft  dieses  Würdenträgers  ist  die  Malerei; 
doch  sind  seine  Erfolge  auf  diesem  Gebiete  nicht  sehr  hervorragend 
und  die  Erzeugnisse  seiner  Kunst  derart,  dass  selbst  eine  Jury  des 
Salon  des  refuses  in  —  Tjiandjur  ihr  Haupt  dazu  schütteln  müsste. 
Dessenungeachtet  hat  der  hochgeborene  Meister  von  Tjiandjur  die 
Ausstellung  zu  Chicago  beschickt. 

Die  Weltausstellung  am  Michigansee  scheint  den  guten  Javanen 
überhaupt  sehr  in  den  Kopf  gestiegen  zu  sein ;  denn  allüberall  hört  man, 
dasB  dies  oder  jenes  in  das  ferne  Amerika  gesandt  worden  sei;  ja  Herr 
Kerkhoven  hat  dahin  gar  ein  ganzes  javanisches  Dorf  entsendet,  in 
welchem  graziöse,  javanische  Mädchen  Thee  aus  den  Plantagen  ihres 
Herrn  verkaufen  sollen. 


Zum  schwarzen  KiifTee  nach  dem  Diner  erschien  ein  ganzem*  RuJci 
von  Tänzeiinnen,  eine  garstiger  als  die  andere,  die  sümmtlicli  dfnjc 
Bete]  kauten  und  uns  durch  ihre  langweiligen,  rhythmischen  Tänze  in 
so  schläfrige  Stimmunj;  versetzten,  dass  wir  schleunig  unser  Lager 
aufsuchten. 

Tjiandjur,  I6,ApriL 

Auch  dieser  Regent  wollte  mir  ein  Jagdvergnügen  verschaffen.  Er 
lud  mich  daher  zu  einer  Hirsctijagd  in  seinem  Privat-Lieblingsnmn 
Panumbangan  (Panoembangan)  ein.  Tjiandjur  lag  noch  im  Schlaf.  .il' 
wir  das  Städtchen  verließen:  nur  hie  und  da  wurde  ein  Chinese  sichtbar. 
der  sich  anschickte,  seinen  Kaufladen  zu  öffnen.  Doch  die  unermüdliclie 
Escorte  war  schon  auf  dem  Platz  und  begleitete  uns  in  flottem  Oali^pe, 
welcher  nun  allerdings  wieder  manchem  der  Herren  schlecht  anschlu};: 
denn  nach  den  ersten  paar  Paals  i  Pfahl;  I  Paal  ^=  IHCKi-O  m)  holte  sich 
die  früher  bedeutende  Anzahl  der  lieiler  auf  ein  Minimum  rcduciert,  da 
sich  einige  v<m  ihren  [Jossen  getrennt  hatten,  andere  aber  ihre  Gäule 
absolut  nicht  an  den  am  Wege  liegenden  Häusern  vnrbeizusteuem 
vermochten. 

Wir  benützten  diesmal  nicht  wie  bei  früheren  Gelegenheiten  eine 
große  Staatscarosse,  sondern  einen  ganz  leichten,  mit  einem  Dacht: 
versehenen  Jagdwagen,  der  zwar  rascher  von  der  Stelle  kam.  dagegen 
aber  den  großen  Nachtheil  hatte,  dass  er  nur  für  die  kurzen  Beine  iJ 
Eingeborenen  berechnet  war  und  wir  daher  üußerst  unbequem  \ 

Zuerst  gieng's  in  der  P^bene  durch  ein  mit  vielen  Ortschaften  bea 
delles  Thal  fort,  in  dem  zahlreiche  Reisfelder  sichtbar  waren: 
bogen  wir  in  nordöstlicher  Richtung  ab  und  erreichten  ein  gebirgiges 
Terrain,  das  neben  vereinzelten  Plantagen  zumeist  Alang -Savannen  unJ 
Waldungen  aufwies. 

In  dem  gebirgigen  Terrain  kamen  wir  natürlich,  obschon  unsere 
Ponies  eifrig  ausschritten,  weit  langsamer  vorwärts  als  zuvor  in  der 
Ebene:  manche  Steigung  konnte  nur  mit  Hilfe  einer  ganzen  Heerschar 
von  Kulis  überwunden  werden,  die  sich,  während  die  Kutscher  schrieen 
und  mit  den  Peitschen  knallten,  hinter  jedem  Wagen  schiebend.  sloUtfiJ. 
zerrend  drängten. 

Eigenlhümlich  waren  die  vielen  Bambusbrücken  der  durch f.ahrencii 
Strecke.  Flüchtig  besehen,  machen  diese  filigranartigen  Bauten  einen 
keineswegs  sehr  vertrauenerweckenden  Eindruck;  denn  die  Unterlaßt- 
balken  bestehen  nur  aus  etwa  30  cm  starken  Bambusstöcken.  währeiiJ 


die  Querbalken  noch  weit  dünner  simj.  Pfeiler  yibl  es  nicht;  stets 
schwebt  die  Brücke  frei  über  dem  Thal  oder  über  dem  Fluss  an  Barn- 
busstricken,  die  auf  beiden  Ufern  an  Bäumen  befestigt  sind;  solide 
Brückenstreu  fehlt  ebenfalls;  sie  wird  durch  ein  Geflecht  aus  Bambus- 
fasern erselüt,  das  einer  Matte  ähnelt.  Fährt  nun  ein  Wagen  über  eine 
solche  Brücke,  so  schwingt  und  knarrt  das  ganze  Machwerk  sehr  bedenk- 
lich, obschon  dem  elastischen  Materiale  große  Tragkraft  nachgerühmt 
wird.  Der  niederländische  Resident  schien  allerdings  anderer  Meinung 
zu  sein  und  den  Brücken  in  seiner  Kesidentschaft  kein  allzugroßes 
\'ertrauen  entgegenzubringen:  denn  er  bewog  uns  wiederholt,  den 
Wagen  zu  verlassen  und  Brücken  zu  Fuß  zu  passieren-  Sehr  naiv 
benahmen  sich  in  solchen  Fällen  die  Kulis;  in  der  Meinung,  hiedurch 
die  Belastung  der  Brücke  zu  vermindern,  trugen  etwa  ."lO  solcher  Bur'^che 
den  Wagen  hinüber. 

Nach  dreistündiger  Fahrt  kamen  wir  endlich  mit  unseren  ganz 
erschöpften  Pferden  bei  dem  zierlich  aus  Bambus  gebauten  Jagdhause 
des  Regenten  an.  Der  freundliche  Hausherr  bot  uns  zunächst  einen 
Imbiss  an,  um  während  der  Zeit,  welche  die  Mahlzeit  in  Anspruch 
nahm,  noch  die  letzten  Vorbereitungen  mit  den  Jägern  besprechen 
zu  können. 

Auf  einer  Berglehne  erblickten  wir  eine  unzählbare  Treiberschar, 
die,  schön  ausgerichtet,  vom  Thal  an  bis  zu  der  Höhe  des  Berges  empor 
aufgestellt  war.  Die  Jagdgelcgenheit  zeigte  sich  diesmal  als  eine  baum- 
lose, mit  hohem,  dichtem  Alanggrase  völlig  bewachsene  Hügelkette, 
welche  gegen  uns  zu  durchgetrieben  werden  sollte.  Längs  eines  Fuß- 
weges, der  sich  die  Lehne  hinanzog,  wurden  uns  die  durchwegs  aus 
Bambus  gefügten  Hochstände  angewiesen,  welche  Ausschuss*  in  -das 
Grasdschungel  boten.  Die  guten  Leute  hatten  meinen  Hoch'stand  ,nlif 
{gekreuzten  schwarz -gelben  und  roth -weißen  Flaggen  geschmückt; 
So  sehr  ich  über  diese  .Aufmerksamkeit  gerührt  wa*r,  bat  ich'doch,"die 
Fahnen  zu  entfernen,  da  sie  das  Wild  wohl  verscheucht  haften.  '. 

Ich  nahm  den  äußersten  Stand  am  rechten  Flügel  ein;:  an  -mich 
anschließend  waren  die  anderen  Herren  der  Begleitung  verth§llt.'.Auf  ötn" 
Zeichen  des  Regenten  hin  begann  nun  der  Trieb  mit  e'ine'nv  furchtbärerl 
Lärm  der  Treiber,  welche  von  allen  Hügeln  concentriscH  gegen'  unserii 
Stande  vorzugehen  hatten  und  hiebci  auf  Klappern  aus  Bambus Tlustig 
loshieben,  was  sich  wie  ein  Pelotonfeuer  in  der"  ganzen"Linie  JfortV 
pflanzte.  Merkwürdigerweise  gieng  der  Trieb,  obwohl. sehnjürigsani^ 
doch  in  Ordnung  vor  sich.  ,     '.. 


(ili'iL'li  zu  AnliiiiK  ilcs'l'ricbus  sah  ich  ein  Thier  und  ein  Kalb  ir^ 
(irnlicr  l'jill'LTriiinH  vorübcm'cchscin;  nucli  kurzer  Zeit  kamen  sie.  etwas 
nilhcr,  in  \iilli;r  l'luclit  ziirück,  wobei  es  mir  gelang,  das  Thier  zu  erlegen. 
AI-.  *lii'  'l'ci'ilHT  sich  auf  ungefähr  800  Schritte  genähert  hatten,  zeJKlen 
••ich  i'iri  starkes  'l'liier  unii  ein  Spießer,  die  auf  meine  Schüsse  nach 
i'iiiigi'n  l''luclilcn  vcrcndond  ziisiimmenbruchen.  Endlich  —  die  Treiber 
wiireii  si'hon  knapp  beim  Stande  ■  ■  wurde  aus  einem  kleinen  Rohr- 
ilii'kiclil  oiii  ituU'i- Hirsch  IKichtij;.  der  gerade  die  Richtung  auf  mich 
.'U  nahm  und  von  mir  gelrulTon  im  Feuer  roulierte. 

N'un  don  anvk'ron  Schulzen  war  leider  nichts  erlegt  worden;  Wumi- 
brand  halle  vcixi'blicli  aul' weite  Distanz  nach  einem  Thiere  geschossen. 
wahrend  bei  einem  aiulorcn  der  Herren  Wild  schon  aus  dem  Triebi- 
llib'luin  wurde,  als  der  Schütze  eben  bei  seinem  Stande  anlangte. 

hii--  Sov'hsi-rjicweih  des  von  mir  erlegten  Hirsches  war  ieicer 
nivli  un  Uasio,  Hio  Hir>che  in  Java  sowie  jene  in  Indien  scheinen  keine 
b.<slnun)te  AbwuHVeit  :\i  haben:  denn  zu i;leicher Zeit  kommen  Hirsche 
mil  nun/  \evschlii};enem  ^iewoihc.  Hirsche  im  Bast  und  solche  nii: 
.(l\>:o\\orU>non  Stan.con  vor. 

Tbov  dio  V'i>iK-he;'.  des  s:ori:ij:en  Ergebnisses  der  Jagd  befras;:. 
oik;,i!U-n  die  o;;ii:oborc;-.o:i  J.i!;or  den  gegenwärtigen  Zeitpunkt  a!> 
ciiu'^i  :;;:  d:,-  Hvsch'Uird  bcso'i^iors  iirgünstigen,  da  jetzt  des  reichlich 
>;,!.t':,-  ■,:•.  Kcj:,— s  '■a!>.T  das  «.'»ras  :-och  viel  zu  hoch  stehe,  was  Ja* 
\>--i\  v  ,•„■>  \\  :\U-^  v.  -d  d.is  .".■.iTc:-.  wcser.::'ch  erschu-ere. 

r:v  .;,>v  :-;  ,;,;>  i;'vii-i-  \V::d  -.r;  ir;*r:2  Java  schon  stark  abge- 
^,:',-^^c  •  -■  .■  .'..;;.•-  s.  V  ,  ."...■  v,-~.or.r.cr  ,\ivar.er  sind  eifrige  Jäger 
,  ',■    ,,   ,',■,.:-,■■    \«    ,:   ,■.-,■-.,—>.■-.-.-:   ,C;s   beschossen,    dessen  man 


Stückt:  wurden  neben  dem  Stande  gestreckt,  und  alsbald  stand  ich 
in  einem  förmlichen  Platzregen  von  Hüten,  da  die  ganze  mich  dicht 
umdrängende  Schar,  um  ihren  Beifall  neuerdings  kundzugehen,  ihre 
riesigen  Stroh-  und  Bambushüte  in  die  Luft  warf. 

Noch  origineller  gestaltete  sich  der  Zug  zum  Jagdhause  hin. 
Dieser  wurde  vnn  den  uniformierten  Unterheamten  eröffnet,  die,  wie 
einst  König  David  vor  der  Bundeslade,  vor  dem  auf  Stangen  getragenen 
Wild  einen  Freudentanz  autTührten:  dann  kamen  die  2000  Treiber,  in 
deren  Mitte  ich  sozusagen  eingekeilt  war,  alle  schreiend,  heulend  und 
mit  den  Bambusklappern  lärmend.  Ein  Unbetheiügter,  dem  dieser  Zug 
betjegnet  wäre,  hätte  glauben  müssen,  eine  Legion  Tollhäusler  sei  ihren 
Asylen  entsprungen  und  genieße  in  tobender  Weise  die  wiedererrungene 
Freiheil.  Beim  Jagdhau;-c  legte  sich  zum  Glücke  die  Begeisterung. 


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Jagdlager  in  Tjipandak    Buitenzorg 
Batavia    Tandjong  Priok. 


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Jagdlager  in  Tjipandak  —  Buitenzorg 
_  Priok. 


Batavia  —  Tandjong 


P  Tjiandjur  — Tangjjeng,  l>.  April. 

Mit  dem  heutigen  Tage  begann  die  Jagdexpedition  nach  Tjipandak, 
welche  uns  durch  die  Urwälder  der  Preanger  Landschaften  führen  sollte. 
Schon  vor  5  Uhr  morgens  wurde  Reveille  geblasen,  und  bald  darauf 
gieng  der  Extrazug  ab,  der  uns  binnen  einer  halben  Stunde  nach 
Tjibeber  brachte.  Hier  hieß  es  von  unseren  bisherigen  Begleitern  und 
dem  Residenten  .abschied  nehmen  und  uns  der  Führung  Herrn  Kerk- 
hovens  sowie  des  Barons  van  Heeckeren  van  Walien,  der  beiden 
Hauptarrangeure  der  Jagden,  anvertrauen,  welche  uns  mit  den  Pferden 
erwarteten,  deren  wir  uns  von  hier  aus  bedienen  sollten.  Nachdem 
Sattelung  und  Zäumung  untersucht  worden  waren,  setzte  sich  die  Kara- 
wane in  Bewegung:  das  nöthige  Gepäck  war  schon  tagszuvor  durch 
Kulis  vorausgeschickt  worden. 

Unsere  Cavalcade  war  recht  eigenthümlich  zusammengestellt  und 
hätte  wohl  manchem  europäischen  Beschauer  ein  Lächeln  entlockt.  An 
der  Spitze  des  Zuges  ritt  ein  einheimischer  Beamter  mit  zwei  Dori'räthen 
auf  ganz  kleinen  Ponies;  dann  kam  ich  mit  den  Herren  der  Begleitung, 


wir  al)t:  in  den  -tropischebten-  Costümen  auf  vorzüglichen,  von  tlcii 
beiden  PIlHiizem  beigestellten  Pferden;  die  Qucuc  der  Colonne  biUMtn 
unsere  Diener,  deren  mehrere  lieute  zum  erslenmale  zu  PfenJe  itäm 
und  sich  auf  ihren  zappelnden  Sandelhout-Ponies  recht  komisch  Mls- 
nahmen.  ferner  Hi>ilel<  und  sein  (iehilfe.  sowie  eine  große  Schar  vun 
Dorfrätlion  mit  gijldverzierten  Hüten  und  in  halb  holländischer,  halb 
javanischer  Adjustierung. 

Bei  sehr  schönem,  verhiiltnismäüig  nicht  warmem  Wetter  gieng's 
im  Gänsemärsche  dem  Gebirge  zu.  Da  wir  anfangs  eine  kleine  Ebene 
durchritten,  hätte  ich  gerne  einen  Trab  angeschlagen:  doch  \vie.s  Heir 
Kerkhoven  darauf  hin,  dass  das  toupierte  Terrain,  in  dessen  Bereich 
wir  demnächht  gelangen  sollten,  den  ganzen  Tag  hindurch  nur  Reiten 
im  Schritte  gestatte.  Diese  Perspective  entzückte  mich  umsoweni^er. 
als  wir  einen  langen  Marsch  von  47  km  zurückzulegen  hatten.  In  der 
That  begann  nach  kurzer  Zeit  der  Weg  steil  bergan  2U  gehen;  die  Strnflc 
wurde  steinig  und  für  unsere  Pferde  recht  schwierig. 

Im  Laufe  des  Tages  fanden  wir  für  das  unausgesetzte  Reilun  im 
Schritt  in  der  Pracht  der  Gegend,  welche  wir  durchzogen,  reichliche 
Entschädigung.  Die  einförmigen  Reisfelder  der  Rbene  hatten  ein  Ende 
genommen  und  eine  X'egetation  ganz  anderen  Charakters  umtlenguns. 
Wo  sich  nicht  Kaffee-  oder  Chinabaum-Plantagen  befanden,  ragte  herr- 
licher Urwald  auf  Hinter  uns  lag  die  Cullur,  vor  uns  die  Natur!  Da 
standen  zu  beiden  Seiten  der  Straüe  himmelhohe  Rasamala - Bäumr 
(.AUingia  excelsa,  zur  Familie  der  Hamamelideen  gehörig),  deren  bis 
zu  4ö  Mf  emporwachsende  Stämme  nächst  dem  Teak-Baume  das  bcsW 
Zimmerholz  liefern;  Palmen  aller  Arten;  Bananen  und  ßaninnen;  Utu- 
stigmji-Artcn(Urosligma  rcligiosum,altissimum  Kailerlei  niedere  Urwald- 
bäume,  wie  Kicus  valida,  obovata,  javanica  und  Myristica-.Arten;  dichte 
Gruppen  von  Bambusaceen  u.s.w.  Dazwischen  wuchern  auf  das  üppigste 
kraul-  oder  baumartig  alle  erdenklichen  Farne  und  in  reichster  Btütcif- 
pracht  und  in  hunderteriei  Formen  Orchideen,  malayisch  Angrck  geniinnt 
Hier  sah  ich  zum  erMenmale  solche  Pflanzen  im  Freien  blühen  und 
schwelgle  in  dem  .Anblicke  der  fast  überreichen  Fülle  zauberhalt  schrmcr 
Blüten. 

Der  Weg  schlängelt  sich  unablässig  bald  über  Hohen.  Kamme. 
Sattel  hinab  in  grüne  Thäler,  bald  steil  empor  zu  schroffen  Bergen:  di« 
SiruUe  scheint  Imtz  ihrer  Breite  nie  von  Wagen  befahren,  sondern  nnr 
von  Keilern  und  KuÜgängern  benutzt  zu  werden.  Die  Erhaltung  iei 
.SlmÜe  ist  wegen  der  bedeutenden  Steigungen  und  der  starken  kcxcn- 


güsse  dieser  Zone  eine  außerordentlich  schwierige;  nlle  4  m  bis  5ni 
steht  ein  mit  einer  Nummer  versehener  Stein,  der  je  die  Strecke 
bezeichnet,  welche  partieweise  von  den  Bewohnern  der  nächstgelegenen 
Diirfer  zu  erhalten  ist. 

Von  Zeit  zu  Zeit  erblickt  man,  insbesondere  wo  Plantagen  nahe 
sind,  kleinere  Ansiedelungen,  die,  ganz  aus  Bambus  gebaut,  einen 
netten,  freundlichen  Eindruck  machen  und  der  vielen  Regen  halber  fast 
au(snahms!os  auf  Pfählen  angelegt  sind.  Trotz  der  Wildnis,  in  der  wir 
uns  befanden,  waren  Ausläufer  der  Cullur  auch  schon  in  diese  Dörfer 
gedrungen:  Beweis  dessen,  dass  ich  in  einem  der  Häuser  eine  Singer- 
Nähmaschine  vorfand! 

Die  Bevölkemng  dieses  Gebietes  scheint  noch  devoter  zu  sein  als 
jene  im  nördlichen  Theile;  denn  schon  in  großer  Entfernung  von  uns 
nahmen  hier  alle,  ihre  Ehrfurcht  zu  bezeigen,  die  übliche  hockende 
Stellung  ein.  wobei  Kopf  und  Blick  gesenkt  gehallen  wurden,  als  sei 
niemand  würdig,  uns  in  das  Antlitz  zu  sehen. 

Ich  ritt  auf  dieser  Tour  einen  alten,  aus  Australien  importierten 
Schimmel  Namens  "Ratu-.  der  mich  trotz  seines  hohen  .Alters  in 
einer  Art  Schnellschritt  in  4'/^  Stunden  zu  den  Cinchona-Plantagen  in 
Sukanagara(Soekanagara)  brachte.  Hier  lud  uns  der  Administrator  Herr 
Vlooten  ein,  in  seinem  sehr  nett  eingerichteten,  ebenerdigen  Hause  bei 
einem  Frühstücke  zu  rasten.  Mit  großem  Vergnügen  nahm  ich  das 
freundliche  Anerbieten  an  und  verweilte  eine  halbe  Stunde  in  dem 
Herrenhause  zu  Sukanagara,  in  dem  ich  zu  meinem  Erstaunen  auch 
einen  Ofen  vorfand.  Auf  mein  Befragen  erklärte  mir  Herr  Vlooten,  es  sei 
hier  in  877  m  Höhe  über  dem  Meere  besonders  des  Morgens  im  August 
zuweilen  so  kühl,  dass  er  sich  gezwungen  sehe,  zu  heizen.  So  nahe 
am  .\quator  hatte  ich  dies  nicht  für  möglich  gehalten! 

Wieder  im  Sattel,  traten  wir,  die  ausschlieOüch  mit  finchona 
bebaute,  ziemlich  ausgedehnte  Plantage  hinter  uns  lassend,  in  den 
Urwald  ein.  Wir  hatten  in  Sukanagara  Pferde  gewechselt  und  ich  ritt 
nun  eine  zierliche,  von  Baron  van  Heeckeren  gezogene  Vollblutstute, 
die  früher  auf  der  Rennbahn  manchen  Preis  davongetragen  hatte. 

Kaum  im  Walde,  wurden  wir  an  die  noch  herrschende  Regenzeit 
durch  einen  heftigen  Guss  erinnert;  zuerst  fielen  schwere  Tropfen 
und  endlich  gieng  ein  tüchtiges  Gewitter  nieder,  welches  durch  seine 
Wucht  im  Verlauf  einer  halben  Stunde  alle  Rinnsale,  Bäche  und  Flüsse 
so  anschwellen  lieü.  dass  wir  nur  mit  aller  Mühe  zwei  sonst  ganz  harm- 
lobt:  Flüsschen  zu  passieren  vermochten.  Das  erste  Wässerchen,  der 


"Sr.^r     ^-mi:':c::.":ccus   mauru 
—-.:-•    ::-    ar.j:->:h\vänzigen  ' 

..:-:.:     .:r.     V^c    auf,    der    lehm 
:.      1;     '•jrj.=   -rvi::  \  :;:r:g,    so  das 

•  ..„      .::.   :ur:   -^CiLlinweise  auf| 

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.   ■.   -.'=r  ..^:r.=r.rr:jr.  '^.  .'ir.  Gamel 

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._.-  :  i..w::.rj.:  Au>druj:v  ^ab.  dass  s 
..-z" :"  c\r.x:r.  h'-rtl-jr.  H^'zklotz  los 

-  •  •  -  • 

..'-:-.-■■-    vjr  ^us  Ban:!bus  gebaut 
.  *>^r  ^v;«;:":^   —  rrich.  Wumibranv 
Li.Ä^rr::  vihrend   das   Gefolg 

--;.       V  ::-r  ücrr.  Hausj   sind   einf 

■^  ..  .:  iurjhnasste  Kleiduni:  mit 

..^.i.j>  M».:i  -.nd  <a:3en  rauchend  n< 
.....     Miivji'iü   aa^   der  Feme    die   ; 


Tanggeng---Sindangbarang,  18.  April. 

Auf  den  heutigen  Tag,  den  ersten  des  Monates  Savval  nach  dem 
Ende  des  Fastenmonates  Ramelan  (Ramasän)  oder  Pasa,  fiel  das  Idul- 
Fitr-Fest  der  Javanen.  Dieser  Tag,  —  Garebeg  Puwasa-Tag  —  welcher 
von  den  Eingeborenen  als  Neujahrstag  betrachtet  wird,  wurde  uns  im 
Laufe  des  heutigen  Rittes  dadurch  ersichtlich,  dass  allenthalben  in  den 
kleinen  Ansiedelungen,  die  wir  zu  passieren  hatten,  Musik  ertönte  und 
Feststimmung  vorherrschte. 

Nach  langem,  erquickenden  Schlafe  brachen  wir  auf,  um  zunächst 
einen  Berg  auf  einem  Wege  zu  erklimmen,  dessen  Steilheit  jener  unserer 
Gebirgspfade  nicht  nachstand.  Der  Himmel  hatte  sich  völlig  geklärt, 
die  Sonne  stand  hoch  und  wir  genossen  während  des  Aufstieges  eine 
wunderbare  Aussicht  empor  zu  unzähligen  Bergspitzen  und  Vulcanen, 
niederwärts  zu  den  Hügelketten  und  Thälern  des  Umkreises;  ein  großer 
Theil  der  Residentschaft  der  Preanger  Landschaften,  ein  herrliches  Stück 
Westjavas  lag  uns  vor  Augen  und  zu  Füßen. 

An  dem  vollen  Genüsse  dieses  entzückenden  Panoramas  behin- 
derte uns  allerdings  zuweilen  die  Sorgfalt,  die  wir  auf  dem  schwierigen 
Terrain  unseren  Pferden  zuwenden  mussten;  denn  der  Regen  des  verflos- 
senen Tages  hatte  die  an  den  steilsten  Wegstellen  in  die  Berglehne 
geschlagenen  Stufen  so  überaus  glatt  und  schlüpfrig  gemacht,  dass 
unsere  Pferde  nur  mit  der  äußersten  Anstrengung  hinaufklettern 
konnten.  Endlich  waren  wir  mit  Mühe  auf  dem  Kamm  angelangt,  der 
die  Grenzscheide  der  Districte  Djampang  wetan  und  Tjidamar  bildet, 
und  wurden  hier  von  dem  Chef  des  Districtes  Tjidamar  mit  vielen 
Bücklingen  begrüßt. 

Unsere  sehr  ermüdeten  Pferde  bedurften  kurzer  Rast,  worauf  es 
auf  einem  verhältnismäßig  guten  Wege  bergab,  bergauf  weiter  gieng. 
Das  Landschaftsbild  übertraf  an  Schönheit  selbst  jenes,  welches  tags- 
zuvor  unser  Entzücken  wachgerufen  hatte.  Das  war  echter  tropischer 
Urwald,  in  dem  ein  malerisches  Bild  das  andere  verdrängte;  ein  jedes 
aber  war  reizend  und  eigenartig.  Hier  säumen  hohe  Baumriesen  den 
mit  dichtem  Rasen  bekleideten  Pfad  ein;  dort  schießt  wucherndes  L'nter- 
holz  auf  einer  Rodung  empor;  dann  umfängt  uns  wieder  dichter,  viele 
Meilen  Landes  bedeckender  Hochwald,  in  seinem  Schöße  dem  Wilde 
Schlupfwinkel  bietend,  welche  für  den  Jäger  unerreichbar  sind.  Ob 
Baum,  ob  Strauch,  Kraut  oder  Moos,  hier  war  jede  Pflanze  üppig  und 
schön,  die  Mannigfaltigkeit  der  den  Boden  schmückenden  Gewächse 

401 


1  freilich  bedeutenden  Schaden  erlitten,  su  dass  wir  unter 

Heiterkeit  und  allerlei  Kurzweil  in  ziemlich  mangelhafter 

l  das  Rasthaus  zurückkehrten. 

fflen  Kamelanfeste  zu  Ehren  war  abends  im  Dorf  allj^e- 

[feel,  so  dass  ich,  um  meine  Kenntnisse  der  Sitten  und 

'  Java  zu  vermehren,   noch    einen   längeren  Rundgang 

h  bot  dieser  nicht  viel  Neues  oder  Bemerkenswertes.  Einige 

B  Damen  bearbeiteten  wieder,  im  Tacte  singend  oder  eigent- 

nd.    mit    Bambusstäben    einen    ausgehöhlten    Baumstamm, 

in  der  Nähe   große  Menschengruppen  um  ein  Wajang 

leses  Wajang,  welches  mich  lebhaft  an  ein  ins  Javanische 

•Wursteltheater-    erinnerte,  war  dem  Schattenspiele,  das 

iit  gesehen  hatten,  ziemlich  ähnlich. 

^is  spat  in  die  Nacht  hörte  man  die  eintönigen  Schläge  des 

Ute  melancholische  Musik  des  Gamelang  ertönen,  was  nicht 

mg  des  allen  so  nothwendigen  Schlafes  beitrug  und  uns 

terungen'  des  Beifalles"  als  solche  des  Unmuthes   entrang. 

Sindangbarang  —  Tjipandak,  19.  April. 

Ine  Folge  des  uns  wenig  willkommenen  Ramelanfestes  war 
pass  wir  am  Morgen  unsere  l^ferde  absolut  nicht  bekommen 
B  Und  weder  Pferdewärter,  noch  Kuüs,  noch  Dorfälteste  zu  finden 
r  alles  ergab  sich  nach  den  Freuden  des  gestrigen  Tages  noch 
me  und  wir  wurden,  obgleich  um  '/n-'»  Uhr  morgens  bereit,  doch 
gegen  6  Uhr  in  Sindangbarang  Hott.  Schlaftrunken  bewegte  sich 
Karawane  dem  Meere  zu. 

Der  Ritt  in  dem  weichen  Sande  der  Uüne  war  dadurch  reizvoll, 

ä   uns   die  vorge-schri ebene   Koute  beinahe  unausgesetzt  längs  der 

'te  führte,  und  wir  so  das  weite,  blaue  Meer  mit  seinen  mächtigen, 

Ufer  anprallenden  Wogen  zur  Rechten,  die  grünen  Hügel  der  Küste 

Linken  hatten.  Der  Morgen  war  vor  Sonnenaufgang  angenehm  kühl, 

zudem  erfrischte  uns  und  unsere  Pferde  der  feine  Wasserstaub, 

die  Brandung  aufwarf;  nach  zwei  Stunden  nahm  die  Flut  immer 

ir  zu  und  oft  schlugen  die  .Ausläufer  der  Wellen  unter  den  Füßen 

•erer  Pferde  durch.  Die  gewaltige  Brandung  an  der  Südküste  Javas, 

die  sich  die  riesigen  Wogen  der  offenen  See  heranwälzen,  um  sich 

r  an   einem   unüberwindlichen   Walle   schäumend   zu   brechen,  ist 

CS  jener  erhabenen  Naturbilder,  welche  das  Auge  nicht  müde  wird 


/.ii  sL:liaui;n,  welche  ilits  Gedächtnis  auf  immerdar  bewahrt.  Gcwallis- 
imcrmcsslich.  heilig  ist  die  Macht  der  Kiemente;  wie  schwach  und  klein 
duneren  der  Mensch! 

Taiisendc  von  Krabben  liefen  auf  dem  warmen  Sande  hin  unj 
her,  auf  dem  wir  große  Stücke  porösen  Bimssteines  fanden,  welche 
viin  der  See  ausRcworfen,  vom  Ausbruche  des  Krakatau  im  Jahre  I8S3 
herrühren  sollen. 

Bei  dem  Cadaver  eines  gefallenen  Pferdes  beobaclitete  ich  einen 
Seeadler  mit  ganz  weißer  Brust  und  gleichfarbigem  Kopfe;  später  sah 
ich  ein  zweites  Exemplar  auf  einer  dürren  Palme  sitzen. 

An  einer  Stelle  verwehrten  Felsen  den  Pfad  an  dem  Strande,  so 
itiiss  wir  mit  einem  Umwege  tiefpr  ins  üferiand  zogen;  doch  auch 
hier  stellte  sich  uns  noch  manches  Hindernis  entgegen,  vor  allem  der 
ziemlich  breite  Tji  l'djong  (Oedjong),  der  sich  in  solchen  Windungen 
forlbewcglc.  dass  wir  ihn  auf  einer  ganz  kurzen  Strecke  dreimal  über- 
nueron  miis.sten:  das  erstemal  mittels  einer  improvisierten  Fähre,  auf 
welcher  auch  die  Pferde  einzeln  verladen  wurden;  die  beiden  anderen- 
niiOo  watend,  wobei  wir  ziemlich  tief  ins  Wasser  kamen.  Ein  besonders 
^lörri-ches  Pon\-  sprang  viin  der  Fähre  in  den  Strom,  schwamm  aber 
lustii;  an  das  andere  l'for,  ?o  dass  dieses  Intermezzo  keinen  anderen 
Nachtlioil  Iiatic.  als  dass  der  Reiter  des  Pony  sich  in  einen  von  WassiT 
trii'lcndon  Scitlol  sci;:en  inussie. 

Ita^  Hurchwalen  dos  Flusses  bot  zumal  bei  der  Tiefe  de« 
Wa-^voiv  ein  hübsches  Bild:  als  erster  riit  stets  der  ortskundige  Führer 
liiiidiir.il :  i^ai-'n  Vollste  ich  ai;:' :v.ciner  SchinimeLstute,  die  sich  übrigen> 
un  W.i-- ,■!  -dir  \  •.■■■;:;::"'"::i;  '.>c:'.'i^ri.  hierauf  kamen  die  anderen  Herren 


wir  Herrn  Borrel,  einen  FYeund  Kerkhovens,  der  einige  Tage  vor  uns 
hiehergeeilt  war,  um  dieses  Lager  zu  schaffen.  An  dem  Ufer  des  blau 
schimmernden  Tji  Pandak,  der  einem  Gebirgsstrom  ähnlich  rauscht, 
lagen  zwischen  grünen  Bäumen  die  Hütten,  welche  aufs  luftigste  ganz 
ans  Bambus  gebaut  waren,  während  Palmenblätter  die  Wände  und  das 
Dach  bildeten.  In  der  Mitte  des  Camp  stand  auf  Pfählen  unter  einem 
Palmendach  eine  Art  Plattform,  die  uns  als  Speiseraum  dienen  sollte, 
rechts  davon  befand  sich  meine  Behausung,  links  jene  der  Herren 
meiner  Suite;  im  Hintergrunde  lagen  Hütten,  welche  für  Hodek  und 
die  Diener  bestimmt  waren.  Für  die  Pferde  war  durch  offene  Ställe 
vorgesorgt.  Vor  dem  Camp  erhob  sich  im  Wasser  eine  kleine  Hütte, 
um  das  Baden  auch  im  Sonnenbrande  zu  ermöglichen,  ohne  dass  man 
Gefahr  lief,  vom  Sonnenstiche  getroffen  zu  werden. 

Das  war  alles,  aber  auch  das  Richtige  für  ein  Lager  im  Urwald. 
Herr  Borrel  hatte  mit  vollem  Verständnis  für  die  Sachlage  den  klima- 
tischen und  localen  Verhältnissen  Rechnung  getragen  und  jeden 
unnöthigen  Comfort  bei  Seite  gelassen;  man  konnte  hier  eigentlich 
ganz  im  Freien  leben,  war  aber  gegen  die  Sonne  doch  geschützt  und 
genoss  in  der  Nacht,  insbesondere  dank  der  Nähe  des  Flusses, 
angenehme  Erfrischung. 

So  gedenken  wir  denn  in  unserem  kleinen  Thale,  von  der  Welt 
abgeschnitten,  in  wahrhaft  idyllischer  Weise  zu  leben;  die  Stunden, 
die  nicht  der  Jagd  gewidmet  sind,  wollen  wir  plaudernd  und  ruhend  in 
der  Speisehütte  verbringen,  um  ab  und  zu  in  die  Fluten  des  Gebirgs- 
flusses  zu  tauchen,  der  mit  seinem  klaren,  kühlen  Wasser  ein  köstliches 
Bad  spenden  und  uns  laben  soll;  da  soll  uns  keine  Post,  kein  Tele- 
graph, keine  schnaubende  Locomotive  die  wohlthuende  Ruhe  stin'en. 
Sei  mir  gegrüßt,  jungfräuliche  Natur,  die  du  uns  hier  lieblich  umfängsti 

Heute  noch  sollte  gejagt  werden.  Das  Ziel  meiner  Wünsche  war 
nämlich,  einen  Banteng  zu  erlegen  und  dessen  prachtvoll  gehörn- 
ten Kopf  als  Trophäe  heimzuführen.  Stellt  doch  der  auf  den  indischen 
Inseln,  dann  in  Siam  und  Birma  in  Herden  lebende  Banteng  (Bos 
sondaicus)    die  größte  aller  Arten  des  wilden  Rindes  der  Jetztzeit  dar. 

Herr  Borrel  meldete,  dass  alles  bereit  sei  und  stellte  sich  auf 
einem  Sandelhout-Pon}'  als  Führer  an  die  Spitze  des  Zuges.  In  der 
Xähc  des  Lagers  waren  ganz  frische  Fährten  von  Bantengs  gefunden 
worden,  und  so  sollten  denn  dort  zwei  Triebe  gemacht  werden.  Der 
Weg  zum  Platze  war  für  die  Pferde  abermals  sehr  anstrengend,  da  wir 
sehr  steile  Lehnen  zu  passieren  hatten  und  den  Fluss  an  drei  Stellen 

40.') 


durchwitltn  miisslen;  die  lirslun  beiden  Übergänge  giengen  ganz-. 
vonstatten;  heim  letzten  aber  kamen  wir  so  tief  in  das  reißende  W* 
dass  die  kleinen  Pferde  nur  mit  Mühe  hindurclikanien. 

Die  Gegend,  in  der  wir  jagen  wollten,  trug  einen  andeS 
Charakter  als  jene,  die  wir  bisher  durchzogen  hatten.  Die  Formation 
war  allerdings  dieselbe;  doch  war  hier  das  vnn  Thälem  durchschnittene 
und  vnn  Schluchten  erfüllte  Hfthenland  nicht  mehr  gleichfiirmig  mit 
Wald  bedeckt,  sondern  wies  zwischen  vereinzelten  Waldstreifen  aus- 
gedehnte, mit  Alanggras  bewachsene,  grüne  Flächen  auf;  ofTenlwr 
halten  hier  vnr  Zeiten  große  Waldbrände  gewüthet  und  den  Boden^f 
zahlreichen  Stellen  freigelegt.  W^ 

Dieser  Landstrich  bildet  den  Liehlingsaufenthalt  der  BantengSP 
welche  tagsüber  in  den  Dickungen  der  Wälder  weilen,  gegen  AbcnJ 
jedoch  auf  jene  Stellen  hinausziehen,  wo  das  Alanggras  junge  Triebe 
zur  Äsung  bietet.  Die  einzig  mögliche  .Art,  hier  auf  Bantengs  t.ü 
jagen,  ist  das  Treiben,  da  an  ein  Pürschen  in  den  undurchdringlichen 
Dickungen  nicht  zu  denken  ist.  Nach  Ahlauf  der  Hegenzeil,  iilw 
anfangs  Mai,  zünden  die  Eingeborenen  all  die  trockenen  .Alangfläctien 
an,  so  dass  dann  das  Wild  in  einer  Waldparcelle  leicht  abzuspüren 
und  zu  bestätigen  ist,  und  Triebe  sofort  unternommen  werden  künnen. 
Leider  fiel  meine  Anwesenheit  auf  Java  noch  in  die  Regenzeil,  weshalb 
denn  das  Jagen  zu  dieser  Zeit  überall  durch  den  hohen  Stand  iJc» 
noch  grünenden  Alanggrases  ungemein  erschwert  war.  Das  Abspüren 
von  Wild  war  fast  unmöglich  und  selbst  Wild,  welches  aus  der 
Dickung  hervorbrach,  in  dem  hohen,  dichten  Gra.se  nur  in  dcf 
Entfernung  weniger  Schritte  sichtbar  —  stand  doch  das  Alanggras  an 
vielen  Steilen  so  hoch,  dass  in  ihm  nicht  einmal  ein  Pferd  gesehen 
werden  konnte,  ja  die  Spitzen  der  Grashalme  mitunter  sogar  übenfcr 
Kopf  des  Reiters  hinaus  emporragten. 

Die  Triebe  auf  Bantengs  werden  in  der  gegenwärtigen  Epwchc 
auf  folgende  Weise  durchgeführt:  die  Treiber  umstellen  eine  Dickung 
und  bilden  eigentlich  nur  .\bwehren,  indem  sie  nach  dem  Hebschus« 
mit  ihren  Bambiisklappern  kolossalen  Lärm  verursachen,  während  w 
zelne  Jäger  auf  den  Wechseln  eindringen  und.  sobald  sie  eine  fihiu 
gefunden  haben,  die  Hunde  losen,  worauf  diese  alsbald  Laut  geben  iii*d 
das  Wild  auftreiben.  Ist  nun  diese  Methode  nicht  von  Erfolg  bellte'' 
so  werden,  soweit  möglich,  auch  die  Wehren  zum  Vorgehen  beordert 
was  jedoch  bei  der  in  den  südlichen  Gegenden  allüblichcn  Mi  su 
jagen,  mit  wenig  Erfolg  geschieht. 

4»C 


I 


irdnung,  Lässigkeit  und  Zeitversplitterung  seitens  der  Tiüiber 
machten  sich  ieider  auch  heute  recht  bemerkbar;  bei  systematischem, 
correctem  Treiben  müsste  es  meiner  Ansicht  nach  nicht  allzuschwer 
fallen.  Bantengs  zu  erbeuten.  Allerdings  würde  dann  diese  seltene 
Species  bald  ausgestorben  sein;  denn  offenbar  ist  es  nur  der  Mangel- 
haftigkeit des  Jagdbetriebes  zu  verdanken,  dass  heute  so  mächtige 
wilde  Rinder  überhaupt  noch  nicht  völlig  ausgerottet  sind. 

Als  oberster  Leiter  unserer  Jagden  fungierte  ein  mohammeda- 
nischer Priester  (Hädschi),  der  hier  als  der  tüchtigste  Sachkundige  in 
Jagdangelegenheiten  gilt  und  sich  auch  nach  Kräften  der  Sache  ange- 
nommen hatte. 

Der  erste  Trieb  war  zu  Ende  gegangen  und  völlig  resultatlos  ver- 
laufen. Ursprünglich  bestand  die  Absicht,  dem  ersten  Triebe  einen 
zweiten  folgen  zu  lassen,  doch  glaubte  HeiT  Kerkhoven  davon  absehen 
zu  sollen,  da  in  dem  Triebe  Wild  bereits  flüchtig  gespürt  worden 
war.  so  dass  keine  Hoffnung  bestand,  bei  einem  neuerlichen  Versuche 
besseren  Erfolg  zu  erzielen.  So  kehrten  wir  denn,  den  Fluss  wieder 
dreimal  überquerend,  in  unsere  Palmenhütten  heim,  wo  unser  ein  von 
einem  javanischen  Kochkünstler  bereitetes  Mahl  wartete,  nach  dessen 
Beendigung  wir  zu  früher  Nachtstunde  unser  Lager  aufsuchten. 

Ich  schlief  bereits  fest,  als  ich  plötzlich  durch  lautes  Geräusch 
geweckt  wurde,  da  in  unmittelbarer  Nähe  meines  Lagers  eine  Thter- 
stimme  ertönte.  Aufspringend  wurde  ich  des  Thieres,  dessen  Laute 
mich  so  jäh  geweckt  hatten,  alsbald  gewahr.  Es  war  ein  Gecko, 
eine  jener  großen  Eidechsen,  deren  brüllender  Ruf  dem  Neuling  wohl 
den  Glauben  beibringen  kann,  es  schreie  ein  großes  Thier.  Der  Feuer- 
schein einiger  Zündhölzchen,  die  ich  rasch  in  Brand  gesetzt  hatte,  ver- 
scheuchte den  Störefried,  welcher  in  dieser  Nacht  nicht  wieder  zum 
'erscheine  kam. 


Tjipandak,  20.  .April. 

Der  Schauplatz  der  heutigen  Jagd  auf  Bantengs  lag  von  dem 
Camp  bedeutend  weiter  ab,  als  Jener  des  gestrigen  Triebes;  denn  erst 
nach  etwa  dreistündigem  Marsch  erreichten  wir  unser  Ziel.  Der  Ritt,  in 
dessen  Verlaufe  wir,  wie  am  Vortage,  mehreremale  den  Fluss  zu  über- 
schreiten hatten,  führte,  ohne  dass  wir  andere  besondere  Terrain- 
schwierigkeiten zu  überwinden  gehabt  hätten,  fast  unausgesetzt  durch 
Alanggras.  Nur  einmal  war  eine  ungemein  steile  Schlucht  zu  passieren, 
welche  für  Pferde  unübersteigbar  schien,  von  unseren  einheimischen 


Kleppern  jedoch  in  wahrhaft  bewundernswerter  Weise  genommea 
wurde,  da  jene  rutschend,  gleitend,  auf  den  Hinterbeinen  sitzend  ohne 
Unfall  die  Schlucht  hinab-  und  fast  aufrecht  kletternd  aus  der  Tiefe 
wieder  emporgelangten,  indessen  wir  zu  Fuße  nur  mühsam  über  Jie 
Steinplatten  und  den  glatten  Lehmgrund  der  Schlucht  hinwegkamen. 

Während  des  Rittes  sah  ich  auf  einem  der  Hügel  von  ferne  da> 
Haupt  eines  Hirsches  aus  dem  hohen  Grase  ragen;  der  \'ersuch,  mich 
an  das  scheue  Wild  anzupürschen,  blieb  jedoch  erfolglos. 

Auch  diesmal  wurde  in  thalwärts  gelegenen  Wäldern  getrieben, 
die  Stände  aber  wurden  längs  eines  Hügelkammes  eingenommen.  Heer 
Kerkhoven  stellte  mich  zu  unterst  auf  und  hatte  die  Absicht,  oberiialb 
meines  Standes,  in  der  nächsten  Nähe  desselben,  einen  meiner  Herren 
zu  postieren.  Durch  ein  Missverständnis  des  Eingeborenen,  den  Htr 
Kerkhoven  mit  dem  auf  dieses  Arrangement  bezüglichen  Befehle  zurück- 
gesandt hatte,  kam  jedoch  nicht  einer  meiner  Herren,  sondern  Herr 
Borrel  neben  mir  zu  stehen.  Ich  saß  unter  einem  Baume  und  hatte,  da 
dieser  fast  gar  keinen  Schatten  spendete,  während  des  drei  Stunden 
andauernden  Triebes  von  Hitze  viel  zu  leiden,  umsomehr,  als  es  im 
Interesse  der  Jagd  geboten  erschien,  sich  ganz  ruhig  zu  verhalten.  So 
konnte  ich  denn  nur  still  sitzen  bleiben  und  die  Legion  von  Ameisen 
beneiden,  welche,  der  Hitze  ungeachtet,  munter  um  mich  her  ab- 
und  zuliefen.  Der  .Ausschuss  rings  um  den  Stand  war  ein  ziemlich 
beschränkter. 

Nach  dem  Hebschusse  hörte  ich  vor  mir  sehr  starkes  Brechen. 
l!;ih  nur  von  einem  mächtigen  Wilde  herrühren  konnte,  doch  war  balj 
wieder  alles  still.  Einige  Zeit  später  fiel  bei  meinem  Nachbar  ein 
und    hörte    ich    nichts    mehr   wie   das   einförmiKi 


vom  Knie  abwärts  schneeweiß.  Zieht  Bantengwild  durch  die  Dickung, 
so  hört  man  schon  von  weitem  das  Brechen  und  Prasseln  der  Stöcke, 
Avelche  von  den  Thieren  niedergetreten  werden.  In  den  Wäldern,  die 
wir  heute  durchstreiften,  fanden  wir  allenthalben  große  Mengen  von 
Bambusstöcken  gebrochen  und  verdorrt  —  offenbare  Spuren  der  wuch- 
tigen Bantengs. 

Herr  Kerkhoven,  der  einigermaßen  missvergnügt  darüber  schien, 
dass  der  Stier  nicht  von  mir,  sondern  von  Herrn  Borrel  erlegt  worden 
war,  hatte  in  der  Ferne  eine  Banteng-Kuh  gesehen;  ebenso  hatte 
Wurmbrand  drei  Stücke  erblickt,  die  auf  weite  Distanzen  vorbeigewech- 
selt hatten. 

Obgleich  die  Zeit  noch  gestattet  haben  würde,  die  Jagd  fortzu- 
setzen, wurde  zum  Rückzuge  geblasen,  weil  am  Horizont  ein  schweres 
Gewitter  drohte  und  unser  Jagdleiter  befürchtete,  dass  ein  heftiger 
Regenguss  den  Fluss  gänzlich  unpassierbar  machen  würde.  Doch 
verzog  sich  das  Gewitter  und  wir  bekamen  nur  einzelne  Regentropfen 
zu  spüren. 

Da  sich  Jäger,  Treiber  und  Hunde  bereits  verlaufen  hatten  und  es 
daher  mit  dem  Jagdsport  für  heute  zu  Ende  war,  so  wollten  wir,  ins 
Camp  zurückgekehrt,  den  Rest  der  Zeit  noch  dazu  verwenden,  im  Flusse 
dem  Fischfange  zu  obliegen.  Es  war  nicht  eben  eine  schöne  Art  des 
Fischereisports,  die  wir  hier  ausübten.  Wir  wendeten  nämlich  Dynamit 
an,  was  jeder  unserer  rationellen  Fischer  mit  Recht  perhorresciert  haben 
würde,  allein  uns  handelte  es  sich  vorzugsweise  darum,  zu  ergründen, 
ob  sich  überhaupt  Fische  im  Flusse  befänden  und,  wenn  dies  der 
Fall,  welche  Arten.  Auch  hatten  die  Eingeborenen  berichtet,  der  Fluss 
enthalte  Krokodile.  So  war  denn  Dynamit  das  schnellste  und  sicherste 
Mittel,  über  diese  Fragen  klar  zu  werden. 

Der  Fluss  wurde  auf  einige  hundert  Schritte  stromabwärts  mit 
einem  Netz  abgesperrt;  dann  giengen  die  holländischen  Herren  daran, 
die  Dynamitpatronen  zu  adjustieren,  wobei  ihnen  mein  Jäger  als 
ehemaliger  Unterofficier  des  Geniecorps  mit  Rath  und  That  beistehen 
musste.  Mit  der  größten  Seelenruhe  hantierten  sie  mitten  unter  uns  in 
der  Speisehütte  mit  Dynamit  und  Zündschnüren,  und  nachdem  sie, 
ohne  dass  die  mit  Recht  gefürchtete  Explosion  eingetreten  wäre,  alles 
vorbereitet  hatten,  wurden  die  Patronen  nach  Entzündung  der  Schnur  in 
den  Fluss  geschleudert.  Die  Explosion  erfolgte  alsbald,  aber  vorläufig 
ohne  den  gewünschten  Erfolg;  denn  an  der  Oberfläche  des  Wassers 
erschien  kein  Fisch. 

499 

32* 


Wir,  ich  lind  einige  Herren,  hallen  uns  minler\vcile  uui  ein  Fahi- 
zeug  verfügl,  welches  aus  zwei  durch  Bambus  verbundenen  Canoe' 
hergestellt  war,  und  erwarteten,  auf  Fische  zu  stoßen.  Indem  wir  uns 
vermaßen,  das  Fahrzeug  mit  Hilfe  von  Batnhusslöcken  selbst  zu 
lenken,  spielten  wir  eine  klägliche  Rolle,  da  unser  Dnppelbool  entwoJc 
in  drehende  Bewegung  gerieth  oder  mit  lautem  Krach  an  das  Ufer 
anfuhr,  so  dass  wir  die  allgemeine  Heiterkeit  der  auf  dem  Lande  zurüdi;- 
gebliebenen  Eingeborenen  erregten.  Fische  fiengcn  wir  nicht,  d«ßf 
aber  fiel  Clam  mitten  im  eifrigsten  Rudern  an  einer  sehr  tiefen  Sieik 
kiipfüher  ins  Wasser  und  kam  mit  dem  Haupt  unter  ein  Canoe.  wurde 
aber  mit  vereinten  Kriiften  dem  Strome  wieder  entrissen. 

Nach  diesem  Intermezzo  hielten  wir  es  für  rathsamer.  unsere 
nautischen  Fähigkeiten  nicht  länger  zu  erproben,  sondern  schifßcn  uns 
aus,  um  die  weiteren  Effecte  des  Sprengmittels  vom  Lande  aus  m 
beobachten.  Da  längere  Zeit  hindurch  kein  Wasserthier  im  Flusse 
sichtbar  geworden  war,  kehrten  wir  endlich  heim.  Eine  halbe  StunJt 
später  brachte  uns  ein  Eingeborener  einen  Korb  voll  Indter  Fische  und 
erzählte,  es  seien  viele  Hunderte  Fische  den  Fluss  hinabgescbwenunt 
worden,  ohne  dass  man  ihrer  hätte  habhaft  werden  können,  da  dit 
mit  dem  Netze  versehenen  Leute  sich  bereits  entfernt  hatten.  Meine 
Kenntnisse  auf  dem  debiete  der  Ichthyologie  genügten  leider  nicht,  um 
die  dem  Dynamit  zum  Opfer  gefallenen  Exemplare  naher  zu  bczcicbnöi. 
Einer  der  Fische  von  auffallend  rolher  Färbung  der  Schuppen  schit-n 
mir  möglicherweise  als  Barbe  classificicrt  werden  zu  können. 


Tjipandak,  21,  Apnl 

Die  Aussichten.  Bantengs  zu  erbeuten,  waren  keine  sehr  gün- 
NtlKcn;  Herr  Korkhoven  fühlte  sich  morgens  unwohl  und  beschUiss.di3 
I  lnuH  zu  hüten:  unser  Oherjägcr.  der  mohammedanische  Hädschi.  abe: 
hiilt«  die  Nnchricht  erhallen,  dass  in  der  Nacht  seine  Tochter  nnch 
lieun«lündiKcr  Krankheit  am  Fieber  gestorben  war,  weshülb  der 
Murin  »Ich  unverzüglich  auf  den  Weg  in  sein  entlegenes  Heimat! 
niiu'lilv,  um   der  Boslnttung  des  verblichenen   Kindes    beizuwuhi 

So  rillen  wir  unter  Leitung  Baron  van  Heeckerens  in  das  Revier. in 
Wiijifhinvi  wir  um  Tage  vorher  gejagt  hatten,  und  wo  heute  die  unseren 
HKMlrlMoii  Sllln^lun  gegenüberliegende  Lehne  abgetrieben  werden  soWe 
llur  l'rlwh  wilhilc  «bomiuls  drei  Stunden  lang.  Ich  hatte  einen  Mbr 
"I  liDncn  HlimO  mit  gulom  .Ausschüsse;  vor  mir  eröffnete  sich  ein  Ibi. 


hniff     I 

m 


das  sehr  einladend  aussah,  aber  leider  kam  nichts;  ich  glaubte  zwar 
einmal  brechen  zu  hören;  auch  behaupteten  die  Treiber,  einen  Banteng 
gesehen  zu  haben;  doch  dürfte,  da  keiner  der  Schützen  etwas  bemerkt 
hatte,  dieser  Stier  nur  ein  mythischer  gewesen  sein. 

Die  Hitze  war,  wenn  auch  empfindlich,  doch  nicht  so  drückend 
als  tagszuvor,  so  dass  auf  mein  Drängen  noch  ein  Trieb  improvisiert 
wurde.  Die  Treiber  zündeten  an  allen  Seiten  das  Gras  an  und  drangen 
eine  Strecke  weit  in  den  Wald  ein,  traten  aber  auch  alsbald  wieder  aus 
der  Dickung  heraus.  Infolge  der  Müdigkeit  der  Treiber  und  ihrer  Unlust 
verlief  auch  dieser  Trieb  ohne  Erfolg. 

Nach  dem  üblichen  Bade  bei  Durchwatung  des  Fiusses  waren  wir 
schon  gegen  4  Uhr  im  Camp,  wo  wir  Herrn  Kerkhoven  nicht  vorfanden. 
weil  er  sich  auf  die  Pfauenpürsche  begeben  hatte;  ein  gutes  Zeichen 
für  seine  Genesung. 

Es  erschien  uns  noch  zu  früh,  um  zuHause  zu  bleiben,  wir  ergriffen 
daher  die  Schrnigewehre  und  streiften  in  den  Dickungen  neben  unserem 
Lager  umher,  um  die  ornithologische  Sammlung  zu  vervollständigen. 
Obwohl  das  Fortkommen  in  den  Dschungeln  und  dem  fast  undurch- 
dringlichen Alanggrase  sehr  schwierig  war,  so  dass  wir  uns  beinahe 
jeden  Schritt  erkämpfen  mussten,  erlegten  wir  in  der  relativ  kurzen 
Zeit  doch  recht  ansehnliche  Mengen  von  Vögeln  und  darunter  solche 
interessanter  Arten,  so  die  vielfarbige  javanische  Papageitaube  (Osmo- 
treron  vemans);  dann  Fruchttauben  (Carpophaga  aenea);  ferner  braune 
Schweiftauben  (Macropygia  emiliana);  Bartvögel  (Cyanops  lineata), 
rothe  Mennigvögel;  Reisvögel  (Munia  oryzivora)  und  mehrere  Exem- 
plare eines  glänzend  dunkelgrünen  Singstares  (Calornis  chalybea), 
sowie  Schwalben  verschiedener  Arten.  Am  Abende  kehrte  Herr  Kerk- 
hoven mit  einer  sehr  schönen  javanischen  Pfauenhenne  von  seinem 
Jagdzuge  heim. 

Als  wir  im  Lager  versammelt  waren,  stellte  sich  .starker  Gussregen 
ein.  der  sogar  die  Dächer  unserer  Hütten  durchbrach;  gleichwohl  ver- 
trieben wir  uns  die  Zeit  in  sehr  gemüthlicher  Weise,  indem  unsere  Jäger 
jodelten  und  Hodek  ganz  famose  Gedichte  Stieters  in  obderennsischer 
Mundart  vortrug. 

Kein  Wunder,  dass  mich  eine  leise  Mahnung  von  Heimweh  über- 
kam, dass  mitten  aus  dieser  herrlichen  Tropenwelt  die  Gedanken  in  die 
Heimat  flogen,  dass  mancherlei  Erinnerungen  an  schöne,  in  Oberöster- 
reich verbrachte  Tage  wach  wurden  —  gerade  jetzt  wach  wurden,  da 
in  der  Heimat  der  Frühling  ins  Land  zieht,  die  Natur  nach  winterlicher 


Erst  nach  5  Uhr  abends  ließ  der  Regen  etwas  nach,  worauf  wh* 
IS  trotz  der  großen  Feuchtigkeit  entschlossen,  noch  einen  kleinen 
arschgang  in  der  Nähe  des  Lagers  zu  versuchen.  Ich  erstieg  die  Höhe 
Dcrhalb  der  Hütten,  wo  sich  zwischen  Alangflächen  Palmenhaine  aus- 
weiteten. Mehrere  Tauben,  darunter  insbesondere  Fruchttauben,  fielen 
ir  zur  Beute;  von  weitem  sah  ich  auch  zwei  Affen  und  einen  schönen, 
)er  leider  sehr  scheuen  javanischen  Pfau  auf  einer  dürren  Palme  auf- 
3baumt.  Der  Versuch,  mich  anzupürschen,  misslang,  da  die  Dickung, 
e  mich  von  ihm  trennte,  ganz  undurchdringlich  war.  Überhaupt  ist  das 
npürschen  an  irgend  ein  Wild  in  diesen  Gegenden  schon  wegen  des 
armes,  den  man  beim  Anschleichen  unwillkürlich  verursacht,  nahezu 
nmöglich.  Ebenso  konnte  ich  keinen  der  javanischen  Nashornvögel 
•beuten,  deren  im  Laufe  des  Tages  mehrere  hoch  über  die  Bäume  hin- 
eggezogen  waren. 

Von  der  Höhe  streifte  ich  an  den  Meeresstrand  hinab,  traf  dort  mit 
ideren  Herren  zusammen  und  kehrte  erst  bei  vollkommener  Dunkelheit 
ach  dem  Camp  zurück. 

Tjipandak,  23.  April. 

Da  der  Regen  —  offenbar  dem  Umstände  zu  Ehren,  dass  wir  den 
tzten  Tag  in  Tjipandak  verbrachten  —  aufgehört  hatte,  verließ  ich, 
Dwohl  es  bei  Anbeginn  des  Tages  noch  sehr  drohend  aussah,  mit 
em  Frühesten  das  Lager,  um  auf  dem  Wege  zur  Banteng-Jagd  noch 
.if  Pfauen  zu  pürschen.  Doch  konnte  ich  keinen  Pfau  zu  Gesicht 
iikommen  und  schoss  bloß  einen  javanischen  Dschungelhahn.  Fatal 
ar  mir  auf  der  Pürsche,  dass  ich  mich  auf  den  Versuch  beschränken 
lusste,  meinem  malayischen  Führer  nur  durch  Geberden  verständlich 
A  werden,  was  aber  nicht  von  Erfolg  begleitet  war;  denn  jener  führte 
lieh  unter  fortwährenden  Bezeigungen  seiner  Ehrfurcht,  das  heißt 
idem  er  der  Landessitte  gemäß  sich  immer  wieder  niederhockte  und 
abei  die  Hände  emporhob,  unaufhörlich  im  Kreise  umher  und  ver- 
:heuchte  durch  seine  Gesten  alles  Wild. 

Mit  den  Herren  meiner  Gesellschaft  wieder  vereinigt,  ritten  wir 
nen  neuen  Weg,  der  an  Schwierigkeit  und  schlechten  Passagen  den 
1  den  vorangegangenen  Jagdtagen  zurückgelegten  nichts  nachgab; 
ur  ersparten  wir  uns  das  Durchwaten  des  Flusses.  Es  gieng  wieder 
srgauf  und  bergab  und  als  man  uns  endlich  erklärte,  dass  wir  auf  den 
tänden  angelangt  seien,  bemerkten  wir,  dass  derselbe  Trieb  genommen 
erden  sollte,  in  welchem  drei  Tage  vorher  Herr  Borrel  einen  Banteng 

503 


erlegt  hatte.  Doch  wurde  diesmal  in  umgekehrter  Weise  getrieben,  waS 
scheinlich  um  uns  durch  eine  kleine  Kriegslist  zu  täuschen.  So  hstlt 
ich  denn  von  vumherein  wenig  Hoffnung  auf  Erfolg. 

Da  die  Sonne  glühend  brannte,  ließ  ich  mir  aus  Palmenblüttem 
einen  Schirm  bauen,  hinter  dem  ich  mich  mit  einem  ganzen  Arsenal 
von  Gewehren  niederließ  und  mit  Hodek  der  Conversation  pflog.  Der 
im  Grunde  ein  nur  kleines  Gebiet  umfassende  Trieb  währte  drei  vtilir 
Stunden  lang,  was  mich  annehmen  ließ,  dass  auch  die  Treiber  einige 
Zeit  -im  Schatten  kühler  Denkungsart«  verbrachten.  Gegen  Mittag  gieng 
wieder  schwerer  Regen  nieder,  der  uns  innerhalb  weniger  Minuten 
völlig  durchnässte. 

Nach  langem  Warten  kamen  endlich  die  Jäger  und  Treibei 
einzeln  herangeschlichen  und  erzählten  von  frischen  Fährten,  ntin« 
jedoch  bestimmte  Angaben  machen  zu  können.  Die  E."cpediti"n  M'ar 
somit  in  Bezug  auf  großes  Wild  und  besonders  auf  Bantengs  ganz 
resultatlos  verlaufen.  Die  einheimischen  Jäger  pHegen  eben  weit  später 
zu  jagen,  denn  in  der  gegenwärtigen  Jahreszeit  ist  offenbar  nicht  mit 
Sicherheit  auf  Beute  zu  rechnen.  Überdies  erzählte  uns  ru  guterielzl 
Herr  Kerkhoven.  dass  in  diesem  Jagdgebiete  allenthalben  Spuren  um 
Wilddieben  gefunden  worden  seien,  Hütten,  Fährten  u.  a.  m. 

Trotz  des  Misslingens  der  Jagd  —  unseres  eigentlichen  Zweckes 
—  werde  ich  diese  Expedition  nie  bereuen;  denn  ich  habe  durch  die- 
selbe Einblick  in  von  der  Cultur  noch  unberührte  (regenden  Javas 
gewonnen,  mich  an  den  Herrlichkeiten  des  tropischen  Urwaldes  ergfita 
und  einige  angenehme  Tage  in  unserem  gemülhlichen  Hüttenlagcr  am 
ITer  des  schönen  Tji  Pandak  verlebt. 

Abends  machte  Hodek  noch  einige  photographische  Aufnahmen; 
dann  streiften  wir  bis  zum  Einbrüche  der  Dunkelheit  umher  uai 
brachten  einige  Stücke  für  die  ornithologische  Sammlung  heim.  LciJ« 
hatten  wir  zwei  Marode  zu  verzeichnen;  Wurmbrand  litt  an  den  Folgen 
einer  heftigen  Erkältung,  so  dass  er  die  letzte  Jagd  nicht  halle  mii- 
machen  können,  während  abermals  einer  unserer  Leute  von  «ioern 
Marken  FicberanfaUe  heimgesucht  worden  war. 


Tji  pandak  —  Sindangbarang,  'i4.  -V'- 

Schon  um  5  Uhr  morgens  wurde  unsere  Ruhe  durch  die  Kulis 
UoiiUW,  welche  beizeiten  ans  Werk  giengen,  um  die  Bagage  mch 
tJur  nüchNtcn  Marschstation  —  Sindangbarang  —  zu  schaffen.  Spittfj 


^riießen  wir  das  hübsche,  gemüthliche  uns  so  lieb  gewordene  Jagd- 
lager in  Tjipandak  und  folgten  dem  Trosse  zu  Pferd  auf  demselben 
Wege,  den  wir  bei  dem  Marsche  zum  Lager  eingeschlagen  hatten. 
Anfanglich  gedachten  wir  untenvegs  auf  Pfauen  zu  pürschen,  ließen 
aber  dann  dieses  Project  fallen  und  ritten  ohne  Aufenthall  bis  Sindang- 
barang,  wo  wir  gegen  Mittag  anlangten. 

p;;inige  der  Pferde,  welche  infolge  der  anstrengenden  Ritte  der 
letzten  Tage  kleine  Schäden  erlitten  hatten,  mussten  in  der  Karawane 
an  den  Zügeln  geführt  werden. 

So  lange  sich  der  Weg  längs  der  Meeresküste  hingezogen  hatte, 
war  die  Temperatur  dank  der  starken  Brandung  noch  leidlich  gewesen; 
je  mehr  wir  uns  aber  von  der  Küste  entfernten,  umso  empfindlicher 
wurde  die  Hitze.  Die  .Atmosphäre  war  von  drückender  Schwüle  erfüllt, 
die  sich  nachmittags  in  einem  starken  Gewitter  entlud.  Unsere 
Thätigkeit  zu  Sindangbarang  war  nicht  eben  eine  bedeutende  zu 
nennen;  denn  den  ganzen  Nachmittag  hindurch  huldigten  wir  dem 
.Schlafe,  während  die  .Abendstunden  mit  der  Erledigung  der  Post  aus- 
gefüllt wurden. 


Sindangbarang  — Tanggeng.  : 


.  April, 


Bei  leidlichem  Wetter  starteten  wir  in  üblicher  Art  von  Sindang- 
barang. Gleichwohl  boten  die  Wege  bis  Tanggeng,  welche  durch  die 
fortwährenden  Regengüsse  gründlich  verdorben  waren,  unseren  Pferden 
bedeutende  Schwierigkeiten.  Einen  Theil  des  Weges  —  jenen  so  steilen 
Abstieg  vom  letzten  Höhenrücken  —  mussten  wir  zu  Fuß  zurücklegen, 
da  die  Pferde  nur  unbelastet  hinabzuklettern  vermochten. 

Die  Beschwerlichkeiten  des  Rittes  wurden  reichlich  aufgewogen 
durch  den  Genuss,  welchen  wir  in  der  abermaligen  Betrachtung  der 
prachtvollen  landschaftlichen  Scenerie  fanden. 

An  der  Grenze  derDistricte  Tjidamar  und  Djampang  wetan  nahmen 
wir  von  dem  Chef  des  ersteren  Districtes  herzlichen  Abschied;  das 
Gebiet  dieses  Würdenträgers  hatte  uns  zwar  bei  Tjipandak  in  jagdlicher 
Hinsicht  sehr  wenig  geboten,  doch  war  er  selbst  höchst  zuvorkommend 
gewesen  und  hatte  sich  namentlich  um  die  Durchführung  der  Expe- 
dition viele  Verdienste  envorben. 

Bei  unserem  Einreiten  in  Tanggeng  hatte  sich  der  Himmel 
drohend  umzogen  und  bald  öffnete  er  alle  seine  .Schleusen:  ein  Walken- 
bruch gieng  nieder,  der  an  Heftigkeil  alles  bisher  Gesehene  übertraf. 
Nicht  mehr  in  Tropfen,  sondern  in  dicken  Strahlen  ergoss  sich  die  Flut 


V.^  -i.iiTc   liles  .ir.rer  Wasser;  um  unser  Haus 
=  :    z_'  ,li~:ie  und  Flösse  schwollen  in  kurzer 

•■:-4Dj:r:.  var^r:  die  Kulis,  welche  wir  mit  der 
-er^:;s  är-rr  TjJiigeng  hinausmarschien,  ur.i 
-.•.IT.  ^liTir.  ia=s  wohl  sämmtliche  Efteclen. 
-■-■n  ■■■.!ik,/:T!mer:  durchnässt  werden  würce:^. 
r-in-r'^r.  ^=  Seiürchtung  aus,  dass  die  Träge: 
.■■.\j:~icr^,\z  ^.=  ~ch'Ti  auf  dem  Ritte  zur  Küste 
■:i.LZ\t.  v-.-hi  Äautn  würden  durchwaten  können. 
^'-'iien  Absrd  —  der  Regen  hatte  noch  immer 
?  Tr-^ii  •.■•:z  vi.Ad'i  mit  ganz  durchniisster  Bagage 
,  y^\:  '-'rd^^ic  irkiiirten,  der  erste  zu  durch- 
.i■^--■:'^^  i-'iie:;,  iass  ein  Passieren  desselben  ganz 
:-^--r--  "'•:'.l  aer  Kuli:?,  welcher  früher  aus- 
:.:-^:i  r'.-ii  vjch  zu  übersetzen  vermocht 
1..-.  :::-^-^.:r.  ^>;nn  unter  solchen  Verhältnissen 
r  iji-  .-■"■--'  -^icht  übersetzen.  Längeres  Ver- 
:-3r  ■-:!::--  i::i-  ^anze  weitere  Programm  arg 
.;■■  V.l;.,c  ---lIcc  der  Extrazug  auf  der  Station 
■rif  ?=:  i^ezi  '.leneralgouvemeur  slattfinJen 
-■JJ-—  ■  ■:  Tandjong  Priok  dampfklar  sein, 
;,-:;-  -.vjjjr  dem  Eisenbahn-Directop,  noch 
.-;-  j^iir.  Sch-.:^scommandanten  konnten  wir  die 
:.'..  ij.<i'  -.vs  von  Tjibeber  und  damit  von 
..-■■^-<c:::v.::jit  seien.  Da  auf  den  Bahnen  Javas 


Unsere  Stimmung  wurde  eine  um  so  trübere,  als  Herr  Kerkhoven 
erklärte,  dass  selbst  in  dem  Falle,  als  es  uns  Reitern  gelingen  sollte,  am 
nächsten  Tage  bis  Tjibeber  vorzudringen,  die  Bagage  nicht  rechtzeitig 
die  Bahnstation  erreichen  könne. 

Schließlich  wurden  wir  der  Wetterbeobachtungen  müde  und  legten 
uns  7Air  Ruhe. 

Tanggeng  —  Buitenzorg,  26.  April. 

Um  1  Uhr  nachts  hatte  der  Regen  endlich  ein  wenig  nachgelassen. 
Kurze  Zeit  darauf  war  die  erfreuliche  Botschaft  eingelaufen,  dass  es 
doch  möglich  sein  werde,  den  Fluss  zu  passieren,  da  es  im  Gebirge 
weniger  stark  geregnet  zu  haben  scheine  und  das  Wasser  rasch  falle. 
Diese  Nachricht  wurde  selbstverständlich  mit  großer  Freude  aufge- 
nommen. Um  7^  4  Uhr  morgens  waren  wir  schon  zum  Aufsitzen  bereit, 
allein  da  die  Eingeborenen  offenbar  keine  besonderen  Freunde  des 
Frühaufstehens  sind,  so  währte  es  noch  einige  Zeit,  bis  sich  unsere 
nächtliche  Karawane  in  Bewegung  setzte;  denn  die  Pferde  mussten 
erst  gesattelt,  die  Führer  geweckt  werden  und  zum  Schlüsse  fehlten 
die  Laternen  und  Fackeln,  ohne  welche  es  unmöglich  war,  in  der  stock- 
finsteren Nacht  von  der  Stelle  zu  kommen.  Energische,  mitunter  nicht 
ganz  salonfähige  Worte  brachten  schließlich  die  verschlafenen  Leute 
auf  den  Platz,  und  etwas  nach  4  Uhr  morgens  ritten  wir  im  Gänse- 
marsche, zwischen  je  vier  oder  fünf  Reitern  einen  Fackelträger,  von 
Tanggeng  ab.  Der  Ausdruck  Fackelträger  ist  insofern  ein  euphemisti- 
scher, als  die  Fackeln  lediglich  in  brennenden  Holzspänen  —  natürlich 
wieder  einmal  Bambus!  —  bestanden. 

Der  stark  angeschwollene  Tji  Buni  wurde  auf  einer  Brücke  pas- 
siert; dann  gieng  es  ins  Gebirge,  wo  wir  aber  oft  absitzen  mussten, 
da  die  Pferde  unter  der  Last  des  Reiters  auf  dem  glatt  gewaschenen, 
steilen  Pfade  nicht  recht  von  der  Stelle  kamen.  So  rückten  wir  leidlich 
vorwärts  und  als  wir  bei  der  durch  den  nächsten  Fluss  führenden 
Furt  anlangten,  deren  Übergang  als  besonders  gefährlich  hingestellt 
worden  war,  graute  bereits  der  Morgen,  so  dass  wir  sofort  mit  aufrich- 
tiger Freude  wahrnehmen  konnten,  wie  sehr  das  Wasser  inzwischen 
gesunken  war.  Der  Übergang  vollzog  sich  sonach  ohne  besondere 
.Schwierigkeit;  die  Pferde  kamen  zwar  tief  ins  Wasser,  erreichten  aber 
dennoch  anstandslos  das  andere  Ufer.  .So  rasch,  ja  plötzlich  solche 
Gebirgswässer  auf  Java  gießbachartig  anschwellen,  ebenso  rasch  fließt 
das  Wasser  ab,  so  dass  der  Fluss  bald  wieder  seinen  gewöhnlichen 

507 


Auf  halbem  Wege  hatten  die  Herren  Kerkhoven,  Baron  van 
feeckeren  und  Herr  Borrel  den  Zug  verlassen,  um  auf  ihre  Plantagen 
urückzukeh?en.  Die  drei  Herren  waren  dank  ihrem  natürlichen  und 
emüthlichen  Wesen  die  ganze  Dauer  der  Expedition  hindurch  ange- 
»hme  Jagdgenossen  gewesen,  die  ich  sehr  schätzen  gelernt  hatte,  so 
ISS  sich  der  Abschied  recht  herzlich  gestaltete. 

In  Buitenzorg,  dessen  Hauptstraße  wir  noch  von  zahlreichen 
paziergängern  belebt  fanden,  verfügte  ich  mich  in  das  Palais  des 
eneralgouverneurs,  bei  welchem  ich  das  durch  Schilderungen  des 
ufenthaltes  im  Lager  zu  Tjipandak  gewürzte  Diner  einnahm. 

Buitenzorg — Batavia  —  Tandjong  Priok,  27.  April. 

Die  Spanne  Zeit,  die  mir  in  Buitenzorg  noch  gegönnt  war,  bevor 
:h  Java  verließ,  benützte  ich,  um  zwei  Objecte  in  Augenschein  zu 
lehmen:  ein  VV^erk  friedlicher  Thätigkeit,  den  botanischen  Garten,  und 
ine  militärische  Anstalt,  die  Kaserne. 

Der  weltberühmte  botanische  Garten  (*s  lands  plantentuin),  welcher 
m  Jahre  1818  unter  Generalgouverneur  Baron  van  der  Capellen  von 
tinem  Deutschen,  dem  Landbaudirector  Professor  Reinwardt,  geschaffen 
vard,  dient  zur  Cultur  von  Pflanzen  für  wissenschaftliche  und  Unter- 
ichtszwecke  und  enthält  selbstverständlich  nur  solche  Gewächse, 
i^elche  in  dem  tropischen  Klima  Buitenzorgs  gedeihen.  Um  Pflanzen 
:ühlerer  Zonen  cultivieren  zu  können,  hat  man  eine  Anzahl  botanischer 
löhenstationen  auf  verschiedenen  Stufen  des  Gede-Gebirges,  an  dessen 
uße  Buitenzorg  gelegen  ist,  sowie  auf  dem  Gipfel  des  Pangrango 
rrichtet.  Dort  werden  von  der  Leitung  des  Buitenzorger  Gartens  jene 
rewächse  gezogen,  welche  eine  Höhenlage  von  985  ni  aufwärts  bis  zu 
700  m  erfordern. 

Dieser  Garten,  welcher  etwa  60  ha  umfasst  und  gegen  Norden  in 
en  zum  Palais  des  Generalgouverneurs  gehörigen  Park  übergeht, 
eichnet  sich  beim  ersten  Anblicke  vor  allem  durch  die  Schönheit  seiner 
age  aus.  Nach  Süden  hin  erheben  sich  die  grandiosen  Gipfel  der 
blauen  Berge«<,  das  ist  der  erloschenen  \'ulcane  Salak  und  Pangrango. 
"on  dem  diese  beiden  Gipfel  verbindenden  Sattel  senkt  sich  wellenför- 
liges  Terrain  nach  Buitenzorg  nieder.  Der  Palaisgarten  selbst  ist  sanft 
bgedacht,  im  Osten  vom  Tji  Liwung  begrenzt,  mit  schönen  Laub- 
äumen, Palmenallccn,  Bambusgebüsch,  Rasenflächen  und  Wasser- 
ecken  geschmückt. 

509 


Im  ganzen  werden  hier  etwa  9300  Pflanzenarten  (300  Familier. 
2500  Geschlechter)  cultiviert.  Ich  hatte  von  diesem  Garten  viel  reden 
gehört  und  war  von  vielen  Seiten  auf  seine  Pracht  aufmerksam  gemacht 
worden,  so  dass  ich  ihn  mit  Erwartungen  betrat,  welche  allerdings  nichl 
vollauf  in  Erfüllung  giengen.  \'om  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus 
besitzt  dieser  mit  einer  Fachbibliothek  und  einem  »Landbau-Museum« 
ausgestattete  Garten  unzweifelhaft  einen  außerordentlich  hohen  Wen: 
alljährlich  kommen  Gelehrte  aus  Europa  nach  Buitenzorg,  um  hier 
Studien  zu  obliegen  und  Forschungen  anzustellen.  Allein  das  Bestreben, 
auf  einem  immerhin  beschränkten  Raum  eine  wahre  Unzahl  der  ver- 
schiedenartigsten Gewächse  der  tropischen  Region  aller  VVelttheile  und 
speciel!  der  malayischen  Zone  unterzubringen,  führt  dazu,  dass  hier 
Vieles  allzu  dicht  gedrängt  nebeneinander  steht,  manches  nicht  zu 
völlig  freier  Entwicklung  gelangt,  anderes  doch  nicht  alle  jene  Bedin- 
gungen vorfindet,  welche  Boden  und  Klima  den  Pflanzen  auf  ihrem 
natürlichen   Standort    oder   bei   vollkommener  Acclimatisation  bieten. 

Die  Anordnung  des  Gartens  ist  eine  streng  wissenschaftliche, 
so  dass  der  Fachkundige  unverzüglich  orientiert  ist.  In  einem  Theile 
des  Gartens  sind  zum  Beispiel  ausschließlich  Palmen  der  verschie- 
densten -Arten,  in  einer  anderen  Partie  nur  Eichen  oder  Coniferen 
gcpllanzt,  weshalb  denn  in  jeder  .Abtheilung  eine  gewisse  Eintöni^ei: 
der  Formen  vorwaltet.  Diese  .Anordnung  ist  allerdings  den  Zwecken 
der  Boobuchlung  äußerst  dienlich.  Der  Laie  aber  blickt  auch  in  derlei 
Anlagen  vorzugsweise  nach  dem  Schönen  oder  Originellen,  nach  male- 
rischen Gruppen,  üppigen  oder  curiosen  Solitärbäumen,  nach  dem 
Reizenden  oder  dem  Merkwürdigen  aus.  Er  folgt,  um  es  kurz  zu  sagen. 


Exemplare,  einzeln  oder  in  Gruppen,  interessantester  Pflanzenfamilien 
und  Pflanzenarten  enthält.  Unter  anderem  fallen  insbesondere  auf:  eine 
aus  riesigen  Canarienbäumen  (Canarium  altissimum)  gebildete  Allee, 
in  welcher  jeder  Stamm  mit  einer  anderen  Gattung  Orchideen  bedeckt 
ist;  in  den  verschiedenen  Wasserbecken,  welche  der  Garten  enthält, 
prächtige  Exemplare  von  Nymphaeaceen,  wie  die  südamerikanische 
Victoria  regia,  die  Nymphaea  lotus,  die  Nymphaea  pubescens  (javanisch: 
Taratte  ketjil),  die  Nymphaea  stellata  (Taratte  biru);  dann  Exemplare 
von  Nelumbium  speciosum  (Taratte  gede)  u.  s.  w. 

Der  Besuch  der  Kaserne  gab  mir  erwünschte  Veranlassung,  mich 
über  die  actuellen  Land-  und  Seestreitkräfte  Niederländisch-Ostindiens 
näher  zu  informieren. 

Die  niederländisch -ostindische  Armee  besitzt  gegenwärtig  eine 
Stärke  von  33.339  Mann  mit  1360  Officieren,  darunter  26.536  Mann 
(697  Officiere)  Infanterie;  3120  Mann  (83  Officiere)  Artillerie;  832  Mann 
(29  Officiere)  Cavallerie;  646  Mann  (12  Officiere)  Genie,  und  2205  Mann 
(539  Officiere)  andere  Truppen,  als  Stäbe  u.  s.  w.  Diese  Armee  ergänzt 
sich  ausschließlich  durch  Anwerbung  sowohl  aus  Europa,  insbesondere 
aus  dem  Deutschen  Reiche,  wie  aus  den  Colonien.  Von  den  Mann- 
schaften sind  13.847  Europäer,   19.437  Eingeborene,  55  Afrikaner. 

Als  Commandant  der  ostindischen  Landmacht  fungiert  General- 
lieutenant A.  R.  W.  Gey  van  Pittius,  welcher  in  dieser  Function  dem 
Generallieutenant  T.  J.  A.  van  Zyll  de  Jong  am  4.  April  1893  nach- 
gefolgt war. 

Die  indische  Flotte  gliedert  sich  in  die  Kriegs-Marine,  welche  in 
die  indische  Militär-Marine  und  das  Auxiliar- Geschwader  zerfällt,  und 
in  die  Gouvernements-Marine.  Die  Militär-Marine  zählt  25  Fahrzeuge  — 
darunter  2  Segelschiffe  —  mit  5273  Netto-Tonnengehalt,  14.913*5 
indicierten  Pferdekräften,  87  Geschützen  und  einem  Bemannungsetat 
von  1340  Europäern  und  643  Eingeborenen.  Zu  der  Militär- Marine 
gehören  noch  2  Wachtschiffe  mit  10  Geschützen,  sowie  mit  557  Euro- 
päern und  313  Eingeborenen  an  Bemannung.  Das  Auxiliar-Geschwader 
umfasst  4  Fahrzeuge  mit  4040  Netto-Tonnengehalt,  11.932  indicierten 
Pferdekräften,  58  Geschützen  und  einem  Bemannungsetat  von  832  Euro- 
päern und  282  Eingeborenen.  Der  Gesammtstand  der  Schiffsbeman- 
nungen beträgt  sonach  2729  Europäer  (281  Officiere),  hievon  519  Mann 
(50  Officiere)  Marine-Infanterie,  und  1238  Eingeborene.  Die  Gouver- 
nements-Marine besteht  aus  17  See-Dampfbooten,  5  Fluss-Dampfbooten 
und    10   kleinen    Segclfahrzeugcn    (Avisos).    Die    Dampfboote    haben 

511 


hst  wurden  die  Wachlocale  und  Arreste 

-li  der Commandant  in  die  Mannschaftszimmer, 

I  F-jngehorene,  compagnieweise  getrennt,  ihre 

unterscheiden  sich  nur  in  den  Lagerstätten, 

■  Betten  benützen,  während  die  Eingeborenen 

li-chun  schlafen.   In  den  durchwegs  überaus 

rscilto  peinliche  Ordnung  und  Sauberkeit. 

■cmdcti.*.  war,  in  einem  unter  tropischem  Himmel 

le  so  grolle  Menge  Eisen  verwendet  zu  sehen; 

mit  Wellblech  gedeckt  und  zwischen  je  zwanzig 

angebracht,  an  welchen  die  Leute  ihre 

haben.  Meiner  Ansicht  nach  würde  Bambus  hier 

m  wie  Eisen,  welches  ja  doch  nothwendiger- 

:ie   Hitze  in  den  Räumlichkeiten   wesenthch   zu 

^Ite  ich  die  Uniform  —  das  schwere  blaue  Tuch 

Sihelm.  welcher  den  Kopf  und  vor  allem  den  Nacken 

jt  —  Hir   priiklisch.  Sehr  reichlich  ist   die  Mannschaft 

,   Jndum  jeder  Mann  pro  Jahr  drei  Paar  ganz 

otzdeni  gehen  die  Eingeborenen -Compagnien 

£(Uful3. 

'ist  das  Berdun- Gewehr  eingeführt;  doch  sind  jetzt 
ftuinlichcr  in  Erprobung;  als  Seitengewehr  dient  ein 
Jien  Haubajonett  und  Handschar.  Dieses  Messer  ist 
"Buschkappen",  das  ist  Abhauen  von  Ästen,  Lianen 
ion  Bambus  in  den  Dickungen  des  tropischen  Urwaldes 
ftückentheil  der  Messer,  welche  die  Unterofficiere  führen, 

I  und  schön   sind   die   Unterofficierszimmer  sowie   die 
hebstbei    haben   die  Unterofficiere    eine   Messe    und    eine 
t-das  sich  wohl  mit  mancher   europäischen   Officiersmesse 
B  ließe.  In  der  Messe,  deren  Wände  mit  zahlreichen  Bildern 
■sehen  Emblemen  geschmückt  sind,  ist  schönes  Geschirr  und 
SGebrauche,  während  im  Casino,  einer  luftigen  Halle,  für  den 
p  durch  allerlei  Spiele,  für  die  Erquickung  der  Besucher  aber 
^  Büffet  vorgesorgt  ist.  an  welchem  ein  besonderer  Kantinen- 
I&nke  ausschenkt.  Die  Sanitätsofficiere  nehmen  Einfluss  darauf, 
r  Genuss  von   »slerken  drank»  (Liqueuren)   die  für  das  Klima 
snormalen  Grenzen  einhalte,  übermäßiger  Genuss  von  Spirituosen 

513 


ist  ja  hier  nicht  nur  an  und  für  sich  schädlich,  sondern  stört  auch  nÖJ 
insbesondere  den  AccÜmatisationsprocess,  welchen  jeder  Europäer  bei   ' 
längerem  Verweilen  auf  der  Insel  durchzumachen  hat. 

Auch  die  Mannschaft  der  europäischen  Compagnien  hal  eine 
ähnliche  Recreationshalle  wie  die  Unleroffi eiere. 

Eine  ganz  eigenthümliche  Einführung  ist,  dass  sämmtlichen  Sol- 
daten, Europäern  wie  Eingeborenen,  gestattet  ist,  in  der  Kaserne  Frauen 
bei  sich  zu  haben,  die  ihnen  als  Wäscherinnen,  Näherinnen  und  Ess- 
warenverkäuferinnen Dienste  leisten.  Auch  ins  Feld  Kcht,  wie  zur  Zeit 
der  deutschen  Landsknechte  im  15.  und  16.  Jahrhunderte,  der  ganze 
Troas  von  Weibern  mit.  Diese  werden  dann  sämmtlich  in  regelrechte 
Compagnien  zusammengestellt,  in  welchen  die  Frauen  der  Unter- 
offidere  das  Commando  führen,  während  ein  Officier,  wie  bei  Jen 
Landsknechten  der  »Weibel«,  mit  der  Aufsicht  über  das  ganze  Ama- 
zonencorps  betraut  ist.  In  den  Vormittagsstunden  werden,  wenn  Ji« 
Mannschaften  außerhalb  der  Kaserne  sind,  alle  diese  Damen  in  einem 
großen  Räume  vereinigt,  wo  sie  ihren  häuslichen  Verrichtungen  nach- 
kommen und  nebstbei  auch  für  ihre  ziemlich  zahlreiche  Nachkommen- 
schaft die  Mahlzeit  bereiten.  Hier  geht  es  dann  oft  recht  lebhaft  zu  iinJ 
mag  es  gar  nicht  leicht  sein,  diese  große  Anzahl  •  ärarischer  Damen- 
mindester  Kategorie  immer  im  Zaume  zu  halten.  Ich  besuchte  auch  das 
besagte  Zimmer,  in  dem  sich  eben  etwa  hundert  Weiber  befanden  unJ 
in  welchem  entsetzliche  Unordnung  herrschte.  Die  Frauen  der  Einge- 
borenen müssen  in  der  Nacht  unter  den  Pritschen  auf  nacktem  Boden 
schlafen.  Für  die  Kinder  sorgt  theilweise  die  Regierung,  da  die  meisten 
europäischen  Soldaten,  wenn  sie  nach  vollendeter  Dienstzeil  in  lüe 
Heimat  zurückkehren,  ihre  Familien  einfach  zurücklassen  und  dieselben 
sonst  dem  Elende  preisgegeben  wären. 

Beim  Besuche  der  Küchen  setzte  mich  die  im  Vergleiche  zu  der 
Verpflegung  unserer  .Soldaten  so  reichhaltige  Kost  der  Mannschaft  in 
Erstaunen,  Morgens  erhält  jeder  Mann  Kaffee,  sowie  Eier  und  Butter 
oder  Schinken:  um  II  Uhr  Suppe,  eine  sehr  große  Portion  Fleisch 
und  eine  ausgiebige  Ration  Gemüse;  um  4  LIhr  wieder  Fleisch  und  Reis. 

Nun  wurde  ich  noch  in  den  Turnsaal,  den  Schulsaal,  die  Werk- 
stätten und  Magazine  geführt.  Letztere  sind  zum  irnterschiede  von 
unseren  Magazinen  sehr  dürftig  ausgestattet  und  enthalten  bloß  «in 
ganz  geringes  Quantum  von  Vorräthen,  da  stets  alle  Lieferungen  sofort 
an  die  Truppen  ausgegeben  werden,  und  die  nöthige  Ergänzung  diwd 
durch  das  Haupt-Verpflegsmagazin  in  Batavia  geschieht. 


■  Obschon    die    niederländische    Regierunp    und    namentlich    das 

Kriegs-Departement  die  letzten  Jahre  her  eifrig  bemüht  waren,  die 
militärischen  Einrichtungen  zu  Verbessern  und  in  jeder  Beziehung  für 
das  Wohl  der  Armee  zu  sorgen,  so  bleibt  denn  doch  noch  viel  zu  thun 
übrig,  wie  dies  unter  anderem  auch  mancher  Misserfolg  im  Kriege  mit 
Atschin  auf  Sumatra  gezeigt  hat  Welche  Umstände  in  diesem  Kriege 
von  schier  endloser  Dauer  zu  Ungunsten  der  Niederländer  mitgespielt 
haben,  und  ob  hieraus  auf  ein  Zurücktreten  des  miÜtärischen  Geistes 
des  holländischen  \'olkes  vor  dessen  bedeutendem  Colonisationstalent 
und  dessen  hoch  entwickelten  commerziellen  Fähigkeiten  geschlossen 
werden  dürfe,  ist  wohl  schwer  zu  entscheiden. 

Dass  die  Niederländer  ihre  kriegerischen  Occupationen  in  Ost- 
indien durch  eine  angemessene  ColonialpoHtik  zu  fordern  verstehen, 
scheint  unzweifelhaft.  Die  Verwaltung  der  Colonien  ruft  den  Eindruck 
hervor,  als  sei  sie  eine  vortreffliche.  Überall  zeigt  sich  Wohlstand,  tritt 
bei  den  Europäern  sowohl  als  auch  bei  den  Eingeborenen  Zufriedenheit 
mit  der  Regierung  in  weit  höherem  Maße  zutage,  als  dies  in  anderen 
Colonialreichen  der  Fall  ist. 

Vom  menschlichen  Standpunkt  aus  betrachtet,  sind  mir  jedenfalls 
die  Holländer  auf  Java  als  gastfreundliche  und  gemüthUche  Leute 
erschienen,  die  mir  durch  offenes,  herzliches  Entgegenkommen  sowie 
dadurch  in  bestem  Angedenken  bleiben  werden,  dass  sie  ihre  Ein- 
richtungen und  Eigenschaften  nicht  überschätzen  —  ein  Vorzug,  dem 
man  nicht  überall  begegnet. 

Auf  dem  Bahnhofe  von  Buitenzorg  nahm  ich  vom  Generalgouver- 
neur und  von  allen  anderen  holländischen  Herren  Abschied,  um  nach 
Batavia  zurückzukehren,  wo  ich  von  un.serem  Consul  Fock  zum  Früh- 
stück geladen  war.  Frau  Fock,  eine  imposante  Erscheinung,  machte  in 
dem  sehr  nett  eingerichteten  Hause  in  liebenswürdigster  Weise  die 
Honneurs. 

So  manches  in  dem  Speisezimmer  brachte  uns  die  Heimat  in 
freudige  und  anheimelnde  Erinnerung.  Da  standen  die  Bilder  Ihrer 
Majestäten  des  Kaisers  und  der  Kaiserin;  der  Tisch  war  mit  Blumen 
und  Bändern  in  unseren  Farben  geschmückt;  selbst  die  Menüs  trugen 
Photographien  mit  Ansichten  aus  den  geliebten  Gebirgsländem  Öster- 
reichs und  aus  dem  schönen  Wien. 

Ein  E.Ktrazug  brachte  uns  nach  Tandjong  Priok,  wo  ich  mich 
wieder  an  Bord  der  -Elisabeth-  einschiffte.  Die  Handelsschitfe  im 
Hafen  hatten  bei  meinem  Eintreffen  Flaggengala  angelegt. 


Die  Herren  meiner  holländischen  Suite  besiciitigten  die  •Elisabeth 
eingehend,  deren  artilleristische  Armierung  und  sonstige  moderne  Ein- 
richtungen besonders  den  Obersten  Dö  Moulin  lebhaft  interessierte;  er 
ließ  sich  unter  anderem  die  sämmtlichen  Geschütze  bis  in  jedes 
Detail  demonstrieren. 

Endlich  verabschiedeten  wir  uns  auf  das  herzlichste  von  Jen 
Herren  der  holländischen  Suite;  die  Anker  wurden  gelichtet  und  unter 
den  Klängen  der  holländischen  Nationalhymne  verließen  wir  mit  Curs 
gegen  Australien  das  schöne  Java. 


Port  Kennedy  auf  Thursday  Island 

In  See  nach  Sydney. 


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trt  Kennedy  auf  Thursday  Island  —  In  See  nach  Sydney. 

In  See  nach  Von  Kennedy.  28.  April. 

Das  gewohnte  Bordleben  ist  wieder  in  seine  Rechte  getreten.  Eine 
sechzehn tägige  Fahrt  steht  uns  bis  Sydney  bevor.  Wir  beginnen  die 
lange  Muße  auszufüllen,  indem  wir  uns  der  Verpackung  und  Stauung 
der  von  der  Landexpedition  mitgebrachten  Gegenstände  und  der  Ver- 
vollständigung der  vernachlässigten  Tagebücher  widmen.  Jäger  und 
Diener  haben  eifrig  Hand  anzulegen,  um  alle  die  Schäden  wieder  gut 
zu  machen,  die  an  unseren  Gewehren  und  Jagdutensilien  infolge  der 
steten  Regengüsse  eingetreten  sind. 

Die  Regenzeit,  welche  heuer  in  diesen  Breiten  abnorm  lange 
dauert,  macht  sich  noch  sehr  fühlbar,  Häufig  genug  trübt  sich  der 
klare  Himmel  binnen  wenigen  Minuten  und  fegen  Gewitterböen  mit 
tropischen  Güssen  über  das  Schiff  hinweg. 

Gegen  2  Uhr  nachts  passierten  wir  die  Boompjes-Eilande ;  mittags 
Hatten  wir  backbord  die  Karimon  Djawa-Eilande,  steuerbord  die  sehr 
bergige  Küste  von  Java  mit  dem  Cap  Mandelika. 

Im  Laufe  des  Tages  zeigen  sich  einige  holländische  Segelschiffe, 
die  wahrscheinlich  Tandjong  Priok  zusteuern,  und  ganz  kleine  Fischer- 
boote, die  sich,  da  die  See  ruhig  ist,  sehr  weit  ins  Meer  hinauswagen 
und  in  der  Nacht  die  Navigation  erschweren,  weil  sie  keine  Lichter 
aussetzen  und  man  deshalb  oft  Gefahr  läuft,  eines  dieser  Boote,  dessen 
man  erst  im  letzten  Augenblicke  gewahr  wird,  zu  überrennen. 


Der  bei  der  Saujagd  in  Garut  erbeutete  Fnschling  gib!  dtd 
lautes  Schreien  seine  Existenz  kund,  und  eine  in  Java  eru'orbetie  jufl 
VVildltatze  erweist  sich  sehr  bösartig.  Leider  gehen  infolge  des  feuchl 
und  unbeständigen  Wetters  viele  der  Papageien  ein.  Dafür  erfreuend 
unsere  beiden  Affen  -Fips*  und  «Mucki',  die  auf  dem  Achterdeck  unltf- 
gebracht  sind,  durch  ihre  gute  Laune  und  ihre  heiteren  Spränge: 
namentlich  während  des  Diners  sind  sie  recht  possierlich  und  (reiben 
manchen  Schabernack. 

Von  der  Brücke  aus  beobachtete  ich  im  Laufe  des  Tag 
mehreremale  große  Züge  von  Fischen  —  eine  Art  Makrelen,  die,  v 
sie  wahrscheinlich  im  Laichen  begriffen  waren,  unablässig  aus  dd 
Wasser  sprangen;  Schwärme  von  Möven  begleiteten  die  ziehend 
Fische,  Häufig  wurde  ich  fliegender  Fische  gewahr,  deren  wir  z 
die  sogar  bis  in  die  Batterie  geflogen  waren,  fiengen. 


In  See  nach  Port  Kennedy,  2fl.  Api 

In  der  Nacht  gegen  1  Uhr  gieng  ein  starkes  Gewitter  nieie 
welches  durch  seine  heftigen  Donnerschläge  alle  Schläfer  weckte,  t 
der  Regen,  von  einer  frischen  Brise  gepeitscht,  durch  die  Lucken  in 
die  Räume  drang,  ertönte  das  Commando:  «Lücken  schließen-.  Gegen 
Morgen  lachte  blauer  Himmel  auf  uns  nieder  —  eine  Stunde  später 
sandte  er  aus  einem  Wolkenraeere  Regengüsse  herab.  Die  See  blieb 
bei  dieser  schwankenden  Witterung  stets  ruhig. 

Gegen  Mittag  befanden  wir  uns  in  der  Sapudi-Straße  zwisch 
Madura  und  der  Insel  Sapudi,  In  der  Ferne  erblickt  man  den  I290l| 
hohen  Vulcan  Baiuran  (Baloeran)  an  der  Ostküste  Javas,  im  Distrii 
Panarukan  der  Regentschaft  Besuki   gelegen;  diesem  Feuerberge  \ 
der  letzte  Gruß,  den  wir  Java  zusandten;  denn  nun  nahmen  wir  CuB 
gegen  die  Insel  Lombok. 

Während  der  Fahrt  wurden  in  hoher  See  viele  Schlangen 
bar;   zum   erstenmale  ersah  ich   auch   »Seeschlangen« ,   und  zwar  6 
meterlanges,  ganz  weißes  Exemplar,  sowie  ein  kleineres  schwarsU"* 
gelb  gestreiftes. 

Die  Aussicht  gegen  Lombok  und  die  westlich  von  diesem  geleg* 
Insel  Bali,  beide  zur  Timor-Gruppe  gehörig,  war  leider  durch  Dunst  W 
Wolken  getrübt;  doch  kamen  Bali  und  der  Berg  Agung  (Agoefl 
3200  m)  immerhin,  wenn  auch  nur  für  Momente,  zum  Vorschein,  Abcfl 
erfreute  uns  endlich  wieder  herrlicher  Mondschein,  so  dass  dw  E 


iberaus  wirkungsvoll  war,  als  wir  uns  der  Insel  Lombok  näherten.  Der 
/ulcan  Rindjani,  welcher  die  bedeutende  Höhe  von  3800  m  erreicht, 
iteigt  beinahe  senkrecht  aus  der  See  empor  und  gewährt  einen  impo- 
santen Anblick;  anfangs  war  seine  Spitze  durch  dichtes  Gewölk  ver- 
lüUt,  doch  plötzlich  theilte  sich  der  Schleier  und  vom  Monde  silberhell 
)eleuchtet  lag  der  Bergkoloss  vor  uns.  Da  wir  nur  wenige  Meilen  von 
1er  Küste  entfernt  fuhren,  so  konnte  man  die  Contouren  des  Berges 
;elbst  mit  unbewaffnetem  Auge  genau  wahrnehmen. 

Die  Inseln  Bali  und  Lombok  bilden  eine  selbständige  Resident- 
chaft.  Die  Pacificierung  Lomboks,  dessen  rohe,  zum  Theil  am  Brahma- 
lismus  hängende,  zum  Theil  mohammedanische  Bevölkerung  unter  der 
'ührung  des  Rädschas,  eines  Balinesen,  den  Holländern  großen  Wider- 
tand  leistet,  macht  bedeutenden  Aufwand  an  Geld  und  Truppen  seitens 
er  Niederländer  nothwendig.  Für  die  Hartnäckigkeit  des  Widerstandes 
eugt,  dass,  wie  uns  kurz  vor  der  Abfahrt  von  Java  berichtet  wurde, 
wenige  Tage  zuvor  auf  Lombok  ein  Gefecht  stattgefunden  hatte,  in 
.'clchem  ein  Officier  und  eine  Anzahl  Soldaten  der  Colonialtruppen 
efallen  sind,  während  auf  dem  bei  dieser  Action  betheiligten  Kanonen- 
oot  einer  der  Seeofficiere  schwere  Verwundungen  davongetragen  hat. 

In  .See  nach  Port  Kennedy,  30.  April. 

Noch  nachts  wurde  in  der  Hundswache  zwischen  den  Pater- 
oster -Inseln  und  der  Bank  Maria  Reigersbergen  Medang  passiert, 
lorgens  kam  die  unter  dem  Oberbefehl  des  Gouverneurs  \-on  Celebes 
tehende  Insel  Sumbawa  mit  dem  2756  m  hohen  Wilcane  Tambora  in 
•  icht.  Für  alle  diese  verhältnismäßig  kleinen  Inseln  sind  die  Berge 
liarakteristisch,  welche  sich  direct  aus  der  See  steil  emporheben  und 
u  bedeutenden  Höhen  aufragen.  So  viel  mit  dem  Fernglase  zu  unter- 
crheiden  war,  tragen  sie  auch  reiche,  tropische  Baumvegetation,  welche 
ie  und  da  von  lichteren,  wie  es  scheint  mit  Gras  bewachsenen  Stellen 
nterbrochen  ist. 

Gegen  Mittag  sahen  wir  noch  die  Insel  Sangeang,  die  eigentlich 
ur  aus  dem  Vulcane  (Gunung,  Goenoeng)  Api,  einem  1884;;/  hohen 
I^cgelberge  besteht,  dessen  letzte  starke  Eruption  im  Jahre  1820  statt- 
Cifunden  hat.  Späterhin  erschien  die  Insel  Flores,  deren  westlicher 
"heil  dem  Gouverneur  von  Celebes  untersteht,  während  das  übrige 
riselland  zur  Residentschaft  der  im  Obten  von  Sumba  liegenden  Insel 
"imor  gehört  —  und  nun  befanden  wir  uns  in  der  Flores-.See. 

521 


I^iim  ersitfr-n'-A'-e  !>eoi'ach:e;e  ich  mehrere  Fregattenvögel  'Tachy- 
}HMos  .■»qiir.u?\  \ve!chs  iirser  Schiff  umschwännten :  ich  schoss  auch 
oinijicniiitiL' :  vi^'ch  war  dit'  P:s;dr::  sine  zu  bedeutende,  als  dass  ich  mei.i 
^^itfl  onvich:  h-tb^:-.  würde. 

IVr  v»-.',  Rfi:vi'tS>er.  h^ilber,  die  wieder  rdedergegangsn  waren. 
h,wo  difr  \.io:;csd;?r;?:  heute  ir.  der  Batierie  =tartgefander_  Er.d:.i:b 
hellTs-  sich  di^r  H;--:r'.e;  .v^f  und  rl-er  du  \\"e"er  bis  zun  Aber.ce  cor- 
sl,v>:,  s,>  d,i##  vv-  «tcdsr  i--.r.~iZ   e  r.er:   herrliche::  >?:Trer.j.-:;rgi-;: 


:=r3ii:r 


n  Revolverschießen  ohne  jede  Übung,  die  Flaschen  häufig  fehlte.  Dem 
cheibenschießen  folgte  ein  sehr  heiteres  Matrosenfest  mit  den  ver- 
:hiedenartigsten  Spielen:  den  ersten  Theil  des  Festprogramms  bildete 
as  bekannte  Sacklaufen,  bei  welchem  Leute  in  Säcke  völlig  ein- 
snäht wurden  und  sich  die  komischesten  Stürze  und  Unfälle  ergaben ; 
ann  kam  ein  Tauziehen,  in  welchem  zumeist  die  riesenhaft  starken 
eizer  Sieger  blieben;  ferner  ein  Wettlauf  zwischen  paarweise  an  den 
üßen  aneinander  gefesselten  Matrosen.  Die  Hauptnummer  des  Pro- 
"amms  aber  bestand  aus  einem  Tauchen  nach  Geldstücken  in  einer 
eterhoch  mit  Wasser  gefüllten  Balje.  In  diese  wurde  ein  Dollar  ver- 
jnkt;  dann  band  man  den  Tauchern  die  Hände  auf  dem  Rücken 
jsammen,  worauf  die  Leute  den  Dollar  mit  dem  Munde  herausholen 
)llten.  Natürlich  gelang  dies  nur  nach  wiederholten  Versuchen.  So 
lanch er  versank  ganz  in  der  Balje  und  musste  herausgehoben  werden, 
ier  kam  nach  einiger  Zeit  ohne  Resultat  aus  dem  Wasser  her\-or,  was 
e  Zuseher  stets  mit  wahren  Lachsalven  begleiteten.  Die  L^nterofficiere 
theilten  ihren  Schützlingen  gute  Rathschläge.  Brachte  einer  der 
aucher  endlich  das  Geldstück  ans  Tageslicht,  so  wurde  er  von  den 
ameraden  mit  lautem  Jubel  empfangen.  Die  Leute  amüsierten  sich 
-ächtig,  und  wir  freuten  uns  der  L^nterhaltung,  welche  ihnen  dieses 
piel  gewährte.  Den  Beschluss  machte  noch  eine  sehr  schwierige 
t)ung,  nämlich  das  Erklettern  eines  ungefähr  5  m  langen  dicken  Taues, 
i-S  über  und  über  mit  Talg  beschmiert  und  daher  glatt  war  wie  die 
^ut  eines  Aales.  Viele  versuchten  vergebens  das  Kopfende  des  Taues 
i  erreichen;  meist  mussten  sie  schon  auf  halbem  Wege  wieder  von 
rem  Vorhaben  abstehen,  da  sie  die  Kraft  verlassen  hatte.  Man  sah, 
ie  die  Kletterer  sich  anstrengten  und  selbst  mit  den  Zähnen  nach- 
^Ifen;  doch  alle  Bemühung  blieb  vergeblich.  Da  trat  ein  kleiner 
'limächtiger  Mann  vor,  von  dem  alle  glaubten,  er  würde  nicht  2  ;;/ 
^porkommen;  allein,  behende  wie  ein  Affe,  hatte  er  mit  einigen 
Jcken  das  Tau  erklettert,  wofür  ihm  lauter  Beifall  und  ein  schöner 
'^is  zutheil  wurde.  Nachdem  noch  zwei  anderen  Matrosen  das  schwie- 
ge Kunststück  gelungen  war,  beschloss  ein  Tanz  der  Mannschaft 
ts  improvisierte  Maifest. 

Die  sinkende  Sonne  beleuchtete  den  Horizont  und  die  See  auf 
^s  intensivste;  zu  gleicher  Zeit  aber  wälzte  sich  von  weitem  schon 
Ti  schwerer  Regen  heran,  der  sich  über  uns  ergoss,  als  wir  eben 
A'ischen  6  und  7  Uhr  die  von  den  Inseln  Kanibing  und  Wetter 
ankierte  Wetterstraße  passierten. 

523 


In  See  nach  Port  Kennedy,  2.  Mai, 

Am  Morgen  sahen  wir  in  der  Ferne  die  Inseln  Timor  und  Kisser, 
erstere  steuerbord,  letztere  backbord.  Beim  Nordostende  von  Timor 
nördlich  vom  Eilande  (Nusa,  Noesa)  Besi  liefen  wir  in  die  Arafura-See 
ein,  südlich  der  Eilande  Letti,  Moa  und  Leilcor  steuernd.  Gegen  Mittag 
kam  noch  die  Insel  Sermata  in  Sicht;  dann  waren  wir  in  ganz  offener 
See  und  nahmen  direct  Curs  auf  die  den  Indischen  mit  dem  Stillen 
Ocean  verbindende  Torresstraße. 

Der  Tag  war  schön  und  klar.  Südlich  von  Sermata  stellte  sich 
leichter  Ostmonsun  ein,  welcher  allmählich  auffrischte,  doch  nie  die 
Stärke   4  der  Windscala  überschritt.  Die  See   war  nur  mäßig  bewegt. 

Während  des  Tages  fiel  nichts  Bemerkenswertes  vor;  das  Leben 
an  Bord  gieng  seinen  gewöhnlichen  Lauf.  Wir  beschäftigten  uns  haupt- 
sächlich mit  Leetüre  von  Reisewerken  und  Studium  von  Karten,  auf 
diese  Weise  unsere  Kenntnisse  über  Australien  bereichernd,  das  wir 
ja  demnächst  betreten  sollen. 

Manchmal  zogen  große  Möven,  Fregattenvögel,  sowie  kleine 
schwarze  Sturmvögel  vorbei.  Als  ich  auf  einen  sehr  hoch  über  dem 
Schiffe  streichenden  Fregattenvogel  geschossen  hatte,  ließ  derselbe, 
anscheinend  getroffen,  aus  dem  Schnabel  einen  fliegenden  Fisch  auf 
Deck  füllen,  der  alsbald  in  Spiritus  wanderte.  Im  Contre-Carre  fiengen 
die  (adelten  einen  fliegenden  Fisch  neuer  Art  mit  schönen,  intensiv 
schwarzgülb  gefärbten  Brustflossen,  welcher  durch  ein  Seitenlichl 
hereingellogen  war. 

.Abends  wieder  schöner  Mondschein. 


In   See  nach  Port  Kennedv,  4.  Mai. 

Der  heutige  Tag  ist  ein  trauriger  Gedenktag  für  mich  und  so 
schwieg  auch  die  Bordmusik,  die  uns  sonst  zweimal  des  Tages  durch 
ihre  heiteren  Weisen  erfreut. 

Am  Morgen  sahen  mehrere  Herren  eine  Strecke  der  See  mit  einer 
großen  Menge  gelber  Blüten  bedeckt,  die  wahrscheinlich  ein  Sturm  von 
der  australischen  Küste  hergewirbelt  hatte. 

Der  Abend  vereinigte  wie  gewöhnlich  die  Mitglieder  des  Stabes 
auf  dem  Eisendeck  und  auch  ich  gesellte  mich  zu  den  Herren.  Einige 
derselben  gaben  interessante  Erzählungen  von  ihren  weiten  Reisen 
zum  besten.  Die  lange  Seefahrt,  das  stete  Beisammensein  auf  dem 
Schiffe  bringt  einander  immer  näher;  das  kameradschaftliche  Leben 
befestigt  sich  und  bildet  die  einzige,  aber  willkommene  Erholung.  Hat 
man  das  Glück,  einen  so  angenehmen  Kreis  v^on  Officieren  um  sich  zu 
haben,  wie  jenen,  der  auf  der  »Elisabeth^<  eingeschifft  ist,  so  fühlt  man 
sich  bald  als  Mitglied  einer  großen  Familie,  die  Freud  und  Leid  theilt. 

Spät  abends  zwischen  10  und  11  Uhr  frischt  der  Wind  auf;  der 
Mond  blickt  klar  auf  uns  herab.  Diese  Zeit  bietet  die  angenehmsten 
Momente  des  ganzen  Tages,  und  auf  der  Brücke  stehend,  erquicken 
wir  dann,  die  erfrischende  Kühle  einathmend,  Leib  und  Seele. 

Port  Kennedy,  5.  Mai. 

In  einer  gewissen  Aufregung  eilte  ich  heute  morgens  zu  der 
Brücke  empor.  Erblickten  wir  ja  doch  um  die  achte  Stunde  einen 
neuen,  den  zuletzt  entdeckten  und,  wie  die  Wissenschaft  behauptet, 
den  allerältesten  Welttheil,  Australien.  Vorerst  blieb  uns  allerdings  der 
insulare  Continent  noch  verborgen;  dagegen  kam  uns  aber  ein,  wenn 
auch  kleines  Stück  Oceaniens  zu  Gesicht:  die  der  Xordspitze  des 
australischen  Festlandes,  dem  Cap  York  vorliegende  Prince  of  Wales- 
Insel  und  das  Booby  Island  mit  seinem  weithin  sichtbaren  Lcucht- 
thurme,  den  wir  von  Südwesten  anliefen,  um  in  den  Normanby-Sund 
zu  steuern. 

Allmählich  waren  die  Contouren  dieser  Inseln  bestimmter  hervor- 
getreten. Dann  tauchten  aus  der  blauen  See  immer  wieder  neue,  grüne 
Eilande  empor,  bis  wir  endlich  die  Einfahrt  zwischen  der  Goode-Insel 
und  PViday  Island  deutlich  wahrnehmen  konnten.  Nördlich  von  Goode 
Island  starrten  uns  die  traurigen  l -berrcste  eines  zugrunde  gegangenen 

523 


das  letztgenannte  Eiland  bildet,  tragen,  vielleicht  zum  Gedächtnisse 
der  Tage,  an  welchen  sie  entdeckt  wurden,  vorwiegend  Namen  der 
Wochentage;  so  finden  wir  von  Osten  her  in  rascher  Folge  die  Inseln: 
Tuesday,  Wednesday,  Thursday,  Friday. 

Port  Kennedy  bietet  uns  sofort  ein  Beispiel  für  den  echt  britisch- 
australischen Unternehmungsgeist  und  Eifer,  welcher  an  den  Küsten 
des  Continents,  dem  wir  uns  nähern,  in  überraschend  kurzer  Zeit  ver- 
hältnismäßig Bedeutendes  zu  schaffen  gewusst  hat. 

Im  Jahre  1878  ist  die  Ansiedelung  Somerset  von  Cap  York,  wo  sie 
sich  bis  dahin  befunden  hatte,  auf  die  Thursday-Insel  verlegt  worden. 
Vor  acht  Jahren,  wie  die  Segelhandbücher  besagen,  nur  fünf  Häuser 
zählend,  ist  Port  Kennedy  seither  zu  einem  ziemlich  ansehnlichen 
Gemeinwesen  emporgeblüht,  welches,  wie  der  Lotse  mit  Stolz  erzählte, 
ein  Regierungsgebäude,  fünf  Hotels  und  36  —  Billards  besitzt.  Diese 
lapidare  Statistik  des  alten  Seebären  sei  durch  die  Mittheilung  ergänzt, 
dass  gegenwärtig  auf  Thursday  Island  Fortilicationen  erbaut  werden: 
schon  erheben  sich  Militärbaracken  und  die  Grundfesten  eines  Forts. 
Dieses  ist  zwar  vorläufig  noch  mit  alten  Geschützen  bestückt;  aber 
schon  der  nächste  englische  Dampfer  soll  moderne  Kanonen  und  die 
zukünftige  Garnison,  30  Artilleristen,  hier  ans  Land*  setzen. 

Seine  rasche  Entvvickelung  verdankt  Port  Kennedy  einerseits  dem 
Umstände,  dass  die  Insel  den  die  Torresstraße  passierenden  Schiffen 
viel  bequemer  liegt  als  Cap  York;  andererseits  jenem,  dass  sie  den 
Mittelpunkt  der  in  diesem  Gebiete  sehr  bedeutenden  Perlmutterfischerei 
darstellt. 

Der  Hafen  wird  von  vielen  Dampfern  angelaufen,  theils  um  hier 
die  Kohlenvorräthe  zu  ergänzen,  theils  um  Passagiere  für  die  Linie 
Singapur — Hongkong  aufzunehmen. 

Der  erste,  der,  sobald  wir  Anker  geworfen  hatten,  an  Bord 
erschien,  war  der  britische  Resident  Mr.  Douglas,  ein  sehr  alter  Herr, 
welcher  den  größten  Theil  seines  Lebens  in  Australien  und  auf  Neu- 
Guinea  verbracht  hatte.  Wir  bestürnitcn  ihn  alsbald  mit  Fragen, 
wie  es  in  der  Umgebung  von  Port  Kennedy  mit  der  Jagd  aussähe 
und  wie  wir  Perlmuscheln  und  Korallen  zu  erwerben  vermöchten,  doch 
zeigte  er  sich  auf  diesem  Gebiete  gar  nicht  versiert  und  sprach  nur 
von  einem  Afternoon  tea,  den  er  mir  zu  Ehren  veranstalten  wolle.  .So 
beschloss  ich  denn,  am  Nachmittage  auf  eigene  Faust  eine  Expedition 
nach  der  Insel  Hörn  auszurüsten,  welche  auf  unserer  Karte  irriger- 
weise als  unbewohnt  bezeichnet  war. 


527 


'  '  ■■■  r.-ebracht.  Die  Unordnung  und  Bizarrerie 
.  nicht  im  entferntesten  an  das  Chaos  und 
j  solch  einer  Negrito- Ansiedelung  heran, 
ticilfn  last  gar  nicht,  ihr  einziger  Lebenserwerb  ist 
welcher  ihnen  merkwürdig  construierte  und  mit 
j^Kchmückle  Boote  als  Fahrzeuge  dienen.  Mit  diesen 
oft  viele  Meilen  weit  zwischen  den  Riffen  und 
TnrresstiaßL'  umher,  hauptsächlich  auf  den  Fang  von 
1  bedacht,  die  zur  Nachtzeit  die  Bänke  besuchen,  um 
legen. 
l,.dunkelfarbiijer  Kerl,  wie  es  schien  der  Häuptling  der 
uns  entgegen  und  unterhielt  sich  mit  uns  in 
giisch.  Wir  baten  ihn,  uns  eine  Stelle  zu  zeigen,  wo 
1  Wasserarm ,  der  sich  auf  hundert  Schritte  von  der 
in£og,  passieren  könnten;  er  zeigte  sich  bereit  und 
j  wurde  zunächst  der  Wasserarm  übersetzt,  worauf 
Kn  Linie  vertheilt,  in  das  Innere  der  Insel  eindrangen, 
l  freilich  leichter  vorwärts  zu  kommen,  jils  in  dem 
Iflde  von  Putu  Besar,  wo  wir  ja  auch  eine  ähnliche 
nternommen  hatten;  denn  der  Wald  der  Insel  Hom 
g  das  den  meisten  nördlichen  Territorien  des  austra- 
s  eigenthüniliche  Gepräge:  niedrigere,  weit  von  ein- 
r  Bäume  mit  starren,  lederartigen,  von  den  Achsen 
i  Blättern;  die  Bäume  selbst  unschön;  ihre  Stämme  des 
;hmuckes,  der  Lianen,  entbehrend;  die  Färbung  kein 
■ün,  sondern  graublau  oder  blaugrün;  wenige  Blüten;  der 
wuchernden  Unterwuchs,  mit  kümmerlicher  Humus- 
gelblichem Riedgrase  bedeckt  oder  kahl  und  sandig. 
Jiattenlnsigkeit,   leblose   Starrheit,    Einförmigkeit    in    Form 


:  Waldbäumen  bemerkte  ich  hier  namentlich  die  traurigen, 
[halmartigen  Casuarinen,  Myrtengewächse  und  Eucalypten. 
trübseligen  Charakter  dieses  Waldes  entsprach  hier  auch 
Kerwelt.  Säugethiere  fanden  wir  nicht,  Vögel  in  geringer  Anzahl. 
ptrnnde  beobachteten  wir  einige  Uferläufer;  weiterhin  Biencn- 
eine  Drongo-.\rt  CChibia  bracteata)  und  einige  kleine  Sänger. 
Ifreter  zweier  Spt^ciüs  IJL'len  uns  besonders  auf:  jene  der  einen 
;ahen  wie  kleine  Nashornvögel  aus,  gehörten  jedoch  in  die  für  Austra- 
iun  charakteristische,  überaus  formenreiche  Familie  der  Honigfresser 

529 


(Melipiiagidcn)   und  wurden  als   Philemon   argenticeps  bestimmt: 
Angehörigen   der  anderen  Species  waren   australische    Kiesenßsi^ 
oder  Jägertieste  (Dacelo  leachii),  welche  eine  Höhe  von  über  50n 
erreichen    und    zu  den   größten   aller  bekannten  Fischer  zählen.  '. 
australische  Kiesenfischcr  führt  auch  den  Namen  -Laughing  Jockasj- 
(lachender  Hans),  da  ihn   sein   lautes  Geschrei  im  Walde  schon  aus 
weiter  Ferne  verräth. 

Wir  waren  ungefähr  3  tm  in  das  Innere  der  Insel  vorgedrungen, 
der  schwarze  •Bürgermeister«  aber  sowie  ein  Jäger,  den  er  uns  im 
Verlaufe  der  Wanderung  als  Führer  beigesellt  hatte,  bereits  seit  einißcr 
Zeit  verschwunden,  als  unversehens  ein  Platzregen,  der  schon  längst 
drohend  am  Himmel  gestanden,  niedergieng  und  uns  in  wenigen 
Minuten  ganz  durchnässte.  Solche  plötzliche,  wolkenbruchartigc  Gübse 
hat  ein  Theil  Australiens  mit  sämmtlichen  Äquatorialgegenden  gemein- 
sam. Mit  einer  Heftigkeit,  die  wir  in  Europa  kaum  zu  ahnen  vermöjien, 
stürzt  das  Ungewitter  nieder  und  im  Nu  ist  alles  unter  Wasser;  überall 
bilden  sich  Bäche  und  Wasserläufe,  da  der  Boden  trotz  seiner  auBcr- 
ordentlichen  Durchlässigkeit  nicht  vermag,  so  ungeheuere,  jäh  nieder- 
fallende Wassermengen  aufzunehmen.  Nun  hieß  es  an  die  Rückkehr 
denken,  denn  es  war  schon  hoch  an  der  Zeit;  wir  wateten  also  an 
den  Strand  zurück,  wo  inzwischen  Mallinarich  eine  hübsche  Collection 
von  Muscheln  und  Kerbthieren  gesammelt  hatte. 

Auch  als  wir  uns  wieder  auf  unserem  Schiffe  befanden,  dauerte 
der  Regen  noch  immer  an.  so  dass  wir  nicht  einmal  wie  gewühniidi 
auf  dem  Achterdeckc  speisen  konnten.  Erst  gegen  10  Uhr  ließ  das 
Unwetter  nach,  und  mühsam  genug  brach  sich  der  Mond  Bahn  dutch 
die  dichten  Wolkenschichten. 


rj( 


Port  Kennedy. 
r  Resident,  welcher  doch  auch  zur  Bereicherung  meiner  S«t 


lung  von  Vogelbälgen  behildich  seip  wollte,  hatte  uns  für  den  heltl 
zum  Kuhleneinschiffen  auf  der  »Elisabeth«  bestimmten  Tag  eine  Fahrt 
an  das  australische  Festland  proponiert  und  hiezu  in  sehr  freundridiw 
Weise  den  Regierun gsdanipfer  -.Mbatross«,  eine  kleine  Yacht,  zur  Ver- 
fügimg  gestellt.  Beizeiten  holte  uns  der  Resident  selbst  mit  dem  genann- 
ten Dampfer  ab.  und  wir  traten  in  Begleitung  mehrerer  Herren  dicFahtl 
an,  die  sich  um  das  C'ap  York  herum  bis  in  die  Somerset  Bay  ausdehnen 
sollte.  Als  Gäste  nahmen  drei  Herren  an  dem  Ausflüge  theil:  ein  (W- 
zösischer  Missionär,  der  eben  aus  Ncu-Guinea  gekommen  war,  wo  O, 

530 


M 

Fahrt    ■ 


2ine  Erzähluntjen  bewiesen,  genaue  Kenntnis  des  Landes  und 
seiner  Leute  gewonnen  hatte;  ferner  der  Capitän  eines  englisclien 
Kriegsschiffes,  der  seinen  längeren  LTrlaub  dazu  benützte,  um  im  Nor- 
den des  australischen  Continentes  und  in  Neu-Guinea  Schmetterlinge  zu 
fangen,  endlich  ein  Botaniker,  dessen  Ausrüstung  aber  auf  nichts  weniger 
denn  auf  seine  friedlichen  Zwecke  hindeutete,  da  er  statt  der  gewöhn- 
lichen Berufsutensilien,  als  da  sind:  Botanisierbüchse,  Schaufeln  und 
dergleichen,  nur  eine  Menge  von  Kevolverpatrnnen  umgeschnallt  trug 
und  überhaupt  das  Aussehen  eines  echten  Squatters  hatte. 

Der  Morgen  war  schön,  nur  wehte  ein  ziemlich  frischer  Ost,  der 
unseren  etwas  altersschwachen  •  Albatmss-,  als  wir  nach  Passierung  der 
Nordküstu  von  Horn-Is!and  in  die  Flinders-Passage  gekommen  waren, 
derart  umherwarf,  dass  wir  nach  und  nach  beinahe  alle  von  dem  bösen 
Übel  der  Seekrankheit  befallen  wurden.  Überdies  war  uns  die  starke 
Strömung  entgegen,  so  dass  die  See  sehr  kurz  gieng,  was  ein  bedeu- 
tendes Stampfen  des  Schiffes  zur  Folge  hatte.  Nach  etwa  vierstündiger 
Fahrt  erst  liefen  wir  in  den  Albany-Pass  ein  und  giengen  gegenüber  der 
Insel  Albany  in  der  Somerset  Bay  vor  Anker. 

Für  die  etwas  stürmische  Fahrt  und  deren  bedauerliche  Folgen 
entschädigte  uns  zweierlei:  das  Bewusstsein,  nun  endlich  das  austra- 
lische Festland  zu  betreten,  und  die  schöne  landschaftliche  Scenerie 
der  Bai.  Auf  der  einen  Seite  erhebt  sich  die  Insel  Alhany,  auf  der  ande- 
ren Seite  das  Festland  mit  seinen  bewaldeten  Hügeln,  deren  einer  ein 
groÜes  Gebäude  trägt,  das,  weiDschimmernd  weithin  sichtbar  ist  und, 
von  den  grünen  Bäumen  des  Hintergrundes  sich  wirksam  abhebend,  die 
Bai  dominiert.  Die  Bai  von  Somerset  hätte  ursprünglich  das  werden 
sollen,  was  jetzt  Port  Kennedy  ist,  nämlich  Hafen-  und  Kohienslation 
für  die  Dampfer,  welche  die  Torresstraße  passieren,  doch  erwies  sich 
späterhin  der  Somerset-Hafen  als  minder  günstig  gelegen,  zu  klein  und 
zu  seicht,  so  dass  Thursday  gewählt  wurde. 

Wir  bestiegen  den  Hügel  und  betraten  das  schon  vom  Schiff 
aus  wahrgenommene  Gebäude.  Ursprünglich,  zu  der  Zeit  nämlich,  als 
Somerset  zum  Haupthafen  der  Torresstraße  ausersehen  war,  zum 
Sitze  der  Localbehörden  bestimmt,  dient  das  umfangreiche,  ringsum 
mit  Drahtzäunen  umgebene  Bauwerk  gegenwärtig  einem  reichen 
>Pächter«  und  den  .Seinen  als  Wohnhaus.  Ich  nenne  ihn  hier  .Pächter-; 
doch  konnten  wir  nicht  recht  feststellen,  wer  und  was  er  eigentlich  sei. 
Die  einen  nannten  ihn  einen  .Sportsman,  die  anderen  bezeichneten  ihn 
als  Squatter  und  betonten,  dass  er  große  Viehherden  besitze.  Den  Mann 


selbst   bekamen   wir  nicht  zu  Gesicht,  da  er,  wiewohl  v 

Besuche  im  vorhinein  verständigt,  es  vorgezogen  hatte,  den  Tag  aii6er 

Hause  zu  verbringen. 

Durch  das  Räthselhafte,  welches  über  der  Person  dieses  «Pächters« 
waltete,  neugierig  geworden,  befragten  wir  seine  beiden  Söhne,  welche 
uns  der  Resident  schon  an  Bord  des  -Albatross-  vorgestellt  hatte,  und 
die  Frau  des  geheimnisvollen  Mannes,  welche  uns  in  dem  Hause  aufs 
freundlichste  empfieng.  Diese,  Jardine  mit  Namen,  in  Farbe  und  Gesichts- 
bildung eine  typische  Südsee-Insulanerin,  steigerte  nur  unsere  Neugier, 
indem  sie  erklärte,  sie  sei  die  »Nichte  des  Königs  Malietoa  von  Samoa«. 
Die  beiden  Knaben  aber  berichteten,  ihr  Vater  sei  vormals  lange  Jahre 
hindurch  auf  dem  Meere  gewesen  und  habe  viele  Schiffe  besessen; 
jetzt  aber  habe  er  das  Seefahren  aufgegeben  und  nenne  nun  ungeheuere 
Viehherden  sein  eigen. 

Dieser  Hinweis  auf  den  früheren  Beruf  und  auf  den  Reichthum 
des  •Pächters";  derUmstand,  dass  dieser  unserem  Besuche  ausgewichen 
war;  die  Beziehungen  zu  Samoa  durch  seine  Verbindung  mit  einer 
Häuptüngstochter;  endlich  verschiedene  auffallendere  Schiffsbestand- 
theile,  die  wir  in  seinem  Hause  bemerkten:  alles  dies  zusammen- 
genommen wäre  geeignet  gewesen,  den  Glauben  zu  erwecken,  dass 
der  »Pächter"  vor  Zeiten  in  den  Gewässern  zwischen  Samoa  und  dem 
Korallenmeere  kühne  Schiffahrlsunternehmungen  bclrieben  habe.  Weil 
zurückliegende  Reminiscenzen  aus  Cooper  und  aus  Walter  Scoil. 
Gestalten  wie  "der  rothe  Freibeuter«  und  'der  Pirat-  tauchten  vor  mir 
auf;  ein  Eindruck,  der  aufs  neue  lebendig  wurde,  als  wir,  gegen  .AbenJ 
von  der  Jagd  zurückkehrend,  den   -Pächter«  in  einem  kleinen  Kutter 


Sobald  wir  den  Jungen  erklärt  hatten,  dass  wir  jagen  und  Vögel 
schießen  wollten,  führten  sie  uns  an  die  besten  Stellen,  machten  uns 
auf  Fährten  und  Scharrplätze  von  Känguruhs  aufmerksam,  zeigten  uns 
seltene  Blumen  und  andere  Pflanzen  —  alles  gleich  echten  Kindern 
des  Waldes.  Der  ältere  äußerte  schon  eine  bedeutende  Energie,  com- 
mandierte  und  traf  mit  Bestimmtheit  seine  Anordnungen;  der  kleinere 
war  ein  rechter  Schlingel,  der  uns  auf  die  Frage,  ob  er  diu  Schule 
besuche,  mit  einem  gewissen  Pathos  antwortete:  »Früher  pflegte  ich  in 
die  Schule  zu  gehen,  jetzt  aber  habe  ich  es  aufgegeben.-  Und  dabei 
war  er  erst  acht  Jahre  alt! 

Wir  trennten  uns  in  verschiedenen  Partien  zu  je  zwei  Herren  und 
ich  drang  mit  Regner  unter  Führung  des  älteren  Knaben  in  den  Wald, 
der  im  aligemeinen  ähnlichen  Charakter  trug  wie  jener,  den  ich  tags- 
zuvor  auf  Hörn  Island  besucht  hatte.  Nur  erschien  im  Waide  von 
Somerset  an  Stellen,  wo  mehr  Feuchtigkeit  v'orhanden  war  oder  kleine 
Bache  rieselten,  die  Vegetation  reicher,  üppiger;  ja  zuweilen  erinnerte 
sie  an  tropischen  Wald.  Da  fanden  sich  hohe,  schöne  Bäume,  dazwischen 
Palmen  und  farnailige  Kräuter;  selbst  Orchideen  und  rankende  Lianen 
fehlten  nicht.  Ich  erlegte  Exemplare  verschiedener  Arten  der  austra- 
lischen Vogelwelt,  doch  konnte  ich  leider  weder  Kakadus,  noch  Papa- 
geien zu  Gesicht  bejiommen.  Der  Tag  war  ziemlich  heiß;  brennend 
sandte  die  australische  Sonne  ihre  Strahlen  auf  uns  herab.  Endlich  kam 
ich  an  einen  größeren  Bach,  der  zu  meiner  Freude  einen  heimatlich 
klingenden  Namen:  Pola  River  trägt  und  ganz  dunkelbraunes,  eisen- 
haltiges Wasser,  gleich  jenem  unserer  Hochmoorbäche  führt.  Hier  war 
die  Vegetation  besonders  reich  zu  nennen  und  die  schönsten  bunt- 
farbigen Schmetterlinge,  darunter  manche  von  erstaunlicher  Größe, 
flatterten  umher. 

Am  Ufer  des  Pola  River  fortschreitend,  kam  ich  mit  VVurmbrand 
und  Clam  zusammen,  von  denen  letzterer  das  Waidmannsheil  gehabt 
hatte,  das  erste  Känguruh  zu  erlegen  —  ein  Zwergkänguruh  aus  der 
Gattung  der  Hasen  springen,  das  aber  immerhin  von  der  Nase  bis  zum 
Schwanzende  175>«  maß.  Der  kleine  Führer  der  beiden  Herren  hatte 
zwei  Haushunde  in  den  Wald  mitgenommen;  diese  gaben  plötzlich 
Laut,  worauf  das  Beutelthier  bei  Clam  in  voller  Flucht  vorbeikam,  so 
dass  er  es  mit  einem  Kugelschusse  strecken  konnte. 

Im  Schatten  der  hohen  Bäume  hielten  wir  einen  Augenblick  Rast, 
welche  Ramberg  benützte,  um  mehrere  photographische  Aufnahmen  zu 
machen.  Dann  gjeng's  wieder  quer  durch  den  Wald  und  an  mehreren 


Gräbern  von  Eingeborenen  vorbei  nach  Somerset  zurück,  wo  n-ir 
bereits  Prönay  und  Bourguignon  vorfanden.  Letzterem  war  ein  L'nfall 
zugestoßen,  welcher  leicht  von  den  übelsten  Folgen  hätte  begleitet 
sein  können.  Bourguignon  hatte  nämlich,  da  seine  Patronen  durch 
den  gestrigen  Regcnguss  feucht  geworden  waren,  mit  weißem  Pulver 
geladene  Patronen  Prönays  benützt,  denen  jedoch  das  Gewehr  nichi 
gewachsen  war.  Nach  einigen  Schüssen  platzte  die  Kammer  und  es 
bildete  sich  eine  Öffnung  von  mindestens  10  cnt  Länge,  wobei  das 
infolge  der  Explosion  wegspringende  Stück  des  Laufes  den  Schützen 
ziemlich  bedeutend  am  Arme  verletzte.  Hätte  Bourguignon  das  Gewehr 
in  etwas  geneigterer  Lage  gehalten,  so  wäre  eine  sehr  bedenkliche 
\'envundung  unvermeidlich  gewesen.  Er  war  nach  Somerset  zurüi;k- 
geeilt,  wo  die  Frau  des  «Pächters-  seine  Wunde  auf  das  beste  verband. 
Überhaupt  erfüllte  die  «Nichte  des  Königs  von  Samoa«  ihre 
Pflichten  als  Hausfrau  In  der  allerfreundlichsten  Weise;  denn  sie 
beschenkte  mich  mit  Orchideen  und  Citronen  aus  ihrem  Garten  und 
gestattete  uns  auch,  die  Wohnräume  des  Hauses  zu  besichtigen,  in 
welchem  alles  in  malerischer  Unordnung  und  vernachlässigt  durch- 
einanderlag;  nur  ein  wahres  Arsenal  von  Gewehren  und  Revolvern 
machte  hievon  eine  Ausnahme.  Diese  Waffen  waren  sämmtlich  in  vor- 
züglichem Stande,  doch  konnte  man  sehen,  dass  sie  häufig  in  Gebrauch 
genommen  worden  waren.  Darob  befragt,  erklärte  unsere  Wirtin,  die 
Gegend  von  Somerset  sei  in  früheren  Jahren  so  unsicher  gewesen, 
dass  die  Bewohner  der  .Ansiedelung  jeden  Augenblick  eines  Überfalles 
seitens  der  Eingeborenen  gewärtig  sein  und  stets  Waffen  zur  Hand 
haben  musslen.  Sogar  der  achtjährige  Schlingel  nannte  zwei  Gewehre 


dieses  Gebietes  im  Namen  der  Königin,  das  erstemal  die  britische 
Flagge  gehisst  worden  war.  Die  Matrosen  hatten  trotz  der  verhältnis- 
mäßig schnellen  Fahrt  eine  Schleppangel  ausgehängt;  plötzlich  hieß 
es  die  Maschine  stoppen,  ein  großer  Fisch  hatte  angebissen  und  mit 
vereinten  Kräften  zogen  der  Capitän  und  seine  Leute  einen  mehr  denn 
1  m  langen  Fisch  an  Bord,  der  in  seinem  Aussehen  an  einen  Thun- 
fisch erinnert  und  hierlands  King  fish  genannt  wird. 

An  Bord  der  »Elisabeth«  war  noch  alles  mit  dem  Einschiffen 
der  Kohle  beschäftigt,  was  in  Port  Kennedy  keine  Kleinigkeit  war; 
denn  sonderbarerweise  besitzt  dieser  Hafen  hiefür  weder  Lichterboote, 
noch  sonstige  praktische  Hilfsmittel.  Der  Commandant  war  sonach 
gezwungen  gewesen,  die  »Elisabeth^«  an  einen  kohlenführenden  Hulk, 
der  mitten  im  Hafen  verankert  war,  anzulegen  und  die  ganze  Kohle 
über  Deck  einzuschiffen  —  eine  langwierige  und  äußerst  schmutzige 
Arbeit.  Auch  war  das  Anlegen  an  das  altersschwache  und  bereits  ganz 
morsche  Kohlenschiff  bei  Seegang  und  Strömung  keine  Kleinigkeit; 
denn  ohne  die  allergrößte  Vorsicht  hätte  unser  Eisenkoloss  mit  seinen 
hinausragenden  Thürmen  die  Bordwand  des  Hulks  nur  allzuleicht 
unversehens  eindrücken  können. 

Port  Kennedv,  7.  Mai. 

Einer  der  Herren,  die  tagszuvor  ans  Land  gegangen  waren,  um 
die  Stadt  zu  besehen,  hatte  einen  Jagdkundigen  ausfindig  gemacht. 
Dieser,  wie  es  hieß,  der  beste  Jäger  von  Thursday  Island,  wollte  uns 
an  eine  gute  Stelle  führen,  wo  wir  reiche  Ausbeute  an  Flugwild  finden 
sollten.  Das  Ziel  unserer  Expedition,  die  früh  morgens  von  Bord 
abstieß,  war  diesmal  Prince  of  Wales  Island,  auf  welches  die  Dampf- 
barkassc  mit  Booten  im  Schlepptau  zusteuerte.  Wir  suchten  an  der 
Insel  einen  Anlegeplatz,  den  wir  endlich  in  einer  Bucht  fanden;  das 
Wasser  war  zwar  auf  eine  weite  Strecke  hin  sehr  seicht,  die  Barkasse 
musste  bald  stoppen,  aber  mit  Hilfe  des  kleinen  Jollbootes  und  der 
Putzjolle  konnten  wir  landen. 

Das  erste,  was  wir  da  fanden,  war  ein  verlassener  Lagerplatz 
der  Eingeborenen,  auf  welchem  Überreste  von  Fischen  und  Schild- 
kröten, zerbrochene  Flaschen  und  Feuerstellen  sichtbar  waren.  Unser 
Führer  berichtete,  dass  die  Wilden  hier  vor  wenigen  Monaten  ein 
großes  Fest  und  einen  Schmaus  abgehalten  hätten,  an  dem  auch  er 
theilgenommen  habe.  Das  Auffallendste  auf  diesem  Platze  war  aber 
das  Grab  eines  Häuptlings,  ein  Hügel,  weithin  kenntlich  durch  drei  in 

535 


einer  Reihe  siehende  abgestutzte,  gabelförmige  Baumstrünke,  deren 
Zahl  auf  einen  hohen  Rang  des  Todten  zu  deuten  schien;  denn  der- 
artige rudimentäre  Zierate  pflegen  in  diesem  Gebiete  von  den  Ein- 
geborenen nur  auf  Gräbern  angebracht  zu  werden,  welche  Leichen 
Vornehmer  bergen.  Der  Grabhügel,  den  wir  besichtigten,  war  sonder- 
barerweise mit  einer  Menge  von  Flaschen,  bunten  Glasstücken,  Blech- 
büchsen und  anderen  glänzenden  Gegenständen  bedeckt.  Offenbar 
leitet  die  Eingeborenen  das  Bestreben,  die  Grabstätten  ihrer  Vornehmen 
so  reich  als  möglich  auszuschmücken,  wozu  jeder  beliebige  Gegenstand 
verwendet  wird,  vorausgesetzt,  dass  er  bunt  oder  glänzend  ist. 

Unter  Führung  des  Jagdkundigen  drangen  wir,  in  gewohnter 
Weise  in  Linie  vertheilt,  in  den  Wald  ein,  der  sich  längs  einer  Hügel- 
kette hinzog.  Im  .Anfange  zeigten  sich  Vögel  verschiedener  .Arten. 
Ich  schoss  hier  eine  selten  schön  gefärbte  Papageitaube;  Prönay  eine 
enorm  große  Nachlschwalbe.  .Allmählich  jedoch  wurden  auch  die 
\'ertreter  der  Vogeiwelt  seltener  und  schließlich,  als  die  Bäume  siiA 
enger  ancinanderschlossen  und  wir  in  einer  hübschen,  von  einem  Bache 
durchrieselten  Thalschlucht  standen,   schien  die  Jagd  zu  Ende  zu  sein. 

Der  Jagdkundige  zeigte  sich  sehr  erstaunt  und  versprach  uns  zu 
einer  Lagune  zu  führen,  die  viel  Wasserwild  enthalte  und  uns  bessere 
Jagdgeiegenheit  bieten  werde,  weshalb  wir  eine  ziemlich  weite  Strecke 
in  der  angegebenen  Richtung  vorwärtsgiengen.  Einige  Riesenfischer 
flogen  schreiend  von  Baum  zu  Baum;  einer  der  Herren  sah  auch 
Kakadus.  Jeden  .Augenblick  versicherte  uns  der  Führer,  die  Lagune 
mit  dem  vielen  Wasserwilde  könne  nur  mehr  wenige  Schritte  entfernt 
sein,  bis  wir  endlich,  nach  einer  weiteren  halben  Stunde,  den  Mensehen 

gestand. 


Die  Ebbe  war  eingetreten;  da  diese  hier  ungemein  stark  ist,  fanden  wir 
die  Stelle,  an  welcher  wir  am  Morgen  gelandet  waren,  jetzt  durch  eine 
über  600  Schritte  lange  Strecke  tiefen  Schlammes  von  den  Wellen  der 
See  getrennt.  Unsere  Boote  lagen,  ein  trübseliger  Anblick,  schief  am 
Landungsplatze;  die  Barkasse  aber,  welche  der  Ebbe  weichend,  weiter 
ins  Meer  hinausgefahren  war,  erschien  nur  noch  als  ein  kleiner,  dunkler 
Punkt  am  Horizonte. 

So  beschlossen  wir,  uns  ins  Unvermeidliche  fügend,  das  Wieder- 
eintreten der  Flut  abzuwarten. 

Unsere  Matrosen  hatten  inzwischen  unter  einem  Mangrovebaum 
aus  Riemen  und  Sonnenplachen  ein  nettes  Zelt  construiert,  worin  wir 
während  der  heißesten  Stunden  Rast  hielten,  die  mitgebrachten  Mund- 
vorräthe  verzehrend.  Als  wahre  Landplage  erwiesen  sich  hier  die 
Myriaden  von  Fliegen,  die  uns  in  Schwärmen  nachzogen  und  jeden 
Versuch  zu  ruhen  oder  zu  schlafen  vollkommen  illusorisch  machten; 
mit  wahrem  Ingrimme  stürzten  sie  sich  auf  ihre  Opfer,  so  dass  wir 
uns  ihrer  unablässig  zu  erwehren  hatten. 

Späterhin  untersuchten  wir  das  Grab  des  Häuptlings.  Nur  mit 
Hirschfängern  und  Messern  versehen,  giengen  einige  Herren  daran, 
den  Hügel  zu  eröffnen,  in  dem  wir  Schmucksachen  oder  doch  wenig- 
stens den  Schädel  des  Todten  zu  finden  hofften.  Allein  weder  die 
ethnographische,  noch  die  anthropologische  Sammlung  an  Bord  der 
«Elisabeth»  erfuhr  durch  die  hier  angestellten  Ausgrabungen  irgend- 
welche Bereicherung;  denn,  als  die  vielen  Flaschen  und  C'onserven- 
büchsen  hinweggeräumt  waren  und  wir  nicht  ohne  Mühe  bis  zum  Innern 
des  Grabes  vorgedrungen  waren,  fanden  sich  nur  wenige  verkohlte 
Knochenüberreste  und  ein  großer  Stein,  welchen  wir  seines  Gewichtes 
ungeachtet  als  Andenken  mitnahmen. 

Da  die  Zeit  vorgerückt  war,  mussten  wir  endlich  doch  daran 
denken,  die  Barkasse  zu  erreichen.  Noch  immer  zeigten  sich  die 
ersehnten  Flutwellen  nicht,  obgleich  seit  unserer  Rückkehr  von  der 
Jagd  mehrere  Stunden  verflossen  waren.  So  blieb  denn  nichts  anderes 
übrig,  als  uns  der  Schuhe  zu  entledigen  und,  auf  die  Überfahrt  mit 
den  Booten  verzichtend,  den  Weg  zu  der  Barkasse  zu  Fuße  zurückzu- 
legen. Das  war  bei  der  zu  durchmessenden  bedeutenden  Distanz  kein 
leichtes  Beginnen;  wir  versanken  bei  jedem  Schritte  bis  über  die  Knie 
in  dem  tiefen  Schlamm  und  zerschnitten  uns  die  bloßen  Füße  an 
scharfen  Muscheln  und  Korallenstückchen.  Nach  geraumer  Zeit,  ganz 
durchnässt,  schmutzig  und  mit  blutenden  Füßen  erreichten  wir  endlich 

537 


Hut  auf  dem  struppigen  Haupte  und  dem  nie  fehlenden  Revolver  im 
Leibgurte ;  daneben  erscheinen  Austral-Neger,  Südsee-Insulaner,  Chi- 
nesen, Japaner,  sogar  Singhalesen. 

Hier  machte  ich  zum  erstenmale  unangenehme  Bekanntschaft  mit 
den  übertrieben  strengen  Vorschriften  der  englischen  Sonntagsfeier. 
Nach  unserer  Fußwanderung  durch  die  Straßen  Port  Kennedys  wollten 
Gratzl  und  ich  in  dem  ersten  Hotel  der  Stadt  eine  Erfrischung  zu  uns 
nehmen  und  bestellten  bei  der  Wirtin  eine  Flasche  Bier,  welche  wir  auf 
der  Hotelterrasse  leeren  wollten,  um  hier  zugleich  die  Aussicht  auf  den 
Hafen  zu  genießen.  Doch  sofort  erklärte  die  Wirtin  unser  Vorhaben,  auf 
der  Terrasse  Bier  zu  trinken,  für  undurchführbar,  weil  derlei,  wie  sie 
beifügte,  heute,  am  Sonntage,  öffentliches  Ärgernis  erregen  würde.  Sie 
könne  uns  im  besten  Falle  gestatten,  in  einem  abgeschlossenen  Raum 
alkoholisches  Getränk,  selbst  wenn  es  nur  Bier  sei,  zu  uns  zu  nehmen. 
Wohl  oder  übel  mussten  wir  uns  fügen  und  unser  Bier,  anstatt  im 
Freien  bei  kühler  Abendluft,  in  einem  heißen,  dunklen  Zimmer  trinken. 
So  sehr  ich  jeden  auf  religiösen  Gründen  beruhenden  Gebrauch  zu 
achten  gewqhnt  bin,  schien  mir  doch  diese  subtile  Rigorosität  zu 
weitgehend  und  ungereimt. 

Wir  kehrten  auch  der  kühlen  Blechstadt  mit  ihren  sonderbaren 
Bewohnern  bald  wieder  den  Rücken  und  eilten  an  Bord,  wohin  ich 
den  Residenten  zum  Speisen  geladen  hatte.  Beim  Diner  verschaffte  ich 
voraussichtlich  einem  unserer  vaterländischen  Artikel  ein  neues  Absatz- 
gebiet; der  Resident  war  nämlich  von  unserem  Gießhüblerwasser  so 
entzückt,  dass  er  betheuerte,  er  werde  unverzüglich  für  seinen  eigenen 
Bedarf  eine  Sendung  dieses  vortrefflichen  Säuerlings  bestellen. 

Abends  erschien  eine  aus  drei  Personen  bestehende  Deputation 
von  Perlmutterfischern,  um  mir  eine  Adresse  zu  überreichen  und  zu 
gleicher  Zeit  verschiedene  Gattungen  von  Perlmuscheln,  darunter  auch 
mehrere  mit  eingeschnittenen  Figuren,  darzubieten.  Das  Geschäft  der 
Perlmutterfischer  ist  hier  ein  sehr  rentables,  die  Leute  besitzen  eine 
ganze  Flotte  von  kleinen  Kuttern,  mit  welchen  sie  an  geeignete  Plätze 
fahren,  um  dort  aus  bedeutender  Tiefe  durch  Taucher  die  Muscheln 
heraufholen  zu  lassen.  Die  Muscheln  werden  dann  geputzt  und 
kommen  sofort  zur  Verpackung  und  Versendung.  Der  Preis  pro  Tonne 
Perlmuscheln  stellt  sich  jetzt  auf  1320  fl.  ö.  W.  Äußerst  selten  finden 
sich  hier  Perlen;  es  ist  eben  auch  nur  Perlmutter,  die  innere  .Schicht 
der  Schale  der  Perlmuschel,  welche  gewonnen  werden  soll.  Da  die 
seichten  Stellen  in  der  Umgebung  Thursday  Islands  schon  so  ziemlich 

539 


ausRefisohl  sind,  müssen  die  Taucher  in  bedeutende  Tiefen  bis  zu  30 
und  40  III  hinuntorgelien,  wobei  sich  sehr  viele  Unt^lücksfälle  ereignen: 
ja  iillmonutlich  sollen  deren  durchschnittlich  fünf  bis  sechs  mit  löj- 
Hcheni  AusRantic  vorkommen. 

Port  Kennedy.  8.  Mai. 

Die  Art  der  Kohlenverladung  war  eine  so  primitive  und  daher  zeit- 
raubende, dass  wir  am  Morgen,  obschon  ununterbrochen  und  mit  dem 
(;rölitcn  Kleiße  seiirbeitet  worden  war,  noch  immer  nicht  den  nöthigen 
Hcdarf  an  Bord  hatten  und  erst  gegen  Mittag  mit  dem  Verladen  fertig 
wurden.  Da  sich  um  diese  Zeit  die  Ebbe  und  starke  Gegenströmung 
fühlbar  machten  und  wir  nur  mehr  I  Fuß  Wasser  unter  dem  Kiele 
hatten,  so  hieU  os  noch  einen  Tag  warten,  bevor  die  Weiterreise  nach 
Sydney  angetreten  werden  konnte.  • 

Den  Wirmittag  verbrachte  ich  an  Bord  und  erlegte  vom  Eisen- 
lUvk  aus  einen  Seeadler,  --  ein  sehr  schönes  Exemplar  von  Haliaetus 
k'uoogastcr  -  der  auf  ein  im  Wasser  schwimmendes  Stück  Fleisch 
gestolSen  hatte. 

Nachmittags  stand  uns  die  Wahl  offen,  der  Jagd  zu  obliei;tf!i 
oder  nach  Korallen  und  Muscheln  zu  fischen. 

Ich  entschloss  mich  zu  letzterem  und  so  fuhren  der  t'ommandanl 
ULUi  ich  auf  ein  in  der  Karte  verzeichnetes  Rifl"  zwischen  Goode  Island 
und  Hammond  Uland,  während  die  anderen  Herren  auf  HammonJ 
Irland,  einer  bis  jelzt  von  uns  noch  nicht  betretenen  Insel,  landeten. 
uiu  d<'rl  /u  jagen.  Wir  versahen  uns  mit  allem,  was  zum  Fischen  der 
Ki'iallen  erforderlich  i;.t,  mit  Hauen.  Hämmern  und  Brechstangen,  und 


es  nach  der  anderen  Seite,  sich  allmählich  verflachend,  gegen  das  Land 
zu  verlief.  An  der  tiefen  Stelle  verankerten  wir  das  Boot  und  sprangen 
auf  das  Riff,  wo  uns  das  Wasser  nur  bis  zu  den  Knien  reichte. 

Wir  befanden  uns  hier  an  einem  der  für  den  Sammler  entzückend- 
sten Punkte,  die  ich  je  gesehen.  Obwohl  ich  zahlreiche  Abbildungen 
derartiger  Korallenriffe  in  der  Hand  gehabt  und  manche  Beschreibung 
derselben  gelesen  hatte,  fand  ich  meine  Erwartungen  hier  weit  über- 
troffen und  war  durch  das,  was  ich  hier  an  Ort  und  Stelle  in  Augen- 
schein nehmen  konnte,  auf  das  freudigste  überrascht.  Das  Korallenriff 
glich  einem  mit  Blumen  der  verschiedensten  Art  und  Farbe  gefüllten 
Gartenbeete,  hervorgezaubert  durch  eine  in  unfassbarer  Menge  und 
Mannigfaltigkeit  auftretende  Thierwelt.  Da  gab  es  zunächst  Korallen- 
stöcke, die  in  ihrem  vielfach  verästelten  Bau  an  Geweihe  erinnerten; 
armdicke  Stämme,  die  baumartiges  Gezweige  trugen;  fächerförmige 
Platten,  grosse  Klumpen,  die  trotz  ihres  groben  Aussehens  bei  näherer 
Betrachtung  eine  äußerst  zarte  und  feine  Gliederung  aufwiesen;  dann 
in  zahllosen  Arten  Schwämme,  Mollusken,  Holothurien  und  andere 
Thiere  niederer  Ordnung,  die  sich  alle  durch  bunte,  grelle,  intensiv 
leuchtende  Färbung  auszeichneten.  Kein  Maler  —  und  besäße  er  die 
Palette  eines  Makart  —  vermöchte  die  prismatischen  Farbeneffecte,  die 
schimmernde  Pracht,  den  Glanz,  die  Leuchtkraft,  die  unendliche  Scala 
der  Farbentöne  darzustellen,  mit  denen  diese  Kinder  der  See  so  herrlich 
geschmückt  sind. 

An  dem  grauen  Gerüst  einer  Madrepore  zum  Beispiele  hängen 
Hunderte  und  aber  Hunderte  von  Stachelhäutern  und  Weichthieren,  die 
in  den  feinsten  Nuancen  des  Regenbogens,  in  allen  Schattierungen  des 
Farbenspieles  erglänzen.  Zwischen  den  Sträuchern,  Vasen,  Kugeln, 
Ästen  jener  Polypenstöcke,  den  so  vielgestaltigen,  kalkigen  Skeletten 
der  Korallenthierchen,  erscheinen  allerlei  merkwürdige  Fischchen,  See- 
sterne, Krebse,  Schnecken,  und  selbst  in  den  Stöcken  der  Korallen  ist 
noch  allerlei  Gethier  verborgen  und  vergraben.  Und  hier  und  da  und 
dort;  über,  neben,  unter  einander;  an  hundert,  an  tausend  Stellen  des 
Korallenriffes:  immer  wieder  eine  überwältigende  Unzahl  organischer 
Wesen  —  ein  ungekanntes,  unfassbares  Schauspiel! 

Der  Commandant,  die  Matrosen  und  ich  wateten  unablässig  in 
dem  seichten  Wasser  über  Korallen  hinweg  und  bei  jedem  Schritt  ent- 
deckten wir  etwas  Neues,  das  ins  Boot  wanderte,  um  der  Sammlung 
an  Bord  einverleibt  zu  werden.  Wir  kamen  in  schieben  Eifer,  dass  nur 
das  allzuschnelle  Sinken  der  Sonne  uns  veranlasste,  an  die  Rückkehr 

541 


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artigen  Korallenriffe,  welches  sich  der  Ostküste  Australiens  parallel  etwa 
von  Cap  York  bis  zum  Sandy  Cap^  das  ist  vom  10.  bis  zum  25.  Grade 
südlicher  Breite,  hinzieht.  Dieses  Barrier  Reef  bildet  eine  beiläufig 
1200/;/«  lange,  nach  Osten  hin  scheitelrecht  ins  Meer  abfallende  Wand 
wider  die  Brandung  des  großen  Oceans  und  schließt  die  an  der  Küste 
gelegene,  durchschnittlich  etwa  30km  breite  Passage  gegen  den  Ost- 
wind vollkommen  ab,  so  dass  die  See  hier  fast  stets  ruhig  ist.  Dieser 
von  der  Natur  gebildete  (3anal  bietet  seichtes,  von  einzelnen  tiefen 
Strömungen  durchzogenes  Fahrwasser,  und  zahllose  Korallenfelsen, 
Klippenreihen,  Sandbänke,  Inselchen  engen  die  Passage  an  vielen 
Stellen  auf  das  äußerste  ein.  Auch  ist  die  Lothung  noch  nicht  überall 
vollkommen  durchgeführt  und  hinlänglich  verlässlich,  so  dass  vor 
kurzem  erst  ein  Dampfer  an  einer  nach  der  Seekarte  passierbaren 
Stelle  auf  einen  Felsen  auffuhr  und  mit  Verlust  zahlreicher  Menschen- 
leben sank.  Einzelne  Klippen  und  Untiefen  sind  zwar  mit  Baken  und 
Zeichen  besetzt;  immerhin  ist  aber  ununterbrochene  und  gespannte 
Aufmerksamkeit  erforderlich  und  bei  eintretender  Dunkelheit  der  Dienst 
eines  Lotsen  unentbehrlich,  weil  sowohl  die  in  den  Seekarten  als  auch 
die  in  den  Segelhandbüchern  enthaltenen  Daten  über  die  Strömungs- 
verhältnisse unzureichend  sind  und  die  Baken,  sowie  die  Zeichen  meist 
nur  aus  Stangen  mit  Körben  oder  aus  hölzernen  Pyramiden  mit  Röster- 
werk bestehen,  die  nachts  nicht  wahrgenommen  werden  können.  Der 
Commandant  entschloss  sich  zur  Fahrt  durch  die  Riffe,  der  Route 
folgend,  welche  von  manchen  Dampfern  eingeschlagen  wird.  Ich  wusste 
ihm  viel  Dank  dafür;  denn  diese  P'ahrt  ist  landschaftlich  weit  schöner 
und  interessanter  als  jene  in  offener  See,  wo  uns  außerdem  der  sehr 
frische  Südost-Monsun  tüchtig  umhergeschaukelt  hätte  und  wir  wahr- 
scheinlich den  größten  Theil  der  Reise  bei  steifem  Gegenwinde  gegen 
hohe  See  hätten  aufdampfen  müssen. 

Kaum  hatten  wir  die  Albany- Passage  hinter  uns  und  die  New- 
castle  Bay  erreicht,  so  frischte  der  Wind  bedeutend  auf,  ohne  sich 
jedoch  recht  entwickeln  zu  können,  so  dass  die  See  verhältnismäßig 
ruhig  blieb.  Im  Osten  stiegen  Gewitterwolken  auf,  die  sich  aber  bald 
verzogen  und  uns  ungestört  ließen. 

Die  in  Thursday  eingeschiffte  australische  Kohle  machte  sich 
durch  ihre  schlechte  Qualität  sehr  unangenehm  bemerkbar,  so  dass  das 
Schiff  unaufhörlich  in  einen  dichten  Qualm  gehüllt  und  am  Achterdecke, 
unserem  gewöhnlichen  Aufenthaltsorte,  ein  Verweilen  unmöglich  war; 
ja  selbst  in   alle  Cabinen  drang  Kohlenstaub   ein.  Dafür  wurden  wir 

543 


In  See  nach  Sydney,  10.  Mai. 

ii  Morgengrauen  wurde  der  Anker  gelichtet  und  die  Fahrt  fort- 
i  und  zwar  durch  die  Weymouth  Bay,  bis  wir  das  Cap  Wey- 
If-Und  die  Insel  Restoration  in  Sicht  bekamen. 

■ 

lese  war  vor  wenigen  Wochen  der  Schauplatz  eines  blutigen 
Ein  unternehmender  Fischer  hatte  sich  mit  30  Genossen  hier 
lelt  und  betrieb  sein  Geschäft  zwischen  den  umliegenden  Riffen, 
wurde  bei  Nacht  die  gesammte  Colonie  von  wilden  Ein- 
len  überfallen  und.  bis  auf  den  letzten  Mann  niedergemacht. 
Überfällen  sind  viele  der  abseits  hausenden  australischen 
[er,  namentlich  hier  in  Queensland,  ausgesetzt,  doch  üben  die 
nur  Repressalien  für  die  schonungslose  und  oft  grausame  Art, 
IfM"  sie  von  ihrem  Stammlande  verdrängt,  ja  einfach  ausgerottet 
«1.  So  sollen,  wie  behauptet  wird,  zu  Beginn  der  Colonisierung 
iiens  durch  Engländer  Eingeborene  durch  Brot  aus  dem  Wege 
kafft  worden  sein,  welches,  mit  Arsenik  versetzt,  den  Unglück- 
ais tödliche  Lockspeise  in  die  Nähe  ihrer  Behausungen  gelegt 
te.  Auch  andere  Greuel  und  allerlei  Grausamkeiten,  ja  wahre 
Ischenjagden  sollen  von  manchen  Europäern  im  Namen  der»Cultur<', 
'».Civilisation«  gegen  die  beklagenswerten  Ureinwohner  Australiens, 
ja  doch  nur  ihr  Leben  und  ihren  Besitz  vertheidigtcn,  verübt  worden 
1.  Jedenfalls  ist  die  eingeborene  Bevölkerung,  wenn  sie  uns  auch 
liger  romanhaft  und  heroisch  vor  Augen  steht,  als  die  Rothhäute 
•damerikas,  gleich  diesen  seitens  der  weißen  Eroberer  unzw^eifel- 
t  mit  barbarischer  Härte  behandelt  und  verdrängt  worden.  Die  Errich- 
g  neuer  »Stationen«  und  »Runs«  auf  Territorien,  welche  bis  dahin 
i  Eingeborenen  besiedelt  waren,  Vernichtungskriege  zwischen  den 
schiedenen,  aus  ihren  Jagdgründen  verdrängten  Stämmen,  Dämon 
Chol,  Krankheiten  und  anderes  mehr  haben  die  Zahl  der  Ein- 
orenen  in  West-  und  in  Süd-Australien  sowie  in  Queensland  auf 
'a  200.000  Individuen  herabgebracht. 

Das  nächste  Cap,  an  dem  wir  vorbeisteuerten,  war  Cap  Direction, 
sen  Gestalt  seinem  Namen  entspricht,  da  es  weit  vorspringend  in 
See   ragt  und   aus   bedeutender  Entfernung  ein   gutes  Directions- 
3Ct  bietet. 

Zu  beiden  Seiten  unseres  Fahrwassers  tauchten  wieder  zahlreiche 

sin  und  niedrige  Riffe  auf;  so  unmittelbar  nach  dem  Cap  Direction 

Rocky-  und  Chapman- Inseln,  die  Inseln  Night,  Binstead,   Lowrie, 

30 


Proviantschiff.  Wahrlich,  die  Männer  vom  Leuchtschiffe  haben  kein 
beneidenswertes  Schicksal,  bei  solchem  Anachoretenleben  müssen 
Geist  und  Seele  dieser  Verbannten  in  einen  Zustand  vollkommener 
Lethargie  verfallen. 

Wie  untertags  war  auch, bei  Nacht  die  Luft  von  besonderer 
Reinheit.  In  ungetrübter  Klarheit  leuchteten  die  Sterne  auf  uns  herab. 
Das  Kreuz  und  der  Stier  sind  die  einzigen  auffallenden  Sternbilder  des 
südlichen  Himmels.  Ein  alter  Bekannter  aus  dem  Norden  gibt  uns 
noch  immer  das  Geleite  —  der  Große  Bär,  welcher  knapp  am  Horizonte 
erscheint.  Eine  Eigenthümlichkeit  der  südlichen  Milchstraße  sind  die 
zahlreichen  Sternenlosen  und  daher  dunkel  erscheinenden  Flecken, 
welche  deren  weiße  Linie  unterbrechen.  Bei  der  Reinheit  der  Luft  konnte 
man  heute  mit  freiem  Auge  die  Sterne  unmittelbar  über  der  Kimm  aus 
dem  Meere  aufsteigen  sehen. 

Nach  wiederholten  Cursänderungen  erreichten  wir  die  Howick- 
Inseln,  die  sich  als  schwarze  Linien  am  Horizonte  projicierten.  Gegen 
1  Uhr  nachts  rieth  unser  Lotse,  vor  der  großen  Insel  Lizard  vor  Anker 
zu  gehen,  da  die  Passage  zwischen  dieser  und  den  Riffen  der  Eagle- 
Insel  in  der  Nacht  zu  schwierig  sein  würde.  Der  Commandant  entsprach 
diesem  Rathe  und  ließ  das  Schiff  verankern.  Der  Lotse  erwies  sich  als 
sehr  geschickt  und  zuverlässig  und  trotz  seiner  67  Jahre  stand  er 
Tag  und  Nacht  auf  der  Brücke,  seine  Befehle  gebend.  Vormals  war  er 
Capitän  auf  großen  Handelsdampfern  der  australischen  Marine  gewesen 
und  hatte  zumeist  die  Linien  nach  China  und  Japan  befahren.  Nun- 
mehr schien  er  das  Lotsengeschäft  einträglicher  zu  finden;  um  die 
> Elisabeth«  ja  nicht  zu  verfehlen,  hatte  er,  von  Sydney  kommend,  in 
Thursday  bereits  volle  sieben  Wochen  unsere  Ankunft  erwartet.  Seinen 
Reden  nach  hatte  ihn  der  lange  Aufenthalt  in  Thursday  nicht  gerade 
entzückt. 

In  See  nach  Svdnev%  11.  Mai. 

Lizard  Island  hat  ebenfalls  von  einem  Überfalle  Weißer  durch 
Eingeborene  zu  erzählen.  Vor  acht  Jahren  hatte  sich  ein  englischer 
Fischer  mit  Frau  und  Kind  und  einef  kleinen  Anzahl  Diener  auf  der 
ganz  unbewohnten  Insel  niedergelassen.  Als  einst  der  Mann  dem 
Fischfange  oblag,  überfielen  Eingeborene,  die  wahrscheinlich  vom 
Festlande  herübergerudert  waren,  die  Ansiedelung,  in  welcher  sich  die 
Frau  mit  den  Dienern  einige  Zeit  wacker  vertheidigte.  Endlich  flüchtete 
sich  die  Bedauernswerte  mit  ihrem  Kinde  und  einem  Diener  in  eines 

547 

35* 


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Wiederholt  sahen  wir  hohe  Rauchsäulen  zum  Himmel  aufsteigen, 
die  von  Waldbränden  herrühren,  welche  die  Eingeborenen  legen,  um 
des  vor  dem  Feuer  flüchtenden  Wildes,  besonders  der  Känguruhs, 
habhaft  werden  zu  können. 

Eine  Stunde  nach  Sonnenuntergang  wurde  bei  Cap  Grafton  der 
Curs  gewechselt  und  bei  den  Inseln  Fitzroy  und  Frankland  vorbei 
genommen,  bis  gegen  Mitternacht  die  Lichter  von  Johnstone  River  in 
Sicht  kamen. 

In  See  nach  Sydney,  12.  Mai. 

Bei  schönstem  Wetter  fuhren  wir.  stetig  weiter.  Früh  morgens 
passierten  wir  die  Palm-Inseln,  in  der  Halifax  Bay  späterhin  die  Insel 
Magnetic  und  das  mit  einem  Leuchtfeuer  geschmückte  Cap  Cleveland. 
Der  Mittagspunkt  lag  heute  östlich  von  Cap  Bowling.  Die  Küste  tritt 
nunmehr  zurück  und  nur  in  undeutlichen  Contouren  erscheinen  uns 
die  Berge  und  Hügelketten. 

Gegen  Sonnenuntergang  nähern  wir  uns  wieder  dem  Festland 
und  fahren  nahe  an  der  Insel  Gloucester  vorbei,  einem  ziemlich  großen, 
bergigen  Eilande,  das  uns  schon  in  der  Ferne  durch  seine  dichte  und 
reiche  Vegetation  aufgefallen  war;  näher  gekommen,  erkennen  wir 
einen  ganzen  Wald  der  schönen  Araucaria  Cunninghamii  und  Bidwillii, 
—  dieser  echt  queensländischen  Coniferen  —  die  mit  ihren  dunkel- 
grünen, weit  ausladenden  Ästen  die  Hänge  bedecken.  Mit  Freude 
begrüßen  wir  nach  langer  Zeit  das  erste  Nadelholz,  den  deutlichsten 
Beweis,  dass  wir  uns  immer  mehr  aus  der  tropischen  Region  ent- 
fernten. 

Noch  bei  genügender  Beleuchtung,  die  alles  in  violettem  Dunst 
erscheinen  lässt,  passieren  wir  die  landschaftlich  reizende  Whitsunday- 
Durchfahrt  mit  den  Inseln  Hook  und  Whitsunday.  Das  hell  strahlende 
Licht  eines  Leuchtschiffes  erleichtert  die  Navigation.  In  der  Nacht 
steuern  wir  an  den  Cumberland-Inseln  vorbei. 

In  See  nach  Sydney,  13.  Mai. 

Bei  sonst  ruhigem  Wetter  ist  die  See  bewegt,  so  dass  die  ?►  Elisa- 
beth-^« stampft.  Diese  Bewegung  scheint  der  Ausläufer  einer  hohen,  von 
Osten  kommenden  See  zu  sein.  Wir  sichten  die  Northumberland- 
und  Percy-Inseln,  sehr  steinige  Eilande,  welche  durch  die  steil  abfal- 
lenden Felsufer  und  die  spärliche  Vegetation  wieder  die  Erinnerung 

549 


Jedermann  beseelt  die  bald  nur  heimlich  genährte,  bald  laut  aus- 
gesprochene Hoffnung,  dass  unser  in  Sydney  lang  vermisste  Nach- 
richten aus  der  Heimat  harren  werden.  Ein  wahrer  Nachrichtenhunger 
hat  uns  befallen,  da  wir  in  der  letzten  Zeit  postalische  Entbehrung 
gelitten  hatten.  In  Indien  schon  war  eine  fällige  Post  ausgeblieben  und 
das  gleiche  Schicksal  war  uns  in  Singapur  und  in  Batavia  beschieden 
gewesen,  L'm  übrigens  keine  Correspondenzschuld  auf  uns  zu  laden, 
widmen  wir  uns  in  der  Voraussicht,  dass  wir  einem  reichhaltigen,  die 
Zeit  ausfüllenden  Programme  entgegengehen,  der  Vollendung  der  für 
die  Heimat  bestimmten  Briefe.  So  wollen  wir  den  Aufenlhalt  auf 
australischem  Festlande  mit  der  Absendung  von  Grüßen  nach  unserem 
lieben  alten  Continente  beginnen. 


Anhänge. 


Anhang  I. 


Das  Reisegefolge : 


Leo  Graf  Wurmbrand -Stuppach,  k.  u.  k.  Generalmajor,  k.  u.  k.  Käm- 
merer; Kammervorsteher. 

Julius  Prönay  von  Töt-Pröna  und  Blatnicza,  k.  u.  k.  Oberlieutenant 
des  Husaren-Regiments  Nr.  11,  k.  u.  k.  Kämmerer;  Dienstkäm- 
merer. 

Heinrich  Graf  Clam-Martinic,  k.  u.  k.  Oberlieutenant  in  der  Reserve 
des  Uhlanen-Regiments  Nr.  1,  k.  u.  k.  Kämmerer. 


Karl  Graf  Kinsky  zuWchinitz  und  Tettau,  k.  u.  k.  Legationssecretär, 
k.  u.  k.  Lieutenant  in  der  Reserve  des  Husarenregiments  Nr.  5, 
k.  u.  k.  Kämmerer.*) 

Franz  Stockinger,  k.  u.  k.  Generalconsul. *) 

Anton  Sanchez  de  la  Gerda,  k.  u.  k.  Linienschiffs-Lieutenant.**) 


Dr.  Ludwig  Lorenz  Ritter  von  Liburnau,  Custosadjunct  am  k.  k.  natur- 
historischen Hof-Museum.***) 
Eduard  Hodek,  Taxidermator. 

Die  Dienerschaft: 

Franz  Janaczek,  Leibjäger. 

Blasius  Paskoevic, 

Ludwig  Libra, 

Josef  Kammermai  er, 

Mahmud, 

Luigi  Bussatto,!      . 

D  •        A  r>    A      r  Koche. 
Raimund  Rada,  ) 


Diener. 


•)  Während  der  Reise  auf  Ceylon  und  in  Indien. 
*•)  Von  Jokohama  ab. 
•••)  Bis  zum  Beginne  der  Jagdexpedition  nach  Nepal. 


.);)o 


Anhang  II. 


S.  M.  Schiff  »Kaiserin  Elisabeth«. 


Der  Torpedo-Rammkreuzer  »Kaiserin  Elisabeth«  wurde  im  Con- 
structionsarsenale  der  Kriegs-Marine  in  Pola  aus  vorzüglichem  inlän- 
dischen Stahlmateriale  erbaut  und  am  25.  September  1890  vom  Stapel 
gelassen.  Das  Deplacement  dieses  Schiffes  beträgt  4064  Tonnen,  seine 
Länge  104  und  seine  Breite  15  Meter.  Die  beiden  Schiffsmaschinen 
indicieren  9000  Pferdekräfte,  die  Maximalgeschvvindigkeit  des  Schiffes 
ist  19*7  Seemeilen  stündlich.  Ein  gewölbtes  Panzerdeck  schließt  das 
Unterschiff  ab  und  schützt  dessen  vitale  Theile  gegen  das  Eindringen 
schwerer  feindlicher  Geschosse;  an  beiden  Bordseiten  sind  längs  der 
Maschinen-  und  Kesselanlagen  Zellen  angeordnet,  die  im  Vereine  mit 
jenen  des  Doppelbodens  und  der  sonstigen  Auftheilung  des  Schiffes 
ober  und  unter  dem  Panzerdecke  mehr  als  hundert  kleinere  Räume 
bilden,  durch  welche  Wassereinbrüche  localisiert  werden  können  und 
die  Schwimmfähigkeit  des  Schiffes  gehoben  wird. 

Die  beiden  35  Caliber  langen  24  Centimeter-Hauptgeschütze  sind 
vorne  und  achter  in  zwei  panzergeschützten  Thürmen  auf  Krupp'schen 
hydraulischen  Lafetten  gelagert.  Sie  feuern  en  barbette  mit  einem  großen 
Bestreichungswinkel,  der  sich  von  der  Kielrichtung  nach  den  beiden 
Bordseiten  erstreckt.  Diese  vorzüglichen  Geschütze,  deren  Rohrgewicht 
je  27  Tonnen  beträgt,  erreichen  bei  16°  Elevation  eine  Schussdistanz 
von  16  Kilometer. 

Sechs  lange  15  ('entimctcr-Geschütze  sind  in  stählernen  Erkern 
an  beiden  Seiten  des  Schiffes  derart  installiert,  dass  in  der  Kielrichtung 
nach  vorne  und  nach  achter  je  vier,  nach  jeder  Breitseite  je  drei  dieser 
Geschütze  in  Action  treten  können.  Elf  Schnellfeuergeschütze,  welche 
an  den  Bordwänden  und  in  den  Gefechtsmarsen  der  beiden  Militär- 
masten vertheilt  sind,  ferners  zwei  7  Centimeter-Uchatiusgeschütze,  für 
den  Boots-  und  Felddienst  bestimmt,  vervollständigen  die  artilleristische 
Armierung,  welche  noch  durch  6  Torpedo-Lancierkanonen  ergänzt  wird. 

557 


I*        /> 


^  M  I» 


K.  u.  k.  Seecadet  Alfons  Wünschek. 
»  Seecadet  Edmund  Bügel. 
->    »  Seecadet  Johann  Kitter  Gründorf  von  Zebegeny. 
Marinecaplan  Johann  Kuralt. 

*  »    >•  Linienschiffsarzt  Dr.  Arthur  Plumert. 
^    »    »  Fregattenarzt  Dr.  Jaroslav  Bern. 

*  *»    *  Maschinenbau-  und  Betriebs-Ingenieur  1.  Classe  Paul  Eyb. 
^    *    >•  Maschinist  2.  Classe  Josef  Zrzaveckj'. 

*  >    -  Maschinist  2.  Classe  August  Turina. 

V    •   >  Maschinenbau-  und  Betriebs-Ingenieur  2.  Classe  Hugo  Herr- 
mann. 

*  »    »  Maschinist  2.  Classe  Lucas  Modes. 

*  >•    >»  Maschinist  3.  Classe  Anton  Perkon. 
-    >    »  Maschinist  3.  Classe  Karl  Svvitak. 

>    >•    ^  Marine-Commissariats-Adjunct  2.  (-lasse  Karl  Pietzuk. 
Marine-Commissariats-Eleve  Anton  Gamisch. 


>         n»         >» 


K.  u.  k.  Linienschiffs-Lieutenant  Friedrich  Freiherr  von  Schleinitz, 
zugetheilt  Sr.  k.  u.  k.  Hoheit  Erzherzog  Leopold  Ferdinand. 

Mannschaft: 

Unterofficiere  und  Matrosen  386. 

Civilgruppe: 

Stewarts,  Diener,  Köche  etc.  21. 


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Anhang  lli. 


Reiseübersicht. 


Datum 

Von 

1 
Nach                   In 

Zurücltgeiegte 

Kilo- 
mclcr 

See- 
meilen 

1892 

l.YXil  bis  20  XII 

Tricat 

Port  Said 

_ 

_ 

1380 

20X]lbis21,'X[l 

- 

_ 

Port  Said 

_ 

_ 

2l,Xllbis2Q,Xll 

I'„rt  Sa.d 

Steumer  Poinl 

_ 

_ 

1356 

2Ö/XI[  bis  28,Xn 

- 

Steamcr  Point- 
Aden 

- 

- 

28X11  bis  3I,XII 

1S93 

Stcimcr 
Point 

r.ilr.mb.. 

- 

2120 

llbisS,! 

ri;l  bis  (i;l 

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_ 

6,1 

Colombo 

Kandy 

- 

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- 

71 

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- 

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7,tbis  12,1 

- 

_ 

Kalawcwa 

-. 

12,1 

Kuliiwciva 

Knndy 

- 

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12,'lbis  1.1,  [ 

- 

Kandy 

- 

13,1 

Knndy 

Colomhn 

_ 

119 

n,I  bis  14  1 

- 

- 

Colombo 

- 

1-1,1  bis  17  1 

Colombf. 

IJomhay 

!)00 

17  Ibis  2111 

- 

- 

tiombny 

- 

20.1  bis  21/1 

liombay 

Tandur 

092 

-^ 

21.1  bis  24,1 

- 

- 

Tandur 

24,1 

Tiindur 

Haidarabnd 

- 

135 

- 

24,1  bis  26,1 

- 

^ 

Ilaidnrabad 

_ 

_ 

26,1  bis  20, 1 

Kuidarabad 

(Sikandara- 

biLd) 

Cwalior 

1733 

~ 

29,1  bis  30,  [ 

- 

- 

Gwalior 

- 

_ 

30,1  bis  !/[[ 

ÜWQlior 

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1419 

- 

4433 

5745 

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378 

371 
41 

10 
11 

13 
23 


23 


Zurückgelegte 

Datum 

Naoh 

Entfernung 

on 

" 

Kilo- 

See- 

meter 

meilen 

S890 

S745 

26;lll  bis  27,111 

_ 

_ 

Sohela 

_ 

_ 

27/in  bis  29;iii 

Sohela 

CalcuHtt 

- 

1325 

- 

20;iri 

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Diamond  Hor- 
bour 

61 

- 

20U[bis  30,111 

- 

- 

Diamond  llur- 
bour 

- 

- 

30,111  bis  5/lV 

Diamond  Har- 

Pulu  Bcsar 

bour 

(           ~ 

- 

1019 

5,IVbis6,I\' 

Pulu  Besnr 

Singapur 

1 

6;IV  bis  7/lV 

- 

- 

Singapur 

- 

- 

7/lV 

Singapur 

Dschohor 

- 

25 

- 

7/lV 

Dachohor 

Singapur 

- 

25 

- 

a,lVbisB,IV 

- 

- 

Singapur 

- 

- 

li/IVbJs  11 /IV 

Singopur 

Tandjong- 
Priok 

- 

~ 

521 

1 1/lV 

TandjonB- 
Priok 

Batavio 

- 

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- 

ll,.1Vhis  12  IV 

- 

- 

Uatavia 

- 

- 

12,1V 

liulHVia 

iiuitenznrg 

Ott 

- 

12iVbis  Kl  IV 

- 

- 

ßuitcnznrg 

- 

- 

13/lV 

HuitcnzoiR 

Garut 

- 

rx.\ 

- 

la.iivbis  ir./iv 

Gurul 

- 

lö.lV 

Garul 

Tjiandjur 

138 

- 

ITi/IVbiB  17,1V 

- 

- 

Tjiandjur 

- 

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17,IV 

Tjiandjur 

Tjibeber 

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17,  IV 

Tjibcbcr 

Tanegenj! 

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- 

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28 

- 

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Sindang- 
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Tjipandak 

- 

20 

- 

lö.IV  bis2.i;iV 

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- 

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- 

24  IV 

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- 

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28 

- 

26,- IV 

TanKgeng 

Tjibcbcr 

47 

lOOOÖ 

788,-. 

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Inhalts -Verzeichnis  und  Verzeichnis 
der  Illustrationen,  der  Anhänge  sowie 

der  Karten. 


Inhalts  -Verzeichnis. 


Seite 

Triest  -Port  Said  —  Steamer  Point  —  Aden 1 

Abfahrt  von  Triest  '^;  in  See  nach  Port  Said  5;  Festzug  an  Bord  7; 
Ankunft  und  Empfang  in  Port  Said  9;  Jagd  auf  dem  Menzalch-See  10; 
Spaziergang  in  Port  Said  12;  Abfahrt  von  Port  Said  12;  in  See  nach  Steamer 
Point  12;  Fahrt  durch  den  Suez-Canal  12;  Fahrt  durch  das  Rothe  Meer  14; 
der  Lotse  Achmed  Ali  15;  in  offener  See  15;  VVeihnachtstag  17;  Ankunft  in 
Steamer  Point  20;  das  Gebiet  von  Aden  21;  Besuch  des  Residenten  22; 
Steamer  Point  22;  Besuch  beim  Residenten  23;  Aden  23;  die  Cistcrnen  24; 
Thürmc  des  Schweigens  24. 

Colombo  —  Kandy 27 

Abfahrt  von  Aden  29;  in  See  nach  Colombo  29;  Reisebibliothek  30; 
Sylvesterfeier  31 ;  Begegnung  mit  der  Corvette  »Fasana«  32;  Ankunft  und 
Empfang  in  Colombo  35;  Quecn's  House  37;  Fahrt  durch  die  Stadt  37; 
Besuch  des  Museums  38;  Ausflug  nach  Mount  Lavinia  40;  P'ahrt  nach 
Kandy  42;  Ankunft  und  P)mpfang  in  Kandy  43;  Deputation  einheimischer 
Edicn  44;  der  Zahn  Buddhas  45;  Garten  von  Peradenia  45;  Diner  im 
Government  House  46 ;  Perahera-Proccssion  46. 

Jagdlager  in  Kalawewa  —  Kandy —  Colombo 49 

Von  Kandy  nach  Kalawewa  51;  Buddha-Tempel  auf  dem  Felsen 
Dambul  52;  Teich  von  Kalawewa  54;  Jagdlager  55;  Elephanten-Jagd  50; 
Jagd  auf  Vögel  59;  Elephanten-Jagd  61;  große  Eidechse  61;  Elephanlen- 
Pürsche  (2  Elephanten)  63;  Jagd  auf  Wasserwild  und  Seeadler  67;  Büffel- 
jagd üS;  Tcufelstanz  68;  Rückkehr  nach  Kandy  69;  Factorei  Kawada- 
pella  7ü;  Nutzpflanzen  auf  Ceylon  70;  Diner  im  Pavillon  72;  feierliche 
Mes^e  72;  Morgenspazierfahrt  in  Kandy  72;  Rückkehr  nach  Colombo  73; 
Teufelstanz  und  verschiedene  Productionen  73. 

Bombay   75 

Abfahrt  von  Colombo  77;  in  See  nach  Bombay  77;  Adamsbrücke  77; 
Bombay  78;  Empfang  in  Bombay  82;  Fahrt  nach  dem  (iovernment 
House  82;  Bevölkerung  Bombays  83;  Government  House  85;  Diner  im 
Government  House  86;  Thürme  des  Schweigens  87;  Pindschrapol  88; 
Markthallen  CCrawford  Market;  88,  Hinduverbrennung  89;  Museum  91; 
S.  J.  Tellery  &  Co.  92;  Lunch  im  Yacht  Club  92;  Elephanta-Tempel  93; 

567 


Seite 

I>ardschiling 1 89 

Der  Himälaya  1 9 1 ;  die  Bergbahn  und  die  Route  Siliguri-Dardschiling  192 ; 
Sikkim  und  die  Leptschas  194;  die  Flora  195;  Theeplantagen  195; 
Dardschiling  196;  Besuch  des  Bazars  196;  tibetanischer  Tanz  197; 
Jagd  198;  Ausblick  auf  die  Berge  198;  Ausflug  nach  dem  Mount 
Sentschal  200;  Besuch  des  Bazars  200;  Abfahrt  von  Dardschiling  201. 

Benares 205 

Von  Dardschiling  nach  Benarcs  207 ;  Ankunft  in  Benares  Cantonment  208 ; 
Benäres  208;  Bootfahrt  auf  dem  Ganges  209;  steinerne  Freitreppen  (Chats) 
209;  Verbrennungsstätten  der  Hindus  210;  die  Moschee  Aurcngzebs  211; 
eine  Wanderung  die  Chats  entlang  211;  der  Manikarnikä-Brunnen  212;  in 
den  Straßen  von  Benares  212;  der  Brunnen  der  Erkenntnis  2 12;  der  Coldene 
Tempel  213;  der  Tempel  Annapurnas  213;  Cang  nach  dem  Bazar  214;  der 
Affen-Tempel  214;  Productionen  von  Schlangenbändigcrn  und  Taschen- 
spielern 215;  Besuch  des  Maharadschas  und  Cegenbesuch  215;  Abfahrt 
von  Benares  216. 

Agra-Bhartpur 217 

Der  erste  Eindruck  Agras  219;  der  Palast  des  Maharadschas  220;  Fahrt 
nach  Sikandra  220;  Lage  und  Cestaltung  Agras  220;  historische  Notizen 
220;  die  mogulische  Kaiserstraßc  222;  das  Crabmal  Akbars  222;  Besuch 
des  Bazars  224;  das  Fort  224;  Audienzsaal  Diwan-i-Am  225;  der  Fisch- 
weiher des  Moguls  225;  Audienzsaal  Diwan-i-Khas  226;  der  Thron  der 
Moguln  226;  Patschisi-Spiel  227;  Audienzerker  227;  Baderäume  im  Schisch 
Mahal  228;  Sommerwohnungen  228;  Hinrichtungskammer  228;  der  älteste 
Theil  des  Forts  228;  die  Pcrl-Moschce  229;  der  Tadsch  Mahal  230; 
bewaffneter  Spaziergang  233;  Fahrt  nach  Fatehpur  Sikri  234;  Jagd  vom 
Wagen  aus  234;  Fatehpur  Sikri  234;  Diwan-i-Am  235;  Haus  der 
Türkischen  Königin,  Haus  der  Christlichen  Frau,  Haus  der  Träume  235; 
Pcndsch  Mahal  und  Diwan-i-Khas  236;  Birbal-Palast  237;  die  Dargah  237; 
die  Moschee  237;  Siegespforte  Buland  Darwaza237;  Tauchersprünge  238; 
ornithologische  Ausbeute  238;  vonAgra  nach  Bhartpur238;  der  Maharadscha 
239;  Bhartpur  239;  Jagd  auf  Black-bucks,  Nilgaus  und  Wassenvild 
240;  Lunchcon  241;  Rückkehr  nach  Agra  243;  von  Agra  nach  Bhartpur 
243;  Jagd  vom  Eisenbahnzuge  aus  244;  Jagd  in  Bhartpur  245;  Rückkehr 
nach  Agra  246;  Bazar  im  Paläste  246;  Besichtigung  des  Tadsch  Mahal  246; 
Abfahrt  von  Agra  247. 

Dehli  —  Alwar 249 

Ankunft  in  Dehli  251 ;  die  Stadt  Dehli  251 ;  das  Fort  252;  die  Audienz- 
hallen, Diwan-i-Am  und  Diwan-i-Khas  und  Renovierungsarbeiten  daselbst 
252;  die  Perl-Moschee  253;  S.  J.  Tellery  &  Co.  254;  Moschee  Dschama 
Mesdschid  254;  Straße  Tschandni  Tschauk  255;  der  Bazar  255;  S.  J.  Tellery 
&  Co.  255;  Umgebung  Dehlis  256;  das  Crab  Humäyüns  256;  Kutab  Minar 
257;  das  Thor  der  Moschee  Kutab-el-Islam  258;  die  »Eisensäulec  258; 
das  Grabmal  Altamsch'  und  das  Mausoleum  Adham  Khans  258;  Jagd  in  der 
Umgebung  Dehlis  258;  Besichtigung  des  Gefangenhauses  259;  Museum  of 

569 


S«lta 

Nagdlager  in  Dakn«  Bägh 345 

TVon  A(!ra  lach  Dakna  Bägh  347;  das  JaeJUger  349;  Nepal  349; 
iTsrai-Gctiicl  353;  VerpOegungsstand  des  Lugers  3ö3;  Streiijagd  3ä4; 
£ut  3,'>4;  die  Hlcphanlcn  355;  die  Dschungel  und  Wildreichthum 
erjngd  (j Tiger)  357;  Gencral-shooling  360;  Tigeijagd  331  ;  Streif- 
;  Panther-  und  Tigerjagd  (2  Panther  und  ü  Tiger)  363;  General- 
g  (2  Panlher)  306. 
Igdlager  in  Barbatta  Töl  —  Deehta  Boli  —  Guleria  —  Beli  — Katnl  — 

[Bderia 371 

Abbruch  dt;^  Lagers  in  Dakna  Bügii  373 ;  Jagdlager  in  Barbolia  Tal  374; 
;crJHgd   (1  Tiger)  375;  Jagdlager  in  Dechta  Boli   375;  Slreiljagd   375; 
«erjagd   (1  Tiger)   375;    General -shooling   376;    Ansiedelung   der  Bin- 
nen 376;  schwieriges  Jagdterrain  370;  Hasen  377;  Slreiljagd  377; 
uer  Hodeks  373;  Jagdlager  in  Guleria  378;   Streirjagd  379;   Jagd- 
n  Bell  330;  StreiQagd  380;  Tigerjagd  (1  Tiger)  380;  Jagdlager  in 
J82;   Tigerjagd   (1  Tiger)  383;   Tigerjagd   (3  Tiger)  384;   General- 
is  386;   Tigerjagd   und   Gcneral-shQOling  387;  Tigerjagd   (1  Tiger) 
if  General-shooting  (HySnen)  389;  Tigerjagd  (1  Panther)  390;  General- 
iling  392;   Elephnntenrennen  392;  Jagdlagcr  in  Bhanderia  392;  Tiger- 
Hl  {I  Panlher)  1192 ;  Abschied  von  Nepal  394 ,  von  Bhanderia  nach  Sohela 
ftj  Slreiljagd  (l  Panther)  396;  Lager  in  Sohela  397. 

— Lucknau— -Calcutta — Diamond  Harbour — Pulu  Besar 399 

Von  Sohela  nach  Lucknau  401;  von  l.ucknau  nach  Caiculta  402; 
^kunll  in  Calcutla402;  Abschied  von  Generalconsul  Slockinger  402;  von 
ach  Diiimond  Harbour  403 ;  LinschiRung  auf  der  .Hli.sabeth.  403; 
Abschieds -Diner  und  Abschied  von  Graf  Kinsky  sowie  von  der  englischen 
(Suite  403;  dieSowär^i  404;  Abfahrt  von  Diamond  Harbuur  404;  Kijckblick 
n  Aufenthalt  in  Indien  405;  in  See  nach  Singapur  410;  malayische 
'Fischerboote  414;  Pulu  Besar  414. 

ir  — Dschohor 419 

Ankunft  in  Singapur  421;  Kmpfang  von  Besuchen 422;  der  Abgesandtt: 
s  Königs  von  Siam422;  Singapur 423;  die  Chinesen  und  Malayen  420; 
das  europilische  Viertel  426;  das  Raffl  es -Museum  427 ;  Government  House 
427;  Bungalows  427;  Dschin-Kickschas  42S;  Bungalow  des  belgischen 
Gene ralcon suis  428;  botanischer  Garten  428;  Thiergarten  429;  E'ark  und 
Palast  des  Sultans  von  Dschohor  429;  Chinesen- Vitrtel  430;  von  Singapur 
nach  Dschohor  430;  die  Stadt  Dschohor  431;  im  Palais  des  Sultans  431; 
der  Thronfolger  432;  Fahrt  mit  dem  Dampfboot  432;  Fiühstück  432;  das 
Reich  Dschohor  432;  Jagd  auf  Hirsche  und  Wildschweine  434;  Galu- 
üiner  435;  Besuch  einer  Spielbank  436;  ^Vnkauf  einer  ethnographischen 
Sammlung  430, 

Tati<(jong  Prioii  — BaUvia  — Buitenzorg  — Garul  — Tjiandjur 439 

Abfahrt  von  Singapur  441;  in  See  nach  Java  44 1 ;  Äquatortaufe  442 ; 
Ankunft  im  Hafen  Tandjong  Priok  447;  Feststellung  des  Programmes  447; 
Fahrt  nach  Batavia  448;  Atikunft  und  Empfang  in  Batavia  448;  Fahrt  in 


die  Stadt  448;  der  Saron;;  449;  unser  Absteigequartier  449;  Programm 
für  die  Jagdexpedition  in  das  Innere  Javas  450;  Cl)inescn  in  Batavia  451; 
das  Kasteel  452;  Krokodiljagd  452;  Diner  beim  Generalgouvcmcur  454; 
Rundfahrt  durch  Batavia  und  Vorstädte  455;  die  europäischen  Viertel  456; 
Waterloo-Plein  und  Konings-Piein  456;  Infanterie  und  Cavallerie  437: 
Chinesen-Viertel  457 ;  das  Haus  Pieler  Elberfelds  457 ;  Malayen- Viertel  458 : 
WelUusstellungspIatz  459;  die  javanischen  Ponies450;  das  Museum  460: 
von  Batavia  nach  Buitenzorg  463;  Buitenzorg  463;  Diner  und  ein  Wajang 
in  der  Residenz  des  Generalgouvemeurs  464;  Rundfahrt  durch  Buitenzorg 
465;  von  Buitenzorg  nach  Garut  466;  Flora  von  Java46T;  Aufenthalt  in 
Tjiandjur  467;  Aufenthalt  in  Bandung  468;  das  Thal  von  Garal  409; 
Empfang  in  Garut  469;  die  Regenten  470;  der  Pajung  470;  Wajang  und 
Tanz  des  Regenten  in  Garul  470;  Fahrt  zum  Fuße  des  Papandajan  471; 
begleitende  Escorten  472 ;  die  Javanen  472 ;  der  Gamelang  473 ;  Besteigung 
des  Papandajan  474;  Widderkampf  476;  ethnographische  Ankäufe  476; 
Wajang  Kulit  und  Tanz  des  Regenten  476;  Saujagd  476;  beim  Regenten  in 
Tjiandjur  479 ;  Hirschjagd  480. 

Jagdlager  in  Tjipandak  —  Buitenzorg  —  Batavia  —  Tandjong  Priok 4S5 

Jagdexpedition  nach  Tjipandak  487;  von  Tjibeber  nach  Tanggeng 
487;  von  Tanggeng  nach  Sindangbnrang  491 ;  von  Sindangbarang  nach 
Tjipandak  493 ;  Jagdlagcr  in  Tjipandak  494 ;  Jagd  auf  Banlengs  495 ;  Fisch- 
fang im  Tji  Pandak  499;  Bantcng-Jagd  und  Jagd  auf  Fedcru-ild  500; 
Erinnerung  an  die  Heimat  501 ;  Regen  502;  Pürschgang503;  Pfauenpursche 
und  Bantcng-Jagd  503;  Aufbruch  aus  dem  Jagdlager  504;  von  Tjipandak 
nachSindangbarung504;  vonSindongbarang  nach  Tanggeng  505;  vonTang- 
geng  nach  Tjibeber  und  Buitenzorg  507;  botanischer  Garten  in  Buitenzorg 
509;  Armee  und  Flotte  511;  die  Kaserne  in  Buitenzorg  512;  von  Buitenzorg 
nach  Batavia  und  Tandjong  Priok  515;  Abfahrt  von  Tandjong  Priok  516. 

Port  Kennedy  auf  Thursday  Island  —  In  See  nach  Sydney 517 

In   See   nach   Port   Ktnnedy  519;    der    I.    Mai    522;    Maileier   522; 


Verzeichnis  der  Illustrationen. 

Seite 

S.  M.  Schiff  »Kaiserin  Elisabeth«,  den  Hafen  von  Tricst  verlassend. 3 

Steamer  Point 25 

Kine  Partie  aus  dem  botanischen  Garten  von  Peradenia 29 

Kine  Singhalesen-Ansiedelung 47 

Der  Teich  von  Kalawewa 51 

Der  erste  erlegte  Elephant    74 

Der  Kclsentempel  auf  der  Insel  Elephanta 77 

Die  Thürme  des  Schweigens 102 

Das  Jagdlager  in  Tandur 105 

Auf  der  Suche  nach  Tigern 114 

Eine  StraÜe  in  Haidarabad 117 

Kitt  auf  Elephanten  durch  Haidarabad 141 

Das  Kort  von  üwalior 145 

F^clief  aus  Gwalior,  Schiwa  und  dessen  Gattin  Parwati  darstellend 160 

Der  Hugli  bei  Calcutta 1G3 

Ein  indisches  Musikinstrument  (Alabu-Vina) 187 

Die  Bergbahn  nach  Dardschiling 191 

Der  Kantschindschinga 203 

Eine  Partie  der  Ghats  in  Benares 207 

Das  Kuh-(jhat  in  Benares   216 

Das  Fort  von  Agra 219 

Der  Tadsch  Mahal 247 

Das  Grabmal  I  lumavüns 251 

Das  Mausoleum  Adam  Khans 269 

Aufbruch  zur  Tigerjagd 273 

Der  erste  erlegte  Tiger 293 

Das  F'ort  von  Dschodpur 297 

Eine  Straße  in  Dschodpur 32 1 

Ein  Platz  in  Dschaipur 325 

Ein  Kampf  zwischen  Büffelstieren 344 

Die  Jagdelephanten  in  Nepal 347 

Das  Jagdlager  in  Dakna  Bagh   369 

Das  Jagdlager  in  Barbatta  Tal 373 

P73 


Badende  Elephantcn 

Eine  Partie  des  Urwaldes  auf  Pulu  Besar.  . 

Kin  mnlayisches  Fischerboot  (Prau) 

Die  malayische  Ansiedelung  in  Singapur. . 

Früchte  der  Tropen 

Das  Chinesen -Viertel  in  ßatovia 

Kine  Brüeke  auf  Java 

Im  Dschungel  von  Tjipnndak 

Jagdlajjer  in  Tjipanduk 

Port  Kennedy  auf  Thursday  Island 

Auf  der  Jagd  in  Sommcr-.et 


Anhänge. 


Anhang  I.  Das  HeisegefolRC  und  die  Dienerschaft.  . 

Anhang  II.  S.  M.  SehifT  .Kaiserin  Elisabeth. 

Anhang  111.  Reiscühersichl 


Karten. 


Übersichlskarlc  für  die  Koisü  von  Triest  bis  Jokuhar 
Spccialliarlc  fl'ir  die  Keise  in  Indien. 
Speeialknrte  Tür  die  Heise  in  Java. 


3  tlOS   013  ÄiJS™ 


Stanford  UniTersity  Libraries 
Stanford,  California 


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