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Full text of "Theodor Fontane's Briefe an seine familie .."

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tE^. 5ontanc'$ Briefe an feine 5amüie 



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tEI|co6or 5ontanc un6 feine JLo6)Ux 
flrnsöorf im Ricfcngcbirgc 1886 



tC^eoöor 5ontane's 

Briefe <xn feine ^amiltc 

3tDetter Banö 

mit ehtem Bilbnis von tü\tobot Soutane unb feiner (Coc^ter 
Dritte aufläge 




Berlin 
5. Sontanc & Co., 

1905 / 

/ 



FTis^ 



U3 

"2. 



befonbers bas ber Überfe^ung 
oorbe^alten 

Ab^rudt einsetiter Briefe nur mit (Benc^miguns 
6er Perlogs^anöluns 



pfcKCffdic Qofbttdtftrudierd Steplian Oelbei & Co. in auenburg. 



Itriffe 110 ^n |i|m 1882 ml 1883. 

3tt bcr ctitfod^cn fftt^dm&^xoittit bc8 SeBcttS, ba8 g^otttattc in 
feinem 3lltcr fü^xtCf unb in bcr 3ltt feiner a^ifd^cn fritifd^cr SBe* 
tftttgun(t, gefd^id^iltd^en ©tubien unb btd^terifd^en @d§ö^fun$en c^e« 
teilten ?(rbctt l^abcn fld5 in bent Settabfdftnitt, bcm bic nodöfleljcnbcn 
SBriefc ontjel^ören, toefcntli4c SScrftnbcruncjen nid^t t)oIIgoacn. 3)od§ 
finb (jcrabe bic Sa^rc 1882 unb 1883, in bcncn er t)iclfad& burd^ 
Äranfl^ctt l^cintflefud^t tourbe, für ilftn toenigcr ergiebig getocfcn, al8 
hie torangegangenen unb folgenben Solare. 3m Saläre 1882 toH* 
enbete er bie !flot)eIIe ^©djod^ ton SQßutl^cnoh)*, im Sa^rc 1883 
ben 9lomon »(SJrof !Pctöf^*. 3m le^tgcnannten Sa^tc tourbc 
oudö bcr erfle@nttourf p bcm 9lomon »3trungcn SBirrungcn* 
aufgcftellt unb bie literaturgefd^id^tlid^c 6tubic fiBer »^l^riftian 
gfricbrid^ ©d^crenberg unb bo3 litcrorifd^c ^Berlin ton 
•1840-1860' begonnen. 

176) X^aU, h. 20. Sunl 1882. 

aWeine liebe 3Rete. 
aWanta f(${(ft 3){t ixoax mdm Srtefe, t($ mU aber 
au($ 'mal bitelt f($teibett unb 3)tt au^fpted&en, ba§ t($ 
alle 3)e{ne Sriefe mit listen ©d^tlbetungen unb a3etra($=^ 
tungen mit SBetgnügen gelefen l^abe. B^fil^^^ä^ ^^^ ^^ 
SDit t)on meinem neuefien ©rlebnig, meinet gefWgen ^^^ 
reife na($ ©uberobe etjcil^Ien. 3d^ gel^e nömlid^ jefet t)iel, 
um meine gefd^moffenen güfee butd^ aßatfd^ferfttnfle mieber 
bünn ju Wegen, ein — ba fonfl gefd^mollene ^ü^e 
butd^ älarfd^ieren nur nod^ gefd^mollenet merben — ab^ 

X^.^^ont'anei »riefe an feine gfamilte. II. ; 1 



2 tKlj. ^rontcmzfi ^Briefe an r^e «iFamtlle. 

fölut geniales 3Setfal^tett, baS in feinem ©ebanfenblife unb 
feinet Äül^nl^ett butd^auS an ^anctitiuS*) erinnert. 

3;d^ ging alfo nad^ ©uberobe, baS id^ fd^Dn vox rier, 
fünf 2^agen auf einer f^al^rt, bie id^ mit Senator Srel^mer 
aus ßübedf mad^te, ftüd^tig fennen gelernt l^atte. SEBaS 
id^ aber bei ber ©elegenl^eit gefeiten l^atte, fonnte bas 
eigentlid^e ©uberobe nid^t fein; alleS l^atte ju fd^mubblig 
unb JU profaifd^ auf mid^ gewirft. Qn Sffial^Iftatt l^ei^t 
baS erfte ^otel „S)ie bredKge @nte"; biefen S:itel burfte, 
nad^ meinem erften 33efu^ ju fd^Iiefeen, in ©uber^be 
jebeS ^auS fül^ren. 3^ muffte brum alfx) red^erd^ieren 
unb in ©rfal^rung bringen, ob eS jn)ei ©uberobeS gäbe, 
ein gemafd^eneS unb ein ungemafd^eneS. 

3;d^ ging über SReinftebt, wd ^^ilipp unb 3Äarie 
V. SRatl^ufiuS begraben liegen, SWarie v. SRatl^ufiuS, bie 
bie SBelt mit üielen frommen ©rjäl^Iungen unb einem 
einjigen ÄreujjeitungS=5iebafteur bef d^enft l^at. 2ln lefeterem 
ift mieber baS baS Sefte unb ^ntereffantefte, bafe er bie 
l^übfd^e ©rjiel^erin feiner Äinber aus erfter @l^e gel^eiratet 
l^at. ©igentlid^ foll fie i^n gel^eiratet l^aben. 

„aWöd^teft SDu mol^I, ängelifa (natürlid^), bie ©teffe 
bei ^erm v. SRatl^ufiuS annel^men?" 

„2Bie ift er benn?" 

„Bo unb fo." 

„D gemife, ben merb' id^ l^eiraten." Unb in rier 
2Bo(^en mar fie mit il^m mxlobt 

Sinter SReinftebt beginnt eine lange ßl^auffee, neben^ 
l^er aber, quer burd^ bie %tÜ)n, läuft ein reijenber 2Beg. 

f,3ft biefe 6l^auf[ee ber Sffieg nad^ ©uberobe?" 

„3a. 2lber ©ie gelten beffer l^ier ben gelbmeg." 



*) @el^. ©anität^rat Dr. ?Pancxitiu8, ber bamaltgc $au8s 
arat ber fjfamiüc. 



1882. 3 

3d^ n)ie^ auf einen l^ol^en wetzen ^ßreffftetn, auf bem 
in SRiefenbud^ftaBen ftanb ,,aSetbi)tenet 2Beg''. 

SDie ^au ladete. „3fa, ja. aSetbotener SBBeg. 2lbet 
bat i^ nid^ fo fd^Iimm. ©eil^n ©e man." 

Smmer wieber 6t)a. 3fd^ ging alfo lo^, Äomfelber 
unb 3Jtof)n jur ©eite unb bal^inter bie aSotbetge be^ 
§arje^ mit il^ren Surgtuinen. ©nblid^ roax id^ l^etan, 
unb ©uberobe lag mit terraffenförmig jur ßinfen, db^x 
fi), baj5 id^ nur bie ©d^malfeiten ber Raufet fal^. SDrei 
^parallelmege liefen auf ba^ SDorf ju, unb id^ fragte, 
weld^en id^ einf dalagen füllte? „SDat'^ aH een. S)e irfl 
geilet innt Unner^SDörp, un be tmeet innt Dt)ersS)örp unb be 
britt geilet to aWid^aeliffen. ©eil^n ©e man to 3Äid^aeliffen." 
3d^ raupte nid^t, mer aWid^aeli^ mar, aber e^ fonnte nid^t^ 
©d^limme^ fein; benn ber SBBeg, ber l^infü^rte, mar ber 
^eben unb bie Unfd^ulb felbft. 2lm 2lnfang lag ber 
Segräbni^plafe unb baneben meibete eine ^erbe; vkk 
fd^morje Sämmer, aber bod^ nur fo, bafe ba^ ®ute vox^ 
mog. SDurd^ ^eb^of unb §erbe mufete id^ mitten l^in^ 
burd^, roa^ mir beibe^ glei(^ milHommen mar. 3d^ la^ 
bie Snfd^riften ber meinen ©rabfreuje unb gemann babei 
ben ©inbrudf, ba§ e^ in ©uberobe immer nur glüdflid^e 
©l^en gegeben l^aben mu^. S)ie Scanner beHagten ben 
%oi i^rer „einjig guten ^au" unb fo umgefe^rt, unb 
ba^ atte^ in einem 2^on, bem felbft bie lapibare Äürje 
feinen ©el^alt an ^erjlid^feit nid^t genommeti l^atte. 
©iner ber ©rabfteine lautete : „^ier rul^et meine teure 
^au gol^anna ©üffefp^^i/ 8^^- S^ad^itn." Qn Berlin 
brel^t fid^ bie ©ad^e um; unfere Qoad^im mufe eine ge^ 
borene ©üffefpedf gemefen fein. 

^interl^er fanb id^ benn aud^ „SRid^aeli^". ©^ mar 
ba^ erfte ^otel t)i)n ©uberobe, fein S^^^^l^^tel. 3d^ 
feftte mid^ in bie SSeranba unb lie^ mir ba^ geben, mo^ 



4 tSli. ^ovtaim iSrtefe an feine «Familie. 

man ftd^ oi)m allju große ©efal^r tmmer geben laffen 
barf: eine 2^af[e 2^ee, einen Äognaf unb ©obawaffer. 
3el^n @(^ritt t)on mir fa§ eine ramponierte ©(^aufpielerin, 
bie fofort ben Äritifer in mir erfannte. ©ol(^e SDamen 
feigen foloffal fd^arf. ©uberobeW. ift eine SBiffenfolonie unb 
gruppiert fi(^ um „Tti^atli^" l^erum; rool^nt man brei 
2:reppen l^od^, mag e^ ganj nett fein, unten aber ift e^ 
bumpfig, eine abtoed^felnb mit ©taff^ unb ^ö(^ften^ 
Äüd^enbünften erfüllte aJialaria. SDennod^ füll ber fleine 
berliner ©frofelin^fi bafelbji gut gebeil^en. Sffiol^I mög== 
Ii(^. SWand^e ©emäd^fe fommen in jebem Soben fort. 
SRad^ einer ©tunbe ftieg i^ in einen Omnibus unb ful^r 
nad^ Dueblinburg. ^n bem Dmnibu^ faßen jmei 3Äänner, 
eine 3Äutter, jmei Spanten unb eine bidfe 2lmme, aber 
troft il^rer2)ide „dry nurse", benn fie l^antierte mit einer 
f^Iafd^e. 2ln biefer l^tng einer ber oorbenannten Keinen 
"inskis". SDie ßuftoerl^ältniffe merftoürbig; menig Djon. 
©0 laxmn mir in ber 33lumenftabt Dueblinburg an, mo 
©Ott fei SDanf äffe Seofoien blül^ten. Um 10 Ul^r mar 
id^ mieber in 2:i^ale, ba^ nad^ „ajüd^aeli^" mie eine Stefibenj 
mirfte. 3fd^ tranf mirHid^en 2;ee unb mirflid^e^ ©oba^ 
maffer unb fd^Iief fo gut, mie man bei einem beböften 
©d^nupfenfieberfopf nur irgenbmie fd^Iafen fann. 

Unb nun grüße Dnfel grife unb S:ante 2lnna unb 
fei gegrüßt unb gefußt oon SDeinem alten Sßava. 



177) 2;^ale, b. 20. 3uni 1882. 

SWein lieber alter 2;]^eo! 
3d^ miff SDir bod^ nod^ eigene in etmag Sriefartigem 
für S)einen langen ©d^reibebrief banfen, trofebem ein 
Äoloffalfd^nupfen feit S:agen in meinem ^opfe freift. 
3Wög' er nid^t als 3Jlan^ jutage treten. SBenn fd^on. 



1882. 5 

benn fd^on; ein etoiger Äleitifd^nitpfen, bcr fx) l^tnficd^t, 
ift unbequem unb l^ilft nid^tö; wie SRinetra mufe er au^ 
bem Raupte fpringen. 

3u ber Ä.sf^tage, bie fid^ mit ber ganjen @Ifäffer=^ 
frage fx) jiemli(^ becft, f)aV i^ taum etma^ l^injujufägen. 
@^ läuft barauf l^inau^, ob e^ mirflid^ Siebe ift; Siebe 
fielet t)iel I^SI^er afe ©tamme^gefü^l unb nun gar aU ein 
obfolet gemorbene^ ©tamme^gefü^I. SDie ®Ifäf[er gehörten 
200 3fa^re lang ju granfreid^, unb menn fie nun fd^Iie^s^ 
lid^ fagen, „ßrmin t)on BUxnia^ l^in, ©rmin ronStein^ 
bad^ l^er, bie granjofen, mit benen mir jefet burd^ fed^^ 
©enerationen gegangen finb, gefallen un^ beffer afö bie 
S)eutfd^en", fx) ift fd^Iiefelid^ nid^t üiel bagegen ju fagen. 
3eber t)i)n un^ fie^t fid^ im Seben vor fold^e ^agen 
geftefft, bie er nad^ feinem inbiüibuellen SebürfniS unb 
nid^t nad^ bem Urteil ber uml^erfte^enben aJienge beant^ 
mortet unb entfd^eibet. S)ie 3Wenge ^at immer eine lang^ 
meilige 5ßrinjtpfd^ablone, ba^ Qnbimbuum fü^It unb 
l^anbelt au^ bem unmittelbar ©egebenen l^erauS. Srgenb 
eine Situation, bie fid^ über bie Slfftag^fituation erl^ebt, 
unb ber 2lu^nal^mefall ift ba! S)u mirft baoon feine 
2lu§na]^me mad^en. ©o mie fid^ in biefe S)inge pfiffig- 
33ered^nenbe^ ober überl^aupt Uneble^ mit einmifd^t, unb 
id^ meife ni(^t, ob bie§ bei Ä. ber f^all ift, werben fie 
l^ä^Iid^ ; aber bie einfädle 2^atfad^e, ba^ bie ©Ifäffer lieber 
franjöfifd^ ate beutfd^ fein motten, barf unS nid^t jomig 
mad^en. 3lur beträbli(^ ift e^. 

3d^ münfd^e oon ganjem ^erjen, ba^ e§ S)ir in 
S)einer neuen ©tettung gut ergel^en möge, jefet unb fpäter. 
SBon ben 33ebenfen, bie id^ anfangt ^^gte/ w^il ba^ 
aWarine^Sntenbanturmefen etma^ eng Segrenjte^ iji, bin id^ 
ganj jurüdfgefommen ; bie 2lrmeeintenbanj ift eine grofee, 
meitoerjmeigte ©ad^e, betreffe bereu man fagen barf: „®el^t 



6 Älj. Jfontmt% iSrfefe an feine iFomllle. 

e« l^ter nid^t, fo gcl^t eg ba". Unb ging e^ xoixflxä) total 
nid^t, nun, fo wirft SDu bei SDeinem SBiffen, SDeinen guten 
3eugniffen unb SDeinen ©mpfel^Iungen (wobei id^ wol^fc 
weii^Iid^ mid^ nid^t mit einred^ne) immer wieber an einer 
onbern guten ©teile untergebrad^t werben. SDer ®elb^ 
punft fommt l^iniu. 33ei ber großen 33efd^eiben]^eit, bie 
SDu in ttllem ieber^eit gejeigt l^aft, fann id^ SDir aufg 
33eftimmtefte oerfid^em, ba§ id^ perfönlid^ mir ein aSer= 
gnügen borauig gemad^t l^ätte, ba^ bifed^en, wo^ id^ über= 
l^aupt tun fonnte, oud^ femerl^in ju tun. SDa§ SDu ober 
au^ ber Unterftüftung burd^ grembe nunmel^r l^erau^^ 
fommft, ift, wie SDir, aud^ mir eine wol^re ^erjen^=^ 
erleid^terung. SBie id^ SDir fd^on 'mal fagte: „S5aig einzig 
SRennen^werte, wai^ id^ für 35id^ getan l^abe, ift bag, ba§ 
id^ auf Dnfel ©d^.^ freunblid^e^ unb gerabeju generöfe^ 
2lnerbieten einging." ^ä) werb' il^m biefe große ßiebe^^ 
unb greunbfd^aft^tat nie oergeffen; aud^ gel^ör' id^ nid^t 
iu benen, bie fid^ burd^ SEBol^ltaten bebrüdt fül^Icn. S^ 
banfen ift mir nie fd^wer geworben; aber id^ fenne ba^ 
menfd^Iid^e ^erj, unb ba^ oon Dnfel ©d^. fenne id^ ganj 
gewiß. @^ mifd^t fid^ bod^ oielerlei mit ein, unb biefcx 
Seifaft fann mid^ unmöglid^ erfreuen, wenn e^ mir aud^ 
5ßflid^t war, fo lange bie ©ad^e fpielte, barüber ju 
fd^weigen. 2flfo nod^mal^ ©lüdauf jum neuen ßeben^Iauf ! 

3Jiir gel^t e^ nid^t fel^r gut, ber Äopf ift mir be== 
nommen, unb oon Slrbeiten ift l^erjlid^ wenig bie SRebe. 
^^ l^abe aber, wenn aud^ nur im Keinen ©til, aHerl^anb 
erlebt unb gefel^n unb bin baburd^ einigermaßen auf 
meine Äoftefn gefommen. 

©ruße, wo SDu'g für gut l^ältft. SBie immer SDein 



1882. 7 

178) »erlitt, b. 19. 3uli 1882. 

2Reitte liebe grou. 
©ei ttod^malg beftett^ bebattft. ^^ glaube ttid^t, bofe 
SDu mit SDeitter 2lu^fteIIuttg l^ittfid^tlid^ ©d^ad^^*) red^t 
l^aft. aOBär' e^ fo, fo n)är' e^ fd^Iimm; betttt bamit fielet 
uttb fällt bie gaw^e ©efd^id^te. Seg' e^ SDir ttod^ eitttnal 
jured^t. SDtttttuf, ba§ e^ tatfod^Iid^ gefd^el^ett ift uttb 
auä) au^ betn ©ruttbe gefd^el^ett ift, bett id^ aU ^aupt- 
gruttb attfül^re, bar auf leg' id^ feiu ©eroid^t. @^ jeigt 
aber bod^ roettigftett^ fo mel, ba§ bergleid^ett bei eiuem, 
im gaujett geuommeu, burd^au^ gefuub organifierten 
SDienfd^en voxtommm fonnte. ^(^ gel^' aber einen ©d^ritt 
weiter unb ftnb' e^ t)oIIfommen erflärlid^. @r l^at mit ber 
aKutter geted^telmed^telt (roa^ auä) mitroirft) unb l^at 
l^interl^er in einem unbemad^ten aJioment bie minbeften^ in 
grage gefteHte ©d^önl^eit 3Sictoireg über il^rer großen 
Sieben^mürbigfeit unb einem gewiffen, il^r oerbliebenen 
SReij t)ergeffen. 3lnn foH er fie l^eiraten. @r fd^wanft, 
enblid^ miH er'^, meil er'^ motten muß; bie aJiutter oer^ 
langt eg, fein eigene^ SRed^t^gefüt)! oerlangt e^, ber Äönig 
oerlangt e^. SDie^ Se^tre gibt ben 2lu^fd^ag, er muß nun 
unbebingt. B^^fll^i^ empfinbet er, baß er, ber eitle, 
ftolje aJiann, ber ol^ne bie 33en)unberung ber Sffielt unb 
feiner Äameraben nid^t leben fann, fid^ für immer jur 
ßäd^erlid^feit verurteilt fielet; menigften^ erfd^eint e^ il^m 
fo, unb nid^t au^ nod^ ein miffenb, erfd^ießt er fid^, nad^^ 
bem er burd^ ben 2^rauaft feinen faux pas reftifijiert l^at. 
ajlir leud^tet ba^ ®anje ooHfommen ein, minbeften^ bod^ 
fo mie ber %oh be^ ^ofmann^, ber fid^ erfd^oß, meil er 
fid^ bei ber SBI^iftpartie mit jmei Äaifem unb einem Könige, 



*) »©d^ad^ bon äöut^^enoto", hamaU nod^ in ber legten S5e« 
arBcituttö Beftnblid^, crfd^ten @nbc beS 3ol^re§ 1882. 



8 fKljf. Jfordarm jBrfefe an fzirtt Jfcattlilt. 

bag SDiittbeftc ju fagcn, „unanftänbtg aufgefül^rt l^atte". 
S)ie gurd^t vox bem 3libtfülcn fpielt in bcr SBelt eine 
bloffale SRotte. 

Übrigen^ ^aV iä) l^eute vormittag eine neue SRotJeHe 
entworfen; roieber fel^r bifftjil, fel^r intrifat.*) 

1000 ©rüfee von 35einem 2:h. % 



179) SRorbernep, b. 6. Sluguft 1882. 

aJieine Hebe grau. 

SRur ein paar 3^tlen. aSoHt' id^ mid^ auf 2)etaite 
ober gar auf Sefd^reibungen einlaufen, fo würbe ber Srief 
ein 33ud^. ©d^reibt man jieben Xag, fo Iä§t fid^ bie ©ad^e 
tagebud^artig abmad^en; lägt man fid^ ben ©toff aber eine 
aOBod^e lang anfammeln, fo gel^t e^ nid^t mel^r. 

2rn ber ©pi^e fielet ba^ SEBetter. SDie SBögel fatten 
aug ber ßuft (aber nid^t tot), unb bie greifigften ©reife 
erinnern fid^ nid^t, fold^en 2luguft erlebt ju l^aben. 
3Jiir, bei meiner 3lrbeit, ift eg jiemlid^ gleid^gültig, fo ober 
fo ; aber boH ift e^. 3d^ fd^reibe biefe S^ikn mit flammen 
gingern, unb fo ift e^ nun feit länger afe einer SBod^e. 
3ule^t t)at man nur ben alten S^roft: „®^ mu§ fid^ aUe^, 
aUe^ menben", unb eigentlid^ benfe id^ fd^on mit ©d^redEen 
an bie Xage, mo man l^ier mieber fd^moren mirb. 

3Kit Änt)pt)aufen^ fielet e^ fo : er fam felbft, unb jmei 
Xage fpäter mad^te id^ meinen 33efud^. ^(^ merbe mol^I 
'mal eingelaben werben, mad^e mir aber nid^t^ brau^, 
miemol^I id^ il^n unb ba^^ganje ^au^ fel^r gern l^abe. SDa^ 
liegt bar an, ba§ fein ^au^ immer oollgepfropft ift oon 
melflfd^en, fäd^fifd^en unb medElenburgifd^en 2lbeföelementen, 



*) Um tod^t 9lobeIIe e3 fid^ ^anhdit, ifl aud^ au§ bem Xage< 
bud^c Fontanes letbcr nid^t fcftauftctten. 



1882. 9 

mit bencn xä) mi^ ntd^t flellen fann. Sin bent SBelft^ntu^ 
(fo ribtfül i^ xi)n finbe) tüürb' iä) feinen Slnftofe nel^men, 
aber oHe biefe Setren fielen nod^ auf bem „üetjol^men" 
©tanbpunft, roonad^ bte SKenfd^l^eit erft mit bem 33aron 
anfängt. 2ttfo etma, mie menn id^ im Shtppinfd^en bin. 
@rft bei fold^en ©elegenl^eiten merft man fo red^t bie 
aSorjüge einer großen ©tabt. SDiefer ^ßrooinjialabel fd^Iägt 
immer einen S^on an, aU oh man ein alter igau^Iel^rer 
märe. SDa^ fel^Ite aud^ gerabe nod^. 

SDieine anbermeiten literarifd^en ©d^idfale erflel^ft S)u 
au^ einem 33riefe, ben id^ beifd^Iieße. 

SDie SRooeHe mad^t mir nod^ furd^tbar oiel 3lrbeit, 
aber id^ l^abe mid^ nun brin ergeben ; an mand^en ^agen 
fi^' id^ bi^ 4 unb felbft bi^ 5 Ul^r feft auf meinem 
3immer. @in ®IüdE, baß id^ menigfteng arbeiten fann; 
id^ fönnte ja aud^ ganj l^erunter fein. SDa^ Seflnben bei 
bem mirflid^ furd^tbaren SBetter (eben fängt e^ mieber an 
ju l^eulen) ift fel^r mäßig. Qiwimer bider Äopf unb SBinb 
im Seibe, mie alte Äül^e, bie SBinb gefd^nappt l^aben, 
moran man fterben fann. SDa^ l^eißt bie Äül^e, menn 
man il^nen nid^t red^tjeitig ben Xrofar in ben Seib bol^rt, 
mofür id^ banfe. 

SBie immer SDein alter 2:h. % 



180) SRorbernep, b. 9. Sluguft 1882. 

9Keine liebe grau. 
SBie mir'^ gel^t, meiß id^ eigentlid^ f eiber nid^t; id^ 
fann fagen gut, aber id^ fann aud^ fagen fd^Ied^t. 3Kit 
ber SBoi^nung unb ben SBirt^Ieuten l^ab' id^ e^ gut ge^^ 
troffen ; bie Suft ift l^errßd^, ber 3lnbIidE beg SKeereg bito, 
unb nad^mittagg brei, oier ©tunben lang am ©tranbe 
fpajieren ju gel^n ober fpajieren ju ftften, ift ein ®enuß. 
SDaju fommt, baß mir bie eingeborne Seoölferung fgmpatl^if d^ 



10 Alf. fioxdcmtsi ^xitft an feine iFamllte. 

ift: fräftige, tüd^tige, urgermonifd^e SDicnfd^en, el^rlid^ unb 
jutjerläffig. S)tt§ fte ftd^ il^re Suft 2C. gut bejol^Ien laffen, 
fonn id^ tl^ncn m($t vtxhtnUn ; aHc^, toonad^ Slnfrage ift, 
btt^ fteigt im 5ßreife, ober fic forbem nur t)iel, fie betrügen 
nid^t. ©elbft bie 3SieIforberung l^ält fid^ immer nod^ 
innerl^alb einer gemiffen SJionierlid^feit ; e^ finb anftonbige 
Seute, fein ©efinbel. 

aOBenn id^ troftbem nid^t jufrieben bin, fo liegt e^ mol^I 
met)r an mir unb meiner 33efd^affenl^eit, ofe an bem Orte 
f elbft; id^ bin total erfältet, fo fel^r, ba§ id^ f elbft Äopfmel^ 
l^abe, bag id^ fonft nid^t fenne. SSon gefunbem Slppetit 
feine SRebe, teife burd^ meine ©d^ulb, teil^ burd^ ©d^ulb 
ber l^iefigen Äüd^e. SBon bem mir angefünbigten 33ären= 
l^unger feine ©pur unb oon ber ungetieuren Kräftigung 
unb grifd^e nur ba^, bafe id^ in einem l^alb fontraften 
3uftanbe bin unb nur mit $i(fe oon ^ilf^fonftruftionen 
mid^ büdEen fann. Unter fo bemanbten Umftänben fann 
eine eigentlid^e gibelität nid^t auf fommen ; ftbel fann l^ier, 
ober übertiaupt an fold^en Sabeplä^en, nur ber fein, bem 
e^ egal ift, ob er im S^Q fi^t ober nid^t, ber fid^ oon 
9 Ul^r frül& an mit guten greunben SRenbeiooug gibt, in 
ber „©iftbube" Kummer, in ber „altbeutfd^en SBeinftube" 
Sluftem unb brei ©tunben fpäter bei Dterenborp 3Kittag= 
brot i§t. 3Jian mufe feinem Äörper unb ganj fpejieH aud^ 
feinem 9Kagen beftänbig voa^ bieten fönnen, bannfommt 
man in SReif eftimmung ; id^ für meine 5ßerfon äi^nle bod^ 
met)r einem ^ofpitaliten, ber oon einer grünen 35anf auf 
bie anbre friedet. 

^n ber ^auptfad^e l^ab' id^'^ aber bod^ getroffen; 
©rfältung unb ^ejenfd^ufe^^Sitftanbe, ba^ alleg oergel^t 
mieber, unb bag ®ute bleibt, bafe id^ bem alten body, 
menn id^ @nbe ber näd^ften SEBod^e l^ier fortgel^e, brei 
SBod^en lang ©auerftoff eingepumpt l^abe. 



1882. 11 

Unb nod^ manä) anbre^ ®ute l^at ein fold^e^ (Sxä)i)txau^^ 
reiben au^ ben fleinen, aHtäglid^en SSerJ^oItniffcn. 

^^ hin f)tuV erft tJtcrjcl^n %a%t t)on Serlin fort, unb 
mir ift, afe toor' id^ breimal um bie SBclt gefal^ren. ^^ 
mar in Clbenburg, \df) ben ,,Urmalb" (mirflid^er Vix^ 
malb) bei ^etjer, lernte 8BiIl^eIm§l^at)en fennen, befud^te 
3Setter äuguft*) unb feine %tan^ mar jel^n ©tunben auf 
©ee, paffierte SBangeroog, ©pieferoog unb ßangeoog, 
bemol^ne je^t meine britte SBoi^nung, l^abe in jel^n ö^tel^ 
unb SRefiaurationen gegeffen, l^öre jeben SDiorgen unb 3la^^ 
mittag bie ÄurfapeHe fpielen, bin ein reiner „©tranb^ 
löufer" gemorben, l^abe t)erfd^iebene Sefanntfd^aften unb 
bei Än^pl^aufen^ 33efud^ gemad^t, jel^n Äapitel forrigiert, 
eine neue, munbert)oIIe SRotJeHe fonjipiert unb auf^ 5ßapier 
gemorfen, bin geftem abenb bei einem 6l^ampagner=©ouper 
gemefen unb l^abe für Änppl^aufeng einen 5ßroIog gebid^tet, 
ber übermorgen (am 11.) in einer furd^tbar t)omet)men 
SBerfammlung vorgetragen mirb. Überblidfe ba^, roa^ iä) 
aufgeiäl^It l^abe, fo mirft SDu finben, bafe e§ mel^r ift, atö 
gemöl^nlid^ in meinem S^agebud^e fielet, mo'^ immer l^eifet: 
,,®earbeitet (SRooeHe forrigiert), Sriefe gefd^rieben, ge== 
arbeitet (SRooeHe forrigiert), Slbenbfpaiiergang". 

3m übrigen bleibt e^ mal^r, roa^ SDu fd^reibft: „2Bie 
gut, baj5 id^ bei bem ©turmmetter nid^t bei S)ir gemefen 
bin", mobei mir nur obliegt, mal^rl^eit^^ unb biHigfeit^^ 
gema§ ben ©pie§ aud^ umiubrel^en unb l^iniujufe^en : 
„SBie gut, ba§ S)u nid^t meine SBerftimmungen, 2lngegriffen== 
l^eiten unb fleinen Srgemiffe mit burd^mad^en mufeteft." 
^erfonen, mie mir beibe finb, neroö^, anfällig, gleid^ 
beforgt unb geärgert, gleid^ au^ bem ^äu^d^en, immer 
burd^ ©elbrüdtfid^ten eingeengt — mir f önnen auf Steifen 



*) 5luQuP gfontanc, 3. 3. Ä. ^orinc==6^cf=3n9cnieut 0. ^. 



12 ttlj. fiordmzB jBrtefe m ^hte <;JFotnÜte. 

gor ntd^t leidet unb bequem nebeneinonber l&ergel^n, unb 
wenn iä) auf unfre ttalienifd^e SReife jurüdblide, fo muß 
id^ mit einer 2lrt ©taunen unb Semunberung jugeftel^n, 
ba§ mir bag SDiögltd^fte möglid^ gemod^t l^aben. Unfrer 
SRtttur unb unfrem ©elbbeutel nod^ tiaben mir un^ mit 
Shtl^m bebedt. 

35iefen Seilen fd^Iie^e id^ mieber ein paar Sriefe unb 
Äarten bei; SDu erfietift aud^ barau^ ben ungel^euren 
Unterfd^ieb imifd^en l^ier unb Xl^ale, ba^ id^ übrigen^, 
tro^ biefe^ Unterfd^iebe^, fel^r in gieren unb banfbarer 
©rinnerung tialte. 3lber ba^ ift boc^ anbrerfeit^ mal^r, 
bafe bie ©efeHfd^aft etmo^ unterem SRitJeou ift; ftnben fid^ 
bonn ttud^ ein paar ©eneräle, ©el^eimräte, 5ßrofefforen 
ein, fo finb e^ fo menige, ba^ man faum l^offen barf, 
etma einen ©pmpatl^ifd^en barunter ju treffen, ^ier aber 
tummeln fid^ ^unberte, fo ba§ man eine ßl^ance l^at, 
irgenb ^roa^ Umgänglid^e^ fennen ju lernen, ©el^r intern 
effant mar mir bie Begegnung mit 2lpott)efer $. (feit 
26 Qal^ren in ^alberftabt). @r mad^te einen fibel^ 
Ira^bürftigen, im ganjen aber fel^r guten unb anftänbigen 
©inbrud, mar überl^aupt, aud^ in alter 3^it fd^on, ba§ 
einjig gute ©lement in unfrei ©rubere 3KaE' Umgebung. 
aSon mir unb meinen ©d^idffalen mufet' er fein ©terben^^ 
mort, fo ba§ mir mieber ©d^mager SBeberg SBort 
einfiel: ,,SDein berül^mter ©ruber, ben feiner fennt". 
SRiemate bin id^ rid^tiger beurteilt morben; ©nbrefultat 
oon 45 2lrbeit^j[al^ren. 

@rgel^' e^ SDir gut, füffe meine 3Kete. SBie immer 
S)ein alter <^h g. 



1882. 13 

181) SRorberne^, b. 12. Slugufi 1882. 

gjleine liebe grau. 

3u tneinem 3;ee ^aV iä) eben für 7V2 ©ilbergrofd^en 
Äud^en gegeffen, roa^ ungel^euerlid^ Hingt, aber nod^ lange 
nid^t fo t)iel war wie eine l^albe Broeigrofd^en^Sre^el. 3n 
einem femmelmüben 3^fto^i> (sick of it) mufet' id^ eine 
fold^e SBeränberung eintreten laffen unb fälble mi^ aud^ 
n)ül^I banad^. S)ie 3SerpfIegung^t)erl^ciItniffe finb l^ier fel^r 
nterfroürbig ; mein $auptnal^rung§mittel ift ,,®erftenfuppe", 
ein nationale^ ©erid^t, unfrer ©raupenfuppe au^ Rammet 
fleifd^ fel^r äl^nlid^, aber nod^ fräftiger. 

SDa^ Heine S)iner bei Än^ptiaufen^ verlief geftem 
fel^r angenel^m; jte finb alle — namentlid^ aud^ fie, bie 
©röftn — von großer ßieben^mürbigfeit, einfad^ unb 
natürlid^, unb in politifd^en 35ingen ungel^euer ,,frein)eg". 
2Bie ganj anber^ finb bod^ biefe Seute afe ber märKfd^e 
S)urd^fd^nitt^abel, von bem, im ganjen genommen, leiber 
aH bag mal^r ift, roa^ ©tein t)or 80 ^ai)xtn über il^n 
gefagt l^at. SDie 2lrnim^ finb bie einjige gamilie, bie afe 
g a m i I i e (au^gejeid^nete 3 n b i i) i b u en f ommen natürlid^ 
aud^ in ben anbem vor) eine 2lugnal^me mad^en. SDie 
©d^ulenburg^, 2Kt)en^Iebeng, ÄnefebedE^ — bie ju ben 
guten gel^ören — finb fd^on feine rid^tigen 3Kärfer mel^r; 
fie l^aben ben Stempel ber rein beutfd^en SRieberfad^fen, 
bie ba^ grojse (Sebiet jmifd^en ©Ibe unb SBefer inne l^aben. 
Übrigen^ fielet bie^ in burd^au^ feinem SBiberfprud^ iu 
meinen vm Sänben „SBanberungen" ; id^ ^aht überall 
liebevoll gefd^ilbert, aber nirgenbg glorifiiiert, nid^t einmal 
meinen Siebling aJlarmi^. ^ä) l^abe fagen moHen unb 
l^abe mirflid^ gefagt: ,,Äinber, fo fd^Iimm, mie il^r e^ 
mad^t, ift e§ nid^t," unb baju mar id^ bered^tigt; aber e^ 
ift Xorl^eit, au^ biefen Sudlern tierau^Iefen ju moHen, 
id^ l^ätte eine ©d^märmerei für SRarf unb SDiärfer. ©o 
bumm mar id^^nid^t. 



14 S^. £outane% iBrUfe an Tttne iFatnUie. 

Sei Än^pl^aufeng erfd^ien jur Äaffeeftunbe eine fel^r 
reijenbe Soronin au^ (Stuttgart, ftattlid^e SRotblonbine 
(äl^nlid^ wie bie ßabp SRuffel), bie braftifd^e ©d^ilbetungen 
von bem bortigen gefeHfd^aftlid^en 2tUn entwarf. 2)ie 
®ä)roabm [inb fd^eu unb fd^roerfäHig, unb bie fremben 
©lemente l^alten fid^ jurüdE ober mad^en fid^ gerabeju rar. 
„35a ifd^t j. 33. ber Sübfe. 2lber er fommet meifd^t nur, 
wenn bie Königin ba ifd^t" 2C. 211^ fie fort war, fragte 
id^, wer bie '^amt geroefen fei. ,,SDa^ war bie greifrau 
t)on Serlid^ingen, unb il^r fed^^jäl^riger, ältefter ©ol^n 
l^eifet ©ö^." SDer junge Saron SDömberg, ber mit babei 
war, fe^te l^inju: „SBal^rfd^einlid^ ein ffrofulöfer, Heiner 
33engel, ber nad^l^er feinen ^elbennamen t)erunjiert." 
2lber enfin, er ift bod^ immer ein d^riftlid^er, rid^tig ge^ 
taufter ®ö^ t)on Serlid^ingen ; ber mirflid^e ©d^redten 
fängt erft bei 5ßerct) Seemann an. 

©eftem abenb mar benn nun aud^ ba^ SBoi^Itätigfeiti^^ 
fonjert. ^^mn^tt l^in, meil e^ ungejogen gegen gräulein 
t). S)ömberg gemefen märe, ju fel^Ien; fo taud^te id^ benn 
8V2 auf, mo id^ fidler fein fonnte, ba§ mein 5ßroIog 
längft ba^ 3^ttH^^ g^fegnet l^atte. SDer ganje 3lbenb 
mad^te einen aHerliebften, poetifd^en unb voxnif)mtn 6in? 
brudE; ber grofee ©aal fel^r l^übfd^, bie Sül^ne fein unb 
jierlid^, bie 3)litmirfenben S)ilettanten, aber bod^ afe fold^e 
lauter anftänbige SRummem. 2lm l^übfd^eften fanb id^ ba§ 
Rlavkx- unb SSiolinfpiel ber beiben Äomteffen Sreuner. 
aJiein ^ßrolog mirb mol^I in ben Srunnen gefallen fein; 
ba^ ©d^idffal aller ^ßrologe — unb nun gar, menn id^ einen 
gemad^t ^aht. 3Kein eigentlid^fter 5ßroIog mar ber an 
jenem ©d^infelfeft = 2lbenb*), ben ber grofee 31 n ton 



*) 2)ag i. 3. 1874 gefeierte ^eft galt aufileid^ bem öOjälJngen 
^Beftel^en beS ^td^tte!tent)ereind ^u ^Berlin. 



1882. 15 

t)on SB er n er, ber ein lebenbeg 33Ub fteHen wollte, 

einfad^ fafpert f)at. 3Jlit n)tet)iel (gieren bin id^ fd^on 
überl^äuft worben! 



aKotttag, b. 14. ^ugaft. 

©eflem war e^ glül^i^ei^ felbft i^ier, man fd^wi^te 
im ©tiHfi^en. 3Rir mar aber tJerJ^ältni^mäfeig mol^Ier aU 
bie aOBod^en tjorl^er, unb id^ l^ätte biefen 3^fiö^^i> ^^^ ^^^^ 
genoffen, menn mir nid^t meine jmifd^en ben 3^^^^ 
liegenben ^ül^neraugen ,,aBel^bage" gemad^t l^ätten. 3^^ 
®IM liÜ)lt ber naffe ©tranbfanb ; auf l^eifeem ©tein fönnte 
man'^ gar nid^t au^l^alten. ^d^ merbe mid^ l^eute mit bem 
3lpotl^efer megen ©eifenpflafter in Sßerbinbung fe^en. 
S)urd^ ein riefige^ Hamburger 5ßflafter, über ben l^alben 
ßeib meg, oon ^üfte ju ^üfte, l^at er fid^ bereitig bemäl^rt. 
S)eine le^te ßeiftung auf bem ^ßflafterfheid^ung^gebiet mar 
fd^mad^ unb ift mir längft oor bie güfee gefallen. 

aSom Äurl^aufe au^ ging id^ an ben ©tranb unb 
bämmerte fo oon 33anf ju Sanf. Slfö id^ an ber igaupt- 
ftelle mar, mo oiele ^unberte oon Äorbl^ütten ftel^en, in 
benen man bie ©tranbluft geniest, fül^It' id^ mid^ oon 
leinten l^er gepadft unb 5ßrofeffor 3Ä. ftanb oor mir. @r 
fd^Ieppte mid^ bi§ an feine Äorbl^ütte, mo id^ nun ber 
grau 5ßrofefforin unb itirem IGjal^rigen ©ol^ne, einem 
jungen ©tubenten, ber für „©egenmart" unb „aJlagajin" 
^ritifen fd^reibt, oorgefteHt mürbe. SDie grau 5ßrofefforin 
begrüßte mid^ fet)r l^erjÜd^, jeigte mir bie neuefte SRummer 
ber aSoffin unb fagte: „&)tn ^aV id^ oon^^nen gelefen; 
feigen ©ie, l^ier; e^ ift fo fpannenb, man fennt ja alle 
©trafeennamen." SDann brad^ ba^ ©efpräd^ glüdtlid^er^ 
meife ab. S)ie ©tranbpromenabe mit ben brei ^errfd^aften 
bauerte nun mol^I nod^ anbertl^alb ©tunben, unb bie 



16 ®!j. JfoxttantB ^SrUfe an ftlnt iFamtlte. 

©utmütigfcit unb ^Jreunblid^feit ber ^ou ^ßrofeffotin gc^ 
fiel mir. ^ä) tarn baburd^ foäufagen auf meine Äoften. 
aber bag Urteil: „@g ift fo fponnenb; man fennt ja faft 
alle ©trafeennamen", ^at bo^ einen furd^tbaren ©inbrud 
auf mid^ gemad^t. SRid^t, afö ob id^ ber grau jümte; 
wie fönnt' id^ aud^! 3m (Segenteil, e^ ift mir bei aller 
©d^merjlid^feit in gemiffem ©inne angenetim gemefen, 'mal 
fo naiv fpred^en ju l^ören. 3m 3^tum über bie SDinge 
ju bleiben, ift oft gut; flar ju fetien, ift oft aud^ gut. 
SDa^ ift nun alfo bag gebilbete 5ßublihim, für ba^ man 
fd^reibt, unb ber 19j[äl^rige junge ©ol^n (ber mir übrigen^ 
gefallen l^at) get)t nebenl^er unb Wtifiert @. f^^^e^tag, 
31. ©lafer unb natürlid^ aud^ mid^ in ,,®egenn)art" unb 
,,3Äagaiin", alfo in jmei ber oomel^mften unb angefel^enften 
Slätter, bie SDeutfd^Ianb l^at. 3lIIe mad^t einen maleren 
Sammereinbrud auf mid^, unb ujenn ic^ nid^t arbeiten 
mix^tt, voüxV id^ eig in einem gemiffen SBerjmeiflung^s 
iuftanbe, in bem id^ mid^ befinbe, bod^ matirfd^einlid^ 
aufgeben, ©rfiel^' baraug, mie grofe mein SDögout ift, benn 
meiner ganjen 3latur nad^ bin id^ auf bie greube be§ 
©d^affeng geftettt. 

aOBie immer S)ein alter <^^ « 



182) SRorbernet), b. 17. 2lugufi 1882. 

3Jieine liebe grau. 
SDag ift nun ber lefete Srief oon ^ier au^. SBa^ 
S)u am ©ingange be^ Steinigen fagft, ,,ba^ id^ bei SRid^t- 
ftoff in ber 3iegel beffer fd^riebe afe bei oiel ©toff", ift 
gemife rid^tig. ^n bem beftimmten gaH aber (benn ber 
©toff l^ier ift fo iiemlid^ immer berfelbe) fd^eint mir bie 
Semerfung bod^ burd^ nid^t allju gute Saune biftiert ju 
fein, aber pielleid^t irr' id^ aud^ ; id^ f d^reibe fo t)iel, bag 



1882. 17 

id^ l^tnterl^er nie tncl^r roeife, roa^ in btcfctn ober jenem 
33r{efe geftanben ^at 

3m ganzen muß id^ mit meinen brei SBod^en l^ier 
fel^r jufrieben fein; e^ ift mir nid^t^ eigentlid^ Un^^ 
angenel^me^ pofftert, unb felbft bie ©turmtoge maren fd^ön. 
Qa, id^ fomme je^t bal^inter, ba§ ba^ 3Jieer nur an feinen 
©turmtogen entjüdenb ift; fomie SRul^e eintritt, ift eig 
eigentlid^ langmeiÜg. SDie Sud^J^ttnbler-Sefanntfd^aften, bie 
id^ l^ier gemad^t l^abe, bebeuten nid^t t)iel, finb mir ober 
bod^ et)er angenel^m afö nid^t, unb bie fd^meren Äorreftur^^ 
tage, fo fel^r fie mid^ äeitmeilig (namentlid^ bei meinem 
fd^Ied^ten Sefinben) gebrüdt unb geängftigt l^aben, maren 
bod^ aud^ mieber ein ©egen. SDenn man fann nid^t t)on 
fieben Ul^r frül^ bi^ elf Ul^r abenb^ auf einer San! fifeen, 
Slefeba ried^en unb ,,^eil bir im ©iegerfranj" jum 
l^unbertften 9KaIe blafen t)ören. Sltfo nod^mafe, e^ mar 
fel^r l^übfd^, unb mag bie ^auptfad^e ift, bie munberüoHe, 
fauerftüffreid^e Suft mirb meinem 33Iut unb meinen SReroen 
aud^ gut getan l^aben. berliner Äanalluft ift nid^t meine 
©ad^e. 

aWorgen fd^idP id^ brei big t)ier SDrudfbogen SUlanuftript 
an bie SDrudEerei; eg mad^t mir nod^ mieber jiemlid^ mel 
3lrbeit, aber id^ merbe nid^t ärgerlid^ babei, meil id^ 
empfinbe: eg mufe fein. 3[d^ fel^e Har ein, bafe id^ eigentlid^ 
erft beim 70er Ärieggbud;e unb bann bei bem ©d^reiben 
meineg 3iomang ein ©d^riftfteller geworben bin, b. 1^. 
ein aJlann, ber fein aJietier afe eine Äunft betreibt, ate 
eine Äunft, beren 3lnforberungen er fennt. SDieg 
festere ift bag ©ntfd^eibenbe. ©oet^e ^at einmal gefagt: 
„2)ie 5ßrobuftion eineg anftänbigen SDi(^terg unb ©d^rift^ 
fteHerg entfprid^t aHemal bem aWafe feiner @rf enntnig". 
gurd^tbar rid^tig. 3Jian fann aud^ ol^ne Äritif 'mal roa^ 
©uteg fd^reiben, ja oielleid^t etmag fo ©uteg, mie man 

%^. Fontanes Briefe an feine f^amilie. II. 2 



18 Stj. Jfoyxtanei iBrtefe an f^ne iFamUie. 

fpäter mit Ärittf nie toieber pftanbe bringt. SDa^ alle^ 
foll nid^t beftrittcn werben. 2lber bo^ ftnb bann bie 
,,®efd^enfe ber ©ötter", bie, weil e^ ©öttergefd^enfe ftnb, 
fel^r feiten fommen. (ginmal im ^af)x, unb ba& ^df)x 
^at 365 2:a9e. gür bie t)erb(eibenben 364 entfd^eibet bie 
Äritif, ba^ 3Sla^ ber ©rfenntni^. ^n poetif d^en SDingen 
l^ab' id^ bie ©rfenntni^ 30 ^af)xt frül^er gel^abt ol^ in ber 
5profa; bal^er lefe id^ meine ©ebid^te mit SBergnügen ober 
bod^ ol^ne SBerlegenl^eit, mäl^renb meine 5ßrofa au^ ber^^ 
felben 3^it mid^ beftänbig geniert unb erröten mad^t. 

Unb nun lebe mir mol^I unb freue SDid^ ber Dftfee 
fo, mie id^ mid^ ber SRorbfee gefreut l^abe. 

aOBie immer S)ein alter ^^^ « 



183) SB erlin, b. 23. Slugufl 1882. 

aJleine Hebe %tan. 
©eit geftem abenb bin id^ mieber l^ier. Unfre SBol^nung 
fielet fel^r gut avi^^ delleid^t ein menig ju bunfel; aber 
id^ empflnbe bie^ mel^r, afö e^ anbre empflnben merben, 
meil mir bie l^eHeren garben nod^ im ©ebäd^tniig finb. 
©onft ift ja nid^tg vorgefallen, afe bafe Ä. eine fel^r reid^e 
polnifd^e ^ühxn gel^eiratet l^at. ©old^e @t)en, mie mir 
gefd^Ioffen, fommen gar nid^t mel^r oor. 3n einer 33e^ 
jiel^ung ift e^ aud^ red^t gut; benn 2lrmut, bie nid^t ganj 
ju refignieren oerftel^t, ift ein SSerbred^en ; aber anbrerfeit^ 
ift bie^ bloße 5ßIüf(^fofa^^eiraten aud^ eine traurige ©e^ 
fd^id^te. aOBiH man au^ ber ganzen 5ßaftete jeben 9left 
oon 5Reigung ftreid^en, fo mirb nid^t nur bag SBergnügen, 
fonbern fd^Iiefelid^ aud^ bie SeoöIferung^ial^I auf ein 
aWinimum l^erabgebrüdEt. Unb bie gortbauer be^ 3Jienfd^en= 
gefd^Ied^t^ ift bod^ nun 'mal eine jener erl^abenen aufgaben, 
moran ber einjelne mitzuarbeiten l^at. 



1882. 19 

3n ben näd^ftcn SBod^cn follen mid^ itoei Slrbeiten 
au^fd^Iicfelid^ bef d^äftigen : 1. SDurd^ftd^t be^ erften Sonbe^ 
bcr „aOBanberungcn" unb 2. bct ,,S)rciIinbett"^Sluffa^. 

3Som Dftobcr an wxü xä) bann meine 3^^ iwifd^en 
„®raf 5petöfp" unb bem „©d^erenberg''=:2ruffaft teilen. 
9ied^te ßuft l^ab' id^ ju nid^tig mel^r; man fann in ber 
Äunft ol^ne eine b e g e i ft e r t e ^uftimmung ber SKitlebenben, 
ober roenigften^ eineg beftimmten Äreifeg ber 9KitIebenben, 
nid^t beftel^en. SRingt man fid^ erfolglog ah, fo bringt man 
e^ nie über ben lebemen succfes d'estime l^inau^. ©mp- 
ftnbet man jeben äugenblid: eg ift ganj gleid^gültig, ob 
bu lebft ober nid^t lebft, unb e^ ift roomöglid^ nod^ gleid^? 
gültiger, ob bu einen SRoman unter bem 2^itel ,,5ßeter 
ber ©rofee", „5ßeter in ber grembe" ober „©trumelpeter" 
fd^reibft — alle beftel^en aug benfelben 24 Sud^ftaben unb 
alle fommen in bie SeiI;bibIiotl^ef unb merben ä 1 ©gr. 
pro S3anb gelefen unb nad^ ©utbünfen unb 3^f^tt ^^s: 
med^felnb gut unb fd^Ied^t gefunben — auf biefer SIII== 
tagg^ unb S)urd^fd^nittgftufe ftel^en bleiben, ift traurig, 
läl^mt unb fann fetbft meine ^offnung^feligfeit nid^t ju 
neuen ©rofetaten begeiftem. 3Jian ift alfo blofe mie ber 
©olbat auf bem 5poften, mie ber SBeretfd^aginfd^e 3iuffe im 
©d^ipf a!:5ßa§, erft ummirbett, bann big an bie Änie im 
©d^nee unb fd^Iiefelid^ — ganj. SDer einjige SIroft, ber 
einem bleibt, ift ber: eg liegen oiele im ©d^ipf a^^ßa^. 
@g mar immer fo, ift fo unb mirb fo bleiben. Slaufenb 
®rü§e. aSie immer SDein <^^^ «^ 

184) 33 erlin, b. 24. Sluguft 1882. 

a)ieine liebe ^au. 

3d^ fann mit SDir über aHeg fpred^en, nur 

nid^t über bie Äinber, meil S)u bie S^ugenb tiaft, eine 



20 ttl|. jffontanzB ütitft an ftbit iFanrtlle. 

©tunbe fpoter unter ber bctfll^ntten Überfd^rift: „^aifa 
fagt au($" ^ufectungen, bie nur für SDid^ be^mmt waren, 
an bie grofee ©lode ju l^ängen. 35ie^ ift mir aber im 
l^öd^ften 9Ka§e unbequem, ©inb e^ S5inge, bie ben Äinbem 
abfolut gejagt merben muffen, fo tu' id^ e§ entmeber felbfi 
ober bitte SDid^, e^ p tun; aber menn id^ biefe Sitte 
nid^t eigene au^fpred^e, fo muffen fold^e confessions unb 
Sufeerungen mie Seid^tgel^eimniffe fein. SBenn fid^ fd^on 
überl^aupt ol^ne eine gemiffe ^Diplomatie nid^t leben lä§t, 
fo am menigften ol^ne ^an^^ unb. gamilienbiplomatie. 
35 a^ ift ber ®runb, me^l^alb in oornel^men Käufern, unb 
menn fie mie Äa^' unb ^unb ftel^en, l^öc^ft feiten ,,©jenen" 
ftattfinben, bagegen in ©piefebürgertiäufem immer. Qd^ 
bin felber fel^r plaubertiaft, bilbe mir aber ein, genau 
unterfd^eiben ju fönnen, roa^ meiter erjäl^It merben barf 
unb roa^ nid^t. S)a§ bie^ SDeine gorce märe, fann id^ 
nid^t bel^aupten, am menigften aber ben Äinbem gegen= 
über. Unb fo ^aV id^ mir vorgenommen, mid^ nad^ biefer 
©eite l^in ber ©d^meigfamfeit ju befleißigen. 

©eftern mar fd^Ied^te^ SBetter, am 2lbenb fo fd^Ied^t, 
baß id^ felbft meinen ©pajiergang unterließ. §eute nun 
miH id^ über aWittag au^gel^en, oielleid^t läuft mir etma§ 
Qntereffante^ in ben SBeg, unb id^ fann nod^ eine SRad^^^ 
fd^rift mad^en. ^abt 3^r SRad^rid^t oon 2Bitte? SBo 
ftedft er? @r muß je^t fd^on in ber oerfül^rerifd^en 
SRäl^e oon Äonftantinopel fein. S^h er in ben ©erait ein^^ 
bringt? ©old^en SRüden gibt e§ in ber ganjen Xürfei 
nid^t; id^ l^alt' e^ nid^t für unmöglid^, baß it)m nad^^ 
geftellt mirb. 

Sringe mir bod^ in einer großen unb feften 5ßapier^ 
f apfel etmag SBBamemünber ©tranb= ober S)ünenfanb mit ; 
id^ l^abe SRorbeme^er mitgebrad^t, unb bann fönnen mir 
beibe mifd^en unb aU ©treufanb für bie SBinterfampagne 



1882. 21 

benufeen. Seim ©ebraud^ fann man bann in SRemini^^: 
jenjen fd^welgen. 

SQ3ie immer S)ein 2;b. % 



185) »etlin, b. 24. äuguft 1882. 

3Keine liebe 3Kete. 
Qabt S)anf für S)einen lieben Srief unb bie freunblid^ 
eingel^enbe Sefd^äftigung mit bem armen ©d^ad^. SBenn 
35u fürd^teft, ba^ 3tu^fpred^en t)on Sebenfen fönnte mid^ 
üerftimmen, fo ift ba^ eine ©örge, bie mid^ in SBerlegen^^ 
l^eit bringt unb beinah' traurig mad^t, um fo me^r, afö 
©eorge feinen legten Srief an mid^ mit einer ä^nlid^en 
Setrad^tung fd^Iofe. SEBenn id^ fo reijbar, fo Knbifd^^eitel 
märe, fo täf id^ am beften, id^ ginge in bie @dEe unb 
fd^öffe mid^ tot ©o eitel unb empfinbfam bin id^ aber 
nie gemefen, bin id^ iefet nid^t unb werbe id^ nie merben. 
3a, id^ barf eg gerabeju au^fpred^en, ba^ id^ einen fingen, 
mol^Imotimerten unb vox allem liebevollen ^label, 
einen 2^abel, ber ba^ 2^alent unb bie ©d^reibebered^tigung 
in jebem SEBort anerJennt unb nun erft ju ^u^erungen 
feiner Sebenfen übergel^t, bafe id^ fold^en 2^abel lieber l^abe 
aU uneingefd^ränfteg Sob, gegen ba^ id^ immer mi^trauifd^ 
bin. ©egen bie mobeme 2)umme:=3ungeng'Äritif, voo 
Saffen ober, menn aud^ talentoolle, fo bod^ l^öd^ft frag^ 
milrbige ©eftalten mir beibringen wollen, mag 2lnftanb, 
3KoraI unb gute ©itte ift — gegen fold^e Äritif bin id^ 
freilid^ empfinblid^, aber nid6t iJ)reg 5Eabefö, fonbern il^rer 
Unart unb Unoerfd^ämtl^eit l^alber. 3Kad^t man mir aber 
eine aufrid^tige SBerbeugung, nimmt maxi ben ^ut ab unb 
begrüJBt mid^ l^erjlid^ ober toenigften^ mit 3Kanier, fo fann 
man l^interl^er alleg fagen. Unb menn id^ bieg SRed^t fd^on 
fjremben jugeftel^e, fo meiner %xau unb meinen Äinbem 



22 (K^. JfoxdcmtB ^ütft an fünt iFamUfe. 

erft red^t. SBenn ^ittvon üielleid^t ein paar Slu^nal^tnett 
e^ftieren, fo mn^ man fid^ biefe erft anfel^n ; SBerf d^roben^ 
l^eiten, aud^ wenn fie n)oJ)Imeinettb finb, mad^en mid^ 
ttert)ö^ unb ungebulbig. 2)ag l^at ober mit (Smpfinbelei 
gar ttid^t^ ju tun. 

S)er 5ßunft, ben S)u berül^rft, ift fel^r toid^tig. SEBir 
fpred^en ba^ fpäter 'mal burd^. @§ l^ängt atte^ mit ber 
fjrage jufammen: „SEBte fott man bie SDienfd^en fpred^en 
laffen?" 3d^ bilbe mir ein, bafe nad^ biefer ©eite l^in 
eine meiner Forcen liegt, unb bajs i(^ aud^ bie Seften 
(unter ben Sebenben bie Seften) auf biefem (Sebiet über^ 
treffe. 3Keine ganje Slufmerffamfeit ift barauf gerid^tet, 
bie 3Kenfd^en fo fpred^en ju laffen, mie fie mirflid^ fpred^en. 
S)ag ©eiftreid^e (mag ein bijsd^en arrogant Hingt) gel^t mir 
am lei(^teften aug ber geber. ^ä) bin — aud^ barin 
meine franjöfifd^e 2lbftammung üerratenb — im ©pred^en 
mie im ©d^reiben ein ©aufeur; aber meil id^ vor allem 
ein Äünftler bin, meife id^ genau, mo bie geiftreid^e ©auferie 
l)ingel^ört unb mo nid^t. Qn ,,®rete aJHnbe" unb ,,@llem^ 
flipp" l^errfd&t eine abfolute ©implicität^fprad^e, aug ber 
id^, meinet SEBiffen^, aud^ nid^t einmal l)erauggefallen bin ; 
in ,,S'3lbultera" unb ,,©d^ad^ üon 2Butl)enon)" liegt e^ 
umgefel)rt. S)eg^alb fann id^ mobeme ©alonnoüeHen 
meifteng nid^t lefen, meil aUe^, mag gefagt wirb, fo lang= 
meilig, fo grenjenlog unbebeutenb ift; miß id^ aber eine 
geiftreid^e grau fd^ilbem ober mol)l gar einen 3Kann mie 
Sülom*), nun, fo mujs aud^ *roa^ l^eraugfommen. 
SRatürli(^ fann eg beg (Suten ju oiel merben, unb menn 
Sülom alle 21 ßapitel l^inburc^ fptäd^e, fo mär' eg einfad^ 



*) Üflcbcnfiöut in »©d§ad§ öon fS^ui^moto" , für toeld^e aw 
fd^ctnenb gontoneS SicBlinö, 5llejonber öon bet 9Jlattot|, ber ^xeuvb 
fftdt^tU, einige SH^ ^tlit^txi l^atte. 



1882. 23 

nid^t au^jul^alten ; t)üTt Äapitel 8 an J)ören biefe ®etft? 
reid^igfeiten aber ganj auf ober feieren nur nod^ fcl^r rer^ 
eittjclt Toieber. Unb fo, benP id^, ftnb fie l^injunel^men, 
um fo mel^r, ate mir burd^au^ baran lag, aud^ toirflid^ 
ein 3^ttbilb, ein ©tüdt ©efd^id^te ju geben. Ol^ne ein 
beftimmteg 3Ka§ von ,,aSoraxt^fe6ungen" läfet fid^ über^ 
l^aupt nid^t fd^reiben, unb je gefd^ulter bie aWenfd^en 
werben, je größer wirb ber Ärei^ beffen, worüber man 
plaubem barf. 

Unb nun 3lbe ; atteiS anbre in bem S3rief e an Tlama. 
S)ein alter 5p^^^ 



186) »erlin, b. 27. äuguft 1882. 

aWeine liebe %xau. 
QaU S)anf für S)eine freunblid^en 3^üen t)om 25. 
(greitag). SQBag S)u l^infid^tlid^ ber Äinber fd^reibft, ^at 
mid^ befd^aftigt, unb id^ münfd^te mol^l, bafe e^ anberg 
lauten fönnte. 3lber id^ bitte 2)id^, alle Äämpfe bagegen 
anzugeben. @^ gibt S)inge, bie fi(^ einfad^ nid^t ertragen 
laffen, unb empfinbet man, ba^ e^ fo liegt, fo mu^ ba^ 
gegen angeffimpft unb irgenbmie ^ilfe gefd^afft werben. 
©0 mie'^ aber nur gerabe nod^ ge^t, mujs man'^ laufen 
laffen. S)agfelbe ^rinjip, ba^ mir feit einer ganjen SReil^e 
t)on Salären unfern Seuten gegenüber beobad^ten, mufe 
aud^ ben Äinbem gegenüber in 3lnmenbung fommen. 
SRatürlid^ mu§ eine gemiffe ©uborbination l^errfd^en, man 
mujB, wenn e^ not tut, befel^len unb feinen Sefel^l aud^ 
burc^fefeen fönnen; aber mit biefer mäßigen 3lefpeft^=^ 
fteHung mu^ man fid^ begnügen. Slm aUermenigften mufe 
man an ben ©l^arafteren l^erumbafteln motten; e^ fül^rt 
ju gar nid^t^, aufeer ju aSerftimmung unb ^rgemi^. 2Bie 
fid^ ein SRenfd^ gibt, bag ift nid^t ein S^f^ff/ ^^^ meiften^ 



24 Str. ^ojitantB ^Briefe an \tltat JfoMle. 

md^t ein ©rjiel^uttggfel^Ier, fonbetn bet Slu^brudf feiner 
3latvix. 

2Bir 3llten fönnen un^ über biefe 35inge unterl^alten 
unb, wenn e^ ju arg fommt, fönnen wir aud^ barüber 
flagen unb fie raegwünfd^en; aber nur feine ©jenen, nur 
feine ©rjie^ung^funftftüde. 3Kan barf nur fo t)iel tun, 
toie bie SRotwel^r er^eifd^t. SEBirb e^ ju toll, fo fagt 
man einfad^ : ,,33i^ l^ierJ)er unb nid^t weiter" ; aber man 
mu^ babei nie mel^r motten al^ Sefämpfung be^ @injel=: 
fafö. 3tlfo nod^mafe : Saufen laffen, nid^t^ anbem motten, 
fonbern einfad^ barauf au^ fein, fi(^ nx^t bie Sutter oom 
Srote nel^men ju laffen. 

©iel^t man oon ganj menig 3lu^nal^mefätten ah, fo 
läuft überl^aupt unfer ganjer SBerfel^r im 2tbm entmeber 
auf ein reinem, f(^änbli(^e^ Äomöbienfpiel, ober ba, mo 
im ganjen genommen @J)rIid^feit l^errfd^t, auf Äompromiffe, 
aSaffenfttttfiänbe, ftittfd^meigenbe gegenfeitige Slbmad^ungen 
l^inau^. Unb mie id^ S)ir fd^on neulid^ fd^rieb: ,,3Kan 
fteJ)t JU feinen Äinbem nic^t anber^, mie ju anbem 
3Kenf(^en/' 3tlfo nod^mafe: ©elig finb bie '^mi^txüqm. 
3n ber Xat, mer nid^t feiner 3?atur nad^ auf Äampf 
geftettt ift, mu^ atten ©treit unb atte Äonflifte fliel^n, fonft 
mirb er unglüdElic^. 

3lm greitagabenb mar id^ im 2:J)eater, l^eute mufe id^ 
mieber l^in. 5Rr. 24 ift jefet nid^t ©dEpIafe mel^r; iä) merb' 
alfo moJ)I ba^ SBergnügen l^aben, an hülfen fd^reiben ju 
muffen. — ©eftem auf meinem SDiittag^fpajiergange traf 
id^ 3£., unb mir gingen eine ©tunbe. SEBie unerquidEIid^ 
ift boä) biefe junge ©eneration! @itel, aufgeblafen, 
läd^erlid^ egoiftifd^, ol^ne jebe ©pur oon Seben^art unb 
guter ©itte. Ob unferein^ oor 40 ^al^ren ebenfo mar? 
3d^ bejmeifle e^ bo(^. ^eute frü^ fc^idEte mir SRoben* 
berg bie einliegenbe SSefpred^ung ; mieber fel^r fein. @^ 



1883. 25 

ift bod^ dn orbentlid^e^ Sabfal, einen gebilbeten unb 
artigen 3Kann fo fpred^en ju l^ören. 3lber fo fein unb 
üetbinblid^ id^ bie Äritif finbe, unb fo aufrid^tig id^ xf)m 
meinen S)anf bafür au^fpred^en werbe, fo bleibt bod^ ba^ 
beftel^en, bajs feine ©efamtl^altung gegen ntid^ nid^t rid^tig 
ift. Sag (Sefül^I havon ift fo ftarf in mit, bafe id^ aud^ 
meinen S)anf auf einen fel^r rul^igen ^lon l^in ftimmen 
merbe. 3Kerft er e^, tant mieux, unb ftellt er infolge^ 
beffen bie Sobpreifung meiner „SBanberungen" ein, fo 
l^ab' id^ nid^tg bagegen. 2)ie freffen fid^ nun fd^on felber 
burd^ unb bebürfen feiner ^aUn. 3d^ laffe mir natürlid^ 
aud^ über bie „SBanberungen" gern greunblid^e^ f^gen, 
aber mid^ ein für allemal auf fie annageln motten, bag 
verbriefet mid^. 

SQ3ie immer S)ein 2;b. % 

187) »erlin, b. 5. aWai 1883. 

3Keine liebe 9Äete. 
SBäl^renb iä) biefe geilen fd^reibe, bampfft 35u mol^l 
nad^ ©d^miggerom jurüdE, ba^ S)u nun in l^albem 
^ßftngft:^ unb ^lauffd^mudE üorfinben mirft. ©^ gel^t mit 
biefem grül^ial^r mie mit bem Seben überl^aupt: man i)at 
fid^ in allerlei SBerjmeiflungen l^ineingefprod^en, unb wenn 
man fd^liefelid^ jufiel^t, fielet e^ nid^t fc^led^ter au^ afe fonft. 
S)ie legten SRec^nungen ähneln fid^ überall fel^r. 2Bir 
badeten l^ier fd^on an SBereifung, eventuell an Untergang 
burd^ ©türm (mer \iä) biefer 3lnfd^auung juneigte, brandet 
ni(^t erft üerfid^ert ju merben), unb jefet, mo ®ütt ben 
©d^aben befielet, grünen bie SeUeüue- ©trafen :^Äaftanien 
um fein ^aar fd^led^ter al^ im vorigen ^a^r, unb fifeen 
bie 5ßaare unb ^ßärd^en bei ^oftt) gerabe fo glüdtlid^ unb 
gelangmeilt mie frül^er. S)ie meiften feigen aug, afe trügen 



26 tKlj. ^Fontane« iSrtefe an feine JfamMlt. 

fie jxt engeg ©d^ul^jeug unb matteten auf ben 3Koment, 
n)o fie bal^eim unb in blojäen ©ttüntpfen bog @IM be^ 
2^age^ retgeffen fönnen. SUHtunter brängt fid^ mir bte 
grage auf, ob &ott wirflid^ bie SDienfd^en quält, unb ob 
fie'g nid^t blofe felber finb, bie fid^ bag Seben fo fd^wer 
mad^en. 

©eftem waren wir bei S e f f i n g ig *) ju einem munber^ 
üoHen 2)iner, trofebem eg nur gamilienbiner mar. Sauter 
Seffingg unb beren unmittelbarer 3lnl^ang, fo beifpiefemeife 
jmei grofee, fd^öne ©öl^ne be^ üerftorbenen Slfabemie^ 
S)ireftor^ Seffing (be^ berül^mten) in Äarterul^e, fomie 
ba^ ©ubefd^e @J)epaar, beffen ältefte ^lod^ter aud^ einen 
Seffing, ben Silbl^auer, gel^eiratet l^at. SRad^ Xx\^ l^att' 
id^ ein langet (Sefpräc^ mit beiben ®ube'^ [unb mar in 
ber angenel^men Sage, mit meiner neu eingel^eimften 
Äenntni^ normegifd^er Siteratur, namentlich mit @Ifter 
unb gilejanber Äjettanb (ber faft mie ÄeHanb auSgefprod^en 
mirb, ba^ i prt man faum), parabieren ju Unmn. S)a§ 
ein (Sefpräd^ einem ben ©ef allen tut, gerabe bie 5ßunfte 
ju berühren, über bie man fid^ furj rorl^er informiert l^at, 
ift fel^r feiten; von 5ßaul ^etife pflegte %x. (Sgger^ ju 
fagen: „3Kit ju feinen größten ^Talenten gel^ört ba^, ba§ 
er ba^ @efprä(^ t)orjuf(^reiben unb bann regelmäßig mit 
bem JU brillieren meife, mag er an bemfelben SBormittag 
gelefen l^at." grau ©übe — feine geborene ©räfin 
SEBad^tmeifter, mie id^ frül)er glaubte, fonbem eine Saroneffe 
3lnfer — fagte mir oiel SBerbinblid^e^ über S'SlbuItera, 
xoa^ mir aufg 3?eue betätigte, bafe bie ©efd^id^te für 
natürlid^e unb anftänbige 3Kenf(^en feine Spur oon Se^ 
benflid^em entl^ält; fie nel^men e^ einfach afö ba^, ate 



♦) ßonböctic^t8=2)ire!tor (flötet @cl^. Mtiatat) SeffinQ, iber 
^auipteißentümcr ber »Söoffifd^en ^^itunö". 



1883. 27 

roa^ i^ e^ gegeben l^abe: ein ©tüd Seben ol^ne jebe 
5lebenabft(^t ober S^enbenj. 2Bär' id^ nur jel^n ^al^re 
jünger, fo toär' id^ aud^ ft^er, ba§ iä) bamit burd^bringen 
unb infoToeit beffer afe 2^urgenien) unb S^^^ (wenn aud^ 
felbftoerftänblid^ ntit geringerem änlseren ©rfolge) reuffieren 
toürbe, ate meine ©d^reibtoeife t)on jtoei SDingen Döttig 
frei ift: von Übertreibungen überJ)aupt unb vox allem 
t)on Übertreibungen nad^ ber Seite be§ ^äjälid^en l^in. 
3d^ bin fein ^ßeffimift, gel^e bem 2^raurigen nid^t nad^, 
bef[eil3ige mid^ üielmel^r, alle^ in jenen 5BerJ)äItniffen unb 
^ßrojentfäfeen ju beladen, bie bo^ Seben felbft feinen 6r= 
fd^einungen gibt. 

ajlit meiner ®efunbJ)eit gel^t e^ nid^t gut. Qd^ fann 
mid^ nid^t erl^olen; aHe^, e^ fei förperlic^ ober geifttg, 
mirb mir fauer. ©el^r mal^rfd^einlid^ gel^' id^ f(^on nad^ 
ad^t klagen in ben fiarj, um enbli(^ mieber arbeitgfäJ)ig 
ju merben, benn in 4V2 3Konat feinen ©trid^, ift etma^ 
ju menig für einen ^au^oorftanb unb g^^^ß^^^^t^i^- — 
gräulein SR. mar neulid^ einen 2lbenb bei un^, fel^r 
freunblid^ unb fel^r mübe. 3Kübe 3Kenf(^en müjfen ju 
Sett gel^n. S)a^ ift aud^ eine ber Unge^euerlid^feiten, ja 
SRol^l^eiten unfrei gefeHfd^aftlid^en Seben^, ba§ man, menn 
man nid^t mel^r 3^PP f^S^^ fo^^/ obtx S^^^'^^^ ^^^^ 
einen ©trom= unb 2^rompetenfd^nupfen ober eine furd^tbare 
3Migräne l^at, immer nod^ gerabe gut genug ift, um in 
©efettfd^aj^ ju gel^n. S)a^ ganje, bem ©d^önl^eitlid^en 
unb äftl^etifd^en entfrembete SEBefen be^ (Sermanen fprid^t 
fid^ barin au^, jugleid^ ber fraffe ©elbftfüd^tling. ©elbft:: 
füd^tigfein ift nid^t blofe oermerflid^, e^ ift aud^ i^äfelid^, 
unb bie malere ©d^önl^eit, bie mol^ltut unb erquidEt, ift 
immer nur bei ber ®üte, bie, menn nid^t ba^ ^d^ ju oer^^ 
geffen, fo bod^ menigften^ ba^ anbre Qd^ ju fel^n unb 
}u refpeftieren meife. 



28 tKlj. iFöirtane« ^Briefe wx ftUtt fiavMt. 

Qaht alle ein fd^öne^ 2^auffefi; empftel^l mid^ ber 
jungen aJhttter unb allen 2Bitte'^ unb SKengef^ von 
bte^feitö unb ienfeitö ber Ober. 

SQ3te immer Sein alter ajopa. 



188) 2;^ale a. ^., b. 8. 3uni 1883. 

^ubertu^bab. 
Siebe '^an. 

@g gel^t mir gut. ^ä) lebe l^ier eigentlid^ mie im 
^immel. 35ie SBeranba be^ Saufet, in bem id^ mol^ne, 
ift in ben 5ßarf l^ineingebaut, unb auf eben biefer fife' id^ 
von 8 Ul^r frül^ bi^ um 2 Ul^r. 3)ann S)iner in ber 
aSeranba be^ mir gegenübergelegenen eigentlid^en Rötete, 
Äaffee, ^ßlauberei bi^ 6. SDann mieber ju mir, mo nun 
eine ber fielen Umfleibungen, aug benen fid^ aud^ l^ier 
mein Seben jufammenfefet, vorgenommen mirb. S^^tung; 
Sriefe; auf ben Sal^nl^of, mo id^ ben 3^9 abgelten fel^e. 
©eftem eine ©d^ule, 120 Heine 3Käbd^en oon jmölf bi^ 
fieben Qal^ren. ©tubie für einen SRooettiften. 

SRad^ SRüdEfel^r oon meiner 5ßromenabe begann id^ 
geftem S^^^ i^ U\tn; id^ merbe mol^I über einen 35anb 
nid^t l^inau^fommen, ober oielleid^t lef id^ aud^ alle Sänbe, 
aber oon iebem nur jmei, brei ober oier Kapitel (bie 
Äapitel finb fel^r lang, mitunter 50 (Seiten, alfo fagen 
mir jmei Kapitel). 2lte 3Äann oon gad^ intereffiert mid^ 
bie ©ad^e fel^r, aber oon Semunberung feine SRebe. ©old^e 
3lrbeit, mie bie ,,®renjen ber 9Äenf(^l^eit" oon ^epfe, ift 
reine flaffifd^e Äunftblüte baneben. 2)ie SBorrebe ju 
La fortune des Rougons ift Unfinn unb 3lnmal3ung, alfo 
fd^Iie^lid^ ber reine SDiumpife. 5Run fommt ba^ erfte Äapitel. 
2Ba^ l^ierin erjäl^Ierifd^e^ Talent ift, erfenn' id^ gern an — 
mand^e^ (aber aud^ nur mand^e^) ift fd^arf beobad^tet, bie 



1883. 29 

3)arfteIIung lebl^aft, farbenreid^, Melnb, aber nid^töbefto^ 
toentger aHeg nur ©d^tnöfer. ^öd^fter ober aud^ nur 
l^öl^erer ©d^möfer fein, ift üielleid^t bo^ SRomanibeal, aber 
mittlerer ©d^ntöfer mit ein paar ©pifeen ift mir nid^t 
genug. @r erinnert mid^ beftänbig an ©öbfd^e: ©ebaftopol, 
SRena'©al^ib 2C. @g wimmelt von %tf)km, 2Kuf(^eleien, 
Ungel^örigfeiten unb Unfinnigfeiten — lesbar, aud^ für 
unferein^, aber o^ne Äunft unb ol^ne Silbung. @r tut 
gebilbet, ift e^ aber nid^t. 

©efel^n unb geplaubert l^ab' id^ J)ier fd^on fel^r t)iel ; 
bei ber grenjenlofen SBereinfamung, in ber id^ lebe unb 
bie id^ für Sllltag^ meber änbem fann nod^ mitt, ift 
mir bie 2luffrifd^ung ju gönnen. 

©rüfee aHerfeit^. SEBie immer 35ein 2:6. % 



189) 2:^ale a. iQ., b. 9. 3funi 1883. 

Siebe grau. 

3d^ lebe l^ier im felben 2;radE meiter, aud^ in berfelben 
banfbaren 3tner!ennung fo fd^öner 2;age. 3Kein Sefinben 
ift gut, bie Suft fd^ön, bie SBerpflegung untablig, bie Seute 
freunblid^, plauberl^aft, unter^altlid^. 

©eftern abenb l^ab' id^ mieber ein Kapitel S^^^ 9^^ 
lefen. S)a^felbe Urteil: frifd^, lebenbig, doH fd^ilbember 
Äraft, aber ol^ne Äunft unb ©orgfalt. SBenn alle mobemen 
franjöfifd^en 3tomane fo finb, ^at ©piell^agen allere 
bing^ red^t, il^nen ,,Äompofitiün" abjufpred^en, unb er ^at 
jmeiten^ (xoa^ er noä) lieber l^ören mürbe) anä) red^t, fid^ 
brüber ju ftellen. 3d^ mürbe bie^ nod^ beftimmter au^- 
fpred^en, menn er nid^t etma^ fpejififd^ „©piell^agenfd^eg'' 
^ätte, momit id^ mid^ nid^t au§föl)nen fann. &n ^afe 
barf nid^t l^afig fc^medten. ©inen Keinen ©ffap über fein 



30 Ä^. iFüntanee lörtefe an fehte JFamüte. 

üerrüdteg aSoxroort — bieg bejiel^t fid^ aber auf 3^1«, 
nid^t auf ©pieIJ)agen — l^ab' id^ l^eute frül^ gefd^rieben. 

^eute traf aud^ meineg SBirte^, ^erm ©tebeng 
iüngerer ©ol^n (23j[äl^r{g), l^ier ein. ©r ift ^U ^df)x lang 
afe Lettner in ßonbon geroefen, erft int 3ior)aU^oUl, bann 
int (Safton^^^otel, ©afton ©quare. 3d^ fonnte mit il^m 
tttüa^ Sonbon fd^wämten. ^I^nlic^ wie biefer junge aWann 
fliegt jefet aHeg in bie weite SBelt l^inein. ®in ©ol^n beg 
aSirteg auf bem Surgberg bei ^arjburg, wo bie fogenannte 
©anoffafäule fte^t, ift jefet in einem ©efd^äft in Uruguay, 
mag ©efd^mifterfinb von ^araguat) ift, unb fommt nad^fleng 
jurüdE, um auf bem alten Surgberg ^einrid^ beg ginflerg 
ben S)ienft ju übernel^men unb jeben SDiorgen unb Slbenb 
ju lefen: ,,SRad^ ßanoffa gelten mir nid^f' @g fott jefet 
in ,,bod^" abgeänbert werben, üielleid^t bIo§ überHebt, 
bamit man'g leiiä^t mieber abreißen fann. 

aSie immer S)ein j;^. g. 



190) ^^ale a. fi., b. 11. Quni 1883. 

Siebe grau, 
©eftem war l^ier ein großer S^ag. 3d^ würbe gebeten, 
ftatt um jwei allein ju effen, um IV2 an ber 2;able b'i^öte 
JU erfd^einen, wag id^ natürlid^ nid^t ablel^nte. Qd^ fa^ 
mit an ber gamilienedte, l^atte ben alten ©ieben, ber 
natürlid^ Diel jünger ift alg id& (SEBrangel), neben mir, 
feine 2^od^ter, bie junge ^au, vis -ä -vis. S)er SReft ber 
©efeHfd^aft beftanb aug (Sutgbefifeem aug ber 3laf)t mit 
il^ren grauen unb Äinbem; lauter nette Seute, bieÄinber 
reijenb, befonberg alg fie ßl^ampagner getrunfen l^atten unb 
©üurage friegten. SRad^ 2:if d^ festen wir ung auf bie SBeranba 
unb blieben l^ier t)on brei hi^ neun unb bann nod^ jwei 
©tunben von neun big elf in einem Keinen ©alon, wo 2;ee 



1883. 31 

getrunfen würbe. S)te (SefeUfd^aft felbft l^atte fid^ mittler^ 
tocile reränbert. S)et alte ©ieben, ber nac!^ bem SRed^ten 
feigen mxtfete, trat üom ©d^auplafe ab; bafür aber traten 
nun bie ,,öonüratbren von Xi)ak" ein, bie wol^l baran 
gewöl^nt finb, tl^ren ©onntagnad^ntittag auf ber ©teben^ 
fd^en aSeranba jujubringen. Qd^ fteHe 35ir biefe fierrfd^aften 
vor: SRittntetfter a. SD. ©(^. unb grau, ted^nifd^er Sled^- 
l^ütten^Setrieb^bireftor ©., faufmännifd^er SSIed^l^ütten=: 
Setrieb^bireftor ©t., Dr. med. 9i. 31. unb fjrau unb 
(Siebend ©d^raiegerfol^n unb '^an. 

S)ag Seobad^ten unb ©d^lüffejtel^en ift, wie S)u weifet, 
meine 2Bonne. S)er fonnt' id^ mid^ nun ad^t ©tunben 
lang l^ingeben. ©nbrefultat fel^r günftig. 3d^ fd^impfe 
immer über 5ßreufeen; aber f ö roa^ leiftet bod^ nur 3?orbs 
beutfd^Ianb unb allenfalls ©fanbinaüien. Qn ©nglanb 
ifl fd^on t)iel ju t)iel ©d^ein, gefellfd^aftlid^er Sug unb 2^rug. 
3[lle vorgenannten 5ßerfonen waren nid^t nur fel^r gebilbet, 
fonbem aud^ von guter Haltung unb fein unb liebengs^ 
Wärbig in il^rem SBefen. S)er Softor ein reijenber, ge^ 
mütlid^er Äerl auS 3?orbl^aufen, feine %xan fd^lid^t, gütig, 
anmutig; ber SRittmeifter (ein ^üne wie 5Riemann, aber 
nod^ größer unb ftattlid^er), el^emaliger berliner S)on ^uan, 
ber iefet leiber feine frül(ieren S^riump^e mit tic douloureux 
unb Auren in Slad^en beja^len mufe, feine %xau ^übfd^e, 
blonbe aJHgränenbame mit t)iel (Selb ; bie beiben 2)ireftoren 
(3w^99^f^tt^^) weitgereifte Seute; berSiebenfd^e ©d^wieger^^ 
fol^n junger Kaufmann, aber mit ^^Slbiturientenejamen'' 
unb „bdndf)^ 3fiefert)e:=Seutnant". 3Kit bem ©iebenfd^en 
©ol^n — aufeer bem Derl^eirateten ©(^wiegerfol^n (parbon, 
©d^wiegerföl^ne finb immer cerl^eiratet) ift auä) nod^ ein 
unrerl^eirateter ©ol^n l^ier — fprad^ id^ über ©nglanb, 
mit ^erm ©t. über 5ßariS, 5ßarifer 3lrd^iteftur, üeränberteS 
5ßarifer Seben, 3^1^^^ SRana, Srüffel unb bie berül)mte 



32 tKtf. Jfontamn iSriefe an ftlnt fiavMt. 

SBier^fd^e ober SBiet^fd^e (jfanbalöfertoeife fann id^ nx^t 
'mal filier ben SRatnen angeben), ©emälbefammlung, unb et 
entwarf mir baDon ein \o üorjüglid^e^ Silb, bafe id^ Suft 
friegte, Srüffel um biefer Sammlung mitten mieberjufel^n ; 
mit ^erm 6. ©efpräd^e über SQBien unb Italien, mit bem 
SRittmeifter über 5ßrinj g^ebrid^ Äarl unb berliner 
3KiIitärt)erl^äItniffe, mit bem 35oftor über 3Kagneti^mu^ 
unb Spiritismus, — unb baS aHeS mar nid^t blofe ®e== 
quatfd^e, fonbem fo gut, xok fold^e (Sefprä^e nur fein 
fönnen. SBie bumm ift eS, fid^ ju überl^eben — l^interm 
Serge mol^nen anä) immer Seute. 9Äit bem ©d^mieger^^ 
fol^n unb feiner jungen grau miß iä) in ben näd^ften 
2^agen nad^ JQueblinburg. S)iefer ©d^miegerfol^n ift erft 
feit fieben SDionaten unb ber Sbrbl^aufener 35oftor erft feit 
brei SDionaten oeri^eiratet; beibe 5ßaare fel^r glüdtlid^ unb 
fel^r järtlid^, aber in fel^r angenel^mer SEBeife. SQBenn 
id^ iefet foI(^e jungen 5ßaare feJ)e, maS ja öfter üorfommt, 
tuft a5u mir nad^ 33, unb faft fann id^ fagen nad^ 
38 Salären nod^ nac^trdglid^ aufrid^tig leib. SQäie gut 
f)dbtn eS biefe Seute, unb mie fd^Ied^t ^aft S)u eS gel^abt. 
aSon mir reb' id^ nic^t; 5ßoetent)errüdEtl^eit unb ^ßoeten^^ 
bünfel l^elfen einem über aHeS meg. 3lber bie armen 
fjrauen! junger, SRot unb ©orge, Heine Äinber, feine 
3tuSfid^ten (ober l^öd^ftenS auf neue) unb Don ber SBelt 
mit einem Slidf beS 3KitleibS ober aud^ mol^l mangeinber 
3l(^tung geftreift. ©d^Iie^Iid^ 'S)at fi(^ ja atteS leiblid^ 
jured^tgerüdEt, unb SDu mürbeft jefet ein f(^Ied^teS ©efd^äft 
mad^en, menn 2)u mit ber ,,grau ©oftorin'' in SCI^ale 
tauf(^en moHteft, aber ber 3lnfang mar fd^mer. 

S)u J)aft ganj red^t: baS Sefte im Seben ift 3trbeit; 
man fann faft fagen baS ©injige. Unfre alte meiSl^eitS^ 
ooHe SRol^r l^at bieS immer geprebigt. 35u mujst mid^ 
beSl^alb aud^ nid^t bebauem; eS geniert mid^ blo§, meil 



1883. 33 

id^ e^ unftttutg finbe. 3tmm bie jtoet legten ^fingft^ 
feiertage! ©ottt' id^ ttroa, ftatt ju arbeiten, m^ ^alenfee 
falzten? ©räfelid^er ©ebanfe! 

Sebe roo^U Saufenb ©tüfee. S)ettt j;^^ «^ 



191) X^aU a. ^.,b. 12. 3um 1883. 

Siebe grau. 

3JHt 3^1<i riidP id^ jefet rafd^er t)om)ärtö, weil bie 
fjei^ler, bie mir anfangt J^aarfträubenb erfd^ienen, faft ganj 
t)erfd^n)inben; bie julefet gelefenen Äapitel finb toie bie 
mir befannten au^ „L'assommoir", gemanbt, unterl^altlid^, 
oft mifeig unb erl^eitemb, aHe^ in allem aber bod^ eine 
traurige SBelt. Sarauf leg' id^ inbe^ fein grojäe^ ©emid^t, 
bag ift 3lnfd^auung^=, nid^t Äunftfad^e. Qn 2lnfd^auungen 
bin id^ fel^r tolerant, aber Äunft ift Äunft. 2)a üerftel^' 
id^ feinen ©paJB. 2Ber nid^t f eiber Äünftler ift, brel^t 
natürlid^ ben ©pie^ um unb betont 2lnfd^auung, &t^ 
finnung, ^lenbenj. 

^ä) fpred^e l^ier fel^r oiel, nel^me aber bod^ mieber 
mal^r, bajs iä) ein meitau^ befferer fiörer afe ©pred^er 
bin. 3)er alte Sieben fprid^t erl^eblid^ mel^r, unb 
ber ©d^miegerfol^n oiel mel^r ate id^; ba l^ör' id^ 
bann ju unb erfal^re l^ier mel^r oon Serlin atö in Serlin 
felbft. 

Sege bod^ in S)einem näd^ften Sriefe eine SRäl^nabel 
mit einem fd^marjen 3^^^^=^ ober ©eibenfaben ein, aber 
erft in eine Äapfel geftedtt. 3tIIe mobemen ^ofennäl^te 
finb nur gel^eftet unb l^aben bie ©igentümlid^feit, immer 
an ben bebenflid^ften ©teilen ju reiben, mo ^ilfe ebenfo 
nötig mie fd^mierig ift. 35enn gerabe mit SRüdEfid^t auf bie 
©teile fann man fid^ nid^t oertraulid^ an ein fleine^, rot== 

%ff. Fontanes laviefe an feine ^amilte. II, 3 



34 tKlj. ^Fontane» Ärtefe an frtne JFontUte. 

föpftgeg S){eTtfttnäbd^en wenbett. ©iS wate fd^on faft tote 
eitt Sltttrag. 

aOBte ttntner S)em altet <^u «^ 



192) 3;^ale a. $., b. 14. 3unt 1883. 

Siebe fjrau. 

3lnx eitt Sebeti^jeid^eti. Slud^ l^iet aHe^ tteffttH, tntt 
tiatürltd^ gatij red^t. ,,®ttt)ag SQBerg fittbet fid^ ttntner nod^." 
^eute finb ber alte ©ieben unb XocI^Ux \amt ©d^n)ieger= 
fol^n nad^ S^refeburg gefalzten, roobnxä) id^ (Selegenl^eit 
fanb, 'mal jwei ©tunben ntit beni jungen ©ieben^ ber ftd^ 
in ©egenwart be^ SBater^ retir6 pit, ju fpred^en. ©in 
allerliebfter Äerl. 3?atürlid^ in leiblid^em ©egenfafe gegen 
ben Sllten. &ani ftimmt e^ nie; beibe feigen nid^t bIo§ 
ba^ Seben, fonbem aud^ i^r 3Ketier ganj oerfd^ieben an. 
Sllte unb neue 3^tt, immer biefelbe ©efd^id^te. 

SepeU Sriefd^en ift ja fel^rgnäbig; üielleid^t föl^nt 
er fid^ nod^ mieber mit mir au^. S)er alte (Sieben ift 
aud^ 3Slaqon unb ,,arbeitet" aud^. (Sin „^auptarbeiter" 
in ber Soge atonal 5 2)orf ift aud^ 31. 3t., biefe grofee 
©emmel mit Srille unb 5ßerrüdEe, oon bem mir l^ier oor^ 
gefd^märmt morben ift. SBenn id^ fo 'mag l^öre unb fel^e, 
bann mirb mir manc^e^ in meinem Seben auf einen dbxd 
tlax. 3d^ bin abfolut einf am burd^g Seben gegangen, 
ol^ne Älüngel, 5ßartei, ßlique, Äoterie, Älub, SEBeinftieipe, 
ÄegeIbaJ)n, ©fat unb greimaurerfc^aft, ol^ne red^t^ unb 
ol^ne linfö, oJ)ne ©ifeungen unb SBereine. S)er SRütli mit 
brei 3Kann fann faum bafür gelten. Qd^ l^abe ben ©d^aben 
baoon gel^abt, aber aud^ ben SBorteil unb, wenn id^'g nod^ 
einmal mad^en foHte, fo mad^t' id^'g wieber fo. SBieleiS 
büfet man ein, aber wag man gewinnt, ift mel^r. 



1883. 35 

3Kit „La fortune des Rougons** bin id^ burd^ unb 
fange l^eute nod^ „La conqußte de Plassans" an. SDaiS 
%aUnt ift grofe, aber unerfreulid^. Sefonberä benterfeng^ 
wert ift fein 2Bife. Sßon Unpttlid^feit ober and^ nur t)on 
f5rit)oIität feine ©pur (e^ ift grenjenloiS buntm, ba§ 
gerabe ha^ biefen Sudlern vorgeworfen wirb), unb felbft 
Don Sptti^wiu^ ift faum toa^ ju finben; e« ift aber burd^^^ 
aug niebrig in ©efamtanfd^auung oon Seben unb Äunft. 
©0 ift ba« 2thtn nid^t, unb wenn eg fo wäre, fo müU^ 
ber oerflärenbe ©d^önl^eit^fd^Ieier bafür gefc^affen werben. 
aber bieg „erft f d^affen" ift gar nid^t nötig ; bie ©d^önl^eit 
ift ba, man wu§ nur ein 3luge bafür J)aben ober e^ 
wentgfteng nid^t abfid^tlid^ oerfd^Iiefeen. S)er ed^te 
SReali^mug wirb aud^ immer f d^önJ^eit^ooU fein ; benn bag 
©d^öne, ©Ott fei S)anf, gel^ört bem Seben gerabe fo gut 
an wie ba^ ^äJBlid^e. SBielleid^t ift e§ nod^ nid^t einmal 
erwiefen, bajs ba§ ^äfelid^e präponberiert. 35ie Seimifd^ung 
oon Äleinlid^em unb ©elbftifd^em, bie felbft unfre beften 
©mpfinbungen J)aben, fd^afft woJ)I bie fogenannten 
„3Kenfd^Iid^feiten", aber nid^t bie nadtte ©efinnungg* 
©emeinl^eit, beren SSerfünber S^la ift. SEBa^ oon „Sbeali^ 
tat'' baneben J)erIäuft(3Kiette unb ©iloefter), ift SBerjerrung, 
5ßoef{e mit 3llbem^eit DerquidEt. 3Kan fielet, e^ pafet il^m 
nid^t. 2;aufenb ©rüfee S)ir unb allen. 2)ein (^^ ct^ 



193) 2:^ale a. fi., b. 15. 3funi 1883. 

Siebe grau, 
»eften S)anf, aud^ für ba^, wag SDu ol^ne SRot alg 
,,Duatfc^" bejeid^neft; eg ift aHeg ganj oerftanbig unb 
wal^rfd^einlid^, mit einigen ®inf d^ränfungen , aud^ rid^tig. 
3d^ fann liebeoollen 2:abel fel^r gut vertragen ; ja, er 



36 Stf« ^ontantB iSriefe an feine iFamUie* 

ixanä)t noä) niä)t 'mal ItebeüoH (wie e^ her S)eine ifl) 
ju fein. 5Rur 5EabeI, ber nid^t blofe unliebeüoH, fonbetn 
an^ unt)erftänbni^t)oII unb eigentlid^ unel^rlid^ ift, ben 
tann iä) nid^t vertragen, am wenigfien bann, wenn er ftd^ 
anä) nod^ mit 2lnniafeung ober bod^ wenigften^ mit Über= 
legen^eit^'SlUüren paart. Überlegenl^eit ! SBer l^at bie? 
Sie ganj Sffienigen, bie fie melleid^t l^aben bürften, bie 
miffen, mie fd^mer Äunft ift, unb mad^en, im Seiten unb 
Snnerften befc^eiben, feinen ©ebraud^ bat)on. 

^ä) \)abt ie^t ben erften Sanb S^la burd^. ,&unbert 
SCoHl^eiten, Unfinnigfeiten, Sffiiberiprüd^e l^ab' id^ notiert; 
babei ift ba^ (Ban^t feinem ©eift unb SBefen nad^ tief 
anfed^tbar (nid^t vom 3BoraIftanbpunft auig), unb bod^ 
bin id^ voü 3lnerfennung unb t)ielfad^ aud^ voü 33e^ 
munberung. SBenn mid^ einer fo tabeln woHte, wie id^ 
Qoia table, fo vootlV id^ il^m ben ©rofd^fenfd^Iag auf:: 
mad^en. S)ie ipanb il^m füjfen ift mir, bei ber Unfid^er^: 
l^eit ber ipänbe, um einen @rab ju t)iel. 

einiget von ©einen 3lu^fteHungen*) wirb fid^ er^^ 
lebigen, aber nid^t t)iel. ©gon^ unb granji^fa^ Sßerl^ältni^ 
fpuft fd^ün in ben erften 12 Äapiteln ftarf t)or; er mad^t 
fid^ nid^t mel au^ il^r, aber fie liebt il^n t)om erften 
2lugenblidE an, roa^ fid^ barin jeigt (unb bieg ift burd^ bie 
ganje Slrbeit burd^gefül^rt) , bafe fie in feiner ©egenmart 
immer nert)ßg ift unb fofort in eine pointierte, l^alb leiben- 
fd^aftlid^e ©pred^meife rerfäHt. Qm übrigen meife id^ fel^r 
mol^I, bafe id^ fein 3Jieifter ber ßiebe^gefd^id^te bin; feine 
Äunft fann erfeften, mag einem von ©runb aug fel^It. 

SlHeg l^ängt natürlid^ an ben ßl^arafteren granjigfag 
unb beg alten ©rafen; 2)u ftellft ®id^ ju beiben nid^t 
rid^tig, mag aber freilid^ partieH menigfteng meine ©d^ulb 

*) ?ln bcm bantalS einer legten Umarbeitung unterzogenen 
Iftoman »@raf ^etöf^". 



1883. 37 

fein mag. Qm ganjen fd^tlberfl 2)u ben ßl^arafter %^ 
rid^tig, aber fü foll fie fein. Unb wa^ ben alten 
©rafen angefit, fo roiH er nid^t^, aU unter „33eobad^tung 
aller S)el^ür§" eine geiftreid^e, pifante 5ßerfon nm fid^ l^aben. 
(Sr bered^net nid^t Äug genug, bafe bieg, feinem im ©l^ren^ 
punft fd^Iiefelid^ büd^ fel^r biffijilen ßl^arafter gegenüber, 
auf bie S)auer nid^t gel^t, unb an biefem SRed^enf eitler 
gel^t er jugrunbe. ©inen S^ugenbfpiegel l^eiraten 
ju woHen, bat)on ift er meit ah. 

2)u fagft, „S)u feieft grofee^ 5ßublifum", bieg aber 
brüdEt ©eine Stellung fold^en Singen gegenüber bod^ nid^t 
fd^arf genug aug. „©rofeeg ^ßublifum" bift ®u begl^alb 
nid^t, meil S)u en detail einen fel^r feinen, fünftlerifd^en 
Sinn fiaft; aber 2)u bift aUerbingg, mie bie meiften grauen, 
eine fonüentioneHe 5Ratur. Qm 2eben ift bieg ein ©lüdE, 
aber jur Beurteilung von Äunftmerfen, beren 3^^* wnb 
3ielift, fid^ über bag Äonrentiünelle juerl^eben, 
jur 33eurteilung fold^er Äunftmerfe reid^t natürlid^ ber 
Äont)entiünaIigmug nid^t aug. @r ift bag ©egenteil il^rer 
felbft. @o rid^tig 2)u aü^^ t)erftanben l^aft, fo fef)' id^ 
bod^, ba^ 2)u meinen S^tentionen gar nid^t gefolgt bift 
unb nid^t blofe bie ©efd^id^te, fonbern aud^ bie iQaupt:= 
perfonen mit einer ber lanbläuflgen SRoreHenliteratur mU 
nommenen 3lIItaggeIIe augmifeft. SRatürlid^ werben bag 
bie anbern Sefer erft red^t tun. S)u wirft eg aber be= 
greif lid^ finben, wenn id^ fage, bafe bieg gar feinen @in^ 
brudE auf mid^ mad^en fann ; bag Äunft=^ unb @r!enntnig^ 
vermögen jener „anbren" (the Million) liegt tbm weit l^inter 
mir. Seiber bin id^ äufeerlid^ nid^t in ber Sage, bieg aüt^ 
v'oxnt^m leidet nel^men ju bürfen, aber wenn id^ nur nod^ 
17 Saläre lebe, roa^ büd^ möglid^ ift, fü werb' id^ b ü d^ burd^^ 
bringen. 3n einigen fiöpfen fängt eg bereitg an ju tagen. 

©rufe ®ud^ allen! 2Sie immer 2)ein ^^^ g^ 



iB8 VI). Jfontantsi iSriefe an ftlxit iFoinilije* 

194) X^aU a. iß., b. 16. ^uni 1883. 

Siebe grau. 

5Rur ein paar SBorte. ,&eute würbe toieber ein SSer^ 
fud^ mit einer ^able b'l^ote gemad^t, weil ein alter 
75iäl^riger ®ei). SRegierung^rat aui^ S)anjig mit 3Wutterd^en 
unb ^üd^ter angefommen war. ©^ war fel^r ob' unb 
langweilig. 3laä) 2^ifd^ aber trat er an mid^ l^eron unb 
fragte mid^, ob id^ nid^t aud^ „Lafontaine" l^iefee? 2ln^ 
fang^ ging e^ mir bei biefer grage, wie ei^ mir mit 
meinem SRoman „Sßor bem ©türm" gel^t, ben id^ aud^ 
immer t)ergeffe, gefd^rieben ju l^aben. Äurjum, id^ lonnte 
mid^ momentan auf „Lafontaine" nid^t befinnen, aud^ 
war bie grage nid^t fonberlid^ gefd^idft gefteHt; aber balb 
rüdEte fid^'^ jured^t, unb er gab fid^ aU 2^unnelbruber 
„SBill^elm äJlüIIer", feinem bürgerlid^en Flamen nad^ 
aber aU ®e^. SRatQ. ju erfennen. (©d^on 1827 bei ber 
©rünbung eingetreten unb 1838 t)om ©d^auplaft ge^ 
fd^ieben, ]o ha^ xä) ü)n nie gefel^n l^abe.) 

3Werfwürbig ift mir immer ba^ ftiHe ©elbftbewufetfein, 
ba^ fold^e giguren, aud^ wenn fie manierlid^ unb lieben^^ 
würbig finb, au^fd^wifeen. ßl^efrebafteure, ©d^riftfteHer 
ufw. I^aben ba^ nie; wenn fie'^ l^aben, fü tritt t^ mel 
l^ä^lid^er auf unb ift bann einfad^ an^tboxm Unüerfd^ämt^ 
l^eit. ^erfonen, wie biefer ®el^. diät, l^aben aber leine 
©pur t)on Unt)erfd^ämtl^eit, unb il^r ©elbftbewufetfein ifl 
nid^t^ anbre^ aU © t an be^bewu^tf ein, ba^ fie burd^ 
ben SRang, ben fie jugeftanbenermafeen in ber 
©efellf d^af t einnehmen, notwenbig grofejiel^en muffen. 
3a, man lann fagen, e^ wirb il^nen von aufeen l^er 
aufgezwungen. ®^ ift immer ba^felbe Sieb: wer 
burd^au^ ©d^riftfteHer werben mn^, ber werb' t^; er 
wirb fd^Iie^Iid^ in bem ©efül^I, an ber il^m einjig paffenben 
©teile ju fielen, aud^ feinen S;roft, ja fein @IüdE flnben. 



1883. S9 

Stber töer nid^t gang bafttr geboren tft, ber bleibe havon. 
S)a^ Heine bi^d^en Slefpeft, bo^ man einflößt, ifl nid^t 
Sld^tung, fonbetn gurd^t. SDer ©d^riftfteHer ift fojufagen 
„^ßrefe^SDeteftit)". 

§eute ^aV id^ bie ganjen 12 ober 13 Äapitel, bie 
l^ier nod^ lagern, SReoue paffteren laffen; fie finb ^nm 
ktÜ leiblid^ gut in Drbnung, aber e^ ift bod^ bem Vim^ 
fange nad^ nod^ fel^r oiel, nid^t oiel weniger afö bag, 
xoa^ S)u fd^on abgefd^rieben i^aft. 

@ben ie^t (6 Ul^r abenb^) erl^alt' id^ ©eine Äarte, 
bie mid^ fel^r erfreut. SRatürlid^ wirb fid^ furd^tbar oiel 
gegen bie ©ad^e fagen laffen, wobei id^ bie Älugfd^mufer, 
bie bie ©ittlid^feit, bie l^öl^ere ©eutfd^l^eit unb brei Äunft^^ 
pl^rafen gepad^tet l^aben, nod^ gar nid^t mit in SRed^nung 
ftelle. Jlein, nein, aud^ au^ feinem', äftl^etifd^en ©efül^I 
l^eraug wirb fid^ mand^e^, niele^, jwar nid^t ol^ne 
weitere^ oerwerfen (baju ift e^ oiel ju fel^r überlegt unb 
immer wieber burd^gefiebt), aber bod^ anzweifeln laffen. 
Unb bod^ barf ic^ erl^obenen ipaupte^ bie grage ftetten: 
SBer ift benn ba, ber bergleid^en fd^reiben tann? ÄeHer, 
©torm, diadb^, brei grofee 2^alente, — aber fie fönnen 
bai^ gerabe nid^t. ^^ Unm nur brei, bie'^ fönnten: 
^tr)\e, topfen, ©piell^agen. ^epfe würb' e^ oielleid^t 
beffer mad^en, aber fd^wad^Iid^er, topfen oielleid^t beffer, 
aber oerrüdfter, ©piell^agen oielleid^t beffer, aber fpiet 
l^agenfd^er. Unb fo benP id^ benn: man nel^me ei^, wie 
t^ ift, table, wa^ nid^t^ taugt unb freue fid^ an bem, 
waÄ gelungen ift. 

©eftem abenb war glidfabenb bei jwei Sid^tern, 
wäl^renb e^ brausen gewitterte. 2)er S^ixn i)atU Änoten 
unb wollte nid^t, aber bie §ofe ^at bod^ fd^Iiefelid^ ©d^am 
unb @l^re wieber gefriegt. 

^erjlid^e ©rüfee oon S)einem <^u ct^ 



40 fRti* ^Fontanes £rteft an feine JfamUlt. 

195) S^ale a. öv i>. 21. 3um 1883. 

3Wein lieber, alter S^l^eo. 

^aU S)attf für S)einett langen unb lieben^würbigen 
Srief, ber t)ürgeftem l^ier eintraf unb nod^ am felben S^age 
bie l^albe rüdläufige Sewegung nad^ 33erlin l^in mad^te. 
aSßie ftd^ von felbft t)erftel^t, wirb 2)ir 3Kama bie ge^ 
roünfd^te Heine Summe fd^iden; mir miffen ja, baß S)u 
nid^t „ju ben jungen Seuten au^ ber 5ßüt^bamer 3lrifto== 
fratie gel^örft", beren einer, mie id^ eben im Sörfen^ 
ßüurier gelefen l^abe, 400000 3Wf. an einem Slbenb an 
$errn „Kaufmann SReuter'' t)erfpielt l^at. Unb bod^ fönnte 
man fid^ beinal^' münfd^en, fold^en ©ol^n ju l^aben; benn 
über meld^' ^Portemonnaie muß ber Sßater verfügen, beffen 
©ol^n 400000 3Warf an einem Slbenb oerfpielen fann! 

©inige ^ßunfte in S)einem 33riefe l^aben mid^ ganj 
befünber^ amüfiert, „ber t)orjeitige ©torc^" unb baß „il^r 
an ©teile gtiebrid^^ be^ ©rußen bie Äuner^borfer ©dölai^t 
gewonnen l^ättet". 3n biefem fd^erjl^aft jugefpiftten ©a^e 
liegt t)iel SBei^l^eit; benn eigentlid^ ift ba^ ber ©tanb^^ 
punft, ben jeber Jlac^gebome, ber Älügfte unb ber S)ümmfte, 
mit rül^renber Siaioetät einnimmt. SBarum mad^te Sutl^er 
bie SReformation? SBarum mürbe ber 30j[äl^rige Ärieg 
nid^t rermieben? SBarum fül^rte ©d^iffer-CSoetl^e bie 
beutfd^e Siteratur auf 3lbmege? SBir miffen je^t ganj 
genau, baß man ba^ aUeg mel Ilüger l^ätte anfangen 
muffen. 3lber nad^ 50 Qal^ren! S)ann merben mir an^^ 
gefd^rieben. S)u mirft melleid^t nod^ lefen, baß 33iMardE 
ein ßretin gemefen fei. 

2)aß S)u aud^ an S)einem neuen aSBol^norte mieber 
„Siebling" bifi, l^abe id^ gern vtvnommm. @^ muß S)ir 
alfü burd^aui^ 'mo fiften (aud^ ber 33rauereibefifter unb 
SReferoe-^auptmann ober ^ßremierleutnant ©olbfd^mibt 
fd^märmte mir neulid^ jum jmeiten 3Wale tttoa^ von 3)ir 



1883. 41 

t)or), unb SDu magft S)id^ nad^gerabe überjeugt l^alten, bafe 
3Wama unb id^ un^ biefer S)etner ^^rtumpl^e mitfreuen, 
wenn S)u aud^ nid^t fo nad^ unfcnn ©efd^madf bift, ba^ 
wir un^ in biefem l^od^grabigen ©ntl^ufiaMu^ anbrer 
jured^tfinben ober il^n übertrumpfen Unmn. SSielleid^t 
liegt e^ barin, bafe mir un^ beibe (Ttama unb id^) einen 
Sbealjängling jured^tmad^en , ber (barin ift 3Kama be:= 
fonber^ grofe) alle ^ugenben in fid^ vereinigt, anftatt ben 
3Wafeftab au^ ber SBelt ber SBirHid^feiten ju nel^men. 
Übrigen^ entfd^eibet aud^ auf biefem ©ebiete ber ©rfülg, 
unb bringft 2)u „aU Ärönung be^ ©ebäube^ aud^ nod^ 
eine reijenbe ©d^miegertüd^ter in^ ißau^, fü garantier' id^ 
2)ir 3Kama^ üöHige Unterwerfung. Unb id^ l^umple 
bann nad^. 

@rgel^' e^ 2)ir guf, mein alter Äerl, unb fei ber W)^ 
fd^Iufe in granffurt fo gut mie ber Slnfang. SBie immer 
S)ein alter gj^p^^ 



196) 2:^ale a. ie., b. 22. 3uni 1883. 

Siebe grau. 
S)u fd^reibft befriebigt über bie t)erl^äItniMa^ig üiele 
3eit, bie S)ir jeftt jur SBerfügung fielet, unb fd^iebft e^ 
auf meine Unpünftlid^feit ober bod^ auf meine fonberbare 
2:agei^einteilung. 3d^ glaube, bafe e^ 2)ir babei mie fo 
oft gel^t: S)u l^aft ein rid^tige^ ©efül^I ober mad^ft eine 
rid^tige Seobad^tung, unb nur in ber SDiotioierung ober 
©rHärung bift S)u nid^t glüdEIid^. S)a^ id^ um brei unb 
um jel^n effe, fann mirtfd^aftlid^ unbequem fein, fri^t aber 
S)eine 3^^ nid^t meg. S)afe biefe bod^ mitunter meg^ 
gefreffen mirb, liegt einfad^ barin, ba^ id^ oielfad^ 3ln^ 
liegen an S)i(^ l^abe, bie natürlid^ megfallen, menn id^ 
nid^t ba bin. „Sitte, beforge mir ba^", „bitte, mad^e bod^ 



42 Sl). Jrßntann Briefe an f^t JfavMt. 

ben Scfud^", ,,Mtte, Hc^ mir bod^ 'wa^ vox*\ „bitte, 
fd^reibe mir bod^ 'wa« ah'% — \o gel^t bo^ oft tagelang ; 
ba^ ift aber ni^t Uttpünftlid^feit. ^6) bin unpünftlid^, 
aber bei bem ftillen, jurücfgejogenen Seben, ba§ töir feit 
^al^ren führen, fpielt bie Unpünftlid^feit feine 3iüffe. ©ie 
fann fxä) einfad^ nid^t jeigen. 

aWeteg Srief unb il^re fiarten fmb lieber oorjüglid^; 
fie l^at ein ganj entfd^iebene^ fd^riftfiellerifd^e^ 3;alent, be= 
üba^tet fd^arf, ift geiftoüH unb l^at für alle^ einen natür- 
lid^en äu^brudE. ©ie tut mir leib. SBore fie aU reid^e 
'^amt geboren, fo wäre fie tabello^ ; fo aber fel^It il^r bod^ 
ba^ ju Seben unb &IM Unerlafelid^e: bie gegebene Situation 
einfad^ ju begreifen. Qebe^ Sanb, jebe ©efeUfd^aft, jebe^ 
Seben^alter, iebe§ SBerl^ältni^, jebe^ ^Portemonnaie forbert 
ein ganj beftimmte^ 33enel^men,' unb bie entfpred^enbe 
Haltung ju treffen, ift bie red^t eigentlid^e Seben^Hugl^eit. 
©ie l^at fxä) etnfad^ in ben Äopf gefegt, „'S)ame ju fein", 
ol^ne fid^ ju fragen, ob ba^ fo o^ne weitere^ gel^t. ^amt 
bleiben, fann man immer; aber 'S:)amt fpielen, ift oon 
ben äußeren SSerl^ältniffen abl^ängig, bie man nid^t immer 
in ber $anb l^at. Übrigen^ pngt aUe^ im Seben an 
einem feibnen gaben, unb ein l^öl^erer SBille fpottet jeben 
3lugenbIidE unfrer 33etrad^tung unb 33ered^nung. 5ßidft fie 
irgenbmo in 3WedElenburg einen reputierlid^en SKann auf, 
ber ifir jeben 2;ag SBeingelee oorfe^en fann, fo l^at fie red^t 
gel^abt. 3Jlan oerjapft, fo gut man fann, feine oäterlid^e 
SBei^l^eit, unb fd^Iie^Iid^ ift bod^ aud^ biefe belämmert. 

3Jlorgen über ad^t 2^age miH id^ reifen; id^ benfe, 
bafe mir ber 3lufentl^alt gut getan unb mir menigften^ bie 
Äräfte gegeben l^at, in SSerlin brei SBod^en lang ftramm 
JU arbeiten. 3fn SRorbemep miH id^ bann meine neue 
SRooeHe fd^reiben. 

SBie immer SDein ^^^ « 



1883. 43 

197) X^ale a.^.,h. 23. Sunt 1883. 

Siebe grau. 

Öeute frül^ tarn bie beiliegenbe Statte. 3Kir ift e^ 
fel^r lieb, ber ©inlabung nad^ ©lienide*) l^in entgangen 
ju fein. ^(S) träumte \o 'wa^ t)on einem 3Rarqui^ 5ßüfa, 
l^abe mid^ nun aber überjeugt, bafe e^ aH' biefen sperren 
nid^t an Dffenl^eit, grei^eit, 3lnregung, fonbem nur an 
Sobpüfaunung unb ßiebebienerei liegt, unb baju bin id^ 
nid^t ba. ^a^n l^öd^ften^ „SRittmeifter^^SRang", ift mir 
aud^ ju wenig. Übrigen^ laff' id^ bie ganje (Sefd^id^te 
aU eine intereffante unb le^rreid^e ©pifübe in meinem 
2tbtn gelten. 

©leid^mäfeig verlaufen l^ier bie 2^age. 2)ie ^piaubereien 
mit bem alten ©ieben l^aben einen gemiffen Sffiert für mid^, 
meil fie mir einen ©inblidf in bie eigentlid^en 33erliner 
Sourgeoi^freife gönnen, bie büd^ mieber fel^r anber^ finb 
aU bie Äaufmann^== unb Sanfierfreife, mobei id^ nod^ gar 
nid^t an 33Ieid^röber benfe. 2)ie Seute, von benen er mir 
erjäl^It, finb ©d^Iäd^ter, 33rauer, 33Mer, Äonbitoren, 
Öotelier^, SReftaurateure. S)ann mirb mir immer mieber 
ein SBort lebenbig, ba^ vox gerabe 36 Qal^ren ber 3lpotl^efer 
3ung, ate id^ in fein ©efd^äft eintrat, ju mir fagte: „©ie 
treffen l^ier ein anbre^ 5ßublifum, feine ©el^eimräte, (Sott 
fei 3)ant" @r l^atte red^t unb unred^t, unb bi^ biefe 
©tunbe mei^ id^ nid^t, mofür id^ mid^ entfd^eiben füH. 
SBäre ber 33eamte nid^t fü fümmerlic^, unb märe ber 
Sourgeoi^ nid^t fo pro^ig, engl^erjig unb ungebilbet, fü 
mürb' id^ fagen, einer ift fü gut mie ber anbre. ©ü fann 
id^ nur fagen: einer fü fd^Ied^t mie ber anbre. 

©0 ftiH bie 5Eage l^ier t)ergel^n, fo l^at biefe fHHe 
SBelt aud^ il^re Aufregungen, ^eute nad^mittag i)at fid^ 



*) 3mn ^xinjeii Sriebxiti^ ß^arl. 



44 Sl^. ^Fontanes iSriefe an fehte iFamiiie. 

in ber Siad^barfd^aft ein Dr. 3. erfd^offen. 2)u entfinnfi 
S)id^ be§ ^^üenounfd^enen ©d^Ioffe^" im SBalbe, mit milbem 
SBein unb ^Papagei^SBüIi^re, — e^ ^af) au^, afe ob f5ri^i>^^ 
unb 5ßoefie il^r $eim barin l^aben müßten. Unb mie mar 
e^? SBeld^e furd^tbaren S)inge l^aben fid^ feit Qal^ren 
barin abgefpielt? Sie, bie %xan, mar reid^; il^r erfter 
aWann ftarb, unb balb nad^ bem 5Eobe l^eiratete fie biefen 
3., einen ftrammen ^au^lel^rer il^re^ einjigen ©ol^ne^. 
S)a^ ift nun jel^n, jmölf S^al^re l^er. 5Bon [einer grau 
®elbe laufte er fid^ ben Softortitel, ber ©ol^n fam in 
^Penfion, fie (balb elenb merbenb unb vxtl älter afö er) 
langte enblid^ bei 3Würpl^iums@infpri^ungen an, mäl^renb er 
ben 2ehtmann, ben ©üffel unb ben Süberjal^n fpielte. ©0 
meit ba^ @elb nid^t feftgemad^t mar burd^ bie SBormünber 
be§ jungen, l^at er aUe^ nerbrad^t unb fid^ in ben legten 
aSßod^en aud^ nod^ eine ©d^eibung^Hage megen ©l^ebrud^ 
jugejogen. ©rfolgte bie ©(Reibung, fo mar er ein SBettler. 
6r mad^te fid^ bie^ Har, l^at biefe ganje Jlad^t nod^ burd^=^ 
gefneipt unb l^eute nad^mittag ber 5Cragitomöbie ein ©nbe 
gemad^t. SBie vkl ©d^redEIid^e^ mufe in bem „SDiärd^ens^ 
l^aufe" rorau^gegangen fein! SBenn id^ etma^ ganj in 
SRüfen unb SSergi^meinnid^t liegen fel^e, mirb mir fd^on 
immer angft unb bange. 2)a bod^ lieber unfre niebrigen 
Stuben unb einen fd^iefgebauten Dfen. 

©rgel^' e^ 2)ir gut! 3QBie immer 2)ein alter 



198) Sr^ale a. §., b. 25. 3uni 1883. 

Siebe grau. 

Sein lieber 33rief, ber l^eute fam, mar ja eine förmlid^e 

Seiftung. 2)a^ SDu fo niel Sefud^e mad^ft, ift mir äu^erfl 

angenel^m; erften^ jerftreut e^ S)id^ unb regt S)id^ an 



1883. 45 

jujeiten^ tft e^ an^ Kug unb toeife. „aSBer fid^ ber ®mfatnfett 
ergibt, ad^, ber tft balb allein." 3^^^^^* ^^^^ ^^^ SUieufd^- 
l^eit immer el^er ol^ne ben einen, afö ber eine ol^ne bie 
3Kenf d^l^eit fertig werben. ®raf © d^ a d ift ein ganj feiner 
2)id^ter, ©d^ule 5ßlaten, aUe^ tüd^tig, burd^bad^t, gefeilt, 
forrelt, mirflid^er Äünftler — e^ fel^It il^m nur ein^: 
Äraft, unb meil er feine Äraft f)at, ift aUe^ nur gemad^t, 
aber nid^t gejeugt. Jlid^t^ l^at Originalität unb b e ft i m m t e 
S)id^terpl^9fiognomie; aUe^, mag er fd^reibt, Mnnte aud^ 
ein anbrer gemad^t l^aben. SSergleid^e bamit Senau, ben 
man auf 500 ©d^ritt erfennt. 

2Reine 5Eage t)ergel^en l^ier in alter SBeife. SBenn 
S)u mid^ fäl^eft, mürbeft 2)u erftaunt fein über meine 
©d^ma^l^aftigleit ; melleid^t ift eg be^ ©Uten ju riel. 2)ie 
gerien fünben fic^ an, bag ^aug mirb üoHer. 3Kürgen 
frül^ jmifd^en fünf unb fed^g mirb Dr. 3f. eingefd^arrt, fü 
mu^ man e^ nennen ; man ^at bie ©tunbe fü frül^ gemäl^It, 
um eg minber auffällig ju mad^en, menn niemanb folgt. 
S)er alte ©ieben erjäl^Ite mir l^eute „SRäubergefd^id^ten" 
t)on il^m ; afö er fertig mar, fagte id^ : „^ören ©ie, nel^men 
Sie mir'g nid^t übel, an bem allen fann id^ gar nid^t^ 
finben." @§ maren lauter SagateHen, unb mir mürbe 
mieber in einer fd^redElid^en 3Beife babei Har, mie frei man 
in einer großen ©tabt unb mie jämmerlid^ unfrei man 
in Meinen 9?eftem lebt. 2)abei finb bie aWenfd^en feine^megg 
beffer, im ©egenteil. 5Rur bag „decorum" fpielt eine 
gro^e SRoHe. ©ei fo bredfig, mie 2)u miUft, mtnn nur 
ba§ SSorl^embe blanf ift. 

©eit geftern abenb bin id^ aud^ mit „La conquete de 
PlassaDs" fertig unb l^abe geftern nad^mittag t)iel barüber 
gefd^rieben. (SBormittag l^alt' id^ mit ©emiffen^aftigfeit 
meine Äorrefturftunben.) S)ag SCalent ift lüloffal, big 
juleftt. er fd^mei^t bie gtguren l^eraug, ate ob er über 



46 (Klj. iFont»ne« iBrfefe an feine iFamtlte. 

gelb ginge unb fäte. ©tw'o^nlxä)^ ©d^riftfteffer, unb 
gerabe bte guten unb beften, lommen einem arm baneben 
t)or, ©totm bie reine Äird^enmauS. Unb bod^, im lefeten 
ift er ^dlh 5pietf(§, l^alb ©oebfd^e. 5Bon itmm l^at er bie 
?JüIIe unb garbe ber ©d^ilberung , von biefem ba^ Un^ 
gejügelte, ba^ S)urd^gängerif(§e, bie milbgemorbene 
gäl^nrid^^fantafie. ^efefiel fagte feinerjeit fel^r rid^tig: 
„©üebfd^e, bu l^aft 'mal mieber ju t)iel S^^'^^tinftw^ 0^^ 
trunfen!" 3d^ ^offe, über 3oIa fd^reiben ju lönnen. SBa^ 
bi^ ie^t über il^n gefagt ift, ift aUe^ bumme^ 3^^0/ 
gerabeju Knbifd^. Jlid^t^ liegt fo bamieber mie bie Äritit 
S)ie Setreffenben miffen gar nid^t, worauf e^ anfommt. 
©iner ber SBeften ift nod^, menn er fid^ jufammennimmt, 
33Iumentl^aI; ber ift nid^t blofe mi^ig, roa^ in bejug 
auf Äritif gar nid^t^ bebeutet, fonbem aud^ mirflid^ 
f r i t i f d^ beanlagt, ß i n b a u f d^reibt reijenb, ift geiftreid^, 
in l^ol^em SKa^e unterl^altlid^ ; aber in ber ^auptfad^e trifft 
er ben 5RageI burd^au^ nid^t immer auf ben Äopf. SRur 
bie Keinen ©ülbnägeld^en, bie blofe burd^ ba^ güumier- 
l^ülj gel^n, bie trifft er immer. 

ipeute n)ill id^ nod^ ben britten S^^^f^ä^^^ Sioman 
anfangen, ßrgel^' eg S)ir gut. SBie immer SDein 

3:^. g. 



199) 2:^ale a. iß., b. 29. ^uni 1883. 

Siebe grau. 
2)ie§ finb nun alfo bie legten 3^^^^^ meinet bie^* 
jäfirigen ^^l^alenfer Slufentfiato ! gür ©einen tbtn er^ 
^altenen 33rief beften S)anf. — S)afe 3Wete nad^ SBame^ 
münbe gel^t unb ba^ junge ^ßaar feinem mutma^Iid^ 
eigentlid^ften honey-moon (benn mit bem erften ift e§ 
immer nid^t t)iel) überlädt, fann id^ nur fel^r billigen. 



1883. 47 

3)aneben fielen unb ftd^ ben aWunb toifd^en, ift nid^t fel^r 
angencl^Tn, wenn man 23 ift. S)er 5ßlan, bei gräulein S). 
töegen ©tunben anjuftagen, i)at meine t)oIIe 3uftimmung. 
SRatütlid^ benf id^ babei, unb jmar nid^t blofe in erfter 
SReil^e, fonbem ganj au^fd^Iiefelid^ an 3Wete felbft. SBir 
mürben e^ fd^Iiefelid^ aud^ fo aui^l^alten unb an bem 
aSegfall eine^ felbftoerbienten unb für ©arberobe ju t)er= 
au^gabenben ©ftro^ nid^t jugrunbe gel^n, aber fie felber 
mirb fid^ auf einen ©d^Iag ganj anber^ fül^Ien. Seftimmte 
Sefd^äftigung ift an unb für fid^ fd^on ein ©egen; !ommt 
nun nod^ ein ©efül^I ber 5pflid;terfüffung unb einer baburd^ 
gemonnenen greil^eit unb ©elbftänbigfeit l^inju, fo l^at 
man jmar nid^t aüt^ ©lüdf, aber bod^ ein gut ^eil bavon. 
3Wete l^at b\& jeftt unfer Seben, il^r 2tbtn, ba^ Seben 
überl^aupt nid^t rid^tig angefel^n; fommt fie in ba^ rid^tige 
gal^rmaffer, fo fann fie bei il^rer reid^en Begabung ein 
^rad^tejemplar merben. ©tolj, ©elbftgefül^I, l^ül^er @l^r= 
begriff, SRobleffe — ba^ finb alle^ munberbar fd^öne ©ad^en, 
aber fd^on ein bifed^en ju t)iel banon ift ein Unglüdf unb 
läd^erlid^ baju. 

3Kein leftter 33rief mar nid^t in einer befonber^ 
refignierten SBerfaffung gefd^rieben; id^ moHte nur jum 
©Uten reben unb S)ir (roa^ iä) aud^ l^eute nod^ tue) ba^ 
3ugeftänbni^ mad^en, ba^ bie beftonbig von 3Jlann unb 
pier Äinbem an S)id^ geftellten gorberungen S)id^ un^ 
gebulbig unb mitunter in l^oi^em 3Wa^e t)erftimmt mad^en 
bürfen. SBenn immer von unfrer „traurigen Sage" ge^ 
fprod^en mirb, fo reijt mid^ ba^ ; benn unfre Sage ift ate 
Sage feine^meg^ traurig, mit ber ©urd^fd^nitt^eHe gemeffen 
el^er ba^ ©egenteil. SBirb fie aber von benen, bie ain^ 
fprüd^e mad^en, mid^ felber mit eingered^net, ate eine 
Sans phrase gute angefefin, fo ift ba^ nid^t nur ebenfo 
falfd^, fonbem aud^ ber birefte SEBeg, um eine befd^eiben 



48 Ä^f. ^ontantB Briefe ort feine 4Fa«rtlte. 

augfömtnltd^e Sage in eine töirflid^ ,,trautige" ju vtx^ 
roanbeln. Unb bie ^rd^t havox überfommt 2)id^ mitunter, 
unb aud^ mit SRed^t. 

3d^ la^ in biefen S^agen unter anberm aud^ ba^ 
t)ieraltige 5ErauerfpieI „Slngela" (nad^ ©piell^agen^ Jloman), 
ba^ id^ l^ier mit l^ergenommen l^atte. S)ie Bearbeitung 
ift ganj gefd^idEt gemad^t, eigentlid^ abfolut untabltg, aber 
bie ©piell^agenfd^en ipauptfiguren — bie Jlebenfiguren ftnb 
immer ganj gut — finb mir l^öd^ft unfpmpatl^ifd^. Qmmer 
bie SßorfteHung, ba^ ein 2)id^ter, ein 3WaIer ober überl^aupt 
ein Äünftler etma§ Sefonbere^ fei, mäl^renb bie ganje 
©efeUfd^aft (unb fo mar e^ immer) auf ber niebrigften 
©tufe fielet, fo niebrig, ba^ bie meiften übergelegt merben 
müßten. SBon biefer Siegel gibt e^ nur fel^r menig Slui^s 
nal^men, Scott j. 8., aber Spron ift fd^on mieber entfefelid^. 
3Jlan mn^ ben Äünftlem gegenüber, menn e§ mirflid^e 
Äünftler finb, SBerjeü^ung üim unb fünfe gerabe fein 
laffen, aber il^re SKifd^ung t)on 33Iöbfinn, ©ittenfred^l^eit 
unb 3lrroganj aud^ nod^ ju feiern, ift mir mibermärtig. 
©d^on bie bloßen SReben^arten, ,,meine Äunft ifi mir l^eilig" 
(namentlid^ bei ©d^aufpielerinnen), bringen mid^ um. 

ailfo morgen abenb auf ^offentlid^ frol^e^ SBieberfel^n. 
SBie immer 2)ein j;^ «^ 

200) ©mben, b. 18. 3uH 1883. 

aWeine liebe %xan. 
aSiel 3Kufee, bie mir ©mben mieber gönnt, läfet mid^ 
el^er ein Seben^jeid^en geben, aU i^ erwarten lonnte. 
Sei fierlömmlid^em Siegen mar id^ nm 4 Ul^r in ^annooer 
unb bei nod^ l^erfömmlid^erem um 12 in ©mben. 3)abet 
mar e^ fo falt, ba^ mein 6oup6fenfter, afe e^ anfänglid^ 
nur niefeite (ober oielleid^t mar e^ aud^ blofe ber SBafferbampf 



1888. 49 

her Sofomottoe), fx^ in etnct SBtertelftunbe mit ©t^blumen 
bebedte. Qd^ l^ätte l^aud^en unb Söd^er in^ @tS bred^en 
müjfen, wenn id^ bie Sanbfd^aft l^ätte feigen woHen. S)iei^ 
unterliefe id^ aber; benn wenn man 12 ©tunben lang 
@Ifen unb Äiefem unb tttoa^ 33ud^meijen bajmifd^en Qt^ 
fel^n l^at, fo ift man sick of it. 

aiWt einem ftattlid^en, aber erregten ^erm, ber mir 
im Sütelomnibug erjäl^Ite, er l^abe ben jubringlid^en 
^au^fned^ten „eine 'runter l^auen moHen" (xooUi id^ un= 
miHfiirlid^ etma^ abrüdEte), fam id^ um SWitterna^t im 
„SBeifeen ^au^" an, einem ^aufe, ba^ 3lnfprud^ auf alle 
garben, namentlid^ auf bie Sraunftufen beftftt, nur nid^t 
auf meife. @^ erinnert mid^ lebl^aft an ein ©aftl^au^ in 
äalborg, 1864, ba^ ben Slamen „^^'6mf führte unb 
entfd^ieben ein ^pi^önif vox bem läutemben glammentüb 
mar. SKerfmürbig finb bie ©erüd^e in fold^en alten 
hütete, ebenfo unbefinierbar mie bie ©aucen. Übrigeng 
ift jmifd^en beiben ein 3nfammenl^ang , namentlid^ votnn 
man bebenft, mie beJ^nung^fäl^ig ber Segriff ift. ©influfe 
ber 3^Iö=:Seftüre. 

Um VI 2 Vif)x ge^t l^eute bag ©d^iff, ba^ fieifet alfo: 
eg gel^t um 2V2. Unb jeftt ift e^ erft 10 U^r. SBie id^ 
biefe fünftel^alb ©tunben l^inbringen merbe, mögen bie 
©Otter miffen. 3Wit S^i^^ngen bin id^ fd^on fü meit 
'runter, bafe id^ geftem abenb in Seer ben Seerer unb 
$ßapenburger Slnjeiger gelefen l^abe. ^n jebem ftanb bei== 
läufig ein ©tüdf 3lot)eIIe; man lann bdnaf) fagen, xotnn 
ber 3Kenfd^ ju gar nid^t^ mel^r ju braud^en ift, bid^tet er 
unb fd^reibt 3lovtütn. S)ie Äünfte finb ba§ iQöd^fte, aber 
aud^ bag Siiebrigfte; SRid^arb SBagner unb ein Äunftreiter- 
S^rompeter finb beibe SKufifer. 

3Jlir gegenüber präfentiert fid^ ba^ ftattlid^e ©mbener 
aiatl^au^, ein nid^t unintereffanter l^oHänbifd^er SRenaiffance^ 

%^. Fontanes Briefe an feine framUie. II. 4 



50 ®tj. ^Fontane» iBrUfe an feine iFamtlte. 

Sau mit aUtx^anb l^iftotifd^en 3Werftt)ürbtgIetten. ®^ 
füllen ftd^ t)iele SRüftungen unb ^intid^tung^fd^tDerter 
baruntet befinben; id^ l^abe aber ben 33IodE gefel^n, auf 
bem 3lttna Sulen^ ^aupt fiel, unb ba^ Seil, mit bem 
^am ®xat)^ ipaupt abgel^adt mürbe, unb barf, anbrer 
Äleinigfeiten ju gefd^meigen, fagen, bafe mein Chamber 
of horror^Sebürfni^ vollauf gebedt ift. Unb fo merb' 
id^ benn rul^ig an meinem genfter fiften bleiben unb bie 
glut fteigen unb fallen fel^n ; ein l^ä^Iid^er SBaffer^ainblidE, 
bei bem man unfren Äanal, felbft in feinem SKüuffier^ 
ftabium mieber fd^äften lernt. 

3lnn meife id^ weiter nid^t^ mel^r. 3d^ mill aber 
bod^ nod^ nid^t abfd^Iie^en, meil üielleid^t nod^ etma^ 
(Sro^e^ gefd^iel^t: ein Sranb, ein ^ßrinj ober eine Über« 
fd^memmung. 

11 Ul^r. Si^ ie^t ift nod^ nid^t^ gefommen, id^ miff 
nun alfü ©d^id^t mad^en. 

SBenn S)u SBangenl^eim^ pel^ft, fo frage bod^, ob 
2:iroI, ober nod^ beffer ©teiermarf, nid^t ein paar beoor- 
jugte ^eilige, fojufagen ©pejial^ipeilige l^ätte, gleid^oiel 
männlid^ ober meiblid^. ^^ braud^e fold^en fteirifd^en 
©pejial ' ipeiligen für meine ^ßetöfp ^^ SRooeHe. Qn ber 
^Picarbie gibt e^ j. 33. einen ^eiligen, „ber l^eilige girmin", 
ber fonft nirgenb^ oorfommt, unb fold^e Sofalgröfeen 
gibt e^ überall. "iBtnn 2)u ma^ erfäl^rft, fo fd^reibe mir 
ben 5Ramen in ©einem näd^ften 33rief. 

©rgel^' e^ S)ir gut! 2Bie immer S)ein alter 

S^. g. 

201) SR r b e r n e 9 , b. 19. 3uli 1883, a»arien::©tra§e 3. 
Siebe ^au. 
5Die SRegenftunben in ®mben nal^men alfo enblid^ il^r 
®nbe unb um IV2 Ul^r, jiemlid^ pünftlid^, ging ba^ ©d^iff. 



1883. 51 

9iatürltd^ ein ,,Äatfcr SBtll^elm", aber ein Älappetfaften, 
ber nid^t 86 3!al^r alt werben wirb, ©ttoa 20 5ßaffagiere 
an SSorb. Qd^ befreunbete mid^ erft mit einer fäd^fifd^en 
gamilie auö SBei^enfete, bann mit einer jübifd^^^polnifd^en 
avi^ 5Pofen ober SBarfd^au. SDer fäd^fifd^e $err mit ^au 
unb brei Äinbem l^atte ben amüsanten, mir au^erji \r)m^ 
patl^ifd^en 3ug, ben fafi alle Sad^fen l^aben: gut gelaunt, 
ttma^ wifeig, etmaö J^unwriftif^ unb voU fd^elmifd^er 
©elbftironie. @r befteffte fofort 5 2;affen ftaffee. äfe 
biefe lamen, beiläufig malere SRiefenejempIare (fögenannte 
SSomlen), fagte id^ il^m: „Qd^ l^ätte il^n gleid^ mieber^ 
erlannt; aber ©emifel^eit l^atte mir erft ber Äaffee gegeben; 
geftern abenb 5 grofee 2;affen in Seer, l^eut 5 nod^ gröjsere 
an SSorb." @r ladete unb fagte: „&oü, id^ bin ein 
©ad^fe; bem muffen ©ie in biefem fünfte fd^on mag 
jugute l^alten." 2lfö id^ il^m barauf ermiberte: „^^ 
1i)ättt eg laum l^erau^geprt, er mad^e von feinem ©äd^fifd^ 
einen fel^r bi^freten ©ebraud^," antwortete er: „@ott, 
mir finb aud^ nid^t von ben ©(^limmfien ; menn mir nad^ 
ySeipj'g' fommen, fo lad^en mir." 

SDie iübifd^^polnifd^en Seute verfügten über einen 
reijenben ©prad^enfönb (aud^ möl^I nod^ über anbre 
gonbi^); unter fid^ fprad^en fie polnifd^, roa^ beiläufig 
fel^r fd^ön Hingt, mit ber ©rjiel^erin franjöfifd^ unb mit 
bem SReft ber SKenfd^l^eit beutfd^. S)ie alte "^amt mar 
fel^r t)erbinblid^ gegen mid^. SBa^ frül^er bie jungen 
SDamen an mir t)erfäumt l^aben — morüber id^ jefet fel^r 
milbe unb beinal^ banfbar benfe — Idolen bie alten nad^. 
Seiben liegt mol^I ein rid^tiger ^^ftinft jugrunbe: bie 
jungen fül^Iten l^erau^, ba§ ßiebe nid^t meine gorce mar, 
unb bie alten fül^Ien jefet l^erauö, ba§ id^ ein artiger unb 
amüfabler alter $err bin. «Srgenbmo fommt man immer 
auf feine Äoften. 

4* 



52 Älr« iFjontanes iSrtefe an feine iFamtlte. 

S)te Sal^rt tft langweilig unb eigcntlid^ eine (Sebulb^j^ 
probe, befonberö beöl^alb, weil man, wenn man fd^on ba 
ju fein glaubt, feftfifet unb l^albe ©tunben lang, oft oiele 
©tunben lang, auf gli^t warten mujs. ©o ging ei^ aud^ 
geftem, aber bod^ nid^t fo fd^Iimm wie im vorigen Qal^r. 
Salb nad^ 6 U^r fonnf id^ bie Än^pl^aufenfd^e SBiHa 
beutlid^ erfennen, unb um 7V2 Ul^r legten wir an bem 
5pier an. @in 3^nge nal^m mein^Iaib, unb fo fieuerten 
wir auf bie SKarienftrafee ju. 3lx. 3, in bem im vorigen 
^fal^re ein beftänbigeö S^reppauf unb ^^db war, l^atte etwa^ 
von einem ajiaufoleum; id^ Iie§ mid^ burd^ biefen &tt^ 
brudf aber nid^t ftören unb mietete t)on einer Keinen 
„©d^Iiefeerin'' au^ SBeft:=2lccummerfieI bie oorjal^rige 
SBol^nung unter ben oorjäl^rigen SSebingungen. ©ie, bie 
©d^Iiejserin , war burd^ grau Äapitän SBamedfe bereite 
unterrid^tet unb jeigte fid^ freunblid^, artig, oerftdnbig, 
waö id^ fo gern l^abe. 

3lad^ einer Keinen ©äuberung ging id^ nun in bie 
©tabt, um einige ©infctufe ju mad^en unb in ©d^ud^arbt^ 
$oteI JU 2lbenb ju effen. 

ßrft in bie 2lpotl^efe. ^ier traf id^ ^erm 2lpotl^eIer 
Dmmen in ^ßerfon, einen ftatttid^en ^riefen von Silbung, 
SKanieren unb S)iftinftion. ©ine <3!nfetgrö§e. ^^ bat um 
ein gläfd^d^en Esprit de Menthe unb beftettte mir für l^eut' 
ein gro^eö Dpcroceum^^flafter. Sei ber ©elegenl^eit nannt' 
id^ il^m meinen Flamen unb begann biefen wie gewöl^nlid^ 
JU bud^ftabieren. @r lel^nte bie^ aber mit einer vtxbini^ 
lid^en ^anbbewegung ah unb fagte nur, l^alb fragenb, 
l^alb fid^ t)emeigenb „S^l^eobor gontane''? mit Betonung 
be^ SBomamen^. 311^ i(^ meinerfeit^ nun nidfte unb fo^ 
jufagen meinen ^Prinjen^Stem jeigte, murmelte er affertei 
bunKe ^ulbigung^worte, fo ba§ id^ bie 2lpotl^efe mit bem 
©efül^I t)erliej3, ben größten S^riumpl^ meinet 2tbtn^ er^ 



1883. 53 

lebt ju l^aben. Unb bieö ift nid^t etwa fd^ctjl^aft, fonbern 
ganj emftl^aft gemeint. S)u Toetfet, wie tnifettauifd^ unb 
ablel^nenb td^ in biefem fünfte bin. SDieö war aber 
wirflid^ 'wa^ unb wiegt mir brei Drben auf; benn 2ln= 
erfennung, f^^eube, ja felbft SRefpeft (ber 2lrtifel atfo, in 
bem man ganj befonber^ unb bi^ jur Ungebül^r ju furj 
fommt) fprad^en fid^ in bem öenel^men be^ ajianne^ au^. 
SDie^ lange ©d^reiben barüber mag etma^ Äomifd^e^ 
l^aben; id^ befinbe mid^ aber in ber Sage eine^ jungen 
SKäbd^en^, ba^ fid^ geftem abenb verlobt l^at unb feiner 
greunbin über biefen Seben^aft berid^tet. 

33alb nad^ 9 Ul^r mar id^ mieber ju $au^ unb mottte 
mid^ eben an ba^ 2lu^padfen meinet Äoffer^ mad^en, afe 
grau Äapitän "il&axmät erf d^ien, um mir il^re 2lufmartung 
JU mad^en unb nad^ meinen SBünf(^en ju fragen, ©ie 
bemöl^nt nämlid^ ein anbre^, grö^re^ ^au^, mit einer 
3WiId^^ unb Sldermirtfd^aft unb läfet bie „S5epenbance", 
in ber id^ mol^ne, burd^ bie vorgenannte Keine ©d^Iiefeerin 
auö SBBefts:2lccummerfiet t)ermalten. Qd^ bat fie, bie ®api:= 
tana, 5ß(afe ju nel^men, unb mir l^atten nun ein längere^ 
©efpräd^, ba^ fid^, nad^ 3lbmad^ung be^ @ef(^äftlid^en, 
allerlei belif aten fragen jumanbte: @I|e, SBitmenftanb, 
fränflid^er ajiann, SBermögen^üerl^ältniffe, Xoh unb ©terben. 
©ie fagte mir, ba^ fie erft feit jmei SKönaten t)ermitmet fei 
unb nun mit il^ren Äinbem allein ftel^e. S)er SKann 
l^abe fi(^ auf einer ^nbienfal^rt eine fc^mere Äranfl^eit, 
bie ,,inbifd^e SRul^r", jugejogen unb l^abe neun Qalire 
lang baran gelitten ; fed^^ Qal^re lang l^abe er nod^ feinen 
Äapitän^bienft tun !önnen, aber mäl^renb ber legten brei 
Sfal^re fei er immer fuanf gemefen. 2ltte Säber, barunter 
au^ 2lad^en, l^ätten nid^t gel^olfen; jule^t fei ^erid^^ 
fonfultiert morben, ber uerorbnet l^abe : frif d^e Suft, befte^ 
gleifd^ unb guten SRotm'ein. @ine SJerorbnung, bie mid^ 



54 ®^. fioxdarttn ^xltfe an feine iFamtlle. 

für %x^xxä)^ cmmtnmt, benn bte ganje aRcbijtnfd^Iuderei 
tft Unfinn. 3luf biefe SSetorbnung l^ttt jögcn bie SEBar^ 
nede^ naä) SRorbeme^, um ,,frifd^c Suft" ju l^aben, ber 
RxanU aber, bct felir rctjbar toar, ärgerte fid^ beim 
Qau^hau, unb bie^ war fein %oh. S)er ©lanjmoment 
ber Unterl^altung war, al^ id^ ju tröften anfing, ©ie 
^atte gemeint, übrigen^ fel^r mit SUianier, unb bann l^inju^: 
gefügt, ,,bie Äranf^eit fei fd^mer für il^n, aber freilid^ 
aud^ für anbre gemefen." ^ier fefete id^ nun ein unb 
fagte: „für einen gremben fei eö mifetid^, fotd^e fünfte 
JU berül^ren, aber ba fie jefet felber barauf l^inbeute, fo 
müfete id^ il^r fagen: „^n biefem allem läge bod^ julefet 
au(^ ber 2^roft; rotnn man niemanbem mel^r jutiebe 
leben !önne, meber fid^ felbft nod^ anbren, fo fei ber %oh 
jmar l^art, aber böd^ baö 33efte." Unb fö fül^rte id^ benn 
baö alte 2^l^ema, „ba^ SBäterd^en abfommen fönne", burd^ 
unb fanb eigentlid^ unbebingte 3^fttmmung. ©ie l^at 
jefet eine SUiild^mirtfd^aft, melioriert i^ren 3ldfer unb fel^r 
mal^rfd^einlid^ aud^ fid^ felbft. S5enn bei einem SRanne mit 
ber „inbifd^en SRul^r" fommt man btojs 'runter. SSiel 
SBäfd^e unb menig SJergnügen. 

®ö ift minbigeö SBetter, unb eine tüd^tige ©rfältung 
l^ab' id^ bereite meg ; id^ miff be^l^alb ein paar 2^age lang 
in meiner 3lrbeit paufieren. ©öld^e Iialbe Äranfl^eitgjeit 
ift immer meine befte. 

Unb nun 2lbe. QaU gute 2^age, grüfee bie Äinber. 
SBie immer S)ein alter 2:6. % 



202) SRorberne^, b. 21. ^uli 1883. 

Siebe grau, 
©egen 2lbenb von einem langen ©pajiergange nad^ 
$aufe fommenb, fanb id^ bie beiben 33tätter mit bem 2luf= 



1883. 55 

fa^e S)aubetg über ©ambetta vox. ^^ bin S)tr fel^r 
banfbar, wenn SDu mit bctgleid^en fd^idft, unb id^ l^abe 
jebe 3^il^ wtt SSergnügcn gelefen. Slbcr bod^ mit einem 
mäßigen SSergnügen. SDa^ ®anit mitft unfrei, ganj mie 
befteHte 2lrbeit, bie, menn nid^t um ©elbeö mitten, fo 
bod^ mit irgenb meldten ^intergebanlen gefd^rieben ift. 
SSielleid^t nur um ©ambetta ju t)erföl^nen ober il^m an^ 
jubeuten, ba§ er mit 3luma SRoumeftan nid^t gemeint 
gemefen fei. SDiefer SUiangel an g^eil^eit ift aber nid^t ber 
einjige '^t'ffUx, jmei anbre finb fd^Iimmer. S5er 3luffafe 
l^at eigentlid^ gar feinen Qnl^alt, unb in bejug auf ©til 
ift er faum jmeiten SRange^. S5ie^ fann nid^t genug betont 
werben. SBenn mir bod^ enblid^ einfe^en mottten, bajs e^ 
mit biefer emig proklamierten Überlegenl^eit ber anbem 
Stationen auf fünftlerifd^em ©ebiet l^erjlic^ menig auf fid^ 
l^at. So fd^reiben mir aud^, unb oiele oon unö fd^reiben 
beffer. @ö ift ganj gut, ganj gebilbet, ganj au^reid^enb, 
aber für ben, ber fd^ärfer jujufel^n oerftel^t, oong^l^Iem 
mimmeinb. SRamentlid^ bie Übergänge, in benen bie 
eigentlid^e Äunft beg ©tilö befte^t, finb fd^mad^. 3lid^t 
immer, aber oielfad^. 2luf bie ^f^l^altlofigteit mürb' id^ 
fein ©emid^t legen, menn nid^t ber ©toff „©ambetta" 
unb ber Se^anbler be^ ©toffg ,,3lIp^onfe SDaubet" ^iejse. 
Noblesse oblige. ^ ä) l^ätte fold^en 2luffa^ über SRaron*) 
fd^reiben bürfen; entl^ielt' er bann nid^t oiel, fo fonnte 
gefagt merben: „3lun, roa^ mottt' iör am @nbe? e^ ift 
blofe SRaron, über ben bIoJ3 gontane fd^reibt." SBeber 
SKaron nod^ Fontane l^aben einen SBeltnamen. S5aubet 
unb ©ambetta aber l^aben il^n. 

@g ift mir mäl^renb ber brei 2;age, bafe id^ nun l^ier 



*) 9läVtc8 ÜB« ^cttmann 3Jlaton in gontaneS ^SJon S^anaig 
Bis 2)tci6i9* ©. 43—49. 



56 ®l)f. iFjontotie» firlefe oti fs^t JfamUU. 

hin, ntd^t affju gut ergangen. 2lm 3)onnergtag roax t^ 
mau, geftem fel^r mau, unb erft feit l^eute gel^t ei^ mir 
mteber beffer. Qd^ mufete mid^ aud^ im t)i)rigen Qal^r erji 
afftimattfteren. S5etn berül^mteö ^ßofet ift glüdflid^ an^^ 
gefommen unb mte eine @anö von leinten l^er auj^genommen 
morben ; geftem l^abe id^ fd^arf, l^eute nur am SSormittage 
gearbeitet. S)iefe SSormittage gebente id^ aber burd^ 
grül^aufftel^n ju t)erlängem ; id^ !ann mid^ bann am 3la^^ 
mittage mit um fo gröferer ©emiffen^rulie bem 3lid^tjStun 
l^ingeben. 

©piell^agen l^abe id^ an allen brei klagen gefel^n 
unb gefprod^en, am S5onnergtag vor feiner SEol^nung, am 
greitag auf ber ©tranbpromenabe, l^eute vox ©d^ud^arbt^ 
^otel, mo id^ bie ©tunben jmifd^en jmei big mer mit 
S)iner unb 3^it^ngglefen jujubringen pftege. ©eftem (auf 
ber 5ßromenabe) mar er in ©efettfd^aft von Sud^l^anbler 
SBB., I^eute in ©efellfd^aft t)on grau unb jmei 2^öd^tem: 
bie beiben anbem finb anber^mo in ber SEelt, bie eine in 
5ß^rmont, bie anbre in 2^^üringen ober ©d^Iefien. 6r lebt 
auf einem forfd^en guJ3, l^at eine SEol^nung in einem 
fd^önen ^aufe ber fd^önften ©egenb unb ijst ju t)ieren bei 
Dterenborp, mag ungefähr Ritter ober Sord^arbt (aber 
nid^t bem SBBemigeröber) entfprid^t. 

Sonntag, b. 22. ^[uli. 
^^utt frül^ fam Steine Äarte; morgen ermarte id^ 
einen etmag längeren 33rief, bin aber nid^t böfe, menn er 
ausbleibt, "^tnn menn man nid^t eine ©d^reibepaffion 
l^at ober baö Unterl^altunggbebürfnig ber ©infamfeit, fo 
barf man fid^ fügtid^ fragen: „^a, mag fd^reiben?" 2lm 
aSormittag befud^te mid^ ^err Dberlelirer 31. aug gürften^ 
malbe, ber, mie S)u S)id^ entfinnen mirft, bie Süd^er^: 
befpred^ungen für bie SJoffin leiftet. @r ift auf oierjel^n 



1883. 57 

2^age mit %tavi unb jtDet ßtnbem l^iet, reift aber fd^on 
morgen mieber ab. anfangt mar er unmolit, bann fie 
(ftarfer ajiagenfatarrl^), unb \o motten fte benn, ftatt nod^ 
einen 2lbfted^er ini^ SEeftfälifd^e ju mad^en, mo feine ©Item 
leben, bireft nad^ g^rftenmalbe jurüdfeliren. SBeld^ 
mä^igeö SBergnügen! SEßenig ©elb, t)ier ^erfonen, unb 
baju bie Ärantlieit. Ratten fie mel^r @elb unb mel^r S^% 
fo mären fie ma^rfd^einlid^ gar nid^t franf gemorben ober 
l^ätten menigften^ beffereg SBetter unb beffere ©efunbl^eit 
abmarten fönnen. SDie reid^en, bidfen Sourgeoi^, bie l^ier 
Iierumlaufen, feigen atte fel^r mol^I au^. Unb nun gar 
erft bie Sourgeoifen ! Sie planen faft unb quietfd^en vor 
Vergnügen. — S)a^ SBetter mar l^eute tott, fo bafe an 
r/3tn greien fein" gar nid^t ju benfen mar; ©türm, 
Siegen, Äälte. ajiir ift e^ übrigen^ gteid^güttig unb märe 
mir nod^ gleid^gültiger, menn id^ me^r nad^ meinem 
5ßend^ant leben unb ftatt ju arbeiten blofe lefen fönnte. 

Änppl^aufen^ finb nod^ nid^t l^ier, überl^aupt feine 
35efannte. SDaö oorige ^af)t mar e^, atö ob i(^ im 2^ier^ 
garten fpajieren ginge; baoon bieömal nid^t^. aSielleid^t 
fommt eg nod^. Übrigen^ of no importance. 

^erjlid^e ©rüfee S)ir, ©eorge, g^ebel unb ben 2lug=: 
märtigen. SBie immer SDein 2:6. % 



203) S«orberne9, b. 23. 3uli 1883. 

SKabame. 

Madame „la plus gracieuse physiquement et 
moralement". 

3d^ miff mit ber SiebeSerflärung beginnen, ba§ bie 
SJefteuque beinal^' red^t l^at. S5u bift, nid^t nur S5einer 
tatfäd^Iid^en Slbftammung, fonbem aud^ S5einem ganjen 



58 ®lr. iFontane« iSrIefe an feine iFamüle. 

SKenfd^en nad^ l^alb auö 33ee^fon) unb l^alb auö 2^ouIoufe*). 
^aft S5u SDeinen ^ouIoufer^2^ag, fo l^at bie SDefteuque 
t)oIIfomnien red^t ; ^aft S)u SDeinen See^fower, fo l^apert e^. 
3d^ bin 5Dir aber ba^ 3^wpi^ fd^ulbig, ba§, wenn nid^t 
Heine SSerliättntffe SDid^ nieberbrüdfen, bet Xonlou^tx^^aQ 
Dotl^errfd^t. 3lnt touloufeften bift SJu, wenn gut aSetter 
im Äalenbet ftelit, in SDeinem eignen ^aufe. Unter 
f^temben, rotnn fie fein, Mug unb t)omel^m ftnb, bift S)u 
me^r ober weniger befangen, unb wenn fie trimal finb, 
gel^ft S)u fofört auf i^re 2^rit)ialitäten ein unb wirft Kein^ 
ftäbtifd^ unb fpiePürgerlid^. Übrigeng l^at fid^ ba<S Ie|tere 
in neuefter 3^i^ crl^eblid^ gebeffert. 

SDie brei 33riefe, bie S)u Steinen freunbtid^en 3^üen 
beilegtefl, l^aben mid^ aud^ afe Slbbilb ilirer ©d^reiber 
intereffiert: SJiartlia geiflroff unb gewanbt, grau 2lnna 
d^arafterDoH, feft unb unbefted^Iid^ in il^rem Urteil, f^täulein 
?f. bünn unb langweilig. 

SDien^tag, b. 24. Quli. 
3lm (Sonntag graufarne^ SBetter, geftem (SKontag) 
fd^ön, l^eute wieber toß, wa^re SBoIfenbrüd^e ; bie ^älftc 
ber Sabegäfle l^at ben ajiagenfatarrl^ unb gibt 3:: big 
6000 3Karf aug (eben ^aV xd) einen 3000 er aug $rag 
gefprod^en), um etwag fränfer, aU fie abgereift finb, wieber 
ju ^aufe einzutreffen. S)ag ©efpräd^ mit meinen ,,5ßragem" 
war mir überhaupt lelirreid^. @ine SBo^nung wie bie 
meinige, natürlid^ feiner eingerid^tet, aber bod^ aud^ nur 



*) 5lnf^ictunQ auf ben (Sro^batcr Don ^tau Fontane, ben einer 
3:onloufet Sfamilic entf^)roff cnen , aU Stabtfämmercr Don SBee8!oto 
öcrftorBenen „alten 9ftonanct". ©eine ScbcnSctinnemngen ftnb 
neiierbingS öon gfontaneS Xod^ter untct bem Xitel „S5on2ouloufe 
bis SBeeStotP" im SSerlagc öon Qf. Sontane & (5o. l^erauggegcben 
tpotben. 



1888. 59 

3tmmer unb Sd^Iaffabtnctt, foftet „am Stranb" wöd^entlid^ 
96 ajiarf. SSebtenung cjtta. SRec^net ntan btefc mit ein, 
fo foftet aSöl^n^ uttb ©d^Iafjimmer täglid^ 5 2^aler, alfo 
ungefäl^r baö günffad^e t)ön betn, wa^ ein gro^eö ^otel 
für berartige SRäume forbext. S5a bin id^ benn bod^ 
frol^, in meiner altmobifd^en ajiarienftrafee untergefrod^en 
8u fein. 

Überliaupt, fo mie man ,,®eftänbniffe" l^ört, fo mitb 
man immer erft gemal^r, mie t)iel ®IüdE man gel^abt unb 
mie t)iel Urfad^e jur S)anfbarfeit man l^at. ®in ©efpräd^, 
ba^ id^ geftem am ©tranb mit g^au ©piell^agen über 
bieg 2^l^ema filierte, gab mir 'mal mieber biefe ©emi^eit. 
3Ran fann aud^ fagen biefen 2^roft. ©pietl^agen fam in 
bem ©tenbi^juftanb l^ier an, ber über jjeben orbentlid^en 
SRömanfd^reiber l^ereinbrid^t, wenn er bei feinen legten 
Äapiteln ift. 6r l^atte beren nod^ brei ju fd^reiben unb 
rooHf eö mit neuer gorce tun, moju Jlorbeme^ l^elfen 
foffte. SBajg gefd^ielit? ©ie fommen am 2lbenb an unb 
gelten um 12 Ul^r tobmübe ju Sett. 33iö jwei ©d^Iaf. S5a 
beginnt unter il^rem ©d^Iaf jimmer ein fur(^tbare^ ©efd^rei ; 
baö ganje ^auö läuft jufammen: ber foloffale ©d^reier 
fei ein SSaron SS. au^ SRedflenburg, ein fd^merer 3lüdfen= 
marfer, beffen Seiben barin beftänbe, bafe er jjebe 3lad^t 
x)on 2 Ul^r an vor mal^nfinnigen ©d^merjen mie mal^n^ 
finnig fd^reien muffe. SBirflid^, näd^fte 3lad^t baöfelbe. 
S)a tritt bie gefamte ^au^bemol^nerfd^aft jufammen unb 
oerfd^mört fid^, ben SSaron ju ftürjen. S5ie 33aronin legt 
fid^ auf^ Sitten, man geftattet il^m nod^ eine grift, unb 
feitbem fd^reit er nid^t mel^r. ©leid^mel, jmei S^age 
unb jmei SRäd^te maren l^in unb bie SRomanfapitel natürlid^ 
nid^t gefd^rieben. — Qn ben 70 er <3!al^ren mar bie ganje 
gamilie ©piell^agen 'mal in 2^l^üringen; reijenbe SBitta 
brausen im SBalb, eine SBiertelftunbe vor ber ©tabt. 



60 Vtr. iFjotttones iSrtefe an f^hte iFamtlU. 

einejg 3la^t^ flopft bte 2Bttttn: t^r (ber SBirtln) aRann 
!öttne e^ t)or ÄopfTocl^ nic^t mcl^r auöl^altcn; jum ©d^idfen 
i^abe fie nicmanb ; ob bct ^err ©picll^agen ntd^t t)telletd^t 
fo gut [ein raoHe, in bie ©tabt ju gclitt unb ben SJoftor 
ju Idolen? ©cfd^tel^t. S)ct S)oftor fommt unb finbet, 
baj3 ber aJtann [(^wer franf fei. 3la^ biefer ©tHätutig 
wirb nur nod^ gewifpert unb t)ierjel^n 2^age long auf 
Soden gegangen, ^n ber britten SBod^e l^ören fie sufaffig, 
,,ber 3Kann l^abe einen fd^weren Xrjp^n^." SDer 2lrjt wirb 
gefragt. „Qa, ben 2^^pl^u§ l^at er.'' Unb nun werben 
bie iloffer gepadft, unb l^eibi gel|t e^ wieber nad^ ^aufe. — 
2)aneben finb bie berühmten 50 granfö für ben ,,6ontratto" 
in ber 5Bia 2^ritone ein 5ßappenftiel. 

SRein ©pajiergang mit ©piell^agen^ bauerte geftem 
raol^l eine ©tunbe. ®ani jutefet tarn ba^ ©efpräd^ aud^ 
auf Literatur, unb SDaubet, S^I^/ ^^V\^f 33jömfon, S^fen, 
aud^ anbere nod^ würben geftreift. S)ie ganje ©efd^id^te 
bauerte nur fünf äJiinuten, erinnerte aber an bie ajiinuten 
t)or ©t. 5ßrit)at, wo in jeber ©elunbe l^unbert fielen. 3)a^ 
reine SRaffacre. 2Bag gefagt würbe, war nid^t fo fd^Iimm, 
aber wa^ ungefagt blieb, war fd^redfUd^. S5ie ©ac^e l^at 
mir hod) \tf)x ju benfen gegeben. 33in id^ aud^ fo? ^au' 
i(^ aud^ fo erbarmungslos in bie Pfanne? Qd^ fann eS 
nid^t glauben. 2lber id^ fal^ bod^ wieber, wie fel^r man 
auf fid^ ad^ten mu^. äWeinen ^roft finb' id^ barin, ba§ 
id^, fo oiet mir gegenwärtig ift, !einen abfotut oerwerfe; 
an iebem erfenn' id^ etwas wenigftenS an. S)abei l^ab' 
id^ aber freilid^ bie Seute oon illang unb 9?amen im ©inn. 
SDaS, was als atttäglid^eS SefepublifumSfutter bient, fielet 
auf fo niebriger ©tufe, ba^ überl^aupt gar nid^t barüber 
ju fpred&en ift. S)ie S^rioialität in ©toff, ©tit, SSel^anblung 
ift !oIoffaI. ®eift, 3Bife, SBiffen, ^umor finb SDinge, bie 
gar nid^t t)or!ommen. 3lIIeS fiebenmal abgebrül^ter 2^ee. 



1883. 61 

35a borf man freiltd^ aud^ fagcn : ,,3lee, SRife, l^eute fecnen 
Xet tttd^." 3d^ mad^e liier täglid^ in bcn Bettungen, bic 
id^ lefe, bie entfpred^enben ©tubiett. 2lud^ bic Äreuj^^S^Ö- 
brad^te in ber legten ©onntag^nummer (Sonntag<SbeUage) 
etwaö @ntfe|Iid^eg — Slbefefauce mit einem Sibelfprud^ 
afe ©l^ampignon brin. 3l6et ranjig. ^f)x l^abt ba^ ©lüdf, 
35Ieafl^oufe lefen ju !önnen; lad^t unb meint nur meiter. 
@rgel^' e^S ®ud^ gut. SBie immer S)ein alter 



204) Jlorbernep, b. 26. ^[uli 1883. 

Siebe ^au. 

@g ift nid^t ganj leidet, von l&ier au^ SSriefe ju 
fd^reiben, menn man von 8 bi^ 2 UI|r arbeitet unb in 
biefen fed^<S ©tunben, id^ fann nid^t fagen, fein 5pult)er 
oerfd^iefet, mol^I aber feine 3lert)en Derbraud^t; am 3lad^:= 
mittage bin id^ bann ganj fraftlo^, unb menn id^ mid^ 
am ©tranbe erl^olt unb fojufagen bie meßen 3iert)en 
mieber frifd^ gebabet l^abe, bin id^ am 2lbenb einfad^ mübe. 
©el^r angenel^mer 3uftanb, aber menig angetan, um Sriefe 
JU fd^reiben — Sriefe ol^ne ©toff, an benen alfo bie 
grifd^e (bie nid^t ba ift) ba^ Sefie tun mufe. 

3Kit meiner ©efunbl^eit gel^t eö feit l^eute etmaö beffer, 
roa^ id^ teite auf meine ^ungerfur, teife auf Äognal unb 
Sauerbrunnen f(^iebe, meldte SKifd^ung id^ neben ^ee afe 
abenbbrot eingefül^rt l^abe. ©egeffen mirb nidfttg. Qd^ 
lebe mie im vorigen <3!al^re bud^ftäbtid^ t)on ber Suft. 
aWorgenö jum Äaffee, ber aber fein Kaffee ift (gebrannte 
©erjie mit ein paar Äafaofd^alen baju), genieß' id^ ein 
Öömd^en; abenb<S jum ^ee gar nid^t^. 3^ SJiittag eff' 
id^ manierlid^, laffe aber (unerl^ört!) jmei ©erid^te immer 
auffallen unb fönnte von bem t)erbleibenben SRefi aud^ 



62 tKIj. ^Fontane« iSrIefe an Fetne £amliie, 

noäi Tütebet bie Hälfte fortlaffen. SEBenn td^ bie ©uppe 
unb bann baö fölgenbc ©erid^t, beifpiefetoeife geftcm 
irish stew, gegeffen l^abe, bin id^ t)oIIlommen fatt. 3d^ 
effe bann nod^ ©emüfc unb SReJ^Ifpetfc, aber nur au3 
Sederci; von fd^arfem 2lppettt feine 3lebe tnel^r. 3d^ fel^e 
baran red^t, ba§ mein ©ffen nur jur Fütterung ber 9?ert)en 
bient. Übernimntt bie Suft biefe gütterung, fo braud^' id^ 
beinal^' nid^tö ; l^ab' id^ aber blofe berliner Äanalluft, bie 
ben gütterung^bienft nid^t leiften !ann, fo braud^' id^ nod^ 
@i unb ©d^infen. SDu wirft natürlid^ über all bie^ 
lad^en, wenn SDu aber an Steine eignen 3lert)enjufiänbe 
ben!ft, wirft S)u mir glauben. 

SDer Spaziergang am ©tranbe ifi baö SSejie, fd^on 
be^l^alb, meil er el^er frifd^ aU mübe mad^t. Qn ber erflen 
l^alben ©tunbe fd^tepp' i^ mid^ von 33anf ju 33anl unb 
betreibe bie ©ad^e pflid^tmäfeig mie meine berliner 2lbenb=! 
fpajiergänge ; je länger man aber gel^t, befio mel^r fäUt 
bie SKübigfeit von einem ah. Seiber ift e^ im übrigen 
toloffal langweilig, weil man nid^t 'mal bie fonft üblid^e 
Unterhaltung mit fid^ felber f)at ^n a3erlin fül^r' id^ 
bod^ mitunter ©efpräd^e, notiere mir bieg unb ba^S, aber 
baju fommt e^ gar nid^t. ^^ jäl^Ie l^öd^ften^ bie ©d^iffe, 
bie brausen in ©ee ftnb, ober bie SKenfd^en, bie il^re 
©tranbpromenabe mad&en, ober oergleid^e bie gufefpuren 
anbrer gufegänger mit meinen eignen Seiftungen. Unb 
babei bin id^ benn bal^inter gelommen, bafe id^ burd^ 
perfontid^eö unb ©d^ul^mad^er 3ttnmerg SJerbienfi an ber 
X^U marfd^iere. ®inmal glaubte id^, einen Obermann 
gefunben ju l^aben, aber id^ fal^ balb, bafe e<S 5ßferbe^ 
l^ufe waren. 

33efannte 'f)abt id^ nod^ nid^t einen gefeiten, abgefel^en 
oon ber gamilie ©piell^agen, ber id^ faft täglid^ begegne. 
SKud^ ^eute wieber. ©ie finb gleid^mafeig lieben^Swürbig 



1883. 63 

gegen mtd^, er aber red^t letbenb. SBir fprad^en l^eute 
t)iel über „^oUW, au^ ©d^toetjer^^otefe, unb id^ erfüllt 
bei ber ©etegenl^ett, bafe t)on fieben, namenttid^ aud^ in 
^nterlafen, immer fed^g ^anhxott mad^en. 6^ ift nid^t 
aHejg @oIb, wag glänjt. 

Än^pl^aufeng ftnb nod^ nid^t l^ier. 2lm überrafd^enbften 
ift eg mir, ba^ id^ aud^ nod^ nid^t einen berliner meiner 
naiveren Sefanntf^aft (unb id^ fenne bod^ ein gut S^eil 
ajienfd^en au^ allen ©d^id^ten ber ©efeUfd^aft, nimm blofe 
©d^aufpieler, ÄünfHer, ©elel^rte, 3^itunggmenfd^en, 33ud^s 
l^änbler, ^ßrofefforen) gefelin l^abe. Sä^' id^ nid^t in ber 
airbeit, fo* war' e^ mir gteid^gültig, id^ würbe bann in bie 
3)ünen gel^n unb lefen; fo aber — ba id^ ju angegriffen 
jum Sefen bin — war' e§ mir lieb, bann unb wann mit 
einem aWenfd^en plaubern ju fönnen. 

3lun aber 2lbe. S^aufenb ©rüfee 3)ir unb ben Äinbern 
at home and abroad. SEBie immer SDein (^^ « 



205) 5«orberne9, b. 27. 3!uli 1883. 

Siebe grau, 
^eute wieber ©türm unb SRegen; fo lürjte id^ meinen 
©pajiergang etwaö ah unb war fd^on um fieben wieber 
JU ^aug. einige SRinuten fpater erfd^ien grau Äapitän 
SEBamedfe, bie id^ bie ganje SEBöd^e über nid^t gefel^n ^atte, 
um fid^ nad^ meiner B^f^^^i^^^^^^t i^ erfunbigen. ^ä) 
bewunbre bann immer ben S^aft, bie gute ©itte, bie feinere 
Seben^ßugl^eit ber Seute, lauter S)inge, bie ber SSertiner 
mit aH feinen S^ugenben unb SBorjügen, bie id^ il^m gern 
laffe, nid^t l^at, — nid^t einmal bie „feinere Seben^Hug- 
l^eit''. ®r weife wol^t [einem SBoiteil nad^jugel^n, aber 
felbft babei wirft er unt)erbinblid^. S)er nieberfäd&fifd&e 



64 tKlr- Fontane» firlefe an feint iFamtlte. 

©tamm: 2lltmät!cr, ^alberftäbter, 3Kagbeburgcr, ^anno^ 
t)eraner, öraunfd^toetger, Söeftfalen, ©d^le^toig^^olftciner, 
^anfcatcn, Dlbenburger, Dftfttefcn — ift allen anhtm 
©tämmen pli^fifd^ unb moraItf(^ überlegen, unb eö ift lein 
blofe glüd tid^er 3^f^ff/ fönbetn ein ri(^tige^ unb erfreulid^e^ 
Seifpiel von Urfad^e unb SBirfung, ba^ er bie ganje SGBelt 
erobert f)at SDie ©d^roaben wollen mit i^m wetteifern, 
ftnb aud^ fel^r refpeftabet, t)erfd^u)inben aber neben bem 
Meberfad^fen. Um bieg nad^juweifen, ift eö nid^t einmal 
nötig, bie englif(^^amerifanifd^e ©efd^id^te l^eranjujiei^n ; 
felbft S. ift ein SRieberfad^fe. SRad^ ber ^[nalogie von 
2luerbad^ aU — ©d^mabe. 

Sllfo grau Äapitan SBamedfe fam; fie mar etmaö 
weniger in 2^rauer, benn ad^t 2^age mad^en fd^on ^roa^ 
aug, unb erjälilte mir auf mein Streben einiget t)on il^ren 
^Reifen. Sie 'f)at bie ganje Sffielt gefelin: SRem 2)orf, Ban 
granci^co, Aap ^om, bie ©anbmid^g=<3!nfeln, Slufiralien, 
®^ina, 3at)a, ©apftabt ufm. unb l^at über biefe vxtU 
jal^rigen ^Reifen 2:agebud^ gefül^rt. 3lte id^ fragte, ,,ob 
eg nid^t eigentlid^ langweilig fei", fagte fie: „o nein; e<S 
lommt nur barauf an^ wie man reift. SBenn man nur 
au^ einem ^afen nad^ bem anbem. fäl^rt, babei fommt 
nid^t t)iel l^eraug, aber wir ^aUn wirHid^ 'wag gefel^n: 
t)on ©an grancigco aug reiften wir 60 aWeilen weit ing 
Sanb Iiinein big ju ben SDigging'g, in 2luftralien ebenfo, 
unb t)on Baltimore gingen wir nad^ ^pi^ilabelpl^ia jur 
SBeltaugftettung ufw. ufw." ©oHte man'g glauben, in 
3lorbemet| fold^er Äapitängwitwe ju begegnen, ©ie wiH 
nun il^r ^agebud^ aufarbeiten unb eine 3leinfd^rift bavon 
il^ren kinbem l)interlaffen. ©o Dieleg ift ärmer, ate man 
gewöl^nlid^ annimmt (}. 83. bie ganje Seamtenmiffere), 
aber t)ieleg ift aud^ rei(^er. 

3u ber „ärmut" gel^ören aud^ jwei lange älrtüel ber 



1883. 65 

Ätcujjeitung, ber eine (von betn i^ fd^on fd^tieb) „a\x& 
betn iafd^enbud^ eine^ preufeifd^en Dffijter^", ber anbre 
„&n ©ömtnerfeft auf ber ^Pfaueninfer'. S5et beiben 
fielet man in 3lbgrünbe, namentlid^ aud^ be^l^alb, weil fte 
fo prätentiös auftreten. S)a^ fie langweilig unb lebem 
gefd^rieben finb, Derftel^t fid^ t)on felbft, auf fo 'wag leg' 
id^ gar lein ©ewid^t; aber bie ©efinnung, bie Sebeng== 
anfd^auung, bie auS beiben fprid^t, ift fo traurig unb 
fo ribifül. SDaö ©d^Iimmfte aber ift, ba^ bie ganje 
©efettfd^aftSfpl^äre, ber biefe 2lrtilel entftammen, bie barin 
niebergelegte SebenSanfd^auung teilt. Qeber einzelne 
glaubt, „eg fei wirflid^ 'waö bawit" unb l^at nid^t bie 
Heinfte SJorfteHung baoon, bajs, fowol^I nad^ ber ®r^ 
fd^einungg:^ wie nad^ ber ©eifteS^ unb 2^alentfeite l^in, 
bieg alles burd^ anbre ©efeUfd^aftSfd^id^ten weit überl^olt 
iji. Qunge ÄaufmannStöd^ter in 3iew 2)orI finb oiel 
eleganter, unb jebe Heine Mnftlergenoffenfd^aft oerjapft 
benn bod^ fd^Iie^Iid^ einen ganj anberen SBein. @S wirft 
aHeS pauore unb 'rauf gepufft; feiner glaubt niel^r bran. 

©onntag, b. 29. 3!uli. 

SDaS aSetter wirb immer toHer, unb S)einer l^eute 
eingetroffenen Äarte fonnte id^ bie Äunft, „how to catch 
a sunbeam" aud^ nid^t entnel^men. @S blieb alfo grau, 
regnid^t, ftürmifd^. 3111 bieS fid^t mid^ aber nid^t fel^r an, 
unb um nod^ einmal englifd^ ju jitieren: „some days mus t 
be dark and dreary" — baoon bin id^ tief burd^brungen. 
3Wan mn^ jufrieben fein, wenn bie Slage ni^t „too dark" 
auftreten. 

3Kein Seben ift l^ier eigentlid^, mit gewöl^nlid^er ©He 
gemeffen, fürd^terlid^ unb erinnert mid^ an bie ©efangen== 
fd^aft Äönig ßl^riftianS II. in Sonberburg, ber 24 ^ißi^re 
lang in feinem ©efängnislod^ um einen runben ©teintifd^ 

Xl^. Fontanes S3nefe an feine BfamUie. II. 5 



66 S^. £rovdcatt% ticteft an feine iFornUie. 

I^erumgtng, immer mit bem 3)aumcn auf bet 2;if (abplatte 
(bic^ trifft bei mir ©(ä^reibemel^ and^ ju), big julefet ber 
©tetntifd^ einen Sttnnenranb l^atte. 3)er Xi^^ ejiftiert 
nod^; i^ l^ob' il^n mit ©rauen in ©onberburg gefel^n. 

©0 meit mar id^ gefommen, afö 3)ein a3rief t)on 
gefiem (©onnabenb) nod^ ganj fpät, 9 Ul^r abenb^, 
eintraf. 

3d^ bebaure fel^r ben Slrger, ben 3)u gel^abt l^afl; 
bie ganje ©efd^id^te ifi eine ©ommerfalamität unb mir!t 
aUfeitig ftörenb unb bebrütflid^. Qd^ fomme aud^ fd^led^t 
babei meg; benn au^ SBerftimmung ober bod^ Unbel^agen 
l^eraug laffen fid^ ©einerfeit^ feine fel^r l^eitren S3riefe 
fd^reiben, bie ju empfangen man l^ier in biefer ©inöbe 
mir gönnen fönnte. Unb mit ©d^retfen benF i($ an ©nbe 
3lugufi unb ben ganjen ©eptember. 3^ ©eptember moHf 
id^, feefrifd^, meine neue SRot)eIIe fd^reiben unb fürd^te nun, 
burd^ biefen fatalen S^^f^ä^^^f^tt barum ju fommen. 

Segreiftid^ermeife l^ab' id^ jefet aud^ feine redete 
©timmung, über anbre S)inge ju fd^reiben, von benen 
man im Dorau^ meife, bafe fie fein red^te^ @d^o finben 
fönnen. S)raufeen giefet eg mieber mie mit SDioHen; ein 
entfefelid^er, unfagbar langweiliger 3lufentl^alt, benn id^ 
l^abe aud^ nid^t^ ju lefen. 3lber fd^liefee barau^ nid^t, 
ba§ id^ unjufrieben mit bem 2lufentl^alt überl^aupt bin. 
2lud^ in biefer feiner gräfelid^ften ©eftalt ift er mir nod^ 
immer eine SBol^ltat unb baburd^ trofe aller greubelofigfeit 
eine greube. S)ie Suft ift l^immlifd^ unb il^r aHein 
t)erbanf id^ eg, bafe id^ meine 2lrbeit fertig friege. 3n 
Serlin lag' id^ Wngft franf auf ber breiten ©eite. 

ißalte bie Dl^ren fieif. SBie immer S)ein 2;b. % 



1883. 67 

206) SRotbctnc^, b. 4. auguft 1883. 

Siebe grau. 

3)al5 td^ bte Slbenbftille fd^on roteber ium ©d^tetben 
benufee, f)at feinen ®runb in einer Begegnung ober einem 
Meinen ®rlebni^ ober ©d^aufpiel, ba^ l^eute ©pätnad^mittag 
ftattfanb. 

3d^ flanierte gel^oben unb gebrütft, in ®IM unb 
Sangerroeile, erft am ©tranb, bann in ben 3)ünen, afö id^ 
auf einer großen, oon einem ©rbmall eingefajsten SBiefe 
jmanjig jxtnge Seute fal^, bie foot-ball fpielten. 3d^ 
fannte ba^ ©piel nod^ nid^t unb blieb auf bem ©rbmatt 
fielen, um jujufel^n. @^ mar gerabe bie ©arberobenfleHe, 
mo bie jungen Seute (oon 17 bi^ 12) il^re SRödfe unb 
aRüfeen niebergelegt l&atten; benn fie fpielten l^emb^ärmlig, 
trofebem e^ empfinblid^ falt mar. 3d^ mar nid^t allein, 
no(^ jmei anbre Sn^^amx maren ba: ein junger SDiann 
oon 20 ober 21 unb ein Qunge oon 10. Sefeterer ftreid^elte 
befiänbig eine SWöme, bie auf feinem ©d^ofee lag. ©in 
©d^rotfd^ujs (mie id^ fpäter erful^r) l^atte fie oermunbet, 
bann mar fte in bie Sranbung gefallen unb l^ier oon bem 
jungen gefangen morben. Unter feinen Siebfofungen 
ftarb fte. 

3)er ältre junge SWann l^atte ein gute«, oertrauen^ 
ermedenbe^ ©efid^t, me^l^alb id^ mid^ an il^n manbte: 
„8Ba§ fmb ba« für junge Seute?" 

,M finb ©öl^ne oon Sabegäften." 

„3lber e« munbert mid^, ba^ fid^ bie fo gefunben l^aben. 
3)a« ift ungemöl^nlid^." 

„3a. @« l^at aud^ feinen befonbren 3wfammen^ang. 
@« ifl eine organifierte ©efellfd^aft. ©anität^rat Dr. Slfd^:: 
l^off fommt feit fed^« Qal^ren regelmäßig nad^ SRorbeme^, 
feine gamilie mit il^m; fie bemol^nen ein ganje« Qan^. 
SSor etma jmei ^dS)un nal^men bie beiben ättefien Slfd^- 

5* 



68 tS^. ^ovAane» iSriefe an fehte iFamUie. 

I^offfd^cn ©öl^nc bte ©a(ä^e in bic ^anb unb grünbctcn 
eine ©pielgefeUfd^aft, tautet 33etlinet ^ungen^ ober bod^ 
alle au^ ben alten 5ßtot)injen. S)et Sitte 3lfd^l^off würbe 
5ßtäfibent. ©ie l^atten fömtlid^e ©tatuten. Hauptaufgabe 
war: Surgen bauen, ©ie brad^ten e^ barin ju einer 
roal^ren 3Keifterfd^aft unb errid^teten am ©tranbe, roö^renb 
ber @bbe, SRiefenbauten mit gort^, SBäHen, S^i^tüdm. 
Äatn bann bie glut, fo beftanb ber SBife barin, biefe SSurg 
burd^ grofee SBaH^ unb S)eid^arbeiten t)or ber glut ju 
fd^üfeen, big bann enblid^ eine grofee SBeHe ber ganjen 
^errlid^feit ein ®nbe mad^te- 3)ag war t)ormittagg. 
SRad^mittagg würbe bann Ärieg gefpiett, ober SRöuber unb 
SBanber^mann, ober Äeget ober foot-ball. ^^x ainfel^n 
würbe fo grofe, bafe 33remer Sungen^ eine ©egengefellfd^aft 
grünbeten, bie fid^ nun ©d^lad^ten mit il&nen lieferte. 
Sulefet fd^lofe man grieben unb vereinigte fid^. 3)ieg, oor 
etwa Sal^re^frift, mar bie Slütejeit; fie jäl^tten big 
70 3Jiann; ber ältere 3lfd^l^off blieb ^ßräfibent, mäl^renb 
ein Sremer SBijepräfibent mürbe. Sßeuerbingg fd^eint eg 
aber mieber rüdfmärtg ju gel^n." 

„3?un fagen ©ie, ©ie finb ja bie reine ßl^ronif, mo 
Ijaben ©ie biefe munberooHe S)etailfenntnig l^er?" 

„3id^ bin ^auglel^rer bei ben jmei Äleinften, bie ©ie 
ba fel^n, bie beiben Slonbing mit ben blauen 3lnjügen 
unb ben fd^marjen Änieftrümpfen. SBon 3Ketier megen 
mufe id^ mit babei fein unb auf bie Äinber ad^ten." 

,©ie finb ©c^Iefier?" 

/,3a, Sregtauer. Qd^ bin eigentlid^ nod^ ©tubent, 
l^abe aber beg lieben ©elbeg megen meine ©tubien untere 
brod^en unb l^auglel^rere jefet in 3K. bei ©Iriegau. SDiein 
^rinjtpal ift ein ^err 33., aibgeorbneter für Qauer- 
©triegau (er mufet' eg nid^t genau) unb ®eneraIbet)oII:= 
mäd^tigter beg reid^en ^äuteing o. Äramfta. ^^ f)abt 



1883. 6Ö 

. TDcntg ju tun unb tägfx^ nur jn)et ©tunbcn ju geben ; 
wentgften^ l^iet. S)er ältre Qunge ifl fel^r gefd^eit, e§ 
Piegt il^m nur fo an ; ber jweite bagegen ifi unbegabt für 
bte ©d^ute unb lernt bod^ ntd^t. 3)en ältren — er fafe fd^on 
in Sertta, trofebem er erft 12 ^al^re ift — l^aben bte ©Item 
auf ein l^albe^ ^af)x an^ ber ©c^ule genommen, bamit er 
ntd^t JU frül^ fertig mirb unb nid^t ju frül^ auf bie Uni^ 
oerfität fommt. ©ie motten il^n ben SBerfül^rungen einer 
fold^en Duaftfetbftänbigfeit nic^t oor ber 3^it au^fefeen. 
3d^ unterrid^te il^n nid^t unb bin nur aWentor. ©eit brei 
2Bod^en pnb mir l^ier; mir bleiben nod^ brei SEBod^en, in 
ber lefeten SBod^e mirb aud^ $err 93. eintreffen unb gel^t 
bann mit ber grau nad^ SBie^baben. ^d^ bringe bie 
Äinber nad^ m. jurüdf." 

Qnjmifd^en l^atte ba^ foot-ball=©piet geenbet, an bem 
bie beiben Keinen S.g (12 unb 10 Qal^re) nur afe ©atopin^ 
teilgenommen l^atten. ©ie famen nun unb begrüßten midft. 
Sieijenbe Äinber, mie bie ^rinjen; nur bie ^ßrinjen finb 
feiten fo. Sene^men, Gattung, Äleibung, ^^eint — atteg 
mar first rate. SBir trennten un^ nun, unb aud^ ber 
Qunge mit ber toten aWöme jog ab. 

3n meldte SBelt be^ SEBol^lleben^, ber ©leganj, ber 
forglid^ften Äinbererjiel^ung l^atte id^ ©inblidE gemonnen! 
SBenn id^ etma^ bummer unb unpl^ilofop^ifd^er märe, l^ätte 
id^ neibifd^ merben muffen. 2lber id^ beneibe nid^t^ mefir. 
33leid^röber l^at 30 SWillionen, aber ift btinb. 3d& gebe 
meine 3lugen für 30 äßiHionen nid^t l|in! 35ein 

^^. g. 

207) Sßorbernep, b. 4. SKuguft 1883. 

aWeine liebe SDiete. 
aSie 35u in SBamemünbe ba§ ©piff unb ba^ Sioftodfer 
enbe l^aft, fo l^ab' id^ liier bie 3Kü^le unb bie 3Karien=^ 



70 tK^. Jrordaxtz» firieft an feine iFomUie. 

^öl^c; nur „Spante %xma& Stm" fel^It mir gonj entf(ä^tebem 
Qd^ lebe l^ier wie in Sfolterl^aft unb l^ätte, vomn tc^ nid^t 
jufätttg ben ©piel^agen^ begegnet roore, in brittl^alb 
SBod^en nod^ feine l^unbett SBorte gefpro^en. 3c§ war 
immer ein ©ingteton unb bleib' e^ bi^ julefet. SlidP id^ 
jurüdf, fo ^at mein Seben l^ier.mel äl^nlid^feit mit bem, 
ba^ id^ t)or 31 ^al^ren in Sonbon fül^rte. Semunbemb 
ging id^ vom^rfbt^^ad nad^ SRegent^^^^arf, entjüdft flanb 
id^ auf Sttd^monb-^iH unb fal^ ben may-tree blül^n; bie 
Suft, bie id^ atmete, bie SReid^tum^bilber, bie id^ fal^, aUe^ 
tat mir mol^l, aber id^ ging bod^ mie ein grember ober 
afe ein nid^t ju voller unb ganjer S^eilnal^me Sered^tigter 
burd^ all' bie ^errlid^feit l^in. Qmmer blofe 3^ngafl. 
Unb fo ift e^ l^ier mieber. 3^wi ®lädf balanjiert ber Fimmel 
aUe^, unb bie Slinben feigen mit il^ren gingerfpi^en. 3)ie 
S)inge beobad^ten gilt mir beinal^' mel^r, afö fie befifeen, 
unb fo l^at man fd^liefelid^ feinen ®IM^ unb greubeertrag 
mie anf(^einenb Seoorjugtere. 

aSon aWama l^atte id^ geftem einen langen 33rief; 
ad^t Seiten, ma^, ^lauV id^, in unfrer langen ®l^e feine 
dermal oorgefommen ift. ©ie l^at eine reijenbe 3lrt ju 
fd^reiben, eine 3Wifd^ung von SRatürlid^feit, Unmiffen^ 
fd^aftlid^feit unb leifer Ironie teife über fid^, teite über 
bie „SBiffenfd^aftlid^feit". 3Kan fann an SWama ftubieren, 
ba§ bag ©efättigfte, melleid^t aud^ ba^ 93efie, voa^ ber 
aWenfd^ l^aben fann, bie SRatürlid^feit ift. 2lber mir pnb 
fo grenjenlo^ oerbilbet, ba§ bem regelred^ten ^reujsen, 
„3lbiturient unb SReferoeoffijier", ber ©inn bafür oerloren 
gegangen ift. — 35ie ©efd^id^te mit bem 3Käbd^en ift ber 
oieljitierte „SDiel^ltau", ber auf biefen ©ommer fällt. 3lber 
umfonft ift nid^t^, unb atte Sefreiung^friege forbem 
Dpfer. 

^eute nad^mittag miH id^ bei Änppl^aufen^ meinen 



1883. 71 

93cfu(ä^ ma^tn unb eine i^atbe ©tunbe lang auf ben ^öl^en 
ber 9Kenfd^^ett roanbeln. Qm ganjen ift bie Suft in ber 
Dberfd^id^t nid^t bie fd^Ied^tefte. — Dnfel SEBitte turnt 
nun n)ol^I fd^on in SJBarfd^au uml^er; 3Kama fd^rieb mir 
geflem gerül^rt unb entjüdft von feiner Sieben^n)ürbig!eit. 
gntpfiel^I mid^ ber gtüdlid^en Sefi^erin biefe^ ^ßrad^t^ unb 
SlormataJlenfd^eneEemptar^ unb l^abe fro^e, l^eitre Xage ju 
aSSaffer unb ju Sanbe. SBie immer S)ein alter 



208) SRorberne?, b. 8. Suguft 1883. 

Siebe grau. 

^eute bin td^ brei SBod^en l^ier, unb ber %a% leitete 
fid^ burd^ einen Srief von 35ir, auf ben id^ nid^t einmal 
gered^net l^atte, angenel^m ein. 

S)u beflagfl S)id^ über meine aGBeitfd^meifigfeit. Qa, 
xoa^ ift barauf ju fagen? ©igentlid^ nid^t^, roa^ nid^t 
fd^on längft gefagt märe. SlHe^ in allem ein munberüoHer 
©toff, um auf^ neue in SBeitfd^meifigfeit ju t)erf allen. 
3)u meifet, bafe id^ auf fold^e Äritifen immer gleid^ ein^^ 
gel^e, unb fo befireite id^ aud^ bie^mal nid^t^ ober bod^ 
nic^t Diel. ®^ ift aber bod^ ein Unterfd^ieb, ob id^ neroö^ 
unb bröl^nig nad^ einem gleid^gültigen SBort fud^e ober 
ob id^ meitfd^meipg bin, b. f). über ben linfen ^interfufe 
eine^ S^^^^^ ^^^^ 2lbl^anblung fd^reibe. 3)a^ S)röl^nen ift 
unter allen Umftänben eine 2^ortur für ben ^örer unb 
Sans phrase ein gel^ler, eine Ungel^örigfeit ; bie SBeit^ 
fd^meifigfeit aber, bie id^ übe, l^ängt bod^ burd^au^ aud^ 
mit meinen literarifd^en SSorjügen jufammen. Qd^ be^ 
l^anble ba^ Äleine mit berfelben Siebe mie ba^ ®rofee, 
meil id^ ben Unterfd^ieb jmifd^en Hein unb grojs nid^t red^t 
gelten laffe; treff' id^ aber mirflid^ 'mal auf ©roj^e^, fo 



72 (E^. Jroxdanzs iStiefe an f£ine iFoniilie. 

bin id^ ganj furj. S)a^ ©rofec fprt(ä^t für ft(ä^ felbft; c^ 
bcbarf feinet fünflterifd^en Sel^anblung, um ju wirfen. 
©egenteifö, je weniger Apparat unb Snfjenierung, um fD 
beffer. 3d^ fann alfo unter ©intäumung be^ Xat\ä^liä)tn 
ben geißlet, ber in bem „3lu^pulen" ftedfen foH, nur fel^r 
bebingung^meife jugeben. „SBctt* id^ nid^t $uler, mär' 
id^ nid^t ber ^^eH". S)afe biefe $ut3lrbeit melen langweilig 
ift unb immer mar, batjon l^ab' id^ mid^ in meinem Seben 
genugfam überjeugen fönnen; id^ fiab' aber nid^t ftnben 
fönnen, ba§ aH biefe S)ufeenbmenfd^en, bie burd^ bie 9?afe 
galanten, intereffanter maren ate id^. 3)ann unb mann 
finb' id^ einen, freilid^ feiten, ber ©efd^mad an mir ftnbet, 
unb ba bie^ in ber Siegel feine fd^Ied^ten Sßummem finb, 
fo mufe id^ mid^ tröflen. ^ermegl^ fd^liefet ein^ feiner 
©onette („3ln bie S)id^ter'0 mit ber SBenbung: 

„IXnh toenn einmal eine 2b tot t)or @u(^ fielet, 
©ollt 3^x nid^t baS Snfeft auf il^ui Bcfinfien". 

®ut. 3d^ bin banad^ Saufebid^ter, jum 2;eil fogar 
an^ ^afpon ; aber bod^ aud^ megen 3lbmefenl^eit be^ Sömen. 

X^to^ Srief ift fel^r nett. SDie SIRifc^ung von 93e== 
fd^eibenl^eit unb ©elbftbemufetfein ift gamilienjug, gel^Ier 
ober 2^ugenb. 

35afe ©eorge leiblid^ in Drbnung nad^ SJBal^Iftatt*) 
jurüdEfel^rt, l^at mid^ fel^r gefreut, ©eftem glaub' id^ aud^ 
feinen Dberften unb ©rafen entbedt ju l^aben, menigfien^ 
manbelte er vox aWarienftrafee 19 auf unb ab. 3ft er'^, 
fo ift er fojufagen eine alte Sefanntfd&aft oon mir, benn 
id^ mad^te oon ©mben l^er bie Überfal^rt mit il^m: ein 
ftarfer 50 er, gebrungen, furjl^alfig, milj^ unb leberleibenb, 
unl^eiter, morbteu. — ©eftern abenb traf id^ bie ©piet 



*) gfontancg öUcftcr ©ol^n toar im Tlai 1882 bon Sid^terfclbe 
aU Seigrer an ba§ Jlabettenl^auS in äBal^lfiatt Derfe^t tootben. 



1883. 73 

l^agcnf(ä^en S)amcn am ©tranb; et lam l^cut' t)otmtttag, 
um mir Slbteu ju fagen. SWorgcn reifen fte. ©rüfee bie 
Sungen^ unb SRete. SBie immer S)ein 2;L ^. 



209) 9Urberne9, b. 12. äugufl 1883. 

Siebe grau, 
^eute merb' id^ mid^ furj ju faffen fud^en, melleid^t 
meil id^ eine grofee Siad^rid^t l^abe unb, mie id^ S)ir neulid^ 
jd^rieb, bie Äürje bei mir immer nur beim „®rofeen" 
eintritt. S^^äd^ft aber beften S)anf für S)eine jmei legten 
Äarten. S)afe Sl^eo mieber ba ift, ifl ganj gut für S)id^; 
er bringt bod^ etma^ 3^^fh:^ww^8 ^^^ berliner Untere 
l^altung^ftoff in^ $aug. Slud^ bafe bie fatl^olifd^e Äöd^in 
ausbleibt, ift uielleid^t ein ©lud. ^d^ bin in nid^t^ ein 
^rinjipienreiter unb fo red^t einer, ber ein SSerftänbni^ 
unb meifi aud^ ein liking für Slu^naJ^mefäHe l^at. S)a^ 
l^ebt aber ben alten ©afe nid^t auf: 93effer ifl beffer. Qe 
älter id^ merbe, je mel^r bin id^ für reintid^e ©d^eibungen ; 
$aar apart unb Äotelett apart. Qube ju Qube, ßl^rift ju 
ßl^rift unb natürlid^ aud^ ^roteflant ju ^roteftant. ©e^ 
fd^iel^t ba^ nid^t, fo l^eifet e^ immer einmal: „SHd^tiger 
alter Qube, rid^tiger alter Äatl^oli!" zc. Qd^ l^abe vuU^ 
erlebt, ba§ mir eine tiefnnnertid^e greube gemad^t l^at: 
bie ^erau^reifeung S)eutfd^Ianbg au^ ber poUtifd^en SIRif^re, 
bie SDWlnbigmerbung be^ SSotfö, bie Säuberung, b. ^. 
©aubermerbung 93erlin^, ba^ 3luf^ören ber ^fennig^: 
mirtfd^aft unb ber bamit innig jufammenl^ängenben ®e= 
finnung^ruppigfeit zc. zc. 3^ biefen ^errlid^feiten, an 
benen meine ©eele lutfd^t mie an einem 93onbon, gel^ört 
aud^ ber immer mel^r jutage tretenbe 93an!erott ber aifter^ 
mei^l^eit be^ vorigen ^al^rl^unbertg. S)a^ Unl^eil, ba^ 



74 V^* ^Fontanes iSriefB an TettiB iFornttie. 

Seffing mit feiner ©efd^id^te t)on ben brei SKngen an^ 
gctid^tet l^at, um nur einen ^unft l^erau^jugreifen, ifl 
foloffat. 3)a§ „feib umfd^lungen, SWiHionen" ip ein Unftnn. 
^ol^eitöaufgaben, bie bod^ nid^t gelöft werben fönnen, vtx^ 
mirren bie SIRenfd^l^eit nur. ®ani allgemein aufgeftellt 
ftnb unerfüHbare ©afee, mie „liebet eure geinbe", grojs 
unb fegen^reid^. S)enn ber ©injelne fann jtd^ baran in 
ben Fimmel l^ineinftrampeln. Unb id^ bemunbere ei8 bann. 
Slber fomie bag praftifd^e Seben für ben 3llltagggebraud^ 
banad^ eingerid^tet werben foH, geraten mir in bie Steffeln 
unb fd^reien „au". 

S)afe S)u mit meinen Äapitetn (üielleid^t l^at e^ ftd^ 
injmifd^en fd^on mieber geänbert) eintjerjlanben bift, freut 
mid^ fel^r. 2ld^, menn e^ nur erft eingepadtt unb auf bem 
SEBege nad^ Stuttgart märe! 

©eftern frül^ fam @raf Änppl^aufen, gütig unb tieben^^ 
mürbig mie immer, unb lub mid^ ju 2^ifd^. SKeine Siebe 
unb 5Creue ift alfo bie^mal bod^ belohnt morben, roa^ 
übrigeng uietteid^t öfter üorfammt, afe man annimmt. 
Um 2 Ul^r mar id^ in ber alten 3?orbIanbg=3SilIa, bie in 
il^rem ©til ein bifed^en an Äird^e SBang erinnert, unb 
verlebte bafetbft über brei fel^r angenel^me ©tunben. 3)ie 
©efettfd^aft mar foloffat gräflid^: fed^g ©rafen, eine 
©räfin unb fed^g Äomteffen. S)er Duatorji^me mar ber 
befannte ®raf t)on ^abenid^tg, ben id^ S)ir meiter nid^t 
DorjufteHen braud^e. Slad^ 5Cifd^ fam aud^ nod^ ©EjeHenj 
t). Ärofigf, mein alter ©önner. 3)ie beiben S)ömbergg, 
Sruber unb ©d^mefter, finb in 5ßontrefina im ©ngabin. 
S)ie fed^g ©rafen (Hingt fd^mäl^lid^ baHabenl^aft) maren: 
Änppl^aufen, brei SEBebete (ein alter unb jmei junge), 
^effenftein unb t)on bem Sufd^e. 3lIIe fel^r nett, befonber^ 
ber tefete. 93ei ber ©räfin l^ab' id^ einen ©tein im 33rett, 
aud^ bei ben Äomteffen. 3d^ muls bod^ ein ftiller ©d^mere^^ 



1888. 75 

nöter fein ! ©cgcn fed^^ mad^te x^ nod^ meinen ©pajter^ 
gang, aber ho^ fel^r mit SBorftd^t, b. 1^. in ber Sßä^e 
menfd^Itd^er SBol^nungen, nad^bem id^ t)orgeflem bi^ auf 
bie ^aut na§ geworben mar. Qd^ fomme mit einer &c^ 
fältung nad^ ^au^, gegen meldte bie von meinem SRed^nung^^ 
rat ®. nur ein 5ßappenftiel ift. 

Unb nun lebe mol^l, grüfee bie Äinber, infonberl^eit 
aud^ ben ©ommerleutnant. SEBie immer 3)ein alter 



210) SRorberne^, b. 13. aiuguft 1883. 

Siebe grau. 

^eute frül^ erl^iett id^ S)eine britte Äarte. @^ freut 
mid^, bajs S)u im ganjen mit ber Slrbeit einuerftanben ju 
fein ober fie menigften^ ate 2lrbeit ju äftimieren fd^einft. 
3d^ glaube, ber ©d^tu§ be« 12. Äapitefö (ba§ in bem 
3Koment eintreffenbe Sufett mit ber Äarte von @gon) ift 
ein guter 6oup. S)u l^aft S)id^ übrigen^ mieber mit SRul^m 
bebedft; 3)u mufet e^ ja in brei, ^öd^ften^ üier 5Cagen db^ 
gefd^rieben l^aben. S)a^ fönnte id^ nun mieber nid^t! 

Übermorgen bin id^ mit ber Sleiftiftforreftur burd^ 
unb am ©onnabenb ober ©onntag mit ber ganjen ©e- 
fd^id^te. „SDann (mie 3Kenjel fagt) l^öre id^ auf" unb 
fönnte ata aWontag ober S)iengtag ber näd^ften SBod^e in 
33erßn eintreffen. 3ft e^ S)ir aber lieber, id^ fomme 
fpäter, fo l^ab' id^ nid^t^ bagegen, e^ aud^ fo ju mad^en. 
3d^ erbitte mir in biefem galle bie jmötf Äapitel, beren 
Semättigung mid^ bann mol^l bi^ ©d^lufe be^ 3Jionatg l^ier 
feft^alten mirb. ^d^ barf fagen, eg ift mir ganj gleid^, 
mie 3)ein Sefd^eib auiSfäHt; bie aSorjüge unb 3flad^teile 
balanjieren fid^, fo bafe ba« ben äu^fd^lag gibt, mag am 
beften pafet. ^ä) lebe ^ier atteg in attem etma^ ,,unterm 



76 tttr. ^Fontane« jSrtefB an fehie JFomtlte. 

©tanb", bin einfam unb langtüctlc mid^ foloffal, aber x^ 
l^abe Suft, 93cTt)cgung, Ungeftörtl^ctt unb fann arbeiten. 
^n Sertin l^ab' id^ mel^r Äomfort, Sequemlid^feit, Untere 
l^altung, aber Äanal, aRenfd^en unb ganj unbered^enbare 
Störungen, bie id^ nie braud^en fann, aber fpejiell aud^ 
Jefet nid^t. ^eute frül^ gegen jwölf erfd^ien ©jjeffenj 
hülfen. aSorgeftern ein ®raf! S)iefe 9iaume ftnb an 
fotd^e ©rfd^einungen nid^t getüöl^nt. SWorgen ftnb e^ t)ier 
Sffiod^en, bafe id^ in abfoluter ®infamfeit lebe. Qn meinen 
Briefen Hingt ba^ ja aUe^ nod^ ganj meufd^lid^ unb 
tnaniertid^ ; aber wenn S)u ©pietl^agen^, SRid^aefe, Än^p^ 
Iiaufen^ unb hülfen jufammenred^neft, fo fommt bod^ 
immer nid^t mel^r mie ad^t ©tunben l^erau^. Unb uier 
SBod^en finb beinal^' 700 ©tunben. ©^ ift, mie wenn 
man t)on einem ©d^ofolabenpläfed^en einen ganjen 2;ag 
leben foH. Unb nun miH id& mid^ anjiel^n unb auf ber 
„©iftbube" meine ^reujjeitung tefen. S)enn bie SWoftrid^- 
3eitungen, bie bort aufliegen, Iiaben aufeer il^rer Caca 
de Dauphin-garbe aud^ nod^ ben aSorjug, immer fünf 
Xage alt ju fein. Qu ©afamicciola gibt e^ ^erfonen, 
beren 2lu^bubbelung id^ nun fd^on 20 mal mit bei= 
gemol^nt l^abe. 1000 ©rüfee. SEBie immer S)ein 



211) S«orberne^, b. 23. augufl 1883. 

Siebe grau, 
©efiem abenb fam S)ein ^afet; befien 2)anf, aud^ 
für bie begteitenben freunbtid^en SBorte. 3)lein ©efd^enf 
für grau SB. mu§ alfo vorläufig unterbleiben, fd^abet aud^ 
nid^t Diel. 3Kit ber ruppigen SSerlag^bud^l^anblung, menn 
id^ jurüdE bin, in Serül^rung ju treten, ift mir fd^on l^eute 
ftörenb; romn id^ eine Sud^l^änblerftimme l^öre (unb nun 



1883. 77 

gar bie), fül^P td^ c^, xok %xa\x SBlajortn ©d^., aud^ an 
einem beftimmten 9lüdenmarf^nert)en, aber ntd^t angenel^m. 
S)ie üerfd^tebenen 3Ketterg üben nun 'mal uerfd^iebene 
SBtrfungen auf ben an^, ber fie betreibt: ©d^ufter, 
©d^neiber, ©d^mieb, 2lpotl^efer. Unb biefem ©efefe untere 
liegt aud^ ber Sud^l^änbter. 2lber ie feiner ba^ 3Ketier 
(j. 33. ©artner), je efliger ber Äerl. 

gür bie beiben 3lu^f d^nitte : „S)ie ^ofprebiger nad^ 
SBittenberg" unb Sral^m über feinen greunb ^aul 
©d^Ientl^er, beften 35anf. 35eg lefeteren Seiftung ift 
gewife boll. SBol^l bem, ber fo ^roa^ nid^t ju fd^reiben 
brandet. 

S)u fprid^ft von unf rer SSereinf amung. Qa, fie ift ba ; 
aber wir müjfen fie für ben SReft unfrei Seben^ tragen, 
©in Qan^ mad^en fönnen wir nid^t; anbren nad^laufen, 
baju finb mx ju alt, unb auf neutralem Soben mit aller 
aSelt fid^ treffen, baju finb mir ju fritifd^ unb ju tjermöl^nt. 
S)ie ©infamfeit tut mel^, aber bod^ nid^t fo mel^ mie fatfd^e 
©efettigfeit. ©^ ift mie mit ber ®fie. Äeine grau ift 
fd^Iimm, aber immer nod^ beffer aU eine fd^led^te. 

$ier gel^t mein Seben feinen ©ang nad^gerabe mit 
einer 9iegetmä§igfeit mie in ben ,,regelmäfeigften" berliner 
3eiten. Äaffee, Slrbeit, aJHttagbrot, Srieffd^reiben, 3la^^ 
mittaggfaffee, Sefejimmer, ©tranb, 5Cee — ein 5Cag mie 
alle 2^age. ©^ ift mir nun aud^ ganj red^t fo, ja beinal^' 
red^ter, aU menn e^ anberg märe, ^ä) braud^e meine 
3eit. Unb finb bann bie SBod^en um, fo l^at man, aller 
©infamfeit unerad^tet, bod^ eine 3Kenge gel^ört unb gefel^n. 
©d^on allein bie Seobad^tung ber SRaffen, ©tämme, ©tänbe, 
moju man l^ier auf engftem SRaum munberüoHe ©etegen^ 
l^eit l^at, ift oon 2Bert. 

3Kir ift, aU l^ätt' id^ nod^ 'mag fd^reiben motten, aber 
eg ift meg. 3tun, e^ mirb fid^ mol^t mieber anfinben, fonft 



78 tS^. ^ontaxm iSriefe an feine iFamiUe. 

fann td^ c^ l^iet aU „t)ctIoren" mit ber Ältngel au^^ 
rufen laffett. SCaufenb ©rüfee. SBic immer 3)ein 



212) Slorberne^, b. 24. Slugufl 1883. 

Siebe grau, 
^eute befud^te id^ Rapxt&n Äroon^, mitt fagen bie 
gamilie, bei ber id^ im üorigen Qal^re gemol^nt l^abe. 
©ie finb fojufagen vom SBebbing in bie Sel^ren^ ober 
SBill^etmftrafee gejogen unb vermieten il^r neue^, elegante^ 
$au^ nur an „Honoratioren", billige SBol^nungen 70 2Rar! 
möd^entlid^, befte 105 aWarf. SDafür l^at man SBo^n^ 
jimmer unb jmei ©d^Iafjimmer, alfo etma 4 Letten. 
3)lad^t jeben 5Cag 5 S^aler für SBol^nung. ©el^r teuer 
unb aud^ mieber nid^t. ®n finb eben einfad^ ^otelpreife, 
unb fd^liefelid^ mufe man einräumen: „SBarum follen fid^ 
Seute, mäl^renb einer nur 2 SWonate bauemben ©aifon, 
für mirßid^e ^oteljimmer nid^t aud^ l^otelartig bejal^Ien 
iaffen!" Steift ein mol^ll^abenber Kaufmann mit grau 
unb 3 SCöd^tem l^ier^er, fo foftet il^m jeber ^^ag 25 XaUx: 
5 Xaler SBol^nung, 5 SEater S)iner, 5 2;ater Äaffee, grül^^^ 
fiüdE, 3lbenbbrot, 5 Xaler 2Bein, 33ier, ©obamaffer, 5 Saler 
bag eigentlid^e 33aben. aWad^t in 30 2^agen eine ausgäbe 
oon 750 Später. S)aju bie eigentlid^e SReife, ^^rinfgelber, 
SReifefoftüme, H. ©Etra^aSergnügungen (Sootfal^ren ac). 
3Kad^t allen in allem 1000 S^aler, man afe ©ommeraun= 
gäbe für einen mol^ll^abenben 3Kann, ber oielleid^t ber^ 
meilen ju $aufe jufd^liefet, nid^t oiel ift. ®n ifl nur ju 
oiel für ben, für ben en ju oiel ifl. Qd^ fenn' einen fold^en. 
^ä) fafe bei ben ^roonn mol^I ^U ©tunben; bie alte wirft 
ganj mie ©enator ®ggern' erfte grau (nur älter), bie 
^^öd^ter finb auffallenb l^übfd^ unb oon einer franjöfifd^en 



1883. 79 

Sebl^aftigfett. ©cl^cn au(ä^ ganj fo au^. @^ müfete tntercff ant 
fein, bte ajltf(ä^ung§t)ctl^ältntffc ju verfolgen. — 

3)te ©ad^e mit ^ a u l $ e 9 f c *) i)aV xä) mit injmif d^en 
anbete überlegt. @^ liegt mit, offen geftanben, an bet 
@l^te, ha aud^ mit eingepadt unb afö beutfd^et SRotjeHifl 
ptoHamiett ju toetben, nid^t ba^ ©etingfte. @^ ifi mit 
ju menig. Unb um etma^ ju etjieten, ba^ mit abfolut 
gleid^gültig ift, foH id^ an meinen SBetleget $et| fd^teiben 
unb il^n bitten, mit ju ©efallen bie ©tlaubni^ jü 
geben — mit ju ©efaffen, bem gat fein ®ef allen bamit 
gefd^iel^t? 3d^ metbe bieg, wenn id^ etft miebet in 33etlin 
bin, aud^ ganj offen an ^aut fd^teiben unb er mitb nid^t 
unglüdlid^ batübet fein. 

3Kotgen mel^t. gut l^eute gute SRad^t. S)ein. 



213) SRotbetnep, b. 30. 3luguft 1883. 

Siebe gtau. 

^aU S)anf füt S)einen unb 3Keteg Stief, bie l^eute 
ftül^ l^iet einttafen. SBit l^aben beibe jiemlid^ fd^mete 
SBod^en leintet un§: S)u Sangemeile mit Unbel^agen, id^ 
©infamfeit mit Übetatbeit. Unb bod^ mat eg gut fo ; bet 
gtofee Äampf mufete bott auggefämpft unb bie gtofee 
SßooeHe mu^te l^iet ju @nbe gebtad^t metben. 

S)iefe lefette ift nun mitf lid^ ju ©nbe, ja, nad^ bet 
gtünblid^fien Äotteftut (S)u mitft 2)i(^ munbetn, mie S)ein 
fd^öne« 3Kanufftipt au^fiel^t) l^ab' id^ biefe 35 enbgültig 
butd^fottigietten Äapitel in btei 5Cagen aud^ nod^ mal 
butd^getefen, mobei fid^ natütlid^ immet nod^ miebet fteine. 



*) (58 l^anbcltc fid^ um bcn t)on ^c^fc unb Äurj l^crauS* 
gegebenen i,9lot)eIIenfd^atf beg beutfd^en S3ol!eS^. 



80 ffiijf. iFnntane« ^Briefe an fetne iFmnUU. 

mitunter aud^ gtofee gcl^ler tjorfanben, fo ba§ btcfe le^tc 
®enetals35urd^ftd^t, btc ^arabc t)or bem ^öd^ffc^Äomman^ 
bietenben, ntd^t t)crgcbltd^ roar. 

S)te 3lrbett ift nun ganj, n)a^ fic fein foH, unb lieft 
fid^ tt)ie gefd^miert. 2llle^ Pinf, fttapp, unterl^altlid^, fo 
weit efpritüoHe^ ©epiauber unterl^atttid^ fein fonn; wer 
auf plots unb gro^e ©efd^el^niffe Tüaxtet, ift tjetloren. 
%üx fold^e Seute fd^reib' id^ nid^t. ^ä) fülile, ba§ nur ein 
feinet, üielteid^t nur ein ganj feinet 5ßublifum (ber 2^l^ie=: 
mu^'fd^e eine Sefer!) ber ©ad^e geredet werben tann; 
aber id^ fann, um bem großen Raufen ju genügen, nid^t 
SRäubergefd^id^ten unb 2lt)entüren=SIed^ fd^reiben. Slatür- 
lid^ gibt e^ aud^ l^öIiereSiäubergefd^id^ten, unb metleid^t 
finb biefe bag SRomanibeat. 3lber meber bie 2uft nod^ 
bag 5Catent baju liegt in mir. Unb nun genug baüon. 
„(Selben mir ju intereffanteren S)ingen über/' fagte ^err 
t). 33efir.*) — 

^eute l^ab' id^ fd^on jmei relatit) mid^tige Sriefe ge- 
fd^rieben: einen an hülfen, einen anbren längeren an 
% ©d^tentl^er. 3)a« »üd^eld^en ©d^lentl^er^ **) ift 
merftoürbig gut, uiet beffer, afe iä)*^ if)m jugetraut l^atte, 
trofebem id^ il^n für einen gefd^eiten unb tatentüollen 
Äerl l^ielt. @^ ift überreid^ nid^t bloß an glänjenben ^t^ 
merfungen, fonbern, xoa^ l^öfier ftel^t, an fd^arfen unb 
rid^tigen Seobad^tungen. 2Ber fefir fd^arf fielet, finbet 
meift aud^ einen ungemöl^nlid^en 2lu^brudf für ba^ un^ 
gemöl^ntid^ fd^arf ©efel^ene. Sral^m in feiner Äritif ifl 
il^m nid^t jum jel^nten 2^eil geredet geworben. Xxoii^ 

*) Sltif|)iclunQ ouf ein |)crfönUd§c8 Erlebnis, on ha^ S^ontonc 

oft unb Qctn erinnerte, ^nx b. S3. ^ottc fid^ bei einer SBcQCQnunß 

nad^ bcnt SBefinbcn Fontanes erfunblgt, ben bon bicfeui begonnenen 

^ertd^t iebod^ alSbalb mit ben oben angefül^rten SBorten unterbrod^en. 

**) IT», ö. "&ülfen unb feine Scutc\ 



1888. 81 

beut ifi bag ®anje, td^ toill ntd^t fagen ein Unfinn, aber 
txn Überfluß, ein ©d^Iag ing SBaffer, eine Ungered^tigfeit. 
SDenn aller 3JiängeI iQüIfen« unerad^tet ifi feine SBenoat 
tung unb fein SBerroaltung^^sSRefuI tat um fein $aat 
breit fd^Ied^ter afe bag, roa^ SBien ober aJWlnd^en, ober 
2)re^ben ober Hamburg feit 20 ^al^ren geleifiet l^iaben. 
hinter aW bem lauert nur ber SEBunfd^, aud^ irgenbwo 
'mal bie SRoffe oon iQeinrid^ Saube ju fpielen *). — 

24 ©tunben nad^ ®intreffen biefer 3^üen treff' id^ 
mal^rfd^einlid^ felber ein. S)ir unb ben Äinbem bi^ bal^in 
l^erjlid^fie ®rü§e. SBie mein Sefinben ift, mei^ id^ felber 
nid^t. S)ag Slut l^at fid^ gemife gebeffert, unb ber a3aud^:= 
^nfa^, glaub' id^, ifi meg ; aber bie 9iert)en finb fd^merlid^ 
ju einer redeten SEBeibe gefommen. S)er Äonfum mar ju 
gro§. aWit ^ilfe oon ©d^Iaf, ben id^ l^ier nid^t l^atte, 
l^off' id^ aber nad^eyerjieren ju fönnen. ©rgel^' e^ S)ir 
gut. 2Bie immer 3)ein ^^ c^^ 



§ütU mt hn h^tn 1884 iiiiir 1885. 



2fn ben etfien ÜRonaten beS Sfal^reS 1884 tollenbete gfontane feine 
Slrbctt über »Sl^ttfttan gfriebttd^ ©d^erenBetQ* ufto., bie 
bemnSci^jl in ber „Soffifd^en S^i^rnig" unb ein 3ö^t batauf in einet 
SBud^auSgaBc etfd^ien. 3n feiner ©ommerfrifd^e ju %f)alt enttoarf 
er ben ^lan ju ber !Rot)eKe „Q^^ciW, mit bercn toeiterer 3lu8s 
orbeitung er ^ä^ in Ärummt)tiBeI Befd^äftigte. Sm €ftoBer unb 



*) Sfontane fyit fid^ mit biefer SSermutunß aU guter ^roj)§et 
ertoiefen. Dr. ^anl ©d^lentl^er, ber im 3al^rc 1889 junäd^fl an 
gfotttaneS ©tette ba« 2:i^eatcrreferat für bie »rSoffifd^e 3cit»mö' 
üBcmal^m, ift im 3a^re 1898 Befanntlid^ in bo8 f. 3- ^^n SauBe 
bertoaltete 9(mt beS 2)ire!tord am SBiener ^ofBurgtl^eater Berufen 
toorben. 

%^. Fontanes »riefe an feine Familie. II. ' 6 



82 tE^. Jfontmtü iSriefe an ft\M iFotnilte« 

SflotcmBcr 1884 toutbc btc für bic „©artctilauBc" Beflimmtc Ätimiitals 
notJcKc „Ütitcrm SBttnBaum" gcfd^ricBen, bie in ben ctften 
SO'lonoten bcS 3a^tc8 1885 jur SoKcnbung gelangte 3m ©ommct 
bicfeS 3at)rc8, ben gfontanc totebct in Ärumml^üBcI juBrad^tc, fc|te 
et bie SltBeit an »6^6cile* fort unb enttoarf ben ?Xan gu einer 
gtoeitcn, für bic (SartenlouBe Beftimmtcn, a«^« ^^^^ ini fci^lefifcl^en 
©eBirgc fpiclenben (grjöl^Cung »Quitt*. 

214) SBerlin, b. 16. 3Kärj 1884. 

3Ketne liebe aWete. 

§eute frül^ erl^ielten toit S)einen jroeiten S3rief an^ 
3txiia*) — i^ bin entfd^ieben gegen ,,3ltce" — unb 
ba i^ ntd^t wiffen fann, roa^ bie nöd^ften ^age an 
Störungen vklUi^t bringen, fo benu^e id^ bie ©onntag^^ 
ftiHe (für 3Kama vul ju ftiH, worauf fie mir immer einen 
aSormurf mad^t), um S5tr ju fd^reiben unb vox allem aud^ 
ju gratulieren. 3Kögeft S)u fo frol^, fo l^etter, fo gmeifefö^^ 
ol^ne tote mögltd^ in ben l^errlid^en blauen Fimmel l^inauf 
unb auf bag l^errlid^e blaue SDieer l^inabfd^auen. 

SQBa^ füllen mir t)on l^ier au^ melben? Über baiS 
grofee S^^^^'^\^\i 6ei 3R3 mirft 3)u fd^on gel^ört l^aben. 
©gentlid^ mar eg nid^t vxd, unb bod& mar e^ aud^ mieber 
aUe^, xoa^ e^ fein fonnte: freunblid^e, Iteben^mürbtge 
SBirte, gebtibete, reid^e, mol^Ianftänbige ©äfte, feine ©peifen 
unb nod^ feinere SBeine, ©lanj ber ®inrid^tung, S^oafte, 
aWuftf unb lebenbe Silber. Unb bod& mu^ id& mieber^^ 
Idolen: e^ fel^Ite roa^, ja e^ fel^Ite mel, aUe^. SBenn id^ 
fagen mürbe, e^ l^abe bourgeoi^l^aft ober gar gelbpro^ig 
gemtrft, fo märe ba^ falfd^ ; e§ mar aUe^ mel^r bürgerlid^=^ 
Heinftäbtifd^, vox allem aber unbebeutenb, jmeiten ober 
rid^tiger britten SRange^. SBeld^ Unterfd^teb, menn id^ 
bamit einen 2lbenb beim 5ßrinjen ober einen SKad^mittag 

*) gfontoneS Xod^ter Befanb fid^ bamalS a(8 Begleiterin einer 
amerifanifd^cn 2)amc, 3J|t8. S)ool^, auf einer 9leife in Stolien. 



1884. 83 

auf ber 2^reppent)eranba bei ^e^ben^ ober ein S)eieuner 
bei Sinbau mit Sluerbad^, Saparb 2;at)Ior, ßa^fer ober 
aud^ nur einen 5piauberabenb bei grau o. SBangeni^eim 
mit SBinbel ober einen bito ^lauberabenb bei grau 
t). SRooiffe mit Saron SBubbenbrodf üergleid^e. SBorin 
liegt ber Unterfd^ieb? S^ glaube bar in, ba^ in guten 
Käufern ba^ Unfreie, ba^ Q^xt^t^tma^tt, ba^ ^inauf^^ 
gefd^raubte, bie SCrioialität unb ba§ SBIed^ megfällt. @g 
mirb aud^ allerl^anb bumme^ 3^W9 gefprod^en, Unau^^^ 
reid^enbeg. Unfertige^, Unl^altbare^, aber bie ^ißterei fel^It, 
bie ^Prätention ; atte^ gibt fid^ natürlid^er. ©erabe ba, mo 
man 3^^^9 fürd^tet, i^errfd^t ^manglofigfeit, unb umgefel^rt. 

S)ie S^benfrage brennt mieber infolge be^ ©t)nagogen^ 
branb :^ ^rojeffe^ in Äoni^ unb SKeu = ©tettin, unb im 
SReid^^tage l^aben ©tödfer unb §aenel foloffale ©robi^eiten 
auSgetaufd^t. 2lud^ SBi^mardE bat jmeimal fünf ©palten 
lang gefprod^en, ba^ erfte aWal über bie Sa^fer'©argent=^ 
grage (SRepräfentanteni^au^sSlbreffe), ba^ anbre aWal über 
©taat^fojiatemu^ unb ben Parlamentarismus, mie er ift 
unb mie er fein foll. S3eibe 3teben mieber ber reine 
gudfer. SBenn er nieft ober 5ßrofit fagt, ftnbe id^ eS 
intereffanter, als bie SRebemeiSl^eit oon fed^S gortfd^rittlem. 
2)er ©injige, ber mid^ neben il^m intereffiert, ift ßugen 
aiid^ter. 3d^ finbe baS 3luftreten blefeS le^teren un= 
oerfd^ctmt in ber gorm unb begreife ben §a^, ben SBiS^ 
mard gegen il^n l^at; aber jugleid^ l^at er bod^ eine SBer^^ 
manbtfd^aft mit il^m unb fommt il^m in 2Biffen, SBi^, 
SRatürlid^feit unb ©d^Iagfertigfeit am näd^ften. 

3Kit meinem ©d^erenberg = 3luffa^ bin id^ nun 
©Ott fei S)anf balb ju ®nbe; jmölf Äapitel finb fd^on 
abgefd^rieben. aWama unterl^ält mie gemöl^nlid^ bie aSor^ 
ftellung, ba^ eS nie fertig mirb. @S fei il^r aber oerjiel^n, 
ba fie mir feit einigen 2;agen mieber mit ^obeSoerad^tung 



84 Sir- J^ovA(mt» iSriefe an \tfat J^atnUie. 

üotlieft, fo l^cute beifpiefetoetfe bie ^. ^einefd^en 3Kemoiten, 
fo toeit ftc big jc^t in ber „©ortenlaube" abgebrudt finb. 
®g l^at mid^ fel^t atnüftert. Slffcg foloffal geifteeid^, fein, 
rotzig; hxdtt nid^t bie SBerlogenl^eit unb ©tteüeit überall 
l^ertjor, fo n)ät' e^ SRummer ein^. 

3Keine ©d^etenberg^Sd^reiberei bringt mid^ mit üielen 
neuen ßeuten in SSerüi^rung. 2lud^ mit ©jjeHenj fjrieb:^ 
berg*) l^ab' id^ üorgeftem im S^iergarten eine lange 
©d^erenberg^Slu^fprad^e gel^abt. 6t mar fel^r gnäbig, mie 
gemöl^nlid^. 3d^ mi^U nid^t an feiner ©teHe fein; mer 
pd^ in l^ol^en Stellungen bel^aupten unb glüdEIid^ fül^Ien 
miß, mu^ grob unb rüdEfid^t^Io^ fein unb fjäufte l^aben, 
Unb bie l^at er nid^t unb id^ nid^t. 

Unb nun lebe mir mol^I unb l^abe einen frol^en SJag, 
SBie immer S)ein alter ajapa. 



215) 33 erlin, b. 8. SlprU 1884. 

aWeine liebe aWete. 
©tatt eineg DfterftoHen menigften^ einen Dfterbrief. 
aOBo mir 3)id& in ber emigen ©tabt fud^en foBen, miffen 
mir nod^ nid^t, bod^ benf id^ vorläufig in bem iQotel 
sopra Minerva. SDa l^aft S)u bie fiird^e in ber SRal^e, 
in ber, glaub' id^, linfö neben bem 2lltar ber munberbar 
fd^öne ©l^riftug oon aJKd^el 2lngeIo l^ängt, mit einem 
©olbfd^ul^, meil ber aSorberfu^ — menn mir red^t ift — 
abgebrod^en mar. S)a l^aft S)u aWonte ©itorio, mo [x^ 
bag römifd^e SBoß ju üerfammeln liebte, tro^bem ber 
aWonte nid^t l^öl^er unb größer ift afö unfer ©d^nedEenberg. 
S)a l^aft 2)u bie 5ßiajja ©olonna, bie 5ßoft, bag Äaffee 

*) Dr. ^cititid^ f^rtcbBctQ, ber bamaXtgc Sufttamtmflct, 
eine Se!annifd^aft gfontaneS and bem »XunneX über bev Spree". 



1884. 85 

6at)our, aUt^ fo naf)\ ba^ man fid^ von einem jutn anbem 
einen ®uten 3Korgen jurufen fann. 2lud& eine tounber^ 
voUt Äonbitorei ift ha, too man Heine „Bouches" friegt, 
©d^ofolobenbi^fciitg mit ©tßmefüllung, moneben bie ganje 
Qtxtli^Uü üon ÄranjIersSoftp nur eine SRol^eit ober bod^ 
l^öd^jien^ ein Äulturanfang ift. Unb fc^räg über t)on ber 
Äonbitorei ift eine SEBafferbube, mo ftatt fd^redltd^en ©oba^ 
mafferg mit nod^ fd^redlid^erem ^imbeerfaft bIoJ5 aqua, 
bloj^ Seitung^toaffer oerfauft mirb; aber meld^ aBaffer^^ 
leitung^maffer, ntd^t au^ bem algenreid^en ^^egler^See, 
fonbem ein SBaffer „com ©ebirge l^er". ^o^ moju S)ir 
t)on bem erjäl^Ien, roa^ 2)u vox 2lugen l^aft unb in iebem 
aiugenblide genießen fannft; id^ mad^' e^ mieber mie vox 
t)ierjel^n klagen bei Sinbau, mo id^ ben neben mir ftfeenben 
^rinjen von aWeiningen an ber ^anb Dnfel 2Bitteg*) 
über 3Keininger S^ftänbe unterl^ielt, bi^ id^ mid^ entfann 
unb mid^ entfd^ulbigte. 

SBenn id^ bie lefeten Slätter meinet S^agebud^^ burd^=^ 
fel^e, fo bin id^, mie jebegmal, mieber erftaunt, mie oiel 
fid^ in einem Keinen, ftillen Seben bod^ immer nod^ ju^ 
fammenläppert. 3Kit 5ßaul ^et)fe l^ab' id^ forrefponbiert, 
nad^bem id^ fein SBoIföfd^aufpiei „S)ie granjofenbraut" 
unb feine lefete SRooeffe „SDie fd^marje ^acoit" gelefen 
l^abe; SRid^arb SSo^' fünfaftigeg ©d&aufpiel ,,3)er 3Ko^r 
beg Saxm" ^aV id^ gefel^n unb befprod^en unb auf meine 
Sefpred^ung l^in feinen S)anfe^befud^ empfangen, ©uftao 
SRid^ter unb ©manuel ©eibel jinb geftorben, Sanbrat 
V. Duaft l^at fid^ oerlobt, an ©teile einer 3Kinna l^aben 
mir eine Sertl^a, bei grau ^ßrofeffor Sajaru^ unb ^au 



*) Dr. gfriebrid^ SBittc au8 9loftocf, ber Sfrcunb 8fontanc3, 
tetttat bamaU aU fortfd^tittttd^ex ^Bgeovbnetex im dletd^gtage ben 
SBal^lfveid ^eintttgen. 



86 tK^. JfoxAane% iSrUfe an feine iFamUie. 

V. SBangenl^cim f)aV x^ jn)ci ©tunben lang geplaubert 
unb bei lefeterer nod& gräulein S)efteuque, 5ßater SRobiaru) 
unb einen 3öxnau^brud& über bie preu^ifd^e Äitd^enpoliti! 
mit in ben Äauf genommen. SSon grau ßajaru^ — bie 
t)iel freunblid^e SBorte für S)i(i^ l^atte — mu^ id^ S)ir bei 
ber ©elegenl^eit einen l^übfd^en 3itg erjäl^Ien. 2Bir fprad^en 
über bie t)erfd^iebenen 3tütIi=©orten unb 9lütli=33en)irtungen. 
^ä) fprad^ bem §aufe Sajaru^ l^ierin unbebingt ben erften 
3tang ju, fd^on megen ber wunberoollen Äranjlerfd^en 
^Blätterteige, tro^bem biefe für einen 64 er eigentlich töblid^ 
feien. S^beffen, moju gab' eg 5ßepfin? Unb nun fd^ilberte 
id^ il^nen ^epfin unb Onhl SBitte^ gabrif unb fogar bie 
©d^meincmägen. Se^tere^ mar etma^ gemagt. SBier 2:age 
fpätcr mar 9tütli bei Sajacu^; junäd^ft natürlid^ ber 
üblid^e SBerg t)on Blätterteig, auf meiner ^affe liegt aber 
aud^ eine Äapfel unb in ber^apfel 5ßepfin. SBie gütig, 
mie fd^elmif(^, mie fein! S)er gefamte märftfd^e 3lbel 
leiftet ba^ nid^t. S)od& id^ miß nid6t ungerecht fein, 
gräulein v. 9tol)r bräd^t' e^ üieHeid^t aud^ jumege. Slber 
bie ift eine 5Rummer für fid^. 

Unb nun gleid^ nod^ eine anbre fleine ©efd^id^te, 
ol^ne meiteren ä^fö^^^^'^ö^Ö ^^^ '^^^ ^^^^ ©rjäl^lten 
ate ben, ba^ e^ aud^ eine Heine ©efd^id^te ift. aWama 
unb id^ maren gemeinfd^aftlid^ im S^l^eater, um ben „3Jlo^x 
bc^ 3^1^^^" i^ f^^^- Um jel^n fragt Sertl^a ben fein 
2lbenbbrot oerjel^renben griebel, ,,ob fie aufbleiben muffe 
ober ju Sett gelten fönne?" „©el^en ©ie rul^ig juSBett; 
bie eitern l^abcn ^au^fd&Iüffel unb SDrüdEer." Unb SBertl^a 
gel^t ju SBett. ^ebel l^olt aWama au^ bem S^l^eater ab 
unb erjäl^It fein ©efpräd^ mit Sertl^a. „Qa, ba^ ift fd^Iimm, 
id^ l^abc feinen SDrüdEer, unb ^apa !ann vox jmölf oon 
ber Bettung nid^t mieber ba fein." „SKun, fo motten mir 
fo lange jum SBeil^en ^^ ©tepl^an gel^n unb ein ©eibel 



1884. 87 

trinfen." @ut. SBon 11 V2 an flel^en fte aber toieber t)ot 
ber ©ittertüt unb toarten auf tnid^. ©nblid^ erfennen fte 
mid^. „SDa fommt et angel^itpft." „©uten 2lbenb." ,,®ott 
fei SDanf, bafe S)u fommft; n)ir fönnen nid^t in unfte 
SBol^nung, SBert^a ift ju 33ett, unb id^ l^abe feinen S)rüder." 
„Unb id^ aud^ nid^t." Äoloffale aSetlegenl^eit, Tlama 
merftoürbig gefaxt, weil fie nod^ unter bem ©influjs be^ 
3SBeil^en:^©tepl^ans©eibefe ftanb. „Qa, xoa^ mad^en xoxx 
nun? SBir fönnen ja bei ber üerfd^Ioffenen Hoftür aud^ 
nid^t einmal bie Hintertreppe l^inauf unb ,bullem'." 
griebel brang nun barauf, wir füllten mit in feine SBol^nung 
fommen, mo id^ mid^ in fein 33ett unb 3Kama fid^ aufg 
©ofa legen foffte, er aber motte entmeber auf einem ©tul^I 
näd^tigen ober ju Äarl S'^Umx in^ 33ett fried^en. 3d& 
banfte il^m, erflärte jebod^ mein „non possumus"; id^ 
l^abe feine SSorliebe für anbrer Seute Letten. ©0 mürbe 
benn befd^Ioffen, bajs 3Kama unb id^ bei grebrid^ brüben 
ein Unterfommen fud^en foHten. Um e^ furj ju mad^en, 
im legten aWoment entbedften mir bei „©el^eimrat^" nod^ 
ßid^t; alfo mieber in^ Qan^ l^inein, ^repp' auf unb ge= 
flingelt. SDer ©el^eimrat erfd^ien, unb ba^ 2Bort Hamlete, 
aU er feinet SSater^ ©eift auf fi(^ jufommen fielet: „Thou 
comest in such a questionable shape", pajste aud^ l^ier. 
©d^önl^eit ift aud^ bei ^age nid^t feine ©ad^e. S)ie ©attin 
ftanb il^m jur ©eite. SBeibe übrigen^ ooller ©üte unb 
er fogar ooller $umor, natürlid^ feine ©orte. SDiit 
einem ^adfebeil bemaffnet, ba^ id^ in ber gel^eimrätlid^en 
Äüd^e oon ber SBanb nal^m, jogen mir nun, fünf aWann 
l^od^, treppauf unb butterten junäd^ft. 2lber Sertl^a fd^Iief 
ben ©d^Iaf ber ©ered^ten; unb fo blieb benn nid^t^ afö 
bag iQadEebeil. ®g mürbe jmifd^en bie Sobentür geflemmt, 
um eine Älinfe ju geminnen, in bie nun bie ^änbe oon 
Herrlid^, oon griebel unb mir l^ineinful^ren; ein^, jmei. 



88 Str- £ovAme% iSriefe an f^e iFomttie. 

bret, unb mit einem ungel^euren SRudf unb Ärad^ flog bie 
^ür auf. ©onberbaretmeife mar nid^tö jerbrod^en; bie 
nur banne ^ür l^atte elaftifd^ nad^gegeben unb mar einfad^ 
au^ bem ©d^Iojs l^erau^gefprungen. Unb nun bie ^üi^ners 
ftiege l^inauf, um Sertl^a ju medfen. ®in ooHfommener ©ieg 
mar erfod^ten, unb ein mittemäd^tiger ©d^Iummerpunfd^ 
mar ber allfeitige, mol^foerbiente ßol^n. 

3Kein ©d&erenberg:^3luffa^ ift enblid^ beenbigt. 
ajiama fd^rieb 3)ir neulid^: „3u 2Beil^nad^ten foHte er 
fertig fein." @ine von ben befannten 3lngaben. 3^ 
SBeil^nad^ten füllten fed^g Äapitel fertig fein; eg finb aber 
je^t 24. 2)a^ t)ert)ierfad^te Honorar ju empfangen mirb 
aWama fd^Iiefelid^ nid^t unmillig fein. 2lud^ bief er 3luffa^ 
l^at bag ©Ute für mid^ gel^abt, ba^ er mid^ — mie id^ 
S)ir fd^on fd^rieb — mit neuen aWenfd&en in Serül^rung 
gebrad^t l^at: mit grau Sxna S)undEer, ber gefd^iebenen 
grau be^ S3ud^l^änblerg gtanj S)undEer, Dr. Submig 
©d^merin, 3lmt^gerid^tgrat ^offart unb 5profeffor t). ^ol^en^ 
borff, bie mir einen mefentlid^en ^eil be^ ©toffeg geliefert 
l^aben. ©old^e Sefanntfd^aften finb immer fel^r intereffant, 
meil fie von üoml^erein auf etma^ SKüfelid^em unb SReeHem etab^ 
liert merben unb ju blojs Sieben^artlid^em gar feine 3ßit ift. 

3d^ lege txn paar 3^ito^8^öu^fd^nitte bei. SBie 
rül^renb bie fd^lid^ten SBorte t)on ßomeliu^ SRid^ter, mie 
furd^tbar bagegen ba^, ma^ ber alte ©t. fagt. Samm^ 
fromml^eit ift fd^ön, ©d^affromml^eit ift fd^Iimm. S)ie 
SBorte fiögeU über ©eibel ftnb üorjüglid^, unb meld^ 
glüdEIid^er unb neuer ©ebanfe, in ber Äird^e eine^ fo 
^errlid^en 3Kanne§ ju gebenfen, mie ©eibel mar. 

Unb nun lebe mol^l, meine geliebte aWete, unb l^abe 
ein frol^e^, glüdflid^e^, fd^öne^ Dfterfeft. S)ie SRequifiten 
finb menigften^ ba. ©mpfiel^l mid^ afferfeit^. SBie immer 



1884. 89 

216) »erlitt, b. 18. SKpril 1884. 

SWcitte liebe 3Kete. 

Sd^ fd^reibe SDir, um eittett füllen 2lbettb au^juttu^en. 
S)er „ftitte äbenb" tefultiert aug SCante Qenttt)^ ©eburtö^ 
tag, ju beffett 3Kitfeier SDiatna gegen fed^^ aufbrad^. ^^ 
roQX fd^ott übet aWittag ba unb l^abe feit meinen Sräutigam^f 
tagen nid^t fo ml gefügt, wie in biefer ®tatuIation^= 
l^albenftunbe. SDenn e^ maren 18 ju Äüffenbe ba: bag 
©ebutt^taggfinb , ber ©l^egemal^I, fieben Äinber, mer 
©d^toiegexHnber unb fünf ©nfel. deiner fel^Ite. 35ie 
ganje ©ad^e mad^te einen t)x)räüglid^en ©inbrudE, alle^ mar 
l^eiter, glau, bel^äbig, ungeniert unb t)on gutem 2lu^fel^n 
(bie fogenannte „Heine Qennt)" eine malere beaut6). 

^eute frül^ fam nun SDein Stief mit ber grojsen 
SRad^tid^t: „^^ l^abe ben 5ßapft gefe^n." SEBenn SDid^ 
bie^ unb anbre^ fd^on im aWoment beglüdft l^at, fo fommt 
bie ^auptfreube bod^ erft nad^, votnn S)ir bie Slomtage, 
fei'^ bie^feit^, fei'^ jenfeit^ be^ gtojsen SBaffer^, meit 
jurüdEIiegen merben. fiaum minber l^at mid^ intereffiert, 
xoa^ S)u übet aWr. 3- fd^xeibft; id^ l^alte biefe %oxm 
gefellfd^aftlid^er ^oumure für bie ^ö(^fte: greil^eit unb 
Slatürlid^feit bei 3^rtl^eit unb SRüdEfid^tnal^me. S)ie ge^ 
möl^nlid^e gefellfd^aftli($e geinl^eit befielet au^ äufeerlid^er 
©efd^raubtl^eit unb innerlid^er SRüdffid^t^Iofigfeit. SBenn 
id^ mit für diom SRatfd^läge erlauben barf, fo fal^rt ober 
gel^t möglid^ft oiel uml^er unb fel^t möglid^ft menig Silber, 
ßampagna, gra^cati, ^iooli, 3l(bano, ©enjano, SKemi, 
5ßalatin, ©gquilin, SBiHa SDoria^^^ßamfili (SCrafteoere), fed^^, 
ad^t Äird^en, bie oatifanifd^e ©alerie, bie ©alerie im 
5paIajjo Sorgl^efe, bie garnefina: ba^ finb — außer bem, 
VDa2 am SBege liegt — bie S)inge, bie man gefeiten l^aben 
muß ; ba^ anbre fann man fid^ fd^enfen. günf SJage lang 
in SRom unb Umgegenb unau^gefefet uml^erfal^ren, ift 



90 tS^. iFotttone« iSrtefe an fetnc iFcmrtlie. 

leJ^r* unb gcnufereid^er afe ba^ ptogrammmäfeige Sight- 
seeing. 3n SKeapel, ba^ il^r balb feigen toerbct, trifft 
bieg nod& mcl^r ju; freilid^ ift bort an^ bie SSerfül^rung 
nid^t fo gro^, um aufgefpeid^crter Äunft toillen bic 3latur 
ju opfern. S)ie SKatur ift ba alle^. 

Unfre Reinen Dfterbinerg bei ^e^beng unb SEBangen^^ 
l^eim^ oerliefen fel^r angenel^m, nur ©eorge, ber bei $.§ 
mit eingelaben roax, xoax mit ber SSerpflegung wenig ju^ 
frieben. SBir feigen bann immer, n)ie riefig üermöl^nt bie 
je^ige junge SBelt ift, fogar in SBal^Iftatt, in ber „brecfigen 
@nte". ©eorge erjäl^Ite von einem befreunbeten Dber^ 
ftabgarjt, ber vox furjem bei filier ein S)iner gegeben 
f)aht. 15 5ßerfonen. S)ie SRed^nung betrug 700 SW!., alfo 
bie aSerpflegung jebeg ©afteg beinal^e 50 aWf. 2:i^eo 
bejal^lt eine 3Karf bei D^malb SKier inHufiüe jmei ©lag 
atotmein. 3^ meiner 3^i^ l^ungerten bie Dberftabgärjte. 

^^ fel^e in biefen Übertreibungen einen ®influj5 beg 
mit bem wad^fenben SBol^Iftanbe überl^anb nel^menben 
Sourgeoigtumg, gegen bag id^ jefet eine minbefteng fo 
tiefe 2lbneigung empfinbe, wie in frül^eren S^l^rjel^nten gegen 
^rofefforenroeigl^eit, ^rofefforenbünfel unb 5ßrofefforen:= 
ßiberaligmug. SBirHid^er Sfleid^tum imponiert mir ober 
erfreut mid^ menigfteng, feine ©rfd^einunggformen finb 
mir im pd^ften SJla^e ft)mpatl^ifd&, unb id^ lebe gern in^ 
mitten oon ajienfd^en, bie 5000 ©rubenarbeiter befd^äftigen, 
gabrifftäbte grünben unb ©fpebitionen augfenben jur 
Äolonifierung oon 3lfrito. ©rojse ©d^iffgreeber, bie glotten 
Umanmn, SCunnel^^ unb Äanalbauer, bie 2BeItteiIe oer^^ 
binben, 3^ito«g^fürften unb ©ifenbal^nfönige finb meiner 
^ulbigungen fidler. 3d^ toUI nid^tg oon il^nen, aber pe 
fd^affen unb mirfen ju fel^n, tut mir mol^l; alleg ©rofee 
l^at oon Qugenb auf einen S<^^^^^ füt mid^ gel^abt, id^ 
unterwerfe mid^ neiblog. 3lber ber ,,33ourgeoig" ift nur 



1884. 91 

bte Äarifatur bat)on; er ärgert mid^ in feiner RUxxt^ 
fiie^igfeit unb feinem unau^gefefeten aSerlangen, auf nid^tö 
l^in ben)unbert ju werben. SBater Sourgeoi^ f)at ftd^ für 
1000 ^aler malen laffen unb ©erlangt, ba^ id^ ba^ ©e^ 
fd^miere für einen aSelagquej l^alte. SKutter Sourgeoife 
l^at fld^ eine ©pi^enmantille gefauft unb bel^anbelt biefen 
Sauf aU ein ©reigni^. 2lffe^, roa^ angefd^afft ober n)ol^l 
gar ,,t)orgefe^t" wirb, wirb mit einem SBIidfe begleitet, ber 
etwa au^brüdft: „SeglüdEter bu, ber bu t)on biefem 
Andren effen, von biefem SBeine trinfen burfteft"; aHeg 
ift finbifd^e Überfd^ä^ung einer SBirtfd^aft^= unb ßeben^== 
form, bie fd^lie^Iid^ gerabe fo gut ©ed^fermirtfd^aft ift 
wie meine eigene. 3a, fie ift e^ mel^r, ift e^ red^t eigentlid^. 
©in ©tüdE SSrot ift nie ©ed^ferwirtfd^aft, ein ©tüdE SBrot 
ift ein ^öd^fteg, ift ßeben unb 5ßoefie. @in ©änfebraten== 
biner aber mit 3^Wnger unb 33aiferj=^orte, wenn bie 
SBirtin babei ftral^It unb fid^ einbilbet, mid& ber 2llltäglid^^ 
feit meinet SDafein^ auf jwei ©tunben entriffen ju l^aben, 
ift fed^ferl^aft in fid^ unb boppelt burd^ bie ©efinnung, 
bie e^ begleitet. S)er Sourgeoi^ oerftel^t nid^t ju geben, 
weil er t)on ber SRid^tigfeit feiner ®abe feine SBorftellung 
l^at. @r „rettet" immer, unb man oerfd^reibt fid^ il^m auf 
eine ©d^rippe l^in für 3^it unb ®wigfeit. 

©eftem begegnete id^ ber 2).; fie wirfte in einem 
mäd^tigen ©amt:^ unb ^peljmantel (e^ ift l^ier fel^r falt), 
ganj wie eine franjöfifd^e ©d^aufpielerin, bie bie gürftin 
©afd^foff ober SKarifd^fin in einem ©cribefd^en ©tüdf ju 
fpielen l^at. ©el^r ftattlid^ unb fel^r fomifd^. 

©mpfiel^I mid^ ben S)amen unb 3Jlr. 3- unb l^abe 
nad^ wie oor fd^öne, glüdflid^e ^^age. 2Bie immer Sein alter 

^ISapa. 



92 fK\j. ^Fontane« iSrtefe an feine iFamUte. 

217) ^anfeU 3lblage, b. 12. ober 13. max 1884. 
2kbt grau. 

©in 33utterfaj5 unb mein Äoffer waren bie einjigen 
©epSdfftüde, bie in Berlin aufgelaben würben. 

S)ie ^inte ift furd^tbar, unb id^ fann eigentlid^ nid^t 
weiter fd^reiben; lauter Keine Älüntpd^en. 3Bot)on man 
bod^ aHe^ abi^ängig ift? S)ie ganje ©d^reibluft ift l^in. 

aWein 3itnmer ift reijenb, unb ber 33IidE über ben aSor^ 
garten fort auf ben ftarfbemegten ©trom unb bie $eibe 
bal^tnter erquidft mid^. S)ie Suft ift ojonreid^er alg nötig 
unb mad^t mid& fiebrig; eg mel^t eine ftarfe Dftbrife, 
bennod^ fül^Ie id^, ba^ meine SReroen fid^ babei erl^olen. 
3tnx bie ^inte ! ©el^t bag fo fort, fo fönnen all the per- 
fumes of Arabia mid^ nid^t mieber gefunb mad^en. 3lud^ 
vox ber SKad^t l^ab' id^ ein al^nung^oolleg ©rauen — • e^ 
fielet affeg fel^r mfiufrig au^. SKein SBirt, ^erm Ääppel, 
l^at jmei fiinber, — eg gel^t nid^t weiter. ®r l^at alfo 
jwei ^inber, einen oieriäl^rigen jungen unb eine anbert= 
l^albiäl^rige ^od&ter, beibe fteHen ber ßuft unb aSetpftegung 
ein glänjenbeg B^ugni^ au^. grau Ääppel l^abe id^ nod^ 
nid^t gefel^n — fie „erwartet". SRad^ 18 aWonaten il^r 
gute^ Steigt. S)er SBerfel^r — id^ meine ben gefd^äft=^ 
lid^en — ift gering, wa^ mir eigentlid^ lieb ift. 2Boju 
immer ^Berliner! 

Über bie ©efd^id^te oon ^anfefe 2lblage bin id^ 
bereite informiert, bamit aber §at e^ [ein 6nbe. SDie 
3Kenfd^en gefallen mir, aber bie Xiere! hoffen wir inbe^; 
brausen fd^Iägt eben bie SRad^tigall unb wiberlegt meinen 
^effimi^mug. ^ä) bin angegriffen, mübe, aber bag fd^abet 
nid^t^, wenn id& nur jeben SCag jwei frifd&e ©tunben ^ait. 

aSie immer 35ein alter c^u »^ 



1884. 93 

218) ^atifeU Ablage, b. 13. mai 1884. 

3Jieinc liebe fjrau. 

SBentt eg fo bleibt, fo l^ab' iä) e^ fel^t gut getroffen. 
Sintnter, SSIid, Suft üotjüglid^, SBerpPegung ganj nad^ 
meinem ©efd^mad, unb §etr unb %xa\x Ääppel fel^t 
fteunblid^e Seute: felbft fie, tro^bem fie SSerlinetin ift. 
®t 2;i^üringer; xoa^ aber nid^t immer ein SBerbred^en ift. 
®in SBetterumfd^Iag bereitet fid^ t)or, aber mein SBinter^ 
überjiel^er mirb ber oeränberten Situation gemad^fen fein, 
©eftem abenb l^abe id^ ein ©tüdf SRel^jiemer mit fleben 
Äartoffeln unb l^eute mittag ein Seeffteaf mit äw'i^beln 
gegeffen. ©eträn!: „SBBei^e". SDa^ SRel^jiemer toar mir 
aber bod^ ju oiel, unb id^ merbe jum %tt jurüdEfel^ren. 

^eute oormittag, bei gelegentlid^ nieberfallenbem 
Siegen, l^abe id^ meine „State" gefd^rieben, unb mit SRüdE= 
fld^t barauf, bafe eg eine fel^r fd^mierige Situation mar, 
fann id^ leiblid^ jufrieben fein. 3d^ möd^te nid^t el^er l^ier 
fort, ate bi^ ic^ mit bem ®ntmurf beg ©anjen fertig bin, 
unb fo merb' id^ mol^I am ©onnabenb nur jum SJI^eater 
in bie ©tabt fommen unb am ©onntag brei Ul^r mieber 
nad^ l^ier l^inau^fal^ren. ©onberbar, mie fol^ Heiner 
SDienft einen bod^ binbet. 6rfi moffte id^ S)id^ bitten, mir 
bei ©tepi^an^*) Urlaub ju ermirfen; aber eg ift bod^ 
beffer f o. 3Kein 3lnfel^n, ba^ id^ an ma^gebenbfter ©teile 
l^abe, ift nid^t grojs genug, um mir fold^e ©prange ju er^ 
lauben. Qa, menn id^ fjrenjel märe ober „ftubiert" 
l^ätte. ©0 bleibt man ein Heiner Löffel unb ift unterm 
©d^Iitten. 

aWanfd^ette unb „golbner Änopf" finb mir für Xl^eo 
eingel^änbigt morben. 3d^ glaube, ben „golbnen Änopf'' 



*) Dr. gfrtcbrid^ 6tcpt)an^, ei^cfsfRcboltcut bct »Solfifd^en 
Seitutig". 



94 tKlr. iFxjntone« iSrlefe an f^e 4Fatnüt«. 

friegen nur Dber=3Jlanbarincn, unb fo lä^t fid^ benn fagen: 
„e^ fpufe cor". SDcnn aWanbatin wirb er; er l^at ganj bag 
3eug baju. ©d^abe, ba^ id^ e^ läd^elnb nid^t mel^r erlebe. 

§err Ääppel unterl^ält mid^ bann unb wann auf 
jel^n 3Ktnuten, bei weld^er ©elegenl^eit id^ aud^ fd^on in 
Intimitäten eingeroeil^t roorben bin. Slfö id^ xf)vx l^eute 
fagte, ,, feine grau (eine frifd^e, l^übfd^e S3Ionbine) fd^eine 
fel^r gefunb ju fein", läd^elte er unb fagte: ,,SKein, fie ift 
fränflid^, matt unb bleid^füd^tig, unb nur wenn fie ,n)ie 
je^t' ift, ift fie gefunb." SBorauf id& il^m antwortete: 
,,SKa, ba l^aben ©ie wenigften^ ba^ ©piel in ber $anb." 
@r (äd^elte toel^iiiütig unb ftrid^ mit feinem ^eerpinfel (ba^ 
©efpräd^ fanb an einem 33oot ftatt) weiter. 

Sitte, reibe mir bod^ etma^ Stl^abarber, tu'^ in eine 
^apfel unb leg' eg S)einem Briefe bei. 

S^aufenb ®rü^e S)ir, ben Äinbem, ben ^eunben. 



219) öanfeU aiblage, b. 14. SWai 1884. 

ajieine liebe grau. 

^abe beften S)anf für SDeine freunblid^en S^ikn. 
§offentlid& gel^t e§ mit S)einer ©efunbi^eit mieber beffer. 
Ruften bei biefem SBetter ift etma^ fel^r gataleg : id^ t)er= 
orbne: ®mfer ^räl^nd^en, SCee, SRI^abarber, bann unb mann 
SBein mit SBaffer, fein gett. SBier unb fiaffee verpönt. 

3latürlid^ ift mir bie^ SBetter nid&t fel^r angenel^m 
unb erfd^mert mir bag 2lrbeiten; bennod^ bin id^ l^erjlid^ 
frol^, l^ier ju fein. 5Erofe ftarfen 2lbattufein^ l^ab' id^ aud^ 
l^eute mieber meine Kapitel gefd^rieben — nad^ bem alten 
©oetl^e^Safee: ,;©ebt il^r eu(^ einmal für 5poeten, fo 
fommanbiert bie ^Poefie." SDajs e^ gleid^ gut mirb, ifi 
fd^Iiefelid^ aud^ nid^t nötig unb eigentlid^ oon bem, ber 



1884. 95 

täglid^ fein ^ßenfum arbeitet, aud^ ntd^t ju verlangen. @^ 
wirb, toie'^ toirb. Qn ber Siegel fielet S)utnme^, ©efd^mad^ 
rollet, Ungefd^idfte^ neben ganj ®utem, unb ift le^tere^ 
nur überl^aupt ba, fo fann id^ fd^on jufrieben fein. 3d^ 
l^abe bann nur nod^ bie 3lufgabe, eg l^erau^jupulen. S)ie^ 
ifi jTOor mitunter nid^t blojs mül^fani, fonbem aud& fd^roer; 
e^ gibt einem aber bod^ eine Serul^igung, ju miffen, ,,ia, 
b a ift e^, fud^e nur unb ftnbe." aWeine ganje ^robuftion 
ift 5ßft)d^ograpl^ie unb firitif, 35unfe(fd&öpfung im Sid^te 
jured^tgerüdEt. ©in Sitf^ß W ^^ f^ Ö^fögt, ba^ id^ biefe 
ganje SRoüelle mit l^alber unb viertel Äraft gefd^rieben 
l^abe. 35ennod^ mirb il^r bieg fd^Iie^Iid^ niemanb anfel^n. 

3d^ freue mid^, @ud^ S^eitag erwarten ju bürfen, 
bitte aber nod^ um beftimmte Senad^rid^tigung am 
greitag frül^, mann il^r eintreffen mofft. 3d^ l^alte — roa^ 
iä) nid^t mifejuoerftel^n bitte — bie SKad^mittagSfal^rt 
3^^ nix für bejfer. 3n ad^t ©tunben langweilt Ql^r @ud^ 
l^ier tot, aber vm ©tunben ift guteg Tla^. 

^erjlid^fte ©rü^e. SBie immer S)ein c^u »^ 



220) schale, b. 9. 3uni 1884. 

aWeine liebe grau. 

3d^ fd^reibe mit ganj flammen Ringern, fo frifd^ ift 
eg l^ier. 3Jlir aber angenel^m. 

©eit ^ßot^bam, mo ^ofprebiger ©trau^ mit grau 
unb Xod^ter einftieg, bin id^ big biefen 2lugenbIidE, 7V2 Ul^r, 
in einer unauggefe^ten Äonoerfation geblieben; erft legte 
ber ©trauj5 feine ®ier, bann bei 2;ifd^e ©cneral SB. unb 
Dberamtmann SB., bann ein Dftpreujse aug ^nfterburg 
(alfo aug 5panfritiug SBaterftabt), bann bie gamilie ©ieben, 
bann id^. Qd^ geniejse biefe 5piaubereien; fel^r mäl^Ierifd^ 



96 tEt)[. Jrontanti £x\tft an fmt iFamilie. 

Bin i^ nid^t, au^ allem faug' x^ meinen ^ontg, unb ieben= 
fallö werbe id^ fhinbenlang bet ewigen 5ßtobuftion 
entriffen, xoa^ ba« Sefte unb SBol^Ituenbfte iji. — ©^ gibt 
aud^ SEBeißbier l^iet, fogat gute^. 3)arauf freu' id^ mid^ 
befonber^. 

Qu ^otöbam l^atte id^ mir eine „SDeutfd^e 
3Konat^?3^itwttg" gefauft, bie von benfelben Seuten 
wie ba^ „berliner Xa^tUatt" gefd^rieben wirb. SDiefe 
eine Plummer entl^ält elf felbftdnbige lange Slrtifel unb 
ein geftgebid^t von ©d^mibt==6abani^. ©elbft bie^ g^ft^ 
gebid^t ifi relatit) gut unb eine ©oetl^e^Seiftung, wenn id^ 
an ba^ benfe, wa§ bie „Äreuijeitung" in foI(^en %äUm 
bringt. 3lffe elf Slrtifel finb von Äugen, geift^ unb talent^ 
tJoHen Seuten gefd^rieben; eine gewiffe ©orte 3Bi^, bie 
mir nid^t fel^r angenel^m ift, l^errfd^t t)or, aber aud^ bag 
mir am wenigften 3lngene]^me lieft fid^ gut, untere 
l^ält unb belel^rt mid^. ^^ fd^reibe bieg affe^ im ^inblidE 
auf bie ,,5{reujjeitung" unb bie fonfert)atit)e 5ßartei. 
©d^Iießlid^ gel^ör* id^ bod^ biefen Seuten ju, unb trofe il^rer 
enormen gel^Ier bleiben märfifd^e ^nnUx unb Sanbpaftoren 
meine ^btak, meine ftiffe Siebe. 3lber wie wenig gefd^iel^t, 
um biefe wunbert)offen ©lemente geiftig ftanbe^gemäß ju 
vertreten. ®§ ift mir ba§ immer ein wirflid^er ©d^merj. 
S)a^ fonferüatire gö^Ien unfrer alten 5ßrot)injen wäre 
von unwiberftel^Iid^er Äraft, wenn bie Seute ba wären, 
biefem ©efül^I ju einem rid^tigen Slu^brudE ju tjerl^elfen. 
Süd^fel war 'mal ein fold^er 3Kann, wiewol^I aud^ er 
einen ftarfen Seifafe ron udfermärfifd^er @nge, Äleinl^eit 
unb Somiertl^eit ^at ©^ ift burd^auö nötig, man muß 
bie ganje 3BeIt fennen unb im SBefife blefer affgemeinen 
SBeltfenntniö ju ber ®r!enntni^ fommen: „^n bem unb 
bem ©tüdf ift e^ bei un§ am bejien." 3)a^ ift bann 
fefter 5ßatrioti^muö. SEBie immer Sein <^^^ « 



1884. 97 

221) %i)aU,h.U. Suni 1884. 

Siehe grau. 

Qdbe SDan! für »rief wnb ©elbfenbung. SJBog bie 
geroünfd^ten 100 5KarI angelet, fo mad^e id^ mir ein SSer^ 
gnügen barau^, 2)tr bie ganjen 250 ju ^§en ju legen. 
Tla^e batnit, toa^ 2)u toiUft; nur taufe nid^tö für mid^, 
fonfi l^ört ja ber SJBife auf unb nur SRuBri! unb SRame 
l^aben getoed^felt 

3ln ^.^ fd^reibe id^ morgen. 2)ie Jlüd^teml^eit il^re^ 
©riefet ift mieber toloffal. SSergleid^e bamit bie Äröner^ 
f d^en *) Srief e, bie id^ bief en 3^il^« beif daliege, ©o furd^fc^ 
bar oft quält mid^ ber ©ebanfe: „gorberfi bu nid^t ju 
üiel? S^ ^i^I w Äunftleiflung, an Oeftnnung, an 
greunbfd^aft, an gorm unb 3lrtig!eit, an ®elb? 2Benn 
man bann aber erlebt, ba§ einem ba§ alleö fel^r mol^I 
erfüllt werben fann, ol^ne ba§ ein 3Jhra!eI gefd^iel^t, fo 
fielet man fel^r beutlid^, bafe unferein^ (benn id^ glaube, 
mir ftnb beibe barin gleid^ geartet) nid^t ju oiel forbert, 
unb ba§ nur Äümmerlid^feit unb Sftuppigfeit, aud^ ^od^mut 
unb ©l^araftergemeinl^eit einem baö oerfagen, mo^ einem 
jufommt. '3Benn blofe 3)umml^eit bal^tnter ftedfte, ging' 
e^ nod^, aber leiber liegt eö anber^. S)er 3leib fpielt eine 
foloffale Sftoffe. 3)ie SKenfd^en motten ben SJKtmenfd^en — 
befonber^ menn er nie „5ßortenfer" mar — möglid^fi Hein 
fel^n, um il^n bann mit 5 SKar! unb einer jur Unter* 
jeid^nung l^erumgel^enben Sifie ,,retten" ju tonnen. @^ 
Hingt bag l^art, aber eg ifi fo. 



*) SBcrXogSbud^l^Sttblct »bolf Stxhntx in ©tuttöatt, ber 
l^euttge ^nl^aber bed S- ®- (loitafd^en fBttla^t^, l^atte hamaU bie 
(riSattenlaube" aitQe!auft unb für btefe bon gfoniane eine ^o\>tUt 
erbeten. 9Cud§ bei f^fttexe SBxiefmed^fel mit il^nt toax für gf. eine 
Queue großer (ätnnq,immq. 

%^. Fontanes Briefe an feine ^amUie. 11. 7 



98 S^. JfimtaxvMi Briefe an r^ine iFcratUie. 

3Reteg Srief ifi toiebet MUant SBog fte über 
,,5ßetöf9" f^retbt, ift rtd^tig; l^öl^et potenjierte 3Renfd^en 
t)on ©eift unb aBtffen fptcd^cn befiänbig fo, wie ber 
alte ®taf, gi^anji^fa, ^ßj^etni unb 5ßatet fj^^ler fpted^en. 
2)te 2;rit)talttdt unftet ©d^tnierer (bie SOBetber an bet ©pifee) 
l^at e^ jutn atjiotn etl^oben, baj3 in 3lot)effen unb Sftomanen 
nur SBIed^ üotfommen barf. S)ag ifi aber nid^t blofe 
troftlo^ langweilig, fonbem aud^ einfad^ untoal^t. SDenfe 
2)ir bod^: toit finb mit 3Jiete im Sabe, %tau Äal^Ie^^ 
Äe^Ier iftaud^ba, unb SBinbelunbfJrau t). SOBangen- 
l^eim fommen ju einer Äaffee*: ober S^eeplauberfhtnbe 
l^inju. 3)a wirb nod^ oiel fül^ner, intrifater unb geift=: 
reifer gefprod^en. 

3Bie immer SDein alter ^^^ « 



222) 2:^ale, b. 17. 3uni 1884. 

Siebe %tan. 

S)a^ Seben l^ier iji nad^ wie vox fel^r angenel^m; 
eigentlid^ fel^It einem nid^t^, unb wenn bod^ melleid^t etma^ 
fel^Ite, biefe ober jene Äleinigfeit, fo fel^It bafür aud^ bie 
©roßigfeit: ärger. Unb wer oiel gereift ift, meiJB, voa^ 
ba^ fagen wiH. Qn ben meiften gäHen l^eij^t reifen, fid^ 
Srgem, unb mär' nid^t ber SBed^feltrieb im SKenfd^en fo 
fiorf, ber ^ang, 'mal 'mag anbre^ ju fel^n unb ju er- 
leben, fo reifte fein 3)lenfd^. 

3m Sotel „3^^«pfw«b" mar oon ©onnabenb auf 
©onntag mieber großer Äommer^ ,,alter Ferren". ®iner 
l^atte 123 ©emefter, mar alfo etma 82 3al;r alt. Qn ber 
3lad^t befd^äftigten fid^ einige bamit (meiften^ Ferren 
jmifd^en 40 unb 50), im §oteI l^erumjugel^n unb bie oor 
bie 2;üren gefieHten ©tiefe! ju oermed^feln. infolge baoon 
am anbetn SKorgen ;,aSerfammIung in 5ßantoffeIn mit 



1884. 99 

©ttefel unterm Slrm", um nun bie rtd^tige SBertetlung 
ftatt^nbcn ju laffen. SDie 3Renfd^en bleiben Äinbet, unb 
fd^Iie^Iid^: VDof)l il^nen, wenn fie'^ bleiben! 

3)ie Ätönetfd^en Stiefe btaud^e id^ nid^t mel^r; 
bitte, beroal^te fie ahn gut auf. SSielleid^t empföl^Ie e^ 
ftd^, fttt fold^e ©fripturen eine eipe 3Kappe anjufd^affen. 
änbrerfeit^, e^ tjerlol^nt fid^ foum nod^. 2lu^ ber Slrt 
unb bem Sftefultate ber Unterl^anblungen wirft SDu erfel^n, 
ba§ id^ gar nid^t fo furd^tbar anfprud^^Io^ bin. ^^ bin 
Seit meinet Seben^ onfprud^^Io^ gewefen, weil id^'^ fein 
mu^te. 3d^ l^abe immer ein Sluge für bie ^atfäd^Iid^^ 
feiten gel^abt, unb bie S^atffid^Iid^feiten fd^rieben mir 33e^ 
fd^eibenl^eit vox. ©benfo ift e^ mit meiner gefeUfd^aftlid^en 
(Stellung, ^n meinem ^erjen aber l^at e^ mir nie an 
©elbftgefül^I gefel^It. SEBag märe aud^ mol^I fonft au^ mir 
geworben? älnbre (merfwürbigerweife S)id^ aufgenommen) 
l^oben immer nur gezweifelt unb geläd^elt. ®ott, unb in 
ber Siegel wa^ für Slummem? 

SJBie immer S)ein alter ^j^ c^^ 



223) ailtenbra! a. b. Sobe, b. 19. 3uni 1884. 

„Qnm Sftobenftein". 
Siebe ^au. 
^eute oon l^ier aug einen ©ru§! 
Slad^ breiftünbigem 3Karfd^ traf id^ l^ier in älltenbra! 
ein unb will nun über S^refeburg jurüdf, nad^bem id^ mit 
bem „Serrn ^räjeptor", einer Kaffifd^en, 80iäl^rigen 
fjigur (Äopf genau wie Sftoquette, aber fed^ö %vl^ groß 
unb im tiefften 33a§ fpred^enb), jwei ©tunben lang ge^^ 
plaubert l^abe. 3lIIe§ wunbert)off. ^I^antaftifd^^^wioriftifd^e 
3Rärd^enweIt. ®r, feine am ,,3tttei^'' leibenbe, beftfinbig 
weinenbe grau unb feine entjüdfenbe S^od^ter, görjier^frau, 

7* 



100 S^. Jfßtdant» iSriefe an feto J^antttif. 

30 Salute alt, mit fünf flrammen Suttgen^. SCtte^ rounbcr^ 
üoffer ©toff für meine neue. 3lot)ette (nid^t bie @axttti^ 
lauben s 3lot)effe), bie ftd^ mir l^euf auf bem breifittnbigen 
aRarfd^ in äffen Steilen Har au^geftaltet l^at*). @^ fonn 
nun alfo bamit lo^gel^n, — id^ glaube 'mo^ ganj geine^. 
^erjlid^e ©rüge 2)ir unb ben Äinbem t)on 3)einem 



224) 2;^ale a. S., b- 20. 3uni 1884. 

Siebe ^au. 

SDer geftrige %aQ mar fel^r fd^ön, nur etma^ an^ 
ftrengenb: 3V2 ©tunbe l^in, SVa jurüd. ®rP nad^ neun 
mar id^ mieber l^ier unb Iie§ mir ein ©tüdE SBilbbraten 
fd^medfen, — ben ganjen 2^ag über l^atte id^ mieber nid^tö 
gegeffen. Qn ber Suft leb' id^ von ber Suft. ©igentlid^ 
ber geborene Sumpacioagabunbug. SDa^ SBefte mar, ba^ 
id^ mit meiner Arbeit plö^Iid^ von ber ©teffe fam; bi§ 
bal^in l^atte id^ nur bie Slenbenj unb ein paar ©injelfjenen, 
mit einem TlaU aber ging bie ganje ©efd^id^te Hör vox 
mir auf, namentlid^ aud^ in il^ren fd^mierigfien 5ßartien, 
unb l^eute frül^ l^ab' id^ benn aud^ affe^ in 14 Äapiteln 
niebergefd^rieben, b. i). ganj fui^, jebe^ Äapitel ein 33Iatt. 
3lber e^ lebt bod^ nun unb fteampelt. 

3)ie ©efd^id^te mit topfen iji mir mertooff. 3)ie 
Ferren fönnen baran erfel^en, ba§ bie 2^age oon 1 ober 
Vi 2 ©rofd^en pro 3^üe oorüber ftnb. ®ott fei 3)anf, 
ba§ id^ biefen SOBanbel ber 3^tten nod^ erlebt l^abe; ber 
frül^ere 3wftotti> tt)tir fd^mad^ooff. gür baö reine bid^terifd^e 
SJalent, ba^ bann 5ßrote!tion an gürflenl^öfen fanb, 
mag bie alte 3^tt förberlid^er gemefen fein, aber für 
aUenfd^entum unb S)urd^fd^nittgtalent ift ber gortfd^ritt 

*) ©emeiiit ifl bie Üflobctte »6^cile^ 



1884. 101 

unfter 2;age tieftg. 6^ ift unb bleibt ein ©lüdf (tjielleid^t 
ba^ i^ö^fte), frei atmen ju fönnen. 

303.^ 3#^^ "^^i iw^i«^ 2;eilnal^me. ©o fd^winben 
bie Sbeale. 3Q3a3 er jefet biefen Singen gegenüber 
entpfinbet, l^abe id^ lange empfunben; e^ ift ein ganj 
jweifell^afteg ©efd^äft, bieg parlamentarifd^e 5ßoIiti!mad^en, 
üerbirbt ben ©l^arafter unb ma^t einfeitig. 3)ie Seute 
feigen affe^ nur nod^ in fjraftiongbeleud^tung. Unb bod^ 
ifi bog Oanje ein ©egen. ©o ein regierenber 33rebon) 
ober Siod^ow, ber einen nad^ ©panbau fd^idfte, wenn man 
il^m anbeutete, ,,er fei ein ©d^afgfopf", mar aud^ fein 
©lüdf für ©taat unb 3Renfd&l^eit. S)er abfolute ©taat 
mag nod^ fo mel SBorjüge l^aben, er ift für ein freifül^Ienbe^ 
^erj bod^ eine Unerträglid^teit; er ^at bie Slnnal^me jur 
aSorau^fefeung, bafe SOSiffen, 3Rad^t, ^errfd^erbefäl^igung in 
©d^id^ten ftedft, mal^renb eg bod^ einfad^ in ben 3n^ 
biüibuen lebt. 

Äebe mol^I. 2Bie immer Sein ^^ «^ 



225) S^ale a. iQ., b. 22. 3uni 1884. 

^eute, meine S^euerfte — man mu6 mit ben Siebe^^ 
anreben med^feln — nur ein paar SEBorte. Seften San! 
für alle 33riefe. Ser t)on SRete ift mieber fel^r gut; babei 
^od^erfreulid^, baj3 il^r glorenj fo gefällt; il^re ©e^nfud^t 
na^ ber Heimat mürbe fonft nod^ größer fein. aWein 
©efd^madt märe nun glorenj nid^t, id^ jiel^e SRom meit vox; 
menn bort bie ©efd^id^te aufhört, fängt fie l^ier erft an. 

SSor ©onnabenb fomm' id^ nid^t, unb menn e^ 
©d^ufterjungen regnet; übrigen^ ift mir bag SBBetter, menn 
au^ ni^t angenel^m, fo bod^ aud^ nid^t allju unangenel^m 
— eiS ift braujsen marm, unb id^ fann im SBBalbfater 
nad^ mie oor im grelen Äaffee trinfen. — igeute abenb 



102 S^. ^ßvAcam tirtefe an füaz Jfavaält. 

toerbe id^ ©d^metlen effen, meinet neuen SRotjeffe juliebe, 
worin „beim 5ßtäjeptor" ©d^metlen gegeffen toetben. 

©efiem erl^telt id^ einen langen, netten 33rief t)on 
X^to, l^eute einen langen, netten Srief t)on Oeotge. 
Sefeterer l^at fid^ bi^ ju brei Sogen aufgefd^toungen unb 
be^l^alb brüber gefd^rieben: ,,@tid^ridE nid^t affjufel^r". 
®r bel^anbelt ba3 Siebe^^^ unb ^eirat^fapitel, fd^Ubett ftd^ 
aU old bachelor unb fprid^t oon feiner ,,3)lebiofrität", 
angefid^t^ meldtet eö il^n nid^t tröften fönne, bajs anbte 
nod^ mebiofrer feien. 3d^ merbe il^m morgen frül^ antworten. 
2;i^eo l^at mid^ au^ ber Seantmortung^pffid^t entlaffen, 
vDü^ id^ banfbarft afjeptiere. SJBegen be§ ,,5ßetöf9'' werbe 
id^ mi^ mit il^mmünblid^ au^einanberfefeen; aud^ Oeorge 
fommt am ©d^Iuffe feinet Sriefe^ auf ben guten, alten 
©rafen jurüdt. aiffeö in allem fd^eint il^n bie ©efd^id^te 
!alt gelaffen ju l^aben, xoa^ fein gute^ SRed^t ift. SDie 
Äinber entfd^ulbigen fid^ immer gegen mid^, romn il^nen 
etma^ oon meinen 3lrbeiten nid^t fonberlid^ gefällt; fte 
gelten barin weiter ate nötig, ©inen el^rlid^en, oerftänbig 
motioierten ^abel fann id^ oon jebem ertragen, am 
leid^teften aber oon 5ßerfonen, bie mir nid^t nur perfönlid^ 
jugetan finb, fonbem aud^ ein gute^ SSertrauen ju meinem 
2;alente l^aben. ©ö ift läd^erlid^, anjunel^men, baj3 aUe^, 
wa^ man fd^affe, wunberfd^ön unb unfagbar intereffant fei. 
3Ran mad^t eö, fo gut man fann, unb freut fid^, wenn 
e^ SBerftänbigen gefällt; gefäfft e^ aber 'mal weniger, fo 
mu§ man bie^ rul^ig l^innel^men. 2lud^ !ann man fid^ 
mit ber SBerfd^iebenl^eit be^ Oefd^madfe^ tröften; unter 
meinen Sallaben unb %tlh^zutn'^xtbttn ift jjebe einzelne 
Plummer 'mal afe befte erflärt worben. SRur immer fein 
33efte^ tun, bar auf fommt e^ an. 

3n 33erlin werbe id^ wol^l wieber ©Ifll^l^ifee treffen, 
aber jel^n bi^ oierjel^n S^age l^ält man'^ ol^ne ^efd^werbe 



1884. 103 

cm^. @in paarmal will id^ itiiJ „3)eutfd^e X^^aUx" gel^n, 
um mid^ elnigetmofeen auf ber^öl^e ju l^alten; felbfi her 
groJBC Äainj, ber ben SRütneo bi^ jur Unanjlänbigleit 
Toal^t fpielen foff, ifi mit nod^ ein fü^eiS ©el^eimnig. 

eben fommt ber SRad^mittaggbriefträger. Äein SBrtef. 
©0 VDXÜ id^ benn ben meinen fd^Iiejsen, eine S^affe Äaffee 
trinfen (natürlid^ mit Äognaf) unb einen ermärmung^s: 
bauerlauf untemel^men. Qn ber 3^itit«8 intereffieren mid^ 
bie 3Ritteilungen au^ Sluntf d^Ii^ Sud^ aufiS lebl^aftefte. 
3&aB mit SBi^mardt S^fammenl^ang l^at, ift immer inter^^ 
effant. Sluntfd^Ii mar t)on SHatur langmeilig, aber !aum 
l^at er mit 33i^mardf gefprod^en, fo ift er fd^on nid^t 
mel^r er felbft. 

Äa6 l^eijen. SJBie immer 3)ein <j^^ « 



226) »erlin, b. 8. Sull 1884. 

3Retne liebe SRete. 

3)eine SSorliebe für SÄünd^en teile id^ ganj; eg ifi fo 
frei unb luftig, unb man empfinbet in jebem älugenblidf, 
bafe man eine gefunbe Äuft atmet, xoa^ man t)on ben 
italienifd^en ©täbten nid^t fagen fann. Unb nun gar im 
©ommer. Sieijenb ift immer bie 3^* ^^ SBad^tparabe 
(fo ungefäl^r jmifd^en jmölf unb ein^), mo vox ber gelb^^ 
l^erml^affe muftjiert mirb. 3Ran mu6 bann unter ben 
Slrlaben fifeen, @i^ effen unb jul^ören. 

Seine Begegnungen mit 5ß. ige^fe unb SJod^ter 
l^aben ung fel^r interefftert. 3Wama finbet, baj3 er 2)id^ 
l^ätte einlaben fönnen, l^at aber Unred^t; er ifi einer ber 
aufgefud^tefien ©d^riftfieffer — affe^, xoa^ nad^ 3taKen 
gel^t, fprid^t bei il^m vox — unb einer fold^en SRenge 
gegenüber Oaftfreunbfd^aft ju üben, erforbert eine gafi^ 
geberifd^e „^ßaffion." Sie ift aber feiten. 



104 S^. ^ordaxit» Briefe an feine iFatnilie. 

SJBit l^aben l^ier unter ber großen ^ifee fel^t gelitten, 
fpejiell id^; id^ lann mid^ babei nid^t erl^olen unb leibe 
unter einer ungel^euren ©d^Iaffl^eit, bie mid^ felbfi gegen 
bag gleid^gültig mad^t, wag mid^ fonft tool^I nod^ erquidft: 
Steifen, ©pajierengel^n, ein bi^d^en Äunfi. S)aju fommt, 
ba^ wir im ^aufe nun fd^on feit melen SJBod^en ein au^^ 
gefud^te^ 5ßed^ l^aben. S)ie berül^mte SBertl^a — eine ganj 
auf bie bumme ©eite gefallene SRäbd^engeftalt — war 
abfolut unbraud^bar unb in ben legten fünf klagen franf. 
311g bie „3ttnt" antreten foffte, tarn eine Äarte, fie l^abe 
ftd^ anberweit vermietet; infolge batjon 3!ftama brei 2^age 
allein, morgend auf ber ©tra^e ben Solle ^^SOBagen ab^ 
gefangen unb bie Wi^ afferperfönlid^ft eingetauft ac. ac. 
(gnblid^ erfd^eint eine ,,emeftine" auf ber Silbffäd^e, 
netteg SRäbd^en, ^ommerin, bie bei %ta\x ©d^ul|e^3)eli^fd^ 
gebient l^at; nad^ jwei klagen aber fangt fie an ju l^umpeln 
unb befinbet fid^ feit l^eute in ber Älinif. Sie SRäbd^en^ 
fud^e beginnt alfo t)on neuem. 3Wad^e S)ir banad^ ein 
Silb. 3m ganjen benimmt fid^ Tlama tapfer unb üer^^ 
ftfinbig babei, unb id^ mürbe i^r teilnal^metjoff jur ©eite 
fielen, wenn fie nid^t bie fd^redHid^e ©igenfd^aft l^ätte, 
fd^Iiefelid^ immer mit mir unjufrieben ju fein. SJBag id^ 
nun, in feiner ganjen Unfinnigfeit, in meinen alten SJagen 
abfolut nid^t mel^r augl^alten fann. Sie l^at feinen ^umor, 
feine SQBiberftanbgfraft unb fein Oefül^I für Oered^tigfeit. 
©ie glaubt fid^ benad^teiligt, aber mag l^abe id^ bann? 
3)iefe ^age flnbet fie nid^t für gut, fid^ üorjulegen. 

33ig ju bem SKomente Seiner Sftüdffel^r l^at fid^ biefe 
^augpleite l^offentlid^ gebeffert; menigfteng l^abe id^ ben 
lebl^aften 2Bunfd^, ba§ S)u fröl^Iid^e ©efid^ter tjorfinben 
mögeft. 

SJBie immer Sein alter Sßcma. 



1884. 105 

227) fttumm^bel, b. 19.3ulil884. (augujia^SBttb.) 
aReine liebe %tau. 

3)leÄoppe fielet mit gerab' in^ offenpel^enbe genfter, 
unb bie SBiefen vor mxt tragen mir balfamifd^e Suft ju, 
aber 1^ int er mir liegt ein Äorribor mit einem ,,$ier" 
unb tragt mir fo unbalfamifd^e Äuft ju, bafe id^ Äopfmel^ 
l^abe unb vox 6!el nid^t^ effen fann. S)aÄ ,,^ier" ifi u. a. 
bie Siebling^^SHld^ug^jiötte jel^n alter Sungfem, bie an 
bem Äorribor entlang mol^nen unb fid^ burd^ Slmmoniafc 
abfonberungen auiSjeid^nen. SBäre id^ iünger unb frifd^er, 
unb mad^te mir überl^aupt nod^ 'ma^ ©pöfe, fo toürb' id^ 
ein geuiffeton fd^reiben, „2)ag ßrtd^en", unb ben voU^ 
fommen rid^tigen, burd^au^ ntd^t übertriebenen ©a| burd^- 
führen: ,,3eber Ort in SJeutfd^Ianb fd^eitert am Örtd^en". 
3)obbertin, SDal^Iem (beim alten ©d^ierftäbt), Siebenberg, 
Äüfeburg (Änppl^aufen), SBemigerobe (Äagelmann), 5ßot^^ 
bam (SJBinbel), 3lorbemep, S^l^ale unb üiele anbre nod^ — 
aKe merben mertloiS unb unbefud^bar burd^ bad JL)rtd^en. 
S)a^ Hingt fd^erjl^aft, ift aber eine ganj emft^afte Äalamitfit. 
aWein erfter ®ang l^eute mar in ben 3BaIb, in bem id^ 
mir aud^ für bie 3^^f^ einige üerfd^miegene Äauben aug* 
gefud^t l^obe. SJBenn man mitt, ,,©ommerfrifd^e bi^ 
in^ Äefete". 

3^ !am geftem gegen fed^^ l^ier an; bie gal^rt t)on 
©d^miebeberg l^ierl^er mar reijenb, unb id^ fül^Ite orbentlid^, 
mie mir mol^Ier mürbe. Äaum bafe id^ vox bem ©jner^ 
fd^en ©aftl^aufe l^ielt, fo lam mein guter ©d^merin an* 
gel^umpelt, jeigte mir bie SJBol^nung, bie id^ non S)ien^tag 
an bejiel^en merbe, unb fül^rte mid^ bann in meine Qnterim^^ 
mol^nung, bie ftd^ injmifd^en au^ einem S)ad^ftübdöen in 
ein entjüdfenb gelegene^ 3^mmer (ber älxt^ftd^t nad^ ba^ 
fd^önfte im ^aufe) im fogenannten „9lugufia'33ab" oer^ 
manbelt l^at. S)ie^ älugutia^^Sab ifl aud^ eine ©d^öpfung 



106 S^. fordmm Briefe an fi^xit JramUlt. 

be^ 6t)(mgeltfd^en SJcrein^, tote ^agentl^al bei ©emrobe, 
bo^ idö mit öofprcbiger ©trauJB befud^te. 3d^ fomtne alfo 
ait^ bcm „®l^rtftlid^^®cmianifd^en" gar nid^t tnel^r l^erau^, 
unb ein jübifd^er 5ßl^iIofopl^ies=SDoftot l^at mid^ introbujiert. 
3)en älbenb tjetbrad^tc id^ bei Dr. ©d^toetin unb grau; 
fie Too^nen wie in einem ®ben: ©eitentol, nur jwei SSiffen, 
Springbrunnen, ©tiHe, unb bie Sergfegel fudfen von oben 
l^er l^erein. 3)a^ ©l^epaar war fel^r lieben^toürbig; id^ 
war il^r ®aft, tranf 2:ee, ben il^nen Si gong 5ßao (mit 
bem fie befreunbet finb) jum ©efd^enf gemad^t ^at^ unb 
ging um jel^n nad^ ^au^. ©d^Iief gut. Um 7V2 war 
id^ unten unb hat bei bem d^riftlid^en ^au^oerwalter um 
mein g^il^ftüdE. ^ filierte mid^ in fein ^ßrioatjimmer 
unb gab fid^ afö meinen alten ©en^barm 33 re^ ju er^ 
fennen, bei bem id^ 1868 in ©rbmann^borf gewol^nt l^atte. 
S)ann fam feine fjrau, nur nod^ mit einem 3^^^/ ^^^ 
wir plauberten in einer ©tunbe .SJBelten. S)ann in ben 
SJBalb mel^rere ©tunben. 

S)a^ ganje ©ebirge liegt feit einer l^alben ©tunbe in 
3lebel, wir werben alfo SRegen befommen. Wx aud^ red^t. 
aWein 33efinben ift gleid^mä^ig fd^Ied^t. 2luf ber gal^rt 
geftem würbe mir beffer, aber e^ l^at nid^t oorgel^olten, 
unb id^ bin wieber fo abgefpannt, fraft? unb freublo^ wie 
oorl^er. 2ln 2lrbeiten ift nid^t ju benfen; e^ interefftert 
mid^ nid^t^. 5Rur mit SKete befd^äftige id^ mid^. 3e mel^r 
id^ mir'^ überlege: id^ fann il^r eigentlid^ nid^t unred^t 
geben, unb id^ bitte SJid^, e^ aud^ fo anfel^n ju wollen*). 
Q&tU fie einen fd^Iid^teren ©inn, unb gefiele fie fid^ barin, 
i^r &ebm bemgemä^ ju geftalten, fo wäre mir ba^, wenn 
e^ jugleid^ freien unb frol^en ®tmütö gefd^äl^e, bag Äiebere. 



*) gfontatteS Sod^tet l^atte hamaU in (ictoäguitg geaoden, mit 
il^ren amerüanifd^en gfteunben nad§ ^merüa übetaufiebeln. 



1884. 107 

©ie ^at btefen f d^Iid^ten ©inn aber ntd^t ; fie leibet unter 
unfrem $augjuf($mtt unb ^au^ton unb tann in ber ewig 
jttierten ^errlid^felt unfeteg Umgang^ unmöglid^ fo t)iel 
finben, um aH ba^ balanjiett iu fel^n, wa^ tl^r contre 
coeur tft. 3Bit fpred^en immer t)on „elterlid^em ^au^", 
aber fie l^at nid^t ba^ bat)on, wag fie befriebigt. ©ie 
friegt ein Äleib unb einen Unterrod unb baiwifd^en Srger 
unb Sangeroeile. SRatürlid^ fann e^ il^r no^ t)iel trifter 
gel^n, unb melleid^t l^arrt il^rer bergleid^en, aber id^ finbe 
e^ fo begreiflid^, bafe ein junget ^ei^ l^offt unb — wagt. 
@ud& allen taufenb ®rüj3e t)on Seinem ^^^ «^ 



228) Ärummpbel, b. 21. 3uli 1884. 

Siebe ^an. 

@ben erl^alte id^ Steinen lieben Srtef t)om ©onntag, 
für ben id^ beftenö banfe. SEBa^ meine „Stimmung" an- 
gel^t, fo f(^ie§eft S)u vorbei mie gemöl^nlid^; S)u l^aft ein 
riefige^ SCalent, bie Singe nid^t fo ju fel^n, mie fie finb, 
fonbern mie S)u fie fel^n miHft. S)u l^aft S)ir au^ bem 
%^. g. oon (Sottet ©naben einen %^. %. von ©milien^ 
Onaben jured^tgemad^t, unb aHe^, wa^ S)u über mid^ 
benfft unb fprid^ft, finb ©äfee, bie auf Seine 5ßl^antafie^ 
puppt paffen, aber nid^t auf mid^. Qnbeffen e^ fd^abet 
ntd^t^; id^ bin oielfad^ nid^t gut babei gefal^ren, aber 
t)ielf ad^ aud^ fel^r gut, unb fo mag'^ fid^ balanjieren. 
SRur ber ©inn für ejafte Seobad^tung be^ S^atfäd^lid^en 
fe^lt Sir. 

^ier l^öre id^ mand^erlei g^eunblid^e^ über meinen 
©d^erenberg^aiuffafe. 3n ber ,,2:aglid^en Sftunbfd^au" ^at 
3leumann^©trela^ 3luffa| über mid^ geftanben; er foll 
gani gut unb fel^r freunblid^ fein. (Sin bißd^en fonberbar 
ift e^, ba§ mir ©tepl^an^ feine 3^^^^ fd^reibt. 3ltu^ 



108 tE^. JfoxAaat» tirtefe an feinie J^cratUie. 

gierig bin id^ aud^ auf bie Haltung ber ©d^crenberge. 
S)ie götnilie nid^t jufrieben ju fieffen, bar an bin id^ t)on 
meinen SBanbetungen l^er getoöl^nt unb lege fein Oewid^t 
mel^r barauf. 

®rüj3e bie Älnber. SJBie immer 3)ein 2;L % 



229) Ärummpbel, b. 26. 3uli 1884. 

aReine liebe grau, 
ajlete l^at mir ein paar intereffante, mid^tige unb 
mid^ erfreuenbe Sriefe gef daneben. 3d^ glaube, S)u 
nimmft fte nid^t immer rid^tig. ©ie fd^reibt mir l^eute: 
„3!d^ bin nid^t unjufrieben, im ©egenteil, aber id^ mürbe 
mir gerne meiner geiftigen unb l^erjlid^en 
gäl^igteiten lebl^after bemußt, — id^ l^abe ba^ 
©efül^I eine§ SRenfd^en, ber Älat)ier fpielen fann, ober 
fein ÄlatJier l^at." S)ag trifft, glaube id^, ju. ©ie mürbe 
fid^ gern ein anbre^ „sort" bereiten, pe mürbe SBelt unb 
aimerifa SBelt unb Slmerifa fein lajfen, aber mie bie SBer^ 
l^ältniffe nun 'mal liegen, fud^t fie ba^ Sefte brauiS ju 
mad^en. SJBenn ber 3Q3eg, ben fie baju einfd^Iägt, il^r 
3Q3eg ift unb nid^t unfrer, fo fann man il^r barauiS feinen 
SBormurf mad^en. SJBeiJBt 3)u, meld^er 2Beg ber rid^tige 
ift? 3d& meife t» nid&t. Unb fo l^at man fein SRed^t, 
bem im ©efül^Ie mui^elnben ©ntfd^Iufe eine^ anbem 
aUenfd^en, unb menn e^ bag eigne Äinb ift, entgegen^ 
jutreten. Qd^ bitte 3)idö, il^r il^re greil^eit ju gönnen unb 
baran ju benfen, baß e^ il^re ©ad^e ift, unb baß fie 
bie Äonfequenjen trägt. SBenn mir, xoa^ möglid^, in 
aJHtleibenfd^aft gejogen merben, fo üerfd^minbet ba^ bod^ 
neben bem, xoa&, menn e^ fel^If dalägt, il^r juffilft. 3d& 



1884. 109 

bitte S)td^, na^ 3SliQlx^Uit 2)em Senel^men ju il^r bonad^ 
einjurid^ten. 

aRein Seftnben ip leibUd^. SBie immer S)ein 



230) ftrummpbel, b. 27. Slugufi 1884, 

3Reine liebe aRete. 

3Q3ir bebauettt fel^r, bafe e§ mit ©einem Sefinben 
nid^t gut gel^t. SCuf ^arjbutg möd^te id^ e^ aber nid^t 
fd^ieben, ha feine Suft für bie SRert)en, bie bod^ immer 
bie ^aitptfad^e bleiben, üoi^äglid^ ifi; nur Sruflfranfen, 
ju benen SDu glüdflid^erroeife nid^t gel^örft, ift ber 2luf^ 
entl^alt nid^t ju empfel^Ien. 3d^ benfe mir: eine gufeportie 
auf ben 33rodEen, l^eitre^ ©efpräd^, Kalbsbraten mit 
Äartoffelfalat unb ein ©eibel Seijienbräu mürben S)id^ in 
24 ©tunben mieberl^erfietten. Table d'höte-ßinerlei bringt 
einen um. 3)a6 S)u SKrS. aWurra^ l^aft, ift ein red^teö 
®IüdE; felbfi menn 3)u il^r gegenüber ein 3Bort ju mel 
fagen fofftefi, fd^abet eS nid^t; benn fo fd^ön 3lüdEfid^ts 
nel^men, fo fd^redEIid^ ift ängftlid^eS SRüdtfid^tnel^men. 
Unb nad^ biefer ©eite l^in l^aft 3)u feitl^er mel^r geleijiet 
afe nötig, melleid^t felbft mel^r afö gemünfd^t mürbe. 

SBir leben l^ier in ber alten SBeife meiter. SBetannte 
unb SRid^tbefannte pnb abgereifi, aber neue ^guren taud^en 
auf, fogar S^ürlen. SReuIid^ erfd^ienen fünf in einem 
offenen SBagen unb festen burd^ il^re roten g^j' ^^^^ i^ 
(Staunen. Slud^ 3!ftama begegnete il^nen unb mürbe ber 
©egenjianb einer türfifd^en Slnfprad^e, über beren Qnl^alt — 
nielleid^t bulbigenb, oielleid^t furd^tbar, oielletd^t beibeS — 
nur aJhttmafeungen gefiattet finb. SKama raffte aber ftd^ 
unb il^r SJürfifd^ jufammen unb antwortete mit SEBürbe: 
,,3iaal^ il Ma^." SBirfung unbejHmmt. SBon bejiimmterer 



110 S^« Jroxttme» I3rtefe an fehu Jramült. 

SBixfung bagegcn roax eine jweite Slepteffalie, bie ber 
l^tet antüefenbe Äunftl^änbler Sftutl^arbt unb id^ am 
anbetn Slage nal^men, afe n)it l^örten, ba§ bie %üdm 
Bei ©yner feien unb bort im fjreien binierten. 3Bir bes 
fd^Ioffen, auf biefe 3laä)xx^t l^in anä) im gej ju erfd^einen, 
fül^tten unferen ^lan aud^ an^ unb begrüßten unfre gej= 
' Btübet, atö n)it, an il^tem 2^ifd^ üorbei, auf unfern ©jstifd^ 
pfd^ritten. ©ie muffen baburd^ burd^au^ ben ®inbrudf 
t)on bem gortfd^reiten be^ ^^lam empfangen l^aben; alg 
fte aber, am f elften 3lbenb nod^, biefen Slnfd^auungen 
Slu^brudf geben unb oben auf ber Äoppe ben bort an^ 
mefenben ^arfenmäbd^en il^re Sanbe^fitte menfd^Iid^ naiver 
filieren mottten, mürben fie rom Äoppenmirt, ber nod^ ju 
ben alten Oöttern l^ält, an bie Suft gefegt. S)u fiel^ft, 
felbft Ärumml^übel l^at feine orientalifd^e ^age. 

aRama fäl^rt fort, fid^ ju erl^olen. ©ejiem mad^ten 
mir oon elf bi^ ad^t eine S^age^partie, neun ©tunben 
untermeg^, oon benen gut bie ^dlfte marfd^iert mürbe, 
©ine ganj anftänbige Seiftung. SJBir maren auf ber 2lnna== 
Äapeffe unb feierten ben 2^ag burd^ SJBeinfuppe, gorellen 
unb ©ierfud^en. 3lber nur l^albe Portionen, ein SBorfd^Iag, 
ber meber oon mir nod^ oon 3!ftama ausging. 3d^ bin 
nid^t für l^albe ^Portionen unb mürbe geftem in meiner 
3lbneigung bagegen neu beftärft, benn nur mit aRäl^e 
festen mir für unfre jmei ^Portionen oier Steiler, oier Söffel 
unb oier 3Keffer unb ®abel burd^. ©ott, xoa^ iji Slnftanb? 
Unb mer ift anftänbig? S)er ©parfame, ber oon oom= 
l^erein barauf oerjid^tet, ift eigentlid^ ber Älügere; benn 
ber fogenannte „©plenbibe" jmingt e^ aud^ nid^t unb 
läJBt ebenfalls unbefriebigt. 

2Bir bleiben nod^ bi§ SKontag ober SDien^tag. Sann 
fommt ber älbfd^ieb, ber un^ bieömal red^t fd^mer merben 



1884. 111 

toitb. 3e alter man toitb, je jtoeifell^aftcr erfd^einen einem 
bie SSorjüge bet großen ©tabt 

ßtgel^' eg S)it gut, empflel^l mid^ bem Slngelfad^fentum 
t)on bte^feit^ unb jenfeit^ be^ großen SBaffet^ unb laff' 
balb ted^t ©tfreulid^e^ l^öten. SBie immer Sein alter 



231) ©a^nife, b. 13. September 1884. 

3Äeine liebe SUiete. 

Seften 3)anf für SDeine freunblid^en 3^il^n. ^ä) freue 
mid^ i^erjlid^, ba§ SDeine mit ©nergie getanen ©(^ritte fo 
fd^nell einen guten ©rfolg gel^abt l^aben, unb SÖiama, bie 
S)id^ fel^r liebt (trofe Seiner gelegentlid^en B^^^f^^ baran), 
toirb glüdEIid^ unb beinal^' gerül^rt barüber fein*). Ob 
Seine ^ßoption bei fjräulein Se^be üon Sauer ifl ober 
nid^t, ifl jiemlid^ gleid^gültig ; id& fel^e aber feinen ©runb, 
marum fie'^ nid^t fein follte. ©efd^iel^t e^ bod^, fd^nappt 
e^ über furj ober lang bod^ ab, fo münfd^e id^ nur, ba§ 
ein angenel^mer beutfd^er Süngling, ein Slmt^d^ter, ein 
Softor, ein Dberlel^rer, felbft ein 5ßaftor bie 5BeranIaffung 
fein möge. SRatürlid^ l^abe id^ aud^ nid^t^ gegen einen 
SHttergut^beflfeer, Sanfter ober ©d^ipreeber, e^ ift aber 
nid^t nötig, immer nur nad^ ber Slid^tung au^juf d^auen ; 
ad^t aJionate Slmerifa l^aben l^offentlid^ au^gereid^t, Sir 
ju geigen, mie menig bei SWinentum, fiofferpadEen ober 
^otelsgffen l^erau^fommt. 3wif<^^^ ©olbprinjeffln unb 
Sind^en in ber glieberlaube liegt oielerlei. 

Sien^tag abenb bin id^ mutma^Iid^ mieber in Serlin. 
Sft^am aJiontag ober Sien^tag etma^ im 2:i^eater lo^, fo 

*) gfontaneS Xod^tct l^atte ittatoifd^en il^tc ainetifanifd^cn S5c« 
aid^ungcn abgeStod^cn unb ctitc ©tettc al8 ßcl^tettn on bct Se^bcfdften 
^öl^eten Söd^tetfd^ule in Berlin angenommen. 



112 Str. Jftndant» IBriefe m r^eine JfccmUk. 

bitte td^ Dr. Stal^m freunbltd^ft, mid^ ocrtreten ju 
rootitn. 

SBie immer Sein alter ajapa. 



232) »erlitt, b. 4. Dftober 1884. 

3Jieitte liebe 3Jiete. 

3Äit l^erjlid^er greube l^obett toir au^ SJeittett l^eute 
frül^ eittgetroffettett QtiUn erfel^tt, ba§ e^ SDir gut gel^t 
uttb bo^ fiittberglüd uttb bie fiittberottefbote billigt, ^ier 
ift alleg ftill; @ott fei 3)attf, betttt ©tille bebeutet ^rieben. 
SDie tteue Sonna Ia§t pd^ gut Ott uttb fod^t au^reid^ettb. 
SDa§ pe bie Seine altjüngferlid^ feftt, fann ja ol^ SSorjug 
gelten, bejto. ate 3^^^^ ^^^ ©d^tl^eit auiSgelegt toerben. 

Stm 2. Oft. tourbe griebel mit geierlid^feit aug ber !Bel^r=^ 
jeit bei Sangenfd^eibt entlaffen. 20 Slbfd^iebe (bie Qugenb 
fann pd^ nid^t genug tun), padEen, Steifest unb fti&er^ 
pebelung^'SSorbereitungen, bann junäd^P 3lufbrud^ nad^ 
SDobbertin*). SSon bort l^er traf l^eute frül^ eine Äorte 
üon il^m ein. Gr fd^eint glüdlid^; id^ fel^' il^n, wie er 
abiigen alten Siunhtnfeln üorgePellt mirb unb faft fo t)iel 
greube barau« fd^öpft, afe mdren eg junge. — %f)to 
fd^eint aug granifurt ttDd^ nid^t jurüdE; er ip ja ber gro^e 
©etoinner am BlaU unb Siertifd^ be^ Seben^, aller guten 
Äerle greunb unb Sruber. ©ne glüdflid^e Drganifatbn. 
^ä) l^atte pe nie. 

^erjlid^e ®rü§e SDeinen lieben^würbigen SBirten. 

SBie immer Sein alter ajapa. 



*) 3u einem S3efud^e Bei feiner $ate, Sfrftuletn 3Ratf)ilht 
b. Stol^r, bev alten gfrennbin gfonianed, bie bamalS fd^on alditon« 
bentnalin in biefem Dornel^mpen bev metflenbutgifd^en abiigen ^ftnlein« 
füfte lebte. (SRan \)tx%t baS il^t getoibmete ita^üel im Seil I bet 
iräBanbetungen ac." «,S)ie ^xapd^ap Uuppin'. 8. 9lttP., @. 461 ff.). 



1884. 113 

233) 83 erlin, b. 23. SejemBet 1884. 

3Jietn lieber griebel. 

3Jiama^ SBeil^nad^töfifle ift l^offentlid^ fd^on in Seinen 
^änben, unb üon mit follen SDit toenigften^ bie l^erjlid^ften 
aSünfd^e nid^t fel^len. 3d^ benle mir, ba§ S)u morgen, 
ben Xaq über, no^ vxd ju tun l^aben unb ben 3lbenb 
i)alb bei SDeinem ßi^ef, f)alh bei Salfeen^ (benen mir un« 
angelegentlid^ft empfel^Ien) jubringen mirft. SBo'^ aber 
aud^ fei, fei l^eiter unb vergnügt unb nimm teil an ber 
greube ber anbem. S)abei fäHt bann immer aud^ etma^ 
eigne greube ab. 

$ier fielet e^ leiblid^ an^; bag polnifd^e 3Jiäbd^en, 
ba^ mir l^aben, befriebigt jmar nur untJoIHommen, aber 
afe 5ßoIin fann fie menigflen^ fiorpfen fod^en, mo^ ja in 
ber SBeiJ^nad^t^jeit etma^ bebeutet, ©eftem l^at fie fid^ 
baburd^ in momentane @unfl l^ineingefod^t. ©eorge ift 
feit brei SJagen l^ier unb in ganj guter Stimmung ; l^eute 
abenb überfiebelt er in bie Heine ©tube üon $Kutter 
ÄerdEom. 3Jiete mar, fo lange ©eorge l^ier ift, bei STO.^; 
I^eute abenb jiel^t fie mieber in il^r ©tammquartier ein. 
XJ)eo mei§ nod^ immer nid^t, mann fein ©jramen ftattfinben 
mirb ; id^ benfe mir, aJiitte Januar. 3Jiama, trofebem jte fid^ 
fel^r quälen mufe, ift au^reid^enb bei SBege; üorgeftem mar 
fie id SBill^elm ^erfe in ber SBel^renftralse unb fam leiblid^ 
befriebigt mieber na^ §aufe. SSon Steffen^ l^abe id^ für 
ein paar greunbe einige 5ßetöf^ ^ ®jremplare beforgt; ba« 
einjige bemäl^rte aWittel jum äbfaft meiner Sudler — id^ 
mu§ fie f eiber f auf en. 3 u I i u ^ SB o I f f ift in t)ier SBod^en 
fd^on mieber big an 12^ ober 15000 'ran; @ott gibt e^ 
ben ©einen im ©d^Iaf. Unb mer biefe ^öl^e 'mal erreid^t 
l^at, ber fann fie nie mieber ganj verlieren, aud^ menn er 
ba« SDümmfte fd^reibt. ®g mirb bann mol^I ttroa^ weniger 
unb bie 15000 fd^rumpfen ju 10^ unb 5000 jufammen, 

Xl^.^ontaneS SSrief e an feine flfamUie. II . 8 



114 Str. Jiordane» IBriefe an T^e Samült^ 

aber eine gcwiffe ^ßrctponbetan} bleibt für Sebett^jeit. 
3la^i)ex ober tft e« egal, unb in ber fiiteraturgefd^id^te 
fd^etttt bie ©onne über ©ered^te unb Ungered^te; jeber 
friegt feine jwei 3^tt^^- 

SHod^möig: l^abe einen frol^en 2;ag, einen glüdHid^en 
2lbenb. Sei bem befannten ©l^errppunf d^ , wo wir SDid^ 
unb SDeine SRebe t)emiiffen werben, werben wir Seiner in 
Siebe gebenfen. SBBie immer Sein alter «Bapa. 



234) Ärummpbel, b. 1. Suni 1885. 

3Jieine liebe grau. 

SSor anbertl^alb ©tunben bin id^ wol^lbel^alten l^ier 
eingetroffen, von ^irfd^berg an^ bei beftänbigem Siegen 
unb ©onnenfd^ein, wa^ jur golge l^atte, ba^ lange 3^tt 
ein SRegenbogen über Ärumml^übel ftanb. 3lu§erbem fefete 
fid^ gleid^ ein entjüdEenber Heiner SSogel, wei^ unb fd^warj 
(aber t)iel grajiöfer ate bie 5ßreu§en finb), aufg §enfter= 
brett unb begrüßte mid^, wa^ mid^ atte^ beglüdEt l^at. 
^ä) fann ben ^eben^bogen unb eine poetifd^e Sßogelftimme 
gleid^ gut braud^en, jenen jum Slbfd^Iu^, biefen jum Anfang. 

Sie guten ©d^reiber^, er, fie unb ba^ 3loxmaU 
mäbd^en Slnna ober „bie 3lnna", wie e^ l^ier l^ei^t, 
empfingen mid^ mit grojser fiieben^würbigfeit; ba^ bie 
aJiarfftüdEe nid^t ju feft in ber 2:afd^e l^alten, l^at bod^ 
aud^ feine SSorjüge. 3lu^gepadft ift bereite, alle^ an 
Ort unb ©teile, ber Slrbeit^tifd^ fd^on wieber an^ 
genfter gerüdEt. 

aJiorgen oormittag wiH id^ bie biograpl^ifd^e ©Rjje über 
Sepel fd^reiben. SRatürlid^ eine unbanf bare arbeit, aber 
id^ bin baran gewöl^nt. 

STOein Sefinben ifl fd^on beffer. Sie ^ouptfad^e ifi, 
ba§ mit meine Sttrbeit fd^on wieber greube ju mad^en on^ 



1885. 115 

fängt; nod^ freilid^ ift c^ nid^t fo weit, aber id^ l^öffe bod^, 
ba§ e^ wtcberfommt. SBenn id^ bod^ 'mal einen (Sonntag 
I^Stte, XDo td^ mtd^ fül^Ite, wie SBilbenbrud^ fid^ alltags 
fül^It. 3d^ mag aber bod^ nic^t mit tl^m taufd^en 

®tü§e bie Äinber in N., NW., W. unb S. $iet 
fannfl S)u SDid^ afe ©eogtapl^in bemal^ten. SDein 



235) fitumml^übel, b. 3. ^uni 1885. 

aJieine liebe fjrau. 

3d^ l^abe geftetn mel gearbeitet, ol^ne ba§ e^ mit 
fauer geworben märe. (Srft ben Meinen Sluffaft über Sepel, 
bann, am Slad^mittag unb Slbenb, l^abe id^ bie neue 3lo^ 
tjelle entworfen*), fo weit man etma^ entwerfen fann, ju 
bem nod^ überatt ba^ SÖiaterial fel^It. SBon ber erften 
^älfte gilt bie^ l^alb, von ber jweiten — bie bei ben 
aWennoniten in Slmerifa fpielt — ganj. Siatürlid^ fann 
id^ mir aud^ aUe^ erfinben unb bie ganje ©efd^id^te aug 
bem 5ßl^antafiebrunnen l^erauf Idolen, aber beffer ift beffer. 
^ä) i)aU nid^t bie f^red^l^eit, brauf lo^ ju fd^reiben, ol^ne 
(Sorge barum, ob e^ ftimmt ober nid^t. 

@egen 9Kittag fam S)ein SBrief mit feinen SBeilagen. 
®ie änjeige oon fjrau $. wirft läd^erlid^. Ober l^ätteft 3)u 
Sufl, oon mir ju fd^reiben: „^Ritter be^ fironenorben^ 
vierter filaffe unb be^ gro^l^erjoglid^ medflenburgifd^en 
Drben^ jur wenbifd^en firone"? SDie ganje Orben^s^ 
gefd^id^te, wenn e^ nid^t orbentlid^ fommt, l^at bod^ wirflid^ 
ettoa^ Äinbifd^e^. ^eute nad^ 2:ifd^ plauberte ber ©d^ul^ 
meifter beinal^' jwei ©tunben mit mir; ein ganj netter 



*) (58 l&onbclte fld^ um bie für bie »©ottenXoube* beftttnmte 
etaäl^lunö »ßttitt*. 

8* 



116 S^. ^ovAaxvt» IBriefe m ftfnt SavMt, 

3Jlann, ber mir oud^ ben SHoücHenfbff in aller ©celenrul^e 
vortrug. Qd^ üerfd^toicg i^m aber, ba§ id^ tjorl^ätte, 
barüber ju fd^reiben. 3lud^ bie gormation be^ ©ebirge^ 
i)at er mir mit grojser Älarl^eit au^einanbergefeftt, beffer 
ate ein geognoftifd^er ^ßrofeffor. 

SBie immer SDein c^u «^ 



236) Ärumml^übel, b. 4. 3uni 1885. 

3Äein lieber %^to. 

^abt S)anf für SDeinen lieben Srief, ber t)on l^ier 
au^ junäd^ft nad^ SReul^of unb tjon 3ltnf)o^ nad^ SBBame^ 
münbe gemanbert ifl. 

S)a§ e^ SDir jeftt bienjUid^ beffer gel^t, l^abe id^ ju 
meiner großen greube au^ SDeinem Sriefe erfel^n. 6^ 
genügt, menn man mit feinen SSorgefefeten leiblid^ auiS=^ 
fommt; Intimitäten finb nid^t nötig. Unb wo gibt e^ 
überl^aupt Intimitäten! 3)er furd^tbare Sinbaufd^e ©afe, 
ba§ unfre Stellung ju ben 3Jienfd^en burc^ bie grage 
nad^ unferm SSorteil unb unferm SSergnügen beftimmt 
merbe, ift au fond rid^tig. 

3)a^ fioloniefeftfpiel mad^t l^offentlid^ gortfd^ritte. 
3(^ meinerfeit^ merbe mid^ — melleid^t ^ab' id^ SDir'^ 
fd^on erjäl^it — mit einem burd^ Äal^Ie tjorjutragenben 
a^oaft au^fpielen. S)a§ fid^ für un^ beibe 'mal bie @e^ 
legenl^eit ju einer Segitimierung ber Äolonie gegenüber 
bietet, ift mir l^öd^ft angenel^m; mir t)erbanfen il^r bod^ 
fel^r mel. 

©eit anbertl^alb SBod^en bin id^ l^ier mieber allein 
unb arbeite fKeifeig. Slber immer nur SBerfe. S)a§ e^ 
mir nod^ 'mal vergönnt fein mürbe, ju ben ©öttem 
ober gammeln meiner Qugenb jurüd^uf eieren, l^ätt' id^ 
mir nid^t träumen laffen. ®g l^anbelt fid^ babei um ein 



1885. 117 

ganjeg S)u$enb SBaHoben, fo ba§ mein SBaHabenfapital, 
ba^ id^ ®ud^ afö cinjige^ SJemiögen l^intcrlaffe, babutd^ 
um ein Stittel onmäc^ft. SBBie l^od^ Ql^r bo^ t)etanfd^Iagen 
wollt, mu^ id^ @ud^ überlaffen. SBäte ber ©inn ber 
Station ein anbret, fo würbe bem tjotftel^enben ©aft j|ebe 
Sitterfeit, jebe ©elbftitonie f eitlen; wie'^ abtx 'mal fielet 
unb liegt, ift eine alte, fieben Qal^te getragene ^au^wefte 
aHerbingg mel^r wert aU eine SaHabe. S)ie SEßefte bringt 
auf bem2;röbel wenigften^ l,50aÄarf ein. Übrigen^ ift unter 
ben l^ier gefd^riebenen ©ebid^ten aud^ ein langet 33i^mardE= 
gebiet; id^ glaube, bafe e^ mir gelungen ift, wa^ mid^ 
fel^r freut, wenn e^ aud^ t)erIorene Siebe^mül^' fein wirb. 
Sßjie immer S)ein alter ä5apa. 



237) Ärummpbel, b. 8. 3uni 1885. 

3Reine liebe grau. 

©eftem l^atten wir, ate id^ meine ^faffenberg^ 
^romenabe mad^te, ©ewitter mit ©türm unb Siegen, aber 
trofebem ber ©türm anl^ielt unb bie ganje SRad^t über 
ein fd^wer ©emöH am Fimmel ftanb, ift e^ l^eute l^eifeer 
benn jje. S)ie SJorfftrafee ift mie au^geftorben. 

SWit meiner neuen Slrbeit gel^t e^ rüftig weiter, babei 
puffle id^ an meinen Sßerfen l^erum. ©elänge e^ mir, nod^ 
'mal eine neue Slu^gabe ju t)eranftalten, fo mürbe ber 
33anb mol^I um bie ^älfte ftärfer werben. Qm Saufe 
fo t)ieler Qal^re läppert fid^ bod^ 'wa^ jufammen; an 
Keinen Itjrifd^en ©ad^en (wenn aud^ nid^t^ bavon bebeutenb 
ift, fo ift bod^ aUe^ nieblid^ ober aud^ wol^l 'mal amüfant) 
l^abe id^ jiemlid^ ein S)ufeenb unb an SaHaben ebenfo 
mel. aber ba^ meifte oon biefen leftteren ifl erft l^alb 
fertig. ^^ würbe freubiger an aT ha^ l^erantreten, wenn 
id^ nid^t oon ber ooHfommenen ©leid^gülttgfeit aller meiner 



118 Str. JfontmtB ßtizft m \t^ JfoMlt. 

betartigen Sefttebungen, aud^ jeftt, in befier ©ttmmung, 
tief burd^brungen xoäxt. ©eftem, bei ©pier, faj3 an einem 
onbem %i^^ ein nettem ©l^epaat, er 50, fie 45; fel^r ge^^ 
bilbete 2mtt, bie fid^ havon untetl^ielten, roa^ fie nun, 
nad^mittagg beim fiaffee, lefen wollten. „D", fagte fie, 
„bo wetb' id^ mit bo^ Sud^ von bet ^eimbutg wieber 
fd^iden laffen. SEBir l^aben eg un^, afe e^ juetft in ber 
©artenlaube ftanb, in SBte^Iau t)orgelefen, unb id^ l^abe eg 
ote SBud^ nod^ 'mal gelefen. @iS ift teijenb. 2Bei§t bu 
nod^, XDXx fonnten bie 3^it immer nid^t erwarten, bi^ bie 
näd^fte Plummer fam." „3a, bu l^aft red^t, e^ war fel^r 
^übfti^. aber miHft bu'g benn jum brittenmal lefen?" 
„aiun, warum nid^t? SWit SBergnügen." ^d^ glaube, ba§ 
es eine ^luriftenfamilie war, Staatsanwalt ober Sanb= 
gerid^tSrat. ^^ glaube nid^t, ba§ jemate ein ©l^epaar 
'irgenbwo gefeffen unb über irgenb 'waS, baS id^ gefd^rieben, 
aud^ nur annäl^emb mit fold^er SBegeifterung gefprod^en 
^at. 6S fällt alles in ben Srunnen. Unb beSl^alb l^at 
aud; ber ©rief von Äröner fold^en ©inbrudE auf mid^ 
gemad^t. Slber er wirb fid^ ju feinem ©d^aben überjeugen, 
ba§ aud^ (HiS wieber fpurloS oorübergel^t. SÖieine ßoeur 
©ieben gewiimt nid^t. 

Smfeitige ©rü^e. SBie immer Sein <^u »^ 



238) ÄrummH^el, b. 16. 3uni 1885. 

aJieine liebe STOete. 

S)iefe Äarte 3JiamaS, bie mit meler ©efd^idKid^feit 
nur Singe entl^ält, bie ©jner — ber jugleid^ ^oftl^alter 
ift -- unb Ärumml^übel überl^aupt nid^t lefen barf, mu§ 
nun bod^ in ein fiuoert geftedft werben. 

3laä) ©lül^l^ifee l^eute enblid^ ein fd^öner, wilber, 
weid^er 2:ag. Qd^ puffle täglid^ an ©ebid^ten, beren id^ 



1885. 119 

gletd^jeittg jel^n, jtoölf auf bem Slmbo^ ober unter ber 
geile l^abe. S)et 3Kng, ber fid^ fd^Iie^t. — ^tnU \)at bie 
©aifon begonnen; bie „fd^öne 5Watie", böl^mifd^e ÄeHnetin 
aug ber ^olbweltfpl^äre, J)at il^ten ©injug gel^olten. 3lud^ 
©d^werin^ finb l^eute mit ©ad unb ^ad eingejogen, 
aber ba^ SBerl^ältni^ l^at einen Änaj weg, unb einmal au^ 
meiner Unbefangenl^eit geriffen, ift mit mir nid^t^ mel^r 
anjufangen. — SBon ber SBelt l^ören mir nid^t^, mit 3lu^s 
nal^me beffen, roa^ bie S^ttung bringt; ba^ ift nun freilid^, 
feit aJiama l^ier ift, über unb über genug : 5ßrr)je§ ©töder, 
unb nun l^eute ber Xoh be^ 5ßrinjen griebrid^ Äarl! 
SBa^ fagt SBitte ju bem ^roje^? Slatürlid^ ift ©tödEer 
ein ganj unfid^erer 5ßaffagier, unb bie SRed^t^anmälte l^aben 
red^t, aber fie überfpannen nid^t nur fad^Iid^ ben Sogen 
(fo toll ift e^ benn aud^ mieber nid^t), fie f dalagen aud^ 
einen Überl^eblid^feit^ton an, ber in preu^ifd^en ©erid^ten 
bi^l^er nod^ nid^t gel^ört morben ift. 3RundEeI bel^anbelt 
ben ^räfibenten ä la ©d^af^fopp. 

S)ie oorftel^enben 3^il^tt follten „untermeg^" in einen 
^oflfaften geftedEt werben; biefer „Untermeg^=5ßoftfaften'' 
fam aber nid^t, unb fo genießen biefe S^Üen ben SBorjug, 
in meiner Srufttafd^e big auf bie Äleine Äoppe gefd^leppt 
morben ju fein. S)enn bag Senfmal, bag bie görfter be^ 
@raf en ©d^affgotfd^ il^rem burd^ einen SBBilbbieb erfd^offenen 
ftameraben gefeftt l^aben, ftel^t nur 500 ©d^ritte unter ber 
fileinen fioppe auf einem gelfenoorfprung, ber bag ganje 
^trfd^berger %al mit feinen Sergen, fiuppen, ©täbten, 
SDörfem, gSarfg unb ©d^Iöffem be^errfd^t. ©e^r fd^ön, 
aud^ für meine arbeit munberüoC ju oermenben, um fo 
mel^r, aU fid^ l^od^ oben fd^on alpine ©terilität, firüppel^^ 
fiefer, finiel^olj unb 3Jioorgrünbe mit mud^embem $uf^ 
lattig mit einmifd^en. 3lber für 3Jiama mar eg bod^ oiel 
JU oiel; mir l^atten auf P/2 ©tunben gered^net unb eg 



120 Str. Jfovtaxm IBritfe an r^^ JfaMU. 

bouette btei ©tunben, el^' toir l^inauf toorcn, immer fteil 
an, nitgenb^ eine getobe fiinie, mo man im ©el^en 'mal 
au^rul^en fonnte. Unb nun fam ber SRüdfmeg, ber für bie 
arme grau, megen be^ dinä^ im Äörper, e&enfo mül^et)oD[ 
unb anftrengenb mar. ©ie liegt nun l^eute nod^ im 33ett; 
ba^ grül^ftüdf l^at aber bod^ gefd^medt, unb fo benfe id^, 
ba§ fie l^eute mittag bei ©jner^ mieber mol^Iauf fein 
unb mie ein alter Ärieger t)on anno 13, 14 unb 15 mit 
©tolj unb greube auf il^re ©rlebniffe jurüdfblidfen mirb. 

Sa^aJiaterial für meine SRot)eD[e l^abe id^ nun jufammen. 
3luf bem S)enfmal fielet: „©rmorbet burd^ einen SBilbbieb". 
3d^ finbe bie^ ju ftart görfter unb SBilbbieb leben in 
einem Äampf unb ftel^en fid^ bewaffnet, aJiann gegen 
aJiann, gegenüber; ber ganje Unterfd^ieb ift, ba§ ber eine 
auf bem ©oben be^ ©efefteiS fielet, ber anbre nid^t. 2lber 
bafür mirb ber eine beftraft, ber anbre belol^nt; von 
,,3Rorb" fann in einem ebenbürtigen Kampfe nid^t bie 
SRebe fein. 

aSßie immer SDein alter Sßava. 



239) firummpbel, b. 16. ^uH 1885. 

3Jieine liebe 3Jiete. 
©eftem mar id^ in SReul^of bei 5ßrinj SReufe, voo i^ 
mieber ,,gürftenfned^t" fpielte. SDen 2;ag über franf unb 
auf Pfefferminztee gejieHt, ful^r id^ gegen Slbenb ju ,,S)örd^= 
läud^tingS". @^ mar mieber fel^r nett. SDennod^ erfüfft 
mid^ fold^' auftreten mel^r unb mel^r mit 33eben!en; id^ 
bin ju fold^en 3lrbeiten am SJrapej ho^ nxä)t mel^r jung 
unb aud^ nid^t unbebeutenb genug, ©in fleineg (Sefül^I 
von ©d^am über bie ©d^aufteHung merb' id^ nid^t b^, 
unb id^ begreife ganj bie voxm^mt SBBelt, bie nid^t^ fo 
fel^r perl^orreiSjiert, d^ fid^ t)orbrängen unb au^fpielen. 



1885. 121 

3m offgememen borf td^ aud& f^gen, ba§ i^ bamit ©d^id^t 
gemad^t l^aBe, l^ier ober Iie§ fid^ ein SlüdfoII nid^t vtx^ 
meiben; gtteblänbet*) l^at mit bieg alleiS eingebtodft, 
unb bie gto^e Sieben^mütbigleit betet, bie ben ©d^axtplafe 
für biefe 2;umerei l^ergeben, lä^t mid^ ben SRüdfaH in 
biefe Seinen ©telfeiten unb Ungel^örigfeiten aud^ faum 
bebouem. 

3d^ log geftem brei neue ©ebid^te vox, von benen 
bag britte, „©ulbranb^bal", am meiften gefiel. S)ag 
jmeite: „2a ©ranbe Sl^artreufe", mürbe burd^ meine 
©d^ulb gar nid^t t)erftanben. 3d^ fagte nämlid^: „e^ fei 
'mag ^umoriftifd^eg" (roa^ eg au fond aud^ ift); infolge^ 
beffen ermartete man, eg merbe auf einen Ulf l^inauglaufen, 
in meld^em ber „ßl^artreufe" (Siför) eine Hauptrolle fpiele. 
S)ag blieb nun aber ganj an^ ; ber ©d^lufe ift fogar emft, 
fo ba§ fie ganj befontenanjiert maren. 3ln meinem (Se^ 
bid^te lag eg aber nid^t, beffen bin id^ fidler. 

@ru§ unb ©mpfel^Iung an Spante SBitte unb alle bie 
il^r anoermanbt unb jugetan finb. SEßie immer S)ein alter 

$apa. 



240) Ärumm^übel, b. 4. atuguft 1885. 

aJieine liebe 3Jiete. 
&tiitm ©onnabenb l^atten mir l^ier eine „SReunion'', 
bie mid^ fel^r amüfierte, fo bafe id^ t)on ad^t big jmölf Ul^r 
(eg bauerte aber big oier) tapfer augl^ielt. 2lug ^irfd^berg 
maren fieben Seutnantg gefommen, bie natürlid^ aUt^ a\x\^ 
fragten unb belebten, ©ie tanjten brillant unb liefen 
STOama unb mid^ mel^r alg einmal fagen: ,,SBenn bod^ bie 
arme aJiete je fo gute Slänjer gel^abt l^ätte." gebenfaUg 



*) Dr. &eox% iftieblänbct, ^ImtStjerid^t^rat in ©(^miebebcrQ. 



122 Str. Jfonttmt» £v\tft m Teine iFantiiie. 

würben Sittiftenball unb ©d^iHerfcft butd^ ba^, xoa^ bie 
„yitnnion" l^ier bot, toeit übertroffen. älleiS t)etlief an- 
genel^m. SRut ein berliner SIÄufifbireftot, ber feinen 5ßla$ 
.im ©aal (fein 2:ifd^ ftanb gerabe in ber Slanjiinie) nid^t 
räumen rooütt, gab Slnftofe unb erl^ielt am anbem S^age 
eine Äarte: „SÖian !ann ein SBerliner 3Jiufifbireftor fein 
unb bod^ ben redeten Jlon nid^t treffen." ®ine ^auptjierbe 
ber Jleunion war eine auffattenb fd^öne grau au^ SBerlin, 
bie nur il^ren SRanten in^ grembenbud^ gefd^rieben l^atte, 
märd^enprittjeffinl^aft mirfte unb fel^r umfurt mürbe. 35en 
2:ag barauf frifeelte eine unbefannte ^anb ein einfad^e^ 
„grau Slegiftrator" t)or ben 5Wamen ber fd^önen grau, 
unb t)ier ©tunben fpäter, nad^bem fie gemeint unb ge= 
fd^impft l^atte, reifte fie mit il^rem ©atten ab. ©ie 
l^atte ganj ben Sl^arafter einer abgefegten gürfiengeliebten. 

3met ^age vox ber „Jleunion" l^atten mir 2;i^eater. 
$err ©jner fpielte bie Hauptrolle unb bemie^ mir mieber, 
bafe nid^t^ l^äufiger ift, afe eine mittlere 2:i^eaterbegabung. 
grau ©per (fel^r l^äbfd^e grau) fteHte in einem lebenben 
Silbe bie „©ermania". ©ie fal^ gerab' fo gut an^ mie 
gräulein be Sll^na, unb ba^ 33ilb mar, ate ob e^ Äarl 
Sedfer gefteHt l^ätte. Unb ba^ aUe^ in Ärumml^flbel! S)a 
mirb man befd^eiben. SEBie Hein finb oft bie Unterfd^iebe. 

SRimm au^ biefem ©epiauber fo oiel @ute^ S)u 
fannft, erl^ole 35id^ balb mieber unb empfiel^l un^ ber 
teuren grau 2lnna. 

2Bie immer Sein alter ajaöa. 



241) ÄrummHbel, b. 9. September 1885. 

aJiein lieber 2;i^eo. 
©eit über ad^t 2^agen fife' id^ nun mieber l^ier aU 
©ingleton ober ©olofreb^ unb merbe binnen ganj htrjem 



1885. 123 

nid^t Uo^ im grau ©d^teiberfd^en ^aufc (bo^ in ber 
©aifon eine ©inquattietung von 27 3Jiann, b. f). SDamen 
l^atte), fottbetn in ganj Ätumml^übel ber einjige ©ommct^ 
gaft fein, ©d^on jeftt ift biefer S^itel gewagt; benn felbft 
mutige fieute l^eijen bereite feit SBod^en, unb nur id^ aU 
„Le brave des braves" trofee ben ©lementen. Sei „Le 
brave des braves" ober 3ltr) ober ^erjog t)on ©Id^ingen 
ober Prince de Moskwa fcifft mir übrigen^ ein, ba§ id^ 
mit ^ilfe biefer franjöfifd^en aJlarfd^aDKenntni^, bie \a oud^ 
SD ein ©tedEenpferb ift, neulid^ einen erl^eblid^en S;riumpl^ 
gefeiert l^abe. 3d^ fül^rte grau t). Sülom, geb. ©bertp 
(©d^riftftellemame $an^ Slmolb) unb l^atte felbftoerftänblid^ 
bag SBebürfni^, mid^ irgenbwie ju legitimieren. 3)a^ 
•©efpräd^ fam auf SRapoleon, Spanien, ©oult, unb mit 
einem SKale war bie grage ba : ,,SBeld^en 2;itel l^atte bod^ 
©eneral ÄeHermann?" grau v. Sülom war nämlid^ im 
porigen Qal^re mit einer Oräfin fieffermann in 3Jieran 
jufammengewefen unb l^atte ben ^erjog^titel 'mal gel^ört, 
aber mieber t)ergeffen. Oott fei 35anf, id^ mu^te il^n unb 
gleid^ banad^ aud^ bie geograpl^ifd^e Sage be^ 5ßrutl^, fo 
ba§ id^ ber ganjen ©efeHfd^aft bie Äarte tjon ©übru^Ianb 
influpüe ajiolbau ufm. mit ber ©d^irmfpifee in ben ©anb 
jeid^nete. S)ie SBirfung mar groß, meil eine aud^ nur 
leiblid^e Äenntni^ auf biefem Oebiet nod^ t)iel feltener ift, 
ate ein leiblid^e^ Semanbertfein in ber Satinität, momit 
e^ übrigen^ aud^ erbärmlid^ ftel^t. 

$aft SDu SRotij von bem 5ßrofeffor ^aulfenfd^en Sud^e 
genommen ober in S)einer B^itit^S SluiSjüge barau^ ge^ 
lefen? gSauIfen, ^rofeffor ber ^l^ilofopl^ie, greunb 
oon Sajarujg unb SBinbel, ^at über ben SBIöbfinn unfrer 
©d^ulen ein munberüoHe^ 83ud^ gefd^rieben, ba^ auf meinen 
ewig geprebigten ©afe l^inau^Iäuft: orbentlid^ ober gar 
nid^t. 5Kan feiere enttoeber ganj jur Älofterf^ule jurüdE 



124 S^. Jfontant» IBriefe an f^nz iFamilie. 

itnb leiste nur Sotein unb ©ried^tfd^ ober Icl^rc e^ (mit 
äu^nal^Tne berer, bie ^l^iblogen werben wollen) gar nid^t. 
@g foftet mel 3^i^ ^^b Äraft unb nufet gor nid^tö. 
„^ai^ere Oeifte^bilbung, feinerer ©d^Iiff, flarere^ SDenfen, 
flaffifd^erer Slu^brud in SBort unb ©c^rift." Unb nun 
t)ergleid^e man bamit, mag ein Surd^fd^nitt^paftor, ein 
S)urd^f(^nittgboftor, ein Surd^fd^nittögerid^törat auf bem 
©ebiet beg ,,$öl^eren" leiftet. @g ift jum fiad^en. ©Ott 
fei 3)anf, ba§ eg tagt. 

©rgel^' eg S)ir gut. 2Bie immer SDein ^lux. 



242) Ärumm^übel, b. 11. September 1885. 

3Jieine liebe grau. 

3Rit ^eube fel^e id^ au^ 2)einen l^euf eingetroffenen 
3eilen, bafe SDu aug bem ©röbften l^erau^ bift unb mieber 
anfängft, an 3tk. SRidleb^ unb fogar an bie Äreujjeitung 
ju benfen. S)ie nad^fte SBod^e bleibe id^ nun mo|l nod^, 
aber bann ift e^ genug. Qd^ glaube, bie fieute märten 
nun aud^ fd^on, ba§ man t)erfd^minbet. 5Wid^t unfre gute 
^au ©d^reiber, aber bie anbem feigen einen an, ate 
mollten fie fagen: „®ott, ift ber immer nod^ l^ier? SBa^ 
miH er nur? @r fpioniert l^ier mol^l 'rum." 3loä) vm^ 
jel^n 2;age, unb e^ gel^t mir mie S^rojan, bem bie fieute 
fd^lie^lid^ verlegen, aber bod^ runb l^eraug erflärten: 
,,^ören ©ie, mir mären nun 'mal gern mieber allein." 

SDag aSetter ift burd^auiS nid^t fd^ön, unb ber ©ep= 
tember bleibt meit l^inter feiner ^Reputation jurüdf; e^ 
mirb nun aud^ t)or'm Slquinoftium faum beffer merben. 
3lad^ airuigborf ju gel^n, ift faum möglid^: ber 2Beg aufs 
gemeid^t unb 3legen entmeber im Slnjug ober fd^on ba. 
Sa müfete benn bod^ ber getod^te ©d^infen nod^ fd^öner 



1885. 125 

obet bag ©ted^augenpaar be^ l^übfd^cn SJtcnfhnäbd^etrö no^ 
iettpctlenl^aftcr fein. 

©eficm nachmittag war xä) bei ©d^.^. ©ie toaren 
lieb uttb gut xoxt immer, aber er ^at in feiner Satinitat 
jumeilen etmag gerabeju SSerrannte«. ©o fagte er j. 33.: 
„©d^on im ßomeliu^ Slepo^, üon bem ©ie gel^ört l^aben 
werben ufm.'' 3la, ba^ ifi bod^ toll. @r fann annel^men, 
ba§ id^ il^n nid^t gelefen l^abe, bag miH id^ il^m nid^t 
verübeln. 3lber ba§ er nid^t 'mal ganj pd^er ift, ob id^ 
aud^ t)on Someliug 9lepo^ je 'ma^ gel^ört l^abe, ba^ 
gel^t bod^ über bie ^utfc^nur. SDann fenne id^ aud^ bie 
jel^n ®tboU nid^t, blofe- meil id^ nie l^ebräifd^ getrieben 
l^abe. 9latürlid^ nel^me id^ biefem guten unb Iieben2s= 
mürbigen 3Ranne bergleid^en nid^t emfil^aft übel, f o bämlid^ 
bin id^ nic^t; eg jeigt aber bod^ feinerfeit^ eine grenjenlofe 
93efd^ranftl^eit unb — ©ingenommenl^eit. 

a)u fd^reibfl t)on ,,9flul^eIojiigfeit''. SDa mugt SDu auf 
3)id^ ad^ten. 2)ergleid^en fann man au^bilben, unb bann 
entfielen bie lieblid^en ^auengeflalten, bie bie ganje 5Rad^t 
uml^erfd^Iurren unb in alle ÄSften gudfen. 

®rü§e aUerfeit^. SBie immer Sein alter 2;b. % 



243) Ärumm^übel, b. 12. ©eptember 1885. 

3Jieine liebe ^au. 

SDag SBetier ifl nad^ mie vox toll, aber mir nid^t un^ 
angenel^m; überl^aupt ift mir jebe^ SBetter rec^t, menn 
nur feine 3JiaIaria l^errfd^t. Unb baoor bin id^ l^ier fidler. 

^eut' l^atte id^ eine lange Unterl^altung mit grau 
©d^reiber über SWild^, Äüd^e, SBirtfd^aft ufm., bie mid^ 
einerfeitg in bie Slatürlid^feiten, anberfeitiS in bie ©orgen 
unb aSerlegenl^eiten einer folc^en Meinen SBiel^mirtfd^aft 
einmeil^te. ©c^on um 8 Ul^r l^atte id^ ben alten ©d^reiber 



126 S^. J^otAmt» iBttefe an fehte JfwaAüt. 

mit einer Äul^ am @tri(f abjiel^en fel^n. 3d^ badete, nun 
ift bie aJiild^jeit um, er mirb fie mol^l an einen ©d^Iäd^tet 
rerfaufen motten. SDie^ fül^rte eine ©tunbe fpätet ju 
folgenbet Äonrerfation: 

S^: „aSBo ging benn bie Äul^ l^in?" 

grau ©d^reiber: „SDie ging jum Sutten." 

Sd^: „aSD^in?" 

grau ©d^r.: „S^m Süden." 

3d^ : ©0, ]o. — 3d^ badete, ba8 märe jum grül^ial^r. 
(3d^ l^ötte ebenfogut fagen fönnen „ju 3Beil^nad^ten".) 

grau ©d^r.: 3ein, nein. S)a8 ifi öfter. S)ag 
ift immer." 

S)a^ lefetere l^alte id^ nid^t für rid^tig, ba mir mein 
alter 5papa 'mal in feiner l^umorifüfd^en SBeife fagte : 
„^ci, fiel^ mein ©ol^n, bag ift ba« aJierfmürbige : bie 2:iere 
finb an beftimmte Reiten gebunben, nur nid^t ber 5Wenfd^, 
unb id^ meife nid^t, ob id^ e« afe einen SSorjug ober 
SRad^teil anfeilen foff." SDanad^ l^at grau ©d^reiber unred^t. 
3luf eine weitere ©rörterung moffte id^ mid^ aber ni^t 
einlaffen. Übrigen« erful^ id^ bei ber ©elegenl^eit aud^ 
nod^, ba§ fie mit ber anbem Ruf) Unglüd gel^abt l^ätten; 
fie l^abe fel^r gut 3KiId^ gegeben, fei aber immer magerer 
geworben unb au^erbem aud^ unbequem gemefen burd^ 
il^re großen „©eftänfe". S)a l^ätten fie fie benn rerfaufi 
mit über 20 ^aler SBerluft, unb ba l^abe fid^'« beim 
©d^Iad^ten gejeigt, baß fie einen großen ©pannnagel mit 
'runtergefd^Iudt unb baburd^ ein Soc^ im SKagen ober in 
ben @ingemeiben gel^abt l^abe. SBie Hug finb bod^ aud^ 
barin bie Qfuben, bie nur propre« gleifd^ effen, ol^ne 
©pannnagel unb ol^ne ©efiSnfe. aJieine Äenntni« be« 
2^ierleben« l^at fid^ l^ier fel^r erweitert unb mir mieber bie 
SSerroanbtfd^oft alle« 3*Mfd^en, ben 5Wenfd^en mit ein^ 
gefd^Ioffen, gejeigt. 



1885. 127 

©cjiem nad^mittag bcfud^tc mtd^ no^ %tan SR., um 
S)tr unb mir wegen bet 3lutograpl^en ju banfen. 3lm 
toertoollften xoax xf)x ber 33rief von @torm, für beffen 
©ad^en fie fd^tDörmt. 3lat&xlx^. @g pa^t tool^I vitki 
JU il&rem eignen Seben. Aquis submersus ift il^r bag 
Siebfte. 

2;aufenb ©rüfee. S)ein ^j^ « 



244) Ätumml^übel, b. 13. ©eptember 1885. 

aJieine liebe grau. 

33eften S)anf für SDeinen Srief vom ©onnabenb, ben 
SDu in befonberg guter ©timmung gefd^rieben l^aben mufet, 
fo beifpiefetDeife 3Keten^ ©arberobe unb bag aJiantellieb. 
5Bon ©eneral Saeper^ Xoh l^atte id^ aud^ fd^on in ber 
aSoffin gelefen; e^ ift bod^ ein fraglid^e^ ®lüdf, fo alt 
JU werben, namentlid^ wenn vxan ganj überl^olt ift unb 
bod^ immer nod^ ben 3lnfprud^ erl^ebt, mitraten unb taten 
JU wollen. 33ei Seopolb v. SRanfe allerbing^ gel^t eg ; ber 
fd^reibt ftill unb großartig feine Sudler. 

©eftem abenb l^abe id^ angefangen, bie ißeimfd^e 
33iograpl^ie ju lefen. SBerf affer: ®el^. Dberfinanjrat 
Äe^ler (1835). SBer fennt il^n? Unb bod^ mußte id^ 
mir im Sefen fagen: „^a, fo wie SDein^ ift e^ am ©nbe 
aud^." @^ ift bieg eine fel^r wid^tige ©ad^e; bamit l^ängt 
eg nämlid^ jufammen, baß jeber gebilbete 3Kenfd^ fagt: 
„©Ott, ©d^riftfieller fann id^ jeben 2:ag werben." Unb 
eg ift nid^t ganj unrid^tig. dt. lag mir geftem ein Ileineg, 
an bie SB. gerid^teteg ©elegenl^eitggebid^t oor. ©g war 
ganj nett unb nid^t oiel fd^Ied^ter, ate id^ eg mad^e. 3Kan 
ift nod^ lange nid^t befd^eiben genug unb fann über ben 
Äunftbetrieb, wenn man nid^t ©oetl^e l^eißt, ober wie 
3. aSolff 45000 SWiarf auf einem »rette auggejal^It 



128 S^. jfoxtiaat» iBriefe an feine iFotnUie. 

friegt, ntd^t Kein genug benfen. Qd^ würbe, wenn id^ eg 
lönnte, e^ morgen aufgeben unb nur nod^ fpajieren gel^n, 
plaubem unb 3^it^^9 ^^f^^- 

3(3^ freue mid^, ba§ SDu vox^a% SDid^ nun lieber 
unter 5Wenfd^en ju begeben; fd^reibe mir nur ein bifed^en 
barüber. aSog S)u über bie Quben fd^reibfl, ift rti^tig; 
man muß aber bod^ fel^r aufpaffen unb niele^, roa^ nid^t 
fel^r nett tfl, mit in ben ßauf nel^men. 2lber freilid^, n)o 
müfete man ha^ nid^t? Unb in bejug auf einen felbfi 
tt)irb e^ voof)l ebenfo liegen. 

3Bie immer S)ein ^^^ « 



245) Ärum mpb el, b. 16. September 1885. 

aJieine liebe grau. 

Sejien SDanf für SDeinen au^fül^rlid^en 33rief. ©el^r 
amüfiert l^at mid^ ^ante 3.; alle^ ifl fo t)ott von bon sens, 
unb votnn fie ju unfern Äinbem fagt: ,,Dl^ne @ure 5Wutter 
mar' e^ nifd^t mit @ud^", fo l^at fie ganj red^t. SDie 
aSäter fönnen fid^ überl^aupt begraben laffen, unb ift ba^ 
©pejialejemplar gar nod^ ein Äünftler ober S)id^ter, nun, 
bann erft red^t. 3lu^nal^men gibt e§ freilid^; aber biefe 
aSäter, bie bann fojufagen ba^ ©rjiel^en friegen, finb 
immer (Srjiel^ung^fünftler, unb roa^ bie leiflen, fielet nod^ 
unter gar feiner ©rjiel^ung. 

S)ie ißifee ifl foloffal, aber fomie man eine fd^attige 
©teile flnbet, ift e^ l^errlid^. ißßute frül^ ging id6 nid^t 
nad^ bem 3BaIbl^au^, fonbem ftieg, um bie lange, fonnige 
(Strafe ju nermeiben, beim Äretfd^am l^inunter unb 
marfd^ierte bi^ an ben SKeljergnmb, an beffen Eingang 
id^ faft eine ©tunbe fafe. 3lnno 72 mar ba^ mein ^ami)U 
fpajiergang unb im übrigen aud^ nod^ bie ©teile, mo id^ 
ba^ @inleitung^gebid^t ju meinem Sanbe ^^fianellanb" 



1885. 129 

fd^tieb. Sd^ fomme barauf, weil Seigrer 2. neulid^ eine 
©teile barau^ jitterte unb babei blieb: „3a, bo« ift t)Ott 
Ql^nen", aud^, afe id^ e^ beftritt. 3^^fe^ f^^^^ i^ ^^^ 
jure(^t; er ^atte e^ nämlid^ fo jitiert, afe ob e^ ein 
©ebid^tanfang roäre, tDäl^renb e^ eine mitten l^erau^^ 
genommene ©teile ift. 3a, bag finb nun 13 3al^te. 2Bag 
ift nad^ aUxmal^ 13 ^al^ren? 5Run, bie ©ebid^tftelle 
mxh too^ nod^ * ejiftieren unb um SRauen unb fjriefadf 
l^erum aud^ ba§ ©ebid^t felbft. 3lber „ber SBater t)on^ 
Sanje"!*) 

©eftem obenb l^atte id^ ein längere^ ©efpräd^ mit 
grau X. unb il^rer SRid^te, bem fogenannten „©erapl^im". 
aSir famen u. a. aud^ auf grau t). S. unb bie 3lrt il^re^ 
2^alentg. 3^^fe^/ nad^bem mir oiele ©efd^id^td^en mitgeteilt 
unb ein paar Sänbe baoon (auf meinen 3Bunfd^) in 
aiu^fid^t gefteHt maren, mu^te id^ mein oorläufigeg Urteil 
bod^ bal^in abgeben: ,,3a, bag ift eine gefäl^rlid^e gorm ber 
^Probuftion. Sad^t man, fo ift e^ l^immlifd^; lad^t man 
nid^t, fo ift e^ gar nid^t^." Übrigen^ erful^r id^ bei ber 
©elegenl^eit unb fojufagen ate ©eitenftüdf ju bem, ma^ 
id^ bei @per^ in bejug auf bie ißeimburg erleben mußte, 
baß grau v. 33. bereite ein ganje^ 3lrd^it) von ißulbigung^s 
3ufd^riften angelegt l^at, in benen il^r t)on äffen ©orten 
von aWenfd^en bie t)erbinblid^ften ©ad^en gefagt merben. 
Unb nun t)ergleid^e bamit mein mel^r ate 40 Saläre um^ 
faffenbeg literarifd^e^ ßeben. 3Benn id^ alle^ jufammen^ 
jäl^Ien mollte, mag mir t)on S)anfegbriefen jugegangen 
ift, famen bod^ nod^ nid^t 100 l^erau^ (alfo jäl^rlid^ jmei) 
unb „begeifterte" nid^t jel^n. Unb babei bin id^ bod^ ein 
mirflid^eg ©tüdf S)id^ter unb gelte aud^ bafür. S)ag 33efte 



*) gfontonc ift am 20. ^epitmhtx 1898, olfo 13 Sollte unb 
4 Sage nad^ btcfcm SBticfc gcpötbcn- 

Xl^. BfotitaneS Sriefeanfeinegfamtlie. II. 9 



130 S^. Jfoxdaxm iBttefe m f^xtt JfawXdt. 

ifl, man benft gor nid^t barübet nad^ unb Ia§t e^ 
laufen. 

SBie immer S)eitt gjjj^^ 



246) Ärummpbel, b. 17. (September 1885. 

5Weine liebe grau. 

SDa^ ifl nun ber le^te Srief. SRatürlid^ graule id^ 
mid^ vox ber Sieife (von 12 bi^ 1 Ul^r gerabe in Äol^Ifurt!) 
unb t)or 33erlin mit feinem Sarm, feinen 3Kenfd^en unb 
feiner 5WaIaria erft red^t; aber „t^ mufe gefd^ieben fein", 
von allem unb natürlid^ aud^ 'mal von Ärumml^übel. 
Unb l^ier märe id^ benn glüdflid^ mieber bei ber ©enti^ 
mentalität angelangt. @g ift aber nid^t (Sentimentalität; 
eine freunblid^ mel^mütige, l^alb l^umoriftifd^ gefärbte Siefig^ 
nation ifi bod^ nod^ 'mag anbre^. 2Benn 3)u übrigen^ 
mit einem 5WaIe fo tapfer unb fo frägel gemorben bifl, 
fann id^ S)ir nur gratulieren, ßtmag l^elfen fold^e SBor^ 
fäfte mirflid^*, unb fud^ji man fid^ in erträglid^en Bitten 
barauf ein, fo ift man, xomn*^ bann emftl^after lommt, in 
guter Übung unb ©emol^nl^eit. 

3Worgeng unb abenb^ fifee id^ jefet auf ber 33anf am 
SKeljergrunb unb »erträume glüdflid^e (Stunben. ©efiem 
abenb l^atte id^ mid^ mit S^ititng, i^eim unb ißolteig @e^ 
bid^ten bemaffnet. 3^ begann mit ben lefeteren unb mar 
mieber betroffen non bem großen 2:alent. Silier ift bloß 
l^ingemorfen unb be^l^alb oft unfertig big jur Unner^^ 
Pänblid^feit; ba aber, mo'g runb 'rauggefommen ift, ifleg 
entjürfenb. SDag ©elegenl^eitlid^e ift bag Sefte. ©nige 
40 ©ebid^te rid^ten fid^ an Suife SRoger, feine erfte %xan, 
alle unmittelbar nad^ bem 2;obe berfelben gefd^rieben. 3d^ 
entfinne mid^ aud^ aug bem 3lnfang ber 30 er Qfal^re l^er, 
baß $oItei megen biefeg aWaffenfd^merjeg angegriffen unb 



1885. 131 

tibtfilliftert würbe ; trofebem finb einige biefer ©ad^eti gonj 
rorjüglid^ unb rührten mid^. 

S)ie ißifee ift l^eute fo foloffal, bafe mir bie arme grau 
©d^reiber fagte, toenn man auf bem gelbe fei, fürd^te man 
beftanbig, ben ©onnenftid^ ju friegen. 3to^ toller ift eg 
oben auf bem Äamm. Unb bod^ fteigen Unermüblid^e 
l^inauf. 

©rufe unb Äufe. SDein ^t »^ 



247) »erlin, b. 16. SRorember 1885. 

aWein lieber griebel. 

©eit SDeiner 3lbreife l^aft SDu nid^tö t)on un^ gel^ört. 
S)ag gefi am 3. rerlief fel^r l^übfd^, unb xoa^ über junge 
ÄDloniefd^önl^eiten in ber 3^itw^9 geftanben f)at, roai 
leine Übertreibung*). Sei S^ifd^e — an ber 336ringuier^ 
tafel — l^atten mir relatit) gute ^piSfte. 3Bir plauberten 
ganj angenel^m, unb ^l^eo fpenbierte jum ©d^Iufe eine 
piffeine glafd^e öod^l^eimer. $RatürIid^ ft^merfte er fo mie 
ber 33rauneberger, ben mir rorl^er getrunfen l^atten ; aber 
ber 3lamt unb ber 5prei§ finb bo^ ©ntfd^eibenbe, unb fo 
l^atten mir benn ba^ ©efül^I eine^ großen 3Koment^. 
9?ad^ 2:ifd^ ging id^; aJiama blieb mit ©eorge unb X^eo, 
bie bann nod^ big in bie l^albe SRad^t l^inein getanjt unb 
ftd^ red^t gut amüftert l^aben. 

„Unterm Simbaum" ift nun erf d^ienen ; igonorarunb 
20 ejemplare (barunter fogor 10 gebunbene) finb in 
meinen ißfinben unb man fielet, e^ gel^t affe^ prompt unb 
flinf. aWöd^te aud^ ber SBerfauf flinf gel^n, aber e^ mirb 



*) ®tc fwnaöfifd^c Äolonic l^attc t^r 200id^rtgc8 f&tftt^tn 
gefeiert. 

9* 



132 S^* ^Fontanes iBriefe an fehte ^avMt. 

voof)l ntd^t bcr %aU fein, unb bann fd^winbet bic lefetc 
Hoffnung. 3Kad^t mid^ übrigen^ nid^t unglüdHid^. 
2Bte immer S)ctn alter ajaoa. 



248) Serlin, b. 11. SDejember 1885. 

aJiein lieber fjriebel. 
$abe S)anf für S)eine freunblid^en, mid^ fel^r inters= 
effierenben aWitteilungen über ben ©rotefd^en SBerlag unb 
feine 3Beil^nad^tönot)itäten. ^d^ fürd^te nur, bafe fid^ ba^ alte 
Sieb mieberl^olen unb alle^ gelten mirb, nur meine $Rot)eIIe 
nid^t. 3d^ mu§ mid^ brin finben. ®ott l^at mir ein Talent 
gegeben, bafür muß id^ banfbar fein; ©rfolg l^at er mir 
nid^t gegeben unb barüber barf id^ nid^t murren. Qebem 
fel^It etma^ unb mir nun gerabe ba^. 3d^ bin rerftanbig 
genug, e^ nid^t für eine ißauptfad^e ju l^alten; rietet anbre 
ift mid^tiger. 3!tlexm ©d^idfale nad^ biefer Seite l^in l^aben 
etma^ gerabeju Äomifd^e^, unb e§ bleibt immer ba^felbe. 
©0 l^abe id^ jefet ein langet ©ebid^t }u SKenjefe ©eburt^tag 
gemad^t, ber am 8. SDejember gefeiert mürbe. 3d^ er^ 
martete, SKenjel mürbe mir fd^reiben: „Sieber greunb, 
aUe^ mar fel^r fd^ön, aber Ql^re ^ulbigung mar ba^ 
©d^önfte." aSa^ ift nun gefd^el^n? 30Ie^ l^at mir ge== 
l^ulbigt, ber Äronprinj, ber ganje 3KenjeIfd^e greunbe^^ 
frei§, petfd^, Slnton t). 2Bemer ufm. unb brei, t)ier 
3eitungen (üielleid^t nod^ mel^r) l^aben ba^ ©ebid^t, trofe 
feiner Sänge, au^ ber 5Boffin abgebrudft. 3?ur von SKenjefe 
©eite l^er l^abe id^ in biefen t)ier S^agen nod^ fein SBort 
gel^ört; er unb bie ©einen l^aben e§ rermutlid^ n^d^ nid^t 
gelefen. @g ift ba^ aud^ nid^t ju rermunbern, fo groß 
maren il^re 3lnfirengungen ; aber e^ mürbe melleid^t boc^ 
anber^ liegen, menn bieg ©ebid^t von einem anbem ge^^ 
fd^rieben märe. 33ei mir ift e^ von roml^erein ©d^idffafe^ 



1885. 133 

befd^Iu^, bafe i^ einen totalen 3lbfaII erleben mu§. 3nt 
©ontmer xoax e^ mit meinem langen Si^mordgebid^t bie= 
felbe ©efd^id^te. ®ax feine 2lntmort. SRun, e^ mufe aud^ 
fo gelten. 3m übrigen gel^t l^ier affeg ganj leiblid^ ; aJiama 
tfi munter, ©eorge glüdlid^ in feiner neuen ^auptmann^ 
fd^aft unb aud^ mir fel^It nid^t^. 33Iofe ju falt ift e§ mir, 
voa^ mid^ am ©pajierengel^en oerl^inbert. SReuerbing^ 
l^abe id^ mieber mit Äröner forrefponbiert, meil id^ bie 
S^orelle, bie er münfd^t, vox SReujal^r 1887 (ftatt ©ommer 
1886) nid^t abliefern fann. S)er SBerfel^r mit il^m ift 
l^öd^ft angenel^m; immer perfefter ©entleman in ©efinnung 
unb g^rm. 5Bon biefem ©d^maben fönnten unfere 33er^ 
liner vkl lernen, bie alle mel^r ober weniger fonberbar 
finb, entmeber großmäulig ober benglig ober pfiffig ober 
rüpiig ober gar mit ©elel^rfamfeit^allüren. S)a^ finb bie 
fd^Iimmften. 

Unb nun abieu. S)ein alter 3^cma. 



249) »erlin, b. 22. SDejember 1885. 

aJiein lieber, alter ^ebel. 
S)u foffft bod^ menigften^ einen ©rufe jum $eilig= 
abenb oon mir erl^alten. S3ei 2^age mirb e^ mol^I nod^ oiel 
für S)id^ ju tun geben, aber am 3lbenb mirb fid^ l^offentlid^ 
ein Säumd^en finben, an beffen Sid^terglanj S)u teilnel^men, 
unb ein ^Pfefferfud^en, ben SDu auf fein näl^ere^ ober entfern^ 
tere^ SBerl^ältni^ ju ^ilbebranbt prüfen fannft. 3d^ münfd^e 
S)ir red^t frol^e ©tunben, bie SDid^ ba^ g^mfein oon ^aufe 
oergeffen laffen. Seiber ift ©d^Iarfermetter, fo bafe S)u 
ber ©ii^freuben mäl^renb ber geiertage oerluftig gel^ft. 
ißier ift alle§ leiblid^ bei 3Bege, mit 3lu^nal^me oon mir 
felbft ; ©tubenluft fann id^ nun' mal nid^t oertragen, unb 
auf einer 2:iergartenbanf läfet eg fid^ jefet nid^t fifeen unb 



134 S^. Jfotdmtsi Briefe an feine JfavMt. 

träumen. Qd^ l^ätte 33remfer ober SDrofd^fenfutfd^er werben 
muffen, ba ftünb' e§ beffer mit meinen SReroen. 3?un, eg 
mu§ aud^ fo gel^n. ©ie SSoffin brad^te l^eute frül^ eine 
rorjäglid^e 33efpred^ung meinet „33imbaum" t)Dn S. ^p., 
bie freili^i auf ben 3lbfa| feinen ©inffufe l^oben mirb* 
2Bie immer S)ein alter ajopa. 



250) Serlin, b. 26. SDejember 1885. 

aWeine liebe 3Kete. 
Smifd^en unfrer erften 5Bifite bei SR ob er t^*) (mirflid^ 
au^ ber SRormanbie) unb unferm SDiner bei ©d^merin^S 
(mirÄid^ au^ ^ßofen) liegt nod^ eine l^albe ©tunbe, bie id^ 
ju ein paar 3^^^^^^ ^^ S)id^ benüfeen miff. Über S)eine 
brei Sriefe: an 3Kama, an ©eorge unb bie 33raut l^errfd^t 
l^ier greube unb Semunberung, meld^er lefeteren 3Kama 
in einem ^oftffriptum nod^ eigene 3lu^brud geben mirb. 
SDiefe (aJiama) ift mir überl^aupt rül^renb in il^rer bei 
biefer ©elegenl^eit mieber l^eil jutage tretenben großen 
Siebe ju ©ir; fie fprid^t mel^r von S)ir, ate t)on bem 
Brautpaar, fo glüdflid^ fie über ba^felbe ift. ©u fd^reibft 
von „fommen ju meinem ©eburt^tage" ; gemife märe e^ 
un^ allen eine große greube, SDid^ mieberjufel^n, aber e^ 
ift bod^ beffer, S)u fommft nid^t, unb man läßt gegenfeitig 
„bie Slbmefenben" leben. S)enn fo glüdlid^ unb banfbar 
mir finb, fo oerbraud^t finb mir bod^ aud^, unb ftunbenlang 
finb mir in einer 5Berfaffung, mo un^ felbft bie Äraft 
jur greube fel^lt unb bie grage: Bräutpaar, 3lu^fteuer, 
^od^jeit neben bem 3Bunfd^e nad^ SRul^e oerfd^minbet. 
©eftem mar un^ fo, baß mir gefellfd^aftli(^ bie %lxntt 



*)3«fH3tat 9loBcrt unb gftau, mit bcrcn Xod^tcr SRattl^a 
ftd^ gfontaneS &ltefter ©ol^n, $au:f tmann &tox^t gf. t>txUhi l^atte. 



1885. 135 

in^ Äom werfen tDofften: 3Jlama weinte t)or ©rfd^öpfung, 
unb id^ badete emftl^aft an bte 2ttftammung ber diohtxtö 
t)on Siobett le S){able. 

2Ba^ ben ©elbpunft angelet, fo wiegelt ber @d^wiegers= 
t)ater beftanbig ab, wobei i(^ immer ein urbummeg ©efid^t 
mad^e, weil mir, fobalb nur bie 3KögIid^feit anftanbigen 
Seben^ ba ift, bie berül^mte grage: ,,wie t)iel SRuHen'' 
ganj gleid^gültig ift. 33einal^' barf ic^ fagen, ba§ id^ 
Heinere S^¥^^ t)orjiel^e; bie biblifd^en ©prüd^e, bie biefe 
grage bel^anbeln, ftnb bod^ rid^tig. Übrigen^ liegt bie 
©ad^e fo, bafe ®. (wenn er 2:urM l^at, aber er wirb wol^l 
nid^t) einen loloffalen 33afeen von jwei finberlofen Dnfete, 
bie natürlid^ nid^t gontane l^eifeen, erben fann. (Sauge 
vorläufig an biefer ©üPotjftange. Spante 3lnna^ SBer^d^en : 
„5Weine liebe SKartl^e, warte, warte, warte, S)u friegft 
nod^ einen 3Kann ufw." I^at mid^ fej^r gerül^rt; id^ finbe 
e^ fo lieben^würbig, unb jwifd^en ben S^^^^ f dalägt fx> 
t)iel fierj. 

aaen aßitte^ ^erälid^fte ©rüfee. SRad^träglid^ fäfft mir 
nod^ ein: beibe Stöberte fpred^en beftanbig au^, weld^eiJ 
rafenbe ®IüdE il^nen unb il^rer Xo^ttx juteil geworben 
fei. S)u fannft S)ir benfen, wir mir babei wirb. 3mmer 
mufe id^ an ben ÄeffelffidEer benfen, ber afe „rerwunfd^ener 
5ßrinj" bie ^ulbigungen feiner igofd^argen in ©mpfang 
nimmt unb vox ber berül^mten ^xa^e fielet: „flnb bie 
TjerrüdEt ober id^?" 

®rgel^' e§ SDir gut. ©erjlid^e ©rüfee aud^ bem lieben 
5Wengelfd^en 5paar. 3Bie immer SDein alter «ßapa. 



136 (K^* JfoxAantsi iBriefe m feine iFatttUie« 

Uritft a]i0 )ira h^m 1886-1888. 

3n bie Salute 1886—1888 fattcn aU für bag ßcBcn bcr gfamUtc 
gfontancS toid^tiöc (Stcigniffc: bic SBetl^ctrotung feiner belben ältefien 
©öl^nc, bie ©ebuxt feineS erften (&nUU unb ber Xob feineä @ol^nc8 
(George. S3on feinen Ittemtifd^en arbeiten iputben in biefem 3^i^' 
abfd^nitt tjottenbet nnb tjcröffentlid^t: bie 3lot)tUt »6^ eile", bct 
fRoman i^Sttnngen SQBitrunöcn*, bie StapiUl Qut|öwel unb 
^piaue au8 »Sfünf ©d^Uffer" fotoie bie SRel^raol^l ber fpäter in 
bem fSuä^t irS^on, bot unb nad^ bec Steife' ^ufammengefleEten 
Ueinecen Scadl^Iungen. »Ouitt' ipurbe im »efentlid^en beenbigt, 
bie 9h)t)eae »©tine' ipiebec in SCngnff genommen. ^IS ein neueS 
aOÖer« entflonb in ben legten ^ülonaten be8 3al^te3 1887 hk crfle 
9lieberfd^uft be8 SlomaneS ,,Untoicbei:bringIid^*. 



251) »erlitt, b. 15. 3Karj 1886. 

aWeitt lieber %f)Zo. 

3Bir finb l^erjlid^ erfreut, baß SDid^ ©eorge^ Sorbeeren 
nid^t l^aben rul^en laffen*). Vivat Sequens! S)iefer 
Sequens bift aber t)DrIäufig SDu, tiid^t griebel. Slbgeneigt 
n)äre er todI^I aud^ nid^t, unb afe ©^fönig i)at er 3lnfpräd^e. 

S)eine 33raut, glücflid^erroeife aud^ eine Tlaxt^a, l^at 
ein liebet, guteg ©efid^t. ©ie frül^ere SDeßination S)einer 
©efül^Ie nad^ ber femitifd^en ©eite l^in, fo begreiflid^ fte 
mir war, xoax bod^ nid^t ba§ SRid^tige. 35a§ Slid^tige ift: 
SBerbleib innerl^alb ber eignen ©pl^äre, biefelbe SRationalität, 
biefelbe Sieligion, biefelbe Seben^ftellung. Sßur au^ biefer 
®kxä)\)tit ergibt fid^ aud^ bie (Sleid^l^eit ber Slnfd^auungen, 
bie Übereinftimmung in ben entfd^eibenben SDingen, ol^ne 



*) Fontanes atoeitet ©o^n, X^eobor, hamaU Snienbantut* 
Slffeffot in SJlünfler, l^atte fid^ mit ber S^od^tet beS bortigen Ober« 
t)oftbite!torg ©olbmann tierlobt. 



1886. 137 

bic fein ted^te^ ®IM unb feine redete f^teube niöglt($ ift. 
aJiott mufe fid^ rerflel^en. SDie^ oft befpöttelte aSott ift ein 
SBei^l^eit^TDOtt. Über ein biJBd^en Äatl^oliji^ntug (n)ien)ol^l 
id^ oud^ ba bei „beffet ift beffet" bleibe) wette l^injufommen. 
3d^ mad^e biefe 33emerfttng, weil id^ an dm fatl^olifd^e 
aÄdglid^feit benfe. 

©eniefee ba§ ®IM biefer %a%t t)offfontmen, gtüfee 
S)eine Staut unb empfiel^I mid^ beut J^od^retel^tten fd^toieget^ 
eltetUd^en ^aufe auf^ angelegentlic^jie. 

aSie intttiet S)ein altet m 



252) SBetUn, b. 20. Slptil 1886. 

aJiein liebet Xf)to. 

©eit 2:agen begleitet mid^ ba^ ©efül^I, bafe e^ bod^ 
vi)oi)l an bet 3^it f^V '^^ hiebet 'xoa^ von mit l^öten 
ju laffen obet SDit toenigften^ einen ©tufe ju fd^iden. 
S)iefet aJial^netftimme wirb nun gel^otd^t. SRec^t *roa2 ju 
fagen, ift nid^t, toofüt man au fond ju banfen l^at; benn 
ma^ futd^tbat pteffiett, ift feiten 'ma§ ®ute§. S)eine 
aSetlobung, bie ein 2^elegtamm bebingte, mat entfd^ieben 
ein 3lu^nal^mefall. 

aSit tteten bem 3lnfd^eine nad^ in jiemlid^ tul^ige 
Dfletn ein. SDie lefete SBoi^e t)etlief bafüt uetl^altni^mäfeig 
untul^ig: am SRittmod^ „2:imanbra", S^rauerfpiel von 
©raf ©d^ad, am SDonnet^tag gtofeeg ©inet im Äaifetl^of, 
ba^ SKenjel feinen gteunben in ©tmibetung auf ben 
8. SDejembet gab, avx (Sonntag gtau ®.^ ©ebutt^tag mit 
gtofeem ©ouper — ba^ ift füt vxtxm Ätäfte ein bifed^en 
ju uiel. ©d^adf^ 2;tagöbie mat mol^l nut angenommen, 
meil et feine betül^mte „©aletie", fei e^ bet ©tabt Setiin, 
fei e^ bem Äaifet in ^ßetfon, afe ©efd^enf übetmad^t l^at; 
ein ©efd^enf, beffen ^atfäd^lid^feit nut befttitten mitb, um 



138 Str* J^oxdaxm iBriefe an f^at Jfavaält. 

xi)m feine aWünd^ner ©tellung nid^t ju üerberben. SDaiJ 
aJiettjetS){tter p(^ft intereffant; er felbft Dtafell^aftet benn 
je in feinen äu^Iaffungen — S)elpl^ifabett. 3d^ felbft tarn 
ju einer 3lnnäl^erung an aSBilbenbrüd^. ©Duper bei @.^ 
nid^t aufregenb. 

3n jroei, brei 2;agen voith nun griebel afe fierolb 
ber gantilie in3Wünfter eintreffen, ^d^ möd^te ü^n feigen; 
er ift fid^ ber 33ebeutung ber ©ad^e nDÜfornmen betonet, 
ba^ ift ha^ ©d^öne unb ba^ ißeitere von ber ©ad^e. 
©rüfee ben guten Äerl red^t l^erjli(^ von mir, be^gleid^en 
unb in erfter SReil^e SDeine 33raut. Ql^re unb S)eine ge^^ 
meinf d^aftlid^e ^l^otograpl^ie l^at m i r übrigen^ f el^r gefallen ; 
©u fiel^ft nid^t au^ wie ein Beau aug 2Bad^^ im grifeur^ 
Iaben^©d^aufenfter, aber gerabe ba^ ifl gut. SDa§ 2:offfte, 
xoa^ eg gibt, ift ein Beau. ,,Sauter tote gläd^en", 
fagt aWenjel. 

Unb nun l^abe mit ben bortigen S)einen ein frol^e^ geft. 

aOBie immer SDein alter ^ava. 



253) 33 erlin, b. 14. SRai 1886. 

aJiein lieber, alter %^to. 
SSerfd^iebene^ liegt nor, worüber i^ ein 3Bort fagen 
möd^te, b. ^. 9iette^ unb greunblid^e^. 3itnäd^ft bie 
5polterabenb=S)id^terei. Äein SKenfd^ benft boran, SDir au^ 
ber SBerftopfung ober minbeften^ 9iid^tl^al^nöffnung SDeiner 
faftalifd^en Seitung einen SBormurf ju mad^en. ©elbft 
menn ^u ebenfo oiel 3^it i^ötteft, wie S)u menig l^aft, 
fann man fold^e ber ^ö(^ften ^laderei gleid^fommenben 
Siebe^bienfte nur fel^r au^nal^m^meife unb fel^r fparlid^ 
oon einem aJienfd^en verlangen. Qd^ l^abe felbft* jeitleben« 
fo furd^tbar unter fold^en gorberungen gelitten, bog id^ 
auf ber ©eite jebe« ftel^e, ber fo mir nid^t^ bir nid^t« jum 



1886. 139 

Dpfcr au^erfel^cn roerbcn foH. 3lIIc 3BcIt f)ält „bid^tcn" 
für langroeiligc Duatfd^erci unb mcl^r ober rocnigcr uti^ 
gel^örigc Scfd^äftigung, bie man nur Äinbcm unb Smbccilc^ 
v^^^if)t, unb bod^ verlangt ieber Sourgeoi^, ^l^iliftcr unb 
©taatöl^ämorrl^otbariu^ feinen SBer^, toenn'^ ü^m gerabe 
pa^t. S)arüber benfen roir nun aber anber^ (fpejiell id^) 
unb lauten un^, bergleid^en afe gorberung ju ftellen. SBa^ 
ftd^ fretoiHig gibt, ift gut; jemanben aber bamit quälen, 
il^tti bie pftole auf bie Sruft fefeen: ,,bid^te, bid^te", ift 
ebenfo groufont roie gräfelid^. @o vul ganj allgemein; 
1^ i er liegen aufeerbem nod^ bie S)inge fo üermorren ober bod^ 
unbeftimmt, bafe ber betreffenbe SDid^ter pd^ möglid^ermeife 
für ben ^papierforb bemül^t l^ätte. 5Wad^e alfo ein l^eitere^ 
^afetliebd^en, menn S)ir fo jumute ifi; bamit wirft S)u 
S)ir ben S)anf aller t)erbienen. 

Unb nun ^ßunft jToei. 2lug allerl^anb Keinen 3^^^^ 
unb 3lnbeutungen, jumal in Sriefen an S)eine greunbe, 
fd^eint e^ faft, aU näl^meft SDu an, ba§ roir un^ SDeinem 
©lüdEe gegenüber etma« mau unb ffau rerl^ielten, unb 
jmar, roeil roir S)id^ lieber auf bem gelbe ber Haute 
finance gefeiten l^ätten. SRid^t^ fann falfd^er fein. ©^ 
liegt, ©Ott fei ©auf, gerabe umgefel^rt. SDeine SBerlobung 
erfd^eint un^ fd^lei^tmeg aU eine aWufteroerlobung, afe 
3beal — un^ atten, am meiften mir. Db bie S^tfunft 
©lüdf ober Unglüd für SDid^ l^at, mer miff ba^ mijfen, 
aber fo t)iel ©arantien für^ ©lüdf gegeben merben fönnen, 
fo oiel finb ba : untabliger 3luf, SReigung, Sieben^mürbigfeit, 
^eiterfeit. ©u mirft bod^ nid^t glauben, bafe mir, bie 
mir bei ©ed^^breier glüdflid^ unb beoorjugt gelebt hahm, 
mit einem 3Kale bag ©lüdf im 3Kammonfultu^ finben 
foHten. Unb nun gar im fiinblidf auf SDid^! SDu fönnteft 
bie Unbemitteltl^eit in 5Perfon l^eiraten unb mürbeft un^ 
bod^ feine ©orge mad^en. „SBor ^eter ift mir gar nid^t 



140 S^* Jfoxdtmei iSriefe an ftM iFamttie. 

bange" ufro. Sei ^peter war e^ bie SDumml^eti; roa^ e^ bei 

©ir ift, tDiH x^ nid^t fagen, um SHd^ nid^t tot ju mad^en. 

3Üle^ grü^t l^erjlid^. 3Bte immer SDein alter 



254) Ärumm^übel, b. 23. 3uli 1886. 

aJieine liebe grau. 

Unfre 2;age rergeJ^eti jefet toieber rul^iger, roa^ mir 
fel^r red^t ift ; ein b i fe d^ e n ®ef eiligfeit ift mir bie angenel^mfie 
%otni. SDie „@aifon" ift nun übrigen^ auf ber $öl^e, 3)u 
mirft bie Ärönung be^ ©eböube^ fein. Sieunion^, ftonjerte, 
in nä(^fier 3Bod^e angeblid^ fogar Sll^eater! Saben^^Saben 
— aber in Äattun. 

3JHt ber für gejiem angefefeten Sieunion mar e^ 
allerbingg nid^t^. Um 9 Ul^r gingen mir l^in, unb mäl^renb 
id^ afe ©claireur ben ©aal refogno^jierte, ftanb 5Wete, 
mit jmei meinen SRofen am Sufen, brausen unb martete 
auf meinen 33erid^t. SDer lautete: fd^Ieuniger SRüdjug. 
@g maren mol^I 40 SDamen ba unb l^öd^ften^ 7 Ferren, 
in meldte 3^^! ©reife unb Äinber mit einbegriffen pnb. 
S)abei 3wg, ©nge, Dualm, $ifee. ©rafelid^. Unb an 
fold^em ^lafee foff unfre arme 2;od^ter SBergnügen fud^en. 
SDann lieber nid^t, bann lieber SBerjid^t. 

3ln fold^en SBerjid^t mürben mir aud^ l^eute mittag 
mieber gemal^nt: aJiartl^a 3K. ®. fd^rieb menige, übrigen^ 
fel^r nette unb fel^r l^erjlid^e 3^il^^/ in benen fle il^re 
SBerlobung mit Dr. ©. anzeigte. 3Kete mar al^ greunbin 
fel^r erfreut; roa^ fonft in il^rem iß^tjen geftanben l^aben 
mag, mag id^ nid^t miffen. 3d^ bemunbere bann immer 
il^re Sel^errfd^ung^fraft, il^re üottfommene ©ontenance. 
SDarin ganj fuperior. Sßur feine ©entimentalitäten. 

2Benn id^ rid^tig red^ne, fo erl^filtft SDu biefe 3^ife^ 



1886. 141 

jnjci ©tuttben vox S)einer Slbrcifc. ®mpftcl^I mid^ ber 
teuren %x(m ^o^anna angelegentlid^fi unb banfe tl^r an^ 
in meinem SRamen für fo mel an S)ir bemiefene ^reue 
unb Siebe. 

SBBie immer S)ein alter ^^ «^ 

255) »erlin, b. 18. Cftober 1886. 

3Kein lieber, alter ^l^eo. 

S)rei ßarten l^aben mir von (Surer ^od^jeit^reife er- 
l^alten: Dom S)rad^enfefe, vom SRiebermalb unb an^ SBie^:^ 
baben, unb fd^on auf bie erfte l^ätten mir mit einem 
©egengru^ geantwortet, menn mir gemußt l^ätten, mol^in. 
Seit geftem feib Ql^r nun mieber bal^eim, unb menn e^ 
fd^on untermeg^ ,ffelig" mar, fo mu§ e^ jefet am feligften 
fein. S)u fannft übrigen^ von @IM fagen. 3li^t immer 
»erlaufen ^od^jeit^reifen fo l^eH unb l^eiter, üielmel^r ftnb 
fie ein beoorjugte^ Slftion^felb für bie ^eimtüden unb 
©piefoerberbereien beg ©d^idfafö. grau v. ßepel (bie 
erfte) fam in SBenebig au^ ben ^eimmel^tränen nid^t l^erau^, 
unb ßepefe SBerfud^e, biefe tränen burd^ Silbergalerien 
ju trodfnen, fd^eiterten iämmerlid^. 3lo^ fd^Iimmer erging 
e^ bem jefeigen ßaifer von Siufelanb unb feiner fd^önen 
S)agmar; fie maren nad^ einem feiten befud^ten ©d^Iofe 
in^ innere gereift unb üerbrad^ten bie SRad^t auf einem 
^ifd^ fiftenb, meil Sett unb 3^^«^^^ ^te ämeifenl^aufen 
t)on ©d^maben (blackbeetles) maren. Äaftellan be^ 
©d^Ioffe^ l^ätte id^ am anbem 3Korgen nid^t fein mögen! 

Un^ ift e^ aü bie 3^it ü^^t nid^t fonberlid^ gut ge^^ 
gangen. SBielleid^t ift bag fonberbare ftlima biefe^ ©ommer^ 
fd^ulb, melleid^t bie 3KaIariamol^nung in ßrumml^übel, 
t)ielleid^t bag SHter. Sraud^te man nid^t feine fträfte, um, 
be^ lieben 33rote^ i^alber, am SIrapej meiter ju turnen. 



142 S^. Jfontaat» Briefe m feine iFamlUe* 

fo TDär' c^ alle^ jteTnltd^ gi^^i^^SöWö; <^^ Slufgaben tx^ 
füttcn foHen, ol^ne bcn rid^tigcn 3Jlnd baju, tji mit 
unter fd^toer. 

S)tc Sid^terfelber*) l^aben tote in ben lefeten 
anbertl^att SBod^en toenig gefeiten, jum ^ctl tool^I, weil 
il^rc 3^tt, wenn fic in Scriin ftnb, burd^ 5ßroben jum 
ßolonicfcft (äuffü^tung t)on „Ärieg im grieben") in 3In- 
fprud^ genommen mirb. Qd^ baftle natürlid^ mieber an 
einem 5ßroIog unb infofetn gern, ate id^ immer an bie 
aRöglid^feit einer Unterfried^ung in einem Äoloniel^aufe 
benfe. ^oltei oerbrad^te feine Ie|te S^i ^ einem 39re§Iauer 
Älofter, marum i d^ nid^t in irgenb einem Maison d'Orange ! 
S)od^ mit fold^en Setrad^tungen mill id^ ben 33rief nid^t 
fd^Iiefeen, lieber mit SBünfd^en für @uer anbauembe^ ©lüdE. 

SBBie immer S)ein alter ajoDa. 



256) SB erlin, b. 2. SRooember 1886. 

3Kein lieber, alter ^l^eo. 

aJiorgen mirft S)u 30, ein fd^öne^ Sllter, befonberg 
menn man gefunb, in Slmt unb SBürben unb glürflid^ t)er* 
l^eiratet ift. SDag l^aft S)u alle^ unb bamit fo t)iel, baß 
id^ S)ir nid^t^ ^inju, fonbem nur g^rtbauer münfd^en 
fann. S)ie (Snglänber fpred^en von einem „honey-moon" 
unb geben bamit ein beftimmteg 3^ttma§; bie S)eutfd^en 
finb ©Ott fei S)anf gemütlid^er unb fpred^en oon glitter^ 
mod^en, bie ftatt oier aud^ 52 unb nod^ länger bauem 
fönnen. ©ei e^ fo. 

Un^ gel^t e^ leiblid^, tro^bem e^, mie l^erfömmlid^, 
an ©orgen unb SBerftimmungen nid^t fel^lt. 3d^ perfönlid^ 

*) Fontanes ©ol^n, $Qu:ptmann (Seotge fj., bct feit 1885 totcbct 
aU 2tf)xtx am $Qu:pt=J^abettenl^aufe in IStd^terfelbe toirüe, unb beffen 
gfrau. 



1886. 143 

leibe, tote immer von Dftober bi§ S)ejember, unter her 
Uttoerfd^ämtl^eit meiner fd^riftftellerifd^en ÄoIIegen, bie alle 
t)on mir befprod^en, b. ^. gelobt fein motten, ol^ne je um 
mid^ einen ^nger ju rül^ren. SRad^gerabe merbe i^ un^^ 
gebulbig. 

S)em Äloloniefeft am 29. Dftober tool^nten mir bei. 
S)ie %ontam^ maren fiarf im gelbe: ©eorge unb 3Kete 
fpielten im „Ärieg im grieben", id^ l^atte ben 5ßroIog ju 
leifien. SJiete fprang 36 ©tunben oor ber Sluffül^rung 
für bie erfranfte Sid^terfelber aWartl^a ein unb fe^te mid^ 
mieber in ©rfiaunen burd^ il^re Energie, il^r ©ebäd^tni^, 
il^r ©piel. ®g mar eine öbe, langmeilige Stoffe, aber fie 
mad^te etma^ barau^ unb mar bie einjige, bie mie eine 
Äünftlerin mirfte. ©d^iebe bie^ nid^t auf SSoreingenommen^ 
l^eit unb oäterlid^e ®itelfeit; e§ ift fo. 

Äu§, ©rufe, ©mpfel^Iungen S)ir, ©einer lieben 3Kartl^a 
unb ben oerel^rten ©d^miegereltem. 

SBBie immer S)ein alter ^iana. 



257) »erlin, b. 13. SDejember 1886. 

3Wein lieber, alter ^l^eo. 
©ei fd^önflen^ bebanft für 2)einen lieben 33rief oom 5. 
3JHt J^erjlic^er greube l^ören mir ftetg oon S)einem, oon 
©Urem @IM; l^äu^Iid^e 5ßlauberabenbe finb ba^ 33efte. 
Slufeerbem fd^eint mir bie politifd^e ßage bod^ fo ju fein, 
bafe man jebem, ber oorläufig nod^ marm ft|t, jurufen 
barf: „3lmra^^ mit". SBenn bie alte ©efd^id^te oom „auf 
bem aSuIfan tanjen" je jutraf, fo in biefem Slugenblidt. 
3d^ traue ber ©efd^id^te nid^t oon l^eut' auf morgen unb 
begreife bie gortfi^rittler nid^t, bie nod^ nid^t genug 
Slamage megl^aben unb gemifft fd^einen, il^re SRegierung^- 
unfäl^igfeit immer beutlid^er ju jeigen. 5Wan fann an i^ntn 



144 tü^^. £ontant» Briefe cm fetiue iFamttie. 

red^t ftubiercn, tote toenig bei bof tritt ärer 3led^tl^aberei, bei 
Setottutig ait uitb für fid^ guter uttb trefflid^er ©ä|e 
l^erau^fütnttit, ttjettit ber ©ittn für ba^ 5RatürIid^e, bog 
9läd^ftliegetibe fel^It. greil^eit,©parfattifeit,@eIbbetoilIigung: 
alle^ tt)uttbert)oII ; aber ba§ id^ tnorgeit tneitten Äaffee ol^tie 
eitigeftippten graitjofett (ober er tnid^) tritife, ift toid^tiger 
afe bie gattje S)reil^errlid^feit. Qd^ l^abe bag SBertraueti 
ju bett ßeitertt utiferer Slegieruttg, ba§ fie nid^t jutti ©pa§ 
au^ S)eutfd^Iattb eitt Heerlager ttiad^eti toollen. ©ie tutt, 
toag fie tnüffett. 

S)eitt 2;elegrattitti jutn 4. toar reijetib, feitt uttb grajiö^, 
uttb Iie§ alleö atibere ©efäure (baruttter aud^ eine ^xaf)U 
leiftung ooti tnir) toeit jurürf. Sltti 2. (^Polterabettb) *) 
l^abeti bie brei tnittoirfettben g^tttaneg ben SBogel ab^ 
gefd^offett, SJiete tiatürlid^ ati ber ©pi|e. Qd^ toar tiid^t 
ba, e§ foff aber fattio^ getoefen feitt. SBettit bod^ il^r ©lüdt 
eitiigertna^eit il^rer Segabuitg etttfpräd^e ! Slber bag ®IüdE 
l^at fie tiid^t 'ttial iit Heitien S)ittgeti ; fo oerfttajte pe ftd^, 
über eitiett S3alfett ftürjenb, utittiittelbar oor ber 3luf= 
fül^rutig bett Httfeti "^n^, fiel au^ eitler Cl^ttttiad^t (oor 
©(^ttierj) iti bie atibere utib trat bann oor, um einen oon 
3ul. SBoIff gebid^teten 5ßroIog ju fpred^en, toa^ an unb 
für fid^ eine Seiftung roax. 

Strengt (gud^ nur nid^t mit SBeil^nad^t^gefd^enfen an, 
iebe 3Warf ift meggetoorfen ; man mu§ mit fold^en alten 
Oefd^id^ten bred^en, toenn man nid^t ^arun al SRafd^ib 
ober Sleid^röber ift. 

SBBie immer S)ein alter ^cma. 



*) ^oUcxabctib unb ^od^jeit beS mit grotitatieS Xod^tet ctiQ 
6efYeunbetett Srtäuletng ^axtl^a 9JlüEef@rote. 



1887. 145 

258) 33 er I in, b. 2. ^amax 1887. 

3Kettte liebe 3Bartl^tt. 

^abe l^erjUd^en SJanf für S)eine OratuIattoniSfarte 
jum 30., bte, mit einer gleid^jeitig eintreffenben SDeineiS 
Xf)to, ben Xaq glüölid^ einleitete. S)u l^aft red^t, bte 
©el^nfud^t nad^ Oefd^enfen ifi eingefd^Iafen, fo total, bafe 
nid^t 'mal mel^r aufgebaut toirb, voa^ id^ afö einen ent:^ 
fd^iebenen gortfd^ritt empftnbe; benn bie ^rio^, gilj^ 
(d^ul^e, 33urf^fin?^anbfd^ul^e unb 6au be Sologne^glafd^e, 
brad^ten mid^ itnmer nur in SJerlegenl^eit. 3^^^ ©teuer 
ber SBal^rl^eit mu§ id^ l^injufeften, ba§ mir ba^ aufgebaute 
grofee 2o^ aud^ nur SSerlegen^eit bereitet l^aben mürbe; 
ba^ Sllter (eine feiner beften ©eiten) mad^t munfd^Io^. 
greÜid^ foH man barin nid^t ju meit gel^n, roa^ id^ leiber 
tue; benn man ^at Äinber, unb id^ bejmeifle feinen äugen* 
blirf, ba§ Ql^r mir ^xn SSiertel vom großen Sofe nur jum 
©Uten anrei^nen mürbet. 

aber feiere id^ au^ bem Sleid^ ber SSetrad^tungen unb 
träume ju ben SBBirflid^feiten be^ 30. jurüdE. SBBir er* 
gingen un^ in einer ,, großen ©efettfd^aft", bie, nad^ ber 
©eite ber SSerpftegung, menigften^ quantitativ genügt 
l^aben muß, ober nod^ mel^r afe ba^; benn oerfd^iebene 
liegen falat* ober marjipanfranf bamieber, barunter aud^ 
©eorge unb id^. 39eim ßffen forglid^ 3Waß l^alten, ift 
leiber feine gontanefd^e S^ugenb ; mie'^ mit ©einem S^l^eo 
in biefer Sejiel^ung fielet, meiß id^ nid^t mel^r genau. 
Unter allen Umfianben grüße il^n unb banfe il^m l^erjlid^ 
für feinen 33rief unb feine Äarten ju @eburt^tag unb 
SReujal^r. @r mirb mir nid^t böfe fein, menn id^ bie 
weitere Seantmortung ben ^amm überlaffe. ajon (Surem 
©lüdt JU l^ören, ifi mir immer eine ^erjen^freube; mol^I 
l^ab* i(^ e^ nid^t anber^ erwartet, benn gut unb gut gibt 
(SIüdE. aber fidler l^at man*g nie, unb um bie ®nabe 

%^. gfontaneS »rtef e an feine Familie. II. 10 



146 S^* Jrordmn Briefe m feto iFatnttit* 

ber großen 3lätfeltnad^t, fic l^eifec nun (Sott ober ©d^idfal, 
muß immer gebeten werben, ©id^erl^ett tfi Oefal^r; mir 
follen in einem Sangen bleiben unb jebem neuen glüd- 
lid^en Slag neuen ©onf entgegenbringen. 

SBBie immer S)ein alter ^apa t^u c^^xttattt. 



259) »erlin, b. 1. 3IprU 1887. 

SJiein lieber, alter 2;i^eo. 

S)er ^ob ber guten 9i. mirb aud^ S)ir burd^ 33. ge^^ 
melbet fein; tro| be^ breiten SJrauerranbeg um 33rief unb 
Äuoert, fann bie SJrauer nid^t grofe fein, benn XanU SR., 
mie mir grau ^Profeffor 0. neulid^ erjäl^Ite, mar für ba^ 
Qan^ il^rer SRid^te ein ©d^redfni^ gemorben. ©ie moHte 
aUe^ t)om ©tanbpunft ber l^öl^eren berliner ©el^eimrötin 
aug reformieren unb ber armen %xau ba^ ©ingen ab^ 
gemöl^nen, „meil fie fo fd^Ied^t fange". Site ob e^ bar auf 
anfäme, menn man fingen miff. 5Rid^t^ t^rannifd^er afe 
alte ßeute mit bem ßieben^mürbigfeit^ruf. 3Kitunter ift 
mir, afe bereitete id^ mid^ aud^ barauf oor. 

Slber laffen mir bie Xoten unb bie'^ merben motten, 
unb menben mir un^ ben ßebenben ju, ben ßebenben unb 
ben ©lüdtlid^en. 3JHt l^erjlid^er greube lefe id^ S)eine 
33riefe, bie nid^t nur oon ©lud fpred^en — bag miff nid^t 
oiel fagen, jeber ift 'mal glüdflid^ — nein, bie mir in 
iebem SBort aud^ jeigen, ba§ S)u S)id^ auf ®IM oerftel^ji. 
Unb bc^ ifi bie ^auptfad^e. S)enn menn id^ aud^ nid^t 
ganj beftrelten miff, ba§ e^ 5ßed^oögeI gibt, fo gilt bod^ 
oom ®Iüd im ganjen ba^felbe mie oom ®oIb: e^ liegt 
auf ber ©tra^e, unb ber l^af^, ber'^ ju finben unb auf^ 
jul^ieben oerftel^t. S)u l^aft, menn mid^ nid^t affeg täufd^t, 
oon 2)einem Sttten bie gfil^igfeit geerbt, S)id^ in je^n 



1887. . 147 

©tunbcn (nm nid^t ju fagcti 3Winuten) an jcl^n S)tngcn 
freuen JU fönnen, unb wer bte gäl^igfeit l^at, ber tft 
„fd^öne 'rau^". 3ft fie toirfUd^ ein ©rbe t)on mir, fo 
fannft 5Du'^ auf ujenigfien^ 50000 3Rf. fd^äfeen, toa^ mir 
ein ©elbftgefül^I unb eine Serul^igung gibt. 

^eut', am Si^marrf^tage, l^oben mir mie gemöl^nlid^ 
gratuliert, aber nur mit brei ßarten, barunter jmei 
meiblid^e ; eg gab Sitten, mo mir mie ein 6lan im Äanjler^ 
palaig auftauchten ober mie ber Stol^rfd^e äl^nl^err, ber 
irgenb einem alten Äaifer 24 dio^x^ tjorfteffte. SBenn fie 
bamate fd^on fo lange SRafen l^atten mie l^eute, mu§ ein 
ÄÜometer l^erauggefommen fein, unb xomn pe fd^on fo 
geiftreid^ maren mie l^eute, mu^ bie SJafelfonoerfation 
merfmürbige ^nfen gefprül^t l^aben. Qd^ liebe fie 
aber bod^. 

S)a^ Sefinben l^ier ift leiblid^, xoa^ id^, fo meit id^ 
in Setrad^t fomme, meiner mad^fenben 9lbfperrung oon 
ber SBelt jufd^reibe. Äönig Submig II. mar oerrüdft, aber 
ba§ er feine 3Kenfd^en unb am menigften feine Sierbapem 
feigen mollte, fann id^ il^m nid^t oerbenfen. Qd^ mad^e 
aber nid^t ^ßrofelpten in ©nfiebelei; ganj im ©egenteil, 
bie Sugenb gel^ört in^ ßeben, meil il^r ba^ Seben gel^ört. 

SBie immer S)ein alter ^ava. 



260) SBerlin, b. 1. Suli 1887. 

3Keine liebe 3Kete. 
©d^on über oier SBod^en bift S)u fort unb ix^ l^eute 
feine 3^il^ ^on ©einem fd^reibefeligen 5ßapa. aber bag 
oiele ©d^reiben mar eben fd^ulb, ba§ er nid^t fd^rieb. 
Übermorgen l^offe id& mit ber SRooelle, bei ber id^ menigften^ 
mieber „®ebulb" bemiefen l^abe, fertig, ju fein, bann ein 
paar Sefud^e unb bann l^inau^ nad^ „©eebab SRüber^- 

10* 



148 S^. Jfotdwxtn tirtefe ott feine iFomUie* 

borf", wo S)u, a^t 2;age fpäter, melleid^t aud^ SDeitten 
©injug l^ältft. 2lu§er einer touttbetüotten Sabefteffe finbefi 
S)u aud^ bte 3Kutter be^ SBBlrte^, eine 85j[äl^rige granjSftn, 
bie, tro| 55j[äl^rigem Slufentl^alte^ in SSerlin, immer nod^ 
au^fd^Iiefelid^ franjöftfd^ fprid^t. SKfo Sortfefeung ber 
S)efteuquetage; Settom, SJiaffom, S3Bi|Ieben werben freilid^ 
f eitlen unb bie ©perlinge nid^t von ber rid^tigenSßummer fein. 
aJieine ©ommerpläne finb übrigen^ aud^ j[e|t nod^ in 
ber ©d^mebe ; id^ l^obe jmar in ,,©eebab Stüber^borf " big 
SBeil^nad^ten gemietet, aber tjielleid^t l^olte id^ nid^t ad^t 
2;age au^. S)ag Sofal ift entjüdfenb, bie SBBirtin eine an^ 
genel^me %tau, unb bie SBerpftegung^frage fann nid^t mafe^ 
gebenb werben für jemanb, ber in ßrumml^übel bie l^ol^e 
©d^ule burd^gemad^t l^at. Slber mag fann einen nid^t alleg 
tjertreiben: Äöter, ^äl^ne, 2Wäufe, 3Wenfd^en. fjinbet fold^e 
aSertreibung ftatt, fo gel^e id^ nod^ merjel^n ^age nad^ 
SRügen unb bann — l^offentlid^ von S)ir begleitet — im 
September ju grau ©d^reiber nad^ Ärumml^äbel. 3n 
Siübergborf miff id^ einige lange marfifd^e Äapitel fd^reiben, 
in Ärumml^übel bie neue, in ©d^Iegmig unb Äopenl^agen 
fpielenbe SRotJeHe*). — ©eorge ift red^t elenb unb mad^t 
mir mirflid^ ©orge. SBenn er morgen nad^ aiWtnd^en 
filiere unb bag baperifd^e ©ebirge vm SBod^en lang burd^= 
manberte, märe er mieber in Crbnung, aber aug fid^ 
]^ eräug fann er eg nid^t (fo vkl Äraft unb SQBillen bringt 
er gar nid^t mel^r auf), unb ein fuperiorer, 3Wad^t über 
il^n l^abenber ^attox ift nid^t ba. gür fold^e gälle mar 
unfer alter 5ßanfritiug oorjüglid^, aber mir l^aben il^n 
nid^t mel^r, unb ein junger S)urd^fd^nittgboftor fann 
fold^en alten Qfegrimm nid^t erfefeen. Unb fo muffen benn 
bie S)inge gelten, mie fie gelten motten. 



*) i^UtttoicbetBrinfiKd^''. 



1887. 149 

®rü§c unb füffc bag SKünfterfd^e junge 5ßaar. SBann 
wirb benn ^l^co „9tat" ? S)ieg mu§ er mtd^ bod^ erleben 
laffen. 6r ift bann ber erfte biefe^ SRamen^. SBie immer 
SDein alter ^^^^ 



261) ©eebab SRüberiSborf, b. 7. 3uli 1887. 

Siebe f^rau. 

S)en ganjen SRad^mittag über l^abe id^ 3Kete begleitet, 
bie mal^renb biefer ©tunben fo jiemlid^ ben ®egenfa| t)on 
©eebab Siüber^borf fennen gelernt l^aben mirb : ben Äölner 
S)om. S)a^ einjig ©emeinfame ift ein fü^Iid^er, penetranter 
Oerud^, aber ba bin id^ bod^ für fatl^olifd^en SBeil^raud^. 
3u meinen Meinen ©d^idtfalen gel^ört aud^: regelmäßige 
glud^t vox berliner Suft, unb meld^er ©intaufd^! Qn 
SBemigerobe, in SRorbemep, in ©d^miebeberg, in Ärumm^ 
l^übel unb nun l^ier — überall baöfelbe! 

S)en 5Rad^mittag l^abe id^ in Stüber^borf tjerbrad^t, 
mo id^ mein Telegramm unb meinen S3rief ab^ob. S)ie 
gal^rt l^in mad^te id^ ju ©d^iff, jurüdt ging id^, nad^bem 
id^ mir ßird^e, Äriegerbentmal (l^übfd^ auf bem Serge ge^ 
•legen) unb ben Sergmerföbetrieb angefel^en l^atte. S)er 
Ort mirft fo mie 5ßlaue, SBBifönarf ufm. SlHe biefe Qammer^ 
nefter l^aben irgenbmo einen ßl^arme, eine relative Se^ 
beutung: in 5ßlaue bag ©d^Ioß famt feinen l^iftorifd^en 
•ßrinnerungen, in SBifenadt bie SBBunberblutfird^e mit il^rer 
immerl^in intereffanten ©efd^id^te, in SKlber^borf ba^ 
SBergmerfömefen unb bie SBid^tigfeit be^felben für Serlin. 
Xrofebem — S)u fiel^ft, baß id^ gelten laffe, xoa^ nur 
irgenb ©eltung beanfprud^en fann — empfinbe id^ biefen 
mSrfifd^en 3ieftem gegenüber immer mieber ben niebrigen 
©tanb unferer ^ßromnj unb il^rer 33et)öKerung. 33erlin 
ift ein 3)ing für fid&, unb aud^ in delen Meinen ©tobten 



150 9ÜI. Jfordmt» Briefe m reine iFontttit* 

mögen ftd^ gclegentlidö ©rfreulid^feiten ftttben; im ganjen 
fielet alle^ naä) tote t)or auf einer traurigen Sliefftufe, fo 
ba^ bie fd^Iefifd^en ©ebirg^börfer wal^re 5ßarabiefe baneben 
finb. S)ie Seute bort (in ©d^Ieften) l^aben einen natürlid^en 
©d^önl^eit^finn, aud^ bie ärmften finb befliffen, alle^ nieblid^, 
anl^eimelnb erfd^einen ju laffen. S)iefer ©inn fel^lt unfrer 
5ßrooinj; alle^ ift arm, l^ctfelici^, trift, unb mit ber SBol^t 
l^abenl^eit fängt nid^t ber feine ©inn, fonbem bie 5ßrofeig:^ 
feit an. (S^ ift ein juoerläffiger, oerftänbiger, intelligenter 
3Kenfd^enfd^Iag, aber ol^ne jebe ©pur oon bem, mag ge:= 
fällig mirft. 

S)ie Käufer l^ier finb mit SJienfd^en befefet. SBiele 
Äinber, bod^ fd^eint alleg au^reid^enb artig unb manierlid^ 
JU fein. 3d^ glaube nid^t, baß große ©törungen ju be^ 
fürchten ftel^en. 9lud^ SJiüden, fräl^enbe ^äl^ne ufm. fel^Ien. 
gellten aud^ SBanjen unb aWäufe, fo mill id^ jufrieben fein. 
3d^ miH nur arbeiten unb mid^ in SBalb^^ unb ©eeluft 
ergel^en, unb ba^ merbe id^ ja mol^I erreid^en. ©^ gibt 
nur ein 3WitteI fid^ mol^I ju fül^Ien: man muß lernen, 
mit bem Oegebenen jufrieben ju fein unb nid^t immer 
bag oerlangen, mag gerabe fel^It. 

ßommt nod^ nid^t; id^ muß mid^ erft mel^r einleben« 
SBie immer S)ein ^lUx. 



262) ©eebab SRübergborf, b. 10. 3uli 1887. 

Siebe %tau. 
©ei fd^önfteng bebanft für bie ßifte. OTeg ift mit 
gemol^nter ^Promptl^eit beforgt morben unb fogar mit 
einem ägio: SCaffe, SKild^topf, gleifd^eftraft. 3Kit ^ilfe 
oon ^opierfd^ere, ^aljbein unb ©ggergfd^em Äorfenjiel^er 
l^abe id^ geöffnet unb auggepadft unb mein 3i^^^i^ te 
a snug home umgemanbelt. Übrigeng l^atte fid^'g fd^on 



1887. 151 

t)or|er gebeffert; gcftem fam her ©lafer, ein ^ifd^ mit 
2;if^faften l^at fid^ etngefunben, unb bei ber grau l^abe 
id^ einen ©tein im Stett. 3lo^ mel^r bei ber alten, 
STifil^rigen granjöfin, Siefen^ aWutter. 

(gg ift l^ier vxtl beffer, afe i^ anfangiS gebadet l^abe; 
beibe, er unb fle, finb au^gejeid^nete SBBlrte, oerbinblid^, 
umfid^tig; atte^, roa^ man geniest, appetitlid^ unb mol^t 
fd^merfenb unb bie 3iäd^te meber burd^ ®Iut, nod^ SJiüdEen, 
nod^ ©d^Iimmereg geftört. Qd^ fam etmag beprimiert 
l^eraug, fanb atte^ in einem traurigen ©d^mubbeljufianb 
t)or, namentlid^ fel^r unorbentlid^ unb \ai) nun bie ©ad^e 
troplofer an ate nötig. 3d^ bin in biefem 3IugenbIi(Ie 
mit meinem äufentl^alte tjollfommen jufrieben unb 
jiel^' il^n Qnterlafen ober Siagaj ober 2;i^ale meit oor. 
S)u tjerfennft ganj meinen Oefd^madf. ©tünben mir für 
Quli unb 3luguft attiäl^rlid^ 2000 5CaIer ju Oebot, fo 
ginge id^ nad^ ©d^etjeningen ober 3^Ie of SQBigl^t ober 
©orrent (l^immlifd^e^ SJramontane, nod^ baju Sieimmort 
auf unfern 5Ramen), unb ba mottt' id^ mit S)ir unb 3Kete 
ganj angenel^m leben, aber aut aut. ©o Heb e^ mir ifi, 
alle biefe gineffen fennen gelernt ju l^aben, fo l^abe id^ 
mid^ nur mol^I babei gefül^It, meil id^ e^ afö „©tubie" 
anfal^, afe unerläfelid^ für meine ©tellung unb meinen 
33eruf; ju ^aufe mar id^ auf biefen ^öl^en be^ Sebeui^ 
nie, meil id^ arm mie eine Äird^enmau^ in^ 2titn getreten 
bin unb ebenfo mieber l^inau^gel^e. SBie fo oiele^, ift aud^ 
ba^ lebiglid^ eine ©elbfrage; Sleid^röber gel^ört nad^ 
2;r6port ober Siarrife, i d^ gel^öre nad^ ©eebab SRüber^borf. 
Unb menn id^ e^ an fold^em Sßla%t nur nid^t ju tief unter 
ben märfifd&=^IanbeMbIi(^en Slnfprüd^en finbe, fo bin id^ 
jufrieben. 3d^ übe biefe ©orte oon änfprud^^Iofigfeit 
nid^t aus SBefd^eibenl^eit, fonbem aixS JünfUerifd^em ©inn, 
Qani fo, mie unfre Heine ©d^neibermoi^nung für unfer 



152 9^. ^ontatm Briefe an ii^xte 4Famiiit. 

3JloUliax unb unfern ganjen Seben^sufd^nttt ba^ einjtg 
iRid^tigc ift. SDtc alte @xbvif)t in ein 3iww^ ^tt (Btad^ 
pofaunenengeln geftefft, wäre ein Unbing; bei un^ freue i^ 
mid^, toenn id^ fie fel^e. 

SQBie immer S)ein Witt. 



263) ©eebab SRübet^borf, b. 10. 3uli 1887. 

Siebe %xavi. 

&)m fomme id^ t)on einem reijenben Spaziergange 
nad^ ber SBoIter^borfer ©d^Ieufe jurüdf, wo id^ in bem 
,,®aftl^au^ jum Äranid^^berg" einen ®ißa unb eine glafd^e 
©obamaffer geno§. 33eibe^ jufammen foftete 20 ^Pfennige, 
ber ®ilfa 5, bag ©obamaffer 15 ; bergleid^en tut mir mol^I, 
id^ bin nun 'mal für^ ßleine, ba id^ baö ©rofee nid^t 
l^aben fann. SBielleid^t märe i^ aber aud^ unter allen 
Umftänben für^ Äleine. ®^ gibt foI(^e 5Raturen; bie 
legten brei ^ol^enjollem gepren bal^in: fjriebrid^ 
SBBili^elm III. (ber gemife), aber aud^ griebrid^ SBill^elm IV. 
unb unfer alter ßaifer. 9llle brei maren Seute, bie Sid^t^ 
fiümpfd^en — ein ^auptfennjeid^en — aufl^oben. 

auf ber SBoIter^borfer ©d^Ieufe mar ein gro^e^ 
2tbm. Überall (mie aud^ l^ier) SBorflabt^el^epaare mit 
merfmürbig forfd^en unb l^übfd^en SBeibem, mand^e fel^r 
l^übfd^, unb alle von einer foloffalen ©id^erl^eit unb 33e^ 
friebigtl^eit. ©ie mirfen ganj glüdflid^ unb ^ahtn aud^ 
mol^I ®runb baju: fie finb gefunb, bie meifien in anbem 
Umftänben, l^aben l^übfd^e ßinber um fid^ l^er unb verfügen 
über einen 2Bann, ber gel^ord^t unb für affe^ fiirgt unb 
nid^t Uo^ järtlid^, fonbern von feinem ©l^egefponi? aud^ 
nod^ fel^r eingenommen ift. Unenblid^ l^armlofe, jugleid^ 
aber von fid^, il^rem SBert unb Äönnen ftorf überjogene 
aWenfd^en. SBDlter^borf l^at eine fei^r fomplijierte Sage. 



1887. 153 

S)orf, ©d^Ieufe, ßie| flnb toeit üottetnanbet getrennt unb 
bilben fojuf agen brei Crtf d^af ten ; ber ftiefe, toeil auf einet 
Sanbjunge jnjtf d^en jujet ©een gelegen, l^ei^t Qntetlafen, 
fo ba^ id^ alfo 35etnem aOBunfd^e prompt na^lavx unb mid^ 
auf ber ©teile nad^ „Qnterlafen" begab. 

aber toe^l^alb id^ eigentlid^ l^eute nod^ fd^reibe? Qd^ 
l^abe geftem bie vm Sogen (64 ©eiten) gelefen, bie ben 
9lnfang oonSinbau^ „arme 3Wäbd^en" entl^alten. ©ine 
ganje SBBeile mar id^ nid^t fonberlid^ befriebigt; von bem 
Slugenbltdf an aber, mo ber ßl^arafter ber SRegine o. ©eHnife 
in ben SBorbergrunb tritt unb nun ber @ang in bie Dper 
unb bie ßogenfjene jmifd^en il^r unb bem jungen Rou6 
(aud^ eine famofe ^gur) gefd^übert mirb, intereffierte mid^ 
bie ©efd^id^te nid^t bIo§, fonbem imponierte mir aud^. 
3d^ l^ätte nid^t gebadet, bafe Sinbau ttvoa^ fo ^eroor^ 
ragenbeg fd^reiben fönne; bie ©jene felbfi ift tiefma^r, 
ber S)iaIog munberooll, bie SQBirfung bebeutenb. Seute 
mie unfer guter 3loquette merben oielleid^t fagen, „ba^ P^ 
fo 'voa^ Crbinareg unb nad^ 33um^ ©d^medtenbe^ nid^t 
lefen fönnen"; aber ber Äleine fönnte lachen, menn er fo 
ttvoa^ fd^reiben fönnte. S)aju gel^ört eine anbre ^JJufte, 
ate er beftfet. S)ie S^nlid^feit mit „Errungen SBBirrungen", 
aud^ mit ,,S'2lbuItera," ,,e:6cile" unb ,,©tine" ift mitunter 
aufeerotbentlid^ grofe, aber ber ©eiji, au^ bem l^erau^ mir 
fd^reiben, ift ganj oerfd^ieben. ®r bel^errfd^t biefe SBelt 
ganj anber^ mie id^, unb id^ ftel^e, mag SBiffen, ®ingemeil^t:= 
fein, Slnfd^auungen ufm. angelet, mie ein SBBaifenfinb 
neben il^m. 9lber in biefem bloß l^alben SBBiffen unb in 
bem Oejmungenfein, bid^terifd^ nac^jul^elfen, fterfen aud^ 
mieber meine SBorjüge. 

Überall l^ier fel^' id^ reijenbe Junge Seute, bie biefem. 
ober jenem Älub angepren: 33iqclefal^rer, ©eglerflub, 
Sootfal^rerKub, Äegeßlub. griebel mu§ burd^au^ 9lnfd^Iu§ 



154 S^. JfoxAarm Briefe m \i^t ffwoMt. 

bei ttvoa^ S)crarti8em fud^en, bann ^at et ba^, roa^ i^m 
fel^It. ©inb c^ nette Seute unb gute, anftänbige aKenfd^en, 
fo bejal^le td^ mit SBergnügen, xoa^ bte ©ad^e foftet — 
natürltc^, fo lange id^ fonn. SQBie immer SDein 

Sllter. 



264) ©eebab gtübet^borf, b. 21. 3uli 1887. 

3Wein lieber X^^o. 

Dttod^en ift nun alfo ha. SBenn er aud^ nid^t t)ott 
Otto Si^mardf mirb, nad^ bem er vooffl bod^ feinen 3iamen 
tüi^rt (Otto gontane in @raj mirb S)ir babei fd^merlid^ 
tjorgefd^mebt l^aben), fo mög' er fid^ bod^ einfügen in 
bie Sieil^e ber großen Cttone, aud^ ber neueren, von 
Otto V. ©uerirfe bi^ Otto Sioquette. 3Wete telegropi^ierte 
mir'g l^eut', unb fo furj ba^ SJelegramm mar, fo mar eg 
bod^ (ang genug, mid^ miffen ju laffen, ba§ alleg gut unb 
leidet tjerlaufen ift. SKög' e^ nun mäl^renb ber näd^ften 
neun ^age l^ei^en: „ben Umftänben nad^ moi^I." 

S)a§ 3Rete fo fd^öne Xage bei ®ud^ ©erleben fonnte, 
mar aud^ un^ eine grofee g^i^eube. ©ie l^at fid^ erl^olt 
unb erfreute mid^ l^ier ©onntag unb 3Bontag burd^ il^ren 
S3efud^, an ber guten Suft unb bem fd^Ied^ten ßffen 
famerabfd^aftlid^ teilnel^menb. SKit ©eorge foH e^ beffer 
gel^n, roa^ id^ mel^r auf bie ©nglänberinnen afe auf bo^ 
^omburger SBaffer fd^iebe. Sefete SBod^e foll e^ mieber 
fel^r friegerifd^ au^gefel^n l^aben; id^ benfe mir, Otto mirb 
©infid^t genug l^aben, menigften^ fo lange ju matten, bi^ 
Dttod^en getauft ift. SDann fomme, xoa^ ba mag. 

®rü§e bie junge Sühttter t)on ganjem ^erjen, bem 
33ab^ nide ju. SBie immer SDein alter Sßava. 



1887. 155 

265) ÄrummH^^Ir i>- 8- ©eptember 1887. 

3Kcitt lieber, alter 2;i^eo. 

©ei fd^önften^ bebanft für S)eitten lieben 33rief, bem 
id^ in t)ielen ©türfen juftimmen fann, freilid^ nid^t in 
atten. Qn ber 5ßarallele, bie 2)u jmfd^en „^fttunitn 
SBirrungen" unb ,,6 6 eile" jiel^ft, ftel^e id^ ganj auf 
S)eitter ©eite. S)ie langen Slu^einanberfefeungen über bie 
3l^fanier werben nid^t t)iel gi^eunbe gefunben l^aben, unb 
l^inftd^tlid^ meiner fünftlerifd^en 9lbfid^t, ben „^xivaU 
geleierten" ate eine langweilige g^gur ju jeid^nen, wirb 
man mir mutmafelid^ f^gen, „meinem ^itU naiver ge^ 
fommen ju fein ate nötig." 3lte id^ an „6 6 eile" arbeitete, 
begegneten mir aHerl^anb Öbl^eiten in ben berliner unb 
branbenburgifd^en ©efd^id^t^oereinen, unb meil biefe Sebem^^ 
l^eiten jugleid^ fel^r anfprud^^tJoff auftraten, befd^Iofe id^, 
fold^e ©elel^rtenfarifatur abjufonterfeien. Qd^ l^ätte e§ 
aber lieber nid^t tun foHen, bie SRotJeffe märe baburd& um 
etmag fürjer unb um vkU^ beffer geworben. 

9lud^ barin l^aft S)u red^t, ba§ nid^t atte SBelt, 
wenigften^ nid^t nad^ au^en l^in, ebenfo nad^fid^tig über 
£ene benfen wirb wie id^; aber fo gern id^ bieg jugebe, 
fo gewiß ift e^ mir aud^, ba§ in biefem offnen Sefennen 
einer bestimmten ©teffung ju biefen ^^ragen, ein ©tüdfd^en 
SBBert unb ein ©tüdfd^en Sebeutung beg 33ud^eg liegt. 
SBir fiedEen ja big über bie Dl^ren in afferl^anb fonoen^ 
tioneffer Süge unb foHten ung fd^ämen über bie ^eud^elei, 
bie wir treiben, über bag falfd^e ©piel, bag wir fpielen. 
®ibt eg benn, außer ein paar 5Rad^mittaggprebigem, in 
beren ©eelen id^ aud^ nid^t l^ineingudfen mag, gibt eg 
benn außer ein paar fold^en fragwürbigen Slu^nal^men 
nod^ irgenbeinen gebilbeten unb l^erjenganftänbigen 
SKenfd^en, ber fid^ über eine ©d^neibermamfeH mit einem 
freien Siebegoeri^ältnig wirflid^ moralifd^ entrüftet? 3d^ 



156 S^. Jfoxdant» tiriefe cm r^eine iFantUie. 

fenne feinen unb fefee l^inju, ®ott fei SDanf, ba§ i(§ feinen 
fenne. S^benfaEte toürbe i(§ il^m an^ bem SBBege gel^n 
unb mid^ vox xf)m afe vox einem gefal^tlid^en aWenfc^en 
lauten. „SDu foffft nid^t el^ebted^en", ba^ ift nun balb met 
Sal^ttaufenbe alt unb toirb au(!^ vDof)l no(§ älter werben 
unb in Äraft unb Slnfel^n bleiben. ©^ ift ein ^ßaft, ben 
id^ fd^Iiefee unb ben id^ fd^on um bei^l^alb, aber aud^ nod^ 
au^ anbem ©rünben, el^rlid^ l^alten rau^; tu' id^'ig nid^t, 
fo tu' id^ ein Unred^t, wenn nid^t ein „Slbfommen" bie 
©ad^e anberroeitig regelt. SDer freie SRenfd^ aber, ber fid^ 
nad^ biefer ©eite l^in ju nid^ti^ rerpflid^tet l^at, fann tun, 
roa^ er toiH unb m\x^ nur bie fogenannten „natürlid^en 
Äonfequenje n'% bie mitunter fel^r l^art finb, entf d^loffen 
unb tapfer auf fid^ nel^men. Slber biefe „natürlid&en fton^ 
fequenjen", meld^er Slrt fie fein mögen, l^aben mit ber 
ajioralfrage gar nid^t^ ju fd^ äffen. 3m mefentlid^en benft 
unb fül^lt alle SBelt fo, unb eig mirb nid^t mel^r lange 
bauern, bafe biefe 2lnfd^auung aud^ gilt unb ein el^rlid6ereg 
Urteil ^erftellt. SBie l^aben fid^ bie SDinge feit bem „©in- 
mauern'' unb „^n ben ©adt ftedten" geänbert, unb toie 
merben fie fid^ meiter änbem. ©mpörenb ift bie Haltung 
einiger 3^itungen, bereu illegitimer Äinberbeftanb toeit über 
ein SDufeenb ^inau^gel^t (ber ©^efrebafteur immer mit bem 
Sömenanteil) unb bie fid^ nun barin gefallen, mir „gute 
©itten" beizubringen. 2lrme ©d^äd^er! Slber e^ finben 
fid^ immer ©el^eimräte, fogar unfubalteme, bie fold^er 
Öeud^elei juflimmen. 

Unrei^t l^aft SDu, trofe SDeine^ Salfon^ unb SDeiner 
Slumenjuc^t, l^infid^tlid^ ber Slü^erei; id^ l^abe ba^ mit 
ben Äaftanien unb ber ^appelmolle auf SJiergarten- 
©pajiergängen auiggeprobt. 

SBie immer 25ein alter 5Bapa. 



1887.. 157 

266) Scrlin, b. 22. September 1887. 

aRein lieber, alter %f)to. 

aSo^ id^ S)ir l^eute ju melben l^abe, tft ettoa^ red^t 
Siraurige^: unfer alter ©eorge ift fel^r franf unb toor 
jToei 3;age lang am 2lu^Iöfd^en. ©eit l^eute mittag — 
unfer guter ^anfritiu^ mar gerufen morben unb fam 
aud^ — gel^t eg um eine ©pur bejfer. SRur fo üiel, bafe 
Hoffnung nod^ nid^t abfolut au^gefd^Ioffen ift; aber 
Dr. ©tr^df (Dnfel aRartd^eniS) brad^, afe er il^n fa^, in 
2^ränen au^ unb bejeugte baburd^, mie menig l^offnungig:^ 
t)off er bie ©ad^e anfielt. SDer gute Serid^t, menn man 
t)on „gut" fpred^en fann, ift aber um jmei ©tunben fpater, 
mo ber eigentlid^e bel^anbelnbe Slrjt, ein ©tab^arjt 
Dr. gtiH^nftriti, eine Heine, Heine SBanblung jum ®uten 
lonfiatierte. SDer Äranfe fanb enblid^ ©d^Iaf, unb bag 
entfefelid^e, nun fd^on brittl^alb SJage bauembe SBred^en 
l^atte nad^gelaffen ; er behielt aud^ ©l^inin bei fic^. ©J^am^ 
pagner, ben er trinfen fann, fo oiel er mill (roa^ mie 
Öol^n Hingt), fd^medt i^m. SDauert biefer beffere S^Pöwb 
an, bel^ält er bie ©peife ober aud^ nur ©l^inin bei pd^, 
unb fc^Iäft er, fo fann affeö nod^ merben. 2lber fold^e 
guten 5Womente finb oft nur Sffungen. SRatürlid^ fd^reibe 
id^ morgen mieber. 

aOBie immer S)ein alter ^ava. 



267) SB er I in, b. 24. ©eptember 1887. 

aWein lieber, alter SJI^eo. 
aWeinem SJelegramm an ©olbmann laffe id^ nod^ biefe 
Beilen folgen, bamit SDu, menn S)u üielleid^t morgen nad^ 
aRünfter jurüdffel^rft, bod^ einiget SRäl^ere erfal^rft. S)ie 
Äranf^eit, 33linbbarmentjünbung, trat mit ungel^eurer 
aSel^emenj auf; er fd^rie t)or ©d^merj, unb ate id^ il^n am 



158 S^* Jfoxstarvt» titieft an r^in^ iFontUie. 

aRttttood^ juerft ]af) — ber SJieni^tag toat ber fd^Iimme 
%aQ geroefen — \ai) er mi($ bereite mit 3;obeöaugen an. 
Qd^ §atte glei($ baig ©efü^l: er ift l^in. Xxoli adebem 
f($ien eö beffer ju gel^n unb alle brei Slrjte toaren nid^t 
o^tte Hoffnung. 3)ie lefete 3la^t aber fefete loieber furd^fc 
bar ein, unb nad^ melftünbigem , fd^roerem Äampfe fd^lofe 
l^eute frü^ neun Ul^r fein Seben. Qd^ trat in bemfelben 
SlugenblidE an fein Sett, afö fein 5ßute füHftanb; ber 
©ifenbal^njug l^atte mir nid^t ben ©efaHen getan, fid^ um 
eine 3Kinute ju üerfrül^en. SKete ^attt if)n mä^renb ber 
legten t)ier 9Md^te mit ^eroifd^em 3Kute gepflegt, gemein- 
fd^aftlid^ mit einer grauen ©d^mefter. SDie Siebe^bemeife 
3Kete^ unb bie Slapferfeit unb Umfid^t, momit fie il^n gepflegt, 
waren il^m bag einjige Sid^t biefer fd^meren 2;age, unb er 
gab ber ^eube barüber aud^ 2luigbrudf bi^ julefet. 

e^ ift nid^t nötig, bafe 3)u fommft. SKd^te alle« fo 
ein, mie 3)ir'« am beften erfd^eint. SDafe SDu il^m t)on 
^erjen jugetan marfl, miffen ja alle. 

aSie immer SDein alter ajopa. 



268) SB erlin, b. 9. SDejember 1887. 

3Kein lieber, alter %i)to. 
©ben bin id^ mit einer ellenlangen „Dtl^edo^^Äritif 
fertig, unb meine „©ilenben" (biei^mal SKama) tragen fie 
jur Sßoffin; bie 16 Sldtter ^abm mid^ aber nid^t erfd^öpft, 
unb fo benufee id^ nod^ bie ©tunbe bi« SRittag, S)ir für 
SDeinen lieben Srief jum „5. SDejember" ju banfen. ®« 
werben ber ©rinnerungötage immer mel^r, leiber oud^ ber 
fd^merjlid^en, unb ber 24. September mad^t nun ben guten 
unb fd^Iec^ten 3;agen, bie ooraufgingen, fd^mere Äonfurrenj. 
Übrigen« (eine aSa^rl^eit, bie S)u red^t fpät erfl am eignen 
^erjen empflnben mögeft) biefe fd^mei^Iid^en 2;age i^oben 



1887. 159 

au^ xf)x ®ute^, unb wenn man ben Xoh mit Siedet ben 
großen ®Icid^ma($er genannt l^at, fo l^at bod& aud^ fc^on 
ber bIo§e ^inblidf auf ben %ob, ba^ gälten fetner ®egen=? 
wart, etroa^ von biefet nireHierenben Äraft unb bie SDiffo= 
nanjen, bie ©egenfäfee, roeil man il^ren balbigen Slu^gleid^ 
nal^e mei§, werben minber fd^mer empfunben. 

2lber roa^ foHen SDir, bem 31j[äl^rigen, biefe Se^^ 
trac^tungen! SDu ftel^fi, ®ott fei S)anf, im Seben, ^aft 
eine junge, l^übfd^e %xcfu unb einen Keinen, netten Sangen, 
unb menn'ig ®Iüdf gut ift, bifi 3)u binnen furjem ba^ 
Sefie, roa^ man in $reu§en fein fann: ein „3lat". SDu 
fd^reibfl jmar t)on „fieben 3^^^^ 3Künfter'', aber mir finb 
l^ier ganj anber^ informiert; benn ber grofee S. mar l^ier 
unb l^at ganj SBerlin W. unter foloffale ®eräd^te gefefet. 
S)anad^ reiten unter 33ronfart nid^t nur bie 2;oten fd^neH, 
mie S)u fd^reibft, fonbem aud^ bie Sebenben, unb binnen 
l^eut' unb über'^ 3al^r mu§t S)u, afö ^ö^ere fiaat^rettenbe 
Äraft, l^ier irgenbmo einrüden. Unfre 2lrme merben SDid^ 
järtlid^ empfangen. Übrigen^ glaube id^ nid^t, roa^ SDeine 
Stellung angelet, an rul^ige, ftufenmeife ©ntmidflung. 
©rftlid^ mirft S)u vDoi)l überhaupt ein Springer fein; aber 
menn bieg aud^ nid^t märe, bie ÄriegömoHen l^ängen t)er^ 
bammt bid^t über unö, unb mirb erft auf 3KemeI ju mar^^ 
fd^iert, fo mirb eig mo^I ju rapiben 2lt)ancementg fommen, 
felbft menn SBater S., ber eigentlid^fte SBerpflegungöbeamte, 
mieber fonfurrierenb einfpringen foffte. Sreilid^, bie 
pobolifc^en Dd^fen merben il^m bieömal mol^I nerfd^loffen 
fein; ein paar ntm aWiHionen f dalägt er aber bod^ babei 
l^erau^. ^^ gönne fte il^m unb freue mid^, bafe id^ nid^t 
33ud^ barüber ju fül^ren l^abe. 

Öier ift nid^t t)iel Sßeue«. aWartl^a Sid^terfelbe ift oft 
l^ier unb fd^eint fid^ bei unfrer grünen Sampe mol^I ju 
beflnben. Übrigen^ fädt mir bei bem 3lamtn „Sid^ter^^ 



160 S^. iFmttatU0 Briefe cm feine iFmttUie. 

felbe", ben t($ eben niebetgefd^tieben l^abe, ein — l^ofi 
S)u benn bie ^toje^rerJ^anblungen jtoifd^en bem Ätieg^^ 
mttttftetium unb earftenn^S{($terfeIbe gelefen? ^öd^ft 
Inteteffant. S)er preu§tf($e ©taat fann feinen größeren 
Setounberer l^aben aU mx^ (ba§ er mir fpmpatl^if($ 
toäre, fann i($ nid^t fagen), aber mitunter friegt biefe 
SBemunberung bo($ einen Snad^ unb angefid^t^ biefe^ 
^ßrojeffe^ erfd^eint mir bieig ganje ©taatömefen grote^f, 
fariftert, unb roa^ ba^ ©d^Iimmfte ift, nic^t 'mal el^rlid^, 
fid^erlid^ nid^t anftänbig. Unb eg finb benn aud^ in ber 
2;at bie flaatlid^en „Äorreftl^eiten", bie un§ in ber ganjen 
SBelt fo t)erl^a§t gemad^t l^aben, unb mal^rl^aftig nic^t mit 
Unred^t. ©ö gibt nid^t jmei ©orten t)on Slnfiänbigfeit, 
unb roa^ ein anftänbiger 5Kenfd^ nid^t barf, ha^ barf oud^ 
ein anftänbiger ©taat nid^t. SSerftö^t ber ©taat gegen 
biefen einfad^en ©afe, fo gibt er nur ein fd^Ied^te^ SBeifpiel. 
Unb nun füffe grau unb Äinb t)on „®ro§papa" unb 
fei l^erjlid^ gegrüßt t)on 2)einem alten ajapa. 



269) »erlin, b- 17. gebruar 1888. 

SKein lieber, alter Z\)to. 
SDag gefeierte unb verurteilte 33ud^ *) ift nun ba unb 
präfentiert fid^ SDir im beifolgenben. SBirfe für baöfelbe; 
ba§ 3Künfter bie ©tätte bafür, ift mir freiließ nid^t ma|ir^ 
fd^einlid^. 33or ad^t SJagen mar id^ nod^ in gurd^t, bafe 
man über ba^ 33uc^ Verfallen merbe, um e^ ju t)erf($Iingen, 
aber nid^t im guten ©inne; ^eute fd^on bin ic^ ingurd^t, 
bafe nid^t ^ul^n nod^ ^al^n banac^ frä^t. ®^ ifi ein 
fonberbareig SKetier, bie ©d^riftfteHerei, unb SDu fannft 
mir banfen, ba§ id^ SDir jugerufen l^abe: bleibe bat)on! 



*) 2)ct Sloman ,r3i«un8cn Söitruiigcn*. 



1888. 161 

3lux bie, bie burd^auiS toeiter nid^tö fönnen unb beutlid^ 
füllen, ba§ fie, wol^l ober übel, nun 'mal an biefe ©teile 
gel^ören unb nur an biefe, nur bie bütfen e^ roagen. 
@infa($, toeil fie muffen unb meil ein anbte^ Seben fte 
erft re($t nx^t befriebigen mürbe. SGBer aber fül^It, ba§ 
er au($ Seine abf($neiben ober SBaJ^nl^ofi^möIbungen bes= 
red^nen ober einen neuen Btttn ober ein neueö 2llfaIoib 
entberfen fann, ber bleibe t)on ben Äünflen fem. Unter 
2;aufenben ifl nur immer ein ^uliu^ 2BoIff, ben fid^ 
nid^t bie aRufe, mol^I aber ba^ ®Iüd au^mäl^It, um 3htl^m 
unb ®oIb auf il^n ju l^äufen. 

aSir leben l^ier in alter SBeife meiter — foloffal füll, 
namentlid^ id^. ©o fel^r id^ für ©infamfeit bin, fo ifi e^ 
mir bod^ mitunter ein bi^d^en ju t)iel. SRatürlid^, menn 
id^ mir ©efeHfd^aft münfd^e, münfd^e id^ mir gute; fann id^ 
biefe nid^t ^aben, fo bin id^ lieber ^ö^Ienbemol^ner. Sluf 
3Kete bejiel^t fid^ aber biefeig ©tiHIeben nid^t; fte turnt 
t)iel uml^er unb ifl in biefem 2lugenblidf auf bem SGBege 
na^ SRoftodf. ^m ganjen gel^t eö i^r gut. griebel ar^ 
beitet meiter an ber Hebung beö beutfd^en 33u($l^anbefe, 
roa^ ja, nad^ Slnfid^t ber 33u($l^änbler, gleic^bebeutenb ift 
mit ^^bung ber beutfc^en Siteratur. Qn SBal^rl^eit mirb 
eig immer fd^ofler. äWartl^a Stöbert ift ein liebet, gute^ 
Äinb, mol^nt reijenb, l^at ein gute^ SRäbd^en unb ©eorgen^ 
reijenben fc^marjen 5ßubel. SJrofebem ifl fie mol^I menig 
glüdflid^, xoa^ jum Xtü baron liegt, bafe bie ganje gotnilie 
'ma^ SRafllofe^ l^at. ©ie muffen immer 'roa^ oorl^aben; 
ber 2tugenblidf, ber gerabe ba ifl, ift nie gut genug, unb 
fold^e ©eelenoerfaffung Ici§t fein red^te^ ©lüdf^gefül^I aufs= 
fommen. 

SBie fielet e^ bei ©ud^? ^aft SDu 2lu^ftd^t i^ieri^et 
ju fommen ober ried^t e^ na^ ©d^ie^puloer? SDer grofee 
SRamen^oetter oon Älein^^Dtto l^at mic^ in feiner legten 

«1^. Fontane« »riefe on feine gotnUic, II. 11 



162 S^. Jfovtann tiriefe an fehte iFamilie. 

SRebe feine^toeg^ berul^igt; benn il^ gnl^alt toat bod^ 
eigentlid^ nur: „affe^ m allem, lautet @u($, bcnn toit ftnb 
fel^t ftarf." öoffentIt($ f)at er pe gtaxtlid^ gemad^t. 
SBBie immer S)em alter ajopa. 



270) »erlin, b. 9. m&ti 1888. 

aReine liebe SKete. 

©ei beften^ bebanft für ©einen lieben Srief. Dnfel 
SBBitte mar l^ier unb f)at 3Kama unb Sieg($en SJreutler 
in ben Sieid^i^tag gef flirrt, mo »i^marrf um IIV2 Ul^r er^ 
f($einen unb bie aWitteilung t)om ^infd^eiben be^ ÄoiferiB 
ma($ett foHte. SDa^ für mid^ befümmte Sillet erhielt 
@tf). 3iat ^errlid^, ber gerabe jugegen mar unb fid^ 
unter Dnfel SGBitte^ erregten Slrmbemegungen, bie ganj 
bem „l^iftorifd^en SKoment" entfprac^en, mie ein Älümpd^en 
Unglüdf au^na^m. Seibe [teilten unmiffentli($ ein ganj 
merfmürbigeig lebenbe^ Silb. §. erging fic^ in einem 
politifd^en Urteil, 9B. griente il^n axi unb id^ ermartete 
jeben 3[ugenblidf baö SGBort ,,©d^öpping"; eig fam aber nur 
ftumm jum Slui^brudf, mobei ^. immer me^r jufammen^ 
fd^rumpfte, mä^renb 2B. mud^^ unb puftete. $. beriet 
bann nod^ mit mir über bie ,,einjufd^Iagenbe Haltung be^ 
Qol^anniterblatte^", roa^, glaub' ic^, auf SB. einen ©nbrudt 
machte, für ben bie 2Borte feilten. SBielleid^t l^örte er aud^ 
gar nid^t ^in unb glitt afe SBoIIfd^iff auf feinem ©trom 
meiter, ol^ne fid^ um bie paar uml^erfd^mimmenben SBorfen^ 
fiüdfe ju fümmern. SBofür Dnfel SB. mid^ l^ielt, ber id^ 
erflärte, lieber ju Saufe bleiben ju motten, meife id^ nid^t ; 
bod^ barf id^ mol^I annel^men, ba§ feine SBetrad^tungen 
nid^t aHju fd^meid^el^afte SBege gegangen finb. 

3d^ fenne „fold^e großen l^iftorifd^en aWomente" aber 
ju gut unb mei§, ba^ einem nur ©efd^ubft^ unb ®ebrüdft= 



1888. 163 

toetben ftd^et ifi, roäl^tenb e^ jtoeifell^aft ifi, ob man ettoa^ 
fielet, unb fidler, ba§ man nid^tö l^ört. ©^ gibt Slu^naJ^men 
t)on bet Siegel, aber bte Siegel läuft batauf ^inau^ : „bet 
Serid^t ift beffet afe bie ©ad^e felbft." SGBie ruppig vtx^ 
laufen l^iftorifd^e SKomente unb toie gut nel^men fie ftd^ 
in ber Sefd^reibung auö. Qd^ warte auf bie Sttenbjeitung. 
äd^, roa^ finb grofee SRontente! ©efiem gegen 9 Ubr ging 
id^ in bie ©tabt big jum $alai^ beiS Äaiferö. Sig ju 
Äranjler^ ®dfe waren bie Sinben, bie [x^ äberl^aupt burd^ 
Sangeroeile aui^jeid^nen, foloffal langroeilig, beinal^e öbe; 
bei 6af6 Sauer fing baö ©ebränge an unb fefete fld^ bü5 
jum 5ßalai^ l^in fort; bie aWenf($en aber fallen glei($falfö 
unglaublid^ gelangroeilt aug, unb id^ empfing einen gerabeju 
Hägli($en ©inbrurf. 3lx^t^ t)on ®eift, t)on Seben, t)on 
Siebe ober SJeilnal^me. SRur einem elenben ©d^aubebürfni^ 
l^ingegeben, fianben SJaufenbe ba; ber Siegen brippte 
oon ben Schirmen, unb mie Äretin^ fallen fie nad^ bem 
5ßalai^ l^inüber. Qd^ mill jugeben, ba§ eö nid^t anber^ 
fein fann unb bafe, menn ein 91er fürbt, eine SBeoöIferung 
nid^t in SJränen jerftie^en fann; menn man bann aber 

ben 3^tt^^8^i^öi>^ K^fi^ ^<^^^ ^felt ^i^^^ i^i^ furd^t^ 
bare Säge. 

eben fommt aWama au^ bem SReic^^tage jurüdf. 
Slatürlid^ l^at pe nid^t^ oerflanben, nur baö SBBort 
,,^ebrid^ III.", maö freilid^ in fid^ erfd^üttemb mirft. 
SBeld^e SBergleid^e brdngen fid^ auf! II. unb III., ein 
Sieger, über affe^ triumpl^ierenb unb — ein ©terbenber. 
3tn übrigen, oon einem golgenfönnen ber furjen Slnfprad^e 
feine SRebe. S^rofebem ift 3Kama glüdflic^, 3^^9^ i>^^ Ö^^ 
gangem gemefen ju fein, ber ergreifenb gemefen fein foH. 
3)ie alten Ferren alle in SJranen, 33i8mardt l^od^rot, faput 
unb nur mit Slnftrengung fpred^enb. 

11* 



164 S^. foxxtottt» tirief£ mt r^ehte iFamttie. 

3luf Heine perfönlid^e Slngelegenl^etten mag ii) l^eute 
roetter md^t eingel^n. ©tüfee plante %ma unb ba^ ganje 
Qan^. SGBie Immer S)ein alter «Bapo- 



271) Serlin, b. 10. STOorj 1888. 

aRetne liebe aRete. 

3l^r mußtet ei8 fd^on 9V2 Ul^r, mir erfl um 11 Ul^r. 
S)er alte SGBife. SDer 3laum ifl ein übermunbener ©tanb=^ 
punft, unb in ^ongfong fpred^en fie fd^on im Älub t)on 
einer ©ad^e, bie ber am Xatoxt um bie 6dfe SQBol^nenbe 
erft mel^rere ©tunben fpäter erfdl^rt. ©o mirfl SDu, 
fpejieff im SGBittefc^en ^aufe, über alle ©efd^el^niffe beffer 
unterrid^tet fein unb mel^r Debatten l^ören unb ©rregungen 
fel^n, afe mir l^ier in unferm SRaufelod^. (Sin @IM, bafe 
e§ 3^ttw^fl^tt 0if fö^ft fäfe^ man ganj auf bem SIrodfnen. 

©eftem abenb la^ un§ aWama bie Sii^mardfrebe au^ 
ber SBoffin t)or, bie fie fünf ©tunben t)or^er im 3leid^^tag 
gel^ört l^atte. ^^ jal^Ie biefe Mebe ju bem ©d^önjlen, 
Älügften, SebeutungöooIIflen, wa^ er je gefprod^en l^at. 
SDenn mal^renb er anfd^einenb eine SIrauerrebe l^ält, in 
ber er feinen ©efül^Ien einfad^ Slui^brudf gibt, ifi e^ in 
SBBal^rl^eit eine eminent politifd^e SRebe, burd^ ^ert)orl^ebung 
beffen, roa^ bem Äaifer in feinen legten Sebenötagen ein 
SJroft unb eine ^eube gemefen fei: ha^ ^infd^minben be^ 
partifulariftifd^en ©efül^fe, bie greube am SReid^ unb ba^ 
©d^meigen ber 5ßarteiungen in ber großen SBel^rfrage ht& 
SanbeiS. Seibeö: avis au lecteur. SDie ©onberbünbler 
unb bie gortf($rittIer fotten baburd^ faptiriert merben. 
Db e§ ^ilft, ift eine anbere ^age. ©el^r intereffant ift 
ber erla§ beö Äaiferö ^ebrid^ in ber 2;rauerfrage, 
fein erfter ©riafe. aRan fielet an einem ©trol^i^alm am 
l^efien, m ber 2Binb l^erfommt, unb bie ©teHung be§ 



1888. 165 

neuen Äotferö ju biefet relatit) Keinen ©ad^e fennjei($net 
ben ganjen SRann. SBoff ®üte, gelnl^eit, SBomel^ml^eit; 
nvix fein S^^^fl^ ^^^ i^^^^ Süge! Slber bod^ von oom^ 
herein SBenoirtung ftiftenb. SBötter verlangen Seftimmt^ 
l^eiten unb Sefel^le. SDa^ „xn^ Selieben fteHen'' gel^t faum 
im ^ßtioatleben, im ©taatöleben gemife nid^t. 

©eftem f)at S^mael ®en| mein 5ßortxät gebrad^t; 
id^ finbe ^^ fel^r gut, bie anbetn tabeln e^. — gräulein 
SieiSd^en bleibt nun mol^I UDd^ eine SBBod^e, um, ate 
©d^önfte^ il^re^ Slufentl^ate, eine gto§e 3;rauerfeierlid^feit 
mit l^eimjunel^men. 

3;aufenb ©rüfee atterfeitig unb einen ftu§ von SDeinem 

272) S erlin, b. 11. aRorj 1888. 

SReine liebe aRete. 

©^ ift 7 Ul^r. 3n biefem SlugenblidEe mirb mol^I 
Si^mardf in ben ©alonmagen feinet neuen Äaifer^ fteigen 
unb 5ßuttfamer fein Urteil t)on ber ©tirn ber Äaiferin 
l^erunterlefen. ®ig mirb t)ermutlid& lauten: ©na'be über 
©ered^te unb Ungered^te. 

©eftem abenb brad^te bie SSoffin, jiemlid^ unten auf 
ber erften ©palte, eine fel^r merfmürbige, entmeber fel^r 
fül^ne unb fidlere ober aber fel^r unrorfid^tige ©teile, bie 
mir au^jubrüden fd^ien (natürlid^ alle^ oerfd^mollen unb 
fel^r bunfel gehalten), ba§ nn^ bie blofee ©fifienj 
griebrid^^ III., fo lange fte bauere, vox einem großen 
Unglüdf bewal^re. SBenn bem 5ßrinjen SBill^elm, nun 
Äronprinj, biefe ©teile gejeigt mirb, fo mirb er fid^ freuen. 
S)ie gortfd^ritt^partei operiert mieber mit gemol^nter ©e^^ 
fd^idflid^feit. 3d^ will niemanben ^erouiSforbem, am 
toenigjlen S)einen lieben Dnfel SBitte, ber feine ©ad^e 



166 S^* ^ontaan tirteft an f^nt iFontUie. 

(bag ^anbeföpolitifd^e) gen)t§ rovmbttüoU vttfUf)t; ober 
bafe bie gottfd^xtttlet fd^Ied^te ^olitifer, weil fd^led^te 
SMplomaten unb roomöglid^ nod^ fd^led^tcre 2Kenfd^etts= unb 
^ßreufeenfenner finb, bag fielet mir feft, ba^ l^aben fie 
ju oft bewiefen. 3it^ä($fi gelten fie einer graufamen &xU 
täufd^ung entgegen unb über ein Äleine^ einem großen 
Älabberabatf($. Operiere mit SBorfiel^enbem rorfid^tig. 
SBBie immer S)ein alter ^ava. 



273) Serlin, b. 13. SÄarj 1888. 

a)leine liebe aRete. 
3Rama mirb SDir mol^I fd^on für SDeinen Srief gebanft 
l^aben; fie f)at mir aa^ bie erfte ©eite be^ irrigen vox^ 
gelefen, meü fie tool^I ^i^Ite, ba§ il^r biefe erfte (Seite fel^r 
gelungen mar, unb id^ l^abe mit meinem Sob nid^t jurürf^ 
gel^alten. ©^ ift aud^ meine el^rlid^e Überjeugung, bafe 
ber traurigfte ©tanbpunft, ben man einnel^men fann, 
ber be^ ^l^ilifteri^, be^ nild^temen Seffermifferi^ ifi, ber 
fid^ „sneering" neben fold^e elementaren ©rfd^einungen 
fteHt. SDenn elementar unb in il^rer Slrt grofe ift aud^ 
eineig SBolfeö 3leugier unb ©d^auluft, menn ein mit SRed^t 
gefeierter 91j[äl^riger Äaifer geftorben ift. Slber fo gern 
id^ bie^ jugebe, fo gemi§ id^ meife, bafe bei Äritif unb 
Slufttärung unb auf ben ®runb gel^n gar nid^t^ l^erau^- 
fommt, fo fann id^ bod^ biefe S)inge nid^t gläubig mit== 
mad^ en — 3)inge, von beren öol^ll^eit unb Süge id^ burd^- 
brungen bin. Qd^ mei§ mol^l: „SRur ber Qrrtum ifi ha^ 
Seben unb bie SBBa^r^eit ift ber %ob" — bag SEieffte, 
ma^ je über 3Kenfd^ unb 3Äenfd^enbinge gefagt morben ift. 
3lber mie ba^ 3;ieffte, fo bod^ jugleid^ baS 2;raurigfte. 
Semufet mirb, oon ftaifer unb Äönig an big jum Settier 
l^inunter, gelogen, üor allem fine beftänbige ©efül^te^ unb 



1888, 167 

©d^einl^eiligfeitöfomöbie aufgefül^rt. SBBo^ roir ©lauben 
nennen, ifl Sug unb 2;rug ober 3;änfd^ung ober ©tupibltät ; 
roa^ mx Sopalität nennen, ift SBorte{ttere($nung ; voa^ roir 
Siebe nennen, ift aHeig möglid^e, nur nteift nid^t Siebe; 
roa^ toir 33efenntni^treue nennen, ift 3led^t^aberei. „^a^ 
ift fein gleifd^ unb Slut'', „ha^ bebeutet fein gleifd^ 
unb Slut" — auf biefen Unterf($ieb l^in wirb oerbrannt 
unb geföpft, toerben ^unberttaufenbe in B^la^Un l^in^^ 
geopfert, unb eigentli($ — eine ^anbooff t)errü(ft=^fanatif(^er 
Pfaffen auiggenommen — ift e^ iebem gleid^gültig. 3($ 
^abe nod^ feinen fennen gelernt, bem e^ nid^t glei($gültig 
geroefen wäre, felbft unfre gute alte SB. ift au fond mel^r 
für gafan ober gor Sluftem, bei benen fie iebe^mal ein 
anbad^tigeig ©efld^t annimmt. 

aille^ ^ö($fte unb ^eiligfte fommt ja im Seben mxtli^ 
einmal oor ; ober richtiger, t^ gibt emfte, tiefe Über jeugungen 
(bie brum no($ lange ni($t bie SBal^r^eit ju fein brau($en), 
für bie gelegentli($ ein einzelner el^rlic^ ftirbt. aber biefer 
einjelne ift ber S^ropfen Urtinftur im Djean. S)er Djean 
ift nid&tige«, inbifferente« SBaffer. Unb bie 3Kenf(J^l^eit ift 
nod^ lange nid^t SBaffer, fonbem blofe ©umpf, mit ^n^ 
fuforien in jebem 3;ropfen, oor benen man, menn man 
fie fielet, ein ©rauen unb ©d^aubem empfinbet. SDer alte 
aSill^elm, afe oor Qal^r unb 2;ag ba^ SBoIföanfammeln oor 
feinem genfler aWobe mürbe, fagte: „S)iefelben SRenfd^en, 
mtnn ein politifc^er Umfd^Iag eintritt, jerrei^en mid^." 
3bxx JU mal^r. SSBir ^aben nur ba^ bifed^en Äunfi unb 
SGBiffenfd^aft, ba^ unig, in el^rlid^er Slrbeit, über un^ erl^ebt 
unb l^aben ate 33efte^ — bie SRatur. Slffe^ anbre ift 
3ßumpife, unb je mel^r Särm unb patriotifd^er SRabau, befto 
mel^r. ©ig l^at aUt^ gar feinen aBert. Slber man mu§ 
eig gel^n laffen unb auc^ fd^Iie^Iid^ noc^ fo tun, afe freue 
man fid^ barüber. SDenn um eö ju mieberi^olen, bag anbre 



168 S^« Jfontawai tirtefe cm f^e iFotnUie. 

ift 6lo§ langroetliger, aber nid^t Keffer. SBit fieden f($Iimm 
brin; ha^ i^eifet SRenfd^ fein. 

Slbenbö- 
eigentlich wollte id^ l^eute mittag über bie „^xo^ 
flamation'' fpted^en unb über ben noc^ t)iel, vUl n)i($tigeren 
@tla§ griebricJ^iS IIL an Siömard. 2lfe mir 3Kama bie^ 
©d^reiben l^eute frül^ vorlag, l^atte id^ ben ©inbrudf: in 
ber Slnerfennung mau unb flau (nur fo gcrabe ba^ 
SRötigfte), in ber Äritif meitgel^enb unb eigentlid^ bie 
ganje Si^mardffd^e ^ßolitif umfaffenb. Äeine Snberungen 
im SBal^Igefefe, nid^t „offene ©timme" ftatt 3^ttel, feine 
Snberung in ben SBal^Iperioben, feine SKaigefefee unb 
t)or allem auc^ feine 2lufl^ebung ber SRaigefefee, feine 
©tödferei, fein Äögelfd^er Drtl^oboji^muiS, fein Sinti- 
femitiMu^, feine befionbig mad^fenbe Sa:S)l ber Slrmee^ 
jiffer (er betont nur bie „2lu^bilbung" unb bie 
„Drganifation" ber Slrmee), fein ©taat^fojiali^muö, fein 
unbebingte^ 2lnred^t auf airbeit unb ^ilfe, feine ©teuer- 
fd^raube, feine „^ßrämienmirtfd^aft", ma^rfd^einlid^ aud^ 
fein 2;abafmonopoI ! aWit anbem SBorten, aHe^ anberö, 
afe e^ mar; in feiner gorm unb mit oorläufiger Um- 
gel^ung ber fogenannten „äußeren Silagen", eine totale 
SSerurteilung ober bod^ minbefteni^ 2lnjmeiflung ber ge^ 
famten Si^mardffd^en ^olitif. SDa§ Si^mardf in 5ßerfon 
feit geftem ober oorgeftem eine „SBenenentjünbung" l^at, 
ifl mir nur ju begreiflid^. ©off nad^ biefem Programm 
gemirtfc^aftet werben, fo bleibt fein ©tein auf bem anbem; 
nid^t nur SBi^mardf, äffe SRinifter erl^alten eine HB., 
5ßuttfamer an ber ©pifee, bann ©d^olj, bann ©ofeler, 
bann Suciu^; nur griebberg fommt glatt burd^ unb erl^ält, 
übrigen^ mol^loerbient, ben ©d^mai^en Slblerorben. SDorüber 
3ubel in 3«raeL 



1888. 169 

3($ fptad^ mic^ fd^on l^eute ootmittag über ba^ 33e« 
brol^Il($e biefer ©ttuatton au^. 3Kama wollte nid^t red^t 
baran glauben— „ad^, SDu tebeft immer". SRun ifi t)or einer 
©tunbe baig Slbenbblatt ber SSoffin gefommen, unb nun 
^at fie'^ fd^marj auf mei§. Qd^ l^abe nid^t orgmöl^nifd^ 
ober fd^marjfe^erifd^ geurteilt; e^ ift Mar, ba§ bie fort- 
fd^rittlid^e 5ßartei bie ©ad^e gerabe fo anfielet mie id^ unb 
in biefem fanften, füllen, referoierten ^Programm eine 
ÄriegöerHärung erblidft. aber mäl^renb fl($ ber gortfd^ritt 
biefer oerftedtten unb bod^ ganj beutlid^en Äriegöerflärung 
gegen SBiMardf freut, erfd^redfe id^ baoor. 33i^mardf fann 
baö nid^t rul^ig einftedfen, aud^ bann nid^t, wenn ber 
Äaifer il^n bittet, ju bleiben, unb bie 3KögIid^feit einer 
aSerföl^nung auf biefem ober ienem 5ßunfte in Sluigfid^t 
ftellt. 3)ag '^t^av^n ift ju ftarf. Si^mardf fann nur 
bleiben, menn er mit SBergmann gefprod^en unb oon biefem 
gehört l^at: „SDrei SBod^en ober fed^ö ober neun; aber 
nid^t mel^r." SDann fann er fid^ bejmingen unb bi^ 
^flngften feiner SBenenentjünbung leben. 2lber ob e^ furj 
ober lange bauert, oiele fold^e ©pperimente, bie, menn 
meiter nid^tg, minbeftenö eine foloffale ©torfung ber 
Dppofition bebeuten, l^ält ber ©taat nid^t au^. Äeine^^ 
faHö fönnen fie ju feinem ©ebeil^en beitragen. „SBerlin 
in fd^marj" intereffiert mid^ gar nid^t (aSlt^ 33Ied^ unb 
©trafeenfomöbie), aber „Si^mardf in fd^mai^" unb feine 
^olitif auf bem ÄatafaH tot au^gefteHt unb mit gingem 
barauf gemiefen — bag intereffiert mid^. ©^ ift, mie 
menn ©labftone ober 5ßrinj ßonfort Siebioiouig an bie 
^Regierung gefommen mären. ,;®rau, teurer ^eunb, ifi 
alle 2;i^eorie." 

SBBie immer SDein alter ajopa. 



170 S^. Jfordanti tiriefe cm fOnt iFotnUie. 

274) »etlin, b. 14. 2Käri 1888. 

3Keine Hebe SRete. 

SRatütltd^ fliegen 20 3^itungen but($ 6uer ^au^, i(§ 
toetfe ober bod^ nid^t, ob baig berliner 3;ageblatt bajmfd^en 
Ift uTtb toenn, ob 3^^ l^^^^ Srtuntmer eine befonbere Sluf^ 
metffamfeit f($enft. ^eö^alb fd^ide id^ ba^ einliegenbe 
Slatt, baö id^ geftem abenb gefauft l^abe unb baig mid^, 
afe l(^ e^ la^, in grofee 2lufregung oetfe^te. SBBo^ id^ 
jtoei ©tunben oorl^er in ber SBoffin in einet oerJ^ältni^j^ 
mäfeig referoietten ©prad^e gelefen l^atte, ba^ tritt nun 
l^ier in aller 3lol^eit, in affer ©d^abemadffreube i^eroor. 
galftaff tritt an ben toten 5ßercp ^eran, unb nad^bem er 
fid^ überjeugt, bafe er tot fei, pieft er mit feinem ©äbel 
in i^m ^erum. Unb l^at nun ^elbenblut an feinem 
Ärötenfpie§. 

3)er ©inbrudf ift gerabeju miberlic^. ©eflem nod^ ber 
aRann, ber ben ©rbbaff in ^änben ^ielt, l^eute nur nod^ 
baju ba — nad^ bem ©rösten, bog politifd^ in einem 
Sa^rtaufenb geleiftet morben ift (benn baö grieberijia=j 
nifd^e ifi Heiner unb ba^ SRapoIeonifd^e flüd^tiger ge^ 
mefen) — fid^ fagen laffen ju muffen: „er fei nur ein 
,SDiener' gemefen unb fönne, menn er l^übfd^ artig fein 
motte, in feinem SJienftoer^öltniö bleiben". Unerl^ört; 
furd^tbar! ©in aWann mie SBitte, ber fid^, trofe ^artei^ 
fteffung, bie gäl^igfeit unb bie Suft, einen fo großen 3Rann 
JU mürbigen, nie ^at nehmen laffen, mu§ oor ©fei au^? 
fpudfen über fold^' ©eba^ren. Unb ba^ finb bann bie 
Slcttter, monad^ ,,®efd^id^te'' gefd^rieben mirb. 3)iener 
unb mieber 3)iener. SRieberträd^tiger Unbanf, Unbanf — unb 
baö ift ba^ ©d^|immfte — mit l^ol^er polijeilid^er &c^ 
laubni^! SRun merben fie mol^l äffe au^ il^ren ©ümpfen 
unb ööl^len l^eraugfriec^en, i^m SKäfed^en mad^en unb il^n 
au^ötfd^en. SRad^ meinem ©efül^l fann unb barf er ba^ 



1888. 171 

nid^t ou^l^olten. Über ben ^ol^n ber 5ßreffe fäme er weg ; 
er i)at bie 5ßreffe nie gefd^ont, fie immer nur oeräd^tlid^ 
bel^anbelt unb fann fid^ nid^t wunbem, wenn fie'« il^m 
l^eimjal^It. 3lber roa^ finb benn bie ^ßrejsftimmen anber« 
afe baS @d^o beffen, roa^ oom 2;i^ron l^er gefprod^en 
tpurbe, leifer, aber rid^tenber. Travailler pour le Roi 
de Prusse. Qmmer fel^it e« lieber. Slber f o bod^ feiten. 
Unb babei tpal^rfd^einlid^ bie 2lnnal^me: „©Ott, er würbe 
jgürft', ber Heine, tjerfd^ulbete S)eid^l^auptmann, unb befi|t 
ben ©ad^fenwalb unb aWittionen. ©ei er bod^ jufrieben, 
er ift bejal^It". S)er 3Jlo^x f)at feine ©d^ulbigfeit 
getan, ber 3Jlo^x fann gel^n! 2lber nod^ l^at er nid^t 
au^gefpielt. 

SRad^bem id^ eben nod^ bo« S^rauerjeremonieH für 
^eitag — gonj aufrid^tig ein ftiliftifd^e« 3WeiflerftüdE, 
baran ©d^riftfteHer bie ftunft ber Änappl^eit unb Älarl^eit 
lernen fönnen — burd^gelefen l^abe, wiff id^ meinen Srief 
fd^liejsen, aber bod^ nid^t ol^ne ju oielleid^t nötiger Stuf^^ 
l^ebung meine« SGBut^ unb Sommergefd^reie« einige« l^inju^ 
gefügt ju l^aben. S)aj5 ber 33rief be« Äaifer« an 33i«mard 
mel^r ftritif ol« Sewunberung au«brüdEt, ift mir un= 
jweif ell^aft , ebenfo, bajs bie 5ßreffe ben ©rief fo auffajst. 
%xoii attebem ift e« möglid^, bajs ba« äße« nid^t fo bitter^ 
böfe gemeint unb eigentlid^ nur eine fagon de parier 
ift. „©Ott, e« mvi^ bod^ am ®nbe 'toa« gefagt toerben." 
3ft e« fo, fo wirb ade«, wa« id^ gefagt unb gettagt l^abe, 
l^infctHig. 3!d^ glaube aber nid^t, bajs e« fo l^armlo« 
liegt, unb bie ncid^ften SBod^en ober oielleid^t 2^age fd^on, 
werben jeigen, wie ber ißafe läuft. 3d^ fürd^te, auf brei 
Seinen. 

S)ein alter 9ßapa. 



172 S^. ^Fontane« Briefe an fi^xvt iFamilie. 

275) SB erlitt, b. 15. aWatj 1888. 

aJicittc liebe SKete. 

3d^ fd^reibe l^eute ttur, weil S)u, ttad^ ber lebl^oftett 

ftorrefpottbettj biefer 2^age, tool^I aud^ morgett eittett 83rief 

ettoartett wirft, ^ä) befd^rättfe mid^ ober auf bie 3Rit= 

teiluttg : e^ l^at ttod^ ttiemattb von utt^ aud^ ttur eitte ©pur 

gefel^tt uub wirb e« mutrnajslid^ oud^ nunrgett uid^t. SRur 

wetttt bag SBetter oiel ntilber wirb, werbe id^ iu beu 

2^iergartett gel&tt, ober erfi um 1 Ul^r; ifi boutt alle« oott^ 

geftopft, fo feiere id^ um. aKoma bleibt natürlid^ ju fioufe 

unb fjroulein Sie^d^en l^at nod^ von geftem unb biefer 

SRad^t genug, ©ie war geftem obenb bei i^rer greunbin, 

grau Dr. S., bereu ®atte, SReferueoffijier, fid^ unb bie 

beiben 3)amen in ben S)om l^ineinfämpfen foHte. Dr. S. 

wu^te aber t)on biefem 5ßlan feiner 2^l^u«nelba nid^t« unb 

blieb be^l^alb bi« I2V2 Ul^r in einem SBerein. %U er 

nad^ ißaufe fam, fanb er feine 35 er Seutnant^uniform 

mit glor umnäl^t, frod^ hinein unb filierte nun beibe 

S)amen bi« jum 3)om. 3)ort muffen fie«ungefal^r IV2 Ul^r 

angefommen fein. @« war aber unmöglid^, einjubringen. 

„SBa« wünfd^en ©ie, ißerr Seutnant?'^ fragte enblid^ ein 

fierr in S^^^U Dr. S. wollte tbtn pa|ig antworten, afö ber 

Öerr l^injufefete: ,,id^ bin ber 5ßoIijeipräfibent". S)en l^at 

er gefel^n, ben toten ftaifer nid^t. ©tjoa 2^/2 Ul^r würbe 

ber SRüdEjug angetreten unb etwa um 3 Ul^r war Sie^d^en 

oor unfrer ißau^tür. Slbfd^ieb; alle« ganj gut. Slber 

fd^on auf ber 2;reppe fiel ii^r ein: bie glur^ ober Äorribor^ 

tür oben wirb oerriegelt fein. JKd^tig; fo war e«. 

ftlingeln wollte fie nid^t. ©0 ging fie wieber treppab, 

über ben ^of, bie öitttertreppe l^inauf unb fefete fid^ auf 

bie oberjle ©tufe, ftüd^e linfö, ©oben red^t«, Älofett im 

aWidfen. ©in Stuf enthalt für ©ötter; babei 10 ®rab Äälte. 

e« mod^te 3, ^öd^ften« 3V4 U^r fein. 2luf biefer SCreppen^ 



1888. 173 

flufe fa§ jte nun btö naä) 6V2 Ul^r, alfo wenigften^ btei 
unb eine viertel ©tunbe. 3)ann tarn Qba. aWan fann 
bod^ aud^ ju rürffid^töroH unb ju — fd^aml^aft fein. 
3)ettn wenn fie geflingelt l^ätte, l^ätte fie mid^ freiltd^ im 
Öembe i^\^f)n, unb bei meiner oerfül^terifd^en ©eflolt ift 
ba§ fidler fein ©pa§. ©ie lebt nun l^eute oon 2^ee, ©oba^ 
Toaffer unb 3t^ahoxbtt. 

5ßoIitif mag id^ l^eute nid^t mel^r f d^reiben ; nur mein 
@ntfe|en über bie grenjenlofe Slinbl^eit ber gortfd^rittler 
ift in einem beftänbigen SBad^fen. Sie^, rotnn 3)u S)ir'§ 
oerfd^affen fannft, ba^ 3lbenbblatt ber l^eutigen SBoffin, 
ben Seitartifel, in bem oerfd^iebene ©teilen au^ ber RöU 
nifd^en mitgeteilt werben, ©tatt an biefen SÄitteilungen 
ber ftölnifd^en J^erumjubeuteln, il^r Unfeftftdnbigfeit unb 
SBiberfprüd^e tJorjumerfen, xoa^ olle^ nur SRebenfad^e ift, 
mul3te meiner 3Weinung nad^ ein Slatt t)on politifd^em, 
gefunben SÄenfd^enoerfianbe fid^ einfad^ bie ^age vox^ 
legen : „ift ba^, xoa^ bie ftölnifd^e fd^reibt, im mefentlid^en 
rid^ttg ober falfd^?" Unb ba§ e^ im mefentlid^en rid^tig 
ifi, barüber fann bod^ nur ein gortjd^rittler, bem immer 
ba^ ^rinjip unb ber SBunfd^ bie einfad^en 2^atfad^en 
oerbunfelt, im S^^^f^I f^i^- ®wtg SBogel ©traujs mit bem 
in ben ©anb geftedten ftopf. @^ mirb ein furd^tbar 
furje^ S^terrepum fein, unb e^ ifi gut fo. S)ilettanti^mu^, 
mo nod^ tbtn ein 9Äeiftert)irtuo§ bie ®eige fpielte. 

SBie immer 2)ein alter 3iava. 



276) SB erlin, b. 9. 3Äai 1888. 

3Äein lieber, alter S^l^eo. 

©d^on längft l^ätte id^ S)ir 'mal mieber gefd^rieben, 

menn id^ nid^t, unb jmar mit immer fteigenbem ©fer, 

mit ber 3uenbefül^rung meinet neuen SRomang befd^aftigt ge^ 



174 S^. Jfimtme§ Briefe an feint JttmUie. 

wefen wäre. SRun tfi er, im SJrouiUott fertig, Dorläujtg bei^» 
fette gef droben, ^itel: „%tau Äommerjietirätin" ober ,Mo 
fid^ ißerj jum ißei^en finb't". 3)ie^ ifi bie ©d^Iu^jeile eines 
fentintentalenSieblittgSliebeS, baSbie öOidJ^rigeÄommerjiens: 
rätin im engeren 3^^^^ befiänbig fingt unb burd^ baS pe 
fid^ 3lnfprud^ auf ba§ „ißöl^ere" erwirbt, mäl^renb il^r in 
SEBal^rl^eit nur bag Äommerjienrätlid^e, roitt fagen riel 
(Selb, ba§ „©öi^ere" bebeutet. 3medE ber ©efd^id^te: ba§ 
fiol^Ie, 5ßl^rafen^afte, Süperifd^e, ißod^mütige, ^örtl^wrjige 
be§ Sourgeoigj^StanbpunfeS ju jeigen, ber von ©dritter 
fprid^t unb ©erfon meint, ^ä) fd^Iie^e mit biefer ®e^ 
fd^id^te ben Sv^^^ meiner berliner fRomant ab. 6« flnb 
fed^^ im ganjen, unb id^ l^abe t)or, rotnn mir nod^ ein 
paar Qal^re oergönnt finb, mit einem ganj battobe^fen 
l^iftorifd^en dioman, ber um 1400 fpielt, abjufd^Iie^en. 
S)ie Seute mögen bann fel^n, ba§ id^ auf S^^Iogifd^en 
©arten unb i&andetö Ablage nid^t eingefd^moren bin unb 
baj5 id^ imftanbe bin, meine ^erfonen ebenfogut eine 
©implijitdt^fprad^e mie bie Summet ober ©eifkeid^igfeitg« 
fprad^e be^ berliner ©alonö fpred^en ju laffen*). 

3;d^ fage: ,,bie Seute mögen bann fel^n", — ja „pe 
mögen", aber fie werben nid^t; benn ba^ Duantum oon 
©leid^gültigfeit, baö bie SÄenfd^en attem entgegentragen, 
Toag nid^t 3Jiobefad^e ift, ift foloffal. ®§ ifi fo gro§, ba§ 
e§ beifpieteroeife ein fjel^ler ifi, fid^ gegen einen I^Smifd^en 
Singriff ju oerteibigen ober aud^ nur einen groben S)rudE^ 
f eitler ju forrigieren; benn oon einer B^^tung^nummer big 
jur anbem ifi fd^on alle§ mieber oergeffen, ber S)rudffel^Ier 

*) 2)tc SCuSfül^tutiQ bicfeS ^^lancg ifi öon gfontonc toiebetl^oü 
l^tnaudgefcl^oben, aber ntemalg ganj aufgegeben tvotben. 2)et Slontan, 
betn botlöuftg bet Sattel »2)te Sigebelet" ^ugebad^t toot, foHte bie 
fjalh faQent)aftett ©efialten öon Älaud ©tbttebefet unb (Bobefe aJltd^cl 
au gelben l^aben. 



1888. 175 

gcTt)t§, aber aud^ bie SBerleumbung. ^eunbf(ä^aft unb 
Siebe Derfd^winben immer mel^r; in ber ^amilie fommen 
biefe Suju^artifel nod^ vor, meil bie gamilie nid^tö ifi 
ofe ein auf 3 ober 5 (l^öl^ere B^^ten fel^r feiten) er^ 
meiterteS Snbiüibuum, ba§ von ein unb bemfelben @goi§^ 
mu§ ittfpiriert mirb; ba tommt bann noä) ein annctl^emb 
gemeinfd^aftlid^e^ ^l^len t)or, unb bie Serül^rungen mit 
bem ihtotenfiod ober mit brei 5ßfauenfebem, mie fxe bem 
einen juteil werben, treffen ben anbem mit. 3lber fo 
mie man über ben Ärei^ ber ^amilie l^inau^ ifi, beginnt 
bie ©al^ara; bann unb mann eine Dafe mit einem Saum 
unb einem DueH, fonfi nur SBüfiengeier unb bie 2^rümmer 
ber armen Äamele, bie oor einem beö SBege^ jogen unb 
jämmerlid^ umfamen in ©anb unb mieber ©anb. 

S)a l^afi S)u meine (Stimmung. Qe mel^r fie mad^ft, 
je mel^r id^ mid^ baoon überjeuge, ba§ fxe, fo fd^Ied^t fie 
ifi, immer nod^ nid^t fd^Ied^t genug ift — benn bie SRatur 
fd^uf mid^ jum Dptimifien unb ißeiterfel^er — je mel^r, 
fag' id^, id^ mid^ gejmungenermafeen oon ber einjigen 
Sered^tigung beö ^effimi^mu^ überjeuge, befto mel^r jiel^e 
id^ mid^ in meine Älaufe jurüd unb meibe bie SJerül^rung 
mit ben 3Jienfd^en, bie faft immer unangenel^m ift. ©in 
großer ^eil ber ©d^ulb mirb mol^I aud^ an mir felbfl 
liegen, ja, id^ mürbe geneigt fein, il^n nur in mir ju 
fud^en, menn e§ nid^t fo oiele 3lbfd^nitte in meinem üthtn 
gäbe, bie mir ben SJemeiö liefern, ba§ eö bod^ aud^ an 
ber Slu^enmelt liegen mu§. Qu ber ^embe (gnglanb, 
granfreid^) finb mir bie J^äfsHd^en ©efül^Ie, bie mid^ in 
unfrer ©tabt 33erlin bebrSngen, erfpart geblieben, unb 
xotnn id^ im ©ommer brei 3Jionate lang im SRiefengebirge 
bin unb in Ärumml^übel, Slm^borf, ©d^miebeberg, ©rb^^ 
mann^borf mel^r ©efettfd^aften mitmad^e afe in neun 
3Wonaten in 33erlin, fo bleiben mir aud^ an biefen 5piä|en 



176 V^. Jftndttttt% iSriefe an fttne JraM\t. 

Scrfümmuttgett unb ärgemtffe crfpart & mufe alfo 
bod^ an ber gtü^tn ©tabt liegen. @S fel^tt oHe^ Sßol^I- 
tootten, affe^ Sntereffe; ieber tfl iebem nur imSBege, unb 
was Ä. 'mal von ©. fagte: ,,er ärgert ftd^, wenn bie 
Äucca in 3ltn> S)orf 17mal J^erouggerufen wirb, benn ©. 
fagt ftd^ bann in feiner (Kgenfd^aft ate internationaler 
©d^riftfieffer: bie ©efamtroelt fann nur ein befHmmte^ 
Duantum von ®ntl^ufta§mu^ aufbringen, unb romn bie Äucca 
}u vkl ixtoon wegfrißt, fo mu§ mein Slnteil notmenbig 
geringer werben," — bie^ S.fd^e SBort pa^t auf unfer 
berliner Äeben non 9iummer ju Plummer, nor allem auf 
S. fettfl, ber ben guten ©. nur burd^ ©nblidE in bie 
eigne freie ©eele fo gut d^oralterifteren tonnte. 

2)u bifl nun feit ein paar 3al^ren Beamter unb 
mirfl mol^I au^ eigner SBal^mel^mung, um nid^t ju fagen 
©rfal^rung, ba^ Sorl^anbenfein jene^ fd^önmenfd^Iid^en 
3uge§, ber ftd^ 3leib nennt, beftStigen Unmn. S)ag oft= 
gemäl^Ite 93ilb oon ber Sereftna^sSrüdfe mirb immer 
majorer. Qnbeffen, eg ifl mie e^ ifi, unb mel^e bem, ber 
fein ißerj barüber mit 2^rauer fütten miff; man fann 
feinen ^ßefftmi^mu^ aud^ in rot, ja in jeiftggrün Heiben 
unb il^n auf ö^terfeit abrid^ten. 3Äel^r, man fann aud^ 
mirflid^ mieber l^eiter babei werben, oorauSgefefet, ba^ 
man ein glüdflid^e^ ^Temperament l^at. 3Äan erfennt }u== 
Ie|t in allem ein ®efe|, überjeugt ftd^, bafe eg nie anber^ 
mar unb flnbet für fid^ perfönlid^ fein ®enüge in Arbeit 
unb ^ßPid^terfüttung. S)a§ ben a)ingen fd^arf in« ©efid^t 
fel^n, ifi nur momentan fd^redflid^ ; balb gemöl^nt man fid^ 
nid^t nur baran, fonbem flnbet in ber gewonnenen @rs 
fenntni«, aud^ wenn bie ^beale barüber in bie 83rüd^e 
gingen, eine nid^t geringe Sefriebigung. 2)ie l^öd^^e 
SRul^egebung aber fommt einem au« bem memento 
mori unb eine SSiertelftunbe auf bem Äid^terfelber ^eb^ 



1888. 177 

l^of rüdEt einen immer mteb.et jured^t. ^eilid^ immer 
nod^ nid^t bouemb genug. Qmmer nod^ mieber SWdffäffe 
in ba^, roaS bie frommen ba^ Srbifd^e nennen. ®^ gel^t 
aud^ nid^t gut anberg, meil einem fonfi nid^tö bleibt aU 
bo« Äbfier ober ba» ©pital. ftlofier ginge, ©pital nid^t. 
3lud^ l^ierin finb un^ bie ftatl^olifen um einen ©d^ritt 
tjorau^. 3lrmer Äutl^er, fo oiel ©egen unb fo oiel fjlwd^ ! 

3d^ mar geftem in Sid^terfelbe; ba^ ©rab unfere^ 
©eorge mürbe, oon ©ctrtner unb ^Totengräber, gerabe 
feiner oergilbten Äranjmaffe entfleibet unb fal^ au§ mie 
ein Heiner, niebrige^ ©anbbeet; id^ fonnte meinen Äranj 
nid^t 'mal nieberlegen unb mu§te il^n über ben SRofen^: 
fkaud^ eine§ SRad^bargrabe^ l^angen. S)ann ging id^ mieber 
auf bie SRobertfd^e SBiffa ju; fie mirft auf mid^ jebe^mal, 
afe mare pe gebaut fär ©d^mermut, bebrüdtte« fierj unb 
unglüdEIid^e Siebe. SRid^t für eine aWillion jöge id^ ba 
l^inein. 3?ur ein 3)idfl^öuter, ber einen i^arem brin 
etabliert unb neue 5ßläne jur Sefd^minbelung ber 3Kenfd^= 
l^eit au^balbomert, nur ein fold^er fann ben 2^rauergeniu^ 
oon biefer ©tätte hannm; nur mit ganj (gemeinem ifi 
il^m beijufommen. 3Wd^t für eine SBelt nad^ Sid^terfelbe 
in bie ©ommerfrifd^e, aber trgenbmo mu§ fie bod^ ge^ 
nommen werben unb id^ l^abe oor, mid^ bie^mal im 3loxb^ 
ofien oon Serlin umjufel^n, an ber ©tettiner Sal^n ent^ 
lang. 3?ad^ Ärumml^übel gel^e id^ erft ®nbe augufl 

S)er Keine Sral^m, ber mid^ neulid^ befud^te, miH 
nad^ SBie^baben unb oon bort nad^ 5ßari§. ®g ifi nid^t 
mal^rfd^einlid^, ba§ er für einen oerfappten preu^ifd^en 
C)ffiäier gel^alten mirb ; felbft afö güftlier mürbe er immer 
ttod^ einer ®Etrafteffung am linfenglügel ber 12.5lompagnie 
bebürfen. ©ein ©d^iHerbud^ (fel^r gut) erfd^eint in ben 
nfid^fien klagen bei SB. ^erfe. ©r, ©d^I entleer, unb 
ein junger SÄaj o. SBalbberg (frül^er aud^ ein S^<^Q^ 

Z^. Bfotttanesertefe an feine SamUie. IL 12 



178 C^. fontemn Briefe an fdnt ittmilie. 

lofer)^ baju ©d^iff unb 9)tautl^ner^ l^aben fämtlid^ 
fel^r oui^fül^Iid^ unb fel^ onerfettncnb über ^^gmmgett 
aBitrungcn" gcfd^riebcn, fo bofe i(ä^ ol^ne Übertreibimg 
fagen fanti: id^ oerbanfe meine cerbefferte ©tettmig ober 
bod^ mein motnentane^ Slnfel^tt im beutfd^en SHd^tenoalb 
}um großem Steile beti „S^anq^^m''*). 2)ie Swö«^ M 
mid^ auf iJ^reti ©d^ilb erl^oben — ein ©reigni^, ba^ ju 
erleben, id^ nid^t mel^r erwartet l^atte. 

aWit öerfe l^abe id^ gefiem ju meiner ^eube einen 
Äontralt gemalt unb er mirb jum ©pät^erbfl ein bidfeg 
a3ud^ von mir „%ünj ©d^löffer", SKte^ unb 3leueg au« 
ber a»arf Sranbenburg, bringen. 9iatürlid^ ifi e« eine ärt 
gortfeftung ju ben „SBanberungen", aber bod^ etma« 
anber«, unb miH feinen eignen SBeg gelten. 

aJiama unb SWete grüben. Unter @m^ unb Äu§ an 
©d^miegertöd^terd^en unb ©nfel S)ein alter Sßcma. 



277) »erlin, b. 15. 3uni 1888. 

3Äeine Bebe aWete. 
®« ifi nun mieber mie immer: menn 3)u fort bift, 
fierben ftaifer unb Äönige. f^ür mid^ l^at ba« grolle ©r^ 
eigni« ba« eine ®ute: ba^ id^ ben SBilbenbrud^fd^en 
„SÄennoniten" nid^t ju fel^n unb, ma§ nod^ mid^tiger ifi, 
nid^t brüber ju fd^reiben braud^e. ©efiem abenb l^atten 
fierrlid^ unb x^ fd^on bie feierlid^e 2^obe«anjeige für« 



*) 2)ic »Stoanölofcn" pnb eine, am 22. Sanuar 1884 in SBcrlitt 
beötünbetc Äneipöefettfd^af t , bic pc^ {eben S^^cttag bctfammelt. 3« 
il^t qitf^Mm ober gel^5ren Sfontaned @5]^ne (Beotge unb Sil^eobor. 
g?etnet u. a. Otto SBral^m, gf^i^ SWaut^ner, Dr. med. 6mil ©d^tff 
(t 1899 aU Äotrcfp. b. »!R. g^r. ^t.-), ^aul ©d^lcntl^cr. SWaj 
D. äßolbbetQ, Umt).*$tofeffot in ^etbelberg^ n^at bei feinen berliner 
Sefud^en l^dufiget 9cifl bei 3^<Knolofen. 



1888. 179 

„Sol^atttttterblatt" reWgtert. @r xoax babei fel^r oernünftig, 
,,S8orbereitet" xoax tpol^l übetl^aupt aUe^, nur unfer vis-ä-vis 
SReumann nid^t, ber eine bretmal burd^Iöd^erte glagge 
^albtnaft aufgejogen ^at 

5)ie 2^etlna^tne ber SetJölferung i% glaube td^, gröjser 
unb el^rltd^er afe beim 2^obe beö alten aBill^elm. ftann 
aud^ nid^t onber^ fein. Qeber SBemünftige l^atte bamafö 
bag Oefül^I: ,/« ift aud^ 3eit", tpfil^renb j[e|t ein gaU 
gegeben ift, wo fxd^ nid^t ba^ ©ewöl^nlid^e, fonbem ein 
©d^redflid^e^ unb ©rfd^ütternbe^ ooUjiel^t, ba§ jeben baran 
mal^nt, wie geuer t)om iöintmel fallen unb ©obom unb 
@omon^a jerftören, unb bie neugierigen Sofen — bie 
nid^t au^fterben — in eine ©aljfäule tjertoanbeln fann. — 
aSag id^ eben in einer S^ttung la^, ift wal^r: jeber l^at 
einen S)anf auf ber Sippe bafür, bajs bieg Dualenleben 
toenigfteng ol^ne Dual erlofd^en ift. @r ift eingefd^lafen, 
unb bie gräjslid^e ^ßl^rafe, „x^m ift wol^r', wirb bie^mal 
TOol^l eine SBal^rl^eit fein, aud^ wenn er über Seib unb 
greube gleid^mäjsig l^inau^ ift. 

SBorgeftem waren wir bei ißet^ben^, wo id^ mid^ auf 
bem fleinen SSalfon natürlid^ riefig erfältete. S)ie junge 
grau, neben ber id^ bei ^ifd^ fajs, gefiel mir au^nel^menb ; 
id^ finbe fie aud^ nid^t J^äl^lid^, faft im ©egenteil. Über^ 
l^aupt, wag l^eifet l^äjslid^? 2Bag mir gefällt, mein Dl^r, 
mein 3luge angenel^m berül^rt, bag ift l^übfd^. ©injelne 
Sinien l^aben eine Slrt SBorred^t, aber nid^t ein aug^ 
fd^lie^lid^eg SRed^t. 3lud^ ba mujs man gegen SÄonopole eifern. 

Saßie immer S)ein alter ^apa. 

278) SB erlin, b. 17. 3uni 1888. 

Steine liebe aWete. 
a)er neue ftrumml^übler ^laxi ift ja gonj oorjüglid^ 
unb wirb @ure 5ßofition fel^r oerbeffem; eine beffere Sfteifes 

12* 



180 S^. JfoxAaxüMi tirtefe cm f^e jfawXdt. 

genofftn bejto. 3letfemuttcr afe plante SBitte tfi ja gar 
ni(ä^t ju benfen; c^ tontpltjiert S)e{ne Stuf gäbe unb — ei> 
leid^tert fie bod^ jugleid^. Qn einem S5tiefe oon grieb^ 
länber fanb fi(ä^ oud^ eine Heine ©tbntann^borfer 
Slnefbote. ^ßtinj ißeinrid^ ful^r tnit 3;rene oiel fpajieren, 
ben ftutfd^er leintet fid^. ©ine B^ß^i^ölerin fagte, fte 
wunbere ftd^, bafe ber 5ßtinj bem Äutfd^er erlaube, feine 
grau immer mitjunel^men. 

Ob 3ÄüIIer==®rote fd^on mit einem g^i ^^^ P^ ^^t 
einem 3lugenfd^Ieier jurüd ift, wei^ id^ nid^t. SSielleid^t 
f)at er bem ©ülfmeifier ober gor bem SRaubgrafen neue 
Slbfalgebiete eröffnet. 2;annl^äufer unb Surle^ pnb 
übrigen^ munberüoHe ißarem^gebid^te, befonber^ 2^ann^ 
l^clufer, beffen emig mieberfel^renbe ^oge eigentlid^ nur 
ba entfd^ieben werben fann. 

SBirb Dnfel SSBttte jur SReid^^tag^plung fommen? 
3m ganjen borf man — unbefd^abet tieffter S^eilnal^me — 
fagen: aUe^ atmet auf. Qeber l^at ein ©efül^I: ber 
S)ilettanti^mu^, bie Saune, bie ©elbrertuerei l^at ein ®nbe 
unb georbnete 3wftanbe bred^en mieber an. ®§ ging nid^t 
mel^r fo weiter. 3d^ glaube, felbft ber ,,f5ortfd^ritt" ift 
in feinem ißerjen baron überjeugt unb nur bie 3;uben 
flfeen an ben SBaffem oon 33abpIon unb meinen, menn fte 
an 3^^^ benfen. ©ie finb unb bleiben einem poKtifd^ 
unoerftänblid^ ; fonft fo praftifd^, oerf allen fie politifd^ 
fofort ber 5ßl^raf e ; fie finb 5ßl^antomanbeter, Slnbeter eineg 
©otteg, ben fie fid^ erft mad^en. SEBie in altefter 3^^ 
immer SRüdEffiHe in ben Oöfeenbienfi. 3lber e^ Pft il^nen 
nid^t^; fie fd^reiben 3^itungen, aber nid^t — ©efd^id^te. 

Oel^' e^ S)ir gut. fierjfid^fle ©rü^e bem ganjen 
fiaufe. SBie immer S>ein alter 5Bapa. 



1888. 181 

279) »erlitt, b. 17. Sutti 1888. 

aJieitt lieber, alter Xf)to. 

Qabt S)attf für 3)eittett liebett ou^fül^rlid^ett ©rief. 
SBeife ber Fimmel, wie id^ baju tarn, meitt peffimiftifd^e^ 
^erj vox S)ir aufjubedett ; e« ift immer Hüger, e^ nid^t 
ju tutt, uttb bie jüttgere ©etteratiott mit fold^er fettilett 
aSei^l^eit ju oerfd^ottett, ift eigetttUd^ 5ßflid^t. 

^Utt ift aud^ ftaifer griebrid^ ju feittett SBätertt oer- 
fammelt. ©itt mal^re^ ®Iüd, bafe fid^ ber SBill^elmrabau 
ttid^t wieberl^olett fott. Sitte« ftitt. ©d^ott morgett jiel^t 
er itt bie griebett^fird^e eitt. S^^äd^ft ift matt ttod^ Uttter 
ber ^errfd^aft ber S^tt^ttfi^P^^^^f ^ ; ^^^« ^6er bie gro^ett 
aSaffer oerlaufett feitt werbe«, mirb mawd^eiS ©d^ötte am 
©trattbe aufgelefett toerbett föttttett. 3efet flttb e« ttod^ bie 
©olbfönter itt eittem ©d^effel Äleie. „Sente leibett, ol^tte 
ju Hagett", weld^e große föttiglid^e ^ittterloffettfd^aft; bie 
3)reimittutettfjette mit bem Äöttig oott ©d^mebett, mie er^ 
fd^ütterttb; mie rül^rettb ber SKomettt, mo er (mol^Imeife) 
bie ^anb feitter fjrou itt bie ^anb Si^mardE« legte; mie 
fd^ött Uttb Hug ba« SBort: „3d^ tt)üttfd^e fejiert ju merbett, 
bamit ba« ©ejättfe ber Srjte ttid^t meittett Xob über^ 
bauert." Uttb äl^ttlid^e« mirb tt)ol^l ttod^ tt)eiter^itt au« 
feittett lefetett Sebett«tagett befattttt merbett. 3)ie S^tuugett 
fd^mettfett übrigett« fd^ott eitt, uub SBUI^elm II., ber ttod^ 
oor brei Xagett eitte bebrol^lid^e ©rfd^eittuug roox, ift iefet 
bereit« eitt ^offttuuggebettber ^rft. 3?od^ brei SBod^ett, 
Uttb er ift eitt ©tertt. S)a« befte ift, baß feitt SWettfd^ att 
ftrieg glaubt; er xoxxt ja mol^I 'mal fommeu, aber e« 
fd^eittt tt)irÄid^, al« ob er auf atterentftefte gätte eitt^ 
gef d^rättft merbett fotte, xok beim S>uett, ba«, oou ©pielereiett 
abgefel^tt, aud^ felteuer tt)irb. 3e großartiger ber 8Ser=j 
ttid^tuttg«apparat, ie größer bie SSeratttmortuug uub 
bie ©orge. 



182 S^* äordamsi Briefe m \t\xtt iFamUie* 

3Äöge bcr ©ommer S)ir, 3)etner ^au unb ©urem 
jungen gute, gefunbe 2;age bringen. 

Unter ®ruj5 unb Äu§ 35ein alter ^ava. 

280) »f ritn, b. 6. 3uH 1888. 

aWeine liebe 3Äete. 

Qabt 35anf für S)einen atterltebfien ^umorbrief, ber 
t)on SRegen, verlornem Sadjal^n unb SBol^nung^not roenig 
merfen Iie§. ^a^ ung in biefem Qal^re bie Srotbaube 
tttoa^ l^öl^er gel^angen wirb, ifl fein Unglücf, unb palst e^ 
unö fd^Iie^Iid^ burd^au^ nid^t, fo fönnen wir ja umjiel^n — 
geteiltei^ Seib ift l^albeg Seib, unb geteilte 50 2^aler finb 
t^ erft red^t. 

3;d^ benfe mir übrigenjg, bajs 35u l^eute Sefannte ge^ 
funben l^aben wirft — ,,ein bijsd^en SEBerg finbet fid^ immer 
nod^''. Unb menn nid^t in Ärumml^übel, fo in 3lm^borf. 
ängftige 3)id^ nur nid^t unb nimm bie ©ad^e nid^t 
fd^mieriger afö nötig ; fo lange man nod^ ®elb unb SRüdE^ 
jug^linien l^at, gel^t aUe^. 

3d^ l^offe bie näd^fte SGBod^e in einer mir ju gönnenben 
S^rägl^eit l^injubringen. @^ finb nur nod^ ein paar SJriefe 
}u fd^reiben unb ein paar SJefud^e ju mad^en. ©onft ift 
ade« abgearbeitet, unb id^ bin orbentlid^ neugierig, auf 
ber Srotbaube ba^ 5ßafet ju öffnen unb bie Slätter roieber 
t)or Slugen ju l^aben, bie td^ vor jmei ^al^ren bei grau 
©dritter befd^rieb. SEBa^ wirb nai^ mieber jwei Qal^ren 
fein? ^tntt tarn bie SRad^rid^t von ©torm^ Xob. aber 
mit SJled^muftf immer weiter unb immer l^eiter oorwärtg, 
bi^ man felber faßt. 9Jur feine ©entimentalitäten. SBa^ 
ba« ©d^m^rjlid^fte ift, ift jugleid^ aud^ ba^ StUtSglid^fte 
unb ©leid^gültififte. 

aSie immer S)ein alter Sßaoa. 



1888. 183 

281) Serlin, b. 7. ^ult 1888. 

aWeine liebe SKete. 

aBann S)id^ biefe 3^^^^« etreid^en, fielet bal^in; benn 
bie ,,a3rotbaube", bie fd^ nun großartig aU 30)reffe an^ 
gegeben, gel^ött oielleid^t gor nid^t ju Ätuntml^übel unb 
tpirb möglid^ettoeife von 3lm^borf au^ belaufen. 

SebenfaUg wirft 35u beibe junge S)amen längft begrübt 
l^aben, wenn biefe 3^^^^^ ^^^ ^^^ eintreffen. 3lm be^ 
forgteften mad^te mid^ gip^, unb id^ gab biefer ©orge 
aud^ Slu^brudE, roa^ unferer lieben 3Kartl^a, glaub' id^, 
nid^t lieb war. S)enn fie l^ört fd^on fo mel Duängeleien 
über ben ißunb unb benft rielleid^t, er ift einent (foll 
l^eifeen: an^ mir) im SBege. Äeinei^meg^. Qd^ l^abe ein 
grojse« 3lttad^ement an ha^ amüfante Sieftd^en unb mag 
il^n afe ©rbftüd oon ©eorge nid^t miffen; aber er ift eine 
®ene. S)amit mujs man fid^ einleben, unb bei mand^en 
©elegenl^eiten, wie j. 33. bei fx)ld^er SReife, fteigert fid^ bie 
®ene, bie er auferlegt. Sitte, fage ©d^wiegertöd^terd^en 
ba^, bamit fie nid^t glaubt, id^ fei mit unter ben S8ers= 
fd^worenen. 

^eute mittag war id^ bei ©d^neiber SSafebow unb 
©d^ul^mad^er Kämpfer (ber fogar einen 3lml^eim in feinec 
©d^lafftube ^at), um mid^ aHmä^lid^ auf bie redete Steife^ 
l^öbe }u bringen. 3^ ^^ifd^ l^atten wir 33ratl^ed^t, etwa^, 
ba^ e^ auf ber Srotbaube fd^werlid^ gibt. S)a vm^ man 
fd^on bi^ ju ©d^olj l^inunterfteigen ober fulinarifd^ l^inauf. 
Öeute nad^ mittag fam ein junger 3Wann von 17 Qal^ren: 
@ugen SB. an^ ßiegnift unb überreid^te mir ein „^üi^ling^s 
lieb", weil er gern wiffen möd^te, ob er ein 3)id^ter fei. 
„SBo^l bem, ber frei oon ©d^ulb unb geißle" baoon bleibt. 
S)er glud^ be^ Säd^erlid^en, womit bie ganje Oefd^id^te 
bel^aftet ift, ift ba^ ©d^limmfte baron. 

S)ie alten fjreunbe unb ©enoffen faden linfö unb 



•184 V^. äoxdiom Briefe an S^^xtt iFatnilie. 

redete; „wie ©rurnntet" ufw. ißeute btad^tt bie Sßofftn 
bie 3ta^xxä)t vom .%obt Sllejanber ®en|'^. SRod^ vox 
jel^n ober jwölf Salären fagte er: „83Ba^ fofiet bie Oraf- 
fd^aft Shxppin?" Sefet wirb er faum ein ®rab in il^r 
fittben. 

SBie immer S)ein alter Sßaoa. 



282) »erlitt, b. 8. 3uli 1888. 

aJieitte liebe 3Kete. 
3ltte«, toaiS S)u fd^reibft, ift erfreulid^; oier ©tubett 
— toetitt tiid^t ju Meiti — fittb getiug, alle übrigeti Stb^ 
mad^ungett itt ber Silligfeit uttb fiöl^e erfreulid^, toeil bie 
grä^Iid^e ftod^erei fortfällt ober fid^ auf ©jtragerid^te be^ 
fd^rättft. SJafe ei8 iti 3lrtii8borf ttjieber fo ttett toar, l^at 
utt^ fel^r erfreut unb roentg überrafd^t — in fold^en 
Käufern, too man oiel ®elb unb ^Temperament l^at unb 
[id^ liebt unb l^a^t unb gelegentlid^ fid^ janft unb fd^eiben 
laffen toill, ift e^ immer am netteften unb in 5ßl^ilifter= 
l^äufern, toie beifpiefömeife bei 3?.^ (oielleid^t. fönnte id^ 
aud^ un^ mitred^nen, mir finb nur nod^ nid^t bumm genug), 
immer am langtoeiligften für 33efud^. Überl^aupt, gefegnete^ 
Sigeunertum! 3d^ mag nid^t fo leben, aber 2lbfted^er in 
bie^ 2tbtn l^inein finb eine malere ®rquitfung. Unb nun 
© d^ 1 j ! @rft joufeten mir nid^t tt)eld^er. S)er Sm^borfer 
lonnte e^ nid^t fein unb ber ginanjminifter aud^ nid^t. 
@nblid^ ging mir ein Sid^t auf: Älabberabatfd^ ! 3a, ba^ 
ift ein ganj famofer fterl, immer nod^ fd^öner 3Kann unb 
jel^r Hug. ®in bi^d^en ju fidler. 3d^ fd^rumpfe immer 
jufammen, menn id^ mit il^m fpred^e. @r l^at, bei freilid^ 
100 f ad^em @fpritma§, ttvoa^ oon ft., ber eine merftoürbige 
SBerquidfung oon ©d^reiblel^rer unb foburg^gotl^aifd^em 
3Äinifter toar. 



1888. 185 

griebel l^at mir ,,aWetfter Xiwft" von 3Kaj£Ärefeer 
befotgt, uttb 3Kama f)at mir bi§ J[efet brei.Äopitel t)i>r^ 
geiefen. @^ fd^eint bod^ piel beffer afe „S)rei SBeiber". 
33erUn ift leer, ma« man fielet, finb grembe. 3Äoma mar 
l^eute mittag bei ^au ©t., bie bemnäd^ft mit il^rem SWanne 
nad^ bem ©ngabin unb SJenebig gel^t. 3d^ fann mir fein 
$aar benlen, ba^ beffer baju pa^te. @d^önl^eit unb 
SReid^tum l^aben menigften^ ba« ®ute, ba§ fie l^übfd^e 
33iU)er geben im ©udffaften be^ Seben^. 

^abt frol^e, glüdtUd^e Xage. SBie immer S>ein alter 

^opa. 



283) Serlin, b. 12. 3uli 1888. 

SWeine liebe SWete. 

3?ad^ mel^rtägiger Unterbred^ung mieber 'mal ein 
paar 3^i^^^- 

3)a^ gro^e ©reigni^ ift natürlid^ bie ärjtlid^e 3lttHage^ 
fd^rift gegen 3Wadenjie; id^ glaube jefet, bafe fie red^t l^aben, 
unb nur borüber fann nod^ 3«^^^^ f^^/ weld^e mel^r 
ober weniger fragmürbige 3totte mein alter ©lan^mann 
— ber nid^t au^ 5ßofen fein foll — gefpielt l^at. S)ämel, 
Seid^tfinn, ©l^arlatan, ©elbfd^neiber ober ,,politifd^e ^Jigur"? 
3n lefeterem galle märe er ju entfd^ulbigen, aber fd^liefelid^ 
barf man fragen: „SB^ ^^t fid^ ein 3Wann a\x& ben 
.Orampian^ in bie Slngelegenl^eiten ber QavtU unb ©pree^ 
lanbe ju mifd^en?" ^at er'^ aber nid^t um ber beutfd^en 
ftaiferin, fonbem um ber ,,5ßrinjej5 ropal" mitten getan, 
fo finbe id^ bie^ eine beplajierte Sel^n^treue. 3n bem 
geftrigen Slbenbblatt ber SRationaljeitung mirb er fd^lonf« 
meg, unb jmar mieberl^olentlid^ , ein Setrüger unb 
©d^minbler genannt. 

S)er arme ^ietfd^, ber in ber SBoffin einen Sluffofe 



186 tEl|. JrovAcam üxltft an fetoe iFatnilie. 

über ©totm begonnen l^at, f)at feit einiger 3^it tnit feinen 
3lrtifeln lein ®IM; immer paffiert etmag, roa^ ü^n unb 
feine gelben in ben ^intergrunb bröngt. 3d^ finbe, bo^ 
©torm mid^tiger ift aU bie 3lrjtfel^be, bie fd^Iiefelid^ bod^ 
feinen Sluffd^Iufe gibt; aber mer fttmmert fid^ nod^ um 
„Qmmenfee", menn fold^ ©fanbal blül^t, unb „Viola 
tricolor" ift bai§, xoa^ bei ber ©elegenl^eit unter bie güfe^ 
getreten mirb. — Qd^ fd^reibe aud^ über ©torm unb l^abe 
bei ber ©elegenl^eit feine alten ^Briefe mieber t)orgel^olt, 
bie jum ^eil ganj t)orjügIid^ finb, oiel beffer, ate id^'i^ in 
ber ®rinnerung l^atte. 

S)a§ SEBetter ift unl^eimlid^; baju mirb aug ©nglanb 
©d^nee unb Äälte gemelbct — l^offentlid^ rüdEt bo^ alleg 
•nid^t bi^ an bie ©ubeten vox. Q^x in ©d^Iefien feib 
fd^on ©laoen, Dfteuropäer, mir finb l^ier Dorgefc^obenfter 
Ißoften ber Slorbfad^fen, alfo englifd^. SDie ©d^eibung 
liegt bei ©örlift, xoa^ bod^ beffer Hingt ate Äo^Ifurt. 

S)er äbenb mit 3-^ ^<^^ \^^^ angenel^m; an bie bt^ 
fannten „©igentümßd^feiten" fange id^ an, mid^ ju gemöl^nen 
unb fie ate ,,d^arafteriftifd^en 3^8" i^ fd^äfeen. Sitten 
fommt auf bie Seleud^tung an. 

®ud^ aUtn ©rufe unb Äufe oon ®urem alten 

'^apa. 



284) »erlin, b. 13. 3uli 1888, 

3Meine liebe aWete. 
2Benn biefe 3^ü^^ r,auf ber fiöl^e" eintreffen, mirb 
Spante SBitte fd^on etlid^c ©tunben bei ®ud^ fein unb 
SEBanbel gefd^afft l^aben; benn fed^g mäcmen mel^r afe brei, 
be^S marmen ^erjfd^lagg ber 2iebe ganj ju gefd^meigen. 
S)ie 5Kad^t, orf anartig, mar toH, unb menn ^f)x aud^ in 
ber ©turmjone läget, fo mufe ©ud^ l^immelangfi geworben 



1888. 187 

fein. aWatna fd^lofe natürlid^ fein äuge unb xoantt je^t 
gefpenfterl^aft uml^cr — nur bartn Iciblid^, bafe fie'jg im 
Scibe f)at Qä) baftlc no^ an meinem ©tormauffa^. Äann 
td^ il^n aber bi^ aWontag nid^t fd^affen, fo fd^tebe id^ il^n 
jurüd unb merbe bann SUlontag mol^I reifen; aber bei 
^age — id^ mill menigfteni^ bie aWöglid^feit l^aben, in 
Sübbenau eine faure ®urfe ju effen. 

^eute tarn aud^ ein Srief t)on gräulein o. 33.; e^ 
gel^t bod^ nur fd^Ied^t mit ber alten diof)x. S)abei fd^reibt 
fie: ,,SRur bann unb roam leud^tet nod^ il^r fd^öne^S, Mugeg 
Sluge unb blifet i^r ®eifi in alter Äraft." SRatürlid^ f)ait 
iä) barüber nid^t gelad^t; über jjemanb, ber feine legten 
^age lebt, lad^t man nid^t mel^r, aber 33etrad^tungen l^abe 
id^ barüber angeflellt. ©tel^t t^ mit unferm „@eift" bejfer? 
aWan benft fid^ munber xoa^ bamit, unb fd^Iiefelid^ fielet 
bod^ irgenbmer baneben unb blidEt oon einem anbern ©tem 
^emieber unb läd^elt über unfre ©inbilbungen. 

©0 meit lata id^ l^eute t)ormittag, id^ miH nun meinen 
Srief abfd^Iiefeen. Über 3Kittag mad^te id^ einen fd^önen 
^iergartenfpajiergang , auf bem id^ mid^ leiblid^ erholte; 
id^ begegnete ben beiben S)amen 31. — Qd^ fd^idEe aud^ 
nod^ bag äbenbblatt mit, bag einen unfinnigen Slrtifel 
gegen o. ©erwarbt entl^ält. ©oUte er etma bajmifd^en^^ 
fpringen unb in ©egenmart beg Äronprinjen mitten in 
ber Operation aWadfenjiejg aui^rufen: „©ie oerflud^ter 
ei^arlatan, fd^eren ©ie fid^." S)a§ ge^t eben nid^t. 

SDein alter ^^^^ 



285) Ärumm^übel, «rotbaube, b. 9. auguft 1888. 
aWein lieber ^ebel. 
SSBeber DueiS nod^ 33ober, meber SReifee nod^ Somni| 
l^ben un^ l^ier oben etma^ juleibe getan, unb Wlama 



188 S^. £tmiaxM iSriefie m Teint iFmnttle. 

I^at fid^ l^eute fogor in boiS eigentlid^e Überfd^wemtnimg^« 
gebiet: ®mit>tyc\, ^ad^^aSi, ©d^reiberl^au gewagt, tod fte 
mit aWete unb annemarie SBitte, bie feit gefiem frül^ Dben 
l^erumpittfd^em, jufammetttreffen unb in fünffiünbiger 
%afyd nad^ l^ier jurüdfel^ren toill. ®§ gel^t un^ gonj er^ 
trctglid^, befonber^ mir, ber id^ nid^t t)iel änfptüd^e mad^e 
unb jufrieben bin, menn id^ ein Sett unb ^xoa^ ju effen 
unb feinen Srger unb feine ©d^merjen l^abe. Wit^ anbre 
rerfd^minbet baneben unb ifi blofe 'raufgepuffte ©efd^id^te. 

3um 14. Sluguft frül^ fd^idEen mir einen Äranj an SDid^ 
für ©eorge^S ®rab; aWama millfelber bie SBIumen ($eibej= 
fraut) pflüdEen unb einen Äranj barau^ fled^ten. SDr 
einem Qal^r mar er nod^ leiblid^ fibel — an feinem ®t^ 
burt^tage fogor ganj befonber^ — unb träumte x>on ©lüdf 
unb Seben; je^t l^at er feinen fiügel unb feinen ©tein. 

5»eulid^, mitten im SEBalbe, traf id^ $an§ Ööff== 
mann (ben id^ nid^t erfannte) unb fragte il^n: „Sftbiei^ 
ber SEBeg nad^ ber ©d^nurrbart^baube?" „3a, $err 
Fontane." SRun erft fam bie ©rfennungi^fjene. 

%m ©onnabenb reifen SEBitteg ah, am ©Dnntag 
(^mvxa aiobert; bann finb mir nur nod^ 4, mit gipi8 4 V2. 

SSBie immer S)ein alter 5Bapa. 



286) Serlin, b. 30. ©eptember 1888. 

3Keine liebe 2ßte. 

SBie t)iele Sriefanreben l^at man nun fd^on burd^^ 
gemad^t! Qeftt finb mir glüdflid^ bei ,,liebe alte" an^ 
gefommen, eine %t>xm, bie faum nod^ SSBed^fel Dber 
©teigerung juläjät. ^offentlid^ bift SDu l^eil angefommen 
unb l^aft S)id^ in 24 ©tunben nad^ alter 3Sorfd^rift mieber 
erl^olt. 

SDer um fed^^ Ul^r ermartete frembe $err, bemtool^l 



1888. 189 

aud^ t)on Qba mit fo t)tel ©pannung entgcgengefcl^n tourbe, 
„toeil e§ t)icncid^t ?in ®raf xoax'\ lam natürlid^ nid^t, 
unb gegen fieben Ul^r mad^te id^ mid^ auf nad^ betn 
SEBallnertl^eater. 5Bon Ärttif war nur Dr, $. jugegen, 
alfo niemanb. Unb nun bag ©tüdE. 3lnfang^ badete id^: 
wie nett, trtrial, aber nett"; balb tnbeffen liefe eig nad^ 
unb bie Keinen, in il^rer 3lrt ganj allerliebften fomifd^en 
©jenen langweilten mid^ eigentlid^, tro^bem id^ ba^ ©piel 
grajiöi^ fanb unb aud^ ein paatmal la^en mufete, ®^ ifi 
bod^ alle^ ju bumm, alle SRatur ju fel^r auf ben Äopf 
gefiellt unb bod^ aud^ meber nid^t genug, nid^t fo, ba§ 
man mit (SntjüdEen au^Srufen Wnnte: „a^, id^ bin im 
l^immßfd^en 3leid^ beg l^öl^eren SBIöbfinn«." SDer fleine 
33ral^m fprid^t in einem 'reijenben Slrtifel, ben er mir 
l^eute frül^ Q^^^idt f)at, über biefelbe ^age, unb jwar bei 
Sefpred^ung be^ neuen franjöpfd^en ©tücfe^S „D6cor6". 
®r finbet e^, xoa^ mid^ l^od^erfreut, entjüdfenb unb beweift 
bem guten Serlinertum, bafe e^ für fold^en l^immlifd^en 
gattifd^en ^umor gar fein SBerfiänbni^ l^abe. 2Bie ftolj 
unb mie glüdflid^ bin id^, bafe „meiner äl^nen SBiege" im 
Sangueboc, \a fogar in ber ©a^cogne gefianben l^at. 
Übrigem^ bifi S)u aud^ bal^er; 2^oulDufe unb SWontpelHer 
liegen beieinanber. 

©egen jmölf Ul^r mar id^ ju ^aufe unb la^ bie 
Beitung. ©effdEen! 2Ber l^ätte an ben gebadet! SDa^ 
Heinfie, feinfle aWänned^en, ha^ id^ in meinem Seben fennen 
gelernt l^abe. SEBirb ber über ben Si^mardfrabau mit 
©taat^anmalt unb ÄettenHirren einen ©d^redt gefriegt 
l^aben. 

©mpfiel^I mid^ atterfeit^S auf^ Sefte, SBie immer SDein 

sater. 



190 tK^. Jfonimtß iSriefe an feittje JfoMlt. 

287) »erlitt, b. 2. Dftobcr 1888. 

aWeitte liebe Sllte. 

aWete toirb S)ir tool^l für S)etttett Srtef gebattft l^abe« ; 
i^ fttl^re btt fort, too fie ftel^tt gebliebett ifi. ©efteni nad^s 
mittag tooHte id^ ebett au^gel^tt, aU „^eibett" attgefüttbigt 
tDurbe. S)a i uttb x) im ©pred^ett feittett Uttterfd^ieb 
mad^ett, fo badete id^ ttatürlid^, t^ fei uttfer alter „3luj[uft" 
Uttb mollte ebett mit au^gebreitetett Slrmett auf il^tt loi8, afe 
eitt großer, fd^lattfer, offljierartiger $err vor mir ftaub. 
©r etttpuppte fid^ afe ber fieibeu, ber, mit grauciiS 
©tal^l jufammett, bett ,,öerrtt SUlajor auf Urlaub" ge^^ 
fd^riebett l^at. @itt fel^r ttetter SWatttt, Hamburger, aber 
burd^ laugett Slufeutl^alt itt Serlitt etttl^amburgert, fo bafe 
fid^ bie ^äfelid^feiteu beiber ©täbte fojufageu aufgefreffeu 
l^abett. 3d^ erful^r uuu, ba§ bai§ ©tüdE lebiglid^ t)Ott il^m 
ift Uttb frül^er ,,®itt aWatttt oott 50 ^al^rett" l^iefe, uuter 
TDeld^em Xitel e^S itt S)re0bett gefallett l^at; grattci^ ©tal^l 
l^at e^ batttt Derberlittert uub mit SBi^ett garttiert, tt)o=: 
burd^ ba§ ©tüdE offeubar oiel fd^led^ter getoorbett ifl. SSBie 
battfe id^ ®ott, bafe id^ mit ©tüdEe fd^reibett ttie 'xoa^ ju 
tutt gel^abt l^abe ! Sleitt, ba bod^ lieber uufittlid^e 5Rot)elIett, 
bie im Äaftett bleibett. 

Slm äbettb fam Sral^m uub blieb bi» jwölf Ul^r. 
®r tt)oIIte ttid^tg effett, aber eittem ßiz ä la Malte oDtt 
aWete fottttte er bod^ ttid^t gattj tt)iberftel^tt. @g xoax fel^r 
ttett. 3lo^ jum ©d^lufe, fd^ou ^ut iu $attb, erjäl^lte er 
eitte tteue ©efd^id^te. S)u weifet, bafe Sarua^ t)ortrat uub 
fiatt eitter lattgett 3tebe ttur fagte, tt)äl^rettb er bie igaub 
aufg $erj legte: „Qd^ biu fe^r glüdttid^". 3bxn l^eifet e«, 
asiumetttl^al fei, na^ ber erftett ttur fpadt rerloufeuett 
Sluffül^ruttg oott ,,3ltttott Slutott^", uugerufett ebeufalli^ 
bei geöffttetem SBorl^attg erfd^ietteu uub l^abe mit berfelbett 
^attbbetoeguttg gefagt: ^^d^ bitt fel^r uttglüdElid^". 



1888. 191 

Öeute frül^ tarn ^an^^crfe, um mir eine Slntmort 
auf ben langen SBrief ju bringen, morin id^ bem alten 
fierfe l^infid^tlid^ ber 3lejenfion^ejempIare meiner Sudler 
empfol^Ien l^atte, alle 3^itungen ju übergel^en, bie fid^ in 
feinblid^er ©tetlung gegen mid^ gefallen, Äreujjeitung unb 
aSörfen^eourier an ber ©pifee. äWan ifi gemillt, barauf 
einjugel^n, mai^ mir fel^r lieb, ai^x bod^ eigentlid^ aud^ 
nur in ber Drbnung ip. 2Ba§ l^abe id^ ober mag f)at 
^erfe baoon, menn mir in ber 5poft, bem feinbfeligften 
unb grofemäuligften biefer 33lätter, rerfid^ert mirb: id^ 
manble auf Slbmegen. 

S)ie Slufregung megen S^agebud^ unb ©effdEen 
bauert fort, immerju merben ©Etrablätter aufgerufen. 
S)ai§ SWerfmürbigfte ift, ba§ allerg mieber auf 33ii§ = 
maxd^ ©eite tritt, unb bafe gegen ©effdEen, unb oor 
allem gegen ben armen Äaifer fjriebrid^ felbft, mieber bie 
l^eftigften Slnflagen laut merben. Unb leiber muJ5 id^ 
fagen: id^ fürd^te, ba§ bieig SBolföurteil, ober rid^tiger bieg 
Urteil aller ©ebilbeten, mieber red^t l^at. ®g mufe bod^ 
etmag in il^m nid^t red^t in Drbnung gemefen fein; er 
überfd^afete fid^ unb mollte nid^t einfel^n, ba^ er neben bem 
großen ^Jlann bod^ nur ein S)ilettant mar. 

Unb nun leb' mol^l. 3Bie immer S)ein guter. 



288) Serlin, b. 12. Dftober 1888, 

3Keine liebe %tavi. 
3bxx ein paar SSBorte. 2Bir finb überrafd^t, menn 
aud^ felbftoerfiänblid^ angenel^m, ba§ S)u fd^on am 16., 
unferm ^od^jeitgtage, jurüdE miHfi. SBerglei(^t man fid^ 
mit bamafe, fo ifl man bod^ — id^ fpred^e nur oon mir — 
menn aud^ an fid^ nie l^elbenmäfeig — fd^on ein red^teg 
SBradt gemorben. ®g ifi immer bie alte ®efd^id^te, „nun 



192 S^. ^ovAtmn üvitft m fefaiie i^omttie. 

möd^t' id^ toiebcr gcü^nrid^ fein"! SBicber gaJ^ntid^ fem. 
3lber nid^t tu)d^ 'mal anfangen. %xx ob ein gewiffei^ 
etabliert'^ unb Serul^igtfein ol^ne Qugenb unb Hoffnung, 
ober Sugenb unb Hoffnung ol^ne ©tablierfc^ unb SBerul^igt^j 
fein beffer ifl — bie grage brängt fi($ einem immer mieber 
auf. SBenn e§ nid^t ju toll tommt, ift ba^ ^ugenbleben 
bod^ oielleid^t fd^öner. SBielleid^t, oielleid^t aud^ nid^t. 
3Kan fd^manft aud^ barin mie in allem, unb nur bai^ bleibt: 
ba^ ©anje ifi eine fonberbare ©efd^id^te. 

©efiem bei di.^ voax aüt^ ganj nett unb ju 5lritif 
gar feine SBeranlaffung, — e^ mar aud^ nid^t 'mal lang- 
meilig. 3lber id^ fül^Ite mid^ menig mol^l unb l^abe feinen 
SBiffen genoffen, ^eute ift ei§ beffer, aber id^ bin melf 
unb möd^te blofe au^geftredEt liegen unb mid^ in frifd^er 
Suft fpajieren fal^ren laffen. „günf ©d^Iöffer" merben in 
etma 14 2^agen ausgegeben. aWit ber ftorreftur oon 
,,Duitt" gel^t eS leiblid^ oormärtS. 

©mpfiel^I mid^ S)etnen liebenSmürbigen ©afifreunben. 
2Bie immer S)ein alter ar^.^^ontane. 

SDiefe läd^erlid^e SRamenSunterfd^rift l^abe i^ ganj in 
©ebanfen gemad^t, roa^ befanntlid^ l^eifet ol^ne ©ebatrfen. 



Ilritft IS0 in lilfm 1889-189L 

2)ad Itterartfd^e @d^affen SfontaneS toftl^rettb bet 3al^ 1889 
Bis 1891 umfaßt auf bem Gebiete bed IRomaneS bU ^ottenbuttg 
ber (gta&^i«tig „Cuttt*, ber 5flot)cIIc ,,@ttttc* (aunädMl et- 
fd^tcttcn in bet Scttfd^rift »2)cutfd^lonb*) fototc ber Slfomattc »Iln- 
totcbcrBrtttQlid^* unb „gfrau 3cnn^ 5: reiBcl*, tocld^e leiteten 
Bcibctt in bet ir2)cutfd6en ?Runbf4ou" am« ^^^^ Stbbnid gelangiett. 
3n ben legten Monaten beS 3al^te3 1891 toutbett aud^ fdfton bie 
?Romatte ,^ie $PoQgen^JUl§l8* unb ,,(5ffi SBtieft* Begonnen. 2)te 
„SBanbetungen butd^ bie SJlat! SStanbenButg'*, gu benen 



1889. 193 

bog im 3al&rc 1889 ouggcgcBcttc SBud^ ir3fünf ©d^Iöffet* eine 
@rg&n3Uttg Bilbet, lourbett loiebetunt um meistere toid^tige ^a^iiel 
ertoeiiert unb bte (leibet niemaB aum ^Bfd^lu^ gelangten) @tubten 
aut (S^efd^id^te bed (S^efd^lec^ied D. SBreboto eifrig fottgefe^t. ^uc^ 
bie SBexonftaltung t)on gtoei neuen Sluflagen feiner «^(Sebid^ie' 
(1889 unb 1891), in bie gfontane eine größere llnaal^l neuer arbeiten, 
namentlid^ norbifd^er ^oUaben aufnalim, Befd^äftigte il^n eingel^enb. 
Wogegen ffcellte er im 3a^tc 1889 feine S^dtigfeit ol8 3^eoter=9leferent 
ber ^55offtfd^en Scititwö* f^"- — <5rfreulid^e @reigniffe für ben 
S)id^ter tooren bie unter ollgemeiner S^eilncl^me Begangene gfeier feines 
70. (Seburt§tageg (30. 2)caem6cr 1889) unb bie Söerleil&ung be8 
©d^illerpreifeS an il&n (1891). 

289) 33 erlin, b. 13. 2lprtl 1889. 

aWeine liebe 3Kete- 

aWama fd^reibt jtoar braud^barere Sriefe, trofebem 
tDiH id^ fonfurrieren. SBir l^aben feit aWittood^, tto% be^ 
(jrofeen S)inerg, eigentlid^ nid^t t)iel erlebt unb bod^ 
ift ei§ mir, afe ftedEe in ben jurüdfliegenben brei Xagen 
eine güHe t)on ©toff, ein ©d^afe; blofe bafe id^ il^n, n)o'i^ 
lo^gel^en foll, nid^t lieben fann. S)ie Heine ßonrab*) 
xoax fel^r nett, t)ieUeid^t weil fxe pd^ ol^ne SDeine Äon^ 
trolleuraugen fül^Ite, Sübfe in Siebet juftctnben — ber 
70j[äl^rige. „aber barum feine geinbfd^aft nid^." SEBie 
weit Sübfe^ Siebe gel^t, weife id^ nid^t; aud^ l^ier, wie 
überall, finb rid^tige ©d^äfeungen fd^wer. 

S)ie ©d^wierigfeit ri^tiger ©d^ä^ungen brängt fid^ 
mir nid^t feiten aud^ bei Sluffül^rung neuer Xl^eaterftüdEe 
auf; id^ fage bann mol^I, „t^ fei ganj nett, aber bod^ 
nur fo fo" ; id^ l^ätte ftatt beffen ebenfo gut fagen fönnen, 
id^ fänbe e^ langweilig, aber aud^, id^ fctnbe e^ fein, 
ftaffifd^, goetl^ifd^. 33ei 3tomanen, 5»ot)eIIen, ©ebid^ten 



*) ^offt^auf|)ielerin, Sfräulein $Paula (Sonrab, feit 1892 gfrau 
Dr. @d^lent]^r. 

2;^. SfontaneS »tiefe an feine ^amilte. II. 13 



194 tS^. ^oxAme» iSriefie m feine iFomilie. 

bin iä) mtxm^ Utteil^S in ber Siegel ganj ftd^er, benetben^- 
wert fidler (bie meiften, toenn fte el^rli($ finb, finb e^ nie). 
SDramatifd^en Slrbeiten gegenüber aber, namentlid^ wenn 
fxe non ber Sül^ne l^er ju mir fpred^en, voo einem bie 
feinen, erft in SBal^rl^eit ben Unterfd^ieb fd^affenben SDetoife 
großenteils unb oft total entgelten, bin id^ ftet^S unfxd^er 
unb finbe, um Seifpiele ju geben, jmifd^en ,,Spl^igenie", 
„SDeS 3Keerej8 unb ber Siebe aBeffen", „SBeiS^eit ©alomoS" 
unb ,,SRaufi!aa" faum einen Unterfd^ieb. Qn ^e^feS 
©tüdE ift nur ber ©alomo in feinem fiiebeSunfinn — 
fd^märmerifd^e SReigung ju einer ©ärtnertod^ter — fel^ 
anfed^tbar, fo ba§ Sübfe red^t ^atte, baS ©tüdE „SDie 
SDumml^eit ©alomoS" ju nennen. Unb bod^ aud^ l^ier 
mieber bie fd^reienbe S)ifferen5 jmifd^en Xl^eorie unb ^pra^iS. 
S)enn gerabe Sübfe erfd^eint unS ftarf auf bem 5punft, 
bie fie^fefd^e „SBeiSl^eit" ©alomoS nad^jual^men. SBei 
biefen Keinen 2Bi|n)orten fäHt mir aud^ ein, ba§ Sinbau, 
ben id^ geftem im ^l^eater traf, mel^rereS berartigeS loS^^ 
ließ. ®S mürbe gefragt, ob ba^S ©tüdf gebrudEt morben 
fei, menn aud^ felbftoerftänblid^ ben „Sül^nen gegenüber 
afe aWanuffript". Sinbau meinte, „mol^I aud^ bem ^ublifum 
gegenüber afe SWanufWpt". Slud^ fprad^ er oon einem, 
ber neuerbingS einen Drben gefriegt l^at unb tagi8 barauf 
gefragt mürbe: ,,©agen ©ie, mofür, mag l^aben ©ie ge^^ 
tan?" „SRid^t« afö bie nötigen ©d^ritte." Qm SC^eater 
mar aud^ ber 5Korb= unb ©üb^Sd^ottlänber unb bat mid^ 
um erneute 3Kitarbeiterfd^aft. Qd^ antwortete aUerl^anb 
unoerftänblid^eS 3^W8- ^^ ^^^ Sager gri. ßlara SWe^eri^ 
l^abe id^, auf bie ©d^Iußftelle meiner „Dpl^elia"sftritif l^in, 
einen Srief mit bem 3luj8rufe ,,^fui" erl^alten. (B^ ifi bod^ 
merfmürbig, mo immer bie meifte Xugenbentrüfhxng ftedft. 
3m ,,ftlub" mar t^ fel^r nett, miemol^I ganj anberS 
mie frül^er; id^ traf junäd^ft nur ben 2)ireftor ©olb- 



1889. 195 

fd^mibt, SReid^^tag^tnitgKcb, graftion^genoffe von Dnfel 
aBitte, mit il^m ben fatl^oltfd^en äbgeorbnetcn ®raf 
abelmar axt^ Sägern unb ben gefürd^teten fogenannten 
©l^afefpearej^Seo. 3Ktt leftterem freunbete id^ mid^ 
an. @r erjäWte franjöfxfd^e Slnefboten, bie id^ nid^t vix^ 
ftanb, ober bod^ nur fo wie aJlama, bie aud^ immer mit^j 
lad^t unb aud^ immer 'mag t)erftanben f)at; aber immer 
'mag ganj anbreg. 

S)ir, meine Hebe SWete, gel^t eg l^offentUd^ gut, 
©rüfee bag oerel^rte, lieben^mürbige 5paar unb bemal^re 
S)eine mol^ImoHenben ©efinnungen S)einem refpetoollft ers= 
gebenen alten ^^^^^ 



290) Serlin, b. 16. SKpril 1889. 

aWeine liebe SWete. 

S)ie Äarte mit „sleep, second nurse of nature" Hang 
gut, ber l^eutige Srief bagegen Hang fd^Ied^t. SBei^age 
aber nod^ nid^t. SWan fann fid^ nid^t, aug fid^ l^eraug, 
ein Sebenlang ängftigen. ©in fold^er 3#^^l> fommt unb 
gel^t; traurig genug, menn erbaift, aber nid^t l^offnunggs^ 
log. Sd^ bin baoon fo feft mie oon irgenb etmag über^^ 
jeugt. Äranfl^eit unb UnglüdE lommen auf taufenb ©trafen, 
aber ©lud unb ©efunbl^eit aud^. ®g ift nod^ nid^t aller 
Xage 3lbenb, aud^ im ©uten nid^t. SBellenbemegung, 
up and down. 

aSon ben gefettfd^aftlid^en Begegnungen ber legten 
Xage ermäl^ne id^ nur ®raf unb ©rafin ö.; bie ©räfin, 
trofe il^rer ad^t Äinber, immer nod^ eine fd^öne fjtau, oon 
ber felbft Xitug Ulrid^, menn er fie l^ätte, nid^t fagen mürbe : 
,,©ie reijt mid^ nid^t." ®r, ber ©raf, ein Qbeal oon 
Siebengmürbigfeit, oöllig ungeniert — ein aWenfd^, alfo 
bag l^öd^fte. ®in anmefenber Dffijier mit einem tunefifd^en 

13* 



196 tK^. JfovAann iSriefe an feine i^antUie. 

Dtben, ^ctr t). ©d^renf ou^ DIbenburg, erjäl^Ite mir fel^r 
Sntereffantc^ t)Ott feiner tunefifd^en 3teife, fpejiell t)Ott ber 
Steife, ttid^t oon bem 3lufentl^alt, wa^ wegen mertoürbiger 
©d^iff§t)orgänge (arge SBerfHmmungen ber aWatrofen gegen 
il^n, weil feine 3lnn)efenl^eit m Sorb bie 3leife um fieben 
^age unb jmei ©türme verlängerte) fel^r intereffant war. 
^^ tonnte boran mieber fiubieren, wa^ einem, menn 
Sieblingj^münfd^e fid^ unter ejjeptiünell glüdßd^en unb 
el^rent)oIIen SBerl^ältniffen erfüllen, bod^ immer nod^ t)on 
Unliebfamem begegnen fann. SWan f)at feine SKinute jtd^er 
in ber fianb. 

3Kit ber ©onrab l^afi S)u ganj unred^t. SDu bifi 
mie aWama unb nimmfl S)ein Urteil unb S)ein ©entiment 
aU ba^ normale. Qd^ l^abe aud^ Urteil unb aud^ ©entiment 
unb bin garnid^t einjufangen. 3lm menigften fann 
td^ burd^ fiob beflod^en merben. Übrigen^ tobt fie mid^ 
nid^t, fonbern ift eine Heine, leibenfd^aftlid^e, hafebürfttge 
5Perfon, bie mir, nad^ ber erften ^bfenauffül^rung, einen 
t)ier Sogen langen Srief fd^rieb, ber fid^ faum mit fonjl 
üblid^er Slrtigfeit bedEte. 

©rüfee ba^ oecel^rte SWengelfd^e 5paar. Sffiie immer 
S)ein alter ^^^^ 



291) SBerlin, b. 16. Slpril 1889. 

SWein lieber, alter Xl^eo. 
©leid^ nad^ (Surer Slbreife oon l^ier l^abe id^ 'mal 
einen Srief gefd^rieben; feitbem nid^t mieber. SDa^S ijl 
eine lange 3^i^/ i>i^ 9^^J ^'^'^^ ^^^ Äorreftur jener @t- 
fd^id^te aufgefüllt morben ift, um berentmillen SDu feit 
Sal^r unb Xaq Abonnent ber „©artenlaube" bift, t^ leiber 
au(^ nod^ bleiben mu§t unb abermalig auf 3al^r unb ^ag, 
menn S)u bt^ ®enuffe§ ber Seftüre nid^t oerlufüg gelten 



1889. 197 

toiHfi*). ftroencr f($rieb mir, „vox 3lMauf eine^ ^df)xt^ 
ginge c0 ni($t; bie^S fei Slnnal^mebebingung", toorauf id^ 
natürlid^ anttoortetc: „S)ic Slnnal^Tnc (glcid^bcbeutcnb mit 
^onorarempfang) fei mir mid^tiger afö bcr 3^itpitnft bc^ 
®rfd^eitten§". Unb fo mirb bcnn S^^W^^i^ ^ber ©ommer 
1890 l^eranfommen, e^ Ärumml^übel unb bie Sffielt erfäl^rt, 
mic bie ©efd^id^te mit görfier ^e^, bcn id^ in einen Dpife 
umgetauft, eigentlid^ gemefen ift. Qn ber 2^at ift mir ber 
3eitpunft ber ^ßublifation jiemlid^ gleid^gültig. SBenn man 
mei^r afö 20 mal ein 33ud^, ein SBerf oeröffentlid^t unb 
immer — in jungen Qal^ren oft in läd^erlid^er, meil ganj 
unmöglid^er SBeife — bie Hoffnung eine^ großen @rfoIge§, 
ber bann ftet^ aui^blieb, baran gefnüpft l^at, fo ©erlernt 
man t^ fd^Iiefeßd^, fid^ mit bem ©ebanfen an ba^S grofee 
Sog ju tragen unb freut fid^, bafe einem bei bem nun 
SOJäl^rigen SRad^Iaufen nad^ bem 3labe be^S ®IM^, t)or 
längerer ober fürjerer 3«tt f^^n, ein 5PflodE, ein SRagel 
jugefallen ifi. 6ine ©peid^e, mie'g im ©prid^mort eigentlid^ 
l^eifet, ift fd^on ju mel. 

2Bir fpred^en l^ier oft oon @ud^ unb id^ für meine 
^erfon am meifien oon meinem f^^eunbe Otto, ©in allere 
liebfteg, finget unb gutgeartete^ Äinb, an bem id^ mid^ 
jum ©rofeüater l^erangebilbet l^abe, eine ©teHung, ju ber 
id^, mie ju fo oielem anbern, oon Slatur feine befonbere 
Slnlage mitbrad^te. ^d^ l^öre nod^ immer fein erregtet 
Sad^en, xotnn er oon bie^feit^S an bie Äüd^entür pod^te 
unb SWatl^ilbe mit einem SBumbum antworten mufete. 

griebel oerlegt tapfer weiter**); id^ bin il^m ha» 



*)„Ouitt*, ctfd^ienen im 3a^x^c 1890 aundt^ft in ber „(Satten* 
laube*, fobann olS SBud^ im Söcrlage t)on SB. ^er^. 

**) S)er iüngfte ©ol^n gfontoneS, gfriebrit^ gf., l^atte im Oftobet 
1888 ein felbftdnbigcS SScrlagSöeWäft bcgrünbct. 



198 (Ell* iFontatties tiriefie an feine iFontUie. 

3eugnij8 fd^ulbig, ba§ er t^ an ®tfcr unb Umfid^t nid^t 
fel^len läfet. Unfrc Meine Sffielt l^ier würbe burd^ fiübfe, 
ber faft t)ier SBod^en l^ier xoax, bewegt unb rief mand^e 
©rinnerung on jurüdfliegenbe Sugenb l^erauf. äUeig ifi 
olt geworben unb ^at leiber aud^ ba§ ©efül^I bonon ; jjeber 
fü^It fid^ auf bem Slu^fterbeetat. 

©rüfee unb füffe SDeine Hebe grau unb nid^t jum 
wenigften ben jungen. 

aSie immer S)ein alter ^ava. 



292) »erlin, b. 19. äpril 1889. 

Steine liebe aWete. 

aWama, nad^bem fie mit ber il^r eigenen aSeme (l^ier 
ftel^e id^, i(^ fann nid^t anberi^) gelod^t l^at, fd^reibt für 
griebel ©efd^äft^briefe, nid^t ganj fo mel, wie in ber 
„Sungenfd^winbfud^t^brofd^ürenangelegenl^eit" fd^redlid^en 
2lngeben!en^. Sei biefer ©ad^Iage wei^ id^ nid^t, ob fie 
baju fommen wirb, ober fd^on gefommen ift, S)ir für 
S)einen l^eut' eingetroffenen SBrief mit feinem gefunbl^eit^^ 
lid^en 3KitteIberid^t unb feinen ©tubien ber medlenburgifd^en 
SBoIföfeele bei 40 ®rab (l^offentlid^ ga^renl^eit) ju banfen, 
we^l^alb id^ für äße gäHe einfpringe. 3Kit ben Xemperatur= 
graben ift e^ ein eigen S)ing; mein SBetter äuguft 
Fontane erjäl^Ite mir, er l^abe im ®olf oon aWe^üo 
bid^t neben ber SWafd^inenl^eijung bi^ ju 63 @rab gel^abt 
— eigentlid^ fd^on ©otl^aifd^e geueroerbrennung — anber= 
feitg wei§ id^, ba§ eine 2^emperatur oon 19 ®rab, j. S. 
bei grau ©aral^ Sajaru^S, fd^on nal^eju unerträglid^ ift. 
S)u mu§t ha^ mit ben 40 ©raben, bie gerabe bie 
SWitte jwifd^en grau ©aral^ unb bem @oIf oon aKejifo 
l^alten, aufflären. 

©in ^auptpunft in Seinem 33riefe betrifft meine 



1889. 199 

©tcllung ju S)einem Äranffein. Qd^ fann mtr todI^I 
beulen, ba^ mein ©pred^en unb ©d^reiben, meine gefomte 
Haltung fo wirft, afe fäl^e id^ ba§ alle^ für nid^t fo 
fd^Iimm an, unb bafe S)id^ biefe Haltung mel^r Dber weniger 
t)erbriefet. 3d^ fann S)ir aber fagen, ba§ nid^t ber ge^^ 
ringfte ©runb baju Dorliegt. Sd^ fel^' S)ir'§ oft an, wie 
leibenb S)u bift unb wie traurig unb unglüdflid^ S)u bifl, 
fo leiben ju muffen, unb bei jungen Qal^ren gar fein SBer^^ 
trauen mel^r ju ©einem pl^^fifd^en SWenfd^en l^aben ju 
fönnen. Qd^ fel^e ba§ allei^ unb finbe e§ beflagen^mert ; 
aber id^ laffe ei8 gel^n, xok'^ gel^n will, weil abfblut nid^ti^ 
bagegen ju mad^en ift. ®§ ift biefelbe ©efd^id^te, wie frül^er 
mit SlWamai^ ©turmfranll^eit, mo bie arme grau oft ein 
mal^re^ Qammerbilb mar, tief bemitleiben^mert. Qd^ rebete 
il^r JU, fo gut id^ fonnte, unb bann ging id^ ju 33ett unb 
fd^Iief. SRid^t aui§ ©leid^gültigfeit, fonbem au^ foloffaler 
SRübigfeit, unb weil id^ mir fagte, S)u tuft nur einen 
reinen Unfinn, wenn SDu S)id^ S)einer aWübigleit gemaltfam 
entreifet unb nod^ brei SDu^enb SWalefagft: „SWeine arme 
^au, fiel^, id^ glaube, eg läfet fd^on nad^." @^ gibt fo 
oielejg, bem mir mad^tlo^ gegenüberftel^n, unb bie^S, unb 
menn e§ ba^ ©d^redElid^fte märe, mn^ mit möglid^ft guter 
aWanier getragen werben, oon bem Seibenben fowol^I, wie 
oon ber Umgebung. @§ ift unfre ^Pflid^t, eine gewiffe 
Öofpitalfiimmung oon uni§ fernjul^alten unb nid^t in 
frud^tlofe ^eull^uberei ju oerfallen. ®ott fei S)anf l^aben 
wir, aud^ bie SBeid^Iid^ften unter uni8, alle biefen ßl^arafter. 
©eorge war in biefem ©tüdfe wie ein Selb unb oorbilblid^ 
wie Äaifer griebrid^. 3lud^ S)u l^aft biefe Xapferfeit. Unb 
bal^in gel^ört nid^t minber ba^ fid^ ©ntfd^Iagen aller 
©entimentalitäten aud^ oon feiten berer, unter benen ein 
Äranfer lebt, ein fid^ ®ntfd^Iagen, ba^ etwa^ ganj anbrei^ 
ift, afe ©leid^gültigfeit ober ©efül^fömangeL @^ fprid^t 



200 S^. Jrßntaan ütitft m Ttint iFamille. 

pd^ nitr borin ou^, erflen^ : ergeben toir un^, unb jtoeiteng : 
i^offen wir. Unb bieig ifi ba^ SBejle unb Dft ba^ ©injige, 
wa^ man einem ihronfen antun fann. SMe ^inte uii^ 
Äotn ju fd^meifeen, baju ifi immer nod^ 3^t« 

SBie immer 3)ein alter 5Bapa. 



293) SBerlin, b. 5. 3Kai 1889. 

aWeine liebe aWete. 

SDein S^elegromm, S)ein Srief unb S)eine Äarte ou^ 
aSonn, W gut gegßebert unb in rid^tigen Slbfiänben l^ier 
eintrafen, l^oben un^ fel^r erfreut. 

©ei gleid^ nod^ bebonft für bie an ^ama Slobert 
gerid^teten 3^Üen; je weniger man fld^ ju ^et^Iid^feiten 
aufraffen fann, je nötiger finb fj^eunblid^feiten. 

2Bir leben l^er feit geftem unter bem ©tem © t ö df e r = 
aBitte, bie ©aftor unb 5poIIuE fein follten, eg aber fidler 
nid^t finb. griebel, ate SBerleger ber SSBittefd^en 33rofd^äre, 
firal^It. ©eftem mittag maren fd^on 3000 ©jemplare cA^ 
gefegt, morgen (menigften^ bie aWöglid^feit ift ba) fUib'i^ 
boppelt fo t)iel. ^ebefö SBorteil t)on ber ©ad^e fd^eint 
mir fidler ju fein, befto unfid^erer ber SBorteil 5paftor 
aOBitte^. ®r ift nun eine populäre fjigur geworben, mirb 
aber im übrigen nur SRadfenfd^Iage l^aben, oon ben Dber*^ 
bel^örben gemife. Unb nid^t gonj mit Unred^t. ©ie l^aben 
il^m „^rieben unb SDuIbfamleit" anempfol^Ien, unb ba^ ift 
feine Slntmort barauf. S)er literarifd^e SSJert ber 33rofd^üre, 
um aud^ ha^ nod^ ju ermäl^nen, ift jiemlid^ mau; Slu^jüge 
brau^ lefen fid^ gut, e^S finben fid^ „gute ©teilen", ner- 
einjelt fogar fel^r gute, ha^ ©anje ift aber oon emer 
foloffalen Öbl^eit unb Sangermeüe, unb menn ha^ be«? 
rül^mte „mir mirb oon allebem fo bumm" ufm. itmai^ 
gepaßt l^at, fo pd^erßd^ l^ier. &^ rüdft nid^t oon ber ©teile. 



1889. 201 

immer toieber boi^felbe, fo bofe id^ mtd^ faum entfd^Iiefem 
mürbe, für 50 W. t» burd^julefen, 

©efiem mar SRütli bei 3Ä e n j e I. gr mar f el^r liebeni^:^ 
mürbig, Ja, für feine SBerl^ältniffe foloffal liebeni^mürbig. 
Übrigeni^ fanb id^ il^n red^t alt gemorben, unbiffig unb 
beinal^e nad^giebig. 3)er SReft ber ® ef ettfd^aft mar monnigf ad^ 
}u beottfianben. SR. gel^t ein, er ift ein ©felett unb mirft 
mie Äaifer 9htbolfi8 9Ktt jum ®rabe nad^ ©peper, aber 
ini^ SnfanterifHfd^e übertragen, ©r benimmt fld^ babei 
fel^r tapfer, ober aber t» ip bai8 alte Sieb von „noi^ am 
®rabe" ufm. X. lauftet unb ^upet unb l^ört babei nad^t« 
afe Xxo% „ha^ Ruften tttoa^ fel^r ©tdrenbe^ für bie anbem 
fei", mos er mol^l nid^t bejmeifeln mirb. 

©efiem mittag mar 3) e l ^ a e ^ *) l^ier, um ftd^ artiger^ 
meife nad^ S)ir unb mir ju erfunbigen. ©eine ©tettung 
im @Iifabetl^feanfenl^aui8 l^at er nun niebergelegt, unb in 
ben 3^ihtttgen l^at geflanben, „er gebenfe in ben SRul^eftanb 
ju treten", ^a^ ift il^m nid^t ganj red^t. 3m übrigen 
läfet pd^ t)on il^m fagen: „Unb. feine ©eele badete immer 
an S^^^^^^^ ^^i> ©d^reiberl^au." 

aWorgen nad^mittag roiSi id^ ju SEßill^elm ®enfe**), 
um für meinen Stuff afe fein 33ilberint)entarium auftunel^men. 
Stu^ feiner mir überreid^ten biograpl^ifd^en ©fijje, bie fo 
tjiel Sntereffante^ entl^ält, erfe)^' id^ aud^, ba§ er bie SSebai^, 
ben Äoran unb ben Äonfuciu^ gelefen l^at. @^ merben 
bie^ überl^aupt nur menige Sebenbe t)on pd^ fagen fönnen, 
am menigften lebenbe aWaler. S)ie meiften finb über ben 



*) ©onttätStat Dr. 3)eIl^oc8, Bi8 ^nm Xobe gfontone» bet 
$au8atat bet gfamtlte. 

**) aJlon öctfli. ha^ Äapitcl übet Söill^elm ©en| im »b. I bet 

.rSOßonbetunöen n]to,\ ,^u (Stoffd^aft gflia)ptn'. 8. ^ufl. ®. 136 ff. 



202 tE^. Jfoxdant9 iSriefe m füat iFamiiie. 

©trumelpeter ntd^t 'tauSgefontmen. 3)enfe S)tr ben Keinen 
©nde übet ben koxan gebeugt. 

3Rit l^erjlid^fien 3Bünfd^en für 3)id^, wie immer 3)ein 



294) SBerlin, b. 8. 3Rai 1889. 

SReine liebe 3Wete. 

3Bir ftnb frol^, bafe e^ S)ir gefunbl^eitlid^ menigpen^ 
leiblid^ unb in allem übrigen fo fel^r gut gel^t. S)afe 
geftem fein 33rief t)on S)ir fam, ängftigte SKama. 3^^ 
Unglüd l^atteft S)u an ®. Ä. gefd^rieben ,,an biefem emften 
2^age". "^IJlama blieg fofort ba^ SRötige barauS juf ammen, 
unb „fd^on fielet e^ mie ein SRilpferb au^". 3a, fte brad^te 
mid^ bi^ ju meiner attemal abfd^liefeenben Äieblingi^menbung 
„ja, möglid^ ift allein". 3d^ fenne feinen aWenfd^en, ber 
fo bie gal^igfeit befäfee, au^ bem uerfd^minbenb flein ®e^ 
gebenen, Je nad^ Stimmung, einen Djean t)on ßeib ober 
eine ©übfee oon ©eligfeit fertig ju friegen. 

aSorgeftem mar id^ gute jmei ©tunben bei ®enfe'^, 
oon 1 bi^ 3 Ul^r. ©ie gelten fonft um 1 \U)x ju S^ifd^, 
unb e^ ift für ba§ §au^ im ®uten d^arafteriftifd^, ba^ 
man mid^ feftl^ielt unb ba^ aWäbd^en mit bem fertigen 
®ffen brausen jmei ©tunben märten liefe. Slfö id^ ging, 
murb' id^ nod^ aufgeforbert, an il^rem aWal^le teiljunel^men ; 
e^ gäbe Zamm (immer fpuft e^ l^amitifd^^femitifd^ in bem 
^aufe) unb aWaffaroni mit ^Pflaumen. ©^ lodEte mid^ 
mirflid^, aber afö ©l^efflaoe fonnte id^ ben nötigen 9Kut 
nid^t red^t aufbringen, ^eigl^eit ip ber aWenfd^l^eit befiel 
2:eil. 3d^ l^atte in ben jmei ©tunben ben ganjen Silber^ 
fd^urrmurr an ben SEßänben burd^gefel^en, lauter ©efd^enfe 
oon berül^mten Seuten: Änau^, §enneberg, geuerbad^, 
Heilbutt, ©d^mittfon, §amon ufm., unb btx biefer ^nxä)^ 



1889. 203 

fid^t tourbe jebet futj (^atafterifiert. 33et t)telen, fo bet^ 
fptel^toeife aud^ bei ©d^mittfon unb ^amon (leitetet, 
granjofe, tfi fel^r berül^mt, auf ©optt bei ^Pagano befinben 
fid^ jal^llofe ©ad^en von i^m), feierte bie SEßenbung toiebet: 
„in Siebe jugrunbe gegangen". Unb bann fant immer 
ein ^auptbeifpiel. aWatabor mar ein gemiffer 3) ort, nod^ 
baju ein ©ad^fe, ber nad^ nid^tö aui^gefe^en l^abe, aber 
abfolut „unmiberfte^Iid^" gewefen fei. S)a^ mit bem 
„unterm Siebe^ftem geboren fein" l^at bod^ ^roa^ auf fid^, 
unb bie SBiffenfd^aft fiellt biefe Äranf^eit, benn eine fold^e 
ift e^ ml mtf)x afe ein 3Sorjug, uielleid^t nod^ 'mal feft 
unb finbet ben entfpred^enben 33ajillu^. Qd^ mag il^n aber 
nid^t jüd^ten. 

^eute l^at mir ©enft feine opera omnia in einer 
SRiefenmappe voll ^ßl^otograpl^ien gefd^idEt, unb id^ l^abe fie 
über aWittag mit ©enufe burd^gefel^en. S)ie großen, mel^r 
ober weniger berül^mt geworbenen ©ad^en intereffierten 
mid^ oerl^dltni^mäfeig menig, befto mel^r ba^ fpejififd^ 
©enftifd^e. ©o j. 33. eine fd^male, ganj im ©d^atten 
liegenbe ©äffe in 3llgier; nur an einer ©teile fällt oon 
linf^ l^er ein praller ©onnenftreifen ein, unb l^ier fifeen 
auf einer 3lrt SädEerbrett, auf ba^ man fonft bie eben 
gebadfenen 33rote legt, an jmölf ^ai^tn, bie fid^ eingefunben 
l^aben, um ein Sid^t^ unb SBärmebab ju nel^men. ©in 
gemö^nlid^er SRenfd^ gel^t an bergleid^en ©a^en oorbei; 
©enfe fie^t e^ unb malt e^. Sei biefer güHe oon 
malerifd^em unb poetifd^em Orient regt fid^ einen Slugen^ 
blidE lang immer mieber ber SBunfd^ in mir, „bergleid^en 
bod^ aud^ nod^ 'mal ju feigen". SBenn id^ mir bann aber 
oergegenmärtige, bafe eg o^ne Statten, SRäufe, ©forpionen, 
oor allem aber ol^ne „SBermin", unb jmar aller Slrten unb 
®rabe, fd^led^terbing^ nid^t ju l^aben ift, unb ba§ unter 
Umfiänben ein ©d^lud^ SBoffer, brin man „bie ©d^red^en 



204 S^. JfßtAann 43riefe aa f^tiie ^onittie. 

bet S^tefe" aud^ ol^ne aWilroflop im Äompfe mitehtattber 
feigen fomt, ate Sabfal gilt, fo bin id^ t)on allct ®tf)n^ 
fud^t gel^eilt. S)at)on ju lefen, baju ifi bcr Orient gut, 
jum ßeben ber Dcdbent, unb je mel^ nad^ SEßefien, 
befio beffet. 

3d^ bin fel^t fleißig. SSormittag^: Olaf Ätagebeen, 
©t)enb ©obelbort unb §etluf S:rone^ Segräbni«, btei 
SaHaben, an bcnen id^ nun — etwa, wie ber alte Selon) 
brei Sudler ju gleid^er 3^tt la^ — abwed^felnb unb be^ 
fianbig tjon einem jum anbem übergel^enb, feit brei 3Bod^en 
arbeite. SRad^mittag^ bann ^ßuffeleien unb abenb^: bie 
Srebom^. aWama, mie fie mir fagt, l^at ftd^ barüber bei 
S)ir befd^mert, unb mie fönnf e^ anber^ fein, „^and^on 
bleibt fi^ immer gleid^." 3d^ möd^te mol^l miffen, meldte 
aSorfteHung fie über bag ©ntflel^en t)on Sudlern, bie 
jmifd^en 500 unb 2000 ©eiten fd^manfen, unterl^ält. S)ie 
©efd^id^te von ben ,,3Bid^telmannd^en" ifl gar nid^tS ba^ 
gegen, ober il^re SBid^telmannd^en muffen flärfer fein unb 
arbeit^oerfeffener, afe bie ©elfenfird^ner ©d^lepper, bie 
iefet ftreifen. 

§eute oormittag mar Dnfel 3Bitte eine l^albe ©tunbe 
l^ier, freunblid^s^mol^lmollenb mie immer unb politifd^ vn^ 
biffen — aud^ mie immer, ©in SRationalliberaler, alfo 
oormeg ein Äretin, l^atte mit einem Slnfluge oon ^umor 
gefagt: ^^SRun, mein ©ott, meine Ferren, menn bai8 ©efefe 
ein Srrtum fein follte, vorläufig ift e^ nod^ nid^t ermiefen, 
bann änbem mir'^ mieber; an fold^en Irrtümern, benen 
allerbefte Stbfid^ten jugrunbe liegen, gel^t bie SBelt nid^t 
unter." Unb biefen armen SRationalliberalen follte id^ 
mitoerflud^en, mal^renb id^ nur ©egeui^morte für feine 
SEßei^l^eit auf ber Sippe l^atte. 

aWorgen ift bei ®ud^ ein großer S:ag unb l^offentlid^ 
jugleid^ ein l^eiterer unb beglüdfenber. ©mpfiel^l mid^ bem 



1889. 205 

tjetel^rten aSeitfd^en 5ßaat*), ba§ fo mel f5teunbli($feit für 
S)td^ l^at, unb uergife nid^t im ägppterlanb ba^ alte 
magere Äanaan unb feinen ^atriaxd^en. 

295) 33 erlin, b. 13. aJiai 1889. 

aWeine Rebe aWete. 
3Bir ftnb glüdlid^ ju l^ören, tote glüdflid^ S)u bifl, 
@in ©onntag am dtf)txn. 3d^ fel^e bann immer ba^ 
fd^öne a3ilb t)on ©uftat) ©pangenberg vor mix, ha^ 
ben 2^itel fül^rt: „Jungfrauen t)on Äöln bem SRI^ein 
33Iumen ftreuenb''. ©§ ip t)ielleid^t im Äölner SJhtfeum 
unb iebenfattg fel^enSmert. ©^ mar feine erfle Slrbeit, 
nod^ vor bem „3lattenfdnger ddu Hameln", unb nad^ ber 
©eite ber poetifd^en ©timmung l^in ^at er nid^tö ©döönere^ 
mel^r gefd^affen. 6r bleibt übrigen^ aud^ fonfl nod^ eine 
ber intereffanteften mobemen Äunflerfd^einungen, unb jmar 
baburd^, ba§ fein 3lenommee nid^t, mie ba^ gemöl^nlid^ ge^ 
fd^iel^t, burd^ %a^itnof\tn unb Äenner, fonbem, im ©egen^^ 
fafe ju biefen, red^t eigentlid^ burd^ bie gebilbeten Saien 
gemad^t morben ift. 3)a^ ^ßoetifd^e l^at ben ©ieg über 
bie aWangel ber S^ed^ni! bat)ongetragen. 33ei 33ft(flin 
liegt e^ äl^nlid^. 3lber bod^ nid^t tjott fo. S)iefer ifl mel^r 
ber Slbgott einer bejHmmten „ßlique" t)on ©ebilbeten afe 
ber ©ebilbeten überl^aupt. Jm ganjen genommen, gebe 
id^ nur etmai^ auf gad^ urteil. 3lber eg fommen Slu^^ 
nal^men vor. SBenn S)u nad^ Äöln fommen foHtep, fud^e 
baS 33ilb ju fel^n, aufeerbem ba§ alte Slltarbilb im SDom 
(„tl^ronenbe aWaria")/ unb im SKufeum, menn id^ nid^t irre. 



*) (&ef). SJtebtginaltat 5Prof. Dr. SBeit in Sonn unb feine mit 
gfontaned Xod^tet befteunbete (^emal^Iinr bei benen jene bamald Der« 
tueilte. 



206 S^. £fordmt% 43riefe an r^e Familie. 

„aWatta in bet aiofenlaube". S)o^ ftnb fo ©ad^en, bie 
etttem bleiben; ba^ meifte gel^t rafd^ toieber in ben 
Dtfu§. 

©onnabenb roax Slätli bei ©enatot ©gget^. ®^ 
würbe t)iel barüber gefprod^en, bofe nun bod^ trofe offijietter 
SRid^tbef($idfung ber ^Parifer 2lu^ftellung , fo t)iele beutfd^e 
bejn). berliner Silber auf ber Slu^fteHung fein werben, 
Äunftangelegenl^eiten raffen fid^ l^eutjutage immer mel^r 
ju gerabeju politifd^en gragen auf unb befd^äftigen ^of, 
aWinifter, ©efeUfd^aft in einer SBeife, bie mitunter an bie 
^age ber Sola aWontej erinnert. 3)u unb bie ©e^eimratin 
werben nid^t üiel t)on biefer ©röfee miffen, aber ber ©eJ^eim- 
rat. 2Bag bamate bie Sola aWontej mar, ift jefet, natärlid^ 
mit @inf darauf ungen, 3lnton t). SBerner. ©eine betjor^^ 
jugte Stellung ift fo grofe, bafe bie 3Kinifter mit il^m red^nen 
muffen unb ben S)udEung^proje§, ju bem fie nid^t blofe 
bered^tigt, fonbem oerpflid^tet waren, unterlaffen ober bod^ 
fel^r mobein. @§ Reifet, er motte Äunfhninifter werben, 
unb id^ bin il^m bai8 3^19^^^^*^^^ fd^itlbig, ba§ er bo^ 
3eug baju l^at. 3Ran l^at il^n oft ben Keinen Si^mardf 
genannt unb il^n mit bem jungen SRapoleon oon 1796 
(bem er frappant dl^nlid^ fielet) oerglid^en. 3n bem atten 
ftedEt 'wa^ SBal^re^; er ifl eine ganj eminente ^Perfönlid^^^ 
feit. ®enie ift nid^t ba^ redete SBort, baju ift ju oiel 
Äalfiil in il^m; aber er l^at grofee ®aben ber SRebe, be^ 
3lu^brudE§, be^ §aranguieren§, nod^ oiel mel^r afe beg 
fjlottmalenfönnen^, unb e^ ift ein ^el^ler oon ber anberen 
©eite, wenn man ba§ nid^t genug anerfennt unb Äorrelt^^ 
l^eit, S)eutlid^feit, 2lufrid^tigfeit ufw. oon il^m forbert, 
lauter S)inge, bie SBemer beladet ober afe inbifferent an^ 
fielet, ^eroorragenbe SRenfd^en ftnb l^öd^ft feiten Sieber^ 
mdnner; in bem legten ganjen Qal^rl^unbert fenne id^ nur 
jwei: ben älteren ptt unb SBBafl^ington. SDie anbem 



1889. 207 

l^aben alle etwas gemogelt, unb bie gegenwärtigen mogeln 
erft red^t. 

©eflem um IOV2 Ul^r ful^t id^, in großer Äumpanei, 
nad^ SRefeberg ju Seffing. 3)aS 3)edenbilb mit ber 
mifeig unanftänbigen Snfd^tift (Slnfpielung auf ben ^ßrinjen 
^einrid^ unb feinen aWignon, aKajor 0. Äapl^engft*) mutbe 
miebet bemunbett unb ein 3)iner genommen, baS fid^ lebig^^ 
lid^ au^ ^Probuften beS ®uteS jufammenfefete, glüd^lid^ermeife 
mit StuSnal^me be§ SBeineg. SBor ^ifd^ anbertl^albftünbiger 
©pajietgang um ben fd^önen ©ee, nad^ 2^ifd^ anbert^: 
l^alb ©tunben Äegel gefpielt; id^ l^abe l^eute baoon eine 
etma^ fteife §anb ; „ballet ber lange Srief ", mürbe aWama 
fagen. Srugfd^ mar fel^r unterl^altenb unb erjäl^lteoon 
150000 aWann turfmenifd^er 3?eiterei, bie, bei unferm 
nad^ften Äriege mit SRu^lanb, bie ruffifd^e 3lrmee begleiten 
unb bann S)eutfd^lanb überfd^memmen mürben. Dberft 
0. alten ladete unb fagte: ,,bie turfmenifd^en SReiter 
mürben fi($ immer an bie ruffifd^e 3lrmee anlel^nen, alfo 
aud^ ben SRüd^ug berfelben mitmad^en." S)iefer fd^ien il^m 
fefl }u fielen. Unb er mirb mol^l red^t l^aben. S)ie anberen 
Slrmeen f^eitern immer an bem, roa^ unfer 2^l^eo fo rul^m= 
reid^ oertritt: 33adEofen, 33rot, SSerpflegung. Qn anberen 
Säubern mirtfd^aftet bie gemeine Sanbe immer in bie eigene 
^afd^e l^inein, nur aWenfd^en liefert fie, roa^ nid^tS foftet ; 
aber ber l^ungembe SRenfd^ ifl nur ein ipinbemi^, ieben= 
fall^ für ben ©ieg. 

@ben fommt "SJlama naä) ^an]e unb finbet eg mer!^ 
mürbig, ba§ id^ fd^on mieber fd^reibe. S)u mirft e^ 
l^offentlid^ milber beurteilen. 



*) aJlan öctqI. 33b. I bct „SBonbetunöen ufto.", g^it ©taf* 
f(^aft fHuppin". 8. %nfi., 6. 304 ff. 



208 S^. jfordantB iSriefe an fz\m iFamilie. 

entpfiel^l mtd^ bem vtxtf)xUn 5ßaar. SBie immer S)em 
^^t^^ Sßapa. 



296) SBetltn, b. 22. aJiai 1889. 

aWetne Hebe 3Bete. 

S)te §tfee ift ganj unfinnig unb nimmt mix mein 
33eftei8 : ben leibUd^ Maren Äopf mit feinem l^offentlid^ nie 
beftraften ©tolj be^ SRid^tüerrüdtmerbenfönnen^. 

3d^ f($reibe aud^ eigentli($ nur eine^ 5pun!te^ megen. 
3)u fürd^teft immer, mir fönnten ba^, ma^ 3)id^ jefet fo 
beglüdt, für befriebigte eitelfeit galten. 3)tt^ ift nid^t ber 
gatt. 3a, ma^ l^eifet ©telfeit? Qeber ift ein egoifl, unb 
bie ©itetteit ift minbeften^ eine Äoufine be^ ©goi^mu^, 
melleid^tSd^mefter; ja melleid^t ift beibe^ fo jiemlid^ ba^^ 
felbe. SBitt man bi^ auf bie legten SBurjeln graben, fo 
finbet man immer fein Qd^. 3lber bieg Qd^, bag fo 
fd^Iimm fein fann, e^ l^at anberfeit^ aud^ fein SRed^t ber 
Betätigung unb ber fjteube, menn il^m 'mal fein 2^eil ber 
2lnerfennung juteil mirb. @g ift mit bem ©goi^mug be^ 
gebilbeten, beftänbig auf fid^ ad^tenben aWenfd^en melfad^ 
nid^t fo fd^limm, mie bie ^jjeffimiften glauben, unb ba^ 
mir ung trofebem eine^ fold^en ©goi^mu^ oft felbft be^: 
bejid^tigen unb feiner fd^ämen, l^ängt gar nid^t mit unferm 
©goi^mug jufammen, fonbem mit bem in unoerfd^ämter 
Sreite l^eranmarfd^ierenben ©goi^muS bei8 anbem, mit bem 
mir nun unauSbleiblid^ jufammenfbfeen. 3lrtig, mie mir 
finb, entfd^ulbigen mir un§ megen biefe^ S^f^^menftofee^, 
roa^ ber UntJerfd^ämtl^eitg^^galftaff im für uni8 günjHgften 
gatte für felbftoerftänblid^ l^innimmt, ol^ne Stl^nung bat)on, 
bafe nur feine brutale 33reite bie Karambolage überl^aupt 
neranlafet l^at. 33ei SSeit^ bifi 3)u nun mit rid^tig ge^ 
mad^fenen ^JJerfonen jufammen, bie ben linfen ober redeten 



1889. 209 

©Henbogen einjiel^n, um nid^t ben, bent fie begegnen, ju 
treffen; fie empfinben ha^ SBorl^anbenfetn einer anbem, 
über ba^ ganj gewöl^Itd^e SRtoeau fid^ erl^ebenben 5perfönKd^- 
feit nid^t al^ einen 3lffront, fonbern afe eine fjteube, weil 
fie bie Älugl^eit unb bie ©üte l^aben, erfilid^ überl^aupt 
einen anbem aWenfd^en gelten ju loffen, unb jweiten^ 
feinfd^mederifd^ genug pnb, ben Sor^borfer von bem 
aiotenl^äl^nd^en ober bie aWelone x>on bem SomfHürbig ju 
unterfd^eiben. (S^ gibt einen fd^önen jweijeiligen 3Ser^ 
t)on Studiert: 

„SBot iebcm fielet ein SBtlb beft, toa8 er toerben fott. 
©0 lonö' er ba8 ntd^t ifl, ip nid^t fein gftiebe öoll/ 

3n einer bementfpred^enben Sage bifi S)u jefet; 3)u weifet — 
unb warum fotttefi 3)u'i8 nid^t wiffen — , bafe 3)u §er} 
unb aSerfianb auf bem redeten ^led^ l^afl, unb t)ieUeid^t 
jum erfienmal in S)einem Seben, von SSater unb SJhttter 
abgefel^n (namentlid^ von erflerem), mirb 3)ir nun bag 
®IüdE unb bie ^eube juteil, ba^ an unb in 3)ir be^ 
ftätigt }u fel^n, moran S)u glaubtefi unb gelegentlid^ nur 
jmeifelteft, menn anbre ju bel^orrlid^ il^re ^agejeid^en 
ma^ttn. 3)enn auf bie 3)auer ift ber aWad^t foI(^er 
f^ragejeid^en nid^t ju wiberflel^n, unb man mirb, nid^t 
bemütig, ba^ märe etma^ ©d^öne^, fonbem blofe unmutig 
unb niebergebrüdft. 

Sttfo freue 3)id^ rul^ig weiter unb fd^reibe e^ aud^. 
ei8 gibt menig ©egnerfd^aften im Seben, mit benen man 
fo bel^arrlid^ ju fämpfen l^at, mie mit ber SReibl^ammelei. 
"^avon tann id^ ein Sieb fingen, unb in nid^t^ l^abe id^ 
meinen glüiflid^ fanguinifd^en ©l^arafter fo fe|r bemiefen, 
al^ in bem Seid^tnel^men ber 3)emütigungen unb Untere 
fd^äfeungen. 5Rur uergeffen l^abe id^ fie nid^t. 

%üx mid^ bred^en nun grofee %a%t refp. SRdd^te an; 
benn bai8 ^refe^,33anfett" beginnt erfl um jel^n Ul^r, b. f). 

2^. BfontaneS »riefe an feine BfornUie. U. 14 



210 S^. Jfoxdant» 43riefe an fjeto iFamilie. 

alfo um elf. aSox t)ier Ul^r frül^ toetbe id^ nid^t ju fiaufe 
fein, ©ontittbenb unb ©onntag follte id^ bann mit ber 
„otnitl^ologifd^en ©efeUfd^aft" in^ ©d^enfenlanbd^en 
(2^eupift ufn).), roa^ id^ abgelel^nt l^abe, bafüt aber SRontag 
ini^ „Sönbd^en fjriefadf". S)ie fünf Sdnbd^en im QavtU 
lanbe l^eifeen: griefad^, Sellin, ®Iin, SRI^inott) unb SRufe^ 
minfel. %üx fünftige feine ^ifd^untetl^altungen, faft fo 
fein mie Pol de Mont; bod^ ift lefeterer nod^ um einen 
®rab feiner unb id^ l^ätte S)id^ mol^I über il^n perorieren 
l^ören mögen, ©o fommt einem alle^ 'mal junufee. 
(Smpfiel^l mid^. SBie immer S)ein alter ^ava. 

297) SBerlin, b. 26, 3Ra{ 1889. 

aWeine liebe 3Rete. 

©eftem frül^ erhielten mir 3)einen 33rief unb nel^men 
banad^ an, bafe S)u vox ßnbe Quni nid^t mieber l^ier bift. 
2Bir benfen, um biefe 3^it ^on l^ier abjureifen. 

aWorgen miH id^ nun ju ^erm v. 33rebom auf Sanbin 
in^ Qavtllanb unb t)on biefem Hauptquartier au^ meine 
gal^rten auf bie Srebomgüter (ungefdl^r 20) antreten. 
^ä) miH frol^ fein, xotnn id^ ba^ alle^ in einer SBod^e 
bejmingen fann; mal^rfd^einli^ bauert e^ länger, baj[eber 
(Sinjelbefud^ bod^ metft t)on einem S)ej[euner ufm. begleitet 
ift, mo bann l^albe 2^age ^ingel^n, ol^ne bafe t)on meinem 
eigentlid^en S^^^^ ^^^ ^^^ ^^^ "^^^^ ^P- ®^ 9^* jmei 
33rebom^Sinien, eine gräflid^e: Sreboms^griefadf mit 
mel^reren gräflid^en Slbjmeigungen unb eine nid^tgraflid^e 
Sinie 33rebott)^33rebom mit t)erfd^iebenen Unterabteilungen. 
3d^ fürd^te, bafe id^ bie^mal nur bie erftere bejmingen unb 
genötigt fein merbe, ber Säreboro^Srebomlinie erft fpäter 
meinen 33efud^ ju mad^en, t)ielleid^t im ©eptember. 3)a^ 
©infd^lad^ten auf einmal märe mir natürlid^ lieber, benn 



1889. 211 

bte^ SBorfttl^ten t)on einer ©d^lo^rampe auf bte anbre l^at 
für einen 70 er bod^ fein Unbequeme^. 3)abei ifi bag 
©d^riftfleffermetier unb ber S^^^f i^ ^^^ ^^^ fontmt, 
me^r ober weniger rerbäc^tig. 3Bai8 xoxü er eigentlid^? 
3)a ftedt gewife 'wai^ bal^inter. ©old^' berliner ©IribifaE 
fann pd^ bod^ nid^t für unfre ©d^affläHe interefperen. 
Äunfi? Silber? Snfd^riften? Äunft gibt e« l^ier nid^t, 
unb um bttg 33ilb tjon Spante SRofalie mit il^rer meinen 
^üHl^aube fann er bod^ unmöglid^ fommen. 3)ie märfifd^en 
©belleute pnb fel^r gute aJtenfd^en, aber fie l^aben ben 
attgemein mdrfifd^en 3^8 ^^^ ärgmol^ni^, ber SRüd^tem« 
l^eit unb bei8 SRid^tbegreifen^Äönneui^ eine^ reinlid^en, über 
ben äufeerlid^fien ®mxnn unb aSorteil l^inau^gel^enben 
aBottenig. 

3d^ lege S)ir l^eute eine fel^r l^übfd^e Äritif von 
©d^I entleer bei; ber SSergleid^ mit ber fHHen ^ßumpe 
unb bem blofe bemeglid^en ©d^mengel ift fel^r mifeig. 
2lud^ bag über Äainj ©efagte fel^r gut. — aWit meiner 
S)id^terei bin id^ nun fafl ju ®nbe (jmeibeutig) ; ju fd^reiben 
ift nid^ts mel^r, nur-l^ier unb ba nod^ }u forrigieren, aber 
aud^ ba^ ift t)on feinem 33elang, unb id^ l^abe bann nur 
nod^ ein 3)ufeenb Slbfd^riften ju mad^en. 3)ann fann ber 
3)rudf beginnen, vox bem id^ mid^ fürd^te. SRid^t^ regt 
mid^ mel^r auf afe bie Äorrefturbogen ; immer ifi man in 
Slngft, ba§ etma^ ganj gurd^tbare^ fielen bleibt, ein VLn^ 
finn ober eine Säd^erlid^feit ober eine Unanftänbigfeit. 
Unb äff biefe Stngfi um nid^t«. a)ie ©leid^gültigfeit ber 
SRenfd^en gegen ^ßoetereien überjieigt alle^ aWa^, unb eg 
ift mir ein Semei^ meinet natürlid^en Slngemiefen^ unb 
©ingefd^morenfein^ auf biefe 3)inge, bafe id^, troft ber 
flaren unb nieberbrüd^enben ®rfenntnii5 t)on bem SBid^t^ 
biefer Sefd^äftigung, bod^ babei au^l^arre, einfad^ weil id^ 
nid^t anberi^ fann. 

14* 



212 S^* jfordant» iSriefe an f^e iFamtlie* 

aber Sädet S: l^t er an ber ®(fe ber eid^^om==©tra6e, 
mit feinen iwei blonben SRantf eBtö, bie aBol^n=^ unb Duarffud^en 
t)erfaufen, ifi beffer bran. ©onberbar, bafe i($ im 3)rauf5 
lo^fd^reiben gerabe aWo^n unb Duarf 'rau^gegriffen l^abe. 
S)aju bringt man'^ genau aud^; bei ben meiften ÄoHegen 
prätjaliert Duarf, bei mir 3Ro^n. Slber e^ fragt ftd^, ob 
aWo^n nid^t ba^ ©(flimmere ift. S)a ^abe td^ neulid^, 
auf rebaftionetteg Stnfud^en, ein S)ufeenb Heinere unb 
größere ©ad^en an 3). unb 3). gefd^idft. "S&txm nod^ 
©ered^tigfeit in ber SBelt märe, fo müßten bie Äerle 
Äopf ftel^en; benn e§ ftnb ©ad^en barunter, bie nid^t 
von fd^led^ten @Item pnb, apart, lebenbig unb ben 
preufeifd^^branbenburgifd^en 2^on treffenb, mie id^ il^n faum 
ie jut)or getroffen l^abe. Unb ba^ liegt nun alle^ feit 
oier, fünf SBod^en auf ber SRebaftion, fein SBort, fein 
3)anf, am menigpen aber 3ufenbung eine^ 3lbjuge^, morauf 
id^ marte. Unb ba^ paffiert mir, oon bem nun fd^on brei 
beutfd^e Äaifer gefagt l^aben, id^ fei il^r Siebling^bid^ter, 
mir, bem atte Qal^re ein 33ud^ gemibmet mirb, auf beffen 
SBibmung^blatt fte^t: „^m SReifter ber SBattabe". 8Benn 
man fd^arf jufiel^t, fo fielet eg freilid^ auf jebem ©ebiete 
äl^nlid^ au^. 2Ba§ l^aben fid^ beifpiefemeife aWänner mie 
0. Sergmann unb feine oerf d^iebenen Äottegen imoorigen 
Saläre atte^ fagen laffen muffen, unb namentlid^ htim 
aWilitär f)ält jeber ben anbem für einen bii5 jum ©taat^= 
oerbred^erifd^en gesteigerten ©d^afi^fopf. Slber ba^2:raurigfte, 
meil ieber oon ber ©leid^gültigfeit ber ©ad^e burd^brungen 
ifl, ift bod^ bie S)id^terei. 

SRun fei'^! Äeiner fann au^ feiner §aut, unb man 
mufe oerbraud^t merben, mie man ift 

SBie immer 3)ein alter ^ 



1889. 213 

298) 33 erlitt, b. 25. 3utti 1889. 

SKeitte liebe aWete. 
3Kir fel^It bie redete ©titnitiuttg ju eittetn Sriefe, uttb 
fe^It biefe, fo fel^It atte^, betttt uttfte ©xlebtttffe ftttb fel^r 
Heiti. aJiaitia itiad^t tnir ftiHe uttb tnituttter aud^ laute 
SBortDütfe, aU ob id^ bie ©ad^e ättbertt uttb burd^ eitie 
SRad^tnittaggfttl^rt tiad^ ^reptott) ober ©tralau bie Qttfel 
ber ©eligett toieberl^erfteHett Ktittte. 3)od^ l^öd^ftett^ eitte 
tt)ie bie SödElitifd^e, bie ttod^ lattgtoeiliger toirft ate 
ber ^ßot^baitierftrafeetiJ^SHltag^juftattb. 3Jlavxa föttttte t)on 
tnir lertteti, toie ttiatt ©itifattileit, ©titte, Sattgetoeile 
tnetifd^entoürbig ertrageti fatttt. SBie fie aber itt 40 ^al^rett 
überl^aupt ttid^t^ von mix gelertit i)at, fottbertt (t)ielleid^t 
red^t gut) fie felbft gebliebett ift, fo aud^ itt biefetti ©tüdE. 
©ie t)erlattgt itt jeber 3Kittute ober ttiittbeftett^ bod^ itt 
jleber ©tuttbe ba^ Qbeal beg 3)afein^, ba^ eg befatitttlid^ 
überl^aupt ttid^t gibt, uttb tt)unbert fid^, e^ ttid^t eittfliegett 
ju fel^tt, befotiber^ iefet, too bod^ alle gettfter aufftel^ett. 
S)afe tttid^ bie^ alle§, gatij furje aWitiuteti abgered^tiet, ttur 
ttod^ erl^eitert, braud^e id^ 3)ir ttid^t erft ju üerfid^em. 
3tti übrigeti füge id^ gern ^inju, ba§ id^ ber armen, ab^ 
gearbeiteten grau t)on §erjen üergnügtere 2^age gönnte; 
fie l^at nun 'mal ganj ben 3ug nad^ einem Keinen ©d^nadE, 
©enfation unb SRebifance, unb id^ tooHte täglid^ jtoei SKarf 
(toa^ fie aber aud^ toieber ju l^od^ finben toürbe) in bie 
Slrmenbüd^fe tun, toenn id^ il^r biefen Meinen ©d^nadE oer^^ 
jd^affen fönnte. ^a^ fann id^ aber nid^t, ba^ fann fie 
nur felber. ©ie felber tann eg aber aud^ nidjt, unb jtoar 
nid^t blofe be^^alb, toeit alle^ üerftorben ober oerreift ift, 
fonbem toeit fie, fd^on nad^ einer falben ©tunbe, anfängt 
fritifd^ unb feinfd^medferifd^ ju werben unb fid^ nad^ aber^^ 
mate einer l^alben ©tunbe haoon überjeugt ^alt, ba§ 
©tiUfi^en unb l^äu^lid^e fiangetoeile ttod^ lange nid^t bai^ 



214 S^. fiontaxuM 43riefe cm petne ^amUie. 

©d^limmfie finb. 3d^ toeife e^ löngft, unb toenn e^ ju toll 
u)trb, lege id^ mid^ ju 33ett. 

3d^ l^obe mtd^ [el^r g^f^^^t/ i>^6 3)u auf SRolanbi^edE 
einen fo fd^önen SRad^mittag gel^abt ^aft; bo« ifi bod^ bog 
©d^öne, ba§ ber SRI^etn fold^e fünfte J^at — 5punfte, bei 
benen 3lamtn unb ©efd^td^te mitroitfen. §etne fd^tteb 
'mal fel^r ttd^tig: ei8 tft nid^t bo^felbe, ob ein ©d^neibet^ 
gefeHe eine §anbfd^ul^niamfell unglüdflid^ liebt ober ein 
aWontmorenc^ eine Sufignan. ©o ift e^ aud^ mit ben 
SRamen unfter SBergnügung^orte : ©ierl^äui^d^en, ^anfete 
abläge, Äaput — man fül^lt orbentlid^, mie ba^ SBet- 
gnügen entjmei gel^t. Unb nun baneben: Stolanb^edt, 
25tad^enfel§, Sorelei. Unfel näl^ert fid^ un^ fd^on mieber. 

SRama l^at S)it ba^ talent öpistolaire abgefprod^en. 
@ani mit Unred^t 3a, mag l^eifet Srief f d^teibetalent ! 
(S^ ift bamit mie mit aU^m ; eine 3toxm gibt e^ nid^t. 3)et 
Heine SRotijenbrief fann fel^r nett fein, unb id^ fann mit 
SBergnügen lefen, ba§ ber Äanarienüogel iti ^errlid^g 
(bie§ ift aber blofe ©uppofition, id^ miß bem 2:ierd^en 
nid^t^ nad^reben) jmei gier ausgebrütet l^at, ober ba§ 
gipS gefd^oren mürbe, erft l^alb unb bann ganj, ober ba§ 
bie SKadEelbeqfd^en SKamfeDfö eS abgelehnt l^aben, ein 
„fd^iereS" Äarbonabenftüd ju t)er!aufen unb jefet auf 
rul^ige aWitfnod^enl^innal^me beftel^n. 3lber id^ fann bod^ 
ni^t jugeben, ba§ biefe %otm ber Srieffd^reibung bie 
allein feligmad^enbe Äird^e fei, 

3)abei fällt mir ein Meinet ©rlebniS ein, baS fid^ 
l^ier pafelid^ einreil^t. 3d^ ging geftem l^eimlid^ (xoa^ benn 
aud^ fpäter moniert mürbe) ju 9Ke^ & (Sblid^, um mir 
einen Keinen fc^roarjen ©ommerrodE für jel^n SKarf ju 
faufen. SQBaS aud^ gefd^cil^. „3lber mirb er paffen?" 
„D, mir merben gleid^ fel^n!" 3d^ nal^m bieS afe eine 
Slufforberung, xoa^ eS aud^ mar, mu^te in ber iQaltung 



1889. 215 

ber iungen S)ame aber bod^ irgenbeine mx^ birigierenbe 
Seroegung überfeinen l^aben; benn ate id^ jeftt SWiene 
mad^te, mtd^ iu conspectu omnium unb im Setoujstfein 
eineg eben erft angejogenen fd^neetoeifeen ^embei^, ntetne« 
fd^Toarjen S^ud^rodf^ entfletben rooUtt, traf mid^ ein Stngfi:^ 
blidf, ber etwa au^brüdfte: „mein §err, bie^ ip feine 
Sabeanftalt". ^ä) folgte il^r nun befd^ämt burd^ atterl^anb 
lange bunfle Äorribore, bi^ id^ enblid^ an einen mann- 
lid^en ©d^neiber abgeliefert mürbe. 5Run aber fomme id^ 
auf mein ^l^ema jurüdf unb fage: man iann aud^ fein 
talent 6pistolaire in SReffeftionen, pj^ilofopj^ifd^en a3e=^ 
trad^tungen, Silbern, SSergleid^en, 3lngriffen unb SSer? 
teibigungen jeigen. 3llfo fd^reibe rul^ig fo meiter. SBürbeft 
S)u von ber Sefd^affenl^eit ber Sonner ©emmeln, oon bem 
TOd^toorl^anbenfein^ eine^ guten 33iere^ unb ber ©robl^eit 
eineg geftem entlaffenen SJienftmäbd^en^ fd^reiben (alfo, 
namentlid^ ba^ lefetere, malere SKuftertl^emata), fo mürbe 
aWama beim britten 33riefe berort fagen: „id^ finbe aWete 
oerpmpelt red^t". 

§eute mufe id^ nod^ einmal in^ 2^l^eater unb fd^reibe 
gleid^ am 3lbenb ein paar Bitten, morgen frül^ miH id^ 
nad^ Sid^terfelbe l^inau^ unb übermorgen gel^t'^ nad^ 
Äiffingen ; bie^mal id^ ate Duartiermad^er, roa^ fein 3Ser== 
gnügen ift, benn bag ©eroäl^lte, roa^ e^ aud^ fei, mirb 
fein ,,3bear' fein. @^ ift aber fd^on immer 'ma^ mert, 
in fold^en SDingen flar }u feigen. — Sin Seffing l^abe id^ 
oor ein paar 2^agen gefd^rieben unb il^m meinen SBunfd^ 
eine^ SRüdtritt^ aug meiner S^l^eaterftellung aui^gefprod^en. 
3d^ mufe nun abwarten, roa^ baxan^ mirb. ®ani möd^te 
id^ an^ biefer mir fel^r angenel^men 3^ttwng^ftellung (im 
©egenfafe jum ^l^eater) nid^t l^erau^. — 3)er 3)rudf meiner 
©ebid^te f freitet jiemlid^ rafd^ oormärti^; ber britte Sogen 
entl^ält jmei ©ebid^te auf ©eorge, id^ glaube aber, bafe 



216 S^. JFotrtones tiriefje an feto JFatnUie. 

fie aWanta nod^ ntd^t gcicfcn l^at, toag mir fcl^r angcncl^nt 
tft; ftc fann c^ t)on ungcfäl^r Icfen, toenn td^ fort bin. 
Qcfet fommcn nun bic „3loxbx\^tn SaHabcn" an bic SRcil^c, 
bie mir mcl ^Bpa^ mad^cn. 

SBie immer 3)ctn alter Sßam. 



299) Äiffingen, b. 2. 3uli 1889, bei ©ottfr. SSBitt. 
Siebe g^au. 

Um 4 Ul^r ftngt eine 2^iroIer g^tnilie, ®ntree 1 aWarf, 
unb biefen Äunftgenu^ miß id^ mir gönnen; id^ mar 
übrigeng aud^ fd^on 'mal im S^l^eater, e^ fofiet aber 
3 aWarf, mag bo^ ju teuer. Um 4 Ul^r alfo ^interlad^er 
ober ^intermalber, iebenfaUg ifi eg ein 3larm mit einem 
^intern, mag aud^ nur in ber Orbnung ift; benn id^ l^abe 
ben ^aupttiroler fd^on l^eute oormittag gefel^n unb bin 
über aT feine SDraHl^eiten orientiert. Qefet ift eg 3 Ul^r 
20 awinuten, id^ barf alfo nid^t ju breit werben. 

aWein 2^ag ift nunmel^r gut eingeteilt. Slber bie 
Sangemeile ift foloffal unb märe nod^ foloffaler, menn id^ 
nid^t bag aWenfd^enbeobad^ten ju einer mir lieben, untere 
l^altlid^en unb lel^rreid^en Äunft auggebilbet l^ätte. 3a, 
eg ftedEt 'roa^ von ®enu§ brin, oon einer ganj feinen 
©innlid^feit, mie fie ber fünfllerifd^ beanlagte SWenfd^ 
immer l^at unb l^aben mu§, fo lange er alg Äünftler fielet 
unb empfinbet. S)ie Toiletten, il^re ©d^önl^eit unb 
©onberbarfeit, intereffieren mid^ gleid^erma^en, unb am 
meiflen bie ^auengefi($ter, aug benen man lange, fd^redE* 
lid^e SRomane l^erauglefen fann, fd^redEIid^ burd^ ©d^ulb 
unb fd^redlid^ burd^ ©ül^ne. SWitunter fielet aud^ ein 
©efid^t nad^ SBu^e aug, nad^ SReue nie. SRid^tg ifi feltener 
alg SReue; jeber ifi f^Iie^Iid^ mit feinem ^un jufrieben 
unb mürb' eg, xotttn eg ginge, mieber fo mad^en. 



1889. 217 

aWon quatfd^t tmtner von bet „Keinen SBelt", x^ 
felbft an ber ©pifee. Unb bann fielet man biefen Ba% 
bod^ toieber glänjenb toiberlegt. 3n SRotbeme^, bei meiner 
jroeiten Slntoefenl^eit, fannte i^ unter ben 10000 aWenfd^en 
feinen einjigen, unb l^ier, unter ben gegentoörtig vtt^ 
fantmelten 6000 aud^ feinen. Q^ fenne bod^ brei 3)ufeenb 
SDlaler unb SSilbl^auer, jtoei 3)ufeenb ©el^eimräte, eben^ 
fot)ieIe ©tab^offljiere, JHttergut^beftfeer, 5Brofefforen unb 
S)ireftoren, Quriften, ©d^riftfieHer, ©d^aufpieler unb 
3eitunggntenfd^en — aber feine Äafee ift l^ier ju fel^n. 

^eute wirft SDu nun SDeine Dttilie lo^; id^ beglüdf* 
n)ünf(^e bid^ baju, fie wirb aber aud^ frol^ fein. 3)u l^aft 
alleg in einem falfd^en Sid^te gefel^n unb il^r aWotiüe unter^^ 
fd^oben, bie gar ni(^t ba waren, ©ie war nid^t^ ate eine 
grenjenlo^ tjermöl^nteÄrabbe, bie weiter üermöl^nt fein wollte, 
©ie wollte „pet" fein unb man follte il^r fagen: „nun, Otti^ 
lid^en, nun fommen ©ie 'mal l^er, wir wollen ba^ fo mad^en ; 
eg brandet ja nid^t gleid^ ju glüdfen, aber ©ie finb ein liebet, 
fleineg 33alg; fommen ©ie l^er, ^öd^terd^en." SDa war 
fie nun furd^tbar fd^Ied^t bei un^ angefommen, benn fo 
gut unb rüdfid^t^ooH bie SWäbd^en bei un^ im allgemeinen 
bel^anbelt werben, fo quietfd^t biefe SSel^anblung bod^ von 
SRüd^teml^eit unb Sangerweile, ©ie pa^te nid^t für un^, 
aber wir aud^ nid^t für fie. 

^ä) erwarte 3)id^ SDonner^tag, übereile aber nid^t^ 
unb oor aSltm fifd^re 3)id^ nid^t ai. 

3Bie immer S)ein älter. 



300) Äiffingen, b. 15. 3uli 1889. 

aWeine liebe aWete. 
3d^ l^abe feit SWenfd^engebenfen nid^t an 3)id^ ge* 
fd^rieben unb will bod^ nod^ vor SDeiner äbreife t)on bem 



218 tK^. Jroniant» Briefe an fttne /otnUie. 

für 3)td^ fo l^errltd^en Somt ein Seben^ii^en oon mir 
geben. 6^ mad^t un^ glücflid^, ba§ bie Slad^rid^ten oon 
SHr — toenn ntd^t nod^ bie legten si^age ftd^ blamieren — 
onbouemb gute ftnb, unb bie ^offnimg erfüllt un^, bofe 
2)u 3)eine berliner SBintertage, xomti nid^t in felfenfefter 
©efunbl^eit, fo bod^ bei leiblid^em SBol^Ifein ©erbringen 
mirft ^offentlid^ fann id^ von mir bo^felbe fagen, benn 
id^ merbe meine Äräfte nid^t blofe bei meiner Slrbeit (bie 
Äorreftur be^ für bie SRunbfd^au bejümmten Stomonö), 
fonbem aud^ für ben 30. ©ejember unb feine ©ntrtrong 
gebroud^en *). 3lid^t ate ob id^ in ber ©rmartung großer 
geierlid^feiten lebte. Oanj im ©egenteU, e^ mirb fid^ alleö 
im „fleinen ©til" l^alten, mie tbtn aUt^ in meinem &^btn; 
aber aud^ fd^on bag Sanbläufige, ba^ bei j[ebem alten 
SSädermeifter ober 3led^nung^rat fid^ SBBieberbolenbe, be* 
brüdt mid^ unb gel^t über meine Äräfte, fpejiell aud^ über 
meine Begabung l^inau^. 3<^ ^^^ be^l^alb aud^ fd^on 
ben ©ntfd^lu^ ber ^affioität gefaxt; id^ merbe aUe^ rul^ig 
unb freunblid^ läd^elnb über mid^ ergel^n laffen unb einige 
S)anfegmorte, bie jebe SRebnerei oermeiben, oor mid^ l^in^ 
brammein. 3Jlan mirb bann ba^ mal^rfd^einlid^ etma^ 
menig finben unb oon langweilig unb unbebeutenb fpred^en, 
aber e^ ift immer nod^ beffer al^ geierlid^feit unb ©teden^ 
bleiben, unb lebenfaBtö ift nad^ brei Xagen alle^ oergeffen. 
3)a mäl^le id^ benn ba^ mir 3latürlid^ere unb ^Bequemere. 
2Bir leben l^ier fel^r angenel^m unb fel^r beoorjugt, 
meil mir in ber Sage finb, mit etma einem 3)u4enb 
SDlenfd^en ung oerabreben unb unterl^alten ju fönnen. 
Überblidt man ben 3#<^^i>/ i« '^^^ i^^i erfid^tlid^ bie 
anbem leben, barunter bie SReid^ften unb SBomel^mften, 
fo ift bieg ein grojseg ©lud; ben meiften fielet bie grenjen^ 



*) Sfontane beging am 30. S)eaembet 1889 feinen 70. (SebuttStag. 



1889. 219 

lofe Sangctoeile, bie fte leiben, aufg ©efxd^t gefd^rieben, 
unb fie jcil^Ien trofe ©lanjentfoltung unb 3^^^^^^^ ^^^ 
^age, too fie bem glänjenben 33abe^®Ienb roieber ent^ 
ftiel^en Ünnm. 

9luf einem großen Sogen l^abe^id^ alletl^anb Slnefc 
boten ufn). für SDid^ aufgefd^rieben, aber nad^bem fie nun 
faft 14 2:age gelagert l^aben, erfd^eint mir il^r SBert bod^ 
mieber jmeifell^aft unb einer ^oppelmarfe nid^t red^t 
mürbig. SBir erl&alten toenig 5Rad^rid^ten, l^aben aber 
trofebem eine gro^e Äorrefponbenj unb fd^on 50 baprifd^e 
aJlarfen oerbraud^t; für 17 S^age aud^ eigentlid^ nid^t ju 
oiel. aÄeine ©ebid^teJorreftur i)at mir oiel SWül^e gemad^t. 

©mpfiel^I mid^ bem l^od^oerel^rten Saufe, bem S)u 
unb mir fo oiel oerbanfen. 3Rama grüfet unb füfet 
3)id^. ©rgel^' eg 3)ir gut 3)ein alter ^ava. 

301) Äiffingen, b. 20. Quli 1889. 

aWein lieber Keiner Otto. 

S)u mirft nun fd^on jmei Qal^re unb trittft mel^r unb 
mel^r in bie SBelt. 9lfe id^ S)id^ oor einem l^alben Qal^re 
fennen lernte, frod^ft 3)u nod^, fo rafd^ gel^t ieftt bie ©nt^ 
midlung. ^njmif^en bift 3)u aud^ operiert morben unb 
l^aft 2)id^ bemgemäfe oerbeffert; bag gontainelid^e ift nid^t 
immer gut, aud^ rotnn man gontane l^eifet. 3lid^te 2)id^ 
mel^r nad^ S)einem großen SWamen^oetter Otto, ber „an 
fid^ ju l^alten mei^". 58or allem aber rid^te SDid^ nad^ 
©einem SSater unb merbe dn ebenfo guter aJlenfd^. SBon 
3)einer 3Jhttter aber nimm ben frol^en ©inn unb oon 
^ante TOete bie Äunft be^ 5ßortragg unb bie ^pi^ilofopl^ie. 2)u 
toirft bann für 2)id^ unb anbre ein glüdlid^e^ Seben fül^ren. 

Sebe tool^l unb grü^e bie awitglieber 3)eineg ^aufeg. 

SDein alter Orofepapa. 



220 tK^. £ontme» tirUfe m feilte Jtnnilie. 

302) »apreut^, b. 27. 3ult 1889, obcnb« 7^2 U^t. 

Siebe ^au. 

6^ wäre l^iet alle^ gonj gut, aber ble @erü<i^e finb 
fürd^terltd^. SBenn td^ fte in il^ret 3«fönttnenfe^ung er^ 
fermen fönnte, möd^te eg gel^n, aber in bem UTÜ)eftttier* 
baren liegt etroa^ ©d^redlid^e^. aWir jur Seite, wenn 
aud^ jtoei ©tagen tiefer, ifi eine ©änfeprbe — biefe 
l^abe id^ im SSerbad^t, bie ^auptfünberin ju fein ; allgemein 
©onnabenbfd^e^ — e^ mirb aHe^ gefd^euert -- mif d^t ftd^ 
ein. 3)er Sal^nl^of^portier fd^idte mid^ burd^ eine SDuenna 
l^ier l^erüber unb id^ bin ein bi^d^en ba^ Opfer einer 
Äleinen Seut- unb Unter ber ^anb^aSerfd^mörung. 3efet 
l^abe id^ e^: e^ ftnb bie gewaf dienen SBBoIIbeden, bie meinen 
alten Qngrimm gegen blankets ufm. nur nod^ fieigem. 

S)ie ©tabt unb ba^ Seben l^ier finb l^od&intereffant : 
vergorene 3lefiben}, malerifd^e^ S)redfneft unb bajtoifd^en 
bag benfbar feinfie unb intelligentefie ^ßublifum. 6ngs 
länber aller Slrten unb ®rabe, fel^r tjomel^me unb baneben 
foloffaleÄarifaturen. SSierfneipen unb ^otefe 1. 3lange^, in 
beren einem „jum 3leid^gabler" (mit einem alten malerifd^en 
Srunnen in gront) id^ eben gegeffen l^abe. 5Rad^ ben Sin- 
ftrengungen be^ l^eutigen 2^age^ mu^te id^ mir tttoa^ 
gönnen, unb bie ©erüd^e l^ier verlangen SSalancierung, 
fonfi merbe id^ franf. 

3d^ freue mid^, ba§ id^ l^ier bin, fel^e aber ein, bafe 
bie ganje ©efd^id^te bod^ nur für Sorbg unb Sanfter^ 
infjeniert ifi. ©o ba§ man eigentlid^ nid^t l^ineingel^ört. 
3Ber mit feinem ^^onnengemölbefoffer anlommt, ifi t)on 
üoml^erein unter burd^. 3^^^ ^^9^ ^^^^ ^^ ^^^^ gelten. 
Sltoari l^abe id^ tUn gefel^n, mel ©nglanb unb ämerifa 
um fid^ l^er. ©rü^e bie Äiffinger. 3Bie immer 

SDein älter. 



1889. 221 

^^ fd^reibc morgen nid^t, cö bleibt alfo bei biefem 
erften unb lefeten SSriefe. 

(Sbtn l^abe id^ bie legten brei g^^i^benliften gefauft 
utib burd^gefel^en : 3^^^ drittel finb ©nglönber unb 
Slmerilanet; Slmerifanet nod^ mel^t afe ©nglänber, t)iele 
aug SDentjer, too bie jtoeite ^älfte meinet fd^Ieftfd^en 
Stoman^ fpielt. 



303) 33 a ^ r e u t ^ , b. 28. ^uli 1889, ©onntag abenb 9 U^r. 
Siebe grau. 

3d^ ntad^e mir ben Bv^^/ ^^^ ^^^^ i^ fd^reiben unb 
uermute, bafe biefe S^ikn noc^ red^tjeitig bei S)ir eintreffen 
werben. SDenn bi^ aWitternad^t ifi bie 5ßofi auf. 

®^ ift iefet 9 Ul^r, unb wenn i^ bebenfe, ba§ frül^efieng 
nad^ abermals einer ©tunbe ,,5ßarftfar' ju 6nbe ift, fo 
roei^ id^ nid^t, wie id^ biefe Sonen innerl^alb be^ ^l^eaterö 
l^ätte erleben rooffen. S)ie Ouvertüre l^abe id^ gel^ört unb 
im ^inau^gel^en nod^ einen glimpse von ber erften ©jene 
gel^abt; bann bin id^ langfam nad^ fiaufe gefd^Ienbert 
(jiemlid^ roeit) unb l^abe gelefen, bann bin id^ in bie ©tabt 
gegangen unb l^abe erft bei einem Äonbitor in ber 3l&^t ber 
großen 33rüde (gegenüber ber Äafeme) unb bann bei bem 
vielgenannten ©ammet jum jweiten aWale Äaffee getrunfen, 
weil id^ bod^ 'wag tun mufete. S)ann toieber nad^ ^aufe, 
n)o id^ jn)ei S3riefe fd^rieb. SDiefe S3riefe brad^te id^ jur 
^oft unb ging toieber eine l^albe ©tunbe fpajieren. 3)ann 
lag id^, mieber ju ^aufe angelommen, eine ganje ©tunbe 
unb l^abe eben auf meinem 3^^^^^ ^^i^ Slbenbbrot unb 
meinen ^ee ju mir genommen unb — 5ßarfifal ift tro|= 
bem nod^ lange nid^t au^. S)ie 1500, bie l^eute brln 
toaren, muffen tounberooll gefunb fein, ober 750 hccoon 
l^aben nad^ brei klagen — benn e« regnet unb ift l^unbe^ 



222 Wj. Jrßtdmts tiriefe an fehtt /amttie. 

falt — Äatarrl^, Srcd^burd^faff, aWagenetfältung unb 
SRI^cumati^mug. 3)er pafftoniertc aWenfd^ l^ält aUeg ouig; 
xä) meinerfeitö bin bod^ fafi traurig, auf 3lctfett (unb 
ütellcid^t aud^ fonft) immer ein ©d^mäd^Iing gemefen ju 
fein. — ®raf ©d^merin auö SBoIf^l^agen, ber große 
granjofe t)on ber S^rimburg, ifi oud^ l^ier. 3n ber 
grembenlifie fielet l^inter SBolf^l^agen, bo^ in ber Udfermarf 
liegt, (©teiermorf), mo^ fid^ unglaublid^ fomifd^ aufnimmt. 
3d^ fel^e orbentlid^ bie ©em^böde fpringen. 

Sefet ift eg 9 U^r 20, aber ^arpfal fpielt nod^ immer. 
2)ie 6j5jelte finb im freien; eg muß einige ©rfrorene 
geben, fonft ift feine 3laifon mel^r in ber SBelt. 

SBie immer 3)ein ^tet. 



304) Äiffingen, b. 3. augufi 1889. 

SWeine liebe SÄete. 

©ei frol^, baß 3)u l^eil in SBBamemünbe bifi, bei Siebe, 
SBaffer unb guter aSerpflegung. 3)u mirft 3)id^ nun gemiß 
rafd^ erl^olen. 

S)iengtag tooffen mir nun fort, unb jmar bireft jurüdf ; 
alle 5ßläne, bie fid^ abmed^felnb auf 5Wünd^en, ^ßarten^ 
fird^en, Äönig Submig^ S^w^^i^f^ä^Iöffer, Dber^of, ©ifenad^, 
SBeimar rid^teten, finb aufgegeben. 3^^^ ^^^ i^ ^i^ 
— nad^ einem fiarfen 3)eprimitiertfein in ooriger SBod^e — 
mieber leiblid^ erl^olt, aber eine gemiffe Sieifemübigfeit ift 
bod^ geblieben, unb allen 5ßlänen gegenüber begleitet mid^ 
bie grage: „SB^^ foff ber Unpnn?" ©ine grage, bie 
überl^aupt ganj unb gar von mir SBefife ju nel^men brol^t. 
3u nid^tg gel^ört fo t)iel Äraft unb ?Jrifd^e mie jum SSer* 
gnügen (t)iel mel^r alg mie jum arbeiten), unb oon bem 
SlugenblidE an^ wo biefe ilraft unb biefe grifd^e nid^t mel^r 
ba finb, fel^nt man fid^ mel^r nad^ bem l^eimifd^en 33ett^ 



1889. 223 

jipfel, al^ nad^ ben ©d^Iöffcm Äönig Subtoigg ober nad^ 
äu^ficHung ober S^umerfeft. SBir l^abcn eg l^icr fel^r gut 
getroffen, ^au^aufcntl^alt oorjügltd^, alleg fauber, freunblid^, 
nett unb nid^t ju teuer, baju 33efannte rerfd^iebenfter 9lrt. 
3)ennod^ bleibt, namentlich beim aWittag^tif d^ , t)iel ju 
TOünfd^en übrig, unb wer biefe vm ober fünf SBod^en in 
einem minber guten ^aufe ober wol^I gar in einem an^ 
fprud^goollen ^otel mit unoerfd^ämten Dberfellnem unb 
im übrigen fremb unb einfam jubringen mu§, für ben ift 
fold^ Slufentl^alt eine roal^re S^ortur, unb bie befte 83runnen= 
nije fann toeber mit il^rem ©lauber^ nod^ mit il^rem 
33itterfal} äff ben 'runtergefd^Iudften ärger au^ Seber unb 
©äffe wieber l^erau^fegen. 3m ganjen mu§ id^ bod^ bei 
meinem alten ©a| bleiben: ba^ 3leifen ifi nur für fel^r 
reid^e unb infolge il^re^ SReid^tum^ für fel^r reifegeübte 
Seute. 3)ie „Keinen Seute" bürfen nid^t reifen, fonbem 
muffen in ©d^mödhoi| ober aud^ in 3^^^^^^^ ^^^^^ 
„©ommeraufentl^alt" mit SettfadE unb ©d^mortopf nel^men 
unb fid^ felber fod^en. 3)afe e^ un^ l^ier fo gut glüdfte, 
ift ein l^albeg SBBunber. SRatürlid^ fpielt aud^ ber (Sl^arafter 
eine 3loffe bei biefer fd^mierigen grage. SBBer grob ifi unb 
auftrumpfen fann, fäl^rt beffer; aber id^ fann e^ nun nid^t 
mel^r lernen. 

SBBie immer 3)ein alter aSapa. 



305) Serlin, b. 19. Sluguft 1889. 

3Reine liebe aWete. 
^ebel l^at gejlem abenb nod^ treulid^ berid^tet; er 
ifi fein großer Sieporter unb rangiert erl^eblid^ l^inter 
SBiffiam SRuffeff unb S. petfd^; tro|bem mar eg genug, 
un^ miffen ju laffen, ba§ e^ fo leiblid^ mit S)ir gel^t ober, 
mie unfer alter ©eorge in SDiagbeburger Seutnant^fprad^e 



224 Ä^. SovAantü Ärlefe an fetne iFamttte. 

ju fagctt pflegte: „l^alb fett". Qm ganjen genommen, ifi 
t)om Seben nid^t mel mel^r ju verlangen; mel^r ift unter 
allen Umftänben 3«8^6e. — 

^ebel, ber gefiem alle^ furj abjumad^en l^atte, fonnte 
aud^ bei un^ nur eine ©tunbe bleiben; er mufete nod^ 
auf ben Slnl^alter 33al^nl^of, um feinen greunb unb Storni 
pagnon S. nad^ SBittenberg fortjufd^affen. ©igentlid^ 
mar eg red^t gut fo; benn e^ gibt menig aWenfd^en, bie, 
über eine ©tunbe l^inaug, nod^ irgenb 'mag 5Reueg fagen 
fönnen. Unb menn fd^on Hebbel von ben 5ßrobuftionen 
eineg ganj leiblid^en SDid^ter^ fagen burfte: „3)oubIetten 
l^aben feinen SBert in ber Äunft'', fo barf man t)on Se- 
rid^terftattungen, bie, menn'g 3löl^rmaffer ausbleibt, nod^ 
'mal t)on vom anfangen, minbeflen^ ba^felbe fagen. 

3d^ mar, um fofort felbfi in ben gel^Ier ber 
SBieberl^oIung ju verfallen, (benn 3)u mirft mol^I burd^ 
griebel unb aWama bereite bavon miffen), am greitag unb 
©onnabenb in aWedEIenburg, erft in 3)obbertin, bann in 
Submigglufi. an beiben 5ßläfeen ging eg mir gut, unb e^ 
ift mir fel^r lieb, mir biefen ©to§ gegeben ju l^aben. 
aWama verlangte anfangt, id^ follte aud^ nad^ SBame^: 
münbe reifen ; menn id^ e^ nid^t täte, fo fei ba^ fd^met^Kd^ 
für SDid^ unb beleibigenb für SBitteg. @g ifi unglaublid^, 
meld^eg Äoloffalquantum ron SRaioetät bie alte grau nod^ 
mitunter aufbringt. SBenn id^ mir jufammenred^ne, mer 
ba geftem alle^ in SBBarnemünbe oerfammelt mar, um an 
ber griebrid^ Äarlfd^en Slbfd^ieb^bomle teiljunel^men, fo 
erfaßt mid^ ein Sangen, menn id^ mid^ aud^ nod^ alg 
plöftlid^en Sanquo au^ ber 5ßerfenfung auftaud^en fel^e. 
3lnx feine ©emütlid^feiten ! 3)ag 3^^totter, mo man fid^ 
„freubig überrafd^te", ift bal^in. 

^eute l^aben mir lange Sriefe nad^ ®mg an 3-^ ge=^ 
fd^rieben, unb morgen merbe id^ an meine neuen greunbe. 



1889. 225 

bie Srcboto^, fd^tciben, um mid^ für bie lefeten Slugufttage 
bei il^ttCtt anjumelbcn. @tn @lüd, ba§ ber Häupter btefer 
„93rebon)g^33tcboto" unmittelbar vor mit unb nod^ baju 
mit gi^au in Äifftngen mar, fo ba§ für ©efpräd^^jbff 
muttbert)oH geforgt unb fogar — bie^ freilid^ von jmeifel« 
l^aftem praftifd^en SBert — eine 9lrt ®benbärtigfeit l^er«^ 
geftellt ift. SDenn man foll nid^t ebenbürtig fein. SDa^ 
ijl ber 5ßunft, um ben fid^'^ brel^t. 

Sn 3)obbertin traf id^ au^er bem alten Seftanb nod^ 
einige relatit) jugenblid^e gräulein^. SlUe fird^Iid^, alle 
fromm, ^d^ l^atte von bem ganjen Äram einen mel^mütigen 
©inbrud; aHe finb mol^l menig glüdlid^ unb mad^en nun 
d^riftlid^e 5ßuppen für bie SBilben in Slfrifa, fd^reiben 
traftätd^enl^afte ©efd^id^ten ober l^aben ben SSerfd^lei^ havon 
unb laufen in il^re oben ©uppen= ober marme Seibbinben^ 
oereine, um einen langmeiligen alten ^aftor ober einen 
nod^ langweiligeren jungen eine d^riftlid^e Stnfprad^e l^alten 
ju l^ören. Qd^ miH niemanben in feinem ©tauben unb 
feiner Slnbad^t ftören, aber bie ganje ©efd^id^te — für 
bie id^ übrigeng nur TOitleib, feinen ©pott l^abe, benn mir 
tuen bie armen SRenfd^enfreaturen ju leib — miberfireitet 
meinem ©inn, meiner ganjen Slnfd^auung havon, mie ein 
Seben fein mu§, fo total, ba^ id^ fogenannte toffe SebemS^ 
formen äftl^etifd^ rorjiel^e, menn id^ fie aud^ nid^t in ber 
gamilie l^aben mag. ©elbft bie 33eobad^tung eine^ Un== 
glüdö ober fd^merer feelifd^er Äämpfe l^at in ber @rf d^einung 
nid^t bag nieberbrüdenb Sangmeilige für mid^, mag biefe 
ftiHen 5ßaftorens2lnfäuflerinnen l^aben. SBie unenblid^ 
überlegen ift ung ber Äatl^olijigmug aud^ auf biefem ©ebiet ; 
eine frifd^e, freubige, gefunbe 5Ronne ift etmag $erj== 
erquidfenbeg, fold^ armeg SBurm aber, bejfen 2)afein mit 
Dranienftra^e 105 anfängt unb mit Dranienftra^e 106 
aufprt, ift jum SBeinen. 

%^, Fontanes »riefe an feine Familie. II. 15 



226 Üti* JfoxdtauB iBrtefie cm \sinz JFantUie* 

^cute nad^mittag traf id^ ^ante Sennp unb Xod^tcr 
vor Slanfenfieing ^är, unb atö S)titte im Sunbc : aJiinna 
V. Ä., meine alte Siebe t)ot nun 52 Qal^ten unb nod^ 
länger. 2)enn e^ ging mir äl^nlid^ mie Sepel, ber, auf 
bie grage, mann er juerft geliebt l^abe, mel^mütig ant= 
mortete: „Qn meinem vierten Qal^r." 2lnno 1837 fam 
3Jl. Äraufe mit il^rer nod^ fd^önen, l^öd^fteng 36 ^al^r 
alten 3Jhttter (benn fie l^atte fid^ mit 15 ^al^ren uerl^eiratet) 
au^ bem „Dberon", unb id^ ftanb im Sßorflur beg Dpem^ 
l^aufe^ unb wartete auf beibe. aWinna trug einen fd^ottif d^en 
SRantel, eine Soa von ^ unb einen eleganten, meinen 
aitlagl^ut, fal& aud^ nod^ üerHärt aug burd^ „D, ^üon, 
mein ®atte'' — nun, furj l^erau^, jeber 3^11 ^^^ 
5ßrinjeffin, eine gee in g6, uielleid^t au^ eine ©d^lange 
in 35oa, voa^ nur ben 3leij fteigerte. ^eute fal^ id^ eine 
alte Sadfbeere mit unglaublid^ menig 3ä^^en unb un= 
glaublid^ vxd 3lunjeln. 3d^ freute mid^ aber bod^. S)abei 
nannte fie mid^ mit ber größten Unbefangenl^eit „S)u", 
mag mid^ gerabeju rül^rte; benn man bleibt ein ©d^af. 

3d^ gebe gleid^jeitig eine SRummer ber „granffurter 
3eitung" mit einem famofen g^uiUeton t)on Ouibo Sßei^ 
unter Äreujbanb jur 5poft. ^ebe bie Plummer auf ober 
fd^idfe fie bei ©elegenl^eit jurüdf. S)er 2luffa| ift av^^ 
gejeid^net, mag id^ fagen mürbe, aud^ menn id^ gar nid^t 
barin t)orf äme ; mir befinben ung über fo üieleg in unferm 
fünftlerifd^en, politifd^en, ja, aud^ miffenfd^aftlid^en Ztbtn 
(„S)eutf(^e aSiffenfd^aft" ; nieber mit jebem, ber ba nid^t 
el^rfurd^tgDoH erbebt!) in einem fo tiefen, d^auoiniftifd^en 
^tum, baj3 eg einem orbentlid^ mol^ltut, biefe S)inge 'mal 
oon einem freieren ©eifte beurteilt ju feigen. 

Unb nun lebe mol^l, grüjse ^ante 2lnna unb bog 
jlunge aSolt 3)ein alter ÜJopo* 



I 



1889. 227 

306) aSerlin, b. 1. ©eptember 1889. 

aWetne Itcbc aWete. 

3)u loirft bte^mal im 33abe gleid^ unter bie 2)oud^e 
genommen, unter bie SSriefboud^e von l^ter aug. 3Rama 
ift bei 2lante Q^nxtt), felbft SDlatl^ilbe ©injal^n ift au^== 
geflogen, unb fo benufee id^ bie ftiffe ©d^ummerftunbe, bie 
©onntagg nod^ ftiller unb fd^ummriger ift aU gewöl^nlid^, 
um S)ir oon einem Sefud^ ju erjäl^Ien, ben id^ l^eute l^atte. 
©in ^err, ber 58erf affer eine^ l^übfd^en Keinen Slrtifefe, 
ben id^ beilege, l^atte gel^ört, mie gut mir fein SIrtifel 
gefaHen l^abe unb melbete fid^ für l^eute mittag 12 Ul^r 
an. 5ßünftlid^ mar er ba, unb SDlatl^Ube, mit bem un^ 
bejal^Ibaren ©efid^t oon ©d^Iaul^eit, S)rüberfiel^n unb 
S)ienftlid^feit, erfd^ien, um mir jujufläftem : „@r ift ba." 
3d^ mar fd^on geftiefelt unb gefpomt unb trat ein, um 
il^n mit ber befannten rirtuofen ©inlabebemegung jum 
5ßlafenel^men aufjuforbem. 

,,3Jlein 5Rame ift %., ©iegmunb g. ©ie l^aben bie 
®üte gel^abt, ^erm ©. ein freunblid^eg SBort über meinen 
SIrtifel JU fagen; id^ banfe ginnen. ^^ mürbe frol^ fein, 
menn ic^ öfter cll^nlid^eg fd^reiben fönnte. ©old^e Meine 
l^armlofen SIrtifel mit etma^ g^ebrid^ SSill^elm IIL ober IV. 
rid^ten mid^ immer auf; fie l^aben etmagg^^^^^/Unfd^uIbige^, 
man l^ört in il^nen fein ©elbgeflimper, nid^t^ von bem 
gebergefrifeel einer SBed^felunterfd^rift, mit einem SBort 
aUe^ gefd^äftlid^, alle^ nobel, aUeg mol^Ituenb." 

SBäl^renb er fo oon feinem grünen gauteuil au^ 
perorierte, l^atte id^ TOu^e, il^n ju muftem. @r mar gro§, 
ftattlid^, fd^marj, ber ftarfe ©d^nurrbart Iei§ angegraut, 
50 er, aUeg in allem ein S^avmo^im in 3it)il, gar nid^t 
3ube, ganj franjöfifd^, neroö«, bilö^, falzte ©efid^t^farbe, 
fted^enbe Sugen, etmag unl^eimlid^ unb bod^ geminnenb 
gemütlid^ unb amüfant, fo mie er fprad^. 

15* 



228 S^. Fontane» tiriefB m ft\M iFamilie. 

f/S^/ S^tr gv ©i^ ^^'^^^ 8^^J ^^^t/ f^I<ä&^ Keinen 
arbeiten tun einem voo^; aber id^ bin bod^ überrafd^t, 
@ie bag fo ganj befonber^ betonen ju l^ören. ©d^Ke§ßd^ 
ift eine Meine journalifüfd^e 2lrbeit fo gut toie bie anbere ; 
man friegt fein Honorar, 'mal gut, 'mal meniger gut, 
unb freut fid^ feinet Sebeng, fo gut man fann." 

„3a, ba^ fagen ©ie, $err gontane, ber fie ben 
eigentlid^en Setrieb nid^t fennen; ber eigentlid^e Setrieb 
ift bod^ unter Umftänben ein fd^mierig unb bebrüdlid^ 
S)ing." 

f/3^8^Ö^6en. aber ma^ nennen ©ie Setrieb? 2Ba^ 
betreiben ©ie?" 

„^ä) bin aieflamenooeHift, junäd^ft im SDienft be^ 
Serliner 2:ageblatte^, aber aud^ anberer Slätter, eigentlid^ 
aHer Slätter. ©ie merben mid^, menn ©ie barauf ad^ten, 
aud^ in ber Soffifd^en finben. S)ie erfte ©palte ber oierten 
Seilage ift für mid^ ein für aHemal referoiert. ©ogar 
fontraftlid^. SDleinen Slrtifeln ift ein @. % oorgefe^t, 
baran fönnen ©ie mid^ erfennen." 

f,3d^ toerbe barauf ad^ten. Slber nun fagen ©ie mir 
um ©otteg aSiHen, $err %., mag ift Jiellamenooellift? 
SBag foll bag l^ei^en? Sebeutet eg einen SRooelliften, ber 
fid^ burd^ SReflame l^ält ober berül^mt mad^t?" 

„0 ©Ott bemal^re. 5Rid^t baS ©eringfte baoon. 3d^ 
fönnte fagen, bag ©egenteil. 2)er Jieflamenooellift benft 
an aßen möglid^en Sftul^m, nur nid^t an feinen eigenen; 
ber 3leflamenooeHift ift nur ber pd^fte Sebienftete be^ 
Snferatend^efg, unb bie l^öl^ere goi^ be^ ^nferat^, fo= 
jufagen ber funftoott fid^ einfd^meid^elnbe 3lugbrud be^^ 
felben, baig ift ©ad^e be^ SieHamenooeHiften, meine 
©ad^e.'' 

„Äönnen ©ie mir ein Seifpiel geben?" 

,,3JKt Sergnügen. 3d^ greife meine lefete Seiftung 



1889. 229 

l^ctau^. Seipjiget ©tta^c; iQuincailleriegefd&aft, uned^ter 
©d^mud, SBcItJ^anbel. ^^ mad^e bem (Sl^ef beiS Saufet 
meine SSifite. ,,@te tttferteten fleißig bei TOoffe; wollen 
©ie'^ nid^t einmal mit einer SReflamenoüelle üer^ 
fud^en? @8 ifl toirffamet. Unter Umftänben ergeben fid^ 
ftupenbe SRefuItate. 150 3eilen genügen, 150 feilen ä 60 ^f. 
3nfertix)n^gebä^r. ©inb Sie bamit einüerftanben?'' „Qa." 
3la^ biefer 5ßort)erl^anbIung beginnt nunmel^r meine 
literarifd^e 2:ätigfeit. Qd^ gel^e nad^ ^aufe unb fd^reibe 
bie 3?ot)eIIe. 3)ie SRoüeHe jur 3Serl^errIi(|ung üorermäl^nten 
DuincaiHeriegefd^äft^ beginnt am aSiermalbftätter ©ee; 
Sujern, 3örid^, ©olotl^um. ^elb ber Oefd^id^te : 3led^nung^:= 
rat 33röfidEe unb grau, gal^rt über ben 33obenfee. ßanbung 
auf beutfd^er ©eite, Sinbau ober g^ebrid^^l^afen. Oe^^ 
fd^ärfte S^ttp^^öerei; jeftt aWobefad^e (barauf fommt eg 
an), meil täglid^ bergleic^en in ben S^ito^Ö^^ P^^t- 2)^^ 
3lätin toirb afe 2)efraubantin entlarvt, fällt vox ©d^red 
in il^ren eigenen Äoffer, erl^olt pd^ enblid^, fefet ftumm 
unb [tili bie Steife fort, bi^ fle fd^Iie^Iid^ bei 3)ietenborf 
bie preu^ifd^e ©renje erreid^t. 3)a löft fid^ il^r bie 3«^8^/ 
unb mit ber ganjen ©nbringlid^feit einer berliner Statin 
ei^äl^It fie nunmel^r il^rer SReifegefellfd^aft von bem horreur 
in Sinbau ober griebrid^^l^afen. 3lfe fie gefd^Ioffen, er^ 
greift ein feiner $err ba^ SJBort unb erfunbigt fid^, mag 
fie benn eigentlid^ in ber ©d^meij gefauft l^abe? 
,,DuincailIerie." „^a, meine ©näbige, ba ift Ql^nen nid^t 
ju l^elfen; ©ie paffieren täglid^ bie Seipjiger ©tra^e, ©ie 
fennen ba^ Oefd^äft oon . . . .; fiel^, ba^ ®ute liegt fo 
nal^ unb ©ie beläftigen fid^ mit bem fd^Ied^ten 3^ug au^ 
ber ©d^meij." 

„911^, id^ fel^e, id^ rerftel^e. Unb bie 60 5pf. pro 3^il^ 
rtnb 3^re?" 

„3)a mär' id^ fd^ön l^eraug; nur ein magerer Srud^«? 



230 8^. /imtones iBritfje an feto /otnUie. 

teil bat)Ott; e^ ifi ja Snferatengelb, bag junäd^fi in bie 
Snferatenfaffe fliegt. @^ wäre ntd^t jutn cm^J^alten, toenn 
nid^t bie emfil^afteten aufgaben toären." 

„3Bag nennen ©ie ,emfil^after'?" 

,,3?un, SRänner wie ©pinbler, fierjog, ^eefe. ©old^e 
3Ränner fiel^en übet ber SRooelle, fold^e SÄänner nel^me 
id^ au s6rieux unb fd^reibe ftreng^fad^lid^. 3)atan erl^ole 
id^ mid^ bann. Stter bie Meinen märfifd&en arbeiten mit 
^ebrid^ SBill^elm III. ober 3lnefboten vom alten 3^^*^^/ 
ba^ bleibt bod^ ba^ eigentlid^ ©rquidElid^e." 

©0 ging e^ nod^ eine SBeile weiter; er blieb über 
anbertl^alb ©tunben, unb wieraol^l er mid^ eigentlid^ geftört 
l^atte, toar id^ über bie ©törung bod^ nid^t böfe, fo fel^r 
l^atte mid^ bie ^atigfeit meinet Äollegen, beg „3leHaine= 
noüeHiften", intereffiert. 3111 bieg ift übrigen^ nur ein 
S^eild^en beffen, xoa^ er mir etjäl^Ite. 

Sebe mol^I. SBie immer ©ein alter ajapa. 

307) 8 erlin, b. 10, ©eptember 1889. 

3»eine liebe SRete. 
^eute frül^ fam S)ein 93rief, ber un^ eine grofee 
greube mar; bie 3llte mar mir rül^renb babei unb fam 
immer mieber barauf jurüdf. ^d^ mei§ nid^t, ob jte SDir 
gleid^ gefd^rieben unb il^re greube au^gefprod^en l^at, be- 
jmeifle eg aber, ba fie l^eute SRenntag l^at, nid^t in bem 
fd^redlid^en ©inne oon ,,id^ mu§ immer rennen" (eine 
Sotomotion, bie leiber feit Qal^r unb ^ag aud^ nid^t bei 
il^r auggefd^loffen ift), fonbem ganj einfad^ unb anftänbig 
im ©inne oon ,,um]^errennen". ©ie l^at feit geftem nid)t 
weniger afe oier S)amen befud^t unb ift oerfd^iebenen 
anberen begegnet. SBBenn id^ mir jufammenrei^ne, mo^ 
bei biefen Sefud^en unb Begegnungen an SEBenbungen 



1889. 231 

übet aWfinner unb ®l^e üerjapft worben fein mag, fo 
fel^Ien nur nod^ meine jwei ©d^weftem, XaxtU ^tnxtt) unb 
Xantt Siefe, um einen ^od^genufe für ®ötter l^erjuftellen. 

aber fpred^e id^ lieber t)on SDeiner Äranfl^eit, b. ^. 
von SDeiner ©efunbl^eit. Qd^ werbe ate SDoftor bod^ nod^ 
bei 2)ir ju @l^ren fommen. SBa^ prebige id^ 2)ir feit 
^af)x unb 2:ag? 3Rete, fo l^eifet e« (unb id^ mufe ei5 
wieberl^olen, tro^bem 2)u meine SBei^l^eitöfcite beffer oor^^ 
tragen fannft afe id^ felbfi), 3Rete, 2)u bift gefunb unb 
l^aft blofe leibige 3lert)en. SDa^ fann unter Umftänben 
fd^redflid^ fein, ift aber, Ui fonft ,, guter ÄonjUtution" 
(fiel^e ben 23iäl^rigen (äxo^vaUx) unb glüdElid^em, b. ^. 
meland^oliefreiem ^Temperament, nie l^offnung^Io^. S)e^l^alb 
nid^t, weil ber befannte ©aft von Sorb S^ron: „id^ legte 
mid^ unberül^mt in^ S3ett unb ftanb berül^mt lieber auf", 
bei berartig SRerDenaffijierten bal^in ju mobefat ift: ,,^^ 
legte mid^ franf ju S3ett unb fianb gefunb lieber auf." 
2)a^ l^ei^t, am anbem 3Rorgen — fonji ift e^ fein fonber^^ 
lid^e« Äunftftüdt. 

©nem aWenfd^enfinbe mie 2)ir ift immer beijufommen, 
unb VDtnn ein befHmmte^ (gtroa^ eintritt ober beim ©ud^en 
glüdHid^ gefunben mirb, fo ,,fällt e« plöfelid^ oon dmm 
ob". SDie^ „@tma&" fann ba^ 3Rannigfad^fie fein: ein 
Seeffteaf, ein ®la^ Chäteau d'Yquem, eine munberooffe 
Sirne, ein S3rief, ein l^eitere^ ©ebid^t, ein SBi^, ein Sad^en, 
t)or allem ein Sufttoed^fel, ein liebet ©efid^t, ein ®Iüdf. 
3)ag afferlelte ifi feiten (oierjel^n 2;age im Seben), aber 
ba^ anbre gibt e^ alle^ noc^ unb 2)u bifi jitrjeit im 
gleid^jeitigen Sefi^ mel^rerer ber aufgejal^lten 5poften. 

greue SDid^ berfelben unb erfreue un^ burd^ 2)eine 
SEBieberfel^r. .öerjlid^fte ©rüfee allen. SBBie immer SDein 



232 (K^. Jfordttxin ^Briefe an ft^te iFotnttie. 

308) »erlln, b. 14. September 1889. 

3Weine liebe SKete. 
©d^on gefiem abenb rooUtt i^ SDit einen Keinen 
33tief fliften, fam aber nid^t baju, weil i^ anbenoeitig 
eine grofee Äorrefponbenj l^atte; barunter ein Srief an 
einen $erm ©erl^art ^auptmaxin, ber ein fabell^afte^ 
©tüd gefd^rieben l^at: „SSor Sonnenaufgang", fojiale^ 
2)rania, fünf Slfte. 3d^ war ganj benommen baoon. 
SKama natürlid^ mieber in Slngft, id^ ginge ju meit, id^ 
engagierte mid^ ungebül^rlid^ ; 2)urd^gänger, Öi|Iopf, 
„Qüngling". Jlad^bem nun aber geftem eine flarte oon 
Sral^m eingetroffen ift, ber ganj meine änfd^auungen 
teilt, l^at fie fid^ einigermaßen berul^igt. Qd^ allein fann 
nie red^t l^aben ; e^ muß immer erft beftätigt werben, unb 
rotnn e^ burd^ aWüIIer ober ©d^ul^e märe. 2)iefer QawfU 
mann, ein mirftid^er Hauptmann ber fd^marjen SRealifien^ 
banbe, meldte festere mirHid^ 'ma^ oon ben ©d^iHerfd^en 
SRäubem l^at unb aud^ bafür angefel^en mirb, ift ein oöffig 
entpl^rafter Qbfen, mit anbem SBorten, ift ha& mirflid^, 
ma^ 3bfen bloß fein miff, aber nid^t fann, meil er in 
feinen mbm ber realiftifd^en 2!enbenj l^erlaufenben SReben^: 
tenbenjen — bie freilid^ in ben legten ©tüdfen jur QawfU 
tenbenj geworben finb — mel^r ober weniger oerrüdtt ift 
unb in jugefpi^ter ©ntmidflung biefer SSerrüdttl^eit in^ 
ganj ^jjl^rafenl^afte oerfäHt. SRid^t in bie 5pi^rafenl^aftigfeit 
be^ aOBorte^, aber in bie be^ ©efül^fe, ber Slnfd^auung. 
5Bon äff biefem ift Hauptmann ganj frei; er gibt ba^ 
Seben, wie e^ ift, in feinem ooffen ®rau^; er tut nid^t^ 
ju, aber er jiel^t aud^ nid^t^ ah unb erreid^t baburd^ eine 
foloffale aOBirfung. 2)abei (unb ba^ ift ber ^auptmi^ unb 
ber ißauptgrunb meiner Semunberung) fpric^t fld^ in bem, 
ma^ bem ßaien einfad^ ate abgefd^riebene^ Seben erfd^eint, 
ein aWaß oon Äunjl auiS, mie'^ nid^t größer gebadet werben 



1889. 233 

fann. 2)ettn fünffüßige Jamben, gerammt voU t)on 
©entenjen, fönnen jmat auci^ fel^r fd^öti fein, ftnb aber 
weitab baoon, ba^ ^öci^fte in ber Äunft ju reprafentieren. 
3m ©egenteil, e^ ift etroa^ Derl^ältntSmäßig Seid^te« unb 
läßt ficfi lernen, ^öl^eren SBert aber l^at nur ba^, roa^ 
man perfönlid^ rätfell^aft empfangen l^at unb roc^ fein 
anberer mit einem teilt. 

Setreffg Qbfen^ muß id^ bod^ nod^ tim gute Se^^ 
merfung anfügen, bie @mil SRitter^l^au« (ber mid^ 
geftem auf 2V2 ©tunbe befud^te) über Sbfen mad^te. 
,,$aben ©ie nid^t bemerft", fagte er, „baß 3bfen ganj 
mie ein Slpotl^efer mirft; er ifi ben äpotl^efer nid^t lo^^ 
geworben, unb ba^ fpuft nun in feinen BtMtn, feinen 
^Problemen unb ^^enbenjen unb aud^ in feiner flonoerfation. 
®r ift immer ein Heiner Slpotl^efer, ber abwartet unb 
bribbelt unb auf ber Sauer liegt." @^ ift Dofffommen 
rid^tig, unb id^ mußte laut lad^en, fd^on um l^inter ber 
großen Sad^e meine eigene Slngft ju verbergen. 

®rüße ba^ Derel^rte SKengelfc^e 5ßaar angelegentlid^ft 
unb genieße nod^ bie ed^ten, frifd^en S^bfttage, bie geftem 
begonnen l^aben. 

SBie immer SDein alter 5Ba»a. 



309) 33 erlin, b. 2» SRooember 1889. 

SKein lieber X^eo. 
aWorgen ift fiubertu^tag. ^ubertui^ jagte; ba ftanb 
plö^lid^ bie Jungfrau aWaria jmifd^en bem ©emeil^ be^ 
©Ifenber^, unb ^ubertu^ fniete nieber unb bttttt unb 
baute eine ÄapeUe, barin er fortan lebte unb glüdflid^ mar. 
ein großer Qäger warft 2)u jwar nit, unb e^ brandet 
aud^ nid^t bie Jungfrau aWaria gewefen ju fein; nur auf 
ba^ 3lieberfnien fommt e^ an unb auf ba^ ©lüdflid^fein. 



234 t|. JMnai «rfrfrn U» 

l^ietin ^ofl ^tt vttfUdt nuiatn &iüd9njmdt, in bfnt id^ 
mu^ ^tetd^/ jebtr nad^ fenten Ardftnt, ald galanter 
Sd^nriegenniter bgitinriere. 

^obe ftnen fro^ 3:ag. Zonfenb @tft^ SBte 
immer 3>ein alter SRawL 



310) Serlin, b. 25. gebmar 1890. 

Steine liebe SRete. 

Sßama l^at ftd^ glüdKid^ eine 3nflnetqa gel^ott unb 
mufe i^e ©d^eibeRmfle einfiellen, nad^bem fie, pffnata^t^ 
reid^ wie i^e 2^od^ter, Xxfpfpx^, Äungenentjftnbung, ^erj^ 
Warnung unb 2)t|)^teriti5 in 24 ©tnnben burd^gemad^t 
^at ©ie war aber red^t elenb unb ifi e§ nod^. (Sin 
0(üdf, ba§ wir gerabe 3Rat^iIbe l^er Ratten; eine Untere 
Haltung mit biefer ifl xfyc bod^ am genu^eid^fien, unb 
gegen eine nme ©efd^id^te von grau &. ober gar von 
grau ©d^v bie bod^ bie Ärone bleibt, ifi mit „greier 
Sül^ne" ober äl^nlid^em Siteraturfrim^framg nid^t an^ 
jufommen. 

2)eine legten Sriefe l^aben un^ fel^r erfreut unb er=? 
I^eitert, bcfonberg mid^, mäl^renb aWama für fold^e ®e^ 
fd^id^ten, mie oon S3ubbe ober oon ber ©d^ilberung 2)eine^ 
©d^nupfen« ober'oon ber 3lbenbgefefffd^aft bei ^jJaflor^, 
feinen redeten ©inn l^at. ©ie l^at, im ganjen genommen, 
ein fel^r treffenbe^ literarifd^e^ Urteil unb fann ba§ ^öl^ere 
unb bag Sliebrigere ganj gut unterf d^etben ; aber il^r 
Sntereffe Hegt bod^ nad^ einer anbem ©eite l^in, unb bie 
nadtte SJatfad^e oon ber ®jiftenj be^ ,,Äned^te§" in ber 
lettermfil^nten ©efd^id^te ift il^r mtd^tiger afe ber ganje 
3teft t)on 83etrad^tungen. @tma^ bat)on ftedtt in jebem, 
aber fie l^at biefe Slaturbegabung ju glüdflid^ aui^gebilbet. 



1890. 235 

^^ betife bann tninter mit ©d^aubem an bie 10000 Srtefe, 
TOontit iä) fie burd^ mel^r afe 40 Qal^re gelangweilt l^abe. 
Unb nun f)aU morgen einen fd^önen SJag; gxüfee 
Hein unb grofe unb feiere fo unt)etfd^nupft mie möglid^ 
l^eim ju ben Renaten von ^jJotöbamer ©tra^e 134 c, bejn). 
ju SDeinem alten 5Bapa. 

311) Äiffingen, b. 19. 3uni 1890. 

SKeine Hebe SÄete. 

^eute frül^ fam SDeine Äarte vom 18. Quni, l^eute 
nad^mittag erft SDein amüfanter S3rief vom 16., ber 
aWama^ gute Saune mieberl^erfteHte ; bie Äarte war il^t 
bod^ ttroa^ ju menig gemefen. 2)ein S3rief jeigt mieber, 
ba§ man nur in Sanbeinfamfeit 'mag erlebt; in Serlin 
immer grau X., gräulein Q., SUlarie ©d^., in ©d^miggerom 
eine SBelt t)on 3lbel unb ©eiftlid^feit unb im fiintergrunbe 
ber gürft von ©d^aumburg^Sippe, beffen ©ol^n nun feigen 
mag, mie er fertig mirb; üielleid^t üerftel^t er fid^ auf 
taming of the Shrew. Qd^ freue mid^ fel^r, bafe 2)u ju 
gräulein v. S3älom miUft, vdo if)x gemi^ einen netten Xa^ 
l^aben werbet, unb aud^ bie SBamemünber Xa%t mit 
iante 3(nna, bem jungen SKd^arb unb bem alten Sotfen 
aWöffer werben 2)ir vdo^ tun. SUlöffer ift immer bag 
©eitenftüdf ju unfrer bejm. Seiner SUlatl^ilbe. 

SBir leben l^ier mieber ganj angenel^m, ein bi^d^en 
langweilig, mag aber nid^t vkl fd^abet. SDie Sangemeile 
mürbe fortfallen, menn man bie Äraft l^ätte, ad^t ober 
jel^n ©tunben marfd^ieren ju fönnen, aber baju reid^t eg 
bod^ nid^t aug ; id^ bringe eg big auf fünf ober fed^g, aber 
bag ift für bie lange 3^it oon morgeng fed^g big abtnb^ 
jel^n JU menig. "Sia^ finb 16 ©tunben; fed^g aWarfd^ier^^ 
ftunben baoon ab, bleiben immer nod^ jel^n, bie fd^mer 



236 (K^. Jtontcmt» ^Briefe an fi^xte JfaMit^ 

unterjitbringen ftnb. Qm greieti fi^en gel^t nid^t, baju 
ift e^ ju na^ unb ju falt, unb lefeti ifi nur ein Ser* 
gnügen, wenn man ganj frifd^ ift unb jebc ©d^fln^ett 
unb jebe 2)umml^ett gleici^ voU genießen fann; aber 
gelangweilt lefen ift ein ^unbeoerpügen unb flrapajiöi^. 
^eute mad^ten u)ir einen l^übfd^en ©pajiergang jur 
l^iftorifd^en Sinbele^mül^le, u)0 bie SSorl^ut ber 2)imjton 
©oben trot abgetragener Srüdte über ben g^ufe ging 
unb baburd^ bie @innal^me Äiffingen^ rafd^ entfd^ieb. Sin 
einem SBiefenpfabe ftanb ein gufeeifeme^ Äreuj: „^ier 
fiel ein preu^ifd^er ©olbat am 10. Quli 1866." SRol^n^ 
unb Äomblumenfränje l^ingen baran, natürlid^ nur, um 
auf bie jal^lreid^en berliner gremben einen guten ©nbrudf 
ju mad^en. Slffeg ©efd^aft. 

aWorgen frül^ miff id^ 2!l^eaterbiffet^ im Abonnement 
faufen unb mir bann ©tüdEe anfeilen, bie mir in Serlin 
fremb blieben, j. 83. ©übermannt „(S^xt". 

SBie immer S)ein alter 5Bapa. 



312) Äiffingen, b. 29. 3uni 1890. 

SKein lieber %mbtl 

$abe 2)anf für S3rief unb Äarte fomie für bie beiben 
begleitenben ©enbungen. aWama (l^eute franf) l^atte fc^on 
frül^er gefd^rieben, aber man fommt ju gar nid^t^. 

SSon SKete l^aben mir jiemlid^e SRad^rid^ten. Qn 
SBarnemünbe mar il^r ber Heine SRid^arb SBitte am intern 
effanteften, ber ein ©d^iff unferer bort freujenben glotte 
befud^te, oon ben Dffijieren in il^rer fogenannten ,,3Keffe" 
mit JU 2;ifd^ gelaben mürbe unb bag ganje Dffijierforp^ 
burd^ feinen fj^uereifer in ^eiterfeit unb @ntl^ufiai8mui^ 
oerfe^te. S^ 3Kete fagte er bei feiner SRüdffel^r: „©laubft 
2)u nid^t, ba§ pe mid^, tro^ meinet Slftl^ma, oielleid^t bod^ 



I 



1890. 237 

nod^ nel^men?" ©o gern toiH er ©olbat ober ©eemanti 
werben. SBte wol^I unferetn alten SBitte babei jumute 
werben mag, ber bie ©eiber für Slrmee unb %lotU immer 
weiter oermeigert. 

SDa§ erjie 33ud^, ba^ id^ l^ier bei SBeinberger im 
©d^aufenfter fal^, mar „SRembranbt afö ©rjiel^er". 3d^ 
wollte thtn eine Sad^e barüber auffd^Iagen, ba fal^ id^, 
ba§ bid^t baneben „©tine" ftanb — unb ba§ Sad^en oer^ 
ging mir. — Qn ba^ ^iefige „Serü^mtl^eitenbud^" l^abe id^ 
mid^ oor ein paar 2;agen einfd^reiben muffen, erft aWenjel 
mit einem S3ilb, bann id^ mit einem SSer^ auf Äifflngen. 
S)a§ aWenjelbilb tajiere id^ auf wenigfieni^ 500 3Slt, 
meinen SSer^ auf 50 5pf.; ba« fennjeid^net bie ©tellung 
ber fünfte untereinanber; bie SReimerei, aud^ bie gute, 
ift immer äfd^enbröbel. Sßun, e« gel^t aud^ fo. 

SBie immer SDein alter ^at>a. 



313) »rotbaube, b. 11. ©eptember 1890. 

aWein lieber fjriebel. 
5Die ,;gontanes=©tra§e" in ©tegli| l^at mtd^ bod^ 
amüfiert *) ; aud^ l^at e« fojuf agen einen foliben Slad^rul^ms 
wert, foliber al« eine SBiertelfeite in irgenbeiner Siteratur== 
gefd^id^te. ©tra^ennamen leben meift fel^r lange; bie 
SRee^engaffe ift gewife fd^on fel^r alt, unb eine 200j[äl^rige 
Unfterblid^feit ift gewife fd^on fel^r oiel. QaU, wie ^r ba« 
heutige 3^itung«blatt, aud^ SDanf für Steinen gefteigen Srief . 
2)ie aSibeant 6onfule«:=S3rofd^üre l^offe id^ nod^ l^ier lefen 
ju fönnen; benn bie Slbenbe werben fd^on lang unb geben 

*) 3tt biefer eisten Sfontanc * ©ttoftc , bie übtißenS nid^t in 
Bit^lii^, fonbetn in d^togsSid^tetfelbe liegt, finb feitl^et nod§ ie eine 
gfontane^Sttage in ^tnneioalb unb 9li£botf, fotoie bie g=ontane« 
^romenobe in der ^afenl^eibe ge!ommen. 



238 C^. JfmAttttts IMtft tat ftint «itintiUt* 

einem ein paar ©tunben 3^* 6ei ber üompt. .öeute 
\)abtn wir ben ,,@ngel von Sht^berg" gelefen, eine Ser- 
^errlid^ung ber ^jJrinjefftn ©Ufa 9labjiuriII burd^ Dr. SSaer 
in ^irfd^berg. S3aer ift ein feiner fierr unb l^öd^fl Der« 
bienftlid^ aU &)tf beö SKefengebirg^üereiniS — aud^ bie 
^einrid^öbaube f)at er entftel^en laffen — , ein großer ©d^rift^ 
fieffer aber ifl er nid^t unb f)at ben ©entimentalitätöffambs 
punft nod^ nid^t tibenounben. 

S)ie le^te SRummer ber ,,greien SBül^ne" brad^te roieber 
einen fel^r l^übfd^en Keinen Slrtifel von Sral^m. „2)ie 
SinbaU'^e|e", ber ganj meine eipen Slnfd^auungen au^s 
fprid^t. Sinbau, ber aud^ feinem 'ma^ gefd^enft l^at, friegt 
eg nun boppelt jurüdfgejal^It. S)arin liegt fo 'ma^ wie 
Slu^gleid^ unb l^ö^ere ©ered^tigfeit, aber anberfeitö bleibt 
bod^ baö befielen, ba§ in biefem fpejiellen %qS, ii)n fo gut 
wie gar feine ©d^ulb trifft. 3n Sonbon gibt e§ eine 
©rabfd^rift: ,,$ier liegt ^ol^n 2:urpin; er mürbe nie ge^^ 
l^ängt, menn er geräubert l^atte ; — ba^ einjige 3Jlal, mo 
er nid^t geräubert l^atte, irrten fid^ bie SRid^ter unb er 
mürbe gel^ängt." aWasimilian färben ift j[e|t obenauf 
unb intimibiert äffe; er ift fel^r ftug, fel^r gemanbt unb fe^r 
courageus. 3lber ftrenge Ferren regieren nur furj unb 
aud& feine ^errfd^aft mirb nid^t lange bauem. 

3Bir finb l^ier äffe foloffal erfältet, l^alten aber au^ 
unb red^nen auf bie SRad^mirfung beö aWaffenojon. 

9Bie immer '^tin alter ajapa. 



314) »erlin, b. 8. Januar 1891. 

aWeine liebe "SK^U. 

aSir freuen ung, ba§ e^ 2)ir gut gel^t, l^aben e^ aud^ 

nid^t anber^ ermartet. SDer ©d^Iaf mirb fid^ finben, xotnn 

bie Steifeaufregung unb ber ©d^merj unb ärger be^ 2;age^ 



1891. 239 

t)or ber äbreife übertounben fein werben. @^ ift traurig, 
ba| mix aü! bergleid^en fo f($Ied^t ertragen fönnen; eigentlid^ 
müfete man bod^ brüber fielen ober in fünf SUlinuten bamit 
fertig fein, ©in bi^d^en l^ängt e^ mit ber Seben^Iage ju- 
fammen; Heine SSerl^ältniffe machen Hein. 

5Bon ©Urem ,,S3li|jug" nad^ Äöln, 2ld^fenbranb unb 
bem 3wi^8^fP^ä^ ^^ ^annoDer miß id^ erft gar nid^t 
reben — e^ l^eijst fonft mieber: id^ DerHeinerte aUe^ 
2)eutfd^e. ©d^liejslid^ nad^ Qal^ren (in literarifd^en unb 
Äunftfad^en ift e^ ebenfo) mirb mir bann jugegeben: ,Ja, 
e^ mar aud^ miferabel.'' 2)er 2Beltt)erfel^r l^at ben S^^^f 
aOBeltDerfel^r ju fein unb mittelbar SBorteile einjul^eimfen, 
für ben einzelnen unb für ba^ ®anje, er l^at aber nid^t 
ben 3w^<f/ i>ie Staat^faffe burd^ birefte Überfd^üffe ju 
fußen. S)a^ mu§ anbermeitig beforgt merben. 

aOBir freuen un^ fel^r, bajs S)u 2)id^ fo l^eimifd^ fül^lft; 
erl^ole 2)i(^ nur aud^. 

3d^ lege 3^itung^au^fd^nitte bei. S)ie fleinen merben 
S)id^ fidler intereffieren, bie großen oielleid^t ; ber über bie 
,,Äaifermanör)er" in Satiem ift politifd^ mid^tig. ^eute 
ftel^t in ber Bettung: ,,ber ©rojsi^erjog t)on 3JledfIenburg 
l^abe Si^mardf ba^ .5ßräfibium in feinem medflenburgifd^en 
©taatöminifterium angeboten." ©^ fd^eint mal^r ju fein; 
votnm^ rodf)x ift, fo ift e^, unter ben oielen Betätigungen 
medflenburgif^en Selbftgefül^fe, ba^ ©röfete, voaB bi^ jefet 
ba mar. ©rft SReid^^fanjler, bann afe l^öd^fte ©proffe: 
aWinifter oon aWedflenburg. 

^n ben näd^ften ^agen fd^idfe id^ 2)ir ein fieft ber 
,,??reien Sül^ne" mit einem 3luffa|e ©mft o. SBBoläOgen^ 
über „$umor unb 3laturali^mu^" ; eö ift ba^ 33efte, ma^ 
bi^ ie|t in biefer grage gefagt mürbe. 

3Bie immer S)etn alter ^ax>a. 



240 mf. JrnAantB IMtft m ftto Hmmt. 

315) Serlin, b. 9. gomiar 1891. 
SRein lieber 3^to. 

^to|bem iä) vüt etwa a^t Xaqm feierlid^ gelobt 
^atte, tnetnen SDonf für Safeler SedEerK unb afhcad^on^ 
Äotrior (ber ©l^errppunfd^ wax ttbgefhrld^en tDorben) rtid^t 
oergeffen ju wollen, \)aV id^'ö bod^ oergeffen unb loffe 
nun ©tep^an, ber oorgefiem 60 ^fyc würbe, nod^ einmal 
fatteln, um SHr ben geflem oerfäumten SDanf nad^= 
jubringen, S)ir unb SDeiner Reben aWartl^a. 3eben 3Rorgen 
erhalte id^ oier Keine Äaoiarfd^nitten, unb an meinem 
©eburtiStage maren fie aud^ ed^t, grau unb grobfömtg. 
©eltbem fieHt ftd^ aber eine minbermertige, oon, id^ meife 
nid^t wem, aud^ afe ©eburtiStag^gefd^enf gefpenbete ©orte 
ein, bie öffentlid^ ju entlaroen mir meine Slrtigfeit gegen 
bie ©attin unb fiau^frau verbietet, ©o lebt benn mol^l 
ber ®Iaube im fiaufe fort, Hd^ merfte e^ nid^t; ju weit 
gel^enbe 2^ugenben werben immer mi^beutet. 3!)ir red^ne 
id^ aber ben rid^tigen an. 

SBie immer SDein alter JJapa. 

316) »erlin, b. 17. gebruar 1891. 
5Weine liebe 3Äete. 

aWit Äritifen über ^ebba ®abler fie^t e§ winbig axxß; 
\(l) l^abe eine Unmaffe baoon gelefen, fann aber nid^t^ 
me^r finben, fo mu^t 35u mit ben paar Seilen jufrieben 
fein, bie fid^ in ber ,,greien SBül^ne" oorfinben unb bie 
nid^t^ bebeuten. SR. gettnerg Äritif l^atte id^ für SDid^ 
'rou^gefud^t, fie ifi aber oertan. Sei uni^ oerfd^winbet 
alle«, wofür aber niemanben ein Sorwurf trifft, ©in 
alter ©Iribifaf wie id^, mü^U runbum geffid^erte SRegale 
l^aben, um Slfitter unb Soumale l^ineinjutun, Patt beffen 
wirb aUtS auf einen Raufen geworfen unb oerfd^winbet 



1891. 241 

bann allmäl^Itd^ wie bie 5peben^ unb Unfrautl^aufen auf 
bem gelbe. 

2){e beiben ©taufferarttfel finb fe^r intereffant — 
man Wegt butd^ feine Sriefe bod^ eine ganj anbre 
aWeinung von il^m. 

SDie Heine flritif über ,,Duitt" ift ganj gut, bie ©ad^e 
'mal von einer ganj anbem Seite beleud^tet ; — ber ©taat 
foH feine Sied^töanfd^auungen baburd^ mobifijieren laffen, 
mag er mol^I bleiben laffen mirb. SDa^ einjig Slnjügtid^e 
in ber flritif ift ber öol^n- unb ©d^redfen^au^ruf : S)ofto= 
jem^f^ unb gontane! Qd^ fd^rieb an Sral^m, e^ Hänge 
etma mie: „ßgmont unb fetter!" SRatürlid^ lad^e id^ 
barüber, id^ gönne ben Serül^mtl^eiten il^re bidfere Serül^mt^ 
l^eit unb freue mid^ ber ©efunbl^eit unb 3latürli(^feit 
meiner änfd^auungen. 2)ag l^abe iö) t)or ber ganjen S3Iafe 
t)oraug unb eg bebeutet mir bie ^auptfad^e. 

Oeftern erl^ielt id^ eine lange flritif t)on meinem 
t)lämifd^en greunbe 5ßol be 3Kont über meine „Oe^ 
bid^te". ^ö) fd^idfe fie 2)ir morgen, benn e^ amüfiert 
einen, fid^ in ba^ SBlämifd^e l^ineinjulefen ; jule|t Derftel^t 
man e§ ganj gut. 

S)er leiten SBorftellung ber ,,^eien Sül^ne" am 
©onntag l^aben mir nid^t beigemol^nt, aWama mar franf, 
id^ l^atte feine Suft. ©eftern mar id^ bei 31.^ jum SDiner. 
3la, fo, fo ! S)ag S)iner felbft ganj gut, beibe SBBirte fel^r 
nett unb lieben^mürbig, aber aUeg anbre bod^ ein bifed^en 
unter SRiDeau. 2)er ^au^l^err orafelte aud^ allerlei, 
aber ein blutiger SDilettanti^mu^ fal^ au^ aiitn ©den 
^eraug. S)ie oerfCud^te Silbung l^at alle^ natürlid^e Urteil 
oerborben; jeber quatfd^t nad^. 31m netteften mar 31., 
bie mir bei 2!ifd^ t)on il^ren biegjäl^rigen Steifen erjfil^lte. 
©e^r intereffant, Har, tnapp, anfd^aulid^. Slber nid^t ju 
glauben, fie legte berart Sefd^lag auf mid^, bajs id^ mi^, 

X^. i^ontaned »ctefe an feine gfamUie. II. 16 



242 (K^. iFmttones ^Briefe an \t\at iFamttie. 

nad^ länger afe einer ©tunbe, geroaltfam, unb nun meiner^ 
feitö bmtdf)' unartig, lo^reifeen mufete, um mid^ enbßd^ 
meiner eigentlid^en 2;ifd^bame jumenben ju Unmn. 2)a5 
ift »erliner Seben^ort. Ober ift e« ift überaff fo?! 
2)ein alter ^ß^^^ 



317) »erlin, b. 21. gebruar 1891. 

aWeine liebe SKete. 

©eftem gegen Slbenb fam S)ein 33rief, ber uni^ fel^r 
erfreute; e^ fd^eint bod^ etmo^ beffer ju ge^en, tro^bem 
the second nurse of nature immer nod^ nid^t fommen 
mill. 3lber mie e^, nad^ Ul^lanb, bod^ enblid^ Srül^ling 
werben mufe, fo mu§ fid^ aud^ ber ©d^laf 'mal mieber 
einfinben. 

3d^ gebe, jugleid^ mit biefen 3^il^^^ mieber einige grüne 
unb gelbe $efte jur 5ßoft, in benen allerl^anb über bie 
neuen BtMt fielet, freilid^ nid^t red^t 'ma^ Sraud^bare^. 
@^ ift immer fo ein bunfle^ Xapptn unb haften, fein 
frifd^e^ Sustti^tn. SDie Äritifen finb aUe mie oon SSer^ 
bred^em gefd^rieben, bie nur immer auf ber ^ut finb, vox 
©erid^t nid^t^ ju fagen, roa^ gegen fie gebeutet werben 
fann. 3d^ l^abe mid^ nie für einen grojsen Äritifer ge=5 
l^alten unb meijs, ba§ id^ an SBiffen unb ©d^ärfe l^inter 
einem aWanne mie 33ra^m meit jurüdfftel^e, l^abe ba^ aud^ 
immer au^gefprod^en. 3lber bod^ mufe id^ für natürlid^e 
aWenfd^en mit meinen ©d^reibereien ein mal^re^ Sabfal 
gemefen fein, meil jeber bie äntmort auf bie ^age „meife 
ober fd^marj", „®olb ober S3led^" barau^ erf el^en fonnte ; 
id^ l^atte eine flare, bejHmmte SUleinung unb fprad^ fie 
mutig au^. SDiefen SUlut l^abe id^ menigften^ immer gehabt. 
3d^ fagte JU 2Bilbenbrud^: „SRein, ba^ ge^tntd^t; bo^ 
ift talenttJoH, aber Unfinn", unb ate er enblid^ bie duiftow* 



1891. 243 

brad^te, fagte id^ mit gletd^er 2)eutltci^fe{t: „^a, bet alte 
SBilbenbtud^ toht unb xouxa^t aud^ l^ier nod^ ^erum, aber 
eö ift fo Dtel t)on (Genialem ba, ba§ id^ feinem Unfinn 
^nbemnität erteile." 3^ fold^em runben Urteil rafft fid^ 
t)on ben aWobemen feiner auf. SBie bie ©d^atten in ber 
Unterwelt fd^manft aUe^ l^in unb l^er unb fielet einen 
traurig an; beutlid^ merben fie nur, menn fie einen au^^ 
gefprod^enen geinb (ber bann meiften^ ein ganj Heiner 
2)oftor ift) beim ©d^opfe faffen, um il^n vox Derfammeltem 
aSolf ju ffalpieren. S)a^ mad^en fie bann ganj nttt 

Qd^ lege femer einen Sattel t)on meinem etwag t)ers 
rüdften ^eunbe Dtto be la 6l^et)allerie bei, worin er 
über ftd^ unb feine Xoä)ttx, meine ^jjate, berid^tet. 3d^ 
l^abe biefe 6l^et)alleriftifd^en Q^ütn aU gad^mann an^ 
geftaunt. Qn 100 SEBorten fein unb feiner Xo^ttx Seben 
gef d^ilbert, unb wie ! @in aWärd^enroman t)on 20 Seilen. — 
SBon SBid^mann erl^ielt id^ einen 5Ber^, ber in ein Sllbum 
für Dr. Otto S3raun in SUlünd^en fommt, an beffen ©teile 
^jJrofeffor SDot)e tritt. 2)u wirft 2)oi)e üielleid^t fd^on ge=^ 
feigen unb gefprod^en l^aben; liegt e^ aber nod^ in ber 
3ufunft ©d^ofee, fo fannft SDu il^m \a fagen: „2)u fennteft 
etwag au^ aJiünd^en, wa^ er nod^ nid^t fenne", unb fannft 
bann ben von SB. für ba^ Dtto Sraun-Sllbum beflimmten 
SSer^ abfd^iefeen: 

S)ct gfreunb im oUen SBa^cmlanb, 
SRtr nie belannt, mir lool^Ibefannt ; 
(5t toat mir fem in 3^it unb Ort, 
@r toar mir nal^ in ©eifl unb SBort. 

SBenn id^ bebenfe, ba§ ba^ ein blutiger SDilettant 
gefd^rieben l^at, fo möd^te man gleid^ in bie ®dEe gelten 
unb weinen. SSollfte Äunftbel^errfd^ung fann e^ nid^t beffer 
mad^en unb namentlid^ nid^t feiner unb lieben^würbiger. 

©mpfiel^l mid^ aUerfeit^. SDein alter Sßava. 
16* 



244 tB^. JfovAmesi Ärtefe an feto JFamilte. 

318) Serlin, b. 27. gebruar 1891. 

aWeine liebe SUlete. 

^abe SDanf für SDeinen l^übfd^en Srief unb allerlet 
l^übfd^e, ung intereffierenbe 3JiitteiIungen. SDie litetartfci^en 
3ufenbitngen meinerfeit^ bel^anble fo leidet rote tnöglid^; 
e^ ift ni($t nötig, bajs SDu 3lotij bat)on nimntft, unb 
nod^ weniger nötig, ba§ 2)u mir barüber fd^reibft. SRimm 
e^ ganj wie bie 3Jiorgenjeitung ber SBoffin, bie man lieft 
über ni($t lieft; bag eine ift gerabe fo gut wie baö anbere. 
3d^ fd^ide SDir l^eute nod^ mieber ein grünet ^eft mit 
etlichen ©taufferbriefen, bie faum minber intereffant pnb 
aU bie erften. SDiefen 3^U^^ ^^9^ ^^ ^^en 3^tt^l i^tt 
einer biograpl^ifd^en ©Rjje ©tauffer^ ober, rid^tiger, feiner 
Slu^gang^epod^e bei. 

3d^ lefe jefet jiemlid^ t)iel. 3leulid^ fanb id^ in ber 
Sonntagsbeilage ber aSoffin einen l^übfd^en 3luffa^ oon 
einem berliner ©pmnafialbireftor %xani Äern, ber bei 
bem 5pietfd^=geft mein 2;ifd^nad^bar roar. ®r fd^rieb un- 
gefäl^r : ,,SDie fd^önfte SBirfung eines ÄunftroerfeS auf unS, 
namentlid^ bei Sefung einer SDid^tung, ift bie, ba^ n)ir 
uns babei oergeffen. SDie Sprad^e, immer tieffinnig, nennt 
bieS ,fid^ oerlieren' unb brüdtt bamit baS ^öd^fte auS, 
baS uns juteil werben fann. Slud^ baS l^öd^fte ©lüdf. 
2)enn bieS gerabe liegt in bem ,fid^ oerlieren'. Qn unferm 
gemöl^nlid^en B^^ft^^i^^ fi^t> ^^ immer nur mit unferm 
^ä) befd^äftigt, baS mir befriebigen motten, unb je mel^r 
mir banad^ ringen, je weniger fül^len mir unS befriebigt, 
je unglüdflid^er werben wir. SDenn baS Qd^ unb wieber 
^ä) ift unfer Seib, unfer SDrudf, unfere Dual. Unb nun 
treten wir an ein Äunftwerf l^eran unb oerlieren unS 
barin! SDaS ift @rlöfung vom ,3d^', Befreiung, OlüdE." 
©0 ungefäl^r. 3Ran lieft nid^t oft fo gute ©teilen 
flonrab gerbinanb äRe^erS ©ad^en intereffleren mid^ 



1891. 245 

fel^r; wäf)xtnb bei Äellcr aüe^ Segenbenftil ift, ift bei 
aWe^et alle^ ©l^roniffttl, ben er, weit er ein SDid^ter ift, 
auf tim bi($terifd^e $öl^e l^ebt. 

3d^ bin, für meine SBerl^ältniffe, t)iel au^ geroefen. 
3m 2^l^eater, bei ber 3luffül^rung be^ „SReuen ^erm", traf 
id^ aud^ grau ©tern^eim*) mit il^rem Sruber ^jjaul 
unb f($impfte mid^ au^; e^ mar in ber (einjigen) 5ßaufe 
na^ bem britten 3[ft. Stber von ba ab f)ob fid^ ba§ Stüdf 
plö|lid^, blieb mel^r ober meniger intereffant big jule^t 
unb mar in brei großen ©jenen: erften^: ber junge Äur^ 
fürft merlt Sunte (SBerrat); jmeiten^: ber junge ^urfürft 
unb ©d^marjenberg unb britten^ : ber junge Äurfürft unb 
aiod^om beinal^e erften Siange^. SBilbenbrud^ l^at ein 
offenbar gro^eg 2!alent für unmittelbare fjenifd^e 
2Birfung, l^at ben guten Oriff be^ S)ramatiferg unb 
f(^eitert nur an feiner totalen flritiflofigfeit. 2)egl^alb 
fönnen fid^ bie ©ad^en aud^ äße nid^t l^alten; man fann 
fie fel^n, aber nid^t lefen. ©omie man naiver jugudft, 
treten bie Slöfeen jutage. 35a| ber Äaifer ba^ ^tüä fo 
liebt, ift mir begreiftid^ ; ber junge flurfürft ift eine burd^- 
meg gelungene ?5^gur (bie meitaug befte), unb in il^r er= 
fennt er fid^ mieber. Unb nid^t mit Unred^t. 3lIIeg, mag 
ber junge ^urfürft mollte, miH er aud^, unb fd^on bie 
Übereinftimmung in einem großen unb el^rlid^en ©treben 
gibt il^m ein gemiffeg Siedet, fid^ in il^m ju fe^n. 

Söegen S)einer SRüdffel^r mad^e SDir in bejug auf ung 
feine ©orge ; bleibe, fo lange 2)u'g für gut, red^t, münfd^eng= 
mert unb gefunbl^eitlid^ oorteill^aft ^ältft. ^d^ glaube aber, 
ba| Segrenjung immer gut unb Hug ift. 

9Bie immer S)ein alter 5Bapa. 



*) gfrou Syiaric ©ternl^eiin, geb. S^le^er, feit Salären bie 
näd^fte unb betoäl^ttefte gfreunbin ber gfontanefd^ett gfamiUe. 



246 tfftr* Fontanes iBriefje cm f^t Familie* 

319) SB er Hn, b. 28. aRätj 1891. 

aReine liebe SÄete. 

ißeute nad^mittag fam 2)ein lieber Srief mit feinen, 
wie mir'^ fd^einen wollte, guten SRad^rid^ten. 3)er ttintatifd^e 
©influfe wirb erft beginnen, xotnn 2)u in S^^f^^ur bifi; 
e^ flingt fd^on wie ^in fremblänbifd^er Äurort, fagen wir 
in aSorbers ober ißinterinbien. 2)ie ©titte wirb bann aud^ 
ba^ il^re tun. 

Qd^ fd^reibe Ißeute fd^on, weil fid^ morgen feine 3^tt 
baju flnben fann. Um 10^/4 Vii)x frül^ treffen mutmafelid^ 
bie oier Xf)to^ ein, um bann jmifd^en ißotel ©an^fouci 
unb Qol^anniterl^au^ l^in unb l^er ju penbeln. Um 12 Ul^r 
tritt bann mal^rfd^einlid^ aud^ S^^^^ä gontane an 
(©ol^n oon 3luguft), ber für ben erfien Dftertag oon feinem 
aSater bei mir angemelbet mürbe. @^ fann alfo gut 
merben. 3wr ©rl^öl^ung be§ SBergnügenjg liegt SWama feit 
geftem ju Sett, mirflid^ red^t elenb unb angegriffen, ©ie 
tut mir teib ; fie fül^It natürlid^, bafe il^r 3^^^^*^ ^^f bie 
3lnfömmlinge ttroa^ beprimierenb mirfen mufe, unb bafe 
fie ba^ fül^tt, ba^ oerfd^Ied^tert mieber ben 3itft^«i^' 
@tma^ oerftimmt l^aben mid^ bie funebren Serid^te über 
ben in Q^anm^ erfolgten 2;ob be^ alten ©el^eimrat^ 31. 
2)er galt ift ja gemife fd^merjlid^, aber menn man in 
ßanne^ ift unb t)iel ®elb l^at, fo ift e^ ein 2^obe^fatt mie 
jeber anbere, t)ielleid^t ein befferer. @in ©iebenjiger mar 
er unb franf aud^. Unb nun bie un^ jugegangene 
©d^ilberung ! 2)afe man aud^ fold^e 2)inge mit ein bijsd^en 
©efd^madt ju bel^anbeln l^at, baoon l^at ba^ beutfd^e 
^l^ilifterium nod^ feine 3ll^nung. Qd^ 1)ättt gefd^rieben: 
,,®eftem traf ber 2;ote l^ier ein; bie gamilie mar oer^^ 
fammelt ; Ißeute mirb er begraben." ©tatt beffen fäl^rt ein 
Seid^enmagen immer l^in unb l^er, unb einmal mirb von 
ber geliebten ober gar oon ber lieben Seid^e gefprod&en. 



1891. 247 

3Kid^ emüd^tert fo 'roaS. Unb ju bem ©efd^madtlofen 
fommt aud^ nod^ 'tdo^ SBid^ttgtuerifd^eg l^inju, ettoa« t)on 
^öfs= unb ©taat^aftiöti. 3d^ ärgere mid^ barüber. SBo^ 
ift ber emjelne? ®ar nid^tö. SQSenn ber alte SSBill^elm 
ftirbt, fann man 3tabau mad^en, ein ©el^eimrat ifl ein 
©el^eimrat. 3Kan fann nid^t fHH genug in feine leftte 
SBol^nung einjiel^en. SBielleid^t ifl t^ nid^t red^t, ba§ id^ 
fo fd^reibe, aber eS i)at alle§ 'wag Steifleinene^, womit 
id^ mid^ nun 'mal nid^t befreunben fann. ©^ gel^ört bag 
aud^ in bag leibige Äapitel ber ißalbjuftänbe. 2)er SRaturj^ 
burfd^e fann l^eulen unb fd^reien unb brauet vom 
Sfil^etifd^en feinen ©d^immer ju l^aben; Seute au^ ber 
Dberfd^id^t aber muffen in il^rer ißaltung, in SSBort unb 
©d^rift, ©efd^madf jeigen. 

2öie bergel^od^ fielet ba Spante 3-^ SSerl^alten gegen^ 
über bem ©ied^tum il^re§ 3Banne§! 5D?an merft bod^, bafe 
fie in beg alten X3 Äutfd^e gefal^ren ift unb in ber ^of« 
iuft von griebrid^ 2BiIl^eIm III. I^erumgefd^nopert l^at. 
3d^ mar l^eute nad^mittag ba, befprad^ mit il^r bie 
belifatefien ©ad^en unb mar entjüdtt über il^re SRatürlid^feit 
unb ba^ gänjlid^e 33egrabenl^aben aller ^rüberie. 5ßrüberie 
ift fleiner ©til, ber ju bem @mft be^ 2;obe^ nic^t pafst. 
3d^ mar aud^ fünf SKinuten bei 3- f^^ft; 2)ein Sefud^ 
an feinem 33ett ift il^m eine grojse greube gemefen, unb 
er läfet S)id^ i^erjlid^ grüben, ©ein 3luSfel^en unb feine 
geiftige 3tegfamfeit finb immer nod^ merfmürbig gut, aber 
bie Säl^mung lägt nid^t nad^, unb il^n ju uerftel^en, ift 
fel^r fd^mer. ®r mag nod^ mieber jufammengeflidEt merben, 
aber t)on ©efunbmerben ift feine SRebe. 

3m SRütli (bei ©enator ®ggerS) mar eö l;eute fel^r 
belebt, meil (Sjtragäfte ba maren: ^einrid^ ©ei bei unb 
S3aurat © d^ m e d^ t e n. SBor ein paar 2;agen ift ber Äaif er 
in ©d&med^ten«, beinal^e t)ier SIreppen l^ol^em Sltelier ge? 



248 ffilr. Jffoxdanzfi jBtIefe cot \e\m jfamlilz. 

Toefen, um fid^ bog aWobell unb bie 5ßläne ber Äaifer 
8BUl^eIm=®ebä(^tm^=^Ätrd^e anjufel^en. ©r Dertoeilte bort 
eine %anit ©tunbe unb überrafd^te toieber burd^ feinen 
6ifer unb feine ©rünblid^feit. 

3d^ fd^idfe S)ir aud^ jwei gelbe „SDlagajine" mit. 3)te 
beiben parobiftifd^en ©ad^en: „3la^ jüngften 3ßuftem" 
werben 5Dir unb aud^ ben anbern ^errfd^aften ©pa§ 
mad^en. SBal^rfd^einlid^ von aJUutl^ner l^errül^renb *). 
@r f)at ia eine grofee Begabung für bergleid^en, unb id^ 
mu§ aud^ l^ier mieber jugeftel^en, bag er ba^ Säd^erlid^e, 
baS biefen ©ad^en anl^aftet, fd^arf unb mi^ig erfannt l^at. 
3d^ glaube aber bod^ nid^t, ba§ man mit ben ©erl^art 
^auptmannf(^en <Ba^tn in biefer SBeife uerfal^ren barf. 
©ott'S aber fein, fo mu§ e^ von einem emften ©tanbpunft 
aus gefd^el^en unb von ^erf onen, bie in biefer mobemen 
SHd^tung aufrid^tig atteS möglid^e Unl^eil erblidten. SBenn 
aber auf ©eite 207 ©erl^art ^anptmann^ „©infame 
aRenfd^en", v)tnn aud^ roibermiHig, gelobt merben, fo 
bürfen fie nid^t Seite 204 unb 205 läd^erlid^ gemad^t 
merben. Qd^ l^abe t)on bem ©anjen, tro^bem id^ ben 2Bi| 
anerfenne, feinen fel^r angenel^men ©inbrudE gel^abt. 

2Bie immer S)ein alter ajapa. 



320) Berlin, b. 24. Slpril 1891. 

ajleine liebe SJiete. 
©eftem abenb l^abe id^ brei grüne 3lummem jur 5ßofl 
gegeben, in benen 2)id^ einiges intereffieren wirb: ein paar 
Keine 33efpred^ungen, baS über 3^1^ „L'Argent" ©efagte, 
Sral^m über bie englifd^e 2luffül^rung ber „©efpenfter" 
unb vox allem ber Heine, fel^r mifeige unb foloffal malitiöfe 



*) gfoniane l^at ftdg l^ietBei geirrt, ^e in Siebe fiel^nben 
Betben ^uffä^e rül^ren ntdgt bon ^autl^ner l^er. 



1891. 249 

2luffafe über ben SBelfenfonbS unb ber SBorfd^Iag ju feiner 
3Scm)enbung. SBie man immer gern SQSifee l^ört, beren 
giftiger ^ßfeil dmn lieben 3lebenmenfd^en trifft, fo l^abe 
iä) biefen lettgenannten 3luffafe aud^ mit SBergnügen ge« 
lefen; ber Slnfang unb bann bie ganje jmeite ißälfte finb 
brillant, in il^rer Slrt nid^t ju übertreffen. 3d^ mill aud^ 
nid^t 'mal fagen, bafe bie ©eneralmalice gegen bie ©ebräud^e 
beg nun t)erfloffenen 33i^mardEfd^en 9tegimejg (ju 2lnfang 
be^ Sluffafte^) unb bie ©pejialmalice gegen grenjel un^^ 
ftattl^aft feien; jene 3KogeIeien flnb l^immelfd^reienb, 
menigften^ im alten Sanbe ^ßreujsen, unb ^enjel l^at 
felber fo t)iele ajlalicen aufgeteilt, bajs er fid^ eine Slntmort 
im gleid^en 2^one gefatten laffen mufe. 3lber ba^ ganje 
aJKttelftüdf, ba^ fid^ gegen ben neuen Äultu^minifter rid^tet, 
flnbe id^ im l^öd^ften SÄafee t)ermerflid^, fleinlid^, unl^onnet 
unb finbifd^ überl^eblid^. Unb fo bin id^ benn be^ ©ani^n 
bod^ nid^t red^t frol^ geworben; e^ ift bei glönjenber 
geiftiger Seanlagung fo oiel moralifd^ ^äfelid^e^ brin. 
3d^ l^abe bie^, ba id^ in anbrer ©ad^e l^eute an 33ral^m 
fd^reiben mujste, aud^ ganj offen au^gefprod^en. @^ mürbe 
nämlid^ mein „3lamt" mieber oerlangt, unb ba l^abe id^ 
bentt bod^ 'mal (bie^ flingt faft mie ein ©afe oon 2:i^eo) 
gezeigt, „ba§ ha& fo nid^t ginge" unb bafe ein partielleiJ 
eintreten für bie Slid^tung ber 3Jlobemen *iod^ ni^t gleid^^^ 
bebeutenb fei für Beteiligung an il^ren Äämpfen. S)aiJ 
einjig ®ute ift, baj5 pe fid^ untereinanber umbringen; 
2^ottere^, ate 2llberti — ber mit bem gleid^namigen 
SSerfaffer bt^ „Äomplimentierbud^^" nid^t ju oermed^feln 
ift — über 33ral^m unb ©d^Ientl^er gefagt l^at, ift 
überl^aupt nid^t ju fagen. 

X\)to famt grau feigen mir alle brei, oier 2:age 'mal. 
@r l^at fid^ jefet erholt, fie^t fel^r gut au^ unb mad^t, mie 
aud^ feine grau, überall einen t)oi^ügIi(^en ©inbrucf, aud^ 



250 C^. ianUao» iBrUft an fünz itnnUle. 

6et un^^ fogot bei Ttama, roc^ ben I^Sd^flen @rab bebeutet 
©ie (3Jtaxti)a) ^at ftd^ entioeber unter bem 6tnflu§ ber 
aSerl^ältniffe t)erdnbett, ober 3)ein betül^mter 35rtef, in bem 
ftS l^ieg: „t^ tarnt botauf an, ob fte ber ©d^raiegermama, 
nid^t ob bie ©{ä^wiegermatna il^r gefiele" — ^at im l^öd^fien 
aJlajse l^eilfam getoirft. 3d^ würbe il^r bo^ fel^r l^od^ am 
red^nen, benn nid^tg ifi feltener, ate bafe SReufd^en burd^ 
ein emfieS SBort berort befel^rt, befiegt werben. 3)te ge= 
TOöl^nlid^e golge ifi aSerfttmmung unb »erboppelte Sluf^ 
lel^nung ober jeneg berül^mte „mit feinem ßl^arafter ju 
3iaU gelten", xoa^ nie ha^ ©eringfte l^ilft. Sefel^rungen 
pnb immer plö^Ud^ ; mie ein Slife muß eg oor einem fiel^en, 
fo ober fo. SReuIid^ moren pe bei ©ternl^eimig; fie 
(9Kartl^a) entjüdft, roa^ mid^ mieber fel^r erfreute. S)enn 
grau ©teml^eim ifi fo jiemlid^ bie normalfte, angenel^mfle 
unb lieben^mürbigfte gtau, bie id^ fenne. @^ ift oon ber 
alten l^er ein ungel^euer guter gonb^ in ber ganjen 
gamilie; fafi afe ob ba§ 3lltmarfifd^e, bag id^ fel^r l^od^ 
fiette, ba§ ^übifd^e mol^ltuenb beeinflußt unb bod^ bie 
guten ^ubenfeiten bei Äraft unb Seben erl^alten ^ätte. 
SBir finb l^ier feit brei, t)ier 2;agen ganj „©d^iHer:^ 
preis"*); eS fommen ganj fabell^afte ©ratulationen an, 
jum 2;eil oon ^erfonen, bie id^ faum ober gar nid^t fenne. 
©ogar 2^elegramme, l^eute oon ©olbmannS, neulid^ oon 
3JiaE färben, baju Briefe oon ©ofeler (äntmort auf 
einen von mir, morin id^ il^m gleid^ gebanft l^atte), 
©el^eimrat Qorban, g5rofeffor ©rid^ ©d^mibt, 
©d^lentl^er, SBid^ert ufm. einiget lege id^ biefen 
Seilen bei, maS S)id^ oielleid^t intereffiert. 2)ie ganje 
©efd^id^te müßte mid^ ja eigentlid^ fel^r glüdElid^ mad^en. 



*) 2)cx ,©d^ittct^)rciö" toax bamoU an Fontane unb Älau8 
Ötotli iDtxlkfjtn tootben. 



1891. 251 

aber eS fommt ein bifed^en ju fpät unb fällt bei mir in 
eine ©tintmung l^inein, bie bod^ bei aller ißeiterfeit 
fd^merjlid^ ift, weil e^ ein 2)urd^brungenfein ift von ber 
3Wd^ttgfeit affe^ 3*Wfd^en. SBer an ein ©iDigeS glaubt, 
bem wirb in biefem 3itftötibe erft red^t raol^I, aber ju ben 
fo Seglücften barf id^ ntid^ nid^t jäl^Ien. 

3n ad^t Ziagen l^aben wir nun bie grofee internationale 
Äunfiau^fiellung, worauf id^ mid^ freue, trofebem e^ mir 
feit lange feftftel^t, ba§ bie ganj Keinen 3lu^ftettungen, bie 
man bejmingen fann, oiel genufereid^er finb. 3leulid^ mar 
id^ bei ©d^ulte. Unter ben Sinben, unb fal^ mir bie bort 
au^geftellten S^^^^^H^^ ^^^ Silber oon granj ©tudE 
(3Bünd^en) an; bie S^id^^ungen maren bie Originale ju 
20 ober 30 ^oljfd^nittbilbem in ben „gliegenben Slättem", 
atte^ l^öd^ft mifeig unb geiftreld^, bie Ölbilber be^felben 
jungen Äünftler^ aber maren jum 2^eil manbl^od^ unb 
ftellten ben ®ngel bar, ber 3lbam unb ©oa au^ bem 
5ßarabiefe treibt. 2)iefer ßl^erub mit bem gtammenfd^mert 
ift breimal oon il^m gemalt, einmal fojufagen afe SRiefens 
porträt in einer 3lrt ißimmeföatmofpl^cire, lauter bidEe meifee, 
lila= unb rofafarbene Äledfe, mitunter l^albfingerl^od^, fo 
baß ber 33engel blofe in garben ein Keinem aSermögen au^= 
gegeben l^aben mujs; auf bem jmeiten Silbe l^at er, b. f). 
ber ®ngel, 3lbam unb ©oa tUn l^inau^gemorfen unb 
bejiel^t bie ^arabie^mad^e ate äufeenpoften ; auf bem britten 
fielet er mieber attein ba, am 2lu^gang^punft einer per* 
fpeftioifd^ fid^ t)erengenben Sloenue unb fd^Iiefet mit feiner 
^erfon eine nur l^albl^anbbreite ^arabie^Hinfe, burd^ 
meldte ba^ rot unb golben leud^tenbe 5ßarabieiS in bie 
tannenfd^marje äloenue l^ineinblifet. äHIe brei finb au^s 
gejeid^net, am poetifd^ften ba^ julefet genannte. Siele 
nennen eg „©d^mierereien" unb ben SRad^eengel einen 
„Qau^tm^t", i(^ bleibe aber bei meiner SBemunberung. 



252 ffilr» ^ötttanje» ^Briefe an feint ^mntlle. 

©0 xoax ber gute ©el^eimrat 31. oorgefiem l^ier, um mit 
ju gratulieren unb tarn nun aud^ auf biefe Silber; „bie 
Äunft foll bod^ ba^ ©d^öne xooKtn" — babei blieb er. 3d^ 
fagte tJ^m: „3Jlan merfe, bafe er burd^ ©d^önl^eit in feinem 
^aufe uermöl^nt fei." 2)ie^ ging il^m glatt 'runter unb 
mar aud^ jur ißälfte el^rlid^ gemeint — eigentlid^ aber 
mar e^ ho^ SBerl^öl^nung, unb jmar mol^foerbiente. ©old^ 
33led^ barf man nid^t mel^r au^fpred^en, aud^ nid^t 'mal, 
ro^nn man ©el^eimrat ift. 

SBie immer 2)ein alter ^ava. 



321) »erlin, b. 29. äpril 1891. 

3Weine liebe SÄete. 

^eute fam ©ein lieber Srief vom 29. ; bie Sriefe ju 
eud^ l^in fd^einen burd^ tauberer beförbext ju merben. 

Qd^ l^abe t)ier ober fünf ißefte in bie Äifte gegeben, 
ba id^ mir benfe, bajs e^ fid^ um bie SRouette ber ©bner^ 
föfd^enbad^ l^anbelt. 3^ i>^" gelben heften gefeUe id^ nod^ 
ein grünet, ba^ l^eute frül^ tarn unb au^ bem id^ nid^t 
t)iel mel^r alg ben erften 3lrtifel gelefen l^abe; id^ merbe 
mir l^eut' abenb aber ein neue^ ^eft faufen, ba 3Jlama biefen 
aiuffa^ aud^ gern lefen mirb. 2)er ganje Äampf ift fel^r 
intereffant unb fommt mir ganj unermartet; id^ merbe 
ja nod^ fel^r anftänbig bel^anbelt, roa^ id^ meiner perfön=^ 
lid^en Stellung ju ber jungen ©d^ule unb meinen Äritifen 
über bie ,,greie Sül^ne" uerbanfe (fo lo^nt fid^ aUe^). 
3lber im ©runbe genommen ift man aud^ mütenb auf mid^ 
unb cad^iert biefe SSBut nur; an mand^en ©tetten brid^t 
ba^ eigentlid^e ©efül^l aber burd^. ^ä) begreife bie jungen 
Ferren nid^t. Über ben SQBert il^rer 2lrbeiten mag id^ 
nid^t mit il^nen redeten; mein ©efül^l gel^t bal^in, ba^ 
fie jum 2:eil red^t talentpoll, aber bod^ nod^ fel^r un? 



1891. 253 

auSgegoren finb, jum 2:eil ju roilbcr aJioft. 3lber rote'« 
bamit aud^ fielen möge — felbft angenommen, bafe biefe 
jugenblid^en SBerfud^e l^öl^er ftünben, afe id^ fie jletten fann — 
fo fann man bod^ nid^t t)om ©taat verlangen, bajs et 2)inge 
prämiiert, bie ben ganjen ©efellfd^aftöjuftanb, Äird^e, ©efefe, 
3BoraI, @l^e, ©tanb unb ©tanbe^anfd^auungen (j. 33. 
aJHIitär unb überlieferten ©l^rbegriff) angreifen. Qd^ rniH 
nid^t bel^aupten, bafe fie unred^t l^aben; id^ mill jugeben, 
ba^ fel^r Dielet faul im ©taate 2)änemarf ifi, unb ba§ 
bie jungen Seute ein gemiffeS SRed^t ber 9teform ober 
meinetmegen aud^ ber Steoolution l^aben, aber fie fönnen 
nid^t verlangen, bajs ber ©taat il^nen juruft: „ad^, ba^ 
ift red^t; nur tüd^tig ju." 

S)aJ5 2)u gut unb frieblid^ lebft, freut mid^, bafe e^ 
gefunbl^eitlid^ nod^ nid^t red^t fommen rniH, beflage id^ ; t^ 
ift aber gut, bajs 'mal mieber ein SBerfud^ gemad&t mirb. 
Mtx lafe e^ ben legten fein, ^al^ er, fo gibt ejg fid^ oon 
fetbft, unb l^alf er nid^t, fo l^ilft nur 9tefignation. Qd^ 
l^affe bie 3lnnal^me, ha^ ber 3Äenfd^ allerg fann. 3lber 
mand^e^ fann er. 

3Bie immer 2)ein alter Sßava. 



322) Äiffingen, b. 5. 3uni 1891. 

3Reine liebe 5D?ete. 
aJlama fam red^t elenb l^ier an unb ift nod^, mie^ 
mol^t e^ feit l^eute bejfer gel^t, fo l^erunter, bajs i^ ftatt 
il^rer fd^reibe. ^ebel machte ben 9teifemarfd^att in 
Serlin unb beforgte un^ gute ^ßlä^e mit allem, xoa^ jum 
©id^erl^eit^gefül^l gel^ört. SBir l^atten au^nal^m^meife an^ 
genel^me SReifegefellfd^aft, ein nettem ©l^epaar. 2)ie g^au, 
feit jmölf Salären oerl^eiratet, l^at eine elfjäl^rige 2^od^ter, 
feit beren ©eburt ©piel unb ^anj oorbei ifl; merftoürbig, 



254 (K^. i^oittaiie0 iBriefe m feine JraxMt. 

immer bie ©enttiejja, Siebe unb ®üte, mit ber bie SRänner 
bie^ l^innel^men, ol^ mären fle fd^ulb. S)ie Heine %tau, 
mol^I von franjöjtfiä^er Slbfiammung, mar nid^t gerabe 
l^übfd^, unb bod^ fel^r anäiel^enb, meil quidt, l^eiter, natür= 
lid^. — ißier fanben mir atte^ beim alten, mo^ red^t gut, 
ober dn bifed^en langmeilig ifi unb fo oergel^en benn aud^ 
l^ier, mie in 33erlin, bie Xa^t unter ber 2)et)ife: „immer 
bo^fclbe." 

Suben finb fafi nod^ gar nid^t l^ier, aud^ nid^t fold^e^ 
bie ftd^ SRuffen ober Slmerifaner nennen; bie lefeteren ftnb bie 
gurd^tbarften. 3)enfe 2)ir : ^tr^mann Sem^ al^ Washington 
Crossing the Delaware, ©tattlid^er 3lbel l^errfd^t jurjeit 
nod^ vor, meifi fel^r gut mirfenb; einige l^öd^fi pifante 
©nglänberinnen, t)on 5D?ama natürlid^ angejmeifelt. Unter 
ben Äurgäften ift aud^ ißerr 5ß. mit einem biden iomalen 
greunb, ben er mit ben SEBorten t)DrfieIIte: ,,ißerr Älein 
t)om 3)eutfd^en 2;i^eater." ©in ®Iüd, bajs id^ ben ©d^au^ 
fpieler Älein fenne; ber mir SBorgeftettte mirb mol^I Dber=j 
fd^u^mann im 2;i^eater fein ober ein äl^nlid^eg. 

2lm 20. trifft Si^mardf ^ier ein; l^ier ift er nod^ 
immer unenttl^ronter ®ott, — bie ißulbigungen l^ier im 
oorigen Qal^r, befonber^ oon feiten ber ^am^n, fotten 
bod^ 'xoa^ ©rfd^üttembeg gel^abt l^aben. 3d^ freue mid^ 
barüber, ol^ne bajs bie Sebenfen fd^meigen. 

aSie immer 2)ein alter ajapa. 



323) Äiffingen, b. 13. 3uni 1891. 

ajleine liebe SÄete. 
^aU SDanf für SDeinen lieben »rief oom 9., übet 
ben mir un^ fel^r gefreut l^aben; 2)u lebfl bod^ miebet 
unb'^^aft eine greube an ben aRenfd^en. 2Benn bai^ an 
3)ir liegt unb einem fid^ allmäl^Iid^ miebereinjlellenben 



1891. 255 

©efuttbl^eitögefül^I, \o ho^ attent Slnfcä^ein nad^ au(j^ an 
ben aRenfd^en, bie fennen ju lernen SDu ba^ ©lud l^aft. 
S)u l^aft ganj red^t, in fcj^webifcj^ 5ßontntem unb xoa^ xf)m 
angrenzt (Stettin) finb ganj anbre aRenfd^en ju ^aufe afe 
in unferer lieben 3Raxt ober ©(j^Ieften unb ©ad^fen, [elbft 
üiel forfd^er afe in aWedlenburg. SDie aWedEIenburger l^aben 
t)or bent aWärfer ntel^r SEBol^Il^abenl^eit unb breitet 33el^agen 
üorau^; aUe ^ßfennigfud^ferei fel^It. Slber fie finb trofe 
il^rer befferen Seben^Iage lebem unb pl^iliftrö^, wäl^renb 
bie aSorpommem bo^ l^eitre unb unterl^altltd^ Sebentännifd^e 
bi^ jur Äunft au^gebilbet l^aben. SDie ©ee tut nur bag 
fialbe baju (SRoftodE unb SEBi^mar finb aud^ ©eeftdbte), 
bie jweite fidlfte wirb burd^ bie Sanbe^l^errfd^aft üon alter 
Seit l^er bebingt. SDie 5ßommeml^erj8ge lebten beyond 
their means, unb bog SBorbilb, bo^ ba^ fd^webifd^e &tbtn 
gab, lag nail^ berfelben unängfilid^en ©eite l^in. ®^ fant 
nid^t barauf an, ju fparen unb reid^ ju werben, e^ tarn 
barauf an, ben Xag fo angenel^nt wie möglid^ ju vtt^ 
bringen, ©taatlid^, nationatöfonontifd^ unb moralifd^ 
fielet ba^ aWdrfifd^e l^öl^er, menfd^Iid^ unb poetifd^ an^ 
gefel^n, ift ba^ 5ßomnterfd^e fel^r überlegen. SEBo^ bag 
5ßoetifd^e angelet, fo bebeutet bie aWarf ba^ benfbar 
SRiebrigfte; nur ber ©il^erriel^ ^ ©ad^fe fann nod^ fon=^ 
furrieren. 

aWit aRama gel^t e^ feit ein paar Xagen beffer, unb 
bie aSorftettung, ba§ fie am ,,a3ranb ber Sllten" leibe, 
fdHt wieber t)Ott tl^r ab. ©ie ifi in fold^en ©tüden bie 
aJhttter il^rer Xod^ter — ba« SCoIIfte ift il^r gerabe gut genug# 
Unfer Seben ift l^ier angenel^m, aber fel^r einförmig. SBon 
Sangenoeile barf id^ fd^on be^l^alb nid^t fpred^en, weil e^ 
in 33erlin gerabe ebenfo ift; man fann bod^ nid^t ben 
ganjen Xa^ in ber Äunftau^fteHung fein. 

aSorgeftem fal^ id^ „%aU ei6mencau", morgen moHen 



256 C|. £mKUBm Brtrfe « peisc ^tasüc 

nni ^3)Tet paar BiJ^fu^** vtm bem guten oüat 6intfi| 
(@4tileq>etatt) f^ 34 fxnrge ^ för meine 99ifimna. 
3Bie immer ©ein aüer Som. 



324) »erlin, h. 25. ^uK 1891. 

9Retne liebe 9Rete. 

Xu ^aft re^t, ba^ etma§ menig gef^eben nriri), 
namentß^ in Snbetrad^ be§ „literartf^ ^anfe^'* 
(Talent öpistolaire oblige). 3)etnem legten »rief ent- 
ne^' i^ }u meiner f^eube, ba^ eS 3)ir (etbli^ mo^Ige^t, 
unb }u meiner no^ grd^eren, bo^ 3ht niel mtb mit Snfi 
unb ßiebe mufijierfi. SBenn e^ bamit vüt^ätt, )o mürbe 
id^ ba<$ ate bie eigentli^e bieSmalige £anbanfent^alt^ 
Srrungenf^aft anfe^; benn tönnteft Sht'S jn einer 
,,^affion" bringen, gleid^mel ob Sierfammlnng, S^eDer- 
bemainng ober ®efang, fo mürbe SH^ bo^ metterbringen 
ate ein 3^wtner SSrom, an bem nnr fidler ifl, ba& eö ben 
aWagen oerbirbt. ,,9Bäl^It eud^ eine gofuItSt", fagt fd^on 
SWepl^fio jnnt ©d^üler, aber eine ^Paffion tfl immer nod^ 
beffer aU eine ^afultat. Sßie ^otte id^ leben nnb oDe 
aWiferabilität be^ 2:ütenbrel^eni5 nnb 2:ütenHeben^ (unb 
nun erft gar bie aWenfd^en!) ertragen fonnen, menn id^ nid^t 
bie ^affion gel^abt l^ätte, J^erjinen ju mad^en. Xtnn mit 
bem ©d^merften mu^ man immer anfangen, baburd^ friegt 
bie ®efd^id^te einen ©lorienfd^ein; felbp f^riebel l^atte pd^ 
fein 3i^I ^o^tt geftedt unb moHte nid^t ©d^affner, fonbem 
©ifenbaJ^n-SSetrieb^bireftor werben. @in bifed^en baoon fpuft 
nod^ jeftt in il^m nad^. 

SBir leben fel^r ftitt; aWama rüdt pd^ überl^aupt nid^t 
t)on ber ©tette, id^ gel^e jeben Slbenb um neun Ul^r bi^ 
an bie (Sl^riftu^Krd^e, umfd^Ienbre fd^Iiefelid^ jmeimal ben 
Seipjiger ^piaft, fd^nopre etma^ Sinbenbuft, gude mir bie 



1891. 257 

©efeüfti^aft an, bte unterm 3^^ in ^otel SeBeüue foupiert 
unb bin unt elf Ul^r wieber ju fiaufe. ©eftem würbe eg 
ttma^ fpater, weil i^ 33ral^m unb ©ternfelb traf, 
mit benen i^ no(i^ eine l^albe ©tunbe flanierte, ©ie 
fcj^offen mir beibe Sieben^mürbigfeiten in ben Seib — bei 
33ral^m ttvoa^ Seltene^ — , unb mäl^renb ©temfelb von 
„SBor bem ©türm" fd^märmte (er fd^eint ein preuj3if(ä^=^ 
l^iftorif(i^e^ Qntereffe ju l^aben), orafelte Sral^m t)on 
„Unmieberbringlicj^" unb munberte fid^ , voo i^ bo^ atteg 
l^er l^ätte. Qn S)eutf(j^lanb barf man bIoJ3 [einreiben: 
„®rete liebte ißan^, aber 5ßeter mar breijler, unb fo l^atte 
Qan^ ba^ $Rad^fel^en" ; mer barüber l^inau^gel^t, fäHt auf 
unb meift aud^ ab. SDa^ Äomifd^fte mar, ba§ fid^ in 
bie^ literarifd^e ©efpräd^ immer intenfit) aWebijinifd^e^ 
mifd^te; 33ral^m l^at pd^ nämlid^ einer Sanbmurmfur 
unterzogen; anfangt badeten ©temfelb unb id^, e^ bejöge 
fid^ auf fein ©d^ifferbud^, julefet ergab fid^ aber, baj3 ein 
ganj gemeiner Sanbmurm gemeint mar, mie er an ben 
fiitfajsfäulen auf grünem 5ßapier immer abgebilbet ift, bid^t 
mitn ben SBerfen ber golbenen 110. SEBa^ bod^ in fold^er 
großen ©tabt aHe^ fein SEBefen treibt. 

aWorgen ober bei ©elegenl^eit miH id^ S)ir aud^ einen 
,,f5igaro"52lttifeI fd^iden. SBenn id^ bebenfe, baj3 ber 
,,^garo" ju gutem Xdl von b<»utfd^en ^uben gefd^rieben 
mirb, fo rid^tet fid^ mein beutfd^e^ ©efül^I ein bifed^en auf 
unb id^ [fage mir bann: 6^ fann mit ber grojsen Über^^ 
legenl^eit brüben aud^ fo meit nid^t l^erfein!" SDiegram 
jofen, barin fel^r frei unb lieben^mürbig, l^aben bie^ @e= 
fül^I aud^ gar nid^t; mir l^aben e^ nur ftatt il^rer unb 
fd^ieben il^nen alle möglid^en literarifd^en unb fünftlerifd^en 
2:ugenben ju. ®^ fiel mir fd^on auf, bajs e^ in einem 
©tauffer oon Semfd^en Sriefe l^iefe : „S)ie guten beutfd^en 
Silber finb eigentlid^ oiel beffer aU felbft bie guten fratt== 

Xlf. gontane« »rtefe an fetne ^amilie. II. 17 



258 S^. drovtaim iSriefe cm fehte iFostUie. 

jöftfd^en; fie l^aben nur in 5ßari§ ben ©d^nebberenbin 
beffer weg. 3lbet bag ifi etroa^ Sufeerlicj^cg." Stteraxifd^ 
l^aben fte *roa^ Sl^nlid^e^ t)or un^ Dotmi^ : bie ©otgfaItig=: 
fett bet Slrbeit; unfre fud^fen btauf log, xoa^ aud^ ber 
J^alentooUfte nicj^t batf. 

SReuIid^ l^atten tote eine fleine ©efettfd^aft mit plfener 
33ier. SDa aRama tnir tbtn fagte: ,,©onberbar, 2;i^eo unb 
grau finben il^re ®efellf(j^aften itntner gelungen," fo will 
id^ nii(j^ eineg Urteite über unfre fieiflungen entl^olten. 
Übrigeng fielet eg Xl^eo unb aud^ il^r ganj äl^nlid^; eg 
liegt 'toag Siebengtoürbigeg brin, aber aud^ 'wag Älein- 
ftäbtifd^eg. Seiber ertappe id^ mid^ aud^ babei toieber auf 
ber Sl^nlid^feit mit Xf)eo^ fleinen ©d^toäd^en. Slud^ 
©d^Ientl^er mar gelaben, ba mir nid^t mußten, er fei fd^on 
fort, ©efiem fam eine reijenbe Äarte oon il^m: „^aula 
ftftt am ©emmering, id^ an ber 3far — ^ero unb 
Seanber." SDiefe ©elbftperfiflage l^at mid^ fel^r amüfiert. 

3lm 7. Sluguft miH id^ über Hamburg nad^ %6f)x gel^n; 
oon ba aug Slbfted^er nad^ fielgolanb unb ©pit. Qn 
fielgolanb miH id^ meinen SBetter ^einrid^ ©ätfe, ben 
„Snfettönig" befud^en, ben id^ feit beinal^' 60 Salären 
nid^t gefel^n l^abe; bamalg mar er 3JiaIerbengeI, iefet erfie 
Dbrigfeit unb berül^mter Dmitl^ologe, babei ttvoa^ Srigl^om 
2)oung. — 3Jiama fd^reibt meinen ^oman ab ; eg ober er 
fd^eint il^r nid^t red^t ju gefallen. Qd^lfenne bag fd^on, unb 
eg fd^abet aud^ nid^t oiel; SRomane, bie beim äbfd^reiben 
jugieid^ bie SBerftimmung tilgen, alfo nebenl^er nod^ eine 
Slrt „3Jiottentob" finb, — bie gibt eg nur feiten. 3Jieine 
Sudler oerlangen ein freieg ©emüt. 

®rgel^ eg S)ir gut, empfiel^l |mid^ ben ©amen unb 
l^abe enbüd^ beffereg SEBetter. „3)er gebilbete 3Kenfd^ ge^ 
^ört in bie ©tube" — ifl oom ©tanbpunft eineg fad^pfd^en 



1891. 259 

5ßrofeffor^ an^ jtoar [el^r nett unb üielletcj^t an^ ticj^tig, 
für SDi(^ aber ftnb 5ßarf unb ©arten beffer. 

SEBie immer SDetn alter ajoDa. 



325) Serltn, b. 31. 3ult 1891. 

3Reine liebe aKete. 
3d^ fcj^ide SDir im beifolgenben einen fel^r au^:^ 
gejeid^neten Sericj^t von S. 5ß. über eine 2:i^emferegatta 
ju fienleg, einem %Udm jmifcj^en SEBinbfor unb Djforb. 
S)er SericJ^t ifi einfacj^ afe ©d^ilberung mertüoH, vox 
allem aber mertDoff in ber ©efamtbetracj^tung unb ®e= 
finnung, ber er Slu^brud leil^t. SDie brei, t)ier 3^Ü^^ ^^f 
ber britten ©palte, bie i(j^ mit Slauftift unterfWti^en l^abe, 
brüden — unb id^ fönnte bem alten 5ßietf(j^ bafür einen 
Äujs geben — ein ©efül^I au^, ba^ i^ mäl^renb meine« 
langen Slufentl^alte« in (Snglanb nie lo« geworben bin. 
aWir mar immer jumute, ate märe i^ ein unterer Sln^ 
geftettter be« ißaufe«, ber um 12 Ul^r in ba« SBorjimmer 
bi« an bie ©aaltür treten barf, um bem SaK ober ben ^oIter== 
abenb^Sluffül^rungen jujufel^en unb ber, inmitten feiner 
greube, ba« ©efül^I nid^t lo« mirb, nicj^t mit baju ju 
gel^ören. SDie'^meiften aWenfd^en werben babei oon SReib 
oerjel^rt unb fud^en fid^ baburd^ ju retten, ba§ fie bie 
oorl^anbene Überlegenl^eit beftreiten. SDa« l^abe id^ nie 
getan, fiätte id^ bie Äraft unb bie awittel baju gel^abt, 
fo l^ätte id^ bem formell nal^eju SBoHenbeten nad^geeifert ; 
ba id^ ba« nid^t fonnte, l^abe id^ mid^, mie S. 5ß. fel^ 
rid^tig fc^reibt, einfad^ barüber gefreut, ba§ e« epfüert. 
SDafe nid^t alle« ©olb ifi, xoa^ glänjt, meife id^ fel^r mol^I, 
unb baj3 Heine 5ßfennigjuftänbe biefer (junäd^fi nur äufeer^ 
lid^en) ^errlid^feit überlegen fein fönnen, meife id^ ebenfo^ 
gut; nur baoon fann id^ nid^t abgelten, ba§ biefe englifd^e 

17* 



260 0%. ftndant» iSrtefe an [Ont iFotnUie. 

3ttfjenierung bcS ScbenS ntid^ mit einem unfagboren 
SBol^Ibel^agen erfüllt unb mir bie Srufl meitet, mie menn 
ber 3)uft eine^ SlefebabeeteS ju mir in^ ^fler bringt. 
6in 3wftönb, t)on bem id^ bei berliner ÄonoKuft meit 
ab bin. 

©mpftel^I mid^. SBie immer 3)ein alter ajopa. 

326) SBpf auf gö^r, b. 9. «ugufl 1891. 

3Weine Hebe 3Wete. 

©eit gefiem nati^mittag bin i^ l^ier in SEBpf. Qd^ 
mürbe t)on 2)einem 33rief t)om 7. äugufi empfangen, ber 
bie Steife l^ierl^er fel^r rafd^ gemad^t f)at ©ei für Sluf^ 
merffamfeit unb 3nl^alt fd^önfien^ bebanft. Sfll^etifd^eS 
unb 5ßatriotifd^eS ju trennen, fd^eint junad^fi leidet, meil fte 
auf ben erfien 3htdf gar nid^tS miteinanber gemein l^aben. 
2)ie Sl^eru^fer unb bie ©empad^s©d^meijer maren einfad^ 
patriotifd^ unb fragten ben 2^eufel 'ma^ nad^ ber afil^etifd^en 
Überlegenl^eit il^rer ©egner; ja biefe mürben il^nen baburd^ 
boppelt t)erl^a§t. 

2)a^ ifi für $Raturmenfd^en, mie fie eS maren, ganj 
in ber Drbnung; ber l^öl^er poetenjierte — uei^eil^, ba^ 
id^ S)id^ in biefem Slugenblidf baoon aui^jufd^Iiefeen 
fc^eine — fül^It aber anberS, unb menn er — id^ fage 
bieS ganj allgemein, ol^ne SlüdEfid^t auf ben Dorliegenben 
gaU: beutfc^e^ unb englifd^e^ Steprafentation^Ieben — 
menn er ate Äultur^ unb StoÜifation^menfc^ in feiner 
Heimat aHeS i^ä^Iid^ finbet, fo mu§ e^ il^m minbeflen^ 
fel^r fd^mer fallen, fid^ feinen 5ßatru)tiMuS ju bemal^ren, 
namentlid^ romn er bie Sage für l^offnung^Ioi^ anfielet. 
3ta^ unferem gegenmärtigen ©efül^fefianbpunft laffen mir 
un^ el^er Änoti^muS ate Unpatrioti^mu^ gefallen; vox 
einem unparteiifd^en 3Wd^ter aber, ber nid^t burd^ bie 



1891. 261 

jurjeit gültigen Slnfd^auungen gebunben ift unb auf einem 
rein ntenfc^Iic^en ©tanbpunft fielet, vox einem folcj^en 
aWd^tet mu§ ba^ ©(j^öne fd^meret wiegen afe ba^ SRationoIe. 
SDem ^Rationalen l^aftet immer etma^ ®ngeg an. 

©eftem, gleic!^ na^ meiner Slnfunft, mar Segelboot^ 
regatta. SRiemanb \a\) recj^t banacj^ l^in; jebenfaltö l^atte 
fie feine 3üg^ t)on ber in fienlep, troftbem bod^ bie friefifd^e 
Äüfte fd^on l^alb (Snglanb ift. — SEBgf erinnert au^er^ 
orbentlid^ an aBamemünbe, bie ©tra^e an ber aBamom 
entlang; fd^öne Saumreil^en, l^ier aber 33Iidf auf« 3Jieer. 
3lIIeg fel^r anmutig, folibe, nid^t teuer, fo ha% Ärumm^^ 
^übel oergleid^^meife fd^on bie l^alben 5ßreife von ©anft 
ajiorife ^at. 

SDa^ SBetter ift tott. ©in großer SRad^tfalter l^atte 
geftem abenb ©d^uft in meiner ©tube gefuc^t, unb id^ 
^ielt e^ für meine ^ßflid^t, il^m biefen ©d^uft ju gemäl^ren. 
^eute frül^ fafe er nod^ an berfelben 2:eppid^ftette, jmei 
©d^ritte t)on ber geöffneten 33alIontür. Qd^ nal^m mein 
grü^ftüdE unb befd^Ioj^, bem ^txoaB unl^eimlit^en S^ier aud^ 
2^age^quartier ju bemißigen; id^ erfd^ien mir mie auS^ 
erfel^en, i^n ju retten. aWit einem 3RaIe fam an^ ein 
©perling in^ S\mrmx, fred^ mie immer, unb id^ mad^te 
fd^on 3Wiene, il^n burd^ ein ©tüdd^en ©emmel abjulol^nen, 
ate er, feine 3Jiarfd^Iinie rafd^ änbemb, auf meinen 
©d^üfeling ju^üpfte, il^n aufpidEte unb bat)onflog. @^ ift 
mit ben SRettung^oerfud^en oft fo. 

aRama ift, benF id^, aug bem ©röbften l^erau^. Qd^ 
bin überjeugt, bafe fie bie Äanalluft, worüber fie frül^er 
ladete, nid^t oertragen fann. .kleine t^pl^öfe 3wftä^t>^ 
Wed^en einem babei immer burd; ben Äörper. 

SBie immer S)ein alter ^ava. 



262 Stj. äoxdanzsi iSriefe an fehte iFotnttie. 

327) SEß^f, b. 21. augufi 1891. 

SReine liebe %tavi. 

©0 recj^t 'tüag ju fcj^retben l^abe id^ eigentlid^ nicj^t. 
SDie Xage t)ergel^en im ©leicj^ma^; etft furj vor 9 Ul^r 
auf, t)on 12—2 Ul^r gearbeitet, big 3V2 ju S^ifcj^, bann 
big 5 Ul^r in meiner SBol^nung Bettung gelefen, bann eine 
5ßlauberftunbe beim Äaffee unb bann mieber nac^ ißaufe, 
um bei 2^ee unb ©(j^infen ben Xa^ ju befcj^lie^en. 3ft 
bag SBetter gut, fo fäHt in bie 3^tt ^^^ 5—8 Ul^r aud^ 
ein längerer Spaziergang entmeber am ©tranb l^in ober 
na^ bem reijenben SJorfe 33oIbiptm; ftürmt unb regnet 
eg aber, [o fallen biefe ©pajiergänge natürlicj^ aug. $eute 
mar nun ©türm unb Siegen, aber, bag 3Jieer vor mir, 
fam id^ faum ju einem redeten Unmut unb mürbe an 
unfere Serd^teggabener 2^age erinnert, mo mir von bem 
reijenben grojsen 33atton aug bei nid^t aufl^örenbem Siegen 
in bag fd^öne ©ebirggtal l^ineinfal^en. SEBie t)ieleg ift 
feitbem anberg gemorben; bag mar fed^g SBod^en t)or 
ünferer filbernen ißod^jeit, jefet fel^Ien nur nod^ neun Qal^re 
an ber golbenen. SDamate ältlid^te man, j[efet ift man 
alt, aber id^ bin nid^t mie 33ogumiI ®oIfe, ber vox SBut 
über fein 3llter auf ben 2^ifd^ fd^Iug. Slefignieren fönnen 
ift ein ©lüdE unb beinal^e eine S^ugenb. 

SDag SEBetter, ein paar fd^öne 2^age abgered^net, ift fo 
anbauemb toH, mie id^ mid^ gar nid^t entfinnen fann, ein 
SBetter erlebt ju l^aben. sbaju bin id^ infolge ber Slm^ 
rumer 5ßartie total erfältet, Ruften unb ©d^nupfen unb 
ein bijsd^en %khtx. SDie SBol^nung ift gut, bie SBerpflegung 
nod^ beffer, unb ingrieblänberg l^abe id^ einen Slnl^alt 
unb bie 3JlögIid^feit eineg ©efpräd^g; fäme bag in SEBeg? 
fall, fo märe id^ längft mieber fort. @g ift ganj un^ 
möglid^, an fold^em Ort in ©infamfeit augjul^alten. 3d^ 
fann mit ben SKenfd^en nid^t anfnüpfen unb miH eg an^ 



1891. 263 

ni(i^t; bag öbe ©etratfd^ ift mir ju langtoeilig. SBer in 
Säber unb ©omnterfrifcj^en gelten will unb alt ift, ber 
muj3 33efatttttf(j^aft um ficj^ l^er l^aben; f)at er bie nicj^t, 
fo tut er beffer, er bleibt ju ^aufe unb legt ft(j^ in^ Sett. 
3Jiein 3ll^eumatigmug quält mi^ rd^t mel^r, au(j^ bie 
guj3t)erl^ältniffe ftnb gut; gefegnet fei ba« ©eifenpflafler. 

22. äugufi. Sßad^mittag. 

^ä) bringe biefen Xa^ auf meinem S^wtmer ju, um 
meinen pitopablen S^f^^i^ ^^^i P Derfd^lecj^tem. Äaffee 
ift geftrid^en unb felbft ber Siotmein; nur Xtt unb ©oba^^ 
maffer, eine erbärmlicj^e ©orte von ©mäl^rung. fiefen 
fann id^ an^ nid^t. 3^^ ®^üd fam g. um 11 Ul^r unb 
leiftete mir brittl^alb ©tunben ©efeUfd^aft ; in fold^er Sage 
merft man erft, xoa^ ein 5ßlauberer mert ift. SDer rid^tige 
©ermane fommt freilid^ mit Slu^ftreden unb Slaud^en 
ebenfomeit. ©eit einer ©tunbe ift ba^ SEBetter beffer, 
unb alte, befal^rene Seute oerfid^em: „SRun mirb eg." @^ 
märe ju münfd^en. — SRäd^ften greitag, ben 28. äuguft, 
merbe i^ mol^I l^ier abreifen. 

2lui8 bem geplanten Stbfted^ernad^^elgolanbmirbnid^tg, 
eg ifl mir all bergleid^en ju umftänblid^ unb langweilig; 
an nid^t^ nel^me id^ mein ^Iter fo fel^r mal^r, ate an biefer 
2lrt oon Qntereffelofigfeit. SRid^t^ oerlol^nt fid^ mel^r. — 
S)ie 3^itungen lefe id^ l^ier jiemlid^ regelmäßig; immer 
SioggenjoH, Äronftabt unb ^ßort^moutl^. SBon ber ©efomt^ 
läge läj^t fid^ fagen: „^^ trau' bem^eben nid^t red^t." 
e^ ried^t nad^ ^ßuloer, unb 2;i^eo fann balb Srote baden 
laffen, teiber nid^t oon ruffifd^em Sioggen; benn ein^ 
marfd^ieren werben mir mol^l nid^t. 

2Bie immer SDein g^^^ 



264 (B^. foxdaxvMi Ärtef^ an fitnt iFamttte. 

328) SB^f, (Sonntag, b. 23. augufl 1891. 

aWeine liebe grau. 

(SUn erl^alte id^ SDeine Äarte. — SDa^ ©d^idffal 
unfere^ guten 3- nimmft SDu, glaub' i^, tragifd^er ate 
nötig; für mx^ Hegt e^ fo, bafe bie arme grau bod^ faft 
mel^r ju beflagen ift ate er, tbm weil er ba^ ®Ienb nic^t 
ntel^r voU empfinbet. Über ,, traurige 3wftänbe", bie 
einem bie UnooHfommenl^eit unb ^infäHigfeit aUeg Qrbifd^en 
bemonftrieren, grofe ju Hagen, l^abe i(j^ aufgegeben. J^ritt 
einem biefe ^infäHigfeit, bie^ ©lenb, in ©(j^merj^ unb 
Seiben^erfd^einungen entgegen, fo mirb man erfd^üttert 
unb empftnbet 3JiitIeib, fo lange man nod^ ein ißw^ in 
ber 33ruft l^at; ganj allgemeine ^infaHigfeiten aber, W)- 
fterben ol^ne ©d^merj, ba^ ift SBoHjiel&ung allgemeiner 
3taturgefefee unb fann mid^ nid^t befonber^ nieberbrüdfen. 
SRatürlid^ fann e^ mid^ aud^ nid^t erfreuen, aber e^ bietet 
mir nid^t ©toff ju befonberer Xrauer. SDer arme 3- ift 
abgefd^ieben, er atmet nur jufäHig nod^. 

3Jiir gel^t e^ nid^t fel^r gut; geftem mar mir miferabel 
unb id^ blieb ein unb l^ungerte, l^eute ift e^ etma^ beffer, 
aber id^ fann nid^t au^gel^en unb muj3 meine ^ungerfur 
fortfefeen. Sßatürlid^ bleibe id^ meinem ©l^arafter treu 
unb fud^e mir ba^ ®ute l^erau^; ein tapferer ©d^nupfen 
mar ba^, xoaB id^ feit einigen Qal^ren oergeblid^ l^erbei^ 
fel^nte, nun ift er ba. SDer ißuften ate 3^0^^^ ^^^ \^^^ 
läftig, f d^eint aber nad^Iaffen ju motten ; stulf a cold and 
starve a cough, ^eftt ift starvation, morgen l^offe id^ 
mieber bei stuffing ju fein. 

3ltte^ Slrbeiten l^abe id^ einfietten muffen, unb gIüdEIi(^ers= 
meife l^abe id^ aud^ nid^t^ ju lefen — bamit oerbirbt man 
fid^ immer bei ©d^nupfenjuftänben. 3d^ befd^äftige mid^ 
bamit, mein Seben ju überblidfen, atterbing^ in etma^ 
finbifd^er ober bod^ minbeften^ in nid^t fel^r erl^abener 



1891. 265 

SBeife. Sei ben ernfteti S)ingen t)exn)etle x^ fafi 'gar 
nid^t; id^ fel^e fie faum unb laffe ©pielereien, ©inttlbungcn 
uttb aHerl^anb fjraglid^feiten an mit Doräbetjiel^tt. SDo^ 
©nbrefultat ift immer eine Slrt banfbareg ©taunen barüber, 
bafe man von fo [d^mad^en mirtfc^aftlid^en gunbamenten 
an^ überl^aupt f)at leben, nier Äinber gro§ jiel^en, in ber 
aOBelt um^erfutf^ieren unb fteHenmeife (j. 35. in ®nglanb) 
eine Heine SioHe ^at fpielen fönnen. Sitten auf nic^tö 
anbreg ^in, afe auf bie gäl^igfeit, ein mittlere^ Igrifd^e^ 
©ebid^t unb eine ttroa^ beffere Sallabe fd^reiben ju fönnen. 
©^ ift aUeg leiblid^ geglüdt, unb man ^at ein mel^r ate 
nad^ einer ©eite l^in benor jugte^ unb, namentlich im Keinen, 
fünftlerifc^ abgerunbete^ 2tbtn gefül^rt. Slber, jurüdE« 
blidenb, fomme id^ mir bod^ vox mie ber „Sleiter über 
ben 33obenfee" in bem gleid^namigen ©d^mabfd^en ©ebid^t, 
unb ein leife^ ©rauen padEt einen nod^ nad^träglid^. 
5ßerfonen von fold^er 3lu^rüftung mie bie meine mar: fein 
SBermögen, fein SBiffen, feine Stellung, feine ftarfen 
^lernen, ba^ Seben ju jmingen — fold^e aWenfd^en ftnb 
überl^aitpt feine rid^tigen 3Renfd^en, unb menn fie mit 
i^rem S^alent unb i^rem eingemidelten fjünf jigpfennigftüdE 
i^re^ aSßege^ jiel^en motten (unb ba^ mu^ man i^nen 
fd^Iiefelid^ geftatten), fo foffen fie fid^ menigfteng nid^t vtx^ 
l^eiraten. ©ie jiel^en baburd^ Unfd^ulbige in il^r eigene^ 
fragmürbige^ SDafein l^inein, unb id^ fann alle S)eine 
aSermanbten, barunter namentlid^ meine nod^ immer von 
mir geliebte Älara Selom, nid^t genug bemunbem, bafe fie 
mid^ von Slnfang an mit SBertrauen, ^erjlid^feit unb 
beinal^e Siebe bel^anbelt l^aben. Qd^ märe gegen mid^ felber 
niel flauer gemefen; benn ein Slpotl^efer, ber anftatt non 
einer Slpotl^efe non ber SDid^tfunft leben miH, ift fo jiemlid^ 
ba^ StoUfte, ma^ e§ gibt. 



266 Stf. iFontones iSriefe an T^hte iFomttie. 

24. augujl. ©trolauer gifd&jug. 

®^ ifi tu)(j^ tminer taul^, 9iotbn)inb, aber id^ bin bod^ 
frol^, ba§ i(^ 50 3KeUen oon ©tralau entfernt bin. Qd^ 
fenne bie aWarf ju gut, um nic^t bann unb wann fcöi) 
ju fein, pe l^inter mir ju miffen. SReine ©rfältung miff 
nid^t meid^en, xoa^ bei biefem SBetter fein SBunber ifi; 
ber Siegen l^at aber wenigften^ oufgel^ört, unb fo l^abe id^ 
mi(^ l^erau^gemad^t unb bin ju 2^ifd^ gegangen, aud^ ein 
bifed^en fpajieren. 5Bon l^eute ab foff jel^n 2^age lang 
fd^öneg SEßetter fein, fo l^at ein 90iäl^riger, ber auf einer 
ber galligen fifet, Derfünbet, unb alle glauben il^m, aud^ 
bie ©in^eimifd^en. aWit 90 ift atteg Drafel unb gilt. 6^ 
mirb nun fd^on leer, unb bie S^able b'l^öte ifi fafi fo 
flein mie juleit im S^ntrall^otel in Äif fingen; am S)onnerg5 
tag frül^ reifen grieblänber^, bei rul^igem SEßetter mit ber 
Äobra, fonft ju Sanb über Sßiebüff unb $ufum. Äommen 
mirflid^ nod^ fd^öne, t)ielleid^t felbft milbe 2:age, fo bleibe 
i(^ gern nod^ eine SBod^e; bleibt e^ aber regnerifd^ ober, 
roa^ ebenfo fd^Iimm ifi, falt, fo miH x^ e^ bod^ fo ein^ 
rid^ten, ba§ i($ am ©onnabenb ju guter 3^tt mieber in 
Serßn bin. 

3um 2^eil merbe id^ e^ aud^ von SDeiner SRelbung 
über bie SEBoJ^nung^oer^ältniffe abpngig mad^. — 
$.g finb nun jurüdf ; id^ nel^me an, ba% eg ju feinen Un- 
liebfamfeiten gefommen ift ; f d^meben bie 3)inge aber nod^, 
fo fann id^ SDir nid^t genug empfel^Ien, fünf gerabe fein 
JU laffen. (g^ bleibt bod^ bie Xatfad^e befte^n, ba§ mir 
nun feit 19 Qal^ren bequem unb ol^ne jebe SBirt^quälerei 
in unfren oier ^ßföl^Ien mol^nen, unb ba^ ifi nid^t l^od^ 
genug JU oeranfd^Iagen ; benn meine ganje ärbeit^s= 
möglid^feit l^ängt bamit jufammen. 3n einem io^ufe, mo 
id^ mid^ ärgern müfete, fäl^e e^ fd^led^t arx^ mit meiner 
©d^reiberei. — 3Ba§ id^ über 3- gefd^rieben, fann oiefleid^t 



1891. , 267 

mtjsüerfianbcn toerben; id^ nriH ballet no(J^ 'tnal in aller 
S)eutltd^feit fagen: e^ l^ängt aHe^ bavon ab, ob iemanb, 
auf ©d^merjen ^in angefel^en, leibet ober nicj^t leibet. 
SDaran l^ängt ba^ 3Jiaj3 beg 3JiitIeib^. SDa^ bloj^e iämnterli(i^e 
aSerfaHen unb ^infd^tüinben ift an^ traurig, aber jugleid^ 
fo fel^r SRegel unb ©efefe, ba§ man fi(j^ bantit wie mit 
etmag äHtäglid^em einleben mufe. SBie bei $ofe barf in 
biefem gatte nur „Heine S^rouer" angesagt werben. 
@rgel^' e^ SDir gut. 9Bie immer S)ein ^lux. 



329) SEBgf, b. 25. Sluguft 1891. 

3Keine liebe aWete. 
®l^e x^ biefen gafilicj^en, aber bei ben bie^jal^rigen 
SBitterung^nerl^äitniffen unmirtlid^en ©tranb Derlaffe, miß 
i^ SDir ho^ no^ 'mal fd^reiben. SBiel fann e^ nid^t 
werben, ba id^ brittl^alb SBod^en lang nid^til tme ©türm 
unb Siegen erlebt l^abe, ©toff jum Älagen, ober nid^t 
jum Sriefe fd^reiben, bie nad^ meiner aWeinung entmeber 
l^eiter ober anftdnbig inbifferent fein muffen. Slffeg in 
allem l^abe i^ mi(^ übrigen^, trofe biefer SBetterunbiH, 
meinet l^iefigen 3lufentl^altg ju freuen gel^abt, unb felbft 
ber foloffale SeHl^uften, an bem id^ feit oier 2^agen la^ 
boriere, l^at mid^ nid^t anbem ©inne^ gemad^t. S)er 
3lnbIidE beg SKeere^ erfreut immer mieber, bie Suft ift 
fd^ön, bie SBerpflegung oortrefflid^ unb ber SBerfel^r mit 
grieblänber^ forgt für S^^fte^^^^ß ^^^ ^^^^ ^^^ 
graufige ©infamfeit^gefül^I nid^t auffommen. Ol^ne fie 
märe ber 3lufentl^alt l^ier, aud^ bei fd^önftem SOBetter, eine 
Unmöglid^feit gemefen ; benn nod^ bin id^ feinem aRenfd^en 
begegnet, mit bem id^ an^ nur fünf SBorte l^ätte fpred^en 
mögen. Slbgefel^n non meiner Ungefd^idlid^feit, — id^ bin 
e^ aud^ mübe, mid^ mit langweiligen ober unliebfamen 



268 0%. ^onUauM tittefe an \t^ iFontttie. 

Sltenfd^en abjuquolen unb nttd^ um bte ®unfi t)on nobodies 
ju bewerben. 2)ie beiben %.\^tn SDomen fmb sans phrase 
DotiügUd^^ fein unb Uebendn)ätbig^ unb aud^ Üug genug 
ffit jebei^ @efpräd^^ felbfi l^eiUe Sl^emata mit eingefd^Ioffen^ 
moron man immer einen SilbungSmeffer f)at; nur bie 
bdmlid^en finb ötepötSte. @r, %., ber natttrlid^ ben g5men== 
anteil ber Unterl^altung ju bestreiten f)at, ifi, mie SDu 
mei^t, in ben Sanben be^ 5ßerfönlid^en; nur xoa^ er erlebt 
l^at, nur mag in feinen Umganggfrei^ eingetreten ift, intern 
effiert il^n, unb ein ©efprad^ über ba^ ängelfad^fentum 
(bag id^ übrigeng augnal^mgmeife l^ier nid^t gefül^rt l^abe), 
über bie l^iftorifcj^e aWiffwn ber ©tamme jmifd^en @lbe, 
SEBefer unb ®mg, über il^re aSermanbtfd^aft mit bem 
©fanbinat)if(j^en unb il^re 5Berf(J^iebenl^eit banon, über bie 
aSerquidfung mit bem Äeltifd^en einer^^ unb bem ©laoifd^en 
anberfeitg — ein (Sefpräd^ über berartige S^l^emata langweilt 
il^n fofort. Äaum ba§ er ©ebulb l^at, einer altenfri|if(^en 
Slnefbote jujul^ören, menn pe nid^t fel^r brafüfd^ iji Slber 
fö gemi^ bieg ein 3JiangeI ift, fo gemife ifi eg aud^, ba§ 
er fi(^ innerl&alb feiner SBelt mit einer ooHfommenen 
aWeifterfd^aft bemegt. 6r erinnert mid^ in all' biefen 
©tüdEen ganj aufeerorbentlid^ an 3Wd^arb fiucae, ber 
aud^ fo t)irtuog mar, meil er feine ©efd^id^ten, lauter 
Äabinettftüdfe, fd^on l^unbertmal erjäl^lt l^ätte. %. iftoiel- 
leidet dufeerlid^er, aber trofe biefeg ©emid^tlegeng auf gut* 
pfeenbe $ofen ufm. bod^ mel unbourgeoigl^after, 
ein aSorjug , ber mir, je alter id^ merbe, immer mel^r be- 
beutet. 3(^ l^affe bag Sourgeoigl^afte mit einer Seibenfd^aft, 
alg ob i^ ein eingefd^momer ©ojialbemofrat more. „@r 
ift ein ©d^afgfopf, aber fein SSater l^at ein ©dEl^aug", mit 
biefer 33emunberunggform fann id^ nid^t mel^r mit. SBir 
erl^eben ung jefet fo fel^r über bie ©l^inefen, aber barin 
pnb biefe bod^ bag feinfte SBolf, bajs bag SBiffen am l^öd^ften 



1891. 269 

gefteHt wirb. Sei un^ fonn man beinal^' [agen, e^ bi^s 
frebitiert. SDo^ SourgeotiSgefül^I tfl ba^ jutjeit mafei^ 
gebenbe, unb id^ felber, ber x^ e^ grdfeltcj^ finbe, bin big 
ju einem ©tabe von xf)m bel^ertfd^t. S)ie Strömung reifet 
einen mit fort. 

©mpfiel^l mi(ä^ afferfeitg. 2Bie immer SDein alter 



330) SBgf, b. 27. Sttugufi 1891. 

3Jieine liebe %xau. 

3)ieg merben nun mol^I bie legten S^i^^^w ^w l^ier 
aug fein. g.g pnb feit jmei ©tunben auf bem großen 
Hamburger SDampffcJ^iff abgebampft, unb x^ mag l^ier nid^t 
langer pfeen, ttvoa mie bie armen SBanbblümd^en beim 
Satt, bie immer ein ©egenftanb meiner befonbem XtxU 
nal^me gemefen finb. 9iod^ mit anbem anjubinben, oer^ 
lol^nt [x^ ni(j^t, trofebem mein vx^^k^vx^ an ber 2;able 
b'l^öte eine bitbfd^öne ^au ift, %tan S^^^^f i>^ juliebe 
ber Äalauer entftanben ifi, „biefe 3iffet ifl eine SRummer". 
$err3iffet l^at ba^ aber aUe^ baburd^ mett gemad^t, bafe 
er neulid^ bie Heine, neben il^m fifeenbe S. gefragt l^at, 
„marum @rofet)ater nicj^t mit ju XVi^ gefommen fei?" 
3!)ag fann %tan 3iffw: nie mieber gut mad^en, trofebem 
id^ mir au^ced^nen fann, id^ fönnte aud^ Urgroßvater fein. 
SDie ©efd^id^te von ber 3Wnon be I'ßnclo^ ifl red^t eigentlid^ 
eine ©efd^td^te für alte aWenfd^en, aud^ männlid^en ©e^ 
fd^Ied^tg; benn mag bem einen red^t ifi, ift bem anbem 
biHig. SRur münfd^te id^ nic^t, baß fid^ eine lejal^rige 
an^ Siebe ju mir bag 2^btn näl^me. Dh mol^l ©efal^r ifl? 

SDag SBetter ifl l^eute fd^ön, b. \). mag man fo fd^ön 
nennt; eg fd^eint bie ©onne, im übrigen gel^t ein fd^arfer 
SBinb unb verbietet ein ©pajierengel^en am ©tranb, nur 



270 S^. ^ontantfi ßütft an füat iFamilie. 

im ©d^ufe bcr ^äufctrcil^e gel^t e^ aUenfatt^. 3)a§ 33ttb 
von tneittem ^enfter au^ tfi nad^ toie üor cntjüdenb, bte 
breakers, bie il^ren ©d^aum an§ Ufer roHen, bte 33oote, 
bie aWöüen, bte auf bem SBaffer tanjen, unb jal^Ireid^e 
Stnber in roten unb weisen Sappen, bie am ©tranb il^re 
geftungen bauen. @§ ift ein fel^r angenel^mer Slufentl^alt, 
oi)m aUe^ ^ä^Iid^e ober fonft ©törenbe, nur ba§ SBetter 
^at e^ nid^t gut mir mir gemeint. 

ajlit meinem 33efinben ge^t e§ feit l^eut' etmag beffer ; 
id^ muJBte oer^ältni^mälBig frül^ l^erau^, um %. ju begrüJBen 
unb über ben per l^in bi^ an§ ©d^iff begleiten ju fönnen, 
b. f). big an ben Keinen Stampfer, ber bann big an bie 
mitten im SBattmeer liegenbe „6obra" l^eranfä^rt unb 
©epfidf unb 5ßaffagiere umläbt. ^mmer eine fel^r fom* 
plijierte ©efd^id^te, bie fid^, wegen ber geringen 2:iefe be^ 
2Battmeer§, felbft bei ^lut nid^t oermeiben läfet. 2)er 
arme %. mar mäl^renb ber legten 2^age in einer jammere 
lid^en SBerfaffung, furd^tbar erfältet, 3<i^ttfd^merj, SDligrcine, 
fo baJB er t)ier 9iäd^te nid^t gefd^Iafen l^at unb l^alb tot 
aufg ©d^iff fem. @r l^ielt fid^ aber mufterl^aft. 2)ie 
beiben ®amen maren babei groJB in jener ©raufamfeit, 
bie felbft bie lieben^mürbigften il^re^ ©efd^Ied^t^ fo merf^ 
mürbig au^jeid^net. (Sigentlid^ bel^anbelten pe il^n aU 
fomifd^e ^gur unb f droben alle§, mel^r ober weniger 
beutlid^, auf „Unmännlid^feit". 3)at)on fonnte aber gar 
feine SRebe fein, im ©egenteil, er benal^m pd^ afV bie 
Xage über wie ein Selb; bie Änirpfe mad^en fo 'wog 
immer am befien, unb nod^ bei S^^^'^^^ ^^^ ^^ efprit- 
üoH. 3d^ oerbanfe ber Slnwefenl^eit ber ganjen gamilie 
fel^r oiel; ol^ne fie wäre e§ l^ier einfad^ nid^t möglid^ ge^ 
wefen, benn id^ fann nid^t brei SBod^en oon bem Stnblidf 
üon ©eemöoen leben unb oon ©rinnerungen an SRobert 



1891. 271 

Suxn^fd^c ©ebid^te: „am per von 2)uttbee tanjt bag 
Soot", ober fo ä^nlid^. 

Unb nun lebe voo^l unb ertrage mein ju frü^eg 
Kommen mie fo oft, benn id^ fann mid^ faum erinnern, 
baJB mein Kommen jemals n i d^ t mit einem Keinen ©d^redf rer^ 
fntipft getoefen tocire. @rft affma^Iid^ finben fid^ grauen 
Toieber in bie Xatfad^e, „bafe er toieber ba ift". 3lber 
„barum feine geinbfd^aft nid^." 

2Bie immer 2)ein ^Ux. 



331) 33 erlin, b. 30. Sluguft 1891. 

aWeine Hebe SRete. 
©eftem um SJUttemad^t l^abe id^ meinen ©injug in 
ba§ geflidfte ^o^anniterl^aug gel^alten, bem bie SRiffe mittler^ 
meile vergangen finb. 2)ell^ae§, bei bem SKama etlid^e 
©tunben oorl^er gemefen mar, l^at i^r für il^re Haltung 
mäl^renb ber 3^i^ftörung oon ^ßompeji (er mar einmal 
äugenjeuge, al§ ber ftärffte 3lfd^enregen fiel) eine „äureole" 
oerfprod^en, unb id^ fann il^m nur juftimmen, um fo mel^r, 
afe id^ j|e|t S^^i^ '^^^ erfolgten SJBieberaufbaue^ bin. 
Meg ^elbifd^. 

@to6e Xaten bott gefd^el^en 
2)utd§ bet gelben ^xm, 
Sf^xtx fylmt $üf4e \Dt^n 
3n bet gfcinbe ©(Stoatm, 
Unb be3 XoggeTtbuvgetg 9latne 
©d^tecft ben Tln]dmann uftp. 

33ittner jun. mürbe einfad^ 'rau^gefd^miffen, unb ein 
Xapetenfrifee, ber bie „funftootte" 2)edEenmaIung, meil er 
50 ©Ben S^^S^^^^^^^^V^^^ baburd^ weniger lo§ mürbe, 
l^intertreiben moHte, mürbe mit ber SBemerfung l^eim^ 
gefd^idft: „SEBer l^at l^ier etmag ju fagen? ©ie ober id^? 



272 Stf. fiotdant» £xizft an fünt JfamMlt. 

©0 üiel id^ weiß, ift bieg meine SBol^nung ; id^ übemel^nie 
iebe aSerantoortung." 

Stn fold^en großen aRomenten ftnb biefe brei SBod^en 
reid^ getoefen. 3tter aßama fd^eint toäl^rettb biefer gonjen 
©pod^e bie SRoHen beg Sönigg unb ber Äönigin in be« 
„©fingert glud^" glädfttd^ in jtd^ rereinigt ju l^aben; benn 
wenn e^ bem ^Portier 33ittner gegenüber l^iefe : „Unb n)a§ fte 
pnnt, ifi ©d^redfen unb roa^ fte blidft ift SBut", fo ^iefe 
e§ bem aWaurerpolier gegenüber: „Unb lad^elte füJB unb 
milbe, afe blidfte SSoffmonb brein." 63 mürbe bieg burd^ 
befiänbigeg Äaffeefod^en ufw. erjielt. 2)er Sol^n mar ein 
©infefeen üoHer Strbeit^fraft, voa§ bei einem aWaurer immer 
nod^ nid^t t)iel bebeutet, unb vox allem ein tapfere^, be- 
fiänbigeg jum SRunbe reben. ©^ gipfelte in bem immer 
mieberl^olten ©afee: „aWabamm, e§ i^ \a alleg Magbar; 
id^ liefee ben Saumeifter von nebenan nid^ Io§ unb liefee 
mir aud^ feine SSorfd^riften von'n SBirt l^ier unten mad^en, 
bie Xapeten ried^en ja fd^on fauer unb finb gegen 
bie 2)e§infeftion." auf biefe ©d^Iu^menbung ift 
er immer mieber jurüdEgefommen ; Xriumpl^ preu^ifd^er 
33ilbung. 

S)er ©ieg ift nun olfo erftritten. 3lber biefe S)efc 
l^ae^fd^e „äureole" fid^ ju pd^em, mar fein ©pa^, unb 
bie arme aWama ift elenb unb fel^r l^erunter. ©ie l^at, 
mie pe mir l^eut' erjäl^Ite, babei fterben unb biefe ^au^^ 
frauentat un^ rül^mlid^ l^interlaffen motten. ®ut gemeint; 
id^ l^offe, pe lebt meiter. an Äorrefponbenj il^rerfeit^ mar 
natürlid^ all' bieS^it über nid^t red^t ju benfen; 

„@3 i)ai, totx 6d§ottIanb bänbtgen toiUf 

3um ^ilfictn toenig S^it-*- 

(@tta4tvi|, 2)ag ^eta t)on 2)ouglag.) 

unb aud^ 'iefet nod^, mo be« Äriege^ ©türme fd^meigen, 
ift il^r menig fd^reibeluftig ju ©inn, megl^alb id^ e^iüber- 



1892. 273 

nommen ^abc, mit bicfen 3^^^^ f^^ P^ einjufptingen. 
©obalb fie toieber letblid^ imftanbc ifi, fd^reibt fte SDir 
fclber einen längeren SBrief. 3n ber SJUtte be^ SKonatö 
gel^t fie l^offentlid^ nad^ SBIafetoit unb läfet jtd^ abpflegen ; 
ba§ biJBd^en Klagen unb Unfen wirb fo nebenl^er mit aU 
gemad^t unb i)at nid^t oiel ju bebeuten. 2Kitte Dftober 
brol^t bann bie ^od^jeit, vox ber id^ einen ©rauel l^abe, 
afe märe id^ felber jum heiraten verurteilt. 

©mpfiel^I mid^ allerfeit^. SEBie immer SDein alter 

$apa. 



$nt^t m ^n lilm 1892-1891 

@ine {^to^ere Stxanffitii, bie gfontane im f^Tül^ial^t 1892 befallen 
l^atte unb bie il^n lAnger aU t)tet Monate in fetner @ommerfrifd§e 
fefl l^telt, l^atte il^n geatpungen, fämtUd^e t)on il^m in Angriff gc 
nommenen arbeiten autücfaulegen. @tatt il^ver begann et bei feinet 
9lü(ffel^t nad^ SSetItn ein neued SBetf, bie ^ufaetd^nung feinet 
itinbl^it^ettnnetungen, baS im folgenben Salute t)oEenbet toutbe 
unb unter bem Xitel »SReine Ainberial^te' erfd^ien. 3n ben 
Saluten 1893 unb 1894 gelangten fobann ,r€ff i »tieft* unb ,,S)ie 
$oggen:pul^U'' (aunäd^ft abgebtutft in ber „2)eutfd^en Shtnbfd^au" 
unb iffQom Seid aunt Tlttt") aum Slbfd^lu^. ilura t)or SSoQenbung 
feines 75. Sebendjal^eS tourbe ?fontane bie gfreube auteil, t)on ber 
^l^ilofo:pl^ifd^en gfatult&t ber berliner Unitoerfttdt anm @^renbo!tor 
ernannt au to^erben. 

332) »er I in, b. 26. SKärj 1892. 

aWeine Hebe SKete. 
©eit l^eute finb mir mieber aujser SBett, aber nur 
auf ©tunben. @^ l^at un§ fel^r mitgenommen, befonber^ 
mid^; ^ama mar ein paar 2:age lang elenber, nur 
56 ^ufefd^Iäge; id^ aber l^atte bafür bo^Jpejififd^ SnPuenj:: 
lid^e : ben f d^auberooHen ®ef d^madf, ben ^elj, ben 2)egout 

X^, Bfotitaned JBriefe an feine f^amUie. II. 18 



274 Str* fioxAcmt» iBriefje an ftttte JfeaaMt. 

uttb bie tief beprimterte ©timmung t)iel ftärfer. aWit left^ 
terer fann id^ aud^ l^eute nod^ aufmarten, aud^ t)on Slppetit 
unb SRefonralc^jCtttengefül^I ift feine SRebe. „2Bag foff ber 
Unfitin?" In hoc signo ftegt e§ fid^ fd^fed^t, eg reid^t faum 
avi§ jum Seben. 

inmitten meiner Äranfl^eit bin id^ bag ^ntereffe für 
bie 5ßoIitif nid^t lo^ geworben. 3lllerbing§ würbe einem 
gerabe in ben 2^agen ein guter SBiffen bavon t)orgefe|t. 
(Sin fonferoatiüe^ SBIatt i)at bie Situation bal^in gejeid^net: 
„ba^ ift feine Srifi^ in unferm politifd^en unb ftaatlid^en 
Seben, fonbem eine Äataftropl^e. „3d^ l^alte bieg für 
tid^tig. ^ma unb ber 18. aJlarj finb gar nid^t§ bagegen, 
beibe maren 'ma^ äu^erlid^e«; felbft afe griebrid^ SEBil- 
l^elm IV. oor ben aWorjgefattenen ben ^elm abnal^m, mar 
e§ nid^t fo fd^Iimm, meil er einem 3^ö^8^ nad^gab. ^ier 
aber l^aben mir bie ^inopferung, bag ^affenlaffen atter* 
treuefter, menn oielleid^t aud^ im Qrrtum befangener 
aWänner, bie oor ad^t Xagen nod^ bie SReifter ber Situation, 
unb bie gerabe oom Xl^ron l^er bie ©efeiertften maren. 
3u 3^i>Kfe f^^tt ber Äaifer in ber entfd^eibenben Äronrat^* 
fifeung, nad^bem feiner mit ber ©prad^e l^erau^rüden 
mottte, fd^Iie^Iid^ gefagt l^aben: ,,3^i>Kfe/ i>^^ ©d^meinerei 
mu^ ein ©nbe nel^men". ^d^ l^alte biefe SBenbung für 
fel^r mol^I möglid^. S)ag einjig ©rfreulid^e ift, bafe bie 
Haltung be§ preufeifd^en SRinifterium^ in einer 
ä;rt ftitter Dppofition gegen 3^i>Kfe ^^^ ßaprioi ben ^n^^ 
fd^Iag gegeben ju l^aben fd^eint. ©o lange in ben oberften 
Sel^örben ber altpreufeifd^e liberale ®eift lebt unb fid^ 
nid^t bange mad^en läfet, fo lange ift feine Oefal^r. S)ag 
famo§ ©Ute, ba§ barin liegt, muJB ba« %\xx^tiax^ be§ 
ber 3lutoritat angetanen Srad^^ balancieren. 

SSor unferer ©rfranfung maren mir auf bem ©erid^t, 
um unfer 2^eftament ju beponieren. S5ie betr. ©erid^ti^- 



1892. 275 

abteilung i)at iS)xtn ©tfe im alten Äabettenforp^ in ber 
9ieuen grlcbrid^ftraJBe. 2)a faßen wix gute anbertl^alb 
©tunben in einer gelb gejirid^enen ©tube, voo nod^ allerg 
nad^ alter 3^it itnb ed^t preu^ifd^er SRuppigfeit fd^medfte. 
SSielleid^t ift e§ red^t gut fo ; aUeg mad^t einen merftoürbig 
unbefiod^enen ©inbrudf, bei mel^r ©d^u)inbel mttfete not- 
wenbig aUeg t)iel anfifinbiger au^fel^n. S)ie Snfjenierung 
unfrer SRed^t^fpred^erei l^at ttroa^ ^ßroletarierl^afte«. 

^^^ ^^"^^^ 2)ein alter gJapa. 



333) 3 i 1 1 e r t ^ a l im SRiefengebirge, b. 11. auguft 1892. 
SRein lieber griebel. 
ßben l^abe id^ einen Keinen SBrief an %f)to gefd^rieben 
unb il^m l^erjlid^e ©rüfee an S)id^ aufgetragen; SRama 
unb aJiete fagen aber: „f^ 9^^t ba^ nid^t, fc^idfe il^m 
S)eine ©rüfee bireft", unb ba^ rniH id^ tun in biefen 
Seilen, benn S)u bift, mäl^renb biefer ganjen unglüdflid^en 
3eit, fel^r aufmerffamen unb guten ^erjeniS gemefen. 
^eber SBrief üerriet, bafe er in ber befonberen Slbfid^t 
gefd^rieben mar, mir eine greube ju mad^en burd^ bie 
eine ober anbre freunblid^e aWitteilung. ©o bie Slu^^ 
fd^nitte au§ ben franjöftfc^en 3^ttungen. 3iod^ oor ein 
paar Qal^ren l^ätte mid^ ba« aUeg entjüdft unb erl^oben, 
jefet fommt eg ju fpät; aber e^ ift bod^ mit unb l^übfd^, 
bafe 2)u'g mir fd^idfft, in ber ®rmartung ober aud^ blofe 
in ber SRöglid^feit, mir eine greube bamit ju fd^affen. 
„5Petöfp" foll alfo möglid^ermeife überfefet werben, mir 
fel^r lieb unb red^t; id^ glaube aber, baJB J. 33. '„Duitt" 
(fd^on megen ber gelungenen ^gur be§ S'^ermite) beffer 
jur Überfefeung geeignet märe. Slufeerbem ift bie ©d^il^^ 
berung ber fd^lefifd^en ©ebirg^melt eigenartig unb fönnte 
mol^l franjöfifd^e Sefer intereffieren. SSielleid^t läJBt S)u 

18* 



276 Stf. JfonUmt» £v\tft an fttnt JfamWlt. 

ein aSBort in biefem ©üine faHen. SUlid^ pcrfönlid^ mit 
ben betr. Ferren in SSerbinbung ju fe|en, baju feilten 
mir nod^ immer bie Kräfte. Unb fte merben aud^ wol^I 
nid^t mieberfommen. S)ie 2)ecabence ift ha. 3)abei fällt mir 
aud^ nod^ Staxl ©mil gr an jo« unb fein 33ud^ ein. 2)ag 
SBüd^eld^en ift fel^r intereffant unb üerbient allfeitig gelefen 
JU merben; aber il^m fd^reiben, ba^ id^ mid^ auf Jioüetten 
unb ©rjäl^Iungen nid^t mel^r einlaffen fonn — ba§ bitte 
id^ S5id^ S5einerfeitg ju übemel^men. ^d^ l^abe ja nod^ 
arbeiten liegen, fogar, nad^ bem aWafee meiner Äraft, 
ganj gute; aber fte finb total unfertig in ber ^orm, unb 
aWete miH fid^ attmäl^Iid^ ber aRül^e unterjiel^n, Älarl^eit, 
Drbnung, äbrunbung l^ineinjubringen. aWöd^te il^r ba§ 
gelingen. 2)a^ mürbe atte§ in allem 12000 SRarf be^ 
beuten, bie nid^t ju oerad^ten finb, um fo weniger, afe 
mein Sranffein fo oiel ®elb foftet aWifeglüdft e§', nun 
fo mufe e§ aud^ fo gel^n, aber bie armen ^auen (3Kama 
unb aWete) tun mir leib; benn ein ©parpfennig ift balb 
aufgejel^rt. 

2B^^ ^^^^^ ©ein alter ^iapa. 

334) Sillertl^al im SRiefengebirge, SSitta ©ottfd^alf, 
b. 24. 3luguft 1892. 

3Keine liebe SÄete. 
^eute oormittag fam ©eine 33leiftiftfarte, bie un^ 
berul^igte, menn man eine „^d^anhtx^a^t SReife" eine 
33erul^igung nennen fann. 3^^^ 2^affen Äaffee unb 
©epefeborf unb bag oerel^rte unb geliebte §au§ SSeit in 
©id^t forgen aber für ein ©egengemid^t. 3Köd^tefit S5u 
S)id^ balb oon ben unerl^örten ©trapajen in 3iff^rtl^öl 
erl^olen; S)u l^aft e^ 3)ir burd^ 2)apferfeit oerbient. SBie 
mufet S)u 3)id^ nad^ l^eitern ©inbrüdCen fernen? ^ier gel^t 



1892. 277 

aUeg im alten Oleife toeiter, eine merhoürbige fjorm von 
2^Un; bie ^ifte läfet nid^t nad^. S5te 2ßte, refolut n>ie 
immer unb mir ein SBorbilb. 21 nna*) frifd^ unb munter 
auf bem 5ßoften. aWäg' eg fo bleiben, b. i). Stnnag fjrifd^e 
unb aJhtnterfeit; fonfl ifi üieleg l^ier fel^r befferung^s 
bebürftig, mie feiner beffer meife aU 2)u. aWaj SRorbau 
l^at mir fagen laffen: er mürbe mid^ bur(5 ©infprifeungen 
33romn=©eguarbf(^er glüffigfeit ju l^eilen fud^en. @r fügt 
aud^ l^inju, worauf biefe glüffigfeit gemacht mirb, unb 
babei ift mir mieber etmag unl^eimlid^ gemorben. SSiele^ 
ift bod^ iefet ju fünftlid^. 

Xaufenb ©rüfee bem ganzen SSeit-^aufe. SJBie immer 
3)ein alter gj^p^^ 



335) Siliert^ al im SRiefengebirge, b. 1- ©ept. 1892. 
SÄeine liebe SÄete. 
2)a märe nun ber September! SSJenn er ju @nbe 
ift, ftfeen mir nid^t mel^r l^ier, fonbem in SBerlin, auf ba^ 
id^ mid^ nid^t freuen fann. 3)ie SRul^e l^ier, fo üiel ^arte^ 
mit unterläuft, l^at bod^ il^ren SBert unb SReij. ©efiem 
abenb fam SRegen mit ©emitter in ber %tvm; mir fd^Iiefen 
üerl^ältni^mä^ig gut, nur t)on 4 Ul^r an quälen einen bie 
fliegen. SBir finb ^od^erfceut, bafe eg anfängt, förperlid^ 
beffer mit 2)ir ju gel^n; liebeüoffe SBorte unb 3Rufif 
merben aud^ ber ©eele aufl^elfen. aBunberüoII ift ber 
5ßlan einer SESagenfal^rt nad^ SJBamemünbe; mit Keinen 
SRafien in Keinen ©täbten, mo man gut oerpfCegt mirb, 
fann ba^ eine redete ®rfrifd^ung merben, felbft an einem 



*) tlnna Sfifd^er aus (SunetSboYf Bei ^trfd^Betg, feit 1890 
bis nad^ gfontaneS %s>ht im 2)ien1le ber gfamtUe, l^atte to^äl^renb bet 
Stxanltjtii gfontaneS befonbetS ftd^ httoäijti. 



278 Str. Jrmdcmn iSritfe an \t^ JratMt. 

l^el^en SJagc. Unb jule^t bic gute XanU SBitte, bic 
fo mel Siebe f)at unb für allei^ ein 3ntereffe miU 
bringt. 

ioier gel^t alleg im alten Oleife weiter, ©d^wer finb 
bie ©tunben oom jweiten grül^ftüd big juni Siad^mittag^^^ 
foffee; id^ bin bann immer fo furd^tbar mübe unb fal^re 
bod^ auf, menn mid^ bie 3)Wlbigfeit übermannen mill. 3Son 
4 Ul^r an mirb e^ bann beffer. aWama lieft mir mand^ei? 
üor: intereffante ©d^ilberungen Sinbau^ aug ämerifa unb 
9lui^jüge au§ einem SRiltfebud^, namentlid^ Urteile ©eneral 
aSerbpg über ben groJBen ©d^meiger. ©gentlid^ finb e^ 
Meine Säd^erlid^feiten, bie er erjäl^lt, aber fte fiel^en in 
fold^er SBeleud^tung, ba§ man ba§ ©d^ön^aWentd^lid^e baran 
bemunbert unb ber ju geiembe nid^tg üon ber ®röfee 
einbüßt; im ©egenteil. 

^inftd^tlid^ ber ßl^olera lefen mir aUeg, mag bie 
3eitung bringt. S)ie Hamburger, bie man überall jurüd^ 
meifi, mol^in fie aud^ fliel^en mögen, ftnb in einer furd^t^ 
baren Sage. Qd^ l^abe etmag Sl^nlid^eg von 5ßanif, von in 
ben 33ann tun einer ganjen 33et)ölferung faum erlebt. a)ie 
^Berliner, bie fid^ fo fel^r beglüdfmünfd^en unb 'mal mieber 
aUeg t)ortrefflid^ finben, mögen für il^ren S)ünfel nid^t 
beftraft werben. aWietgfafemen, SeHerlöd^er, ^ängeböben, 
©d^lafburfd^eninfWtut, aUeg überfüllt, Sanalluft, ©d^nopg, 
fül^le aSei^e unb SBubifermurft — ba fann eg jeben 
Stugenblidf aud^ l^ereinbred^en. bleiben mir l^ier nod^ 
langer — üorläufig beoba^ten mir bie ©ituation — , fo 
fommft 2)u natürlid^ mieber l^er; mir merben 2)id^ bod^ 
nid^t attein in ber unmirtlid^en SBo^nung laffen, bie fd^on 
in normalen 2^agen, mie id^ jeftt ftarf empfinbe, oiel ju 
münfd^en übrig IfiJBt. 

grieblänber, ber infolge Urlaub« feine« Äollegen 



1892. 279 

jefet t)icl ju tun l^at, fommt trofebem taglid^ unb ift utuS 
imnter eine ^eube. 

Xaufenb ©tüfee. SBfe immer 2)ein alter aj^p^, 

336) Billert^al im SRiefengebirge, b. 30. ©ept. 1892. 
SÄeln lieber griebel. 

@§ ift mieber ein l^eiJBer, f d^müler Xag ; id^ miff 2)ir 
aber bod^ fd^reiben unb 3)ir banfen für 3)einen S3rief unb 
feine anlagen. SDafe S5u von ^txmx) Xreibel einen fo 
guten 3lbfafe ermarteft, freut mid^, aber 2)u bift in biefen 
SDingen Dptimift. SWegefi SDu rec^t bel^alten. 3)ie SBitte^ 
SBrofd^üre werbe id^ nid^t lefen fönnen, mag S5u nid^t 
übel nel^men barfft; id^ merbe mit bem, mag id^ nod^ fann, 
beftänbig übertapert. @§ ftrengt mid^ an, jemanbem fünf 
SJiinuten jujul^ören, aud^ rotnn bag, roa^ er fagt, an^ 
genel^m unb intereffant ift. ^d^ bin fel^r l^erunter. 

aSor 33erlin graule id^ mid^: bie niebrigen ©tuben, 
bie Suft, ber Särm. ©d^on l^ier fd^lafe id^ nur brei 
©tunben — menn bie ^unbe blaffen, feine l^albe. 

3)ie ei^oleranad^rid^ten verfolgen mir natttrlid^ eifrig. 
SBerlin üerfäHt in feinen alten gel^ler: „bei ung ifi alle§ 
gut". 3)a§ barf bei fold^en ©elegenl^eiten nie gefagt 
merben. Unb mo in ber SBelt ifi alleg gut? SDaJB 2)u 
üiel, fel^r üiel ju tun l^aft, ift oielleid^t red^t gut; e^ lenft 
bie Oebanfen in gefunbe Salinen, wa^ immer ein Seil ift. 
Seiber gebe id^ gute Seigren unb befolge fte felber nid^t, 
brüte JU üiel, aber bag bringt meine Sranfl^eit, bie bod^ 
nun 'mal ba ift, fo mit fid^. 

2)ir gute ©efunbl^eit, f^reubigfeit unb gute ©efd^fifte 
münfd^enb. 

SBie immer 2)ein alter ajapa. 



280 tr^. JfovAann £x\tft an fünt iFamilie. 

337) »erlitt, b. 9. 3uH 1893. 

SReitte liebe SKete. 
3d^ toill bod^ aud^ 'mal eitt 2Bott von mir I^Srett 
laffett, trofebem 9Jiama fleißig fd^reibt. ^d^ lege S)ir l^eute 
eitt alte§, von bem feitterjeit gefeiertett Dr. Sarej l^er^ 
rül^rettbeg SRejept bei, von bem id^ üiel l^alte, meil e^ alt 
ift. 3d^ merbe immer mel^r itt ber Slttfd^auuttg befiorft, 
bafe wir üiel ju fel^r mit bem Slltett aufrfiumett uttb bie 
SJBeigl^eit uttb ©rfal^ruttg jurüdfliegettber 3^itett ttid^t gettug 
mürbigett. 3)a friegte id^ l^eute, beim Äramett, gattj von 
uttgefäl^r eitt f kittet S3ud^ itt bie ^attb: „Ärieg^tagebud^ 
be^ ®etteralquartiermeifter§ v. Sarfemifd^" ; id^ la§ eitt 
Kapitel, ba§ bie ©d^lad^t bei Seutl^ett befd^reibt, itt ber er, 
16 lästig, afe „Quttfer" auf bett SJob üermuttbet n)irb, 
©d^ufe burd^ bett §afe, jtt)ifd^ett ©urgel uttb Slorta. 2)ie 
Äugel, bie im ©d^ulterblatt (alfo ©d^rägfd^u^) fiedfett 
bleibt, mirb il^m am attbertt 2^age ttad^ ftebettmaligem 
aSerfud^ mit eittem ftumpfett ^ebermeffer au^ bem ©d^ulter^^ 
blatt l^erau^gefd^ttittett. ®^ mar aUe^ auf bett 3:i)b ; aber 
fd^ott ttad^ jmei SRottatett mar er mieber im S5iettft. 90leg 
^eroifd^. 2)abei — uub be^l^alb erjal^le id^ e§ l^ier — 
mar ber, ber bie Äugel mit bem ftumpfeu gebermeffer 
l^erau^fd^ttipperte, feitte^megg eitt ©tümper, fottbeni beittal^e 
eitt ©ettie. 3)erfelbe mar eitt im Saufe ber ©d^lad^t ge^ 
faugett gettommetter uub babei feitte^ äi^tlid^ett Seftedfg 
beraubter öfterreid^ifd^er SRegimeut^d^irurgug, ber — eiu 
SJBallotte uub itt eittem mallottifd^ett SRegimettte biettettb — 
feitt SBort beutfd^ fptad^, aber ftd^ iu Spott glättjettbe 
d^irurgifd^e Äeutttttiffe uub, metttt er pe ttid^t fd^ott t)Ott 
3?atur ^atte, feiue gormett uub l^umaue, ooniel^me ©e^ 
fittttuttg ermorbett l^atte. 3)iefer ©l^irurg aug feiublid^em 
Sager rettete itt ad^t Xagett (batttt mürbe er au^gemed^felt) 
ttid^t bloJB meittett greuub Sarfemifd^, foubent aud^ uod^ 



1893. 281 

t)ier anbete fd^Toert)ent)unbete Dffijiere, bie in bemfelben 
fleinen Quartier lagen, unb gab il^nen — roa^ eigentlid^ 
bie 3tettung bebeutete — aud^ nod^ SSerJ^altung^ma^regeln 
für bie näd^ftfommenben SSJod^en. Stile« Derriet bie l^öd^fte 
©ad^fenntni«, baju 33rat)l^eit, igerjenggüte, SRobleffe. sba^ 
ift nun 140 Qal^r l^er, id^ glaube nid^t, baJB man eg jeftt 
beffer mad^t; nur u)id^tigtuerifd^er unb l^od^mütiger ift 
atte« geworben. 2)er SBürger fpielte bamafe freilid^ eine 
traurige, fd^ufterl^afte SRoHe, unb nad^ einer burd^ äboofaten 
ju oerteibigenben greil^eit barf man nid^t fud^en. S^roftbem 
roax e« eine grofee S^xt Äönig, SKbel unb 33auer be^ 
forgten alle«; ber 33ürger fel^lte, aber aud^ — ber 
Sourgeoi«. 

3n ber 2lu«ftellung ber „ganj freien" l^at ein SBilb 
von einer fremben S)ame, @Ife ©l^eniin, einen großen 
ßinbrudf auf mid^ gemad^t, troftbem id^ e« oerwerfen muß. 
@« nennt fid^ „©tittleben", befielet aber nid^t au« ©d^weijer:: 
f äfe, Äürbi« unb ©l^errpgla«, fonbem an^ Ärujifij, Sird^en^ 
lid^t, SBibel, ©ebetbüd^em unb einem S^otenfopf. SKbermie? 
2)a« Ärujifij ift einfad^ ein Ärujifij, bie SBibel ift menigften« 
200 ^df)x alt, ba« Sird^enlic^t ift ganj niebergebrannt 
unb oerfd^melt, nur thtn nod^ mit Dualm unb fd^marjer 
©d^nuppe, mäl^renb ber 2^otenfopf, ein oerfd^obene« 
türfifd^e« ^ej auf bem ©d^äbel, ben SBefd^auer oergnüglid^ 
anlad^t. ©« ift in feiner Strt fel^r geiftreid^, fel^r mifeig 
(fd^on bie Sejeid^nung „©tillleben") unb baju oorjüglid^ 
gemalt, unbebingt ba« befte 33ilb ber 2lu«ftettung, jugleid^ 
bo« fül^nfte. aber bie ®e[d^id^te von „be bold** mit ber 
plöfelid^en ©infd^ränfung „but not too bold" — fie pa§t 
aud^ l^ierl^er. — 3)eftomel^r l^abe id^ mid^ an bem 
5ßanorama oon 9iejont)itte erfreut, von ben 3Kalem 
SReuüitte unb 2)etaiIIe. ©omie fid^'« um Äunft l^anbelt, 
fd^rumpfen mir jufammen; felbft in ©meuten unb 



282 VOf. Jrontimtn IMtft an reine iimiilfe. 

im aSarrifabenbauen l^abcn bie ^anjofen ratfyc'ß^id. ein 
Olücf, ba& fte fo leid^tftimig, fo gelbgierig unb fo Knbifd^ 
ftnb — wir tDoren fonfl immer oerloren. 

^ama fängt an ftd^ )u langmeilen^ oud^ mit Siedet 
aber mo foll id& ii^ SÄenfd^en l^erfd^offen? ©o au^ »er^ 
legen^eit auf ©ud^e gelten, räd^t fidj immer. SBenn mir 
nur in Äartebab ein paar erträglid^e 9Renfd^en fonben? 
Sted^te^ ^u) ^abe id^ nid^t. 

3a, mit SRobenberg! 3d^ fann ba nid^t^ tun- 
an meiner io^Itung Hegt t^ nid^t 3d^ l^abe immer gerabe 
fo t)iel (Sourage mie »uflanbig ; bie Serl^ältniffe l^aben mir 
jeberjeit eine 33efd^eibenl^eit^roIIe aufgejmungen — „ad^, e« 
mar nid^t meine SBal^r'. ©eine »ebenfen, bie ©ad^e in 
aller au^fül^rlid^f eit ju geben, ftnb mal^d^einlid^ bered^tigt *). 
Unb bod^ fann id^ e§ nid^t bebauem unb bebaure ei8 nid^t, 
ba§ id^ e« fo gemad^t l^abe, mie'« ba Hegt ©rfi mollte 
man von ben Stu^füi^rHd^feiten in „SSor bem ©türm" 
nid^t^ miffen, jcfet l^öre id^ nurinod^: „®erabe fo, fo mar*? 
rid^tig." SBer feinen eignen SBeg gel^t, begegnet immer 
aSiberfprud^ ; bie ©d^ablone giH. Stber man mu& ei8 eben 
ri^fieren. SBer nid^t magt, gewinnt nid^t. SSielleid^t mirb 
e§ aud^ al^ 83ud^ nur fel^r mäßiger Slnerfennung begegnen, 
bennod^ mu^te e« fo fein. 6^ gibt, babei bleibe id^, bod^ 
menigfteng einen gingerjeig, mie man bie ©ad^e anjufaffen 
l^at. S)aig Operieren mit ©röfeen unb ftd^ felber babei 
ate Heine Oröfee im 3luge l^aben, immer Äunfl, immer 
Siteratur, immer ein ^ßrofeffor, immer eine SSerül^mtl^eit 
— bag äffe« ift oom Übel. 



*) (S3 l^anbelte ftd^ um ben $lbbm(f t)on „JRtxnt Ainbet* 
lallte' in bet „2)eutfd^en ^lunbfd^au". (Sine ^ntgung a^if^en 
bent SBevfaffet unb htm ^eraudgebet bet 3^itf4rift tarn nid^t 
auftanbe. 



1893. 283 

@nipfiel^l mid^ ben 2)atnett unb benen, bie ii)mn ju^ 
getan unb unterworfen finb. SBie immer 3)etn alter 

$apa. 

338) Sarl^bab, b. 17. äuguft 1893. 

©ilbeme ftanne. 
aWeine Hebe aWete. 
338ir fifeen nun bod^ in ber „©ilbemen Äanne", nad^^ 
bem fünf SRinuten lang aud^ bie „Slmfel" mieber in grage 
gefommen mar. ©in S)oppelgefpräd^ mit ber Stmfel^^aBirtin, 
^au aWarie ©d^mibt, leitete bie« alle« ein. ^au SWarie 
©d^mibt ift 60, Kein, bummlig, unb l^at einen ©eiten^^ 
fropf, b. H). er l^ängt nid^t Aber bie 33rufi, fonbent mel^r 
über bie linfe ©d^ulter. ©I^arafter bementfpred^enb, alfo 
^umoriflifd^. ^^ fagte: „grau ®. I^at un« empfohlen — 
t)ielleid^t erinnern ©ie fid^ il^rer?" „Sld^, grau ®., gemife, 
eine d^armante S)ame." SWittlermeile mar aud^ SKama 
au« ber ©rofd^fe geftiegen. 3)iefe fül^rte nun frifd^e 
Gruppen in« ©efed^t unb fagte: ,,^err 33. I^at un« an 
©ie empfol^len; üielleid^t erinnern ©ie fid^ feiner." „2ld^, 
^err 33., gemife, ein fel^r d^armanter ^err." ©o finb bie 
beutfd^en ©tämme üerfd^ieben. ©in 33erliner l^ätte ge== 
antwortet : ,,33.? 33. fenn' id& nid^t.'' äl« ed^te 33efannt:^ 
fd^aft fteHte fid^ aber ein anbrer greunb unfre« ^aufe« 
^erau«, menn aud^ nur greunb auf bem ^ül^neraugen^ 
mege. 6« lagen, al« mir au«gepadft l^atten, brei Heine 
5ßennale auf bem Xifd^, alle mit ber ^nfd^rift: „^ü^ner^^ 
augenpPafter ; 33ellmann , 33ellet)ue ^ Slpotl^ef e. " SDa« 
aWäbd^en, aud^ Slnna, la« „33ellmann" unb fagte: „2ld^, 
Öerr 33ellmann, ber l^at im üorigen 3al^re l^ier gemol^nt." 
„©0, fo," fagte SRama, „ein freunblid^er, jübifd^er $err?'' 
„äBol^l möglid^," mar bie Slntmort, „aber Id^ l^abe nid^t« 
bemerft." 



284 S^. £ordme% iBriefe an fs^z JfaxsdilB. 

SBir famen fel^r ermübet l^ier an, tnad^ten ober bod^ 
nod^ einen großen ©pajtergang, an bem 6af6 ^ßupp üor^ 
über, weld^en 9iamen grau ©d^ntibt (übrigenjg nid^t ju 
feinem SSorteil) n)eid^ au^fprid^t. Qd^ werbe biefe Sorreft^ 
l^eit benn aud^ nid^t mitmad^en. 5pupp ift übrigen^ nid^t 
ein oome^mer Saffeegarten, fonbem ein S)ing wie ber 
2:uileriengarten, barau^ ein in gotifd^er SRenaiffance ge^ 
^altene^ SRiefenfd^lofe afe „@ranb ^otel ^ßupp" aufragt; 
brum l^erum ^erraffen, SSeranben, ©arten — aUeg mit 
S^ifd^en, an benen getafelt unb getrunfen mirb, überbedft. 
3n taufenb Sid^tem ftral^Ienb, mirfte e§ am äbenb feen^ 
l^aft ober bod^ orientalifd^, meldte SBirfung burd^ ben 
©tamme^d^arafter feiner ®äfte g^fteigert mürbe, ^d^ l^ätte 
nie geglaubt, bafe t^ fo t)iel ^^raeliten in ber SBelt über^ 
l^aupt gibt, mie l^ier auf einem Tümpel üerfammelt ftnb. 
Unb babei foH e§ in igering^borf nod^ mel^r geben! 
„SRid^t ju benfen gebadet ju werben", l^iefe e^ frül^er im 
Älabberabatfd^. ^d^ l^alte fo üiel von ben 3uben unb 
meife, xoa§ mir il^nen fd^ulben, mobei id^ ba^ (Selb nod^ 
nid^t 'mal in SRed^nung ftelle. SKber roa^ ju toll ift, ift 
JU toH; eg l^at etma^ — aud^ oom Subenftanbpunft au^ 
angefel^en — gerabeju Sngftlid^e^. „3)er Ort ift mirflid^ 
eine ©el^en^mürbigfeit unb märe ©toff für einen ©ffa^; 
ein fold^er, b. i). ein ©tmag, ba^ ha^ SBBefen biefer merf^ 
mürbigen SBelt^Saftl^au^ftabt jufammenfa^t, ift mol^l nod^ 
nid^t gefd^rieben. S5ie ©ad^e felbft ift ba^ funfteott ®i^ 
morbene mel^erer 3al^rl^unberte. 

ioeute nad^mittag motten mir jum Sti^t. SBie immer 
Sein alter ^^^^ 



1893. 285 

339) StaxUbab, b. 21. Sluguft 1893. 

3Keine liebe 3Kete. 

©0 ftill wir l^ier leben, fo fel^It e^ boä) nid^t an 
©d^reibejloff ; nur bie fjlügel finb fd^Iaff unb wollen einen 
glug nid^t red^t wagen. 3Rama ifl ganj abattue, unb id^ 
bin mübe, roa^ nid^t ju Derwunbem ift; um 4 Ul^r melbet 
fid^ ber über mir mol^nenbe ^rampler, bann ift e^ mit 
bem ©d^Iaf »orbei, unb bem Srunnenfpajiergang von 7 
bis 9 Ul^r fällt bie fd^mere 3lufgabe ju, ben »erfäumten 
©d^Iaf ju erfe^en. S)aS leiftet er benn natürlid^ l^erjlid^ 
fd^Ied^t. — Übermorgen abenb ift eine SEBod^e um, maS 
mid^ mit ftiHer greube erfüllt. SEBir l^aben jmar ®runb, 
mit allem fel^r jufrieben ju fein, finb eS aud^, aber bie 
©infamfeit ift gro^ unb ftempelt baS ®anje bod^ ju einem 
jmeifell^aften SBergnügen. fiiefl man bie Sabelifte burd^, 
fo finbet man, bafe bis auf 3lufh:alien, Uruguay, 33uenoS 
aiireS unb Äapftabt alle fiänber unb Stationen l^ier rer- 
treten finb ; bei naiverer Unterfud^ung (glüdflid^ermeife nur 
ber Flamen) finbet man aber freilid^, bafe fie alle gleid^^^ 
mäfeig auS Qerufalem ftammen unb fid^ God save the 
Queen unb Yankee-doodle nur norfpielen laffen, um auf 
biefe aSeife frembe Slationalität ju l^eud^eln. S)ie Quben 
fönnen frol^ fein, bafe Seute wie Sll^Imarbt unb ^ßaafd^e 
ben SlntifemitiSmuS in bie ißanb genommen l^aben; bie 
eigentlid^en antifemitifd^enl^ßrebiger finb fie felbft. S)ie 
5pi^rafe oom „unterbrüdften Solf" epftiert immer nod^; 
babei laffen fie aber alle SBelt nad^ il^rer ^Pfeife tanjen, 
unb felbft bie Äaftans^Quben mit ber ^ängelodfe, bie l^ier 
aSeg unb ©tcg unfid^er mad^en, tragen etmaS non Xxoii 
unb Übermut jur ©d^au. ©ie finb aud^ bered^tigt baju. 

Unfer ^ag oerifiuft wie folgt: um 6V2 Ul^r auf, 
um 7^/2 an ben ^l^erefienbrunnen, non 7*/2 bis 9 Ul^r 
Spaziergang bis jum „5poftl^of", baS ^epeltal l^inauf unb 



286 0%. Jrontmn iSriefe an fetne JravMt. 

auf bem Heimwege ©ebarfeinfauf bei S)omettta) SRannl, 
©d^toeijerbader, ron bcffen „SEBeltrul^m" bie Äatfebaber 
mit ©tolj fpred^en. Unb mit SRed^t. SEBog jtnb ©torm 
ober ^epfe neben aßannl! S)er ift ein onbte^ aßannl. 
aSon 9 bi« 9V2 U^r ^^jiüdE. S)ann fd^Iäft ftd^ aRama 
riertelflunbenmeife burd^ ben aSormittag butd^, mäl^tenb 
id^ 33rugf d^ obey 5pietf d^ ober Slme ©atborgS ©(^ilberungen 
au^ „Äolbotten" lefe. S)ann S^oilette, b. f). bei aßama; 
bag alte ©pi^enfleib mirb angejogen, bei mir mirb ein 
neuer ^embfragen umgebunben. ißanbfd^uJ^jwang für bie 
aßännermelt ejiftiert nid^t. S)ann folgt ba^ S)iner: l^albe^ 
SRebl^ul^n, l^interl^er eine 3Jiel^lfpeife unb ein ®la^ pifener. 
aSon 2 bi^ 4 Ul^r ©tiffp^en in unferer SEBol^nung unb 
ßrJrterung ber lieben alten ^agen: „SEBirb e^ fd^mttl 
bleiben, ober mirb e^ regnen, ober mirb ein ©emitter 
lommen, ober wirb e^ blofe metterleud^ten?" SRad^ enblid^er 
geftftellung , bafe baS eine fo gut möglid^ fei mie ba^ 
anbere, gel^t eS um 4 Ul^r ju 5pupp, um Äaffee bejU). SÄild^ 
ober aud^ blo^ ©ieSl^übler ju trinfen. S)ie Äettnerinnen 
lofettieren (freilid^ nid^t mir mir), bie Dblatenmäbd^en, 
Sälge oon je^n ober jmölf Qal^ren, überbieten nod^ bie 
Äettnerinnen, unb oon fern l^er ober aud^ im Sofal felbft, 
l^ört man SDlufif, benn ol^ne biefe gel^t e^ l^ier nid^t. S)ie 
©effion bei 5pupp bauert bis 6 Ul^r. i)ann mieber ©pajier^ 
gang bis jum „5Poftl^of", auf bem ißeimwege ©d^inlem 
einfauf bei „griebel" (unferm münfd^te id^ bieS ©efd^äft, 
eine malere ©olbgrube), gegen ad^t Ul^r 3lbenbbrot unb 
um neun Ul^r in bie Älappe. SiSl^er ging baS atteS ganj 
leiblid^; aber baS aSergnügen ebbt bod^ fd^on unb id^ fel^e 
ben ^ag fel^r nal^e, mo ber „5poftl^of", mo 3Rannl unb 
wo felbft 5pupp il^re S^^^^^ oerloren l^aben werben. 
„Unter Saroen bie einjig fül^Ienbe a3ruft," — felbft oon 
biefem aWinimalfa^ ift l^ier nid^t ju fpred^en; benn aud^ 



1893. 287 

biefe eine Stuft fel^It. SBorin ftd^ ttbrigeni^ eine Ironie 
be« ©d^idfafe aui^fprid^t, benn wenn e^ anberfeitö etwa^ 
gibt, ba§ f)m maffenl^aft auftritt, fo ift e^ Stuft afe 
fold^e. ©d^on nid^t mel^t fd^ön. 

SWit aWama gel^t e^ nid^t fel^t gut, fie wed^felt 
jwifd^en ©d^metjen unb Unbel^agen; wol^ttge SWomente nut 
„fpotabifd^", unt einiS il^tet gefäl^tUd^ften Siebling^wöttet 
ju gebtoud^en. Qd^ petfönlid^ fel^e abet in biefem 3^- 
ftanbe nid^t^ ©d^limme^; boiS SBtunnenttinfen, bo^ riele 
Selben unb ©teigen unb ftunbenlange „im gteien ©ifeen" 
mu^ einen alten Äörpet natütlid^ ganj auftütteln. ^jä) 
t)ctfpted^e mit von bet Äut nut ®ute^. 

Unb nun genug unb übetgenug. SEBie immet S)ein 



340) ÄatUbab, b. 22. Sluguft 1893. 

3ntxnt Hebe aWete. 

ißabt fd^önften S)anf füt @ute lieben »tiefe. 3Bag 
S)u, anläfelid^ bet l^eimgefel^tten ©tetnl^eimfd^en Äinbet, 
übet ben aittgemeinjuftanb bet „©ommetftifd^Iet" ge[agt 
l^aft, ift fel^t tid^tig. Q^met wie au^ bet ©ampagne. 
Site id^ au^ bet ©efangenfd^aft jutüdffel^tte, foll id^ qxo^^ 
attig gewitft l^aben — ganj t)etu)ilbett. 

aJHt aWama gel^t e^ nid^t gut; bie atme ^au mufe 
mitllid^ t)iel butd^mad^en. ©d^on rot btei ^agen fingen 
l^eftige ©d^metjen an, fie l^atte abet tul^ige ©tunben unb 
tonnte bod^ jeitmeilig fd^lafen. ©eftetn retfd^led^tette pd^ 
abet bie ©ituation, unb biefe ganje SRad^t l^at fie fein 
Sluge jugetan, fonnte aud^ t)ot ©d^metjen mebet fiften nod^ 
liegen, fonbetn matfd^iette auf unb ah wie in ©tutm^^ 
näd^ten. S)a^ ift l^att. ©d^on elenb unb l^etuntet'unb 
nun fein ©d^laf unb ftatt feinet „SBel^bage". ^n gelinbet 



288 Stj. Jrotdmn £v\zfz an ft^t i^amiiie. 

aScrjweiflung tnad^te fte fid^ ju bem S)oft(n: auf ben SBeg, 
bcr tl^r offen fagte: „et toiffe ttid^t, toa^ t^ fei." (SBa^ 
mtd^ für if)n einnimmt.) @x fe^te l^inju: „SSBit muffen 
abwarten, wa^ fid^ afe ©runb J^erau^ftellt, — e^ Wunen 
attgemetue Unterleib^ftörungen fein, SBorgäuge in bet ©alle, 
ueuralgifd^e ©d^merjen. Qa, baiS gtofee SBort 3f(J^iaS fiel. 
^(S) glaube nid^t^ uon attebem unb l^alte e^ für eine gro^e 
Srunneuttjirfung, bie pd^ burd^ jiemlid^ ftarle ©rfältung 
unb gleid^jeitige Überanftrengung fomplijiert l^at. Äranf 
ift fie; in biefem 3#ö^i>^ i^¥ P^ ftunbenlang {wa^ 
übrigen^ uorgefd^rieben) in ©tabt unb 5parf uml^er, unb 
wenn ba^ ®lüdE e^ fügt, fe^t fie fid^, mel^r ober weniger 
erl^i^t, weitere jwei ©tunben in^ g^eie unb lä§t pd^ ®a^ 
üotten unb ßjarba^ Dorfpielen. 3d^ fann baran leinen 
aSorwurf !nüpfen ; e^ ift ba^ bie gorm, wie alle l^ier leben, 
unb nid^t^ baron ift il^r ärjtlid^ verboten worben. S)ennod^, 
fo nel^me id^ an, l^at eS il^r vorläufig gefd^abet. Qn 
biefem SlugenblidEe ift fie m^ „Äurl^aug", in beffen Äellern 
bie aWoorbaber geleiftet werben, ©ie nimmt l^eute ba^ 
erfte. S)er S)oftor meint, unb wol^l mit SRed^t: „3Sa^ 
aud^ bie Urfad^e biefer ©törungen unb ©d^merjen fein 
möge, fold^' aWoorbab fann nur ®ute^ tun unb vor allem 
linbem." 3d^ ^offe, bafe fid^ baS erfüttt. 

3Äir gel^t e^ erträglid^, unb bringe id^ ba^ fabell^afte 
l^eifee SBetter in Slnfd^lag, fo fann id^ felbft fagen: gut. 
Slllerbing^ fel^lt mir meine SSerpftegung , unb oor allem 
3eltinger unb felbft ^Poujeauj, trofebem lefeterer neuerbingi^ 
im Äurl^auS getrunfen wirb. @^ gibt l^ier aud^ 3^Wnger, 
aber bie glafd^e loftet gerabe einen 2^aler, unb ba^ ift mir 
benn bod^ über ben ®i[>a^. S)a oergifte id^ mid^ lieber 
mit SKelnifer rul^ig nod^ eine SSBeile weiter; — ©ieSl^übler 
©auerbrunnen mu§ für alle ©d^äben auffommen. ®iei8^ 
l^übel gel^örte bis oor 20 ober 30 3fal^ren einem ©rafen. 



1893. 289 

rtelletd^t ®raf ©l^otedE , ber ba^ Duetttoaffer rul^tg in bic 
2^epel laufen Iie§; er »erfaufte bann feinen 33efift an 
einen $etrn SKattoni, ber nun ba^ SBaffer auffing unb 
e« in ben SBeltl^anbel brad^te. S)ie Sdf)l ber SWillionen 
©ulben, bie babei gewonnen worben ftnb, ift fo l^od^, 
ba§ ber gräflid^e aSorbefifeer, ber biefen SBed^fel ber S)inge 
nod^ erlebte, barüber »errücft geworben ift. ^cS) wäre 
nid^t rerrüdt geworben, aber wer etwaig wadtig ift, fann 
ei8 babei werben. 

©eftern befud&te mid^ ,,5Profeffor Dr. ®. au^ Sre^lau" 
unb fd^o§ mir einige Sobfugeln in ben Seib. 3d^ nal^m 
e^ einen 3lugenbIidE emftl^aft, an(!^ war e^ gewife ein fel^r 
gebilbeter unb fel^r wol^fwollenber $err; afe er aber weg 
war, empfanb id^ bod^ beutlid^, ba§ e^ atte^ 33Ied^ unb 
Öbl^eit gewefen war, unb bafe er benSBefud^ nur getnad^t 
l^atte, um eine langweilige SRad^mittagiSl^albeflunbe paffabel 
unterjubringen. 

6ben fommt aWama jurüdE; e^ ift eine grä§lid^e 
3Robberei, aber bod^ nid^t ganj fo fd^limm, wie fie ge^^ 
fürd^tet l^atte, unb wa^ bie ^auptfac^e ift, e^ fd^eint bie 
©d^merjen wirflid^ geminbert ju l^aben. 

SEBie immer S)ein alter Sßcma. 



341) ÄarUbab, b. 24. Sluguft 1893. 

aWeine liebe aWete. 
aSor einer ©tunbe fam 2)ein gro§e^ Sriefpalet, barin 
aud^ ber Srief oon 5p. Qd^ l^ielt einen niebrigeren 
fionorarfa^ für möglid^, aber freilid^ aud^ für prot)ojierenb, 
unb l^ätte in biefem galle furjen 5Proje^ gemad^t, bin nun 
aber frol^, ba§ mir ba^ erfpart wirb; id^ bin nun 'mal 
für grieben unb Äompromiffe. SEBer biefe Äunft be^ 
Äompromiffe^ nid^t fennt, oielletd^t nid^t fennen wiH, fold^' 

Zl^. gfontaneS »riefe an feine gfamilie. n. 19 



290 Stj. fiontant% iSrtefe m Teine i^amilie. 

Orlando furioso uttb ®]^arafterfa|fe fonti ftd^ begraben 
laffeti. 3d^ l^obe nDd^ nid^t gefe^en, bofe ein SJoDbtegen 
ober aud^ nur 5prinjipienrefter l^eil burd^^ Seben f^tiommtn 
ifi 3111' ben großen (Bä^m in ber Sergprebigt l^aftet 
jnjar 'xoa^ gjl^iliflröfe^ an, aber wenn il^re SBeiSl^eit rid^tig 
geübt wirb, b. 1^. nid^t in geigl^eit, fonbem in füttern SRut, 
fo finb fte bod^ ba^ einjig SBal^re unb bie ganje ®rö§e 
be§ ©l^riftentum^ ftedft in jenen paar Slui^fprüd^en. SKan 
begreift bann Dntar, ate er bie alejanbrinifd^e Sibliotl^ef 
Derbrannte: „fielet e^ nid^t int Äoran, fo ift e^ fd^äbUd^, 
fielet e« im Äoran, fo ift e« überflüffig". S)a^ ift bag 
SRefuItat, wenn man lange gelebt l^at: „atte^, mag baift, 
fann nerbrannt werben, menn nur jel^n ober jmölf ©äfee, 
in benen bie aßenfd^enorbnung liegt (nid^t bie SEBeltorbnung, 
t)on ber wir gar nid^t^ wiffen), übrig bleiben. 6^ ift aud^ 
red^t gut fo; nur für einen ©d^riftftetter, ber oom ©afee- 
bau lebt, f)at eg etma§ 3Weberbrü(fenbeg. 

aSag S)u über unfre ^eunbe fd^reibft, ift atteg rid^tig, 
nur nld^t liebenoff ober bod^ nid^t nad^fid^tig genug. „9lur 
ber 3rrtum ift ba^ fieben ufw." 3m reinen Sid^t oet- 
brennt atte§. @S wirb einem in ber 3^genb immer ge^ 
prebigt, man fotte feine ^l^antafie nid^t au^fd^weifenb 
wirtf d^aften laffen, unb ber ©a^ ift gut unb rid^tig ; ahtt 
wag nod^ rid^tiger ift, ift bag : ,,man l^üte fid^ oor ©efüJ^fö- 
fejierungen anbrer, oor bem ewigen ©ud^en nad^ bem 
eigentlid^en aWotio, oor Setrad^tung atteg ^rbifd^en im 
„reinen Sid^t". ©rftlid^ friegt man'g bod^ nid^t 'rau^, 
l^tnter bem legten liegt wieber nod^ ein atterlefeteg; aber 
wenn man'g nun aud^ l^erauggefriegt l^ätte, wag l^at man 
baoon? ©ntweber Überl^eblid^feit, wenn man bie Unter- 
fud^ung am eignen lieben ^ä) oorbeigel^en lä^t, ober 
S)eprimiertl^eit unb Äa^eniammer, wenn man bal^inter 
fommt: ,Ja, fo bift S)u nun aud^". Dl^ne ein gewiffe^ 



1893. 201 

Duantunt t)on „aWumptfe" gel^t e^ ntd^t. 3lfe- td^ jung 
roax, i)it^ e^ in bcr ©l^cmie: ,,3Bir bered^nen alles nad^ 
Sltotnen. S)tefc Sltotne ftnb ettoaS gattj aBüHürltd^eS, fie 
finb ein ©nfatt, roir l^aben fie unS erfunben; aber wir 
muffen fie l^aben, um unfre SRed^nungen mad^en ju fönnen, 
unb — fonberbar — mit $ilfe biefer d^imärifd^en ©runb- 
läge ftimmt atteS." ®o ift eS aud^ in ber moralifd^en 
SBelt. 5profeffor 3KöUer (Sifbl^auer) fagte ju griebrid^ 
©ggerS: '„9Benn ba nod^ 'roaS fel^It, nel^m' id^ xoai)x^ 
fd^einlid^ ©laube, Siebe, Hoffnung." 2Bie oft ift mir baS 
eingefallen! Qmmer wirb ein bifed^en ©laube, 2xtht, 
Hoffnung genommen, mie auS bem Saufteinfaften ber 
Äinber. SSon toirflid^em ©lauben unb mirflid^er Siebe 
ifi mir nod^ nid^tS oor bie Älinge gefommen, ju bem id^ 
aud^ nur ein l^albeS 3Sertrauen l^ätte. ©d^openl^auer l^at 
ganj red^t: „S)aS Sefte, roa§ mir l^aben, ift SÄitleib." 
aWitleib ift aud^ oielfadö ganj ed^t. 3lber mit all ben 
anbem ©efül^Ien fielet eS minbig auS. ^rofebem braud^en 
mir fie, braud^en ben ©lauben baran ; wir bürf en fie nid^t 
leugnen, weil fid^ fonberbare SRefte baoon immer wieber 
oorfinben. Unb felbft, wo gar nid^tS ift, muffen wir 
bieS 3lx^U nid^t feigen wollen ; wer fein Sluge immer auf 
bieS SRid^tS rid^tet, ber oerfteinert. S)ie aßal^rl^eit ift ber ^ob. 

3}lama fommt thm avi» il^rem SWoorbab, l^at gro§e 
©d^merjen unb ift fel^r beprimiert . . . ©eitbem finb 
jwei ©tunben oergangen unb id^ finbe fie, meinerfeitS oon 
Xifd^ fommenb, feftfd^Iafenb oor. 3Rorgen wirb fie wieber 
beim Slrjt oorfpred^en. 3fd^ glaube, ba^ er beftätigen mirb : 
aSeS gel^t ganj normal. 

6rgel^' eS S)ir möglid^ft gut. SBie immer S)ein alter 

5Papa. 



19^ 



292 V^. fontmn iSriefe cm feine favMe. 

342) • Äarl^bab, b. 25. augufi 1893. 

3Reine liebe 3Rete. 

©ben erl^alten wir S)etnen Srief t)om 24. unb freuen 
un^, ba§ es S)ir dm ©pur beffer gel^t. SBoS bie „fieineti 
Säge" au« bem SR.fd^en gamtlienleben angelet, fo ifi ber 
^auptd^arafter berfelben immer eine über ha§ gemöl^nlid^e 
SIRenfd^enma§ l^inauiJmaci^fenbe Siebbftgfeit. 3d^ l^atte nie 
geglaubt, bafe id& baS ©d^redlid^e biefer ©igenfdiaft je fo 
tief empfinben fönnte, mie baS je^t ber gatt ifi 3)er 
lanbläufige ©goiSmuS, ber aller aWenfd^en 2:eil ifi, ift bod^ 
'mag fel^r anbreS; man fann fel^r egoifHfd^ unb ftettem 
weife bod^ fel^r liebeDoH fein, ©in aRenfd^, ber gar feine 
Siebe l^at, l^ört auf, ein 3Renfci^ ju fein, unb mie er felbfi 
ein ©tein, nerfleinert er anbere; man mirb leblos babei 
unb fann fein SEBort mel^r fagen. Ob wir ju l^art ur- 
teilen? ^ä) glaube, nein, unb erfd^rede bod^ jugleid^ 
nor biefem ,,nein". SEBeitere^ geniere id^ mid^ nieber^ 
jufd^reiben. 

S)em armen griebel münfd^e id^, ba§ er irgenbroo 
einen aWenfd^en finbet, an ben er fid^ gefal^rloi^ anfd^Iiefeen 
fann. Slllein in ganö uml^erjubuttem, mufe ein furd^t^ 
bares SBergnügen fein; melleic^t finbet er einen bänifd^en 
Sud^l^änblerfoffegen unb fann 5piane mad^en für bie ©in- 
bürgerung iß^inj %ovoU§ im fagenreid^en SRorben. 

3u aWamaS eigentlid^en Seiben l^at fid^ nun eine 
fd^mere ©rfältung unb nerborbener aRagen gefeilt, ©ie 
l^at nid^t baS Talent, fid^ abjupftegen unb nod^ weniger 
bie @aht, fid^ afe eine beinal^' 69iäl^rige franfe ^au am 
jufel^n. aSenn eS irgenb gel^t, turnt fie mieber loS; ba^ 
mad^t einen guten ©inbrudf, weil jeber lieber einen quidfen 
3Renfd^en afe eine ©ufe fielet, aber e§ mu§ ein etwas 
teurer $reiS bafür gejal^It werben. 

3Rit ^eblänberS finb wir nid^t allju Diel jufammen, 



1893. 293 

xoa^ jum 2^etl in Mama§ anbauembetn Übclbefxnben feinen 
®runb l^at, aber bo^ aud^ in einem »erftänbigen freiJ^eit- 
lid^en Sltrangement, ba« bie fogenannten ^aSerobrebungen" 
au^fd^Iiefet. S)iefe „SSerabrebungen" ftnb unter atten Um^ 
ftänben etwag ^rd^tbare^; aber jnjifd^en ^Parten t)on 
fel^r rerfd^iebener aSeranlagung, »erfd^iebenen Salären 
unb rerfd^iebenen ©efunbl^eitöjuflänben bebeuten fie 
gerabeju bie $ötte unb enbigen aUemal 'mit einem 
Älabberabatfd^. 33eibe gJ finb metterfefi, fönnen im 
3ug ft^en unb füllen fid^ bei 10 unb 26 ®rab ©elftu« 
gleid^ mol^I. S)a fönnen wir nid^t mit. ®r l^at um ein 
Ul^r ißunger, id^ erft um jmei, er ifet gern Slbenbbrot bei 
5Pupp, id^ fi^e gern ju §aufe unb mad^e e^ mir bequem ; 
fo bleiben eigentlid^ nur bie ©tunben von vitt bi^ [ed^^ 
Ul^r JU gemeinfd^aftlid^em Äonjertbefud^ unb anfd^lie§enbem 
Spaziergang übrig. S)a^ ifi aud^ genug, ©ie ift eine 
reijenbe ^au, burd^au^ gefd^eit unb von einer vox^ 
jüglid^en ©efinnung in allen ©tüdfen. @r, g., ift ganj 
ber alte; id^ fenne nun alle feine Oefd^id^ten, aber id^ 
laffe fie mir gern alle mieber erjäl^Ien — er mad^t e^ gut 
unb t^ jledEt 'ma^ brin. 

3)eine 33emerfung über bie ©ebilbeten, bie rein mad^en 
unb S)ienftmabd^enarbeit tun, unb bie S)ienftmäbd^en, bie 
fid^ bafür auf Silbung afe ba^ benibar 3fnferiorfte werfen 
fotten, l^at un^ fel^r amüfiert, 3Jlama faft nod^ mel^r al^ 
mid^. 3d^ ftimme S)ir ganj ju; mir l^aben aber voo^l 
beibe eine ftarfe Steigung, nad^ biefer ©eite l^in bod^ a 
biffel JU weit ju gel^n. ?5reilid^, »ergegenmörtigt man fid^, 
ba§ atte^, roa^ man l^ört, nur fonfu^ miebergegebene^ 
3eitung^jeug ift, fo lann man ba^ SRonftrum von 33ilbung 
nid^t niebrig genug tarieren. 3)ie SRenfd^en werben g.e^ 
wanbter, rebefertiger, aber immer bümmer; ba^ eigene 
J)enfen ^ört ganj auf; felbft bie ®efd^äft«fniffe, bie 



294 Stj. ^Fontanes iSriefe an f^tne favMt, 

aWogclctcn unb ^od^ftapler^Untcmcl^mungen erfolgen naä) 
SRejept, nad^ berül^mten 51Kuftem. 

2Bte immer S)ettt alter Sßapa. 



343) ÄarUbab, b. 27. Sluguft 1893. 

aWeine Hebe SRete. 

©d^önften S)anf für S)eitten lieben 33rief t)om ©onu- 
ttbenb. 3d^ freue mid^, bafe S)u ju ber „großen grage" 
(benn e^ ift eine grofee grage), fo fte^ft, wie 3)u fte^ft, 
unb id^ njünfd^e S)ir, ba§ S)u babei bleibft. S)en ©elbft 
beobad^tung^projefe, um barauf ©d^Iüffe auf anbre ju 
jie^en, mad^e id^ aud^ burd^ unb fomme baburd^ ju meinen 
2irauerrefultaten. ,,SBenn ba^ am grünen $oIje gefd^ie^t 
(ba^ grüne §oIj bin id^), roa^ gefd^iel^t bann an bem 
anbem?" @^ gibt ©injell^anblungen, fafl mie aug 3wf<^tt 
geboren, bie mir imponieren unb in benen ein unaui?- 
rottbar ®ute^ ber aWenfd^ennatur plöfelid^ in bie ®r^ 
fd^einung tritt; ba^ gunbament ber ©efd^id^te aber hUiU 
ba^ 3fd^gefül^I, unb bie^ Sd^gefü^I ift etma^ mel^r ober 
weniger 33öfe^. SBie Saura SRarl^oIm in faft jebem il^rer 
l^ppergeiftreid^en Slrtifel fd^reibt: ,,auf ben SHtruiMuÄ 
fommt e^ an". Qd^ bin ganj ,,5peffimoff" , alfo mit 
73 Qal^ren eine SEBilbenbrud^fd^e f^igur. ©o räd^t er fid^ 
an mir. 

SEBa^ S)u über 31.^ fd^reibft, ift nur ju ma^r; er 
immer nod^ ein $ero^, fie (fo fel^r id^ il^ren SWut unb 
il^re praftifd^e ^üd^tigfeit, aud^ eine gewiffe Oefinnung^- 
nobleffe oerel^re) ju bünn unb fd^mad^. Überl^aupt, wenn 
id^ mir oergegenmärtige, mag mir oon 3ugenb an oon 
,,S)amen" fo oor bieÄlinge gefommen ift! 3^iii SBeinen! 
Sd^ bin für altteftamentlid^ patriard^alifd^e 3^tten, für 
SRebeffa, SRal^el unb ba^ 3lu^l^ilfematerial, ober für bie 



1893. 295 

Seiten 2lfpafta^ unb ber erften römifd^en Äatfer. SEBo^ 
unfre ©efeUfd^aft bietet, ift tniferabel, unb e^ bleibt nur 
fd^njer, feftjufiellen, ob ber pl^^fifci^e ober ber inteffeftuette 
©tanb ber niebrigere ift. ^cl^ fttrd^te, ber pl^pftfd^e, xoa^ 
freilid^ t)iel fagen will. SEBenn id^ oon Überfultur fpred^en 
l^öre, wirb mir ganj wel^ um^ ^erj; e^ finb erft Urur^ 
anfange ba, bie trauriger wirfen al^ gar fein Slnfang. 

2Wit aWama gel^t e^ feit geftem beffer; e^ war aud^ 
l^ol^e 3^tt. aSBir l^aben beibe mel^r ober weniger ben 
33runnenbufel, aud^ id^, ber id^ nur jwei Heine ©läfer 
falten ©prubel trinfe. 2)ie aWoorbfiber fd^einen aWama 
ju befommcn. 

^eute l^ab' id^ aud^ bie erften %af)ntnahiixit oon 
,,aKeine Äinberjal^re" erl^alten; id^ graule mid^ vox ber 
Äorreftur. S)enn wenn ©teilen fommen, bie mir nid^t 
gefallen, fo bin id^ t)erftimmt, weil id^ mid^ unfäl^ig füllte, 
im 33runnenbufel bie ©ad^e beffer ju mad^en. 

SEBie immer ©ein alter ajapa. 



344) ÄarUbab, b. 30. Slugufl 1893. 

aWeitt lieber ^l^eo. 
^(S) wollte S)ir fd^on geftem für SJeinen lieben Srief 
oom 26. banfen, fam aber nid^t baju, ba mid^ %xitb^ 
l an ber ju einer ^Partie nad^ @ger abl^olte, anbertl^alb 
@ifenbal^nftunben oon l^ier. 5Ratärlid^ war id^ gleid^ be^ 
reit, ba meine SSorliebe für l^iftorifd^e aWorbpläfee un^: 
gefd^wctd^t geblieben ift — faft bie einjige ^paffion, oon 
ber id^ ba^ fagen fann. ©^ oerlief benn aud^ aUe^ in 
jener gibelität, bie man meiften^ empfinbet, wo 'wa^ be- 
fonber^ ©d^redttid^e^ paffiert ift. S)iefe gibelität, bie jum 
wefentlid^en in bem fd^ön-menfd^lid^en ©efü^le wurjclt: 
„©iel^ft bu, bu SDummbart, id^ lebe nod^" (ein ©efül^l. 



296 Vi)f. Jfonimn iSriefe cax feine i^atnüie. 

ba^ bei iebem SSegtabni^ in aHtdglid^erer gotm roiebetj: 
feiert), ^at aber bod^ glüdlid^enoeife einen jweiten ©runb, 
ben, ba§ für ben mit einiger ©ad^fenntni^ Sluggeflatteten 
bie Baä)t nie ftimmt, fo bafe ba^ fo[fU geworbene ©d^rerfni^ 
als eine Slrt aWumpi^ an einen l^erantritt. 3n 6ger wirb 
j. 33. bie ißettebarbe gejeigt — an ber ©pi|e blutrofüg — 
mit ber 3)et)erouj ben SBattenftein nieberpiefte; id^ glaube, 
ba§ Äoftüms unb SEBaffenfunbige ber ^ettebarbe fofort eine 
anbere ^al^reSjal^I afe baS 3al^r 1634 geben würben. 

aRit Qntereffe unb SBergnügen l^abe id^ gelegen, ba§ 
bie f^wttemot S)ir 3lot mad^t, weil iie nid^t ba ift, unb 
bafe eine ganje Sel^örbe mit einem aWale nor ißeureid^tum 
umfommen mu§. ©o 'maS liebe id^. 3d^ freue mid^, 
baJ5 S)u nod^ um jel^n ^age Urlaub eintommen wiffft 
troftbem id^ im ^prinjip fel^r bafür bin, ba§ man, menn 
man in einem ©ommer l^at anbre arbeiten laffen (meiPS 
nid^t anberS ging), im nad^ften ©ommer feinerfeitS 'ran 
an bie Stamme mufe. Unb jwar ol^ne aßurren. @S 
fd^eint mir aber, bafe S)u burd& S)eine bie^iSl^rigen ©ommer^ 
tattn in Ärebit gekommen bift, fo ba^ ber ©taat feine 
©d^ulb erft wieber begleid^en mu§. 

aWama mar in ben erften jel^n ^agen red^t leibenb, babei 
gro§e ©d^merjen; je^t gel^t eS il^r beffer, unb bie Äur 
beginnt, il^re ©d^ulbigfeit ju tun. Qd^ benfe, bafe Äarfe^ 
bab baS SRid^tige für fie mar. aWete fd^eibt oft unb il^e 
33riefe finb unS eine grofee ^eube, rotnn mir aud^ 
TOünfd^ten, ba^ eS il^r perfönlid^ beffer ginge. 

aßie immer ©ein alter Sßaoa. 

345) ÄarUbab, b. 4. September 1898. 

aWeine liebe aKete. 
aSor brei 2:agen fam SRama jiemlid^ erregt nad^ 
ißaufe, fie fei bem Unter^fStaatSfefretfir ißomeper be^ 



1893. 297 

gegnet, ber fid^ freunblid^ ttad^ il^rem Scpnben erfunbigt 
l^abc; leiber Unm fie mit il^rer Haltung babei tiid^t ju^^ 
trieben fein, ©ie fei t)erlegett gewefen, jum 2:eil be^l^alb, 
toeil fie nid^t geroufet l^ätte, ob er „6jjeIIenj" ju betiteln 
fei ober ni(^t; fie l^abe il^n aber „©jjettenj" genannt unb 
in il^rer SBerlegenl^eit oiel oon Äiffingen gefprod^en, worauf 
er inbeffen nid^t eingegangen fei. „®r war fel^r freunblid^, 
aber bod^ fonberbar." 

Oeftem ma^l^Un wir nun mit bem grieblänberfd^en 
5Paar unb einer fjrau ^rofeffor 91. axx^ ^tna einen längeren 
SRad^mittagg:f©pajiergang bid nad^ bem Äaiferparl unb oon 
bort ilber bie 33erge jurüdE, unter un^ bie SEBinbungen 
ber Xepel, aUeS fel^r l^übfd^. f^rau ^rofeffor SR. unb 
3Rama maren eine ©tredEe üorauf, griebldnber^ unb id^ 
folgten in erl^eblid^er ©ntfernung. „S)a fperren auf ge^^ 
brungenem ©teg, jmei aWörber ptöfelid^ feinen SBeg." (S^ 
moren fogar brei. @iner ber brei trat an mid^ l^eran 
unb mir begrüßten un^ beinal^' l^er jlid^. ©^ mar aw ü U e r ^ 
©rote, griebfänber^ trennten fid^ ab, um un^ nid^t ju 
ftören, unb aWütter^Srote unb id^ gingen eine SBiertelftunbe 
jufammen auf einfamem g^lfenpfab. Sieben un^ ber Slb* 
grunb. @r erjctl^lte mir feine oorjäl^rige Äranfl^eit^s 
gef d^id^te, bie mid^ wirMid^ intereffierte ; bann nal^men mir 
äbfd^ieb unb er trug mir ®mpfel^lungen an aWama auf, 
bie er fd^on gefeiten l^abe. f^ünf SWinuten fpäter l^atte id^ 
grieblänberg mieber eingel^olt, unb eS entfpann pd^ foIgenbeiS 
Bmiegefpräd^: 

„3iun, wa^ ^at er il^nen aUeS erjäl^It? Si^mardfiana ? 
©taat^gel^eimniffe?" 

„5Rein; bie finb il^m mol^I felbfi ein ©el^eimni^." 

„3« er benn a. S).?" 

„Seinal^'. Saumgärtcl beforgt aDe^." 

,,3iaumgärtel? 2Bcr i^ Saumgärtcl?" 



298 tBlj. ^Fontane» Ärfefe an feint Jfamlilt. 

„3lnn, fein Siomi[>aQnon/' 

„Kompagnon? 3fa, t)on tücm fpred^en ©ie benn? 
ißomeper fann bod^ feinen Kompagnon l^aben!" 

„SRein, ^ome^ex ntd^t, aber aWüIIer==®rote. S)er ^err, 
mit bem i^ fprad^, war ber Sud^l^änblcr aKütters@rote." 

„Sa, unt ^immefe roitten, »orgeftem f)at ^l^re liebe 
^au mit bemfelben $erm gefpro($en unb ba war e^ 
^ome^er, unb fie ^at ifin aud^ ©jjellenj genannt; wir 
ftanbcn ia bi($t babei . . ." 

SUKttlerweile l^atten wir aud^ unfre 3lt)antgarbe, grau 
5Profeffor SR. unb 3Jiama, wieber erreid^t unb ba^ SSerl^ör 
begann. 2)a^ SRefuItat war, bafe ^nctma ben unglüdEHd^en 
3Jiütter=^®rote für ©Ejellenj ^omeper genommen l^atte. 
3eftt würbe ifir aud^ Mar, warum er fid^ auf ßiffingen 
md^t l^atte bepnnen fönnen. @^ ift fd^abe, ba§ aRüffer^ 
©rote ntd^t mel^r ißumor befiftt, fonft oeranftaltete er oict 
leidet oon „Unterm Simbaum" eine neue Sluflage, unb 
bemül^te fid^, alte ©d^arten au^juwefeen. 

©aprioi foH je^t aud^ l^ier fein. Sielleid^t füllte id^ 
3Rama§ ©^eHenjen^sUnterl^altung mit il^m fort. 

grau 5profeffor dt. ift eine "^amt oon 50 Salären, bie 
ein gewiffe^ 3fntereffe einflößt, ©ie trägt lange graue 
Sodfen unb ift finberlo^; bafür ^at fie afe ^au^Iieblinge 
einen gud^g, einen SRaben unb einen Seonberger, bie alle 
freunblid^ miteinanber leben unb alle eine fd^wärmerifd^e 
2xtht ju il^rer ißerrin ^egen. Sefonber^ ber gud^^ fott 
oon rül^renb leibenfd^aftlid^er Siebe fein. SSBa^ atte^ oor- 
fommt? 3Jian lernt nie au^. 

SSBie immer S)ein alter Sßaoa. 



1894. 299 

346) 35 erlin, b. 22. Januar 1894. 

3Rcttt lieber, alter ^l^eo. 

©ei ttod^tnafe beften^ bebanft, ba§ S)u tnid^ geftem *) 
fo gIorrei(^ 'rau^gepauft l^aft; ein bifed^en von bem SRul^me 
fällt bod^ auf mid^, nad^ bem ©afee : „nid^t t)on fd^Ied^ten 
©Item." Slnberfeitg war e^ mir ein 2:roft, bafe, wie jebe 
gute ^at, aud^ biefe fofort il^ren guten Sol^n fanb; benn 
biefe Smpromfatlon würbe J)ir allerfeit« ate S^alentprobe 
nod^ l^öl^er angered^net afe, ber aSer^toaft üorl^er. ©o 
l^übfd^ biefer war, fogar fel^r l^übfd^, fo l^aben bod^ allem 
mel^r ober weniger mufeeüoH Oemad^ten gegenüber bie 
3Renfd^en bie ©mpfinbung : „na, wenn id^ 3^^ ^^6^/ ^^d^' 
id^ ba§ aud^". ©ie irren fid^ jwar bartn, aber fie fagen 
e« bod^. 

S)ie ©trapaje, bie eS bod^ war, ift un« gut betommen, 
35ir unb aWartl^ad^en l^offentlid^ aud^. 

©d^önfte ©rüfee. SBie immer S)ein alter ^ava. 



347) »erlin, b. 29. Januar 1894. 

aReine liebe 3Kete. 
aWama l^at S)ir gleid^ l^eute frül^, nad^ ©intreffen 
35eine« 33riefe«, eine Äarte geftiftet; fie wünfd^t aber, 
bafe aud^ id^ S)ir fd^reibe: 1. S)afe eS mit il^rem Sluge, 
fo toll e« au^fiel^t, ganj erträglid^ gel^t, unb 2. ba^ 2)u, 
wenn e« ju 2)einen SEBünfd^en pa^t, rul^ig in 2)epefeborf 
bleiben foHft, wo S)u SRat, ^Pflege, Siebe, oor allem aber 
aSalb unb Suft unb feine Älingelei ^aft. griebete ®e=^ 
burt^tag, bei allem SRefpeft oor biefem 2:age, ifl in bejug 
auf S)ein Äommen ganj irreleoant; bie Srül^fuppe gebeult 



*) »etm lOjäl^rigcn ©tiftungäfcftc bcr »S^önö^lcn" l^attc 
3:i^eobor fj. iunior einen 3^oaft auf bcn Senior fd^laöfertig au§ bem 
Stegreif beanttoortet. 



300 tK^. iFmttanes IBriefe ort f^xtt /amttie. 

unter ärnia« Seitung, unb ben ©eburtötag^toafi ont äbenb 
TOtrb %f)to l^offentlid^ aufbringen, gleld^mel, ob S)u ju== 
gegen bift ober nid^t. 

beim Sluffud^en il^re^ SWtter« unb ©l^aperon«, §errlid&, 
in einen über ha^ ^^rottoir gelegten ^eppid^fkeifen oer- 
TOidfelte unb baburd^ nieberfWli^te. ©ie l^atte ben 2;roft, 
oon einem gut au^fel^enben Dffijier, oon oiei^ig, mieber 
aufgerid^tet ju werben, ber fte aud^ bi^ ju bem näd^flen 
S)rof d^fenftanb begleiten moffte. ©elbfi in fold^em B^P^^^i^ 
ift fie nid^t unempfinblid^ gegen bergleid^en. Übrigen^ war 
i^r aSerl^alten wieber mufierl^aft; fie ängjHgte ftd^ (unb 
mit SRed^t), bemal^rte aber Sontenance unb beftanb nur 
barauf, eine SJtinute lang weinen ju fönnen. SDa^ finb 
immer il^re ißoffmann^tropfen. 

S)ie aSerföl^nunggfjene im 33erliner ©d^Iofe fd^eint in 
SReuoorpommem fel^r fritifd^en Slugen begegnet ju fein. 
3d^ ftel^e in ber ganjen ©efd^id^te oon 3lnfang an auf 
Äaifer^ ©eite; felbft bie fo t)iel getabelte „gorm" war 
einem Si^mardf gegenüber unoermeiblid^. 3ltö Studier 
nad^ SInno -1815 in Serlin lebte, wollte niemanb mel^ 
mit il^m Äarten fpielen, worüber er unglüdtlid^ war unb 
fid^ bei ^iebrid^ SBill^elm IIL befd^werte. „3a, lieber 
33lüd^er, bie Ferren fagen, fie mogelten immer", worauf 
33lüd^er pfiffig unb oerfd^ämt antwortete: „$ja, aWajefifit, 
ein bi^d^en mogeln ift ba« 33efte." S)anad^ l^at aud^ ^dx^^ 
mardt gel^anbelt; „ein biftd^en mogeln" (b. 1^. ganj ge^ 
l^örig) ift il^m immer afe ba^ ©d^önfte erfd^ienen. Unb 
wer biefe 2^ugenb l^at, ber barf ftd^ nid^t wunbem, wenn 
er wieber bemogelt wirb ober wenn ein ©tärferer il^m 
fagt: „S)u, auf bie 33rüdte trete id^ nid^t; id^ fenne meine 
^appenl^eimer, S)u bift ein aWogelant unb wiHft mid^ 
wieber bemogeln ; aber id^ fpiele nid^t mel^r mit unb f age 



1894. 301 

einfad^ ,mcin föniglid^er SEBiHc ift ^Irumpf.'" SiMard 
ift ber größte ^tinjipt)etäd^ter getoefen, ben e^ je gegeben 
l^at, unb ein „^rinjip" l^at il^n fd^Iiefelii^ gefttirjt, befiegt — 
ba^felbe ^Brtnjip, ha^ er jeitleben^ auf feine gal^ne ge^^ 
fd^tieben unb nad^ bem er nie gel^anbelt l^at. S)ie SUlad^t 
be^ l^ol^enjollemfd^en Äönigtum^ (eine wol^Iuerbiente SUlad^t) 
roax ftfirfer afe fein @mk unb feine 2Kogelei. 6r ^at 
bie größte Sl^nlid^feit mit bem ©d^illerfd^en SEBaHenftein 
(ber l^iftorifd^e mar anber^): ®enie, ©taatöretter unb 
f entimentaler ^od^^erräter. 3mmer id^, id^, unb rotnn bie 
©efd^id^te nid^t mel^r meiter gel^t, Älage über Unbanf unb 
norbbeutfd^e ©entimentalität^träne. SBo id^ Si^mardf al§ 
aBerfjeug ber göttlid^en SBorfel^ung empflnbe, beuge id^ 
mid^ vor x^m; mo er einfad^ er felbft ift, ^unfer unb 
35eid^l^auptmann unb SBorteitejäger, ift er mir gänjlid^ 
unfpmpatl^ifd^. 

SReuIid^ ©efefffd^aft bei ©tem^eim«. 5Rad^ Stifd^ 
fprad^ id^ ^U ©tunben mit grau aWautl^ner unb bann 
ebenfolange mit il^m. Qd^ mu§te t)on beiben befreit 
werben, roa^ aber nid^t nötig war, meil id^ mid^ mit 
beiben ganj gut unterl^ielt. Qd^ l^abe biefe gorm ber 
Unterl^altung jefit eingefül^rt. ©ewife läjst fid^ t)iel ba^ 
gegen fagen, aber mol^l no^ mel^r bafür. S)ie SBirte 
l^aben jmar bie SBerpflid^tung , fid^ um bie SRotleibenben 
ju fümmem unb in rafd^em SBed^fel 'mal l^ier 'mal ba 
rettenb einjufpringen; eigentlid^ aber l^aben fie bie piel 
lol^nenbere Sßerpflid^tung, bie nötige belle alliance jmifd^en 
jwei ©infamen l^erbeijufül^ren. 3ft bie ©efeUfd^aft baju 
ba, eine öbe 3lbmidlung von SlrtigfeitiSformen ju fein, fo 
finb fold^e ^rit)atunterl^altungen ein horreiir; foHen bie 
©efeUfd^aften aber 'mag SBergnüglid^eg fein (unb mit Slu^^ 
nal^me von Siepräfentation^gefeUfd^aften foHen fie baiS), 
fo mu§ man ftatt brei 5pi^rafen ju med^feln, fid^ mu6et)oII 



302 (Kt). foniantfi ßtltft an f^t iFotnUie. 

'loaÄ erjä^Icn fönnen. aaSer ba^ nid^t fann ober lottt, 
tut am befien, ju §aufe ju bleiben. 

$at S)ir benn aRama von meinem SBotlefeabenb bei 
ben SB.fd^en 35amen gefd^tieben? S)ie $elbin be^ äbenb^ 
— id^ felbex tarn mir wenig ate $elb vox — mar ein 
HeineiS gräulein 3v ^^^ ^^^ i^ ^ur fagen fann, i^re 
(grfd^einung unb gefamte Haltung mar eine glänjenbe 
SBiberlegung il^reiS profaifd^en SRamen^. ©d^öne^ ^tofil, 
Huge 3lugen, aHeiS SRert) unb ©l^arafter, merfmürbige 
aWifd^ung von berliner ®eift unb berliner ÄeHer. ®ine 
ÄoraHenbrofd^e auf bem fd^marjen Äleib unb mit einem 
Sorbeerfranj (ben fte bejent „in il^re^ Äleibe^ galten" 
verbarg) bemaffnet, ftanb fie vox mir, \df) mid^, au^ reiner 
SRerüofität, benn fie gitterte leife, fd^arf an unb trug nun 
il^re ^ulbigungjSüerfe vox. Qd^ fragte nad^l^er: „aaSer 
unb roa^ ift bie junge S)ame?'' „©ie ift SBerföuferin in 
einem Änopf laben." „SDu mei^t, bajs bei meinem ^ange 
gleid^ ju fombinieren unb weitgel^enbe ©d^tüffe ju jiel^en, 
fold^e S)inge immer einen grojsen ©inbrudf auf mid^ mad^en. 
3fd^ werbe immer bemofratifd^er unb laffe l^öd^ften^ noä) 
einen rid^tigen 3lbel gelten. SBBa^ bajmi[d^en liegt: ©piejs- 
bürger, SourgeoiiS, Beamter unb „fd^led^tmeg ©ebilbeter", 
fann mid^ wenig erquidfen. Qmmer tiefer finft ber Seamte, 
übrigen^ ganj unüerfd^utbet. aSor 100 ^al^ren unb faft 
nod^ vox 50, war er burd^ ©teHung unb SBilbung über* 
legen unb in feiner aSermögen^lage, fo befd^eiben fie war, 
meift nid^t jurüdfftel^enb ; je^t ift er im ©elbpunft jel^n^ 
fad^ überl^olt unb in natürlid^er Äonfequenj havon auä) 
in allem anbern. 3)cnu — etlid^e glänjenbe Slu^nal^men 
jugegeben — ift ber SSefifi aud^ in SSilbung^fragen ent* 
fd^eibenb. 

Unb nun lebe wol^l. SDiefer SSrief erreid^t bie grieb^ 
länbergrenje, ba^ l^öd^fte SDlajs alfo, ba§ l^eutjutage nod^ 



1894. 303 

t)orfommt. ©ntpfie^I mid^, erl^ole S)i(j& bei bcm fd^önen 
frifd^en SBetter, fod^c unb pl^ilofopl^iere. 

SBie itnmct SDein alter ^apa. 



348) SBetlin, b. 4. SRai 1894. 

aWein lieber, alter ^l^eo. 

3d^ glaube, für SDeine Äarte au^ ^alberftabt fd^ulben 
wir nod^ unfern SDanf, unb ba fann id^ benn afe SSer- 
mittler ober Überbringer bavon gut einfpringen. 

aaSie gönne id^ 3)ir biefe 3lugflüge, bie nebenl^er aud^ 
nod^ bag ©Ute \)abtn, einträglid^ ju fein. Überfd^lage id^ 
meine eigene SReiferei, fo fomme id^ ju bem SRefultat, ba§ 
id^ von fold^en ©prififal^rten in bie dläf)t t)iel, t)iel mel^r 
Anregung, SBergnügen unb ©efunbi^eit gel^abt l^abe, ate 
t)on ben großen SReifen, bie fel^r anftrengenb, fel^r toft== 
fpielig unb meift bemütigenb finb. ©rl^ebenb, in bejug 
auf SUlanne^ftolj, gemife nid^t; benn man bebütiert überall 
ate ©d^ufter. ^n ^eupifc unb SBufterl^aufen aber, unb 
nun gar in ^riegnife unb ^aoellanb bin id^ immer glüdflid^ 
gewefen. 3Slan pajst mel^r jum „©aftl^of jum alten S^tttn" 
in SBilbberg al^ jum ©larenbon ^ ^otel in Sonbon. 
©d^merjlid^, aber mal^r. 

3)aj3 e§ @ud^ in ^annorer gut gel^t, l^aben wir ju 
unferer l^erjlid^en greube brieflid^ t)on S)ir unb münblid^ 
von grau ©ternl^eim erfal^ren; bie SBol^nung foH ja 
reijenb fein, „beinal^e feubal". SUlöge ba^ 35el^agen bleiben, 
wad^fen. 

©eftern l^abe id^ ein fel^r l^übf d^e^ ©efd^enf empfangen : 
^au ^rofeffor ©d^aper fd^rieb mir einen jierlid^en 33rief, 
in bem eiS l^iefe: ba fie au^ einem ©ebid^te von mir (e^ 
ift ba^ mit bem SWojartjopf) erfel^e, ba§ ju ben paar 
©ad^en, für bie id^ mid^ nod^ intereffierte, aud^ ber 



304 (K^. £ontant% £v\tft an feh» JtwaMt. 

„Sd^apetfd^e ©oetl^etopf" gel^öte, fo erlaube fie ftd^, mit 
biefen ju fd^irfen. 6^ ift eine fel^t l^übfd^e Süfie, ^U 
Seben^gröfee, bie fid^ nun jtDifd^en dlaa^ unb bem alten 
griö^^ f^^t gut aujSnimmt. 

SEBie immer 2)ein alter ^ax^a. 



349) »erlin, b. 4. 3uni 1894. 

aWein lieber %\)to. 
^ei^lid^en S)anf für 2)einen lieben Srief, ben id^ 
leiber t)erlramt \)ahe, fo ba§ i^ au^ bem ©ebäd^tni^ barauf 
antworten mujs. ®ine ©teile erinnert mid^ an eine 
Sufeerung be^ (wenn id^ nid^t irre) ©enerafe v. ^., bie 
etma lautet: „S)ajS Ärieg^minifterium müfete SJraiHen 
l^aben, benn e^ mären lauter 3Jerrüdfte brin." SBenn fo 
'ma§ ein fluger 3Wann fagt — unb ©eneral v. $. mar 
fel^r flug — fo barf man baiS nid^t fo blojs afe bubble 
fd^led^ter Saune l^innel^men. ©o oiel jugegeben. Qn ber 
^auptfad^e ift e^ mir aber bod^ mieber ein glcinjenber 
Semeig, mie menig auf menfd^lid^e^ Urteil ju geben ift, 
aud^ menn ber, ber ba^ Urteil abgibt, eine Plummer 1 ift. 
Sotl^ar Sudler fd^rieb vor 40 ^al^ren von Sonbon au« 
glänjenbe 3lrtifel für bie SRationaljeitung, an beren ©pi|e 
bamafe ber gute alte S^^^^ ftanb. S)iefer fd^idfte bie 
3lrtifel, bie ben englifd^en ^arlamentart^muiS oerl^öl^nten, 
an 33ud^er jurüdf, unb jmar mit ber 33emerfung : „SBoran 
follen mir nod^ glauben, rotnn mir nid^t mel^r an ®nglanb 
glauben fönnen?" 3^ ft^^^ 9^«J ^^^ biefem 3^^lf^^^ 
©tanbpunft, bag man an gemiffe, großartig überlieferte 
S)inge glauben mu§, menn man nid^t ganj au« bem ga^r=^ 
maffer fommen unb ein minbeften« perfönlid^e« ©d^eitem 
üermeiben miH. SIHe« iftüer^ unb jerfa^ren; gemi^, aber 
trofibem, ein paar 2)inge gibt e«, bie fid^ einem im ©lanje 



1894. 305 

Toirflid^er aSortrcfflid^fctt unb 3lutorität barfteHen, unb ju 
biefen paar S)ingen — wie S^^^l ^^^ englifd^e Parlament 
bal^in ted^netc — red^ne id^ ha^ preuftifd^c Ärieg^Tninifteriittn. 
SBenn nun ein fo ©ingetoeil^ter fomntt unb ba^ ©cgcnteil 
bel^auptct, fo lajs id^ if)m fein petfönlid^e^ Siedet baju, 
jiel^e au« bem @anitn aber bod^ nur ben fd^on angebeuteten 
@^Iu^: alle« Urteil ift einfeitig unb befi^ränft unb ba« 
ber SRal^efie^enben unb ©ngen)ei^ten am meiften. S)ie 
3lmtee, wie fie ba ift, ift bod^ fd^Iie^Iid^ ein ^robuft be« 
Arieg^minifterium« unb feiner Slnneje, unb rotnn pd^ bie 
SIrmee bewäl^rt l^at, l^at pd^ aud^ ba« bewäl^rt, wa« biefe 
SBaffe fd&uf. 

Übrigen« ift e« auf jebent ©ebiete ba«felbe; bie 
Älügfien erflären jeben Xa%, ba^ bie mobeme flunft unb 
SBiffenf d^af t Ourifierei, SUlebijin unb nun gar erfi 2^l^eoIogie) 
feinen ©d^u§ ^utoer wert feien — fd^liejslid^ ift aber 
alle« gerabe fo gut, wie'« immer mar. Soui« ©d^neiber 
l^atte 'mal einen Keinen 3lrtifel jufammengefteHt, in bem 
er an ber ißanb ber berliner 3^itungen nad^wie«, bajs 
feit 1786 in jebem S^l^re üielfad^ gebrudtt morben fei: 
„fo fd^Ied^t fei ba« ^l^eatcr nod^ nie gemefen". 

SBenn SDu $erm ©el^eimrat 6. fie^ft, fo lajs il^n bod^ 
miffen, bafe id^ il^m für ba« neue ©trinbbergfd^e 33ud^ 
„^fd^anbela" ebenfo banfbar mie für ba« frül^ere: „2)ie 
33eid&te eine« Floren" bin. ®in furd^tbarer SUlann, biefer 
©trinbberg, aber bod^ oon einem fo grojsen Talent, bafe 
man in feinem Unmut, &ger unb ®fel immer wieber er^ 
fd^üttert mirb. S)ie« SBud^, ba« anfd^einenb etwa« ganj 
anbre« ift wie bie rein perfönlid^ gel^altene ,,33eid^te eine« 
Floren", ift fd^IiefeUd^ genau ba«felbe, biefelbe ©ouleur in 
grün. ®« ift aud^ rein perfönlid^, nur oerftedtt. 2)iefer 
fd^redflid^e 3Wenfd^ fann au« feiner S^f^t^t ^^^t l^erau«. 
®« ift ganj Har, ba§ er, oon ©todtl^olm au«, in eine 

X^. f^otitaneS »riefe an feine Bfamiae. U. 20 



306 tKlj. jSroxdmtB IBrUfe an r^eint Jfcaaält. 

©otnmerfrifd^e ging unb ba§ i^n in biefer ©ommetfrifd^e 
bie SBirtiSleute geärgert unb, roa^ bie ^auptfad^e ifi, il^n 
in feiner überlegenen ©röjse nid^t genugfam genjürbigt 
l^aben; bieg 33ud^, in bem er nad^träglid^ feine ftber= 
legenl^eit ju beweifen trad^tet, ift nun ber Slu^brudt 
feiner SRad^e. 3)enn alle« an bem Äerl ifl 3lad^e. 
aSielleid^t — benn in ber ,,S3eid^te be« ^oren" tommen 
©d^ilberungen t)or, wo er bei SBenoanbten feiner %tau in 
bie ,,©omTnerfrifd^e" gel^t — ift ba« ®anje aud^ nur eine 
gortfe^ung feineiS SRad^efelbjugeiS gegen feine %xau, unb 
bie l^ier in „2lfd^anbela" gefd^ilberten 5perfonen finb i^m 
aU SJertoanbte feiner grau, bie il^n Kein mad^en wollten, 
boppelt t)erl^aj5t. 

©rüjse beften« bie S)einen unb fei fetter l^erjlid^ ge^ 
grüßt t)on 2)einem alten ajapa. 



350) ÄarUbab, b. 19. Suguft 1894. 

Sieber griebel. 

Qabt 2)anf für S)eine Äarte, be^gleid^en für ba« 
5ßafet mit f leinen 33efpred^ungen ; eine baoon (Slatter für 
literarifd^e Unterl^altung) mar red^t gut, meil fie ben 
3Jerfud^ mad^t, bie 3lrt meiner ©d^reiberei ju d^arafterifteren. 
3inl^altauf}äl^lungen, menn aud^ mol^lmottenbe, flnb immer 
33led^. ^ier prange id^ maffenl^aft in ben ©d^aufenftem 
(immer tapfer nibm ^ot)ote), ge^' aber jebejSmal im 
33ogen brum l^erum, um nid^t etwa ertappt ju werben, 
^ublijität ift bod^ eine fonberbare ©ad^e. 

3»ama grüßt. ®e^' eiS 2)ir gut. S)ein alter 



1894. 307 

351) aScrIin, b. 2. SRot)em6er 1894. 

aWein lieber, alter X^to. 

3Jorauf meine l^erjlid^ften ©lüdtoünfd^e ju S)einem 
©eburtötage : möge fid^ ^annot)er bewäl^ren unb fortfal^ren, 
3)ir unb ben SDeinen frol^e ^age ju ft^enfen; ©efunbl^eit, 
roo^lmoHenbe SBorgefefete, unmufflige Untergebene unb feine 
SBüd^er über Slrmeeperpfleguug — ba ge^t e«. @ine 
^auptqueHe t)on ©lud unb 3^fi^^i>^^^^tt aber, rotnn i^ 
nad^ meinen ©rfal^rungen urteilen barf, ift bag Sieifen, 
ber Drt= unb Suftmed^fel, ber Seib unb ©eele frifd^ mad^t 
unb einem jugleid^ bie SSorjüge be^ ^eim^ immer neu 
jum 33en)ufetfein bringt. 

Über unfer Seben wirb 2)ir mol^I SUlama au^fül^rlid^er 
f (abreiben; ein ^aupterlebni^ mar ein SRid^terlebni^, ba^ 
Slu^f atten einer na^ ^ollanb l^in geplanten SReife*), auf 
bie id^ mid^ gefreut ^atte, um mid^ fd^lie^lid^ bat)or ju 
graulen. i^oHänbifd^e SEBiefen verlangen ©onnenfd^ein unb 
©ommermetter ; bei Siegen unb Äälte, baran biefe Dftober== 
tage reid^ maren, ift e^ ein mäjsige^ SBergnügen. Unb 
wer l^at nod^ Äunftgebanfen, wenn er Urfad^e ^at, an eine 
Seibbinbe ju benfen? 

^eute bei ^epben^ werbe id^ mo^l Änille treffen, 
einen jener mir fpmpatl^ifd^en Hannoveraner, bie nur bie 
2lugenben il^re^ Stammet unb nid^t bie 33ebrüdflid^feiten 
l^aben. — 5politifd^e§ berül^re id^ nid^t, ba^ ift eine SBelt. 

3Bie immer 2)etn alter ^cma. 



*) gfontane tooUte biefe 9fleije, ^u bet fd^on olle SBotbetettungen 
getroffen toaten, in ^efeEfd^aft feinet gfteunbe^ unb fpötereu Bä^toic^n* 
]of)mi, ^td^tteft 9xii]di, untemel^men. 



20* 



308 V^. JfontantB £x\tft an fdnz JravMt. 

Iritff IM Im Itirra 1895 ttf 1898. 

flud^ bte legten t)m SebenSjal^Ye gfontaned fyihen tetd^e gftüd^te 
feines Ittetarifd^en Sd^affenS fiejettigt. (^ne in ben legten Monaten 
bed SNi^teS 18d4 begonnene gfoTt|e|ung feinet Sebengerinnerungen, 
))on bet einzelne 9[bfd^nttte fd^on ))OY^t in t^etfd^tebenen 3^^^' 
f duften ))etöffentltd^t tootben toaven, etfd^ien im ^ol^Te 1898 al% 
Sittd^ unteT bem Xitel ,Son 3^<^natg bis 2)tei6ig''. S^m 
teil^te afö le|te3 2Bet! be§ 2)id^teY3 bec im ^al^re 1895 begonnene 
9lomon <»2)er ©ted^lin" ftd^ an, ber a^näd^fl in bet S^tW^ift 
Ȇbet Sanb unb ^eer' jum ^bbrud gelangt n>ar. 9(ber aud^ ^n 
einet Slnaa^l neuet (S^ebid^te, bie gtogenteiU bet «r^an' btad^te, fanb 
gontane fid^ angetegt. 2)ie Don il^m beabfid^ttgte äBiebetaufnal^me 
einiget betettS au3 ftül^etet 3sit ftammenben 9[tbeiten mad^te fein 
plö^lid^et %oh (am 20. ©e^jtembet 1898) unmöglid^. 

352) »ctlin, b. 1. SlptU 1895. 

aWcine liebe SWete. 
33i^mar(f ^2^ag mit rodf)xtm öol^enjoHermoetter, worauf 
fid^ fd^liefeen läjst, bafe ber ^immel bie SBerfö^nung ber 
beiben 2)^naftien t)on ^reufeen unb Sauenburg angenommen 
^at. @g ift gerabe aWittag^fhtnbe, unb bie 4000, l^offentlid^ 
mit SutterftuHen bewaffneten ©tubenten werben nun mol^l 
gerabe antreten unb il^rer 33egeifierung äu^brudf geben. 
Unb 33ijSmar(f wirb gewife entjüdenb antworten unb in 
biefem gaHe aud^ el^rlid^. ©^ ift tin gefttag für ©tubenten, 
ja, bie ©tubenten muffen begeiftert fein ; baiS ift il^re oer^ 
flud^te ^flid^t unb ©d^ulbigfeit. %ixx alte Änöppe liegt 
e^ anberg ober wenigften« fomplijierter. 6« ift fd^abe, 
baj5 biefer ^ag — wenigften§ in meinen Slugen — bod^ 
nid^t baiS ift, wa« er fein fönnte. Unb baiS liegt — nod^ 
einmal nad^ meinem ©efül^l — an 33igmardt. 2)iefe 
aJHfd^ung oon Übermenfd^ unb ©d^lauberger, oon ©taaten« 
grünber unb ^ferbeftall^©teuen)erweigerer (er glaubte, bie 



1895. 309 

©tobt Scrlin woHtc il^n jugleid^ ärgern unb bemogeln), 
von ^erog unb ißeull^uber, ber nie ein SEBdfferd^en getrübt 
l^at, erfüttt mid^ mit gemifd^ten ©efü^len unb lä^t 
eine reine ^eHe Semunberung in mir nid^t auffommen. 
@tmag fe^lt il^m unb gerabe bog, mag red^t eigentlid^ bie 
©rö^e lei^t. Sanfter Sleumann, ung gegenüber, l^at aud^ 
nid^t geflaggt, unb Slrm in Slrm mit SReumann forbere id^ 
mein ^al^rl^unbert in bie ©d^ranfen. 

aSorgeftern l^abe id^ mit %xxt\^ unb SBallot bie 
©l^amltänjerin 3Wife ^09 gefel^n; großartig. 

2)eine Briefe erfreuen ung fel^r, aud^ ber heutige mit 
bem 2)iftat oon Spante 3lnna. ©mpftel^l mid^ ber liebeng^^ 
mürbigen unb gütigen greunbin. 

SBie immer 2)ein alter ajapa. 



353) »erlin, b. G. 3Kai 1895. 

3ßein lieber, alter 2:^eo. 
3ßit ®urer ©efunbl^eit gel^t eg ^offentlid^ mieber beffer; 
iQuften ift tim Dual, für ben, ber i^n ^at, unb für ben, 
ber il)n mitan^ören muj3, aber man fommt barüber l^in. 
3d^ war, ate id^ fo alt mar mie Otto, aud^ ein emiger 
SeHer unb bin nun bod^ big auf 75 gefommen — freilidö 
mit iQilfe beg fo oiel oerfpotteten Sad^enej, o^ne bag id^ 
eg nid^t ju fo ^o^en ^al^ren gebrad^t ^ätte. SDir mirb 
bag SReiten gut tun unb Sangeoog nod^ mel^r unb bag 
,,Ärieggtl^eater im ißarj" (freilid^ nod^ lange ^in) am 
meiften. Um bieg Ärieggtl^eater fönnte id^ 3)id^ beneiben, 
einmal — meil id^ ben ^arj fel^r liebe — ber ©jcnerie 
falber, bann, meil l^ö^ere militärifd^e ©efeUfd^aft fo 
jiemlid^ bag 33efte bebeutet, xoa^ man oon ©efellfd^aft l^aben 
tann. 2Bag ben Doraufgel^enben ©ommeraufentl^alt auf 
einer bec friefifd^en Qfnfeln anbetrifft, fo fd^ließe id^ mid^ 



310 tK^. fontmt» Griffe an f^xtt J^amUie. 

betten ait, bie SHt ju 3?otbertte^ ratett. 6i8 ifi bod^ uttter^ 
l^altlid^et ate Sangeoog, uttb bciiS fpielt bei tnel^öd^etits^ 
lid^etn Slufentl^alt eitte gto§e 9loIIe. S)a^ tnit bett „größeren 
Äofiett" ift ttieiftett« Uttfitttt; tnatt tnu§ tnituitter ait bett 
pritnitiüftett ©teHett am tneifiett bluteit uttb fatiit Ott SBelt^ 
pläfiett billig lebett. 6« l^attgt atteiS von @IM uttb utt^^ 
beted^ettbarett Utnfiäitbett ab. 311jS id^ ba^ erfie aWal itt 
SRotberne^ toar, tourbe, f ed^^ ©tuttbett ttad^ ttieitter änfuttft, 
eitt gtojser S)attipfer itiit 500 ©äfiett abgetoiefett, toeil auf 
ber gattjett 3nfel feitt eittjige^ freiet 33ett tttel^r fei. 3a, 
ba toar itt bett fafl^iotiablett ©trajseti alle^ fel^r teuer, unb 
bod^ l^abe id^ att ber SBattfeite ber S^fel ttid^t blojj oti^^ 
getiel^tti, fottbem aud^ jieitilid^ billig gelebt. 

^ebel verlegt tapfer tt)eiter. Qd^ roax atifongiB gegen 
biefen ©rojsbetrieb unb gegen ben SBettben)erb mit ben 
reid^fien unb angefel^enften girnten. 6r l^at aber in biefer 
Streitfrage red^t behalten unb, wie id^ l^injufe^en tnu§, 
nid^t bloJ5 burd^ ©lädt, fonbem aud& burd^ %i^i^f Umftd^t, 
©efd^idflid^feit. @r l^atte 'waiS von ©rofemann^fud^t, wa^ 
mid^ ftörte; tnaufert fid^ aber jentanb l^erauiS unb bringt 
eg ju 'waiS, fo friegt ba^, roa^ einetn aU ©rofemann^fud^t 
erf(^ien, einen anbem SRanten. 3luf bent ©ebiet ber 
33eIIetriftif ift er, nad^ tneiner Äenntni^, ber SRutnmer = ls= 
aSerleger getoorben. ©elbft bie grojsen, retd^en gimten 
ftel^en Uterarifd^ bagegen weit jurüdf. 

aJlete enoarten toir morgen jurüdf. SSom Saibad^er 
©rbbeben l^at fie bie lefete aBelle mitoerfpürt, um un^ 
oermelben ju fönnen : ,,aBir finb ftolj, ein ©rbbeben erlebt 
ju l^aben." 3lm meiften greube l^at fie oon einer brei^ 
teigigen SBagenfal^rt burd^ 2:irol unb SBorarlberg gel^abt, 
womit il^r aWeraner 9lufentl^alt abfd^Ioft. ®anj mein 
©efd^madf; nur nid^t ©ifenbal^n. (Sin mäjsigejB Äotelett 



1895. 311 

unter cinetn blül^enben Äirfd^bautn ift mir Heber ate ein 
3)iner in einem ^ormonifajug. 

SBie immer ^tin alter Sßava. 



354) »erlin, b. 9. augufi 1895. 

aWeine Hebe aWete. 

SBie immer, fo l^aben mir uniS an^ l^eute über S)einen 
33rief gefreut. SDte ©teile mit bem „^Temperament" unb 
ber „Silbung" ift au^gejeid^net unb erfreut ben, ber für 
fold^e 3)inge gül^lung l^at. SDie S^^ fold^er ift aber 
Hein. SDa^ SRiefifd&efd^e SBort t)om „ißerbent)iel^" ift leiber 
mal^r. 3d^ fenne t)iele ©el^eimräte, bie fold^e Stelle lefen 
fönnen, ol^ne fie anber^ ju rangieren, afe mie: „romn'^ 
regnet, ift e^ najs." 3d^ bin faft büJ ju bem ©a^e 
gcbiel^n: ,,33ilbung ift ein SBeltunglüd." SDer SRenfd^ 
mufe Hug fein, aber nid^t gebilbet. S)a fid^ nun aber 
33ilbung, mie Äatarrl^ bei Dftminb, faum t)ermeiben läfet, 
fo mu§ man beftanbig auf ber ^ut fein, ba§ auiS ber 
Meinen 3lffeftion nid^t bie galoppierenbe ©d^minbfud^t mirb. 

SUlorriiS überfd^wemmt mid^ nod^ immer mit Daily 
Graphics, au^ benen id^ für 35id^ einige Slu^fd^nitte 
gemad^t l^abe. SDie SBaJ^Ueitem (id^ fd^idfe bIo§ jwei, e§ 
finb aber 20) finb eine ed^t engHfd^e ©rfinbung be^ 
Daily Graphic : Seitem, auf benen man ben bidfen Xoxt) 
unb ben etma^ bünneren SBI^ig wie Saubfröfd^e Hettem 
fie^t. S)a bie ^^orp^ gute^ unb bie befiegten Sffil^ig^ 
fd^ted^teg aBaJ^lwetter l^atten, fo ift ber bidfe Saubfrofdf; 
immer oben, ber bünnere immer unten. SDa^ SReflamebilb 
für ,,Sabrabor'^" ift fel^r l^übfd^, aber pf^d^ologifd^ falfd^, 
meil ber Stxä)ntx einen ^uben aU ben B^^fpätfommenben 
gewäi^lt l^at ; ein rid^tiger 3ube fommt aber nie ju fpät. — 
3luf bem großen ßJruppenbilbe ber in^ Parlament ßJe=^ 



312 (K^. /ontanw Briefe an febnt Jtamült. 

loäl^ltett ifi mir — wie auf allen englifd^cn pl^otogtapl^ifd&en 
33ilbem — ba^ auffällig, ba§ fxe äße wie ©eutfd^e a\x^^ 
feigen, ©in fpejiflfd^ englifd^e^ ©efid^t ^at nid^t ein einziger. 
^I^er fallen bie ©nglonber auf aU i^ren Silbern englifd^ 
au^, jefit, nad^bem man atte^ nad^ 5ßl^otograpl^ie jeid^net, 
nid^t mel^r. SBoran liegt ba^? (grft antwortete id^ mir: 
„@jS liegt baran, ba§ bie ©nglänber mirßid^ beutfd^ au^= 
fe^en, unb ba§ ber pl^otograpl^ifd^e 3lpparat in feiner Un- 
erbittlid^feit bag fortläßt, roa^ fid^ bie englifd^e SWalerei 
gemö^nt l^atte, über bie Statur l^inau^, l^injujutun." 3lber 
bag ift nid^t rid^tig, unb id^ l^alte e^ jefit mit einer jmeiten 
neuen ©rflärung: „S)ie meiften englifd^en ^pfe l^aben 
mirflid^ etma^ fpejiflfd^ ©nglifd^e^, unb ba^ Äünftlerauge, 
ba^ 3luge überl^aupt, fal^ biefe 2)inge unb fielet fte nod^; 
ber tote 3lpparat aber gibt nur bie Sinien mieber unb 
^at nid^t bie Äraft, ben 3^9/ ber bod^ mit bem ©eelifd^en 
jufammenl^ängt, l^erau^jubringen." 3)ie lefctere ©rflärung 
muj5 rid^tiger fein, ba man im Seben (im ©egenfa^ ju 
i^ren pl^otograp^ifd^en 33ilbniffen) fo oiele ©ngimtber fielet, 
bie fpejififd^ englifd^ mirfen. 

©temfelb l^at mir geftern bie jum 26. 3fuli in ber 
Uniüerfität gel^altene ^Ireitfd^fefd^e %t^ixtht: „S^m @e^ 
bäd^tni^ be^ großen Äriegeg" gefd^idft. ®in ganj au^^ 
gejeid^neter l^ifiorifd^er ©ffap, mie id^ beutfd^ nod^ feinen 
jmeiten gelefen l^abe; id^ war ganj benommen. SJiit faft 
gleid^er greube lefe id^ SBerbp^ 3lufjeid^nungen au^ bem 
3[al^re 1870. S)ie rid^tige $iftorienf(^reiberei ift jmar 
mol^l nid^t ba^ ^öd^fte in ber Äunft, aber eiS inter^^ 
effiert mid^ am meiften. SBenn SDu in ©epeteborf 
bift, fd^idfe id^ bie ^reitfd^fefd^e SRebe für ben alten SBeit, 
bem fie eine fd^öne ©tunbe fd^affen wirb. 

SBie immer SDein alter SJapa. 



1895. 313 

355) SSerlin, b. 12. giuguft 1895. 

SUlein Heber, alter %^to. 
Übermorgen frül^ fott e^ fortgel^n, unb ba man, wenn 
man am meiften 3^it ^^t, am faulften ju fein pflegt, fo 
fd^reibe id^ lieber nod^ t)on ^ier aug, um SDir für SDeinen 
33rief au^ bem Sangeooger iQofpij ju banfen. S)aj5 ber 
aiufent^alt Otto fo gut getan l^at, l^at un§ fe^r erfreut, 
übrigen^ nad^ ben jefit tagaus, tagein gerühmten 3lefultaten 
ber Äneipp^ Auren (bie ja aud^ auf fröl^lid^e^ 3Baffer= 
pantfd^en hinauslaufen) feinen 9lugenblid überrafd^t. 
S^rubi, Don fefterem 33au, fommt aud^ fo burd^. S)aj3 
SJeine grau burd^ baS eigentümlid^ Slufregenbe, baS bie 
©eeluft ^at, erft überreijt unb bann abgefpannt moiben 
ift, beweift mir aufiS neue, wie mifelid^ eS mit ben Sommer? 
frifd^en ift. ©o red^t etmaS l^aben eigentlid^ nur bie 
baoon, bie'S nid^t braud^en. 3Ber auf ben ©rofeglodfner 
'raufflettert ober brei ©tunben in Sonnenglut auf bem 
SBaffer ift, um Seel^unbe ju fd^iejsen, ber fommt fe^r 
vergnügt von einer Sommerfrifd^e jurüdE, beren grifd^e 
für i^n überl^aupt nid^t nötig war; bie aber, bie einer 
©r^olung bebürfen, für bie fid^'S wirflid^ um eine Sufthxr 
^anbelt, bie Wegen furd^tbar oft einen ÄnadfiS baoon meg, 
weil bie ganje SBBiffenfd^aft oon biefen 2)ingen nod^ in ben 
Äinberfd^ul^en ftedft. SBiele fönnen im ©ebirge nid^t 
fd^lafen, anbere an ber ©ee; bie meiften Wegen an ber 
See S^olerine==3itftä«t>^ vinb braud^en im ©ebirge Stral^Ifd^e 
ptten. SDabei ba« furd^tbare ©aft^ofSelenb. Um 12 U^r 
fommt ber lefite SH- ^tampeln, Stief elf d^meifeen ; um 
4 Ul^r ge^t ber erfte 3^9- Älingeln, SBedfen, %üxtn^ 
fd^meifeen. 3ßan l^at ein 33eeffteaf unb eine Äulmbad^er 
genoffen unb am SWorgen eine Portion 2^ee, unb für biefe 
Seiftung finb minbefteuS fed&S ^önbe ba, bie fid^ nad^ 
einem ^rinfgelb auSftrecfeu. (^ntfefelid;e Xable b'i^öte? 



314 tKlj. JfontantB IBrtefje an fttm /amllte. 

©efefffd^aft, betrügerifd^c Äutfd^cr, ein Biwtmer, bttn c^ 
nad^ ©d^wamtn ober, rotnn lauten 'rau^, nad^ ^fetbeftatt 
ried^t! @« ift mir ganj Heb, ba§ id^ mid^ tro^ atter 
biefer SJinge in ber SBelt uml^ergetrieben l^obe; benn man 
brandet ba^ affe§ ate ©tubium unb SebenMaterial. Slber 
mer mir fagt, ba§ baiS fd^ön fei, mit bem bred^e id& bie 
Unterl^altimg ab. ©d^ön ift e« für bie ©nglönber, bie 
eine 3ad^t l^aben unb mit biefer bie aWittelmeerfüfien an^ 
laufen, bie grunbfäfelid^ feine 2^rinfgelber bejahten unb 
einen Äammerbiener l^aben, ber aUeiS beforgt. Unb lefitc 
SRüdf jug^linie ift immer bie eigene Äabinc. SUlit einer SIrt 
©rauen fel^e id^ auf faft alle meine Sieifen jurüdE; am 
befien ift e^ mir in ber ©efangenfd^aft ergangen. — 2)a§ 
2)u, auf meinen 35ouglajS l^in, geplünbert morben bift, 
beflage id^, aud^ ift e^ nid^t in ber Drbnung. 2)ie, bie 
fojufagen mit jum 33au gel^ören, werben nie herangezogen ; 
aber ein ©d^ulraf — unb romn er ber befte 3Slann ift — 
meife ba^ nid^t. — „ißofpije" (id^ fenne ein^ aug Ärumm^ 
l^übel) l^aben einjelne SBorjüge; ber fouoeräne DberfcIIner 
fel^lt ober verleugnet feine SRatur, bafür aber roantt ein 
grauer ©d^atten beftänbig neben einem l^er, aud^ wenn 
nur maJ5t)oII gebetet wirb. 3d^ bin für „$aare aparte 
unb Äotelett aparte." 

SBenn SDu mieber in ißannooer bift, fud^e bod^ ju 
lefen, xoa^ SBerbp in ßeft 9, 10 unb 11 ber SRobenbergfd^en 
SRunbfd^au über feine perfönlid^en ©rlebniffe im 1870 er 
Äriege veröffentlid^t l^at. äUejS, mie aud^ im Seben be« 
einjelnen, ^ängt immer an einem fjaben, unb ba§ ein 
l^ol^er SiätfelmiHe aHeg 3frbifd^e leitet, jebenfallg aber, ba^ 
fid^ aHeg unferer menfd^lid^en SBei^ett entjiel^t, ba^ mu§ 
aud^ bem Ungläubigften flar werben. 

2Bie immer S)ein alter Sßax>a 



1895. 315 

356) ÄarUbab, b. 22. Slugufi 1895. 

SWcittc liebe aJiete. 

fieute, vierter 2^ag, tarn 2)ein Srief t)om 10. Sluguft. 
gaft tote Äorrefpottbenj mit 3ltro 3)orf. @^ freut uniS 
l^erjlid^, btt§ e^ S)ir fo gut gel^t unb 2)u fo gut bei 
(Stimme bift, roa^ ho^ bie fi^Juptfad^e bleibt. S)ett @e^ 
bttufen, ba§ bie fünftlerifd^e Setrad^tung be^ gebend ber 
tottl^re ^alob fei unb ^öl^er ftel^e aU bie Äunft ober biefe 
Ie|tere toenigften^ überpffig mad^e — biefen (Sebanfen 
l^abe id^ aud^ fd^on gel^abt, aud^ fd^on au^gefprod^en; bod^ 
laffe id^ S)ir bie ^Priorität ber ©rftubung. ©eorge, beffen 
aSilb vox mir fielet unb mid^ anfielet, aU münfd^e er t)ers 
teibigt ju Toerben, mürbe biefen 3)einen ©ebanfen nie 
aU ,,@efd^möge" bejeid^net l^aben; baju mar er ju fein 
unb JU Hug. 

3?un ift aud^ nod^ %r)if\)VL^ in 3ötifebur aufgetreten! 
0, biefe Sanbaufentl^alte, biefe S^eid^e mit @ntengrü|e, 
^an benen bie ©ntengrüfee fd^Iiefelid^ immer ba^ befte ift! 
3mmer S^pp^u^ unb S)ip^terie. 3Jlxx lann bie ganje 
©efd^id^te gefto^len merben. ©efunb finb nur bie (Segenben, 
bie fid^ ber aWenfd^ jured^tgemad^t l^at; ber ©umpf mu^ 
au^getrodhtet, ber ©anb mu§ bemäffert, bie trodfene, fd^arfe 
^ö^enluft mu§ burd^ ©ee unb SBafferfäHe, burd^ aBaIb= 
fd^irme gefänftigt merben unb mel)r Äorpu^ Wegen. 3)ie 
Statur aU fold^e fann man nidfet braud^en; SBüfte, ©i^, 
©letfd^er, ©tein, aWoor - roa^ foH man bamit? (B^ ift 
ttHe^ einfeitig, unfertig, unerjogen. 

S5er Slufent^ttlt l^ier ift mieber fel)r nett unb eine 
Sluffrifd^ung in meinem 2tbtn, bog bod^ ju fel^r an^ 
geber unb Stinte unb — SSoffifd^er 3^ttung befielet. 3m 
S^l^eater maren mir nod^ nid^t; e^ mirb immer ber 
^3tgeunerbttron" gegeben, unb ba^ ift mir bod^ ju menig. 
Slud^ „aJiifabo" fann mid^ nid^t retten. S5a^ meiblid^e 



316 tKtf. ^Fontanes £t\tft an feine iFamUte. 

©efd^tcd^t toirb einem l^ier verleibet. SRur ÄariJaturen. 
S)ie aJienfd^l^ett fängt nid^t beim Soron an, fonbem naä) 
unten ju, beim vierten ©tanb; bie brei anbem fönnen 
fid^ begraben laffen. ©o lange man bie S)inge um einen 
^er mie fetbftüerftänblid^ anfiel)t, gel^t e^ ; aber bei Seginn 
ber Äritif brid^t alle^ jufammen. S5ie ©efeUfd^aft ift ein 
Sd^eufal. 

©rüjse 2lnna. (Smpftel^I mid^. 3)ein alter jj^pQ, 

357) »er I in, b. 17. September 1895. 

aWeine liebe aWete. 

2)u [bift nun alfo ein paar 2^age mieber auf bem 
aSoben, ber für 3)id^ burd^ ]o t)iele perfönlid^e ©rinnerungen 
geheiligt ift. 2lIIe äd^tung! 2lber beffer ift e^ bod^, bafe 
2)u Spante Sßitte mieber ^aft, bie me^r bebeutet ate ber 
3left. Seiber mirft 3)u fel^r frieren; benn eg ift falt unb 
bie lieben^mürbige grau (feine aSoIßommen^eit auf ber 
3BeIt!) ^at bag ,,Suftbebürfni^\ ein eup^emiftifd^er ^\x^^' 
brud, ber fo t)iel I)eij3t, mie „bei 10 ©rab SR. im 3^9"« 

fiier ift fd^on mieber aUe^ im alten ©leife, nur ftatt 
ber ^etroleumfunjet brennt ganj feubal eine ©a^flamme 
au^ einem großen ©la^teHer l^eraug unb ber üerblafte 
glur mirb neu geftrid^en. 2lm feubalften ift freilid^ griebel, 
ber geftem frül) fed^g U^r (fioffart miH S^^M leiben) 
mit feinem greunbe 5Dieper auf bie Qagb gefal)ren ift unb, 
jmar auf aWeperfd^em Qagbgrunb, bid^t bei ^anfefe 9lb= 
tage. 33ei Si(^te befel^n fteden brin mel^r ,,3rrungen unb 
aSirrungen" ate in meinem ganjen Sloman. 2)ie „SSer^ 
jübelung" mäd^ft rapib; von bem SlugenblidE an, wo man 
fid^'ig Mar gemad^t i)abtn mirb, ,,ia, ^ier mol^nen (ttma 
mie bid^t beim Sut^er=3)enftnal) eigentlid^ lauter Quben", — 
von bem 2lugenblidE an mirb fid^ ba^ d^riftlid^e ©emttt 



1895. 317 

bcrul^tgt l^abcn; bcr ©pic§ ^at fid^ bann blo^ umgcbrcl^t 
unb mx ftnb nur nod^ (Säfte. 3)te Srebotoig tocrben 
Dnfel Sräfig^, rooju ftc ol^ttcl^m eine SRatitranlage l^aben, 
unb ftromem unb infpeftem auf bem ßol^nfd^en Stittetgütcm 
l^erum. @inc SBorftellung, in bie man fid^, wenn man 
nur ben erften ©d^auber übcnounben I)at, ganj emftl^aft 
üerlieben fann. 

S)abet fallen mir unmillfürlid^ unfre guten ©teml)eimg 
ein, benen id^ natürlid^, wenn e^ erft fo meit ift, bie 
Sänge Sörbe, wo bie Songobarben I)erftammen, aU ^bei^ 
fommijs münfd^e. 2)ie lieben^mürbige grau ©teml)eim 
I)atte bei unferer 2lnfunft 33Iumen unb SBeingelee für 
un^ aufgebaut, (Saben, unter benen id^ bie Ie|tere be- 
üorjugte. ©ie war aud^ fd^on ju einer 5ßlauberl)albenftunbe 
^ier, id^ l^abe fie aber nod^ nid^t gefel^n; bie leid^tfertige 
Sel^anblung ber Äoftümfrage bringt mid^ um fo meleg. 
2)od^ l^abe id^ fie burd^ bie S^ürflinfe gefeiten; fie fal) 
fel)r gut au^ unb mu^te e^ aud^ n)oI)t. SBarum 
aud^ nid^t? 

3n ben näd^ften 2^agen miH id^ einen Keinen Sluffafe 
über ben großen aJienjel (für bie „Sy^hxn^") fd^reiben. 
Ob er aud^ für bie Bith^nft oI)ne ©änfefü^d^en fein mirb, 
ift mir jmeifell^aft, um fo mel)r, aU mir von ftarfem 
©d^nupfen ber Äopf brummt. 

aJlama fängt an, fid^ ju erI)olen, ober, rid^tiger, märe 
mieber ganj in Drbnung, menn fie ftd^ meniger Iang= 
meilte unb 'ma^ SBerbinblid^e^ ju I)ören friegte. S)a§ 
!ann fie nid^t gut entbel)ren unb mitunter l^alte id^ mit 
meiner Seifteuer baju jurüdE. 

SBie immer 3)ein alter 5Bapa. 



318 QTtr. iFontmtes iBriefe an r^ine ^raxx^ie. 

358) »etün, b. 23. ©eptember 1895. 

SWeine Hebe aRctc. 

S)er cttiliegenbe 33tief, ber, geftem gefd^riebcn, ^eutc 
nad^ SBarnctnünbe gelten follte unb fd^on feine too^t 
gefd^riebene 3lbreffe (mein Sßater freute fid^ über feine 
Slbreffen) l^atte, ge^t nun bod^ nad^ 3^1^1^611^/ ^'^ 3)ir ju 
t)ermelben, bajs n)ir un^ freuen, 2)id^ am 3Rittn)od^ wieber^ 
jufe^n. Qrgenb mer mirb S)id^ empfangen, unb menn id^ 
e^ felber fein mü^te. 

©eftern alfo SRügen. 3d^ jmeifte nid^t, bajs e^ 3)id^ 
entjüdft l^aben mirb. Sd^on ganj Sf anbinamen : 33ud^en, 
3Röt)en unb Äreibeflippen unb ein verfeinerter, menn aud^ 
betrügerifd^er 3Renfd^enfd^Iag — faux bonhomme, wie bie 
Saiten überhaupt. @^rlid^ ift ber aJiärfer, aber fd^redttid^. 
Unb ba§ gerabe id^ i^n l^abe t)erl^errlid^en muffen! 

3Rit aJiama gel^t e^ etma^ beffer, aud^ in il^rer 
Stimmung. S)iefe mar etmo^ fritifd^ gegen mid^; l^eute 
frül^ fanb id^ fte plö|lid^ t)eränbert. 3lad^ einer Siiertel- 
ftunbe löfte fid^ mir ba^ Siätfel; Slnna — von einem 
©onntag^befud^ bei i^rer ßoufine jurüdEfommenb — l^atte 
il^r geftem abenb nod^ ein 33ilb ber Q.\(!^tn ßeben^formen 
unb be^ aSerl^ältniffe^ bejm. Xom^ jmifd^en ö.^^aJiann unb 
^.^^grau entrollt. S)abei mar i^r ein ©eifenfieber auf- 
gegangen. 3d^ fenne feinen aKenfd^en, ber fo impreffionabel 
unb fo abhängig von ,,Heinen ©efd^id^ten" märe — nid^t 
'mal Si^mard, ber aud^ feine ganje 5ßoIitif auf „Heine 
©efd^id^ten" l^in aufgebaut ^aben fott. 

aJiein Ruften ifi immer nod^ berfelbe. SDa id^ feit 
ad^t 2^agen unb länger nur von SRebl^ul^n mit ©pedfl^embe 
unb von fojufagen überfpidftem fiafenbraten gelebt l^abe, 
fo ift bag laum ju ©ermunbem. 3d^ ftel^e unter ©pedE. 
Unb toujours perdrix ift t)on alter 3^tt l^er ©erfd^rien. 

©mpflel^I mid^ beiner lieben^mürbigen Oräftn, bie id^ 



1895. 319 

in (Scbanfctt nur nod^ mit einem Qagbfpeer fel^e, unb !omme 
gefuttb in 3)eine frifd^ geftrid^ene ©tube bejw. in bie Slrme 
be^ ©efettigten 2;b. % 

359) SBerlin, b. 2. 3lovmiex 1895. 

3)iein lieber, alter X\)to. 

3Worgen ift nun alfo ber für un^ geburt^tag^reid^fte 
2;ag be^ Qa^reig, üoran ber 2)eine. Sßerlebe i^n frol^ unb 
glüdlid^, laffe 3)ir mel münfd^en unb fd^enfen unb forge, 
ba§ bem guten S^age üiel anbre gute ^age folgen. Unter 
bem, roa^ in ©id^t fielet, mirb mol^I (über furj ober lang) 
aud^ ber „rote 2lbler" fein; freue 3)id^ feiner unb üer^ 
jel^re il)n mit ®efunbl)eit. 3n S)einer Stellung unb bei 
2)einen nod^ jungen 3al)ren mu§ S)ir an fold^er 2lu^s^ 
jeid^nung natürlid^ liegen, unb id^ erinnere mid^ fd^aubemb, 
bafe mir ber ©mpfang be^ Äronenorben^ vierter Älaffe vor 
ie|t etma 30 ^a^xtn eine Slrt greube mar. 3d^ mar ba^ 
maU auf ber ^reujjeitung unb beburfte fold^er ^eforation, 
um nid^t ganj unterm ©d^litten ju fein. aJieine nebenl^er 
laufenben B^^if^f maren freilid^ bamafe fd^on nid^t ml 
geringer aU ie|t. aWan brandet bie ©ad^e ber anberen 
falber unb — läd^elt barüber. 

Über 3)eine SReimtoafte bei ber (Seneralftab^reife l^abe 
id^ S)ir neulid^ fd^on ein paar Sßorte gefd^rieben. Qd^ 
i)abt eben beibe^ nod^ mieber burd^gelefen unb benfelben 
©inbrudf empfangen. @anj au^ bem frifd^eften ©rlebni^ 
l^erau^ entftanben, an SRamen, Sefonberl&eiten unb Heine 
©d^mäd^en anfnüpfenb, mujs aUe^ munbert)oII gemirft unb 
jur ©teigerung ©urer gibelität beigetragen ^aben; bie 
Situation fanb il^ren ©anger. Slud^ jeber 35rauj^enftel^enbe, 
ber fein ©rie^gram unb ^l^ilifter ift, mu§ fo empfinben, 
menn er aud^ felbftoerftänblid^ , meil i^m ber rid^tige 



320 C^. /ontttittf iBtiffe an f^int ;^aiitilie. 

SRoment fel^tt, ctiöOi^ nüd^temer bleiben mufe. 3)a§ Serid^t= 
ober SlftenfUtdortige mad^t ftd^ im erfieit äStertel fe^ gut; 
nad^l^er freffen ftd^ bie ftolouer imtereinanber auf. Stnige 
ftnb fibrigend fe^ gut. 

SBte itmner Sein alter Sopa. 



360) »erlin, b. 19. aRdrj 1896. 

SReine liebe 9Rete. 

a)a^ ißauig rücft, glaub' id^, mit fünf »riefen bei SDir 
an, ba miD id^ bod^ nid^t feilten unb ha^ ffoibt 3)ugenb 
DoK mad^en. Grgel^ e^ 2)ir gut, l^abe einen guten 3;ag 
unb ein guteg S^^^f befefüge 35id^ in S)einer ©efunbl^eit 
unb 2)einen ®runbfä|en, fo meit jie'^ t)erbienen. — SWoma, 
um fid^ }u erl^eitem, tfl in „SRid^orb III.". ©ie fragte 
mid^: „ob ha^ ba^ ©tüd fei, n)0 brei fd^warje ^auen 
immer im ißintergrunbe ftanben, eine immer fd^märjer ate 
bie onbere." ©o leben ©tüdfe im ©ebäd^tni^ ber aJienfd^en 
fort, fogar ber gebilbeten unb tl^eaterpaffiomerten. 

3^ gel^e, mie SHr 3Slama VDoi)i fd^on gefd^rieben, 
unrul^tgen klagen entgegen: ©t|ung^tage, aJialtage. Qd^ 
freue mid^ aber barauf, einmal, meil e^ nun bod^ enblid^ 
'mal ein rid^tiger aJialer ifi, bem id^ in bie ißänbe falle, 
bann meil Sieb ermann ein ebenfo lieben^mürbiger mte 
fluger aJiann ift. 6r erjäl^lte mir, Si^mardE verbringe 
feine 2;age nur nod^ mit ©d^impfen. ©r freue fid^ über 
leben »efud^, meil er bann gletd^ mieber loi^legen unb auf 
feiner 3nt)eftit)enorgel ein neue^ SRegifter jiel^en fönne. 
3mmer gegen ben Äaifer. ©ein alter 3)tener foH neultd^ 
ju il^m gefagt l^aben: ,,2)urd^laud^t, idf rniH lieber en b\Sltn 
'rau^gel^n, ba§ id^ e« nid^ alle« Iiöre." „^a, Qtf) nur: 
id^ l^ab' mid^ nod^ lange nid^t au^gefoHert." Set jebem 



18%. 321 

ottbem toürb' td^ borüber bie Std^feln juden; aber ju 33tömardf 
gel^ött e^. @d Keibet il^ 

3n einem niebetlätibifd^en 85Iatt bin id^ wegen eine^ 
im „5ßan" abgebtudften ®ebid&tö (alfo bet „5ß(m" lebt!) 
l^eftig angegriffen unb einerfeitö al^ „alter SJorbe", anber^ 
feit^ afe „aWeifler ber ©robfd^miebefunfi" fpöttifd^ gefeiert 
morben, weil ha& eine ©ebid^t „2)ie Salinefenfrauen auf 
Sombor mit ben Sffiorten f($tie§t: „ajlpnl^eer bermeile auf 
feinem Äontor, malt fid^ d^rifllid^ ÄuItureHe« vox." 3d^ 
bin fel^r frol^ barüber; auf bie Sffieife mirb mein arme« 
®ebid^t bod^ menigflen^ bead^tet, benn bie berliner SJIatter 
(j. S. „338rfens=6ourier'0 brudfen bie ganje ©efd^id^te ab, 
unb natürlid^ ba^ (Sebid^t mit. 

2^aufenb ©rüfee ber mxtf)xtm teuren ^au. 9Bte 
immer SDein alter 3}apa. 



361) ÄarUbab, b. 31. 3Rai 1896. 

3Reine Hebe aJiete. 
aJiama« ©aljtüte ifi aufgegangen unb l^at bie ©d^reib= 
tifd^platte mie beftreut; mül^fam l^abe id^ aUeig meggeJlopft, 
voci^ aber Dielleid^t aud^ ni^t gut ift. 9Bir l^aben b\& um 
ad^t Ul^r gefd^lafen, trofebem um fed^^ Ul^r ba^ befannte 
ißötelgetrampel losging ; (Sott fei SDanf gibt e^ feine ndd^t- 
lid^en ©tief elf d^mei^er, ba alle^ fd^on um neun Ul^r ju 
Sett gel^t. Qxtx l^errfd^t Sora, ma^ aWama erfrifd^enb 
finbet; id^ entbel^re meinen lieben alten SRodf, ber mir um 
fo teurer mirb, je mel^r er gefd^mäl^t mirb — So^ aUe^ 
Seffereni SBir l^aben am Srunnen l^eute nur gefofiet, 
ieber einen Sedier. Sffiäl^renb ber SJrunnenpromenabe 
fhtbierten mir bie Sud^J^änbler^Sd^aufenfter. 3n allen 
(meil ©onntag) fianb voran: ,,3ln allen Orten gilt fein 
SEBort" (ober fo ä^nlid^), eine 5ßrebigtfammlung. 2)rum 

X^lrontaneS »riefe an feine fjfantiUe. II. 21 



322 9^. £ontant§ ßx\tft m fzhu Jfamült. 

ffttma gruppierte fid^ „©fembe Siebe" üon SBilbenbrud^ 
unb „SReine Siebe" von ber efd^ftait^; fehlte nur no^ 
ein „fiiebe^raufd^" ron [Xovott. 2)en iQauptpIaft nal^m 
aber ein: „Unter bem roten Slbler, dtomcm au^ ber 85er^ 
liner ißofgefeUfd&aft." 3^ benfe mir, auf fed^ig: „Steine 
Siebe" wirb rool^I eine ^rebigtfommlunfl lommen. 3)ie 
bidfen Äartöbaber ©efialten roirfen fel^ u>eltlid^. 

Slud^ g^au ©orma ifi l^ier unb wol^nt 3Sitta fiauretta, 
auf bem englifd^en Serg; pe taud^t aber nid^t bireft in 
ber ^embenlifie auf, fonbem in f olgenber 3Serf d^Ieierung : 
„9?ummer 7256: iQerr 35emeter SRito oon aJlinottD, 
5ßrit)atier mit ©emal^Iin '3lgne^, ©ol^n S^cobug aJlid^ael 
unb Sebienung au^ Serlin. „Unb menn id^ nun bebenfe, 
bafe ber Heine 33ral^m für biefen ganjen Slpparat [auf^ 
fommen foH, fo fann einem angfi unb bange werben. 
3m ißotelomnibu^ füllen mir mit einer S)ame au^ 2)Wlnd&en, 
bie, ate fie un^ aU berliner erfannte, ol^ne meitereig fragte, 
„ßb mir ben Sanfter 3). fennten? er mol^ne in ber 3Sofe' 
ftra^e". 3<ä^ antwortete: „menn er in ber 3So§fh:afee 
mol^ne, mü^te id^ mid^ beinah' genieren, i^n nid^t ju 
fennen. Slber id^ fennte il^n mirHid^, nid^t; ermäremal^r^ 
fd^einlid^ „3w}ug". ©ie fe|te oerfd^milt ^inju: „fie ^atte 
legten SBinter in 3?ijja mit 3). ein SRenbejoou^ in Äarfe- 
bab oerabrebet, ju biefem 3lenbejt)oui§ reife fle ie|t; fie 
leibe übrigen^ furd^tbar an 3fd^ta^" — mag mi(§ mieber 
berul^igte- 

SlH' bieg mertooHe aWaterial foHte big morgen lagern, 
ba id^ aber eben burd^ aJiama erfahre, bafe morgen 3btnag 
(Seburtgtag ift, fo f ollen biefe 3^^^^ ^^ meiner ®ratu= 
lation l^eute nod^ jur 5ßoft. 3d^ münfd^e il^r, bafe fle fid^ 
erft oerl^eiratet, menn mir tot finb. Qung gefreit, l^at 
niemanb gereut; feiert man eg aber um, fo ift eg — bag 
gemö^nlid^e ©d^idffal fold^er ©ctfee — minbefteng ebenfo rid^tig. 



1896. 323 

©rüfee bie ©öl^ne, bie ©cfeUfd^aft unb berid^te, xoa^ 
SDu „angertd^tet". 3Wit btefcnt Äalaucr xoiU i^ f daließen. 
aSBie immer 2)citt alter ^am. 



362) ÄarUbab, b. 19. ^uni 1896. 

aWeitte liebe 3Wete. 

SDleine 2lbftd^t ging bal^in, 3)ir unb griebel jebem 
itod^ eine ©d^Iujjfarte ju ftiften; eg gel^t aber nid^t, ba 
^ama e^ beim „SBertjeid^eneinfauf" fo fnapp eingerid^tet 
I)at, bafe nur nod^ brei aWarfen, aber feine Äarten mel^r 
ba finb. 

ißeute frül) !am S)eine Äarte* mit bem Serid^t über 
bie ©efellfd^aft bei gritfd^^. 6^ ^at einen ©inbrudf 
auf mid^ gemad^t, ba§ S5u t)on lieben^milrbigen, beinal^' 
lool^Imottenben SReufd^en fprid^ft. aJiand^er würbe barüber 
loeglefen — id^ nid^t. aJian benft junäd^ftt „lieben^^ 
n)ürbig ift mel^r unb umfd^Iie^t attei^". Qm legten unb 
i^öd^ften ift bie^ aud^ ganj rid^tig. aber bie 2)urd^fd^nitt^^ 
liebeniSmürbigfeit ift ein 3lici^tö im SBergleid^ ju „^oi)U 
looHen". ®a^ SBort fiel)t nad^ gar nid^t^ au^, umfd^Iie^t 
aber eine SBett. @^ gel)ört ganj unter bie feinen ©ad^en, 
loie SDemut, 3leue, SBergeben- unb SSergeffenfönnen, Seid^t^ 
bebürfni^. 2lber voa^ befi|t bie SBelt mn biefen (Sftra^ 
artifeln! Qmmer ein Duentd^en auf 100 5ßfunb Äommi§. 
Slnna fann id^ megen i^rer geftörten ober eingebüßten 
IKad^trul^e nid^t bebauem. „©ie finb ein finget aWäbd&en" 
I)at il^r, glaub' id^, iß- gefügt, unb in i^rer Älug^eit mirb 
fie bei ^ritfd^^ auf i^re SRec^nung gefommen fein. Unb 
bann nod^ ber Um!el^rmar)c^ jur ©roberung be^ [t)er= 
geffenen ^au^f d&Iüffefe ! 3)er 5ßortier im Qan^t üon 
gritfd^ ift l^offentlid^ attenter aU öittner. 

Über bie t)erf d^iebenen fünfte in griebeU Srief , fo 

21* 



324 Q^. J^mttoitti iSriefe an feiste ittmüte. 

beifpietetoetfe über meinen entmannten ober minbefien^ 
engiifierten „alten 2)erffKnger" (xoa^ mid^ amüftert l^ot)^ 
fl>red^en mir morgen ober übermorgen au^fül^Rd^er. 
Saumgartenbrüdf ifl reijenb, aber man fommt bod^ nid^t 
l^in; S^iergartenbanf mit nid^t ju oiel ©preeroSlbleritmen 
(fie ried^en alle mild^fauer) ift fd^on ba^ Sefle. 

S)ein alter ^^^^ 



3(53) SBerQin, b. 14. 3uli 1896. 

aReine liebe aRete. 

©0 traurig ba^ alle^ ifi, fo fel^r berul^igt e^ mid^ 
bod&, bafe ein 6ntfd^Iü§ gefaßt unb ba^ arme Äinb am 
befien Ort unb in befler 83el^anblung ifi. 6^ ifl eine 
oerrüdfte altmobifd^e unb graufame Sßorflellung, ha%^ 
menn mer ftirbt, fed^^ anbre gleid^ mit fierben muffen. 
SDa bin id^ benn boc^ für bie „inbifd^e SBitme", bie fid^ 
oor ben (Sagemaut mirft ober lebenbig mitbegraben mirb. 
S)a ifi bod^ ein großer ©ebanfe brin, aber ba^ anbre ifl 
bloß 33Iöbflnn. SDie medflenburgifd^e SBoIföanfd^auung 
fd^eint aud^ in biefem ©tüdfe jurüdfgeblieben. — 3^^^ 
beibe, Sife unb SDu, merbet ©ud^ nun einigermaßen er=^ 
Idolen', menn nid^t ba^ Äinb l^inftirbt unb bie aJiabbelei 
„physiquement et moralement" auf^ neue beginnt. 

SDie^ Desteuque-3itat ift natürlid^ ber Übergang ju 
aWama. ©ie litt gefiem ein paar ©tunben lang fel^r unb 
badete ganj emft^aft, fte muffe fierben. 3lud^ in biefem 
3lugenblidE ift il^r nod^ fd^led^t. Um 4 Ul^r frül^ moHte 
fie auffielen. Qd^ fd^lief ganj fefi unb mürbe oon einem 
gaU unb ©d^rei aufgef d^redft ; aU id^ au^ bem Sette 
fprang, lag bie arme fjrau ol^nmäd^tig ba. ©ie berappelte 
fid^ iebod^ einigermaßen, unb um 8 Ul^r mad^te fld^ Slnna 
JU Dr. ©alomon auf, ber bann aud^ fd^on um 9 Ul^r 



1896. 325 

l^iet roax. @iS ifi nid^td Sd^IimtneiS: fiarfe SRagenoet^ 
fiitnmung, bito ©rlaltung, fd^toerer ÄopfbtudE unb infolge 
baoott Di^nmad^töjufiättbe. Dr. ©. roax wieber fel^t oer- 
ftdttbig unb fommt ber ©ad^e mit Meinen ioau^ntitteln 
bei, barunter Cremor Tartari unb SDHgräneftift — jwei 
S)inge, bie an Unfd^ulb faum übertroffen werben ttnnen. 
ei^' wir un^ für Dr. ©alomon entfd^ieben, fd^idtten wir 
geftem abenb ju Dr. ©reulid^. änna — ba natürlid^ 
aud^ ©reulid^ in ©d^ulferien ift — brad^te aber nur bei:= 
liegenbe Äorte mit jurüdf, oon ber id^ nid^t 3?u|en jiel^ett 
fonnte, ba mid^ gegen Äanift meine antiagrarifd^en ©efüT^Ie 
einnel^men unb Äird^l^off au^ anbem ©rünben nid^t in 
grage lommen fann. 

33erlin mimmelt oon 3luffen, Slujiraliem, ftaliforniem 
unb QUinoi^men; aud^ oiele „granjofen" flnb ba — alle 
l^ier aufgejäl^Iten finb aber 3uben. Unb babei barf man 
nid^t 'mal äntifemit fein, weil bag mieber ju buitim unb 
JU rol^ fein mürbe. 

@el^' e^ @ud^ fo gut, mie bie beprimierenben 3uftöttbe 
e^ irgenbmie erlauben. 

ioerjlid^fie ©rüfee* Sßie immer 3)ein alter sn^jp^. 



364) »erlin, b. 15. 3uli 1896. 

aWeine liebe aKete. 
3)eine ftarte, bie l^eute eintraf. Hingt jiemlid^ miefig ; 
Qubitl^, ba id^ ©imfon nid^t gut jitieren fann, l^at bie 
SodEen il^rer Äraft oerloren. Slber id^ finbe biefen eienb^^ 
juftanb JU natürlid^; ein ©lüdE, bafe baiS SBürmd^en in 
be^ gjtten, alten 2:i^ierfelber unb nid^t mel^r in 6urer 
Dbl^ut ift. aiid^tig placiert, bin id^ für einfe|ung aller 
Äraft, aud^ wenn man babei mit in bie Srüd^e gel^t; aber 
jebe Äraftoergeubung ärgert unb reijt mid^. 3d^ glaube. 



326 fR\f. irontanes iSriefe an r^hte iFantUie. 

bQ§ id^ in jeber ©d^Iad^t, aud^ unter furd^tbarfter Slngft, 
immer ein ©tüdfd^en igelb gemefen wäre; bie SSorftellung 
aber, mid^ wegen eine^ beim ©!at gemad^ten Utte^ tot? 
fd^iefeen ju löffen, l^at 'ma^ ©ntfefelid^e^ für mid^. Unb 
wer ba^ nid^t empftnbet, ber ift ein in öbem Äonüentio- 
nali^mu^ befangener ©d^af^fopp. 

aJiit 3Wama ge^t e^ mieber beffer. 3d^ glaube, ba§ 
il^r ein paar ©tunben lang ganj fd^redflic^ jumute ge^ 
mefen ift ; roa^ aber auf ^ebel unb aud^ mol^I auf änna 
ben meiften ©inbrudf mad^t, ängfUgt mid^ nid^t fe^r- 
3Wdma verfällt namlid^ leidet in ein gemiffeg Qrrereben, 
unb menn man i^r einen Äranj einffid^t, \o ift Dpl^elia, 
ober (ol^ne Äranj) Sab^ aKacbetl^ fertig. @g ift nid^t 
eigentlid^Äomöbie, aber ein©id^=@el^enlaffen; jmei ©tunben 
fpäter ifet fie bann eine ©arbellenfemmel. ^d^ mürbe 
bie^ nod^ mel^r betonen, menn id^ mir nid^t fagte, ba& 
mit beinal^' 72 Qal^ren mit nid^t^ ju fpa^en ift unb aud^ 
Äleinigfeiten — irgenb ein unterbautet SRabie^d^en — 
fel^r gefäl^rlid^ werben Wnnen. 

Dr. ©. mar I)eute mieber l^ier unb ift ganj jufrieben 
mit il^rem 3^fi<J^i>; fte mu§ 3l^einmein trinfen unb fid^ 
fräftigen. Unglüdfeligermeife l^at er eine SSorliebe für 
©arbellenfemmeln — fo jiemlid^ ha^ XoUfte, roa^ e^ gibt. 

3Wamag Saune ift oerl^ältni^mäjsig fe^r gut. ^eute 
frül^ l^atte fie ba^ 33ebürfni^, fid^ ju unterl^alten, unb 
trofebem id^ gern nod^ meiter gefd^lafen l^ätte, entfpann 
fid^, oöllig t)om S^^^ gebrod^en, folgenbeg (Sefprad^: 

©ie: 3<ä^ meife nid^t, mie bie kommen fo gegen 
ba^ SJerbrennen fein fönnen; Slfd^e ober ©rbenftaub ift 
bod^ ganj ba^felbe, menn fld^'^ um 3[uferflel^ung l^anbelt. 

3d^: 3a, fo finb bie fjrommen. SDer Äaifer reb't 
aud^ fo. 

©ie: 3a, ber. SDa^ mad^t, meil fie immer tine 



1896. 327 

SBanb um fid^ 'tum l^aben. @r [oHte nur aud^ 'mal un- 
erfannt burd^ bic ©trafeeti gel)tt unb l^öreti, mie ba^ SJoIl 
fptid^t, fo mic „öaffan". 

3d^ : iö^Jtun. 

©ie: 3a, fiatun al fiaffan. Übrigen^ finb' xcS), 
bafe ^cbcfe neuer Slnjug fe^r gut ft|t. 

3d^: 3a. 

©te: Unb |td^ mitt aud^ gleid^ 'mal nad^fel^n, ob 
mein ftnte I)eilt. (©te tut e^.) 3a, e§ l^eilt. 3<^ ^^be 
fo fel^r gefunbe ©äfte. 

3d^: 3a mol^U 

3d& mu§ fagen, bajs fold^e Keinen ©riebniffe fel^r ju 
meiner ©rl^eiterung beitragen 

@rge^' e§ 3)ir letblid^ gut. Cheer up ! ®rü§e Sife, 
il^ren SWann, il^re SRutter unb fei felber gegrüßt von 
S)einem alten Sßava. 



365) aSaren, b. 29. auguft 1896. SBitta Bmidf. 

3Rein lieber griebel. 

Qabt SDanf für 2)einen 33rief. ©igentlid^ moHten bie 
S)amen antworten, ba aber beibe le|te SRad^t fein 2luge 
jugetan ^abtn — aWama, meil fie eine fd^arfe gaftrifd&e 
SlttadEe ju befielen, aWete, meil fie babei bie t)erfd^ieben=^ 
artigften SJerrid^tungen ju regulieren I)atte — fo finb beibe 
total faput unb nur id^ rage nod^ afe bie bekannte ,,eine 
l^oI)e ©äule" auf, meil id^, ito% näd^fter SRä^e ber oox^ 
ftel^enb mel^r angebeuteten afe gefd^ilberten (greigniffe, 
ganj au^fömmlid^ gefd^Iafen l^abe. 

ajfete fam geftern um 6 Ul^r auiS SRoftod unb "^axm^ 
münbe jurüd, gelaben mit SReuigfeiten. 3wi ganjen ift 
e^ il^r gut ergangen; l^od^erfreut, unb mit 3led^t, ift fie 
jebe^mal über bie großen greunblid^feiten, bie il^r üon 
Xante SBitte^ Äinbern ermiefen merben. ®^ jeigt, bajs 



328 9^. Jrmdmt» Briefe m feine JramUlt. 

fie alle einen fel^x guten ßj^oraftcr l^aben, fonfl roörben 
fte aSeteiS Stellung beanflonben. 

SßcbS SHd^ ein n)enig fibetrafd^en vovth, ifl ba^, bog 
id^ l^ier geflem unb oorgefiem gonj intime SBeil^en- 
©te|)l^an^Unterl^aItungen gel^obt l^obe. äSein 3la^bax, 
»Ubl^auer Xf)oma^, bex fi^ l^ier, jroonjig ©d^ritt neben 
aSiUa 3^*/ ^« großem ©ommer^au^ mit ptad^tigem 
©orten (er brad^te uniS gefiem eine feiner felbflgejogenen 
Slefr^aKelonen) errid^tet f)at, ifi enrongierter SBeil^en^^ 
©tepl^anianer unb gel^ört bem großen iQattpttifd^ on^ an 
bem älbntirol Jtnorr bie @(an}nummer ifi. 92eben i^m 
©d^med^ten, ber ein Qntimu^ von 2;i^oma^ ift SBir 
fd^mamnten in SJerliner ©rinnerungen. ^mn miewol^I 
id^ erft ad^t 2^age von Serlin fort bin, fo fonn id^ bod^ 
von „Erinnerungen" fpred^en. (S^ liegt in meiner SSor- 
fleHung alle^ fo weit l^inter mir, mie meine Sel^rial^re bei 
SBül^elm Siofe, mo id^ ÄamiHen vom ©oben l^olte. ®Ieid^ 
am erften 3(benb l^ier, cd^ id^ Xf)oma^ nod^ nid^t lannte, 
fud^te er gül^Iung mit mir, unb, feinet ÜberfaBfö gemartig, 
oemal^m id^ ben „Slrd^ibalb 2)ougIai5", ben feine Xod^ter, 
in ißulbigung be^ neuen 3?ad^bar^, anfHmmte. 

ä^ui^flüge l^aben mir nod^ gar nid^t gemad^t; e^ ifl 
baju ju Mt, ju minbig, ju böig, fo ba| immer 9iegen== 
fd^auer in ©i^t pnb. Sffiirb e^ nod^ mormer, fo miC id^ 
bod^ menigfien^ nad^ SRfibel, um bie alte SBenbentempelfifitte 
aufjufud^en. @^ ift aufeerbem nod^ oiel ^ntereffante« in 
ber 3lal^e: SRempIin unb Surg ©d^U|. 

aaSaren mufe burd^au^ in bie ißöl^e gebrad^t werben, 
unb id^ merbe meinen mäd^tigen Slrm biefer ©ad^e leiten, 
e« ift mirflid^ fel^r l^übfd^. Unb meldte Verpflegung in 
©d^ubartg ißotel!*) 

*) (Sd toaten sum Seil (Stinnentngeit an biefen er^rn ^lufent^ 
bex gfontanefd^ctt gfamiUe inSBßatcn, butd^ bie feine Xod^tet unb il^r 



1896. 329 

aSBenn ^f)x fontmt, fo feib ^f)x ieberjett mWbmmtn. 
SBte immer SDetn alter Sßcma. 

366) »erlitt, b. 10. Dftober 1896. 

3Reitte liebe ^au. 

aSBir freuen \xn^ fel^r, ba§ ed S)tr fo gut gel^t uttb 
bie fd^Jttett ißerbfitage fo oiel ju SDeitter ©rl^oluttg bei^^ 
tragen. Seiber ift e^ nun tooI^I bamit üorbei; vorläufig 
l^aben mir 9legett, unb menn er aufl^ören mirb, mirb mol^l 
ber a33ittter anfangen — ba^ Saub ift faft fd^on ganj 
l^erunter t)on ben 33äumen. 

2)reigben ift unb bleibt eine feine Stabt, unb bo^ 
meifte, xoa^ neu entfielet, jeid^net fld^ burd^ guten ©efd^madf 
auig, ja, mitunter burd^ einen aUerbeften. SBir mögen 
l^ier t)ielfad^ 33effere^, aud^ 'mal ©enialere^ l^aben; t& 
t)ertut fid^ aber fo fel^r, ba§ bod^ eine gemiffe 3)urd^fd^nitti8' 
mä^igfeit, bie nie intereffant ift, t)orl^errfd^t. 3Rit bem 
Seben ift t^ ebenfo: l^unbertfältig begegnet man einer 
l^ol^en ©Übung unb Äultur, unb bod^ bleibt bem ©anjen 
ein Äommifeftempel, ein ©efd^madf nad^ 33ö|om unb ©Ufa. 

3d^ treffe tUn, 8 Ul^r, oon S^reptom mieber l^ier ein, 
mo id^ fed^iS ©tunben jugebrad^t f)abt, ganj mutterminb^ 
allein, xoa^ mir immer ba^ Siebfte ift. 3lud^ ba^ einjig 
aSemünftige. 3Ran mad^t bod^ fold^e ©efd^id^te nid^t, um 
ben Sieben^mürbigen ju fpielen (mit biefer SRoIIe l^abe id^ 
mid^ mel)r afe nötig im Seben befajjt), fonbem um für 
feine eigene merte ^erfon 'ma^ ju l^aben unb ju lernen. 
Unb ba^ ift mir geglüdft; id^ laffe mid^ nid^t gern birigieren, 
am menigften in „fogenannten SJergnügungett". ©o l^abe 
id^ e^ einjurid^ten gemußt, baß id^ jmeimal in 3[lt^85erlin 

&aiit fp&tec befUmmt »utben, fid^ bott — unb itoat auf bem oben 
er»&]^ten friU^et Sl^omadfd^en (BTunbfiücfc — niebetaulaffen. 



330 (K^. Jrovtmti Briefe an f^xit JravMt. 

war, ba^ jweite 9Bal pünftHd^ 5 Ul^r, wo bcr „SB^nben^ 
}ug" (bieg l^atte td^ oorl^cr gel^ört) fein foHte. S)en l^ab* 
id^ benn aud^ rid^tig ertotfd^t, unb er l^at mir in fetner 
9Bifd^ung von Stebftnn, Ungefd^madE, 9htppfadRgfett unb — 
glüdltd^em Ulf ben größten ©pa§ gemad^t. iQätte id^ 
jemanb bei mir gel^abt, fo wäre id^ brum gefommen. 2)ie 
eigentlid^e äu^fieHung, roenigfien^ bie ©ebäube unb ba^ 
©efamtarrangement, ifi fel^r fd^ön, fo bafe bie ganje ©e^ 
fd^id^te bod^ oerbiente, beffer bel^anbeft ju werben. 216er 
unfere grenjenlofe Unbeliebtl^eit läfet feine änerfennung 
auffommen, aud^ ba nid^t, wo wir fie 'mal oerbienen. 
2Bte immer ©ein alter 3-^, g^^^^^,^ 

367) SBeifeer Qix)d^ bei SDre^ben, b. 16. ^nni 1898. 
9Bein lieber griebel. 
iQeute frül^ — am SBal^fc unb ©d^Iad^ttage, ber nad^ 
ber „SJofjin" auf lange l^in über SBol^l unb SBel^e ber 
3Renfd^l^eit entfd^eiben wirb, nad^ meinem S)afürl^aften aber 
JU ben gleid^güttigften unb wal^rfd^einlid^ aud^ lang- 
weiligfien klagen ber SBeltgefd^id^te gel^ört — empfing id^ 
S3ud^ *) unb ftarte. ©ei befien^ bebanft. Qd^ fing gleid^ 
tapfer an ju lefen, l^abe wenigften^ 150 ©eiten bewältigt unb 
bin bi^ jjefet nod^ feinem fd^redlid^en S)rudEfel^Ier begegnet. 
Qm ©egenteil, oerl^ältni^mäfeig aUe^ fel^r gut; id^ l^obe 
alfo alle Urfad^e, mit Sonbe jufrieben ju fein. 9lud^ ber 
©nbanb ifi gut (flappt oorjügUd^ auf) unb bie S)ide be^ 
©anjen flört nid^t, weil jebe einjelne ©eite flar, gefattig, 
unb überfid^tlid^ wirft. aRama rü^rt mid^ baburd^, bafe pe 
mit allem, wa^ fie betrifft, einoerfianben ifi unb an bem 
„aWäd^en mit be ©ierfiepe" unb äl^nlid^em feinen änflofe 

*) ^aS foeben aut %u^aht gelangte fBu^ »S3on S^^^aifl bfö 



1898. 331 

nimmt, roa^ x^ anfangt fürd^tete. %ixx einen rid^tigen. 
Sefer — unb nur auf fold^e fann id^ SRücffid^t nel^men — 
ift gerabe biefe Sugenbfd^ilberung eine üoUftänbige 8Sei>^ 
l^errlid^ung. 

S)en ganjen Xag über l^abe id^ S)i(j^ mitn ber 
„SBa^Iumc" fifeen feigen — ein änblidE für ©ötter. 
S)iefer ganje SBal^lfrempel fann unmöglid^ ber SBei^l^eit 
lefeter ©d^lujs fein. Qn ©nglanb ober 2lmerifa üielteid^t 
ober anc!^ gewijs — aber bei un^, wo l^inter jebem SBäl^ter 
erft ein ©d^ufemann, bann ein SataiHon unb bann eine 
Batterie fielen, mirft alle^ auf mid^ mie S^^^^W^^^^i- 
i&inter einer aSolföwa^I mu§ eine SJolfömadbt ftel^en ; fel^lt 
bie, fo ifi atte^ SBurfd^t. 

2Bie immer S)ein alter ^am 



368) SBeifeer ^ix^ä) bei ©reiben, b. 21. 3uni 1898. 
aBein Heber griebel. 

Öabe S)anf für 3)eine jmei iJarten; gib ben 2)anf 
aud^ nad^ rid^tigen ^rojentfäfeen an bie jmei 3JKtunter:= 
jeid^ner ber ©preemalbfarte weiter — bie Flamen beiber 
ju entjiffem, ift unfren vereinten änftrengungen nid^t 
geglüdEt. 3)a§ 2)u auf 3)einer 2:our Segleiter l^attejl, ift 
ein ®lüdE; fo ate ©ingleton oon Sel^be bi^ Seipe gonbolieren> 
ift immer langweilig. 

ioeute ift enblid^ fd^öne^ SBetter, freilid^ fofort wieber 
fd^wül unb nod^ baju mit aRüdEen. Über ad^t Xage werben 
bie S^ltt abgebrod^en. 

Xf)eo ^at mir jweimal gefd^rieben. 6r finbet, bajs 
Öepfe ju furj gefommen ift*), unb SRama unb aBete 

*) ^et ber S^arafteriftetung ber mit gfontane befreunbeten 
^itgUeber bed »XunneU über ber ©pree" in ,^on 3^anatg bid 
2)rei6iö''. 



332 C^. Jftndann Briefe an ftint iFontiiie. 

ftitnmten gleid^ mit ein. Sie oQe (oud^ X^to) bttta^ttn 
foU^e Sd^reiberei me Sad^e ber ^eunbfd^aft/ ber Sour:' 
tmfte ufto. 2)01^ gel^t aber nid^t SSrni Gourtoifte ift in 
bem Qanitn 93ud^e nid^t bie ätebe ; ha^ flberlaffe id^ betten^ 
benen bergleid^en @pag ntad^t ^latSixli^ ^at man aud^ 
in befiimmten gätten 3Wldtftd^t ju nel^men, fo id^^ wie nid&t 
befWtten werben fott, ^e^fe gegenüber. Slber fold^e Stodt- 
ftd^ten l^abe id^ oud^ genommen; id^ l^abe nur SlnertennenbeiS^ 
@d^meid^e(nbei$^ ^ulbigenbe^ aber il^n gefagt 3lo^ [toeiUx 
gelten tonnte id^ nid^t; benn fo Hug, fo fein, fo geiftoott, 
fo äufeerttd^ abgerunbet big jur 9Beifierfd^aft er ifi, fo ifi 
bod^ bie illuft jwifd^en ü^m unb mir §u gro^, um 
meinerfeit^ mit ShtJ^me^bitl^^ramben über ibn loiSge^en 
§u Umtm. 

SBie immer S)ein öfter 5Bapa. 



369) ÄorUbab, b. 29. augufi 1898. 

©tabt 3Koigfau. 
aRein fteber 2;i^eo. 
Unter ben Äarten, bie S)id^ in ber ©d^meij auffud^ten, 
Toar feine oon mir (ber „©ted^Iin" l^ieft mid^ in Sonben), 
ober ben in feine SBürjburgerflrafee 3^^*8^f^M^w ^^^ 
id^ begrüben. SBon S)einen Sieifefd^idffalen l^dren wir 
^[ntimere^, wenn mir mieber bal^eim ftnb, unb oHe^, fo 
ne^me id^ an, mirb gut unb freunbtid^ lauten, wenn aud^ 
mit ©nfd^ränfung. SBier, fünf SBod^en pnb eine lange 
3eit, unb bafe einem burd^ fo oiele 2;age l^n immer nur 
angenel^me aWenfd^en oorgefeftt werben fottten, ifi, weil 
beinol^e unnatürlid^, toum ju verlangen, ©d^weij, 
Italien, Sßaxi^ mufe man gefeiten l^aben, ba^ ifi man ft^ 
fd^ulbig, unb ein ,,3wtenbant'' erft red^t; aber ha^ [oer* 
gnüglid^e Steifen, oon bem man menfd^Iid^ ^xoa^ f)at, Hegt 



1898. 333 

bod^ too anberiS. @tille $Iä^e^ loenig äßenfd^en^ ein ä3ud^^ 
ein äbenbfpajicrgong über bie SBief e, mit onbem aSBorten : 
bie Meine Se^terfommerfrifd^e. S)a6 bu mit gritfd^*) 
^ül^Iuttg gewonnen l^afi, freut mid^ fel^r; er ifl ein 9Bann, 
mit bem man feinen gaben fpinnen fann. 

ättei^ grüfet S)i(i^, S)eine ^au unb bie Äinber 
auf^ befle. 

SBie immer 2)ein alter ^(n>a. 



370) ÄarUbab, b. 4. September 1898. 

aBein lieber ^ebet. 

3)tr mirb leiblid^ mol^I fein, wieber in ben Oefd^äften 
ju fiedten unb ©einen ©tammtifd^ ju l^aben, fiatt bt^ 
fdd^fifd^en ©teueroffijianten, fo nett er mar. — SBaiJ S)u 
mir t)on Äritifen fd^idftefi, l^abe id^ burd^gelefen ober 
rid^tiger überflogen, mit äui^nal^me ber.fel^r liebeniSmürbigen 
SBorte, bie ber gute aWautl^ner für mid^ gel^abt l^at. 
SteHenmeife jum 2!ottad^en mar Otto Seijner in ber 
„2;agHd^en SRunbfd^au". Sin einer ©teile fd^reibt er: 
,,®r (2:1^. %.) mußte fünf Qal^re auf fein Srautd^en 
märten." S)anad^ muß fieijner ein ©ad^fe fein; ®e== 
mütlid^feit ijl gut, aber e§ barf nid^t ju oiel merben. 

ajafe aud^ ber „©ted^Un" fo gut oerfauft mirb, erfreut 
mid^ natürlid^, ängfügt mid^ aber aud^ mieber. 3d^ l^abe 
geflem unb 6eute oier oon ben äui^l^ängebogen getefen 
unb babei ben angenel^men ©inbrudt gel^abt, ba§ Qagn^ 
@rben il^re ©ad^e ganj gut gemad^t l^aben (für nod^ oor^^ 
l^anbene SRangcI im äui^brudt l^abe id^ ben ©d^ulbigen 
mo anberiJ ju fud^en); aber fo angenel^m mid^ ba^ 



*) gfontane« gfteunb, «rd^itcü gfritfd^, feit 1897 bcrtoittoet, 
l^atte ftd^ !uT3 borget mit gfo^taneS Xod^ter berlobt 



334 C^. Jroxdamsi ^Briefe an ftlnt JfaxaXdt. 

Äufeerlid^e SBol^lgelungenfctn betül^rt f)at, fo ^at fid^ mir 
bod^ aud^ roteber btc ^age aufgebrangt: „3^/ wirb — ja, 
fann aud^ nur ein grofee^ 5ßublifum barauf anbeißen?" 
^^ Pelle bie^mal meine Hoffnungen auf bie Äritif. 
ginben pd^ SBol^lmottenbe, bie ber SBSelt oerfid^em: ,ja, 
bai^ ift 'ma^ ganj Sefonbere^", fo glauben e§ bie ßeute. 
Db aud^ avL^ eigener Äraft, rniH mir jmeifell^aft er- 
fd^einen. S^röfien mu§ mid^ vorläufig bie ©rmagung, bap 
id^ perföntid^ feine emotionen mel^r havon l^aben fann, 
Toeil id^ jcbe Qdk, jebe 5ßifanterie, jeben fleinen Ulf langfi 
au^menbig meife. 

aJlorgen jiel^en mir bei ^upp oon ber äu^enl^alle in 
bie eigentlid^en geftfalon^ ein; bie äufeenfeHner oer- 
fd^minben unb bie äbfd^ieb^fjenen l^aben l^eute ftatt== 
gefunben. 3)er 3^^^^^^^ ©eoerin (Äarl 3-^ Sbenbilb) 
ge^t nad^ Sannen, unb aJiete l^at eine ärt SBieberfel^n 
mit il^m oerabrebet. 

lIBie immer 3)ein alter Sßava. 



371) »erlin, b. 11. September 1898. 

aWeine liebe fjrau. 

^abt S)anf für 3)einen lieben »rief, ber nad^ SBol^t 
befinbcn unb aWunterfeit fd^medEt. 

3d^ mei§ nid^t, ob 3Rete S)ir l^eute eine Äartc ge- 
fd^rieben l^at, unb fo mitt id^ nod^ tun, xoa2 möglid^ ift; 
freilid^ ift e^ fd^on in jel^n SDKnuten 10 Ul^r, unb oon 
eintreffen biefer 3eilen am grül^ftüdf^tifd^ ift feine SRcbe 
me^r. ©runb ber »erfäumni^: id^ l^atte mid^ an bie 
Seftüre ber befannten alten märfifd^en ©d^möfer (gibicin, 
»ergl^au^ ufm.) I^erangemad^t unb l^abe mid^ babei ju 
lange „oermeilt". ^ä) mollte burd^au^ *wa^ pnben, aber 
bie^ mißlang, unb fo fud^te id^ immer meiter. ©old^e 



1898. 335 

^d^er gibt e^ nur in S)eutfd^lanb, unb baiS l^eifet bann 
„©cfd^id^t^fd^mbung'' ; bic ganje ßebeml^eit unb Un^ 
qeji^idli^hit l^iefiger aJienfd^l^eit tritt aud^ barin l^cmor. 

aWein ©rief gcftem war faum fort, al^ ber gute 
iQeijrUd^ mit einem bicfen iiopf ju mir l^erauffiürmte 
unb mir mit jittember ©timme (ma^ id^ il^m aber l^od^ 
anred^ne) ha^ ©d^redEen^telegramm au^ ©enf t)orlai8. 
Über atte Segriffe nteberträd^tige Xatl ©old^e gute, 
l^armlofe, unglüdEHd^e fjrau, bie niemanbem ie ein ßeibS 
getan, mie präbeftintert für l^arte ©daläge! Unb nun 
i)ie§ ate ßefete^. S)ie ©ojialbemofratie mirb bie Qe^e 
bejal^Ien muffen, unb bie berül^mten t)ier Sud^fiaben gelten 
il^r mutmafelid^ mit ©runbei^. 

Dmpteba^ ©tüdt l^at nur einen fel^r fd^mad^en ©rfolg 
gel^abt. S)ie iJritif gel^t aber milbe mit i^m um ; anftänbige 
Seute werben bod^ aud^ meift anftänbig bel^anbelt. 

aWete l^at geftem einen anftrengenben 2:ag gel^abt, ifi 
aber gut brüber l^ingetommen ; in ben äbenbftunben mar 
fie mit ?5ritfd^ unb Sife aWengel im ©runemalb; l^eute, 
glaub' id^, ift SReunion auf bem Salfon. ©ie ift nod^ 
ntd^t jurüdE. 

@rgey e^ S)ir gut. ©mpfiel^l mid^. SBie immer S)ein 

älter. 



372) SBerlin, b. 12. ©eptember 1898. 

aWeine liebe %xan. 

©ed^^ 33rtefe l^abe id^ l^eute vormittag fd^on gefd^rieben; 
ba benn aud^ gleid^ l^eraug mit bem ^itbmttn. 

S)rei biefer ©riefe gingenfnad^ Serlin N., eine ©tabt^ 
unb ^immefegegenb, in bie l^inein id^ alle 3;a^r l^öd^ften^ 
einen Srief fd^reibe. S)a^ l^ängt bamit jufammen, bafe 
e^ fid^ in biefen Sriefen mit ber S^^^^^^^^M N. um 



336 0%. JrotAann £t\ift an feine iFontttie. 

griefadt l^attbelte. ©owie bie rid^tige 9Barf Sranbenbutg 
cinfprittgt, wirb man wie von fettfi ait^ W. nad^ N. 
perfekt; bie S)egtabatu)tt beginnt. S)ai8 fd^abet aber nid^tö- 

6in onberer Srief an äpotl^efer 31. war bie äntmort 
auf einen Settelbrief ; ber ÄoHege fd^rieb <m ben ÄoHegen. 
3d^ lata aber bod^ in eine gonj fibele Stimmung unb 
fagte mir, nad^bem id^ il^n gelefen: „Qeftt beginnt för bid^ 
bie ©pod^e ber ,dior)(dtt)' ] fd^on neuKd^ l^at SRautl^ner ben 
,alten gontane' neben bem ,alten ^feen' unb bem ,alten 
SBÜl^elm' aufmarfd^ieren laffen, unb nun fommt ÄoIIege 91. 
unb erflort mid^ fd^lanhoeg ate ,S)id^terfönig'.'' 2)em 
l^ab' id^ nid^t miberftel^en Knnen unb mein Onabengefd^enf 
bewilligt. Noblesse oblige! 

ißeute vormittag war aud^ X^eo l^ier; ganj mobil. 
2)ie Sieife ifi il^m gut befommen, unb er l^5rt an^ wieber 
mel beffer. S)ie Dl^renblafereien taugen nie *xoa^^ unb in 
ber ^eilfunbe erfi red^t nid^t. 

9Bete mad^t einen Sefud^ bei ber Meinen ßonrab, bie 
fid^ jweimal legitimiert l^at, erfi mit einem felbjlgejogenen 
aR^rtenbaum unb einen %aQ barauf mit einem 3lofen=^ 
bufett. 9Bein ßiebd^en, wa§ wiUft 2)u nod^ mel^r? 2)a$ 
(Sanje wirft wie eine S)arfteIIung ber 24 ©tunben von 
Sraut ju grau. 

3)a^ mir gefpenbete ©ofa ift etwa§ faflig, fonft aber 
ganj gut ; ba§ alte mit feinen ägpptifd^en ^guren fal^ fo 
oerfd^muftert auiS, afe wSre 3lmenopl^i^ I. barauf gefiorben. 

2)ir gel^t eg l^offentlid^ gut. ©mpfiel^l mid^. 

SBie immer 2)ein ^tn. 

373) Berlin, b. 13. September 1898. 

9Beine liebe %tan. 
aWete ift mit gritfd^, feiner ännie unb Xf)^o im 
(Srunewalb; ba l^abe id^ e§ übernommen, ftatt il^rer ju 



1898. 337 

fd^teibcn. ©ie i)at ftd^ l^eute einen l^übfci^en ^ut gefauft, 
bet il^r aud^ Ketbet unb toitt nun barin patabieten. SBor- 
läufig mag eiS fo ge^n; aber auf il^re 3^^«ft ^i^ ^^^ 
gefe^n, mufe fie bie 3Burft von ber anbem ©eite l^er an:= 
f d^neiben^ unb nid^t ängftlid^ refomtatorifd^, fonbem tüijn^ 
revolutionär auftreten. SRit einem ©injelftüdt ifi e^ nid^t 
getan; ein fd^öne^ ©injelftüdt mirft oft ^alb oerrüdEt unb 
fd^abet mel^r aU e^ l^ilft. 3Ber fid^ mirHid^ mobifd^ unb 
jugleid^ gefd^madfoott tragen miß, mu§ immer beffiffen fein, ein 
^armonifd^e^ ®anit^ l^erjuftellen. @^ mu§ atte^ jueinanber 
paffen unb ftimmen. S)iefe ißarmonie ift bie eigentlid^e 
©d^ön^eit unb fann mit einer Äattunlobe, einem meinen 
ftragen unb einer gefälligen ©d^Ieife beffer l^ergeftellt 
merben, ate au^ einer fonfufen änl^äufung oon äBert^ 
ftoffen. 3Bie oiel ließe fid^ nod^ ju biefem ©d^neibert^ema 
fagen, befonber^ ro^nn id^ mir bie Äartebaber S^oiletten 
in^ ©ebäd^tni^ jurüdErufe! ©omie man 33erlin betritt, 
ift e^ mit ©d^idE unb ©leganj oorbei. S)ie ©efid^ter, bie 
©toffe, ber ©d^nitt, bie Haltung — alle« ift oon einer 
leiblid^en S)urd^f d^nitt^mä^gfeit ; aber barüber l^inau« gel^t 
e« nid^t. ginbet fid^ eine 3fu«na]^me, fo bebingt bie ^er:= 
fönlid^feit biefe 2lu«na]^me, nie bie ßanbe^fitte, ber att^ 
gemeine ©efd^madf. 

aSormittagi befd^äftige id^ mid^ immer mit griefadE*) 
unb l^abe fd^on eine 50ienge notiert, ^abt id^ nur erft 
ben ganjen ©toff jufammen — ma« aUerbing« fe^r mül^fam 
ift unb nod^ 'lange bauem wirb — fo ift ba« ©d^reiben 
ein aSergnügen. 

S)ie ftaiferin (glifabetl^ muß eine l^eroorragenb gute 
unb intereffante grau gemefen fein unb eine Äreujträgerin 

*) gfontane l^atte ft^ <^l^ ndd^fle ^tbeit bie iBoHenbung feinet 
]6ion lönfift begonnenen ©tubie über baS @efd^Ied^t ber )@rebotD& 
auSerfel^en. ^ann foEten v2)ie Sigebeler' an bie Stetige fontmen. 
Z^. Fontanes »riefe an feine Familie. II. 22 



338 9^. /ontanef itoiefe an feine /omittt. 

baju. ©Didier freien ^erfönlid^feit an fold^er ©tette }u 
begegnen, ift eine toafyct SBSonne. 

aSBie immer 2)ein Slltet. 



374) »erlin, b. 17. ©eptember 1898. 

9Beine liebe ^ou. 
aRete f)at 2>ir fd^on gefd^rieben, aber id^ roill bod& 
nod^ ein paar 3^^« folgen laffen. SJaiJ S^^berfeft fd^ien 
mir gelungen, unb roa^ toid^tiger ifi, aud^ bie @äfie f d^ienen 
biefer Slnpd^t ju fein» 3latürlid^ ifi man immer geneigt, 
auf fd^meid^ell^afte Sieben^arten einjugel^en, aber id^ mSd^te 
bod^ beinal^' annel^men, bafe bei uniS bie 2)inge um ein 
paar @rabe günftiger liegen al$ mo anber^S. 2>a$ 
2RaterieIIe (gefiem mar e§ gemife fo) mad^ft meift nid^t 
unbeträd^ttid^ aber ba^ l^inau^, roa^ einem mo anberd 
QtboUn mirb, meÜ mir alle brei nad^ bem 5ßrin}ip oer- 
fal^ren, „menn fd^on, benn fd^on", alfo bie ©eÜ)- ober 
©parung^frage gar feine SRotte fpielen laffen. S)urd^ fünf 
2Rarf erfparen motten, fann man fid^ ein ganjeiS 2)iner 
ruinieren, unb ber 5ßferbefu§ bcr Shtppigfeit fommt irgenb* 
VDO 'rauig. 3)ic^ alleg ift aber nid^t bie ^auptfad^e. 3)ie 
^auptfad^e ift ber freie S:on, bie Ungeniertl^eit, bie fid^ 
jeben 2lugen6HdE big ju Ulf unb felbft big ju ©emagt^ 
Reiten (bei bcnen man bann freittd^ an rid^tiger ©tette bie 
©renje jiel^en mu§) fteigern fann. ®anj befonberg günftig 
wirfen aud^ bie fteinen Siäume, bie aber aud^ mieber nid^t 
bürftig finb ober menigfieng bag ©efül^l baoon nid^t auf- 
fommen laffen. ©o »forgen pe für Sel^aglid^feit. SDer 
rid^tig organificrte aWenfd^ (unb gerabe bei ^rinjen unb 
©rafcn finbet ftd^ bag am ^äufigfien) pfeift auf 15 gufe 
^ol^e ©along mit txtbablafenben ©tudfengetn unb tfl fro^. 



1898. 339 

eine ©timmung lultimeren ju fönnen, atö befänbe er fid^ 
in ©d^Iafrocf unb ^Pantoffeln. 

3)te beibcn retatit) älteren S)amen benal^men jid^ 
mufterl^aft unb waren ju ber jungen fjrau Dberfileutnont 
l^ertjorragenb nett, roa« un^ natürlid& fel^r angenel^m war. 
©d^Ictttl^er Ifprad^ wieber fel&r reijenbe SBorte, ^ioafl 
auf 2Rete unb gritfd^, unb war für einen Dftpreufeen 
foloffal l^erjlid^ unb gemütlid^. Qd^ mufete "Äommcn 
©ie, ®o^n", t)orIefen unb weil e^ mir roieber ganj 
fremb geworben war, fo bafe id^ ein paarmal feft^ 
fafe, fo wirfte bie ©ad^e ganj wie neu, weil mid^ m. 
paar ©teilen beim ßefen fetbft erl^eiterten. Sefrage id^ 
ben ©efamteinbrud — - unb aU iä) l^eute frü^ eine ^albe 
©tunbe mit Xl^eo, unferm „S^tenbanten" plauberte, 
wieberl^olte fid^ bie« — fo tritt ba« oon mir fo oft jitierte 
trioiale Sieb, ba« in unferer S^genb in jeber ©efeUfd^aft 
gefungen würbe, wieber oor mid^ l^in. ®« l^ie§ in ber 
erften ^alfte be« Siebe« refrainmdfeig : „9ld^, fönnt' id^ 
bod^ erfl Hauptmann fein", unb bann in ber jweiten 
ißälfte: „9ld^, fönnf id^ wieber gäl^nrid^ fein", ©o oer^^ 
läuft jebe« Seben. ©d^l entleer, fo gut e« il^m in SBien 
gel^t, benft bod^ l^alb fel^nfüd^tig an bie Xage jurüdE, wo 
wir bei 3iati)mü beim grül^fd^oppen fafeen. 

3Bie immer 2)ein ^[^^^ 



375) »erlin, b. 19. ©eptember 1898. 

aßeine liebe fjrau. 
aWete i)at 2)ir fd^on gefd^rieben, aber id^ will 3)ir 
bod^ aud^ nod^ banfen für S)einen Iieben«würbigen SJrief, 
ber in befonber« guter ©timmung. geboren fd^ien. 3d& 
foll mid^ fiatt um ba« ,, ewige griefadE" lieber um Otto 

22* 



340 Älr. JfontatKB iSrlefe on f^tne iFamUle. 

Seffing unb Äoner*) fünttnem, unb td^ l^obe aud^ 
ben bcften SBiUen baju, aber 3)u üergifet meine 34 5ßul«:= 
fd^Iäge. SBenn id^ beim 2:ee jtfte, gel^t e^, unb menn id^ 
meine gute grau ©ternl^eim fel^e, ge^t e^ nod^ beffer; 
aber fomie id^ auiS ber SRul^e l^erau^ unb in irgenbmeld^e 
äftion l^inein foH, ift e^ mit ber ganjen ißerrlid^feit vox^ 
bei. ^6) erfd^redEe vor allem unb felbft, wo fogenannte 
SBergnüglid^feiten in ©id^t fte^n, ift mein S^roft: „Um 
neun Ul^r ift alle^ au^" **). 3lid^t im ©inn einer S^obei^:^ 
fel^nfud^t, fonbem nur in bem tiefen SBerlangen nad^ SRul^e. 
greilid^ fpuft ba^ anbere barin oor, voa^ aud^ mol^I red^t gut 
ift. (Sin fo glüdElid^e^ unb fo beDorjugte^ 2eUn unb bod^ : 
„ma^ foH ber Unfinn?'' 3)ie^ fann man beinal^' mdrtlid^ 
nel^men; in ber ^otitif gemife unb in SRettgion unb aWoral 
ifi aUe^ ^^rafe. grül^er ftatuierte id^ Slu^nal^men; j|e|t 
faum nod^. 

gr itf d^ l^olt eben aWartl^a ju einer gal^rt nad^ ^otiSbam 
ab ; Oertrub, nod^ um menigfteng jmei^nger breit gemad^fen, 
afe dame d'honneur. ©ie ift eine ber en^üdenbfien 6r^ 
fd^einungen, bie id^ in meinem ganjen ßeben gefeiten l^abe 
unb fönnte in einem SBölfermufeum afe reiner Xr)pn^ 
beutfd^er aWenfd^enraffe für ®elb gejeigt merben. S)agegen 
rerblafet aUe^, ^übinnen nun fd^on gewife, unb aud^ bie 
romanifd^en ©d^önl^eiten. S)e^gteid&en bie ©nglänberinnen, 
bie — unb vDtnn fie nod^ fo fd^ön — reine Äunflprobufte 
finb, jured^tgemad^t. §ier aUe^ 9iatur, SBenfd^l^eit^blüte. 
Unb babei nid^t 'mal ber ©oajug, fonbem tttoa^ 



*) $rof. Otto Sef fins ^ottc in ?[u8fid^t genommen, eine S3üfle, 
^rof. Äoncr ein $otträt bon gfontane anaufertigen. 

**) SBon gfontanc oft gitiettcä SOßort bon Soutg ©d^neib«. (,S5ott 
3toanatg bis 2)Tet6i9'' €.429.) S^ergl. aud^ bie S^nfinote au bem 
nftd^PfoIflenbcn SStiefc. 



18Ö8. 341 

iöimmlifd^e^. Ältngt äße« läd^erlid^, tft aber bic reine 
2Bal^r^eit. 

2Bie immer S)eitt %Utt. 

Unb babei fül^rt biefe^ fublime aWenfd^enbilb einen 

fo aHtäglid^en 9iamen. ©ie müfete ©enofeüa v. ©tal^rem^ 
berg l^eifeen. 



376) »e r Hn, b. 20. September 1898. 

aWeine liebe %xavi. 

S)ie§ ftnb nun alfo bie legten 3^üen*), übermorgen 
Mittag bürfen mir 3)id& ermarten. &^ freut mid^, bafe 
3)u bie§ 3"fttw^wi^^f^i" mit 2)einer atten ^eunbin nod^ 
j^aben fonnteft. 

Unfre geftrige jmeite ©efeUfd^aft verlief ebenfate 
jufriebenftellenb, meil alle t)ott guten Sffiilleng maren. 3)afe 
biefer fo oft fel^It, baran fd^eitem fo oiete ©efeUfd^aften. 
Svi ben öaitpttugenben , bie 3-^ ^^^ ^^^ ^^ ^^^^ 3^^* 
oertraten, gel^örte biefe abfolute gefeUfd^aftlid^e 3^' 
oerlaffigfeit. 3)ie meiften mad^en fid^ ein SSergnügen 
brau<^, menigften^ ben einen ober anbern ju argem. 

9Bit aßeteg unb meinem Sefinben ift e^ ,,fo, fo": 
man arbeitet am SIrapej immer meiter unb leiftet ba^felbe 
mie anbre, aber e^ fe^lt — einjelne aWomente abgered^net, 
mo einen ein 3Bife ober eine ©fanbalgefd^id^te erl^eitert — 
bie redete greubigfeit, meil bie iiräfte nid^t au^reid^en. 
S)aiS präbominierenbe ©efül^t bleibt bod^ immer: ,,Wgfi 
bu nur erft mieber im ^ttV\ Sei mir ift bieg ©efül^t 
fo ftarf, bafe felbft meine berül^mte Slrtigfeit jufammen^ 



*) (Slefd^rieben am SRorgen be$ %aq,t^, an toeld^em gfontane um 
9U^tabenbS fiarb, ftnb biefe Seilen im t)oIIen @inne beS äBortcd 
feine ^letten" geblieben. 



342 (K^. ^Fontanes iBriefe an \s^ iFatnilie. 

bttd^t Uttb td^ mir fage: „xovth bir ba^ unb boiJ übel 
genommen, nun, fo aud^ gut!" @§ ifl tnelleid^t eim 
Keine 2;ugenb, t)on bem Urteil ber aWenfd^en abl^ängig ju 
fein, aber bequemer l^aben eiS bie SWlpel, benen aß' fo 'ma^ 
ganj gleid^gültig ift. 

©eftem mittag ging id^ eine ©tunbe fpajieren unb 
traf 5ß.; er erjäl^lte mir oom 2!obe feiner ^au unb 
meldten „golbenen ^umor" fte gel^abt l^abe; er fei ganj 
gebrod^en, atte^ l^abe jebeig Qntereffe für il^n oerloren, 
aud^ fein ©efd^äft, unb babei meinte er beftanbig. @r 
fei^. um fld^ 'raui^jureifeen, in ©nglanb gemefen unb l^abe 
mit jmei englifd^en ?ttd^ten feiner %xau eine SReife nad^ 
©d^ottlanb gemad^t. SDie jüngere fei l^eiter unb au^^ 
gelaffen unb l^abe ben „golbenen ;Sumor" feiner Srau; 
bie ältere, bie jeftt bei il^m fei, fei aber emfter. Qd^ glaube, 
er mar ganj aufrid^tig in feiner Xrauer, unb bod^ l^abe id^ 
nie fo ftarf ben ©inbrud gel^abt: „biefer 2;rauembe märtet 
ba^ 2!rauerial^r nid^t ab;" eine ber beiben SRid^ten mufe 
e^ merben* SBol^I bie mit bem „golbenen ^umor" feiner 
grau. ©0. ge^t e§. Unb bie SEBitmen finb nod^ Pinfer 
ate bie SBitmer! — 

©mpfiel^l mid^ atterfeitg aufi8 ^erjlid^fte, befonber^ 
^ante Qol^anna. SBie immer S)ein alter. 














7^ 






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