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Full text of "Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach herbartischen Grundsätzen: ein theoretisch ..."

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Theorie und Praxis 



des 



Yolksschulunterrichts 



nach Herbartischen Grundsätzen 



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Bearbeitet 

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A Pickel und E Scheller 

Seminaroberlebrer f Seminarlehrer 

ZU Eisenach 



VI Band 

Das sechste Schuljahr 



Leipzig 

Verlag von Heinrich Bredt 
1900 



Das sechste Schuljahr 



Ein theoretisch-praktischer Lehrgang 
für Lehrer und Lehrerinnen 

sowie zum Gebrauch iu Semiuaren 



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Dr W Rein 

ProfesBor au der Universität Jena 

A Pickel uud E Scheller 

Seminaroberlehrer f Seminarlehrer 

ZU Eisenach 



Dritte Auflage 



Leipzig 

Verlag von Heinrich Bredt 
1900 








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Vorwort zur dritten Auflage 

Der VI. Band unserer „Schuljahre" wird hier zwar in neuer Auf- 
age, aber doch im ganzen nicht wesentlich verändert vorgelegt. "Wenn 
wir auch das Bedürfnis fühlten, einzelne Abschnitte einer gründlichen TJm- 
arbeitung zu unterziehen, so schien uns der Zeitpunkt dazu noch nicht ge- 
kommen angesichts mancher schwebenden Fragen in der speziellen Methodik. 

Den Abschnitt über den deutschen Unterricht hat Herr Oberlehrer 

• - 

Lehmensick in Jena durchgesehen, den über B^umlehre Herr Seminar- 
lehrer E.eich in Eisenach unter pietätvoller Berücksichtigung der ge- 
gebenen Ausfährungen, die aus der Feder unseres verstorbenen Mit- 
arbeiters, des Herrn Seminaroberlehrers Pickel, stammten. 

Jena und Eisenach, Herbst 1899 

Die Yerfasser 



J'J 9?^ 



Inhalt 



Seite 
A HiBtorisch-hunumiatiBChe Fächer 

I Gesinnungsunterricht (S. 1 — 44): 

1. Biblische Geschichte 1—27 

2. Geschichte 28—44 

n Kunstunterricht (S. 45—63): 

1. Zeichnen , . . 45—46 

2. Singen 47—63 

III Sprachunterricht 64—90 

B Naturwissenschaftliche Fächer 

IV Erdkunde 91—108 

V Naturkunde 109—116 

VI Mathematik (S. 117—182): 

1. Raumlehre 117—157 

2. Rechnen 158—182 



I Der Religions-Ünterriclit*) 

Lltteratur : Siehe das „vierte Schuljahres S. 1 und ebendaselbst im „fünften*' 
Schuljahr**. Yergl. auch Lietz: „Der Leben- Jesu-Unterricht in der £rziehungs- 
schule** in Keins encyclop. Handbuch der Pädagogik, Bd. IV. Eine Zusammen- 
stellung der neueren Li tteratur. 5. Schulj. 3. Aufl. S. 30ff. Thrändorf, Der 
KeL-ünterr. I. 2. Aufl. Dresden, 1898. 

I Die Anordnung des Stoffes 

Über Auswahl und Anordnung des biblischen Hauptstoffes für das 
sechste Schuljahr haben wir uns schon im „fünften Schuljahr" (S. 1 — 3) 
ausgesprochen und wiederholen daher nur, dass wir dort zu dem Vor- 
schlag gelangten, dem sechsten Schuljahr die Behandlung der zweiten 
Hälfte des Lebens Jesu zuzuweisen. Hierfür aber bleiben uns übrig : 
einmal die schwierigeren Wundergeschichten und die Haupt- 
masse der Gleichnisse, sodann die Bergpredigt und die Ge- 
schichten vom Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. 

Wir bringen die erstgenannten Stoffe nicht in geschlossenen Gruppen 
— diese Gruppierung überlassen wir der Thätigkeit der Schüler — sondern 
wiederum in ungezwungener Abwechslung; chronologisch geordnet tritt 
axxB naheliegenden Gründen nur die Leidensgeschichte auf. Dass die 
Bergpredigt den Schluss der Lehre Jesu bildet, ist wohl mit dem Hinweis 
auf ihre Schwierigkeit genügend begründet, und dass die Leidensgeschichte 
Als Abschluss des Ganzen auftritt, ist nicht bloss sachlich notwendig, 
sondern empfiehlt sich auch methodisch wegen der Schwierigkeit, die 
Schüler in das historische und religiöse Verständnis des irdischen Aus- 
ganges Jesu einzuführen. 

Diese Bemerkungen (cf. auch V. Schuljahr, S. 1 — 4) mögen genügen ; 
doch darf nicht unausgesprochen bleiben, dass in der von uns getroffenen 
Stoffauswahl für das fünfte und sechste Schuljahr nicht etwa ein Urteil 
über das Nichtgeeignetsein anderer**) evangelischer Erzählungen oder 



*) Von einer Umarbeitung dieses Abschnittes ist jetzt noch abgesehen 
worden, da die Fragen des Unterrichts über alttestamentliche Prophetie und das 
Leben Jesu sich im Flusse befinden und die Bearbeitung des Stoffes für das 
VI. Schuljahr nach unserem bisherigen Plane sehr eng mit dem des V. ver- 
knüpft ist. (S, das V. Schuljahr, 3. Aufl.) 

**) Vieles davon, das man nicht als besondere methodische Einheit durch- 
iirbeiten mag oder kann, wird ganz gut auf den fünften Stufen der behandelten 
Einheiten als Aufgabe auftreten können. 

1 



2 Das sechste Schuljahr. 

Stücke liegen soll; wir wollten nicht erschöpfen, sondern nur anregen. 
Über unsere Stellung zu dem T hr an dorf sehen Vorschlag (Anschluss 
des Lebens Jesu an die Lektüre des Matthäusevangeliums) haben wir 
uns im V. Schuljahr, 3. Aufl., ausgesprochen. Der Text der biblischen 
Geschichten ist aus den ebendaselbst angegebenen Gründen gleichfalls 
nicht abgedruckt. 

2 Die Gliederung des Stoffes 

1. Das Gleichnis vom Säemann. 

2. Das Gleichnis vom Unkraut unter dem "Weizen. 

3. Das Gleichnis vom Schatz im Acker und von der Perle. 

4. Das Gleichnis vom grossen Abendmahl. 

5. Der Kranke am Teiche Bethesda. 

6. Die Stillung des Sturmes. 

7. Die Heilung des Blindgeborenen. 

8. Das Gleichnis von den Arbeitern im "Weinberg. 

9. l)as Gleichnis von den anvertrauten Zentnern. 

10. Vom reichen Mann und vom armen Lazarus. 

11. Das Gleichnis von den zehn Brautjungfrauen. 

12. Vom Weltgericht. 

13. Die Bergpredigt. 

14. Maria und Martha. 

15. Die Auf erweckung des Lazarus. 

16. Die Feinde Jesu. 

17. Die Salbung Jesu in Bethanien und sein Einzug in Jerusalem. 

18. Jesu Streitreden gegen seine Feinde. 

19. Der Verrat des Judas. 

20. Die Fusswaschung und das heilige Abendmahl. 

21. Jesus in Gethsemane. 

22. Jesus vor den Hohenpriestern. Verleugnung des Petrus, Ende des 
Judas. 

23. Jesus vor Pilatus. 

24. Jesu Kreuzigung. 

25* Begräbnis und Auferstehung Jesu. 
26. Jesu Himmelfahrt. 

3 Das Lehrverfahren 

A Im allgemeinen 

Hierüber verweisen wir auf das im „fünften Schuljahr" (S. 4 — 5) 
Gesagte und Angeführte. 

B Im besonderen 

1 Das Gleichnis vom Säemann 

(Matth. 13, 1—9.) 

Ziel: Überschrift." 

1. Stufe. Thätigkeit des Säemanns. Abhängigkeit des Ausfalla 
der Ernte von der Bodenart. 



Das sechste Schuljahr, 3 

2. Stufe. Zur Besprechung. Der Erfolg der Säemannsarbeit und 
der Grund hiervon; die erste Bodenart ist nicht weich, die zweite nicht 
tief, die dritte nicht rein, die vierte aber ist weich und tief und rein, 
darum kann der Samen nur auf ihr gedeihen. 

Zur Deutung: Der Säemann ist Jesus (und Gott), die Samen- 
kömer sind die Worte Gottes, welche Jesus verkündigt, das Saatfeld sind 
die Menschenherzen, der viererlei Boden bedeutet viererlei Herzen. Mit 
der ersten Bodenart sind die Hartherzigen gemeint (Absalom, der Schalks- 
knecht), in die das Wort Gottes gar nicht eindringt; mit der zweiten 
Bodenart sind die Oberflächlichen gemeint (z. B. Saul), bei denen das 
Wort Gottes nicht in die Tiefe dringt und darum durch Versuchung oder 
Trübsal bald vernichtet wird ; mit der dritten Bodenart sind die geteilten 
oder unreinen Herzen (Volk Israel, David im Fall) gemeint, in denen 
das emporspriessende Gute durch das rascher wachsende Böse unterdrückt 
wird ; mit der vierten Bodenart sind die guten Herzen gemeint (Abraham, 
Moses), bei welchen die Worte Gottes in die Tiefe dringen und dort, 
ungestört durch böse Nachbarn, zu guten Gesinnungen und guten Thaten 
(Früchten) reifen. Freilich ändern sich gar oft die Menschenherzen, sie 
gehören manchmal zu dieser, manchmal zu jener Bodenart (Saul und David). 

3. Stufe. Auch heute noch finden wir die viererlei Bodenarten bei 
den Menschen, jeder Christ gehört zu einer derselben, aber der rechte 
Christ muss der vierten Bodenart gleichen, und er kann auch selbst viel 
dazu thun, dass sein Herz immer weicher und tiefer und reiner werde, 
damit die Worte Christi immer mehr Frucht bringen (Beispiele). Nur 
wer auf solche Früchte seines Lebens hinsehen kann, ist glückUch und 
selig hier und dort. 

4. Stufe. „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren" (be- 
kannt). 

5. Stufe. Jesus schloss sein Gleichnis mit den Worten: „Wer 
Ohren hat zu hören, der höre." Was sollst du für dich aus dem 
Gleichnis heraushören? 

Auch heute noch wird das Wort Gottes ausgesät. Wo und von wem ? 
Kannst du auch ein Säemann werden? 



2 Das Gleichnis vom Unicraut unter dem Weizen 

(Matth. 13, 24—30.) 
Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Die Ansicht der Kinder und des Landmanns über das 
im Weizenfeld wachsende Unkraut; Weizen und Unkraut wird bei der 
Ernte geschieden (Wurf schaufei), nur die reine Weizenfrucht wird zur 
Nahrung aufbewahrt. 

2. Stufe. Zur Besprechung; Nicht der Herr des Ackers, sondern 
sein Feind bringt das Unkraut unter den Weizen. Der Rat der Knechte 
ist gut gemeint, aber thöricht; darum lässt der Herr das Unkraut und 
den Weizen bis zur Ernte stehen, um beides erst dann durch seine 
Schnitter scheiden zu lassen. 

Zur Deutung; Die Elinder deuten das leichte Gleichnis und ver- 
gleichen dann ihre Deutung mit der des Herrn (Matth. 13, 36 — 43). 
Diese Deutung ist noch in folgender Weise zu erweitem: Alles Gute in 

1* 



4 Das sechste Schuljahr. 

der Welt kommt von G-ott und Christus, alles Böse kommt von der 
SündCi die aus dem Herzen der Menschen herauswächst (Beispiele). Der 
Wunsch mancher rechtschaffenen Menschen, doch die Bösen aus der Welt 
wegschaffen zu können, ist thöricht, da sie Bosheit und Oüte, die ja im 
Herzen wohnt, nicht sehen und imterscheiden können; und wenn sie den 
Menschen in's Herz sehen könnten, so würden sie darin stets eine 
Mischung von Ghit und Bös, von Weizen und Unkraut, antreffen. Die 
Menschen unterscheiden sich nur durch die verschiedene imd stets 
wechselnde Menge und Herrschaft des einen und des anderen. Eiin 
richtiges und gerechtes Urteil üher sie kann darum nur von G-ott am 
Ende ihres Lehens ausgesprochen werden. 

3. Stufe. Den eifrigen aher unklugen Knechten gleichen alle 
diejenigen Menschen, welche hart und streng üher ihre sündigen Brüder 
richten; sie richten sich damit seiher, da sie ja auch nicht ganz frei 
sind von Unkraut. 

4. Stufe. „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet." 

5. Stufe. Welcher Trost und welche Mahnung für uns liegt in 
diesem G-leichnis? Vergleicht dies Gleichnis mit dem vom Säemann. 



3 Die Gleichnisse vom Schatz im Acicer und von der Perle 

(Matth. 13, 44—46.) 

Ziel: Überschrift, 

1. Stufe. Erinnerung an Menschen, die grosse Schätze besassen, 
und an das, was sie thaten, um diese Schätze zu gewinnen oder zu be- 
halten. 

2. Stufe. -Zur Deutung: In beiden Gleichnissen wird das 
Himmelreich mit kostbaren Dingen verglichen, und für ihren Gewinn 
wird beide Male alle andere Habe hingegeben; Jesus meint also, dass 
das Himmelreich für den Menschen das Kostbarste und Wertvollste in 
der ganzen Welt sei. Der Unterschied zwischen beiden Gleichnissen 
besteht nur darin, dass das Himmelreich von manchen Menschen gefunden 
wird, ohne dass es gesucht wurde, von anderen aber gesucht und ge- 
funden wird. 

3. Stufe. Schon vor Christus Hess Gott das Volk Israel Stücke 
aus dem Schatze des Himmelreichs (Zehn Gebote, Sendung der Propheten) 
finden, durch Christus hat er aber dem Volk Israel und allen Völkern 
den ganzen Schatz des Himmelreichs und seiner Seligkeit geschenkt. 
Auch haben schon vor Christus die besten Männer des Volkes Israel 
nach guten Perlen gesucht, darum Hess auch Gott das Volk Israel 
durch Christus zuerst die köstliche Perle finden. Alle aber — mögen 
sie nun vor Christus oder zu seiner Zeit gelebt haben — die erst ein- 
mal den hohen Wert des Himmelreichs erkannt hatten (z. B. Moses, 
Elias, Simon Petrus, Matthäus), gaben gern das, was sie vorher liebten 
und schätzten (bequemes und fröhliches Leben, Hab und Gut, Lieblings- 
neigungen u. s. w.) hin, um das Himmelreich — die Liebe Gottes und 
die Freundschaft Christi — zu gewinnen. 

4. Stufe. „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach 
Himmel und Erde." 



Pas sechste Schuljahr. 5 

5. Stufe. Alle Christen sind entweder nach dem ersten oder nach 
dem zweiten G-leichnis in den Besitz des Himmelreichs gelangt ; viele auch 
auf beiderlei Weise zugleich (Nachweis). 

Kein Christ darf aufhören, nach dem Himmelreich zu suchen. 
Warum? 

Was kannst du jetzt und was musst du später für das Himmelreich 
hingeben ? 

4 Das Gleichnis vom grossen Abendmalil 

(Luk. 14, 16^24.) 

1. Stufe. Die Schüler sprechen sich aus über die Freuden und 
Genüsse eines Ghistmahls (damaliger Zeit), über den dazu erforderlichen 
E^ichtum des Einladenden und über die Ehre einer solchen Einladung. 

2. Stufe. Zur Besprechung der Geschichte: Viele auserwählte Ge- 
sellschaft ist geladen zu dem grossen Freudenmahle, aber sie kommt 
nicht. Die Entschuldigungen der Eingeladenen sind ungenügend und 
thöricht; sie wollen nicht kommen, weü ihnen ihre eigeneli Angelegen^ 
heiten (Besitz, Geschäft, Familienverhältnisse) wichtiger sind, als die 
Kücksicht auf den Gastgeber und auf die von ihm bereiteten Freudetii 
Darum lädt der Herr geringe Leute zu seinem Abendmahl ein und 
schliesst die zuerst Geladenen aus. 

Zur Deutung: Gott, der Herr, hat in alten Zeiten das Volk Israel 
durch seine Knechte, die Propheten, und zuletzt eben wiederum durch 
seinen Sohn zu den Freuden der Gottseligkeit einladen lassen und hat 
gerade durch seinen Sohn die ganze Herrlichkeit und Seligkeit der 
Gotteskindschaft offenbart. Aber sowohl früher als jetzt gab es viele 
(das Volk Israel, die Pharisäer, das jüdische Volk, welches rief: Kreuzige 
ihn), die nichts von der freundlichen Einladung Gottes und Christi wissen 
wollten, weil ihnen die Sorge für sich wichtiger und freudenreicher 
erschien, als die Sorge für Gott, oder weil sie sich einbildeten, dass sie 
schon wegen ihrer eigenen Gerechtigkeit und Heiligkeit an der Freuden«- 
tafel des Himmelreiches sitzen müssten. Darum wandte sich Jesus mit 
seiner Einladung an die Armen und Verachteten, die Demütigen und 
Bussfertigen, die Fischer, Zöllner und Sünder, und diese folgten gerne 
seinem £,uf. Und als das jüdische Volk den Heiland für seine Einladung 
gekreuzigt hatte, da ging die Einladung an die verachteten, aber demütigen 
Heiden, auch an unser Volk, und sie hörten die freundlichen Worte und 
bekehrten sich und erfreuten sich an den Gaben des Himmelreichs. 

3. Stufe. Auch heute noch dauert das Gti.8 tmahl Gottes fort, auch 
heute lädt er und Christus die Menschen dazu ein (wo ? wie ?), auch heute 
noch halten gar manche ihre eigenen irdischen Angelegenheiten (Beispiele !) 
für wichtiger als Gottes Einladung und erwarten in ihrem Hochmut von 
der eigenen Arbeit mehr Freude, als von den Gaben Gottes. So ver- 
säumen sie über der vergänglichen irdischen Freude die himmlische Freude, 
die schon hier beginnt und dort nimmermehr aufhört, denn auch heute 
noch lässt Gott nur die demütigen und willigen Herzen sein Abendmahl 
schmecken. 

4. Stufe. „Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. 
•So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vater». 



6 Das sechste Schuljahr. 

Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den "Willen Gottes thut, 
der bleibet in Ewigkeit." 

Wiederholung: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig . . . 

5. Stufe. Wann und wie bist du schon zum grossen Abendmahl 
eingeladen worden? Wie lauten heutzutage die Entschuldigungen derer, 
die nicht kommen wollen? — Deutet das G-leichnis von der königlichen 
Hochzeit (Matth. 22 ; NB. ! Fürstliche Gkstgeber schenkten damals ihren 
Gästen ein hochzeitlich Kleid). 

5 Der Kranke »m Teiche Bethesda 

(Joh. 5, 1—18.) 

1. Stufe. Vertiefung und Klärung dessen, was die Schüler ven 
Heilquellen und deren Heilkraft wissen. Mitteilung der wichtigsten 
Notizen über den Teich Bethesda (resp. Lektüre von Joh. 5, 2 — 4). 

2. Stufe. Zur Besprechung: Jesus fühlt Mitleid mit dem armen 
Kranken, der in so langer Leidenszeit keine mitleidige Seele gefunden 
und der trotzdem geduldig und demütig geblieben ist. Der Kranke 
glaubt dem unglaublichen Wort, versucht sich aufzurichten, und sein 
Glaube wird durch völlige Heilung herrlich belohnt; der Herr aber ver- 
liert sich in der Menge, um dem Dank und dem Buhme auszuweichen. 
— Die Juden (wohl Pharisäer), welche peinlich streng auf die Sabbath- 
ruhe halten, tadeln den Geheilten, anstatt sich mit ihm, dem Fröhlichen, 
zu freuen, aber der Geheilte glaubt, mehr dem G-ebote des freundlichen 
und mächtigen Helfers als dem Gebot der Hartherzigen folgen zu müssen. 
Und als diese gar dem Heiland selber Vorwürfe machen, beruft der sich 
auf seinen Vater, der immer schaflFfc und wirkt und Gutes thut, auch am 
Sabbath, und dem er also nur dann ähnlich sein kann, wenn er auch 
alle Tage und also auch am Sabbath Gutes thut. — 

Aus der Mahnung des Herrn an den dankbaren (er ist im Tempel) 
Geheilten sehen wir, dass sich der letztere wohl sein Leiden durch sünd- 
haftes Genussleben zugezogen hat; aber sein Leid hat ihn wieder zu 
Gott geführt, der hat ihn durch seinen Sohn geheilt, damit er nun immer 
bei ihm und seinem Worte bleibe. 

3. Stufe. Der Vergleich dessen, was der freundliche Herr an dem 
mit Schuld und Leid beladenen Kranken that, mit andern Äusserungen 
seiner Heilandsliebe und mit dem, was er heute noch durch sein Wort 
und seine rechten Jünger für die Linderung irdischen Elendes thut, führt 
zu einer weiteren Verstärkung des Spruches: 

4. Stufe. „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen 
seid, ich will euch erquicken." 

5. Stufe. Wie kannst du dem Heiland nachfolgen (in Bezug auf 
die Mühseligen und Beladenen)? 

6 Die Stillung des Sturmes 
(Matth. 8, 23—27.) 

Ziel: Jesus und seine Jünger im Sturm auf dem See. 
1. Stufe. Der See Genezareth, an seinen Ufern die Haupt- 
wirkungsstätte Jesu. Wie geht's im Sturme (auf dem Lande, zur See) 



Das sechste Schuljahr. 7 

zu? "Wie werden sich Jesu Jünger benehmen? Wie wird sich der 
Herr verhalten? 

2. Stufe. Zur Vertiefung: Anstatt darauf zu vertrauen, dass 
der Herr Jesus und sein Vater mit ihnen ist, verzagen die Jünger in 
der Gefahr ; sie sehen eben nur auf die Not, die sie bedrängt und be- 
droht, und vergessen darüber die Macht und die Liebe Gottes, auf den 
sie doch — nach Jesu "Wort — überall und immer vertrauen können 
und sollen. Jesus allein behält in der Not den rechten grossen Glauben ; 
er denkt nur an seinen allmächtigen Vater im Himmel und ruht in dem 
festen Vertrauen, dass ihm nichts geschehen kann, als was sein Vater 
will. Darum tadelt er den Kleinglauben der Jünger und zeigt ihnen 
durch die wunderbare Stillung des Sturmes, dass Gott auch in der 
grössten Not retten kann und retten will, und dass sie also an jedem 
Ort und zu jeder Zeit sicher und getrost in Gottes Hand ruhen können 
und — wenn sie ihrem Meister ähnlich sein wollen — auch sollen. 

3. Stufe. Aus einer reichen Anzahl nahe liegender Beispiele 
(Abraham, Moses, Volk Israel u. s. w.) ergiebt sich, dass die Frommen 
und Halb&ommen (Nichtfrommen) aller Zeiten sich in der Not verhalten 
haben, wie Jesus und seine Jünger. Alle, die mehr auf die Not (auf 
das, was wider sie war) sahen, verzagten, alle, die mehr auf Gott (auf 
den, der für sie war) sahen, blieben ruhig und getrost und wurden von 
Gott errettet. Auch heute ist das noch gerade so (Beispiele). 

4. Stufe. „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein!" Wieder- 
holung : Gott ist unsere Zuversicht . . . Verlass dich auf den Herrn . . . 
E,ufe mich an ... Der Herr ist nahe . . . und die übrigen Aussprüche 
des Gottvertrauens. 

5. Stufe. Was ist jetzt wider dich? Was kann später wider 
dich sein? Wann bist du ein rechter Jünger des Herrn? Zum Er- 
klären und Lernen: das Lied „In allen meinen Thaten ..." (mit Auswahl). 



7 Die Heilung des Blindgeborenen 

(Joh. 9, 1—38.) 

Ziel: Von Jesus und einem Blindgeborenen. 

1. Stufe. Das Unglück eines Blindgeborenen, die Teilnahme, die 
ihm gebührt (cf. V. Schuljahr, N. 15). 

2. Stufe. Zur Vertiefung: Die Frage der Jünger beruht auf der 
im jüdischen Volke herrschenden Meinung, dass Unglück stets eine Strafe 
für Sünde (Glück stets ein Lohn für Tugend) sei. Jesus verwirft diese 
Meinung durch den Ausspruch, dass der Unglückliche blind sei nur des- 
halb, damit er durch den Heiland sehend, glücklich und (nebst den 
Zeugen der göttlichen That) gläubig und selig werde — und erlöst den 
Armen von seinem Leid. Diese wunderbare That erregt beim Volke Be- 
wunderung, bei den Pharisäern Arger wegen der Sabbathentheiligung 
und Zwietracht wegen der göttlichen Sendung des Heilands; bald aber 
vereinigen sie sich dahin, dass der Heiland nicht als der gottgesandte 
Messias anerkannt werden dürfe, und bedrohen jeden anders Denkenden 
mit Ausstossung aus der Synagoge (Eärchengemeinde). Doch der Ge- 
heilte hält ihn trotzdem für einen Propheten, während seine ängstlichen 



8 Bas sechste Schuljahr. 

Eltern ihre Ansicht darüber nicht auszusprechen wagen. Als aber die 
Pharisäer den Keüand wegen der Sabbathentheiligung gar für einen 
Sünder erklären, behauptet der Geheilte mutig die göttliche Sendung 
des Wunderthäters und wird deshalb aus der Synagoge ausgestossen. 
Und als er von Jesus hört, dass sein Helfer der yerheissene Messias, 
der Sohn G-ottes, sei, glaubt er das von ganzem Kerzen und schliesst 
sich nun an diejenigen an, die durch den G-lauben an Jesus selig werden. 
So hat ihm Jesus auch die Augen des Herzens aufgethan, so dass sie 
die seligmachende Wahrheit erkannt haben. 

3. Stufe. Aus der Yergleichung des Blindgeborenen mit dem 
Kranken am Teiche Bethesda und mit bekannten alt-testamentlichen 
Personen (Jakob, Joseph u. s. w.) ergiebt sich eine neue Bestätigung 
des Gedankens, dass Gott aus Liebe seine Menschenkinder durch allerlei 
Leiden zur Frömmigkeit und Glauben erzieht. „Wen der Herr lieb hat, 
den züchtigt er." 

Die Yergleichung der beiden Blindenheilungen (cf. Y, 15) unter 
sich und mit anderen Beispielen von Erweckung des seligmachenden 
Glaubens durch Jesus führt zu der Erkenntnis, das die grösseren Wunder- 
thaten Jesu im Sehendmachen zahlloser blinder Herzen bestehen. „Ich 
bin das Licht der Welt ..." 

Aus dem Yergleich der beiden Sabbathheiligungen, zu dem auch 
unsere heutige Sonntagsheiligung heranzuziehen ist, ergiebt sich der 
Spruch: „Man mag wohl am Sabbath Gutes thun." 

4. Stufe. „Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er." „Ich bin 
das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in 
Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." Wiederholung: 
„Ich bin das Licht, ich leucht' euch für ..." — „Man mag wohl am 
Sabbath Gutes thun." 

5. Stufe. Wie soll der Christ über seine Leiden denken? Hat 
der Herr auch uns sehend gemacht ? Was ist die beste Sabbathheiligung ? 
(Konkrete Beispiele!) 



8 Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg 

(Matth. 20, 1-^16.) 

Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Die Thätigkeit des Arbeiters in einem Weinberg; die 
damalige Stundenberechnung von sechs Uhr morgens bis 6 Uhr abends. 

2. Stufe. -Zur Besprechung der Geschichte: Die erste Gruppe 
der Arbeiter arbeitet nur um des Lohnes willen, darum sind sie auch 
unzufrieden bei der Austeilung des gleichen Lohnes an alle Arbeiter und 
beneiden ihre Mitarbeiter. Die anderen Gruppen der Arbeiter haben 
alle kürzere Zeit als die erste gearbeitet (am kürzesten die letzte Gruppe), 
aber sie alle arbeiten nicht um des Lohnes willen, sondern sie freuen 
sich, dass sie Arbeit finden und vertrauen auf die Güte des Hausvaters. 
Bei der Lohnausteilung zeigt sich der Hausvater gegen die ersten Arbeiter 
gerecht, gegen die anderen gnädig, denn es freut ihn, dass sie mit der 
rechten freudigen und vertrauensvollen Gesinnung gearbeitet haben. 



Das sechste Schuljahr. 9 

Zur Deutung: Gott braucht viele Arbeiter (konkrete Ausführung 
der hier nötigen Arbeit!) für seinen Weinberg, das Himmelreich, und 
hat zu allen Zeiten durch seine Propheten, durch seinen Sohn und durch 
dessen Diener zur Weinbergsarbeit gerufen. Da fand er aber gar oft 
Arbeiter (besonders unter den zuerst Gerufenen, dem alten Volk Israel, 
den Pharisäern), die ihm nur um ihres Nutzens willen (Glück auf Erden, 
Ehre und Huhm bei den Menschen) dienen wollten. Er fand aber auch 
Arbeiter, die ihm freudig und gerne dienten, ohne nach Lohn zu fragen. 
Darum erhalten auch jene zum Lohn nur das, was sie erstrebt und er- 
wartet haben, diese aber unendlich mehr, als sie zu hoffen gewagt, Anteil 
am Himmelreich und die Seligkeit. Das giebt ihnen Gott aus Gnaden, 
weil sie mit der rechten Gesinnung gearbeitet haben, denn verdienen 
kann ja niemand die Seligkeit, da die Werke der Menschen immer un« 
genügend oder schlecht sind (Beispiele). 

3. Stufe. Auch heute noch ruft Gott Arbeiter in seinen Wein- 
berg (wen? wie? wozu?) und bekommt dabei solche, die nur um des 
Lohnes willen, und solche, die nur um Gottes willen arbeiten (konkrete 
Ausführung). Das Himmelreich wird aber nur denen zu teil, die ihre 
Hoffaung nicht auf eigenes Verdienst, sondern auf die Gnade Gottes bauen. 

4. Stufe. „Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst 
nicht bauen ..." (Str. 3 von „Aus tiefer Not schrei ich.") Wieder- 
holung: Bei dir gilt nichts, als Gnad' und Gunst . . . Wer sich selbst 
erhöhet ... 

5. Stufe. Vergleicht mit unserem Gleichnis die Gleichnisse vom 
Pharisäer und Zöllner und vom verlorenen Sohn. Erklärt und wendet 
an das Schlusswort des Gleichnisses : Also werden die Letzten die Ersten, 
und die Ersten die Letzten sein. 



9 Das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern 

(Matth. 25, 14—30.) 

1. Stufe. Die früheren Geldverhältnisse, ein Zentner Silbers etwa 
gleich 6000 Mark (cf. das Gleichnis vom Schalksknecht). Verwendung 
solcher Summen zum Gewinn neuer Summen durch Handel und Geschäft, 
oder zum Gewinn von Zinsen (Wucher) durch Darleihen an Wechsler 
(Bankiers). 

2. Stufe. Die drei Knechte, welche von ihrem Herrn verschiedene 
Summen (warum verschiedene?) anvertraut erhalten haben, verwalten 
dieselben in ganz verschiedener Weise. Die beiden ersten vermehren 
das Gut ihres Herrn durch eifrige Thätigkeit, der dritte lässt das Geld 
unbenutzt liegen. Bei der Rechenschaftsablegung lobt der Herr die beiden 
ersten Knechte mit gleichem Lobe, weil sie verhältnismässig Gleiches ge- 
leistet, weil sie mit gleicher Tüchtigkeit und Treue die verschiedenen 
Summen verwaltet haben; der dritte Knecht aber wird wegen seiner 
Faulheit und wegen seiner Schlechtigkeit (cf. seine verlogene und freche 
Bede) hart vom Herrn bestraft. 

Zur Deutung: Gott hat seinen Knechten, den Menschen, unermess- 
lich viele leibliche und geistige und himmlische Güter (reiche Beispiele !) 
zur Verwaltung anvertraut, aber jeder Knecht hat nach Gottes Willen 



10 Das sechste Schuljahr. 

yerschiedenen Anteil an diesem allgemeinen Gut (Beispiele !). Die rechten 
Diener Gottes vermehren in eifriger und gewissenhafter Arbeit die Güter 
Gottes bei sich und anderen (biblische Beispiele!); sie leisten ganz Ver- 
schiedenes, aber Gott sieht nur auf die Treue, mit der sie arbeiten, und 
ist die Treue gleich, so sind ihm auch alle gleich lieb. Starkes Miss- 
fallen dagegen hat er an denjenigen Menschen, die ihre grösseren oder 
kleineren Gaben nicht zum Aufbau des Himmelreichs verwenden, sondern 
aus Faulheit und Untreue unbenutzt liegen lassen; ihnen schwindet 
deshalb auch das, was sie haben. 

3. Stufe. Auch heute ist die Ungleichheit unter den Menschen 
unendlich gross, und viel Neid und Hochmut ist deswegen unter ihnen. 
Doch das ist nicht recht. Gott wollte die Ungleichheit, aber die nied- 
rigsten und die höchsten Menschen können durch gleiche Treue auch 
das gleiche Wohlgefallen Gottes und damit auch das höchste -Ziel ihres 
Lebens erreichen, während die Ungetreuen, auch wenn sie auf Erden zu 
den Höchsten gehörten, doch vor Gott die niedrigsten sind. 

4. Stufe. „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone 
des Lebens geben" (bekannt). 

5. Stufe. Welcher Trost für die armen und geringen, und welche 
Warnung für die vornehmen und gewaltigen Menschen liegt in diesem 
Gleichnis ? 

Warum brauchst du jetzt und später niemand zu beneiden, und 
warum darfst du niemand verachten? 



10 Vom reichen Mann und vom armen Lazarus 

(Luk. 16, 19-31.) 

1. Stufe. Betrachtung über den Eeichtum des einen, die Armut 
des anderen und über die daraus hervorgehende Gesinnung gegen Gott 
und den Nächsten. 

2. Stufe. Die Sünde des Reichen ist die rücksichtslose Selbstsucht, 
die ihn alles ausser dem eigenen Genuss, die ihn Gott und die Not des 
Nächsten übersehen und vergessen lässt. Das Lobenswerte am armen 
Lazarus ist, dass er sein elendes Leben mit Demut und Ergebung und 
ohne Neid gegen seinen beglückten Nächsten erträgt. Der Tod kehrt 
die irdischen Verhältnisse beider völlig um, er bringt den Armen zur 
Glückseligkeit und stösst den B.eichen in Unseligkeit, aber nicht etwa 
weil der erste auf Erden arm und der andere reich war, sondern weil 
der erste sich Armut und Elend zur Gottseligkeit dienen Hess, während 
der Reiche seinen Reichtum missbrauchte und sich durch ihn zu einem 
selbstsüchtigen Leben ohne Gott verfahren Hess. Die Freuden des einen 
und die Schmerzen des anderen im Jenseits sind wohl als Freuden des 
guten und als Qualen des bösen Gewissens aufzufassen; was Gottes Gnade 
und Gerechtigkeit dem Menschen im Jenseits sonst noch an Freud und 
Leid bereitet, wissen wir nicht. In der Bitte des Reichen in Betreff 
seiner Brüder liegt eine Anklage gegen Gottes mangelhafte Anstalten zur 
Belehrung und Warnung der Menschen, aber mit Recht weist Abraham 
den Ankläger darauf hin, dass Gott durch Moses und die Propheten 
reichlich genug zur Besserung und Beseligung des Volkes Israel gethan hat. 



Das sechste Schuljahr. 11 

Zur Deutung: Mit dem reichen Manne sind alle diejenigen ge- 
meint, die sich durch den Besitz und den blinden Genuss irdischer Güter 
zum Unglauben gegen Gott, zur Missachtung seiner Gebote und zur 
Hartherzigkeit gegen ihre armen Brüder verleiten lassen (z. B. ?); mit 
dem armen Lazarus aber sind diejenigen gemeint, welche Armut und 
alles sonstige Elend mit Geduld und Ergebuug tragen und sich zu stetem 
Zuwachs an Glauben und Gottseligkeit dienen lassen (z. B.?). Gottes 
Gnade wird die letzteren zur Seligkeit führen, Gottes Gerechtigkeit wird 
die ersten in die Unseligkeit stossen. Sie können aber dann noch viel 
weniger als jener Eeiche gegen Gott klagen, denn Gott hat ihnen ja 
mehr ab Moses und die Propheten, er hat ihnen seinen Sohn als Weg- 
weiser und Seligmacher gegeben. 

3. Stufe. Weitere Beispiele aus dem biblischen und nichtbibhschen 
Erfahrungskreis der Schüler zur Bestätigung der eben entwickelten Ge- 
danken. 

4. Stufe, n*^^^^^ BÜid, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet 
werden." 

Zur Wiederholung : Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln . . . Wer 
da weiss, Gutes zu thun . . . Selig sind die Barmherzigen . . . 

5. Stufe. Wie können wir dem armen Lazarus gleichen? Das 
Gleichnis ein Trost und eine Warnung für alle Christen. 



11 Das Gleichnis von den zehn Brautjungfrauen 

(Matth. 26, 1—13.) 

Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Kurze Besprechung unserer Hochzeitsgebräuche, so weit 
sie Beziehung zum Gleichnis haben. 

2. Stufe. Kulturhistorisches: Ermittelung der damaligen 
Hochzeitsgebräuche aus der Erzählung. 

Besprechung des Thatsächlichen: Feststellung und Beurteilung der 
Achtsamkeit der klugen und der Unachtsamkeit der thörichten Jungfrauen. 

Zur Deutung: Mit den zehn Jungfrauen sind die Christen gemeint, 
die auf ihren irdischen Wegen ihrem himmlischen Bräutigam Christus 
entgegengehen ; der Vermählungstag ist der Todestag des Christen. Aber 
es giebt verschiedene Christen, thörichte und kluge. Die thörichten sind 
die schlechten, die halben Christen, die nur etwas Glauben und Liebe 
haben, die mit halbem Herzen Christus, mit halbem Herzen sich und 
die Erdenfreuden lieben und die Besserung immer hinausschieben, ohne 
daran zu denken, dass sie nicht wissen, wann ihr letztes Stündlein schlagen 
wird. Die klugen Christen sind die rechten, ganzen Christen, die ihr 
ganzes Herz Christus geben, die immer zunehmen an Glauben und Liebe, 
die über ihr Herz wachen und wohl darauf achten, dass ihr Herz stets 
würdig sei, sich mit dem Herrn zu vereinigen. Darum werden auch die 
thörichten Christen vom Tod überrascht und geängstigt und werden dann 
zur Strafe für ihre Unachtsamkeit und Leichtfertigkeit von den Freuden 
der Seligkeit ausgeschlossen. Die rechten Christen aber, die stets wach- 
sam und stets bereit waren zur völligen Vereinigung mit dem Herrn, 



12 Das sechste Schuljahr. 

sind auch bereit, wenn der Tod unerwartet kommt, und können getrost 
sterben, denn sie gehen ein zu ihres Herrn Freude. 

3. Stufe. Beispiele von solchen, die der Tod wachsam und bereit 
fand, und von solchen, die er überraschte in ihren Sünden. 

4. Stufe. „Mache dich, mein Geist, bereit . . . (Str. 1, 2, 10). 
Zur Wiederholung : Wachet und betet . . . Wer da kärglich säet . . . 

Selig sind die Toten . . . 

5. Stufe. Wann werdet ihr den klugen und wann den thörichten 
Jungfrauen gleichen? Erklärt und wendet an: ,. Wachet, wachet, Men- 
schenkinder ..." (Str. 1.) — Zusammenstellung und Ordnung samt* 
lieber Gleichnisse. Erwägungen über den Zweck, die Bedeutung und 
den Erfolg der Gleichnisse Jesu. 

12 Vom Weltgericht 

(Matth. 26, 31—46.) 

1. Stufe. Keproduktion dessen, was die Schüler von Gerichten 
Gottes (und Christi) auf Erden und nach dem Erdenleben (cf die Gleich- 
nisse) wissen. Einmal muss das letzte Gericht Gottes über alle Menschen 
kommen. 

2« Stufe. Wann das letzte (jüngste) Gericht über alle Völker der 
Erde stattfinden wird, wissen wir nicht; jedenfalls aber wird es statt- 
finden und zwar dann, wenn Gott im Diesseits und Jenseits alles gethan 
hat, um alle, die von ihm abgefallen sind, oder die ihn und seinen Sohn 
noch nicht kennen, zu seinen Kindern zu machen. Der Eichter, durch 
den Gott richtet, ist Christus als der Verkündiger und Vollender des 
göttlichen Willens. Er wird die Menschen scheiden in solche, die der 
Gnade Gottes wert und nicht wert sind. Das Merkmal der Würdigkeit 
sind wahrhaft gute Thaten, die aus reiner Nächstenliebe hervorgehen; 
und nur diejenigen Menschen also, die dem Herrn Christas in thätiger 
Menschenliebe gegen alle Liebebedürftigen ähnlich sind, erkennt er als 
seine wahren Jünger und als Genossen seines Reiches an. Diejenigen 
aber, welche teilnahmlos, lieblos und thatlos an der Not und dem Elend 
ihrer Brüder vorübergehen, die versündigen sich schwer an dem Gott 
der Liebe, sie verachten und verhindern mit Herz und That die Herr- 
schaft Gottes, auch wenn sie den Namen des Herrn auf ihren Lippen 
tragen; darum können sie auch nicht Genossen des Reiches Gottes 
werden, sie schliessen sich selbst durch ihre Lieblosigkeit aus demselben 
aus und verfallen der TJnseligkeit, die überall da ist, wo Gott nicht ist. 

3. Stufe. Weitere Beispiele bestätigen, dass der Wert jedes 
Menschen nur in seiner Liebe zu Gott und den Brüdern liegt, und dass 
die wahre und rechte Liebe sich nicht in schönen Gefühlen und Worten, 
sondern im guten Willen und in guten Thaten offenbart; nur wo der 
Wille Gottes mit Ernst und Eifer und Treue vom Menschen erstrebt und 
vollbracht wird, da ist Gotteskindschaft. 

4. Stufe. „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr! Herr! 
in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun meines Vaters 
im Himmel." Wiederholung: Du sollst lieben Gott, deinen Herrn . . . 

6. Stufe. Wie müssen wir zeigen, dass wir wahre Jünger Jesu 
sind? Erklärt und wendet an Matth. 7, 16—20. 



Das sechste Schuljahr. 13 

13 Die Bergpredigt 

(Matth. 5-7.) 

Yorbemerkung. Wir behandeln die Bergpredigt teils wegen ihrer 
Schwierigkeit, teils wegen ihres Geeignetseins zur Zusammenfassung der 
Lehre Jesu erst an dieser Stelle. Aber wie? Da die Bergpredigt fast 
durchaus aus einer B«ihe von abstrakten Sätzen („Systemen") besteht, 
die innerhalb der formalen Stufen neu nur auf der Stufe der Zusammen- 
fassung oder auf der Stufe der Anwendung auftreten können, so empfehlen 
sich zweierlei Formen ihrer methodischen Behandlung. Entweder werden 
die einzelnen Stücke, in welche die Bergpredigt natürlich zu zerlegen 
ist, den Schülern einfach als Aufgaben zur vollständigen Erklärung und 
zur Anwendung auf das davon getroffene konkrete Material gegeben, 
so dass also eine grosse fünfte Stufe entsteht, oder der Hauptinhalt 
eines jeden Stücks wird den Schülern in Fonn einer Zielfrage vorgelegt, 
worauf sie das einschlägige konkrete Material herbeischaffen, sich in 
dasselbe vertiefen und aus demselben die zu findende allgemeine "Wahr- 
heit abstrahieren (erste, zweite, dritte Stufe) ; hierauf wird der gefundene 
Satz durch die klassischen Worte des Textes berichtigt oder bestätigt 
(vierte Stufe), um schliesslich — nach völliger Erläuterung des biblischen 
Wortlautes — auf anderweitiges konkretes Material, besonders auf die 
jetzigen und künftigen Lebensverhältnisse des Schülers zurückzuleuchten 
(fünfte Stufe). In der ersten Form müssen die nunmehr genügend vor- 
gebildeten Schüler, wenn sie halbwegs tüchtig sind, arbeiten können, zu- 
mal ihnen ja viele Stellen der Bergpredigt schon aus dem früheren 
Unterricht bekannt und geläufig sind, die zweite Form empfiehlt sich 
im allgemeinen bei geringerer Schülerqualität und im besonderen bei 
schwierigeren Stücken. Wir möchten daher dem Wechsel zwischen 
beiden Formen, ja sogar einer Mischung derselben das Wort reden, auch 
in dem Sinne, dass z. B. die selbständige Erklärung eines Stückes 
mittelst einer kurzen, durch eine Zielangabe angeregten Vorbereitung 
angebahnt wird. Das TJrteü darüber, ob an der einzelnen Stelle diese 
oder jene Form anzuwenden sei, überlassen wir dem Lehrer und geben 
daher nur bei einigen wenigen Stücken eine knappe Skizze der ver- 
schiedenen Behandlungsweisen. Bei den übrigen Stücken können wir 
uns mit einigen kurzen Bemerkungen begnügen, da ein gewisser Reichtum 
von Erläuterungen zur Bergpredigt vorliegt. 

1. Nach einer allgemeinen Vorbereitung, die im wesentlichen in 
einer Reproduktion der den Schülern schon bekannten Stellen der Berg- 
predigt besteht, wird das Ziel aufgestellt: Wir wollen das erste Stück 
der Bergpredigt lesen, in welchem der Herr allerlei Gesinnungen selig 
(d. h? als zur Seligkeit führende) preist. Ihr kennt schon einige Selig- 
preisungen. Reproduktion derselben. Die erste Sinnesart, die Jesus 
selig preist, haben wir schon im (3-leiohnis vom Pharisäer und Zöllner 
kennen gelernt. Was gefiel und missfiel dem Herrn (und auch euch) an 
den beiden? Aus der hierdurch angeregten Vertiefung und Ver- 
gleichung ergiebt sich: Beide waren arm an Rechtschaffenheit und 
Frömmigkeit (d. s. „geistliche" Dinge), aber nur der Zöllner fühlt diese 
Armut, während der hochmütige Pharisäer sich für reich hält an geist- 



14 Das sechste Schuljahr. 

liehen Dingen ; nur der Zöllner wird daher durch den Druck seiner Ar- 
mut zu Schmerz, £.eue, Q^lauben und Besserung getrieben, die Erkenntnis, 
„geistlich arm'^ zu sein, führt ihn zu geistlichem Reichtum und zur 
Seligkeit, während der Pharisäer wegen des Mangels dieser Erkenntnis 
in seinen Sünden beharrt. 

Erklärung und Einprägung der ersten Seligpreisung. Anwendung: 
Kennt ihr noch mehr geistlich Arme ? (Der verlorene Sohn, Zachäus u. s. w.) 
Wie könnt ihr zeigen, dass ihr geistlich arm seid? 

Die übrigen Seligpreisungen, die an sich leicht und den Schülern 
meist schon bekannt sind, können nun ohne Vorbereitung von ihnen er- 
klärt und auf das betreffende konkrete Material angewandt werden. Zur 
fünften Seligpreisung z. B. werden herangezogen Barmherzigkeitserweise 
gegen Notleidende (Ruth, Abraham, der Samariter u. s. w.) und gegen 
Schuldbeladene (Joseph, Esau, Moses, David u. s. w.). 

2. Wie wird sich Jesus und wie werden sich die Pharisäer und 
Schriftgelehrten zum Gesetz Mosis verhalten? Aus den Erzählungen vom 
reichen Jüngling imd vom Pharisäer und Zöllner ist bekannt, dass die 
Pharisäer das Gesetz erfüllt zu haben glaubten, wenn sie es nur ausser- 
lieh beobachteten, von Jesus aber wissen die Schüler aus vielen Bei- 
spielen, dass er die Gebote in seiner Gesinnung und seinen Werken 
erfüllte. Wie wird Jesus daher über die pharisäische Gesetzerfüllung 
urteilen ? Wie wird z. B. Jesus und der Pharisäer über das fünfte Gebot 
denken? (Matth. 5, 21. 22.) In dieser Weise werden die vier Punkte 
des zweiten Stückes kurz vorbereitet und dann mittelst Erklärung des 
Textes durch die Schüler und Anwendung auf konkrete Fälle erledigt. . 
Aus der Zusammenfassung der vier Punkte ergiebt sich die Stellung 
Christi und des Christen zum Gesetz, die durch weitere Beispiele und 
Aufgaben zu erläutern ist. 

3. Was wird Jesus und was werden die Pharisäer über Almosen« 
geben. Beten und Fasten denken? 

Vorbereitung zu jedem einzelnen Stück. Lesen und Erklärung des- 
selben. Anwendung der gefundenen Wahrheit. 

4. Die rechten Güter, der rechte Herr, die rechte Sorge. Er- 
klärung und Anwendung des Textes. 

5. Was zum Himmelreich hinführt und was von ihm wegführt. 
Hinweis auf die Gleichnisse Jesu vom Himmelreich. Erklärung der ein- 
zelnen Stücke des Textes mit Heranziehung biblischer Beispiele. An- 
wendung der gewonnenen Gedanken auf den Erfahrungskreis der Schüler. 

6. Deutung des Schlussgleichnisses. — 

Aufgaben zum Ganzen: Disposition der Bergpredigt. Ein- 
prägung der wichtigsten Stücke. Vergleich der Bergpredigt mit der 
Gesetzgebung am Berg Sinai. Die Hauptpunkte der Lehre Christi. 
Wie soll der Christ sein Leben nach der Bergpredigt einrichten? 



14 Maria und Martha 

(Luk. 10, 38-42.) 

Ziel: Jesus zu Gaste bei zwei Schwestern. 

1. Stufe. Betrachtung über die wahrscheinliche Gesinnung der 



Das sechste Schuljahr. 15 

beiden Schwestern und über die Art und Weise, wie sie ihren Gast 
bewirtet und geehrt haben werden. G-eographisches : Bethanien. 

2. Stufe. Martha sorgt geschäftig und emsig für die stattliche 
Bewirtung des hohen Gastes, Maria lauscht demütig und heilsbegierig 
auf Jesu Wort. Marthas Vorwurf und Bitte ist nur als Scherz zu ver- 
stehen, der Herr aber, der auch in kleinen Dingen grosse Gedanken 
findet, entgegnet ihr freundlich, das Maria dass gute Teil erwählt habe, 
da es ihm nicht auf äusserliche und mühevolle Ehrenerweisungen, sondern 
auf andächtiges und treues Bewahren seiner Worte ankomme, dies sei 
das eine, das wirklich notwendig sei ; doch will er damit nicht sagen, 
dass Martha das schlechte Teil erwählt, denn auch sie ist ja nur aus 
Liebe zu ihm so eifrig. 

3. Stufe, Beide Frauen sind sich gleich in ihrer Liebe zum 
Herrn, aber die eine zeigt ihre Liebe durch andächtiges Hören, die 
andere durch eifriges Dienen. Alle rechten Christen sollen diesen beiden 
Frauen gleichen. Christus und Gott lieb haben ist das eine, was not 
ist, diese Liebe aber soll sich je nach Zeit und Gelegenheit bald durch 
andächtiges Beten, bald durch eifriges Arbeiten im Dienste des Herrn 
offenbaren. 

4. Stufe. „Bete und arbeite." 

5. Stufe. Wie kannst du den beiden Schwestern gleichen? Zum 
Erklären und Lernen: „Eins ist not ..." (Str. 1. 3. 4.) 



15 Die Auferweckung des Lazarus 

(Job. 11, 1—45.) 

Ziel: Jesus am Grabe seines Freundes. 

1. Stufe. Lazarus, der Bruder von Maria und Martha. Was mag 
er für ein Mann gewesen sein? Warum hat Jesus ihn nicht geheilt, als 
er noch krank darnieder lag? 

2. Stufe. Jesus zögert mit seinem Kommen, um die Herrlichkeit 
seines Vaters desto glänzender zu offenbaren und den Glauben der Seinen 
zu stärken. Er freut sich der gläubigen Zuversicht Marthas, doch sie 
ist ihm noch zu schwach im Glauben, und er stärkt sie daher, bis sie 
glaubt, dass Christus als der Sohn Gottes den Seinen ewiges Leben geben 
könne. Marias Schmerz und Thränen rühren auch ihn zu Thränen, denn 
er liebte Lazarus und seine trauernden Schwestern. Im sicheren Yor- 
ausgefühl der Erhörung dankt Jesus seinem Vater für die Erhörung der 
stillen Bitte um seinen Beistand (er dankt laut um des Glaubens der 
Umstehenden willen), gebietet dem Toten, lebendig zu werden, und 
Gottes Allmacht, die mit Jesus ist, macht das unmöglich Scheinende 
möglich, Lazarus wird dem Leben und seinen Schwestern wiedergegeben. 
Felsenfest steht jetzt der Glaube der Geschwister, der Jünger und auch 
vieler Juden, denn das war das gewaltigste Wunder, das Jesus während 
seines Erdenlebens gethan. 

3. Stufe. Der Vergleich dieser Totenerweckung mit den beiden 
übrigen und von Jesu Absichten bei diesen Thaten mit seinen Absichten 
bei seinen übrigen Wunderthaten zeigt, dass Jesus in der Kraft Gottes 
Toten leibliches Leben geben kann, dass es ihm aber noch viel mehr auf die 



16 Das sechste Schuljahr. 

Erweckang des Glauhens an ihn ankommt, weil dieser den Seinen ewiges 
Leben verleiht, das schon hier beginnt und dort nicht aufhört. Das ist 
die Auferstehung vom geistigen Tod, deren sich alle wahren Jünger 
Jesu durch ihren Meister erfreuen, und das ist das gewalligste Wunder, 
das jemals auf Erden vollbracht wurde. 

4. Stufe. „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an 
mich glaubt, der vrird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und 
glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.^ 

5. Stufe. Wie können wir das ewige Leben gewinnen? 
Zusammenstellung sämtlicher Wunder Jesu und Zusammenfassung 

ihrer Bedeutung in die schon bekannten Sprüche: »Die Werke, die ich 
thue . . .** n^ir haben geglaubet und erkannt . . .** 



16 Die Feinde Jesu 

(Matth. 12. Job. 11.)*) 

Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Wie ist das zu erklären, dass ein Mann, wie Jesus, 
Feinde hat? Zusammenstellung der Worte und Thaten Jesu, die den 
Arger und Hass der Pharisäer, Schriffcgelehrten und Priester erregten 
oder erregen konnten. Ihre Feindschaft entstand aus Neid und Furcht. 
Wie wird sich ihre Feindschaft weiter äussern? 

2. Stufe. Erstes Stück. Die Pharisäer und Sadduzäer fordern 
von dem Herrn ein Zeichen, um ihn sowohl im Falle der Erfüllung als 
auch der Nichterfüllung ihrer Forderung um die G-unst und Achtung 
des Volkes zu bringen. Doch Jesus verweist sie auf seine Predigt der 
Wahrheit, als auf das einzige Zeichen, das ihrem Unglauben gegeben 
wird, stellt sie tief unter die heilsbegierigen Heiden und fertigt sie so 
öffentlich zu ihrem grossen Arger als widerspenstige und gottlose 
Menschen ab. 

Zweites Stück. Auch die thörichte Beschuldigung anderer 
Pharisäer, dass er im Bunde mit dem Teufel so grosse Thaten vollbringe, 
vernichtet Jesus mit einem einzigen sonnenklaren Grund und stellt so 
die Ankläger allem Volk als boshafte Lügner und Verleumder dar. 

Drittes Stück. Diesmal droht dem Herrn eine ernstliche Ge- 
fahr, denn nicht bloss einzelne Zornige, sondern die höchste Obrigkeit 
des jüdischen Volkes, der hohe Bat (der meist aus Pharisäern und 
Sadduzäem bestand) spricht sich gegen ihn aus. Sie denken nämlich: 
Jesus ist nicht der von Gott verheissene Messias, er will aber doch mit 
Hilfe des ihm anhängenden Volkes ein irdisches Messiasreich gründen 
und das Land von den Römern befreien, er wird aber natürlich von den 
Hörnern besiegt und bringt so Verderben über das Volk; darum muss 
etwas gegen ihn geschehen, besonders jetzt nach der Auferweckung des 
Lazarus, die so viele zum Glauben an ihn gebracht hat. Der Hohe- 
priester bringt die Versammelten zu der Ansicht, dass es besser sei, 
nötigenfalls den falschen Messias umzubringen, als das Volk ins Verderben 



*) Von dieser Erzählung an sind die parallelen Berichte aller Evangelien 
zu vergleichen. 



Daß sechste Schuljahr, 17 

stürzen zu lassen. Einstweilen aber befiehlt der Hoherat, um Jesus ein- 
zuschüchtern und ihn vom Besuch des nahen Passahfestes abzuhalten, 
dass man ihm den Aufenthaltsort Jesu anzeige. 

Zusammenfassung der drei Stücke. Eiforschung und Beurteilung 
der Beweggründe (Selbstsucht aller Art), von denen die handelnden Per- 
sonen zu ihrem feindlichen Auftreten gegen den Heiland getrieben wurden. 

3. Stufe. Zu allen Zeiten war, wie sich aus einer reichen Anzahl 
naheliegender Beispiele ergiebt, die Liebe der Menschen zu sich selbst 
und zu den Gütern der Erde (die Liebe „zur Finsternis") die Ursache 
zur Feindschaft gegen alles Gute und alle guten, von Gott gesandten 
Männer, besonders aber gegen den Sohn (Lottes; die Selbstsüchtigen 
hassen das Licht der Liebe, weü es das, was sie lieben, als verächüich 
und verwerflich erscheinen lässt. 

4. Stufe. „Das Licht ist in die Welt gekommen, und die Menschen 
liebten die Finsternis mehr, denn das Licht. Wer Arges thut, der 
hasset das Licht." 

5. Stufe Worin wird es sich offenbaren, ob jemand das Licht 
oder die Finsternis liebt? 



17 Die Salbung Jesu in Bethanien und sein Einzug in Jerusalem 

(Joh. 11, cf. Matth. 26; Matth. 21.) 

Erstes Stück. 

Ziel: Die Salbung Jesu in Bethanien. 

1. Stufe. Erinnerungen an die bekannten Salbungen (auch Ein- 
balsamierung der Toten) und deren Bedeutung. Salbung der Füsse vor- 
nehmer Gäste mit kostlsaren Salben und Ölen. Bei wem wird Jesus in 
Bethanien einkehren? Wer wird ihn salben? 

2. Stufe. Maria salbt den Herrn mit der wertvollen Salbe, um 
ihre überströmende Liebe zu ihm recht deutlich auszudrücken. Judas 
sieht nur auf das äussere Werk Marias, nicht auf die Gesinnung, aus 
der es entsprang, und tadelt deshalb Maria als Verschwenderin. Aber 
der Herr freut sich an der innigen Liebe Marias und erquickt sich um 
so mehr daran, als er die Salbung als letzte Ehre, als letzten Liebes- 
beweis auffassen muss, da ihm die bösen Pläne seiner mächtigen Feinde 
wohl bekannt sind. 

Zweites Stück. 

Ziel: Jesu Einzug in Jerusalem. 

1. Stufe.*) Jesus geht also in die Stadt, wo seine Feinde herrschen, 
obwohl er ihr Gebot und ihre Mordpläne kennt. Warum? Er denkt: 
Wenn ich nicht zum Passah komme, so verliert das Volk den Glauben 
an meine Messiaswürde, meine Feinde stellen mich als Feigling und 
Lügner dar, und mein Werk geht zu Grunde ; komme ich aber, so werden 
mich zwar vielleicht meine Feinde überwältigen, aber es kann mir nichts 
geschehen, als was Gott will, und das ist sicherlich das Beste für mein 
Werk, für die Stiftung des Himmelreichs auf Erden. 



*) Form und Inhalt dieser und aller folgenden Vorbereitungen hängt natürlich 
ganz daron ab, wie viel aus der Leidensgeschichte den Schülern von der früheren 
„analytischen" Behandlung des Lebens Jesu her noch bekannt und geläufig ist. 

2 



18 Das sechste Schuljahr. 

2. Stufe. Christus lässt sich hier zum ersten Male und zwar 
öfiFentlich königliche Ehren erweisen und lässt sich von seinen Anhängern 
laut als den erhofften Messias verkünden. Er thut das nicht um seiner 
Ehre willen, auch nicht, um das von den meisten erwartete irdische 
Messiasreich aufzurichten, sondern um seinem zahlreich in Jerusalem ver- 
sammelten Volke zum letzten Male Gelegenheit zu seiner Anerkennung 
und damit zur Bekehrung und Rettung zu gehen. Wie wir aus seinem 
wehmütigen Wort üher Jerusalem erkennen, hoffb er aber nicht auf seinen 
jetzigen Sieg, sondern sieht seinen Untergang voraus, aber auch den 
Untergang der widerspenstigen Stadt. Trotzdem aber lässt er sich nicht 
abhalten, als der Höchste in der Stadt den Tempel von gemeinem Unfug 
zu reinigen. 

3. Stufe. Aus dem Vergleich der beiden Stücke unter sich und 
mit anderen Ehrenerweisungen, die dem Herrn zu teil wurden, ergiebt 
sich, dass die ihm erwünschteste und höchste Ehrenerweisung der G-laube 
an ihn und die Liebe zu ihm ist. Auch in unser Herz will und soll 
Christus immer mehr als Herr und Gebieter einziehen. Die fröhliche 
Aufnahme dieses Herrn und die dauernde Bewährung seiner Herrschaft 
durch unser christKches Leben ist die höchste Freude, die wir ihm, und 
das höchste Glück, das wir uns bereiten können. 

4. Stufe. flWie soll ich dich empfangen und recht begegnen 
dir . . . (Str. 1 und 2.) Wiederholung : Bereitet dem Herrn den Weg. 

5. Stufe. Nennt Personen, in die Christus eingezogen ist. Wie 
kannst du beweisen, dass Christus König in deinem Herzen ist? 



18 Jesu Streitreden gegen seine Feinde 

(Matth. 21. 22. 23.) 

Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Wer wird den Streit beginnen? Was werden die Feinde 
gegen Jesus reden? (Erinnerung an ihre früheren Angriffe.) Wie wird 
der Streit endigen? 

2. Stufe. Erstes Stück. Die Frage der Feinde wegen seiner 
Vollmacht schlägt Jesus zur neuen Beschämung der Feinde durch eine 
kluge Gegenfrage nach der Vollmacht Johanuis des Täufers nieder. 

Zweites Stück. Die hinterlistige Frage der Pharisäer nach der 
Berechtigung der Zinsabgabe an den römischen Kaiser, deren Beant- 
wortung ihm entweder die Gunst des Volkes rauben oder ihn in die 
Hände der Römer liefern soll, löst Jesus zum neuen Arger der Fragenden 
durch die einfache Antwort, dass es kein Unrecht sei, dem fremden 
irdischen Herrn L'disches zu geben, wenn man nur stets dem himmlischen 
Herrn gebe, was ihm gebühre, nämlich das ganze Herz. 

Drittes Stück. Im Gleichnis von den bösen Weingärtnern 
schildert Christus die treue aber vergebliche Liebe Gottes zu seinem 
undankbaren Volke, bekennt sich als Gottes Sohn, weissagt seine eigene 
Ermordung durch die bösen Pharisäer und Schriftgelehrten und lässt sie 
ihr eigenes Urteil aussprechen. 

Viertes Stück. Die Schüler, welche die Pharisäer nunmehr ge- 
nügend kennen, werden die Streitrede Jesu gegen die Pharisäer selb- 



Das sechste Schuljahr. 19 

ständig erklären und disponieren können; einer Mithilfe von seiten des 
Lehrers bedürfen nur Y. 5 und 24. Jesu berechtigter Zorn gegen die 
Heuchelei und Bosheit der Pharisäer geht in Wehmut über bei dem 
Gedanken an das traurige Schicksal des irre geleiteten aber halsstarrigen 
Volkes. Welche Wirkung wird diese 'Rede auf das Volk und auf die 
Pharisäer ausüben? 

Zusammenstellung der Angriffs- und Verteidigungsakte im 
Kampfe zwischen Jesus und seinen Feinden ; Beurteilung der sich hier- 
bei offenbarenden Gesinnungen. 

3. Stufe. Vergleich des Verhaltens der Pharisäer gegen das Volk, 
gegen das Gesetz und gegen Jesus mit dem Verhalten der wahren 
Jünger Jesu. 

4. Stufe. „Es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schrift- 
gelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. 

5. Stufe. Wie zeigt sich noch heute unter den Christen die 
pharisäische und die wahre christliche Gerechtigkeit? 

19 Der Verrat des Judas 

(Matth. 26.) 

1. Stufe. Die Mitglieder des Hohenrats werden an ihrem Mord- 
plan festhalten, da sie nach den letzten Beden Jesu durch den Propheten 
Einbusse ihrer Macht und ihres Ansehens beim Volke erwarten müssen. 
Es wird ihnen daran liegen, ihren immerhin noch volksbeliebten Gegner 
entweder sofort ohne Aufsehen in ihre Gewalt zu bekommen, oder ihn 
am Schluss des Festes, nachdem seine Anhänger fortgezogen, verhaften 
zu lassen. 

2. Stufe. Das Anerbieten des Judas muss dem Hohenpriester 
sehr willkommen sein. Als Beweggrund zum Verrat sehen die Apostel 
den Geiz des Judas an, doch in's Herz hat ihm ja keiner gesehen. Es 
ist darum auch möglich, dass Judas noch mehr als vom Geiz von dem 
daraus hervorwachsenden Ehrgeiz getrieben wurde. Er wollte nämlich 
vielleicht den Herrn durch eine Lebensgefahr zur Offenbarung seiner 
Herrlichkeit, zur Errichtung des Messiasreiches zwingen, in dem er dann 
gross dazustehen hoffte, und dachte dabei, im schlimmsten Fall müsse 
Jesus als unschuldiger Mann wieder freigelassen werden. Seine Schuld 
würde dadurch nicht aufgehoben, sondern nur gemildert. 

3. Stufe. An beide Betrachtungsweisen lässt sich der Gedanke 
anschliessen, dass wie bei Judas, so auch bei vielen anderen Personen 
der biblischen Geschichte (Jakob, Josephs Brüder, Saul u. s. w.) der 
Geiz (die Habsucht, Ehrsucht) die Quelle der Sünde war. 

4. Stufe. „Der Geiz ist eine Wurzel alles Übels." 

5. Stufe. Der Anfang zur Judassünde ist in den Herzen vieler 
Christen. Darum „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet." 

20 Die Fusswaschung und das heilige Abendmahl 

(Luk. 13. Matth. 26.) 

1. Stufe. Erinnerung an die Sitte des Fusswaschens sowie an das 
Passahmahl, dessen Gebräuche und Bedeutung. 

2* 



20 Das sechste Schuljahr. 

2. Stufe. Erstes Stück. Jesus hält am Donnerstag Abend 
mit seinen Jüngern nach alter heiliger Sitte das Passahmahl in dem Be- 
wusstsein, dass es sein letztes Mahl sei. Mit der Fusswaschung will er 
seinen Jüngern sagen, dass die von ihm gepredigte und geübte dienende 
Liebe das höchste sei zwischen Mensch und Mensch, und dass es darum 
sein höchster Wunsch sei, dass sie auf Erden auch nach seinem Tode 
fortdauere und die Menschen der Seligkeit zuführe. 

Zweites Stück. Jesus bezeichnet den Verräter, um ihm die 
letzte Gelegenheit zur Umkehr zu geben — und im Falle der Verstockt- 
heit — um ihn aus dem Elreise der Liebenden zu entfernen. Dann 
schüttet er sein von Liebe gegen Gott und die Brüder überfliessendes 
Herz in die bewegten Herzen seiner treuen Jünger aus. 

Drittes Stück. Mit der ersten Feier des heiligen Abendmahls 
will der Herr seinen Jüngern und aller Welt verkündigen, dass er nur 
aus Liebe zu den Menschen, nur zu ihrer Erlösung aus der Sünde frei- 
willig sein Leben dahingehe, und durch die Einsetzung des heiligen Abend- 
mahles als dauernder christlicher Sitte will er bewirken, dass die kräftige 
Erinnerung an seinen Liebestod bei allen seinen künftigen Jüngern fort 
und fort eine ähnliche Liebe zu Gott, zu ihm und zu den Brüdern er- 
wecke, neben welcher die Sünde im Herzen nicht bestehen könne. 

3. Stufe. Der Rückblick auf alle Lebensäusserungen des Herrn 
ergiebt, dass er durchaus ein Leben der dienenden und erlösenden Liebe 
geführt, dass er auch uns gedient und auch uns erlöst hat. 

4. Stufe. „Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich 
dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Er- 
lösung für viele." Wiederholung : Christus hat uns ein Vorbild gelassen . . . 

5. Stufe. Wie kannst du dem Herrn für seine unendliche Liebe 
am besten danken? Lesen und Erklären von Joh. 17. 



21 Jesus in Gethsemane 

(Matth. 26.) 

Ziel: Jesu Seelenleiden. 

1. Stufe. Jesus wird Schmerz empfinden bei dem Gedanken an 
den schrecklichen Tod, der ihm bevorsteht. Er konnte zwar noch immer 
dem Tode entgehen, aber keiner der Auswege wäre seiner würdig ge- 
wesen. 

2. Stufe. Erstes Stück. Der Herr weissagt bestimmt seine 
Gefangennahme und den Wankelmut der Jünger; der feurige Petrus 
pocht auf seine felsenfeste Anhänglichkeit, aber der Herr warnt ihn und 
die anderen Jünger vor Überschätzung ihrer sittlichen Kraft. 

Zweites Stück. Jesus trauert tief im Vorgefühl seines bitteren 
Leidens und Sterbens, er trauert auch über die Bosheit seiner Feinde 
und über den Wankelmut seiner Jünger ; aber der im heissen Gebet er- 
rungene Gedanke, dass es ja sein lieber Vater sei, der ihm den bitteren 
Kelch reiche, bringt den Zagenden zum festen Entschluss, den Weg 
Gottes zu gehen, auch wenn derselbe zum furchtbarsten Leid führe, und 
giebt ihm Trost und Freude in das betrübte Herz. — Die Jünger, die 



Das sechste Schuljahr. 21 

für den Meister ihr Leben hingeben wollten, vermögen nicht einmal^ ihm 
zu Liebe und Tröste eine Stunde Schlaf zu opfern. 

Drittes Stück. Voll göttlichen Mutes geht der Herr den Häschern 
entgegen und giebt sich selbst in ihre Hände ; nur zu einer Bitte für 
die Jünger treibt ihn sein liebevolles Herz, lernst wehrt er dem sich 
mit Gewalt wiedersetzenden Petrus, tadelt aber auch streng die ungerechte 
und schuldbewusste Obrigkeit. Die Weissagung des Herrn in Bezug 
auf den Wankelmut der Jünger geht in Erfüllung, alle verlassen ihn, 
die Furcht ist stärker als ihr guter Vorsatz und ihre Treue. 

3. Stufe. Der Vergleich der verschiedenen in diesen drei Stücken 
erzählten Versuchungen (Anfechtungen) der Jünger und des Meisters und 
der Art und Weise ihrer Überwindung oder NichtÜberwindung ergiebt 
eine Bestätigung des schon bekannten Spruches „Wachet und betet, dass 
ihr nicht in Anfechtung fallet" mit dem neuen Zusätze „Der Geist ist 
willig, aber das Fleisch ist schwach", oder als neuen Spruch: 

4. Stufe. „Wer sich lasset dünken, er stehe, mag wohl zusehen, 
dass er nicht falle." „Wachet und betet ..." 

5. Stufe. Giebt es heute noch Christen, die Ahnliches thun wie 
die Jünger in Gethsemane? Lesen und Erklären von Job. 10, 1 — 18. 



22 Jesus vor den Hohenpriestern Verleugnung des Petrus Ende des Judas 

(Matth. 26. 27.) 

1. Stufe. Da Jesus unschuldig ist, so müssen seine ^Richter irgend 
«ine Schuld an ihm suchen, um ihn mit einem Schein des Rechts ver- 
urteilen zu können. Welche Schuld werden sie finden? 

2. Stufe. ErstesStück. Die Verurteilung Jesu. Im Vorverhör 
bei Hannas beruft sich Jesus auf die Öffentlichkeit seines Wirkens und 
wird dafür in ungerechter Weise gemisshandelt. Im Hauptverhör vor 
Kaiphas und dem noch eilig in der Nacht (warum?) versammelten Hohen- 
rat suchen falsche Zeugen vergebens eine Schuld auf den Herrn zu 
bringen; er straft seine Richter, die ja keine Richter^ sondern Mörder 
sind, mit dem Schweigen der Verachtung. Als aber der Hohepriester 
ihn im Namen Gottes fragt, ob er Christus, der Sohn Gottes, sei, da 
wäre Schweigen eine. Lüge oder eine Feigheit gewesen, und feierlich be- 
kennt sich deshalb der Herr als den gottgesandten Messias, als den 
Sohn Gottes. Da der Hoherat ihn aber von vornherein nicht als den 
Messias anerkennen will, so kann er diese Behauptung als gottes- 
lästerliche Lüge ansehen, und spricht darum (nach 3. Mos. 24, 16) das 
Todesurteil über den Herrn aus. Nun misshandeln die Feinde Jesu und 
ihre Knechte den Heiland in der rohesten und gemeinsten Weise, aber 
er erträgt alles mit himmlischer Geduld. 

Zweites Stück. Petrus, der dem Herrn bis in den Hof des 
Hohenpriesters gefolgt ist und hier als Jünger Jesu erkannt wird, denkt 
nur an die daraus für ihn entstehende Gefahr und, anstatt nach seinem 
früheren Wort sich mutig zum Herrn bekennen, verleugnet er aus Furcht 
dreimal den Herrn in immer stärkeren Ausdrücken. 

Als aber der Hahn ruft, und der Herr ihn anblickt, da fühlt er 
das Schmachvolle seiner Schwäche, Feigheit und Lieblosigkeit, wird von 



22 Das sechste Schuljahr. 

tiefer Beae ergriffen und nimmt sich gewiss vor, seinen tiefen Fall durch 
dauernde Treue zum Herrn und mutiges Bekenntnis zu ihm wieder gut 
zu machen. 

Drittes Stück. Als Judas sieht, dass seine Bechnung falsch ist, 
und dass er einen Unschuldigen zum Tode überliefert hat, wird auch er 
vom Schmerz erfasst. Aber vergeblich sucht er seine Gewissensangst 
durch Zurückgabe des Sündengeldes los zu werden, und da er den ein- 
zigen Weg zur Bettung — demütiges Schuldbekenntnis, wahre Reue 
und Bitte um die Gnade des Herrn — verschmäht, gerät er in Ver- 
zweiflung und endet durch Selbstmord. 

3. Stufe. Aus der Zusammenstellung des Thuns und Redens 
Christi seit Beginn der Leidenszeit ergiebt sich eine neue Bestätigung 
dafür, dass Christus der Sohn Gottes ist. 

Der Vergleich der verschiedenen Art von E«ue bei Petrus und 
Judas mit Heranziehung bekannter Beispiele von Beue ergiebt den Unter- 
schied der wahren und falschen Beue. 

4. Stufe. „Wir haben geglaubet und erkannt, dass du bist Christus, 
der Sohn des lebendigen Gottes^' (bekannt). „Die göttliche Traurigkeit 
wirket zur Seligkeit, eine Beue, die niemand gereuet; die Traurigkeit 
aber der Welt wirket den Tod." 

5. Stufe. Erklärung und Anwendung des Liedes „Meinen Jesum 
lass' ich nicht . . ." (mit Auswahl). Wann ist unsere Traurigkeit eine 
göttliche und wann eine weltliche? 



23 Jesus vor Pilatus 

(Matth. 27.) 

1. Stufe. Erinnerung an das, was die Schüler über das Amt und 
die Stellung des römischen Statthalters wissen. Warum muss Jesus vor 
ihn geführt werden? Welche Anklage werden seine Feinde gegen ihn 
vorbringen ? 

2. Stufe. Wegen der verwickelten Handlung ist eine klare Dis- 
position diesmal noch nötiger als sonst. 

Jesus wird von den Mitgliedern des Hohenrats als König der Juden 
und mithin als Empörer gegen die Bömer angeklagt, er verteidigt sich 
aber vor Pilatus, indem er sich als König der Wahrheit bekennt, und 
Pilatus kann daher keine Schuld an ihm finden. 

Pilatus sucht das ihm aufgedrängte unangenehme Urteil von sich 
auf den König Herodes von Galiläa abzuwälzen; der aber verspottet 
Jesus und schickt ihn als unschuldig zurück. 

Pilatus, anstatt einfach nach seiner Bichterpflicht den als unschuldig 
erkannten Angeklagten loszigeben, sucht ihn dadurch zu retten, dass er 
das Volk wählen lässt zwischen der Begnadigung seines Messias und 
eines Mörders; aber das von den Pharisäern aufgehetzte Volk erbittet 
sich den Mörder und verlangt die Kreuzigung des nunmehr von ihm 
verworfenen Messias. 

Pilatus, der ohne es zu wollen, schon durch seinen letzten Vorschlag 
Jesus als Schuldigen hingestellt hat, sucht durch die Geisselung und 
Verspottung Jesu das Mitleid des Volkes zu erregen und so den Be^ 



Das sechste Schuljahr. 23 

drohten zu retten, doch umsonst; als aber Pilatus voll Bewunderung 
über Jesu Hoheit sich noch weiter dem blutgierigen Drängen des Volkes 
widersetzt, bringen ihn endlich die Ankläger durch die Drohung, ihn 
beim Kaiser als schlechten und verräterischen Diener zu verklagen^ zum 
Nachgeben und zu der Entscheidung, dass Jesu gekreuzigt werden soll; 
die Schuld für das Blut Jesu will das Volk auf sich nehmen. 

Beurteilung des Denkens, Redens und Thuns der handelnden 
Personen, besonders in Bezug auf die Schuld, die sie an der Verurteilung 
Jesu tragen ; Würdigung des erhabenen und wunderbaren Verhaltens des 
Herrn. 

3. Stufe. Vergleich zwischen Pilatus und Petrus („Der Geist ist 
willig, aber das Fleisch ist schwach"). 

Zusammenstellung der Züge von göttlicher Erhabenheit im dies- 
maligen und sonstigen Verhalten Jesu. 

4. Stufe. ,, Sehet, welch ein Mensch.** 
Wiederholung: ,,Der Geist ist willig . . .** 

5. Stufe. Zur Erklärung: 1. Petr. 2, 21—23. — „O Haupt, 
voll Blut und Wunden . . .** (Str. 1). 



24 Jesu Kreuzigung 

(Matth. 27.) 

1. Stufe. Besprechung über die Strafe der Kreuzigung. Repro- 
duktion dessen, was die Schüler über die Kreuzigung Jesu wissen. 

2. Stufe. Auf dem Weg zum Kreuze klagt Jesus nicht über sein 
Leid, sondern über den Jammer, in den sich das verblendete Jerusalem 
durch seine Ermordung stürzt. 

Inmitten der grössten körperlichen und geistigen (über die Bosheit 
der Menschen) Qualen offenbart er seine unermessliche Liebe, indem er 
Gott um Verzeihung für alle seine Feinde bittet, und übt noch zum 
letzten Mal an dem reuigen Sünder neben ihm seinen Heilandsberuf aus. 
Auch seine kindliche Liebe zeigt er durch seine Fürsorge für seine 
Mutter. Einen Moment überwältigen ihn die furchtbaren körperlichen 
Qualen, so dass er sich von Gott verlassen fühlt, aber nachdem die Qual 
des Durstes gelindert ist, spricht er das frohe Bewusstsein aus, dass er 
sein sündloses Leben und sein Heilandswerk treulich vollbracht hat, 
übergiebt getrost seine reine Seele dem himmlischen Vater und stirbt. 
Durch wunderbare Zeichen bestätigt Gott, dass der schmählich Ermordete 
sein Sohn ist. 

Zusammenfassung der Urteile über den heiligen Heiland am 
Kreuz und über die Sünder unter dem Kreuz (und neben dem Kreuz). 

3. Stufe. Zusammenstellung der Liebeserweise des Herrn, aus 
denen sich ergiebt, dass sein freiwilliger Kreuzestod der höchste Liebes- 
erweis und die Vollendung der Erlösung ist. 

4. Stufe. „Niemand hat grössere Liebe denn die, dass er sein 
Leben lasset für seine Freunde." 

Wiederholung: „Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er 
sich dienen lasse . . .^ 



34 Das sechste Schuljahr. 

5. Stufe. „Das that ich für dich. Was thust du für mich?« 
Zur Erklärung und Anwendung: 2. Gor. 5, 16. Joh. 3, 16. ^O 
Haupt, voll Blut und Wunden ..." (mit Auswahl). „Wenn alle un- 
treu werden ..." 



25 BegrUmis uml Anftrttehung Jesu 

(Matth. 27. 28.) 

Erstes Stück. Das Begräbnis Jesu. 
Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Beproduktion des den Schülern schon Bekannten. 

2. Stufe. Kulturhistorisches: Gebräuche beim Begräbnis. Würdigung 
des mutigen, frommen und gläubigen Denkens und Thuns von Joseph 
und Nikodemus. 

Zweites Stück: Die Auferstehung Jesu. 
Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Reproduktion des den Schülern schon Bekannten. 

2. Stufe. Erst Besprechung der einzelnen Stücke in sachlicher 
und ethisch-religiöser Hinsicht, dann Zusammenfassung ihres Gehaltes. 

Die durch den unerwarteten Tod ihres Messias tief erschütterten 
und sogar in ihrem Glauben an denselben schwankenden Jünger ver- 
mögen nicht an die Auferstehung des Herrn zu glauben. 

Die am meisten suchende und glaubende Maria erhält die erste un- 
zweifelhafte Bestätigung ihres Glaubens. 

Die beiden Emmausjünger, welche die Thatsache des Todes ihres 
Messias nicht begreifen können, erhalten vom Herrn selber die Belehrung; 
dass er nicht bloss trotz seines Leidens und Sterbens^ sondern gerade 
wegen desselben und in demselben sich als den rechten, von den Pro- 
pheten Gottes verkündeten Messias erwiesen habe. 

Die dadurch im Glauben gefestigten Elf erhalten durch die leib- 
haftige Erscheinung des Herrn die fröhliche Gewissheit seiner Auf- 
erstehung und seiner Messiaswürde, und werden als Mitarbeiter bei der 
Errichtung serues Reiches berufen und ausgerüstet. Der Zweifler Thomas 
erhält den von ihm begehrten handgreiflichen Beweis der Auferstehung 
des Herrn und gewinnt daraus den festen Glauben an Jesu Göttlichkeit. 

Der Auferstandene erscheint, wie er verheissen, seinen Jüngern auch 
in Galiläa und setzt hier den gefallenen, aber reuigen Petrus, nachdem 
er ihn ernst an seine frühere Yermessenheit erinnert und dreimal die 
Beteuerung treuer Liebe aus seinem Munde vernommen, huldvoll wieder 
in sein Apostelamt ein und weissagt ihm den Tod, den er dereinst für 
seinen Herrn sterben wird. 

Zusammenfassung des religiösen Gehaltes sämtlicher Stücke. 

3. Stufe. Jesu Auferstehung, die den ersterbenden Glauben seiner 
Jünger erneuerte und so sein B^ich auf Erden begründen half, ist auch 
uns ein Beweis seiner Göttlichkeit und eine Bürgschaft unseres eigenen 
Fortlebens nach dem Tode in verklärter Leiblichkeit. Aber nur wenn 
uns die Auferstehung Jesu zum rechten innigen Glauben an ihn und 
Aomit zur eigenen geistigen Auferstehung aus dem Tode der Sünde hilft, 
hat sie für uns ihre rechte Bedeutung. 



Das sechste Schuljahr. 26 

4. Stufe. „Jesus, meine Zuversicht .. . (Str. 1, 2, 10.) „Gleich- 
wie Christus ist auferwecket von den Toten durch die Herrlichkeit des 
Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln." "Wieder- 
holung: Wir haben geglaubet und erkannt . . . Christus hat dem Tode 
die Macht genommen . . . Ich bin die Auferstehung und das Leben . . . 

5. Stufe. Wie zeigt sich, dass Christus in dir auferstanden ist? — 
Die Bedeutung und rechte Feier des Osterfestes. 

Zur Erklärung: „Jesus lebt, mit ihm auch ich . . ." 



26 Jesu Himmelfahrt 

(Matth. 28. Apg. 1.) 

Ziel: Überschrift. 

1. Stufe. Wiederholung des den Schülern hierüber schon Be- 
kannten. 

2. Stufe. Der scheidende Herr verheisst seinen Jüngern die 
Geistestaufe, weist ihre weltlichen Hoffiiungen zurück und beruft sie zur 
Arbeit für die Gründung seines geistigen Beiches auf Erden. Die Kraft 
zu dieser Arbeit soll ihnen aus seinem Geiste kommen, der zur Herr- 
schaft im Himmel und auf Erden berufen ist. Als äusseres Kennzeichen 
der innerlich für seine Herrschaft Gewonnenen setzt der Herr die heilige 
Taufe ein, und nachdem er noch seinen Jüngern seine stetige und un- 
aufhörliche Gegenwart verheissen und sie gesegnet hat, scheidet er von 
ihnen und der Erde und erhebt sich zu seinem Vater in den Himmel, 
von wo dieser ihn einst zum Segen für die Erde herabgesandt. 

Zusammenfassung: Der letzte Wille und die letzte Verheissung 
des Herrn. 

3. Stufe. In Jesu Himmelfahrt liegt auch die Bürgschaft unserer 
dereinstigen Himmelfahrt. Er hat uns den Weg zu unserer wahren 
himmlischen Heimat gezeigt und hat uns durch sein Leben und Sterben 
daselbst Wohnung bereitet und wird uns, wenn wir ihm unser Herz 
geben und nach dem streben, was droben im Himmel ist und gilt, immer 
mehr zu sich emporziehen. 

4. Stufe. „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Ich 
gehe hin, euch die Stätte zu bereiten, und will doch wiederkommen und 
euch zu mir nehmen, auf dass ihr seid, wo ich bin." „Seid ihr nun 
mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, 
sitzend zu der Bechten Gottes." 

5. Stufe. Wie kannst du suchen, was droben ist? — Die Be- 
deutung und die rechte Feier des Himmelfahrtsfestes. 

Zur Erklärung: „Auf Christi Himmelfahrt allein ich meine Nach- 
fahrt gründe ..." 



4 Zusammenstellung 

l. Die chronologische Beihenfolge. Siehe das vierte Schul- 
jahr, Seite 23, und das fünfte Schuljahr, 3. Aufl. Seite 28. 



26 Das sechste Schuljahr, 

2. Das geographische Material. Siehe die Karten zur Fatriarchen-y 
B.ichter- und Königszeit im dritten Schuljahr, Seite 45, im vierten Schul- 
jahr, Seite 49; ferner das fünfte Schuljahr, Seite 26. 

3. Das kulturgeschichtliche Material. Siehe das dritte Schul- 
jahr, Seite 44, das vierte Schuljahr, Seite 49, und das fünfte Schuljahr, 
Seite 26. 

4. Zusammenstellung des ethisch-religiösen Materials: 

Siehe das erste Schuljahr, Seite 97. 

„ „ zweite „ „ 35 f. 

„ „ dritte „ ., 42. 

„ „ vierte „ „ 50. 

„ fünfte „ ^ 26f. 



1 Die Chronologie 
Hinzufügung des Todesjahres Christi: 33. 

2 Das goograpliisclie Material 

Bethanien, Bethesda, Teich, Siloah, Bach Kidron, Olberg (Gethsemane), 
Golgatha, Ephraim bei Bethel, Emmaus, Tiberias. 

3 Das icuHurgescIiicIitiicIie Material 

Dasselbe erfährt folgende Erweiterungen: 

Familie: Hochzeitsfeier (Brautjungfrauen, Fackelzug), Gebräuche 
bei Gastmählern (Zu Tische liegen, Beinigen der Hände mit Brotkrumen, 
Waschungen) und bei Begräbnissen (Felsengräber durch Steine verschlossen, 
Einbinden der Leichname in Leintücher, Salbung mit Spezereien) ; Gast- 
freundschaft (Martha). 

Kleidung: Ober- und TJntergewand, Luxus mit Purpur und köst- 
lichen Leinwandkleidern; der Mantel der römischen Soldaten. 

Geld: Silberlinge, Zinsmünze, Wechsler. 

Beschäftigung: Weinbau (Kelter). 

Stände: Tagelöhner, Wechsler, Kaufleute (im Tempelvorhof). 

Sitten: Bei Trauer (Zerreissen der Kleider, Fasten), beim Empfang 
eines Königs; Salbung vornehmer Gäste mit kostbarem Ol; Stunden- 
berechnung). 

Unsitte und Aberglaube: Leichtsinniger Schwur; Almosen- 
geben, Beten (Denkzettel) und Fasten der Pharisäer; Vorstellungen vom 
Jenseits, Teufelaustreibungen. 

Sprache: Aramäische (galiläischer Dialekt), griechische und latei- 
nische Sprache. 

Gottesdienst: Sabbathheiligung, Synagogen (Ausschluss aus der- 
selben durch den Bann), Festreisen nach Jerusalem, Laubhüttenfest, 
Passahfest (Passahmahl). 

Staatliches: Römische Oberhoheit (Statthalteramt, Eecht der 
Todesstrsrfe, Zinsabgabe an den Kaiser, Vasallenkönige); der Hoherat 



Das sechste Schuljahr. 27 

unter dem Vorsitze des Hohenpriesters. Jüdische und römische Rechts- 
pflege (ZeugenbeweiS; Bestrafung der Gotteslästerung, Misshandlung der 
Verurteilten, Strafe der Kreuzigung). 



4 Das ethisch-religläse Material 

Hierbei sind die zum zweiten Male auftretenden, sowie die auf den 
fünften Stufen verwerteten Sprüche und Lieder nicht angeführt. 

1. Richtet nicht, auf dass ihr nicht etc. 

2. Wenn ich nur dich habe etc. 

3. Habt nicht lieb die Welt etc. 

4. Ist Gott für uns etc. 

5. Wen der Herr lieb hat etc. 

6. Ich bin das Licht der Welt etc. 

7. Selig sind, die da Leid tragen etc. 

8. Es werde Q nicht alle, die zu mir sagen etc. 

9. Bete und arbeite. 

10. Ich bin die Auferstehung und das Leben etc. 

11. Das Licht ist in die Welt gekommen etc. 

12. Es sei denn eure Gerechtigkeit besser etc. 

13. Der Geiz ist eine Wurzel allen Übels. 

14. Des Menschen Sohn ist nicht gekommen etc. 

15. Wachet und betet etc. 

16. Wer sich lasset dünken etc. 

17. Die göttliche Traurigkeit wirket etc. 

18. Sehet, welch' ein Mensch. 

19. Niemand hat grössere Liebe etc. 

20. Gleichwie Christus ist auferwecket etc. 

21. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen etc. 

22. Seid ihr nun mit Christus auferstanden etc. 



Lieder. 

1. Aus tiefer Not schrei' ich. 4 Strophen. 

2. Mache dich, mein Geist, bereit. 3 Strophen. 

3. Wie soll ich dich empfangen. 2 Strophen. 

4. Jesus, meine Zuversicht. 3 Strophen. 

Weitere Gruppierung und höhere Systematisier ung dieses Materials. 
Cf. fünftes Schuljahr, Seite 27, achtes Schuljahr, Seite 1—22. 

Dr. Richard Staude 

Schulrat in Coburg 



S8 Das sechste Schuljahr. 



II Geschichte 

Litteratnr: Siehe das fünfte Schuljahr, 3. Auflage, Seite 33 u. Seite 64 
(Präparationen). Ferner: G opfert, Wie muss ein geschichtliches Lehrbuch für 
die Hand der Schüler beschaffen sein. Deutsche Bl. 1885, Nr. 44 u. 45. (Vergl. 
Nr. 50 und 1886, Nr. ll.) Hirt, Die Stellung des relig. Geschichtsunterrichts 
in der Erziehungsschule und die Reform seines Lehrplans. Jahrbuch 1886. 
G. Wiget,ZweiFragen aus der Methodik des Geschichtsunterrichts. Bündner 
Seminarblätter Nr. 5 und 6, 1885/86. Dr. Schilling, Über die Grundsätze der 
Auswahl, Anordnung u. Behandlung des Lehrstoffs für den Geschichtsunterricht. 
Leipzig 1897. Franzmann. Beiträge zum Geschichts- Unterricht. Einladungs- 
schrift zur XXV. Hauptversammlung u. s. w. Lomberg-Elberfeld 1897. Fritzsche, 
Die Gestaltung der Systemstufe im Geschichts-Ünterricht. Mitteilungen des 
Vereins der Freunde Herbart. Pädagogik in Thüringen. Langensalza 1897. 
Fritzsche, Bausteine für den Geschichts-Ünterricht. Altenburg 1897. Bal- 
damus. Erfüllung modemer Forderungen an den Geschichtsunterricht. Neue 
Jahrbücner von iTberg u. Richter, 1898, 6/7. Leipzig, Teubner. W. Münch, 
Schule und soziale Gesinnung. Fries-Menge, Lehrproben ete. Halle a/S. 59. Heft. 
1899. Krönlein, Zur Methodik des Gesch.-Ünt. Bad. Schulztg. 1898, 6—9. 
Fritzsche, Die Berücksichtigung der Bürgerkunde im Gesch.-Unt. D. Bl. f. 
erz. Unt. 1898, 2 — 6. A. Bär, Die Staats- u. Gesellschaftskunde als Teil des 
Gesch.-Unt. Päd. Bl. f. Lehr-Bildg. 1898, 7/8. Ph. Hartleb, Die Forderungen 
der Gegenwart a. d. Gesch.-Unt. der Volksschule. Bielefeld, Helmich. Günther, 
Vorschläge zu einer zeitgemässen Gestaltung des Gesch.-Unt. 2. Aufl. Wies- 
baden 1897. Bernheim, Gesch.-Unt. u. Gesch.- Wissenschaft. Neue Bahnen. 
1899. E. Stutzer, Deutsche Sozialgesch. Halle, Waisenhaus 1898. E. Wolff, 
Grundriss der preussisch-deutschen sozialpolit. u. volkswirtsch. Gesch. Berlin, 
Weidmann, 1899. G i e s e , Deutsche ßürgerkunde. J e n t s c h , Bürgerkunde. 
Leipzig, Grunow. 

I Ober das Ziel des Geschichts-Unterrichts 

,.Der Gheschichtsanterricht muss 
mehr als bisher das Verständnis 
für die Gegenwart und insbesondere 
für die Stellung unseres Vater- 
landes in derselben vorbereiten." 
Kaiser Wilhelm II 

Da sich fortgesetzt Bedenken gegen die Auffassung des Geschichts- 
unterrichts als Gesinnungsfach erheben, möchten wir hier nochmals kurz 
erläutern, in welchem Sinne wir das Wort „Geschichte ist Gesinnungs- 
unterricht" verstanden wissen wollen. Man hat gesagt: 

,,Die Geschichtsdarstellung soll die wirkenden Kräfte verstehen 
lehren alö' Kräfte. Sie braucht keine Zensuren auszuteilen. In diesem 
Sinn sind wir etwas misstrauisch geworden gegen die Benutzung der 
Historie als „Gesinnungsfach**." 

Wir auch. Trotz;iem halten wir fest an der Auffassung, dass in 
unseren Erziehungsschulen, den höheren, mittleren und niederen, der 
Geschichtsunterricht unter den Gesichtspunkt „Gesinnungsunterricht" ge- 
rückt werden muss, um ihm die wünschenswerte Wirkung zu sichern. 
Man muss diesem Worte nur den rechten Sinn geben. 

Voraus zu bemerken ist: Überwunden ist die Geschichtsauffassung 
Luthers und seiner Mitarbeiter, denen die Geschichte epe grosse und 
verlassbare Sammlung von Exempeln für das ganze Gebiet der Ethik ist: 



Das sechste Schuljahr, 29 

eine Auffassung, die noch Basedow vertrat, wenn er in seinem pro- 
jektierten ,, Hilfsbuch der historischen Welterkenntnis^^ die Erzählungen 
nicht in chronologischer Ordnung geben, sondern sie unter besondere 
Titel sammeln wollte, „welche den Zweck und Gebrauch anzeigen, als: 
merkwürdige Exempel dieser und jener Tugend, dieses und jenes Lasters, 
von grossen Menschenfreunden, von Tyrannen, von Lieblingen, von Mai- 
tressen, von Glück und Unglück bey Hofe, von grossen Wirkungen 
kleiner Ursachen u. s. w.^* 

Abgewiesen ist damit die Auffassung, als ob durch den Geschichts- 
unterricht die Schüler angeleitet werden sollten, zu Gericht zu sitzen 
über die geschichtlichen Personen, und Zensuren auszuteilen. Dazu fehlt 
ihnen nichts weniger als alles. Das soll man Männern wie Treitschke 
u. a. überlassen. 

Aber die Gesinnung der Schüler soll beeinflusst werden durch den 
Geschichtsunterricht. Daran halten wir fest. Damit stellen wir uns in 
Gegensatz zu denen, die noch immer die Hauptaufgabe des Geschichts- 
unterrichts in der Mitteilung des geschichtlichen Wissens sehen. Dieses 
Ziel ist zu niedrig gesteckt. Uns ist der Geschichtsunterricht nicht 
Wissens-, sondern Willenssache. 

Das soll nicht etwa heissen, dass wir das geschichtliche Wissen 
irgendwie gering schätzten. Keineswegs; es ist die unerlässliche Vor- 
bedingung. Aber es ist nicht alles. Es giebt ein höheres Ziel, das 
durch das geschichtliche Wissen hindurchführt. 

Jeder weiss aus eigener Erfahrung, dass es ein zweifaches Wissen 
giebt, eines, was den Menschen kalt lässt. Wie ein toter Klumpen ruht 
es in ihm : eine Last von hundert Kamelen, wie Kant sagt. Ein anderes, 
das den Menschen in Bewegung setzt, ihn antreibt, nicht nur zu man- 
cherlei Reflexionen, sondern auch zu thatkräftigem Handeln und Ein- 
greifen in die Dinge dieser Welt. Ein solches belebtes Wissen ist allein 
von Wert; jenes steht zurück, es dient nur zur Dekoration der Person. 

Eürden erziehenden Unterricht kann daher nur das lebendige Wissen 
in Betracht kommen, das den Willen in Bewegung zu setzen vermag; 
vor allem auf dem Gebiete der Geschichte. Darum sagten wir : Geschichts- 
unterricht ist Willenssache. Es kann uns gar nichts daran liegen, 
lebendige Geschichtslexika in den Schulen zu produzieren, sondern ein 
geschichtliches Wissen zu überliefern, das mit den Herzpunkten der 
werdenden Persönlichkeit zusammenwächst, in die Gesinnung eingeht und 
damit Einfluss auf das Wollen und Handeln gewinnt. 

Das verstehen wir unter Gesinnungsunterricht. Sagt uns jemand, 
dass wir damit eine Tendenz in den Geschichtsunterricht hineintrügen, 
so lassen wir uns das ruhig gefallen. Wir würden nur energisch ab- 
weisen, wenn uns vorgeworfen würde, wir wollten „Gesinnung machen*^ 
Das liegt weit ab von unserem Weg. Damit haben wir nichts zu thun. 
Das überlassen wir denen, die dazu charakterlos genug sind, oder zu 
engherzig. 

Unser Gesinnungsunterricht stellt sich weder in den Dienst einer 
religiösen noch einer politischen Bichtung, wohl aber in den Dienst der 
Charakterbildung. 

Damit ist unser Standpunkt gekennzeichnet. Er geht damit auch 
über die Fassung hinaus, die dem Geschichtsunterricht die „Pflege des 



30 Das sechste Schuljahr. 

historischen Sinnes ^^ vorschreiben und ihn dann in den Dienst der 
Klugheit stellen möchte. Als den ausschlaggebenden Gesichtspunkt 
können wir dies nicht betrachten, wenn man sich dabei auch auf einen 
Ausspruch Bismarcks berufen kann, dahingehend, dass für jeden 
Staatslenker ein richtig geleitetes Studium der Geschichte die wesentliche 
Grundlage des Wissens bilde. Hier allein sei zu lernen, was bei der 
Verhandlung mit anderen Staaten in jeder Frage erreichbar sei. In der 
Fähigkeit aber, die Grenzen des Erreichbaren zu erkennen, sei die 
höchste Aufgabe der diplomatischen Kunst bezeichnet. Das ist gewiss 
richtig. Der angehende Diplomat wird die Geschichte in ganz besonderem 
Lichte betrachten, um aus ihr zu lernen. Ihn wird das Wirken staats- 
bildender und staatszerstörender Kräfte, die ihm die Geschichte aufdeckt, 
vor allem lehren, den Geboten der Klugheit die Führung zu übergeben. 

Es wäre aber nicht gut für die innere Bildung unseres Volkes 
gesorgt, wenn die Geschichte unter diesen Gesichtspunkt allein gestellt 
würde. Eine Gegenüberstellung der staatsbildenden und staatszerstörenden 
Kräfte — soweit sie menschlichen Blicken erkennbar sind — dürfte doch 
wohl keine andere Wahrheit aufdecken, als die der Volks mund im Sprich- 
wort schon längst in der etwas banal klingenden, aber doch nicht zu 
beseitigenden Weisheit zusammengefasst hat: Ehrlich währt am längsten. 

Die Beschäftigung mit der Geschichte soll unsere Jugend befähigen 
helfen, dereinst mit Verständnis und festem Charakter an den nationalen Auf- 
gaben teilnehmen zu können. Es handelt sich also nicht um ein Ideal des 
Wissens, das der Klugheit Waffen liefern soll, sondern um ein Ideal der 
Gesinnung und des Handelns. Durch die Beschäftigung mit dem Leben 
und Wirken geschichtlicher Personen kann der einzelne einen Zuwachs 
an Menschenkenntnis, an Interesse für menschliches Thun und Leiden 
und an Selbsterkenntnis gewinnen. Durch die Einführung in den Inhalt 
und die Formen des sich entwickelnden Gemeinschaftslebens soll ihm das 
Verständnis eröffnet werden — soweit es möglich ist — für das eigen- 
artige, oft so dunkle und unerklärliche Zusammenwirken der geschicht- 
lichen Kräfte in der Entwicklung der Dinge: des wirtschaftlichen Mo- 
mentes, der sittlichen Ideen, des Getriebes der Persönlichkeiten in ihi'er 
Umgebung u. s. w. 

Und dies alles verdichtet in der Gesinnung: Jeder Schüler soll 
wissen, dass dereinst auf ihn gerechnet wird, und er soll wollen, dass 
man auf ihn rechnen könne. In die Schicksale unsres Volkes sich ver- 
tiefend soll die Jugend zu dem felsenfesten Glauben erzogen werden, 
unserem Volke steht noch Grosses bevor. Die kommende Zeit darf kein 
kleines Geschlecht finden, kein physisch und moralisch verkommenes, auch 
kein bloss klug berechnendes. 

Der Geschichtsunterricht als Gesinnungsunterricht soll, wie gesagt, 
vor allem das Rückgrat stärken, d. h. der Charakterbildung dienen. 
Das ist freilich schwieriger, als wenn nur ein bestimmtes Mass von Ge- 
schichtswissen eingeprägt, der geschichtliche Stoff einfach überliefert 
werden soll. Der Unterricht hat gewiss immer die Aufgabe, wahr zu 
sein und die Dinge selbst sprechen zu lassen. Aber diese sprechen 
doch durch den Lehrer oder durch das Buch, das ist in diesem Fall 
durch den Geschichtschreiber. Sie gelangen also an den Schüler in 
einer bestimmten Form. Diese Form ist aber sehr wesentlich : wenn 



Das sechste Schuljahr. 31 

zwei dasselhe reden, ist es doch nicht dasselbe. Es ist durchaus richtig, 
wenn verlangt wird : ,,Der Geschichtslehrer soll im Unterricht sich selbst 
verlieren in die Geschichte hinein und wie ein echter Künstler nichts 
wiedergeben wollen als das, was seinen eigenen Augen gross, klar, hell 
und scharf geworden ist." Nur was im Lehrer Gestalt gewonnen, besitzt 
Leben und lebenweckende Kraft so gut wie bei dem Prediger. Aber 
das ist es gerade, was dem Unterricht den gesinnungbildenden Einfluss 
giebt. 

Als Ziel unseres Geschichtsimterrichts können wir demnach fest- 
halten: 1. Der Unterricht hat dem Schüler die Einsicht in die Ent- 
wicklung unseres Volkes bis zur Gegenwart und in die Kräfte zu ver- 
mitteln, die diese Entwicklung bestimmt haben. 2. Der Unterricht soll 
in dem Schüler Kraft und Willen pflegen und stärken, an der Weiter- 
entwicklung in charaktervoller Weise sich zu beteiligen. 

In der Hauptsache stehen wir also von den Ansichten derer nicht 
weit ab, die verlangen: Erziehung zu einem geschichtlich denkenden 
Yolk, wenn hierin eingeschlossen ist, dass dieses geschichtliche Denken 
nicht im Widerspruche zu der sittlichen Einsicht steht. Also noch- 
mals: „Keine trockene Aufzählung von Thatsachen, die dem Verstand 
nichts zu denken und dem Herzen nichts zu fühlen geben. Lassen wir 
den Helden gleichsam vor den Kindern handeln und reden. Malen wir 
uns Ort und Umstände vor Augen. Nichts vergrössert, nichts ver- 
kleinert — aber das Kolorit so lebhaft als möglich. Kein wichtiger 
Umstand, der zur Aufklärung dient, soll übergangen Veranlassungen, 
Folgen, Absichten anschaulich gemacht werden. Auch moralische und 
politische Erwägungen seien nicht verschmäht, wenn auch das Bestreben 
vorherrscht, die Thatsachen so hinzuzeichnen, dass der Schüler von selbst 
überall die Gedanken zu finden und in richtiger Weise zu vollziehen 
genötigt wird." (Vergl. den Philanthropisten Bahrdt.) 

Hierin liegt das Bildende des Unterrichts. Der Geschichtsunterricht 
ist zu häufig nur Erzählung; als Gesinnungsunterricht aber ist er Er- 
forschung : Erforschung der Thatsachen und ihrer gesetzlichen Zusammen- 
hänge, soweit sie dem Schüler erkennbar sind. Eine solche Betrachtung 
der geschichtlichen Entwicklung steht unter dem Zeichen der Idee, und 
zwar zuletzt der sittlichen Idee. Das ist der Sinn des Gesinnungs- 
unterrichts, der sich wohl hüten wird, etwa durch absichtliches Betonen 
der Gesinnung den Sinn des Schülers abzustumpfen, oder auf die Jugend 
in erregtem Pathos einzureden, weil er weiss, wie vorübergehend die 
kleinen Mittel der Gefühlserregrmg sind. 

Geschichtliche Behandlung muss von unserem Standpunkt aus also eine 
betrachtende, nicht bloss eine erzählende sein. Denn erst dann wirkt sie 
charakterbildend, wenn sie auf die Gewinnung einer eigenen Überzeugung 
hinarbeitet. Die Betrachtungen bestehen in der Einflechtung von Ver- 
gleichungen, in der Aufspürung von Zusammenhängen, in der Ergründung 
von Ursachen, damit der allmählich erstarkende jugendliche Geist nicht 
bloss in der Passivität des Aufaehmens verharre, sondern aus der Ge- 
schichte etwas lerne. Die Kunst des Lehrers besteht nun darin, dass 
die Lehre ungesucht herausspringe und nicht als absichtliche Künstelei 
erscheine; dass der Schüler das Bewusstsein erhalte, wie schwierig die 



32 Das sechste Schuljahr. 

Probleme der Geschichte sind; dass sie nicht leichthin mit Worten und 
Formeln erledigt werden dürfen; wie gefahrlich Schlagworte sind, die 
sich anmassen, eine Entscheidung geben zu wollen. 

Aber selbst ein packender, recht geleiteter Geschichtsunterricht leistet 
noch nicht das, was er soll, wenn nicht das ganze Gemeinschaftsleben 
der Schale ihm zu Hilfe kommt. Hier liegt offenbar der Hauptmangel 
unserer öffentlichen Schulen, die, vielfach zu Schulkasemen ausgewachsen, 
auf die Wirkungen eines intimen Schullebens nur zu häufig verzichten 
und sich mit Beibehaltung äusserer Formen begnügen müssen. 



2 Die Auswahl des Stoffes*) 

Aus den Darlegungen, die wir im vorhergehenden Bande gegeben 
haben, geht hervor, dass der Stoff im Geschichtsunterricht für die Volks- 
schule die Geschichte unseres Volkes ist. Zur Durcharbeitung 
hatten wir im fünften Schuljahr unsere ältere deutsche Geschichte von 
Hermann bis Otto I. bestimmt: Arminius, Völkerwanderung, Chlodwig, 
Bonifacius, Karl d. Gr., Heinrich I., Otto d. Gr. 

Die Erbschaft der römischen Elaiser traten teils die deutschen 
Könige an, teils die Päpste in B.om. Während Christus gesagt hatte: 
„Mein B.eich ist nicht von dieser Welt etc.^ und „des Menschen Sohn 
ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse etc., so traten jetzt in 
der Kirche Jesu Männer auf, welche die weltliche Gewalt in ihre Hände 
bringen und sichtbare Statthalter Gottes und Jesu sein wollten. Bei 
diesem Bestreben mussten sie mit den römischen Kaisern deutscher 
Nation in Kampf geraten. Aus der laugen Reihe der Streitigkeiten 
zwischen Kaiser und Papst kommt vor allem die Geschichte Heinrichs IV. 
in Betracht. 

Von hier aus gehen wir zu den Kreuzzügen über, in denen die 
Macht der Päpste und der Kirche scheinbar die höchsten Triumphe 
feiert, mit denen aber auch zugleich ein neuer Geist und eine völlige 
Umgestaltung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse (Auf- 
blühen des Bürgertums) im Abendland Platz greift. Die hervorragendste 
Gebtalt dieser Zeit ist Friedrich Barbarossa. Von ihm gehen wir 
aus, um sodann die für uns wichtigsten Kreuzzüge vor und nach ihm 
durchzunehmen. Diese geben nun Veranlassung, auf das Bittertum 
näher einzugehen, auf das Sängertum (Sängerkrieg auf der 
Wartburg), auf das Emporblühen der Städte (Hansa), auf die 
Ausbreitung des Christentums an der Ostsee durch den 
deutschen Bitterorden. Den Völkerfluten nach Osten wird gegenüber- 



*) Für die Auswahl des Stoffes sind ausser dem Leipziger Seminarbuch 
folgende Aufsätze massgebend: 1. Thrändorf, Lehrplao für den Gesch.-Unt. 
in den deutschen Blättern für erz. ünt. 1877. 2. G opfert, Die Anordnung des 
Geschichtsstoffes für die Schule in den deutschen Blättern für erz. ünt. 1881. 
Derselbe, Über Stoffauswahl und Ausgangspunkt des Gesch.-Unt. XVI. Jahrb. 
d. V. f. w. Päd. Seite 247 ff. 3. Zillig, Der Geschichtsunterricht im Jahrb. 
des Vereins für wiss. Pädagogik. Jahrgang 1882. Siehe ferner die „Erläuterungen" 
zum XrV. J ahrbuch. Leipzig 1883, sowie die Arbeiten Biedermanns. Ferner 
die neueren Präparationswerke von Staude-Göpfert, Pritzsche u. a. 



Das sechste Schuljahr. 33 

gestellt das Drängen der Völker nach Westen: Hunnen, Ungarn, 
Mongolen, Türken bis zur Eroberung Konstantinopels. 

Von der durch die Kreuzzüge herbeigeführten Blüte des Eittertums 
schreiten wir nun — ausgehend vom Prinzenraub — fort zum Verfall 
desselben und damit zum ersten Kaiser aus dem Hause Habsburg, zu 
E.udolf I. Mit ihm schliessen wir den Greschichtsstoff des sechsten 
Schuljahres, der sich also in chronologischer Ordnung folgendermassen 
aufreiht: 1. Kaisertum und Papsttum (Heinrich IV. und Gregor VTL), 
2. Kreuzzüge (Friedrich Barbarossa), 3. Das Mittelalter auf 
seiner Höhe (Rittertum, Hansa etc.), 4. Rudolf von Habsburg. 

Am Schluss Zusammenstellung des gesamten Materials aus dem 
fünften und sechsten Schuljahr in chronologischer Reihenfolge. 



3 Die Bearbeitung des Stoffes 

Die Bearbeitung des soeben angegebenen Geschichtstoffes erfolgt 
in methodischen Einheiten, welche nach den formalen Stufen*) durch- 
genommen werden. Man vergleiche hierüber das im „fünften Schul- 
jahr", 3. Aufl. Seite 50 — 64, Gesagte und die vortreffliche Arbeit 
Zilligs im XIV. Jahrbuch des Vereins für wissenschafbliche Pädagogik, 
Seite 145 — 245. Indem wir auf diesen ausführlichen Aufsatz, der in 
den angeführten Abschnitten die Bearbeitung des Geschichtsunterrichts 
nach den formalen Stufen auseinanderlegt und eingehend begründet, ver- 
weisen, können wir uns hier um so kürzer fassen. Nur auf einige Pimkte 
möchten wir hier besonders hinweisen. 

1. Wie aus dem fünften Schaljahr bekannt ist, kann auch ein 
historisches Gedicht den Ausgangspunkt für einen geschichtlichen 
Abschnitt bilden. Dasselbe wird im deutschen Unterricht gelesen und 
unterrichtlich soweit bearbeitet, um Interesse zu wecken und An- 
knüpfungspunkte für die weitere geschichtliche Behandlung zu gewinnen. 
Es geschieht dies durch den sogenannten „darstellenden ITnterricht" 
(siehe das erste und fünfte Schuljahr). Hierbei wird die erste und zweite 
formale Stufe nicht getrennt, wie es da geschehen muss, wo der Lehrer 
oder eine Quelle den Geschichtsstoff in zusammenhängender Erzählung 



*) Für dieses naturgemässe, psychologische Verfahren gebraucht Dörpfeld 
folgende Gruppierung und Benennung: 

I. Erste Hauptoperation: Anschauen (Klarheitstufe). 

A. Analytische Vorbesprechung (Analyse, Vorbereitung, Vorbesprechung). 

B. Vorführung des Neuen (Synthese, Darbietung). 
IL Zweite Hauptoperation: Denken: 

A. Vergleichen (Association, Vergleichung). 

B. Zusammenfassen (System, Zusammenfassung, Ordnung). 

in. Dritte Hauptoperation: Anwenden (Methode, Funktion, An- 
wendung). Vergl. das erste Schuljahr Seite 24 ff. 6. Aufl. Femer Dörp fei d. 
Der didaktische Materialismus, Gütersloh 1880, und Beiträge zur pädagogischen 
Psychologie, Gütersloh. Ferner: Die schulmässige Entwicklung der Begriffe. 
Ev. Schulblatt 1877, Nr. 1, Gütersloh. Vergl. Ev. Schulblatt 1882 „Nach- 
bemerkungen". Wiget, Die form. Stufen. 6. Aufl. Chur 1898. 

Hiernach bestimmt sich auch ganz naturgemäss das Wieviel. Wird mit 
der Verarbeitung nach den formalen Stufen konsequent verfahren, so ist jede 
„Überbürdung" von vornherein ausgeschlossen. 

3 



34 Das sechste Schuljahr. 

den Kindern darbietet. Bei der BehandlungsweLse, die wir im Anschluss 
an ein Gedicht vornehmen, wird die Oeschichtserzahlung von den 
Kindern mit Hilfe des Lehrers erarbeitet. Nachdem dies geschehen , 
kann wohl auch von seiten des Lehrers eine Erzählung erfolgen, die als 
Muster in der Form angesehen werden muss, ebenso wie im deutschen 
Unterricht das mustergültige Vorlesen des Lehrers gewöhnlich erst dann 
zu geschehen hat, wenn die Sonder selbst sich mit dem Lesen des be- 
treffenden Abschnittes bemüht haben. Doch braucht die Erzählung des 
Lehrers selbstverständlich nicht aufzutreten, wenn die Schüler selbst die 
zusammenfassende Darstellung des erarbeiteten Materials in guter und 
gewandter Sprache bringen. Wir folgen auch hier dem Grundsatz, der 
unsere gesamte Unterrichtsthätigkeit bestimmt, alles das der Arbeit des 
Schülers zu überlassen, was dieser selbst durch eigene Kraft und An- 
strengung zu leisten vermag. Der Vorwurf der Zeitverschwendung kann 
hierbei nur dann erhoben werden, wenn man auf dem Boden des didakti- 
schen Materialismus stehend dem Grundsatze folgt, möglichst viel in 
möglichst kurzer Zeit in den Schüler hineinzustopfen, gleichviel, wieweit 
dieser die Sache begreift oder nicht — oder, wenn man dem didaktischen 
Cynismus huldigt, der über methodische Überlegungen geringschätzig lächelt. 

Ist also die Erzählung durch darstellenden Unterricht erarbeitet, 
wobei analytisches und synthetisches Material in rascher Aufeinanderfolge 
in einander gewebt wird, ist die erste Totalauffassung durch die Be- 
sprechung und durch die Vertiefung (Konzentrationsfragen) zu einer er- 
weiterten und geläuterten umgearbeitet worden, so kann dann die Klarheits- 
stufe, oder die Stufe der Anschauung als beendet angesehen werden. 
Der Lehrer geht dann bei passenden Buhepunkten zur Durcharbeitung 
des gewonnenen Stoffes nach den folgenden Stufen über, um eine Be- 
sinnung auf die tiefer liegenden Gedanken zu veranlassen. (Siehe das 
5. Schuljahr a. a. 0.). 

2. Die Gestaltung der Systemstufe ist für den Geschichts- 
unterricht ebenso wichtig, wie für die übrigen Unterrichtsfächer. Im 
System, der Zusammenfassung und Ordnung des begrifflich Wertvollen, 
des bleibenden Gewinns, muss der Charakter des betreffenden Unterrichts- 
faches klar und scharf hervortreten.*) 

Nun betrachten wir in der Erziehungsschule den Geschichtsunterricht 
als Gesinnungsunterricht. Danach wird sich auch das System gestalten 
müssen. Da aber der biblische Geschichtsunterricht unter den gleichen 
Gesichtspunkt gerückt wird, so fragt es sich, ob beide Unterrichtsfächer 
das gleiche System auszubilden haben. 

Dem dürfte vor allem die verschiedene Natur der Lehrstoffe wider- 
sprechen. Wenn sie auch das gleiche Ziel verfolgen, nämlich Bau- 
steine zur Bildung einer reinen und festen Gesinnung zu liefern, so 

*) S. Bodenstein, Zum System im Gesch.-Unt. Päd. Studien 1891. 
Schilling, Der systemat. Stoff im Gesch.-Unt. XXV. Jahrb. d. V. f. w. Päd. 
Bär, Die religiös-moral. Geschichtsbetrachtung. Neue Bahnen 1895, 3. Fritzsche, 
Was gehört auf die Systemstufe im Geschichtsunt.? Neue Bahnen 1895, 7. 
Franke, Gegen die Systeme im Gesch.-Unt. Deutsche Schulpraxis 1894, 5 — S. 
Fritzsche, Leitsätze. Mitteilungen des Vereins d. Fr. Herbart. Päd. in 
Thüringen. Langensalza 1897. Nr. 9 u. 10. (Päd. Magazin 77. Heft. Ebenda.) 
Fritzsche, Bausteine etc. Altenburg 1897. DÖrpfeld, ßepetitorium des 
naturkundl. u. humanist. ßealunterrichts. Gütersloh 1873; Seite 76 — 92. 



Das sechste Schuljahr. 85 

werden sich diese Bausteine ihrer Art nach unterscheiden. Die bibli- 
schen Stoffe dienen in erster Linie der Pflege des religiösen Interesses, 
der Einführung in das Verhältnis des Menschen zum Übersinnlichen, 
zu Grott. Da nun das Verhalten des Menschen zu Gott nicht losgelöst 
betrachtet werden kann von seinem Verhalten zu den Mitmenschen, so 
werden in der Ausbildung der religiösen Gefühle auch die Pflege der 
sittlichen einbegriffen sein. Der Niederschlag dieser Arbeit, die also 
auf die religiös-sittliche Einzelbildung gerichtet ist, soll im Schul - 
katechismus zutage treten. 

Wie steht es nun mit dem Ergebnis des profangeschichtlichen Unter- 
richts ? Hier tritt offenbar das religiöse Moment zurück und das nationale 
in den Vordergrund. Wenn dort die Ideen in Frage kommen, die für 
das Innenleben der Einzelperson massgebend sind, so werden hier vor 
allem die Ideen herausgearbeitet werden müssen, die für das Leben der 
nationalen Gesamtheit bestimmend sind. Dabei befindet sich jene Auf- 
gabe in unleugbarem Vorteil, da die für das Einzelleben zu formulierenden 
Sätze niedergelegt sind in der Lehre Jesu. Wo aber finden wir die 
Grundsätze des nationalen Katechismus, den Niederschlag unserer nationalen 
Entwicklung in sozial-ethischer Beziehung? 

Hier liegen die Ergebnisse nicht so gesichert vor, dass ihr Inhalt 
und ihre Formulierung nicht anfechtbar wäre. Aber trotzdem ist eine 
Zusammenfassung möglich und notwendig. Sie wird sich nach drei Seiten 
hin erstrecken: 

1) Es werden geschichtlicheVerdichtungen in gedrängten, schema- 
tischen Übersichten zusammengestellt. (Historisches System.) 
Femer : 

2) Typische Erscheinungsformen, die als etwas Generelles gelten 
können : die Formen der Staatsverfassungen, der Heeresverfassun- 
gen, die Grundzüge der Natural- und Geldwirtschaft, der Steuer- 
verhältnisse u. s. w. 

3) Gesetze des politischen und sozialen Lebens, soweit sie erkennbar 
und für die Schüler erfassbar sind. (Gesellschaftl, Ideen der 
Sozial-Ethik bei Herbart, Nahlowsky, Ziller, Flügel u. a.) 

Individual- ethische Betrachtungen werden allerdings auch im Ge- 
schichtsunterricht nicht ganz abzuweisen sein. Sie bieten sich von selbst 
dar, wenn es gilt, den religiösen und sittlichen Motiven der handelnden Per- 
sonen nachzugehen und ihren Charakter zu verdeutlichen. Allein es wird 
hier nicht zur Systematisierung vorgeschritten. Das bleibe dem biblischen 
Unterricht vorbehalten. Umgekehrt wird auch der biblische Geschichts- 
unterricht Betrachtungen des sozialen Lebens in Familie, Stamm und 
Volk enthalten, aber die Systematisierung solcher Lebensbedingungen ist 
Aufgabe des Geschichtsunterrichts. So arbeiten beide Teile des Ge- 
sinnungsunterrichts getrennt und doch zusammen für die Bildung des 
Charakters. Das Verständnis für die individuale Seite möge die biblische 
Reihe anstreben; die Einführung aber in die Grundbedingungen das 
nationale und soziale Leben die profane Geschichtsreihe übernehmen. 

In den Präparationen von Fritzsche tritt zuerst das Bestreben 
hervor, das System im Charakter des historischen Unterrichts zu halten. 
Neben ihnen verdient vor allem das Präparationswerk von Staude und 
Göpfert eingehende Beachtung. 

3* 



36 Das sechste Schuljahr. 

Dabei sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass das kultur- 
historische Anschauungsmaterial recht reichlich zur Verdeut- 
lichung der Vorstellungen des Schülers und zur Belebung des Unter- 
richts herangezogen und dem Schüler zur verweilenden Betrachtung dar- 
geboten werde. Es diene zugleich zum Schmuck der Schulzimmer. (S. d. 
betr. Art. in Beins Encyklopädie.) Auch die Schülerbiblio- 
thek muss in den Dienst des Geschichtsunterrichts gestellt werden in 
der Form der Klassenbibliothek mit enger Beziehung auf den Lehrplan. 



Obersicht über den zu behandelnden Stoff 

A Kaisertum und Papsttum 

,,Zvei Schwerter Hess Gott auf Erden, 
zu beschirmen die Christenheit: dem 
Papste das geistliche, dem Kaiser das 
weltliche." Sachsenspiegel 

Das grosse römische Beich war dahin. Seine Erbschaft traten die 
deutschen Könige an*). Wir wissen dies von Karl dem Grossen; Titel: 
Eiömischer Kaiser deutscher Nation. Warum so? (Gegensatz: unser 
deutscher Kaiser.) Kaiserkrönung zu Eiom. (I. Interregnum : 476 — 800. 
n. 1251—1273. m. 1801—1871.) Das gute Verhältnis zwischen 
Kaiser und Papst ist nicht immer so gut geblieben. Ziel: Wir wollen 
jetzt von einem grossen Streit hören zwischen Kaiser und Papst. 

1. Stufe. 1. Vom Papst? Was wisst ihr von ihm zu sagen? 

Kaiserkrönung, Karl der Grosse. Nachfolger der römischen 

Kaiser. Titel. Sitz des Papstes in Rom. 

2. Vom Kaiser? Welche kennen wir? Karl d. Gr. Heinrich. 
Otto. Wilhelm I. Friedrich HI. Sitz im Reich. Aachen etc. 
Berlin. 

3. Von einem Streit? 

a) Waren Kaiser und Papst nicht gute Freunde? 

Krönung; Schenkung unter Pipin. 

b) Was mag beide entzweit haben? 

a) Etwa Streit um Land? (Elsass — Frankreich und 

Deutschland.) 
Nein, der Kaiser — weltlicher Herrscher. 

der Papst — Nachfolger Christi. 

c) Welcher Kaiser mag den Streit gehabt haben? 

Von ihm wollen wir jetzt ein Gedicht lesen, das uns von seinem 
Hinscheiden erzählt. 



*) Bei der späteren Besprechung mag dann hervorgehoben werden, wie 
auch die Päpste sich des römischen Erbes bemächtigen wollten. Ihre Übergriffe 
in das weltliche Gebiet fährten, ausser anderen Ursachen, die im Nachfolgenden 
auch zur Sprache kommen müssen, zu der Feindschaft zwischen ihnen und den 
Kaisem. 



Das sechste Schuljahr. 37 

1. St. Vorher aber sollt ihr mir angeben, was ihr vom Tode der 
uns bekannten Kaiser wisst. Heinrich. Otto. Wilhelm I. Ganz anders 
bei unserem Gedicht! 

2. St. Lesen des Gedichtes. 



Heinrich IV.*) 

Es wird vorgeschlagen, den Ausgangspunkt von folgendem Gedicht zu nehmen: 
Die Glocken zu Speier von 0er. (Ausgew. Gedichte Nr. 45.) 

Bearbeitung des Gedichtes mit den Kindern in der deutschen Stunde. 
Zusammenfassende Darstellung des 1. Stückes: In der alten Kaiserstadt 
Speier am Rhein liegt im letzten kleinen Häuschen ein kranker Greis 
auf dem Sterbebette. Schlecht gekleidet, auf hartem Lager liegend, ist 
er einsam und in bitterer Not. Thränen rinnen in seinen Bart. Niemand 
ist um ihn, Niemand pflegt ihn, Niemand reicht ihm Arznei, Niemand 
tröstet ihn. Niemand betet mit ihm. Einsam und verlassen von allen, 
hilft ihm nur der bittere Tod. Und als der arme, alte verlassene Greis 
den letzten Atemzug gethan, horch ! — da fangt auf einmal die Kaiser- 
glocke, die lange verstummt gewesen war, von selbst dumpf und langsam 
zu läuten an, und bald fallen alle anderen Glocken, gross und klein, 
auch von selbst mit vollem Klange ein; es war ein Kaisertotengeläute. 
Und in ganz Speier heisst^s: „Der Kaiser ist gestorben. Der Kaiser, 
aber wo? Weiss keiner, wo der Kaiser starb?" Keiner wusste es. Wir 
wissen es: es war der arme, verlassene Greis im letzten Häuslein von 
Speier. — 

2. Aber wie, welcher Kaiser wäre so arm, so hilflos, so verlassen 
gestorben? Welcher Kaiser wäre der Greis gewesen? Sein Name ist 
nicht genannt. Aber gleichwohl finden wir im zweiten Teile des Ge- 
dichtes eine deutliche Hinweisung, wer es war. 

Lesen und Behandeln des zweiten Teiles. Wieder stirbt nach 
längerer Zeit zu Speier ein Kaiser, Heinrich V., Heinrich IV. Sohn, 
und wieder ertönt wundersam, von selber eine Glocke, aber nicht die 
Kaiserglocke. Nun ist's offenbar, wer der verlassene Greis gewesen. 
Kaiser Heinrich IV. war es, gegen den sich sein Sohn, Heinrich V., 
schwer vergangen hat. 

Wie geht's aber zu, dass ein grosser, mächtiger Kaiser, ein Kaiser 
der grossen deutschen Nation, wie ein verlassener, hilfloser Bettler stirbt? 
Ist's bei Königen und Kaisem, wenn sie auf dem Sterbebette liegen, 
nicht anders? Und warum nur hier so? Der Papst in Biom hatte ihn 
aus der christlichen Kirche ausgestossen, er hatte ihn in den Bann ge- 
than. Beschreibung des Bannfluches überhaupt und bei Königen ins- 
besondere. Die Folgen dauern, bis der Bann gehoben. Nun die Er- 
zählung, wie sich Heinrich IV. vor dem Papst Gregor VII. demütigt. 
Überleitung : 



*)Kichter, Quellenbuch: 36. Heinrich IV. und die Sachsen. 
37. Heinrich IV. u. die Bürger von Worms. 38. Heinrich IV. an Gregor VII. 
39. Der Bannspruch Gr^ors VII. wider Heinrich IV. 40. Heinrichs IV. ßeise 
nach Kanossa. Vergl. Krämer, Historisches Lesebuch, Nr. 41—47. 



J 



38 Das sechste Schuljahr. 

1. Wie war es aber nur gekommen, dass der römische Papst den 
Kaiser in den Bann gethan hatte ? Die Kinder mutmassen selbst ; zuletzt 
wird das Gesagte richtig gestellt und im Zusammenhange erzählt. (Ur- 
sache des Bannes.) 

2. War das recht, dass der Papst den Kaiser in den Bann that, 
imd dass das Volk von ihm abfiel? Wir billigen das bejahende Urteil 
der Eönder. Der Kaiser hatte seine Unterihanen mit Ungerechtigkeit 
behandelt; wie? und die Satzungen der Kirche verachtet; wie? Zusammen- 
fassung. (Wirkung des Bannes.) 

3. Und nun? Was soll der Kaiser jetzt thun? Den Papst mit 
Gewalt zwingen, den Bann von ihm wegzunehmen, oder ihn bitten, ihn 
vom Banne zu befreien? Unter welchen Umständen das erste gegangen 
wäre? Es ging aber hier nicht, weil seine Unterthanen nicht auf seiner 
Seite standen. Und so muss er sich zum zweiten entschliessen. Er- 
zählung von Seiten des Lehrers. Zusammenfassung der einzelnen Ab- 
schnitte. (Lösung vom Banne.) 

4. Der Kaiser ist also in Kanossa vom Banne befreit worden. Und 
doch stirbt er im Bann. Wie ist dies zu erklären? Er ist zum zweiten 
Mal in den Bann gethan worden. Wie das gekommen? Erzählung des 
Kampfes mit Budolf von Schwaben. (Der Bürgerkrieg in Deutschland.) 

5. Aber wir finden in dem Sterbekämmerlein des Kaisers auch nicht 
einmal die Seinen. Hatte er keine Kinder, die sich des alten gebeugten 
Vaters annahmen? 

Wie beträuemswert war der Kaiser; seine eigenen Söhne empören 
sich gegen ihn. — Ausführliche Darstellung: Heinrich und seine Söhne. 
Treulosigkeit des jüngsten Sohnes, des nachherigen Heinrich Y., gegen 
den Vater zu Bingen, Gefangenschaft in Ingelheim ; Nötigung zur Thron- 
entsagung, stirbt im Bann der Kirche, nicht zu Speier, sondern in Lüttich. 
(Empörung des Sohnes; Kampf Heinrichs lY. um seine Krone.) 

6. Das Volk aber dichtete die Sage von den Glocken zu Speier. 
Was soll das bedeuten? Wenn die Glocken vernünftige Wesen wären 
und reden könnten, so würden sie sagen: „Da ihr Menschen beim Tode 
eures Kaisers nicht läuten wollt, so läuten wir zu seinen Ehren selber! 
Die Menschen wollten mit der Dichtung sagen: Der Kaiser hat genug 
gelitten, er hat dafür gebüsst, und hat sein Unrecht gesühnt ; es gebührt 
ihm Verzeihung, es gebührt ihm die kaiserliche Ehre. Und beides ist 
ihm zu teil geworden. Fünf Jahre nach seinem Tode wurde der Bann 
gelöst und seine Leiche in Speier feierlich beigesetzt. Das Verhalten 
seines Sohnes aber verdient die schärfste Verurteilung. 

7. Voll Kampf und Leiden war das Leben, traurig das Ende des 
Kaisers gewesen. Auch seine Jugend war reich an mannigfachen Schick- 
salen. Darstellung seiaer Jugend und seiner Erziehung. 

Auf der HE. Stufe (Vergleichung, Assoziation) zunächst Durchlaufen 
des gesamten Stoffes über Heinrich IV. in chronologischer Beihe. Sodann 
Gegenübei*stellung : Kaiser und Papst. 

Zur 5. Stufe: Was bedeutet der Satz: Nach Kanossa gehen wir 
nicht? „Heinrich IV." von Heine. Ausgew. Ged. Nr. 44. rt^er Mönch 
vor Heinrich IV. Leiche" von Wolfg. Müller. Ausgew. Ged. Nr. 46. 
Zum System siehe Fritzsche, Bausteine S. 68, sowie das Präparations- 
werk von Staude-Göpfert III. 



Das sechste Schuljahr. 39 



B Die Ereuzzfige*) 

In der Geschichte Heinrichs IV. sahen wir den Triumph des Papst- 
tums, wie auch dessen zeitweisen Niedergang. In den Herzen der Völker 
besass es eine gewaltige Macht, eine Macht, welche zwar unsichtbar, aber 
doch über Kaiser und Könige den Sieg davon trug. Diese Macht zeigte 
sich auch in den Kriegszügen, welche das Abendland zur Eroberung des 
heiligen Grabes unternahm. An diesen Zügen nahm auch ein deutscher 
Kaiser teil, dessen Name bis auf den heutigen Tag noch fortlebt im 
Volke. Von ihm wollen wir jetzt lesen. (Krämer, Historisches Lese- 
buch, Nr. 56—62.) 

1 Sage von Barbarossa 

Gedicht: Barbarossa, von Rückert. Ausgew. Gedichte Nr. 52. 

Der Name Rotbart giebt Veranlassung, auf das Äussere des Kaisers 
und die Herkunft seines Geschlechts einzugehen*'"). Er muss ein ge- 
waltiger Herrscher gewesen sein, weil das Volk immerfort glaubte, er 
sei nicht gestorben, sondern er habe des Reiches Herrlichkeit mit hinab 
genommen in den Kyffhäuser (TJntersberg) und werde seiner Zeit wieder- 
kommen und die alte Herrlichkeit des Reiches erneuern. 



2 Barbarossas Kämpfe in Italien 

Gedicht: Barbarossas Rettung von Döring. Ausgew. Gedichte Nr. 49. 

Dem Opfer des treuen Ritters stelle man gegenüber den Verrat 
Heinrichs des Löwen***). (Brenner, Splügen, Chiavenna, Lesebuch: 
TJberfall des Kaisers in der Veroneser Klause etc.) 



3 Barbarossas Kreuzzug 

Gedicht: Schwäbische Kunde von ühland. Ausgew. Gedicht Nr. 51. 

Kaiser Rotbart streitet gegen die Türken. Zusammenstellung des 
analytischen Materials über die Türken; sodann die Fragen, wo wohnen 
diese, und seit wann haben sie diese Länder, vor allem das heilige Land, 
in Besitz genommen? Ihr Verhalten gegen die Bürger etc. führt zu 
dem Entschluss der christlichen Völker: das Grab des Erlösers und die 
heiligen Stätten den Ungläubigen zu entreissen. Schwierigkeiten, die 
sich dem Unternehmen entgegenstellen. Auch Kaiser Rotbart greift zu 
den Waffen. Erzählung seines Zuges bis zu seinem Tod. 

, In dem Rückertschen Gedicht heisst es, er habe des Reiches Herr- 
lichkeit mit hinabgenommen. Was heisst das ? Das Reich lag darnieder, 



*) S. Richter, Quellenbuch: 41. Die Kreuzzüge. 42. Vorbereitung 
zum 2. Kreuzzug. 43. Der 2. Kreuzzug. Vergl. Krämer, Hist. Lesebuch, 
Nr. 48, 53-55. 

**) Der Hohenstaufen (Gedicht von J. A. Kerner). 
**♦) Lesebuch: Der Löwe von Jul. Mosen. 



40 Das sechste Schuljahr. 

das edle Geschlecht der Hohenstaufen war untergegangen. Erzählung 
vom Untergang der Hohenstaufen. Krämer, Hist. Lesebuch, Nr. 72. 

Hieran anknüpfend wird man den Kampf der Hohenstaufen um 
Italien behandeln. Seit Karl d. Gr. war das Verlangen der deutschen 
Kaiser nach dem herrlichen Land wachgerufen worden*). Die schweren 
Folgen, die dies unserem Vaterland gebracht hat! 

Am Schluss erfolgt eine zusammenhängende, chronologisch geord- 
nete Darstellung des Lebens Friedrich I. bis zu seinem Tod und dem 
Untergang seines Geschlechtes. Auf der Stufe der Association stelle 
man ihn mit Karl d. Gr. und Otto d. Gr. zusammen. Auf der letzten 
Stufe der Gedanke: Jetzt ist die Herrlichkeit des Eeiches wieder er- 
schienen in Kaiser Wilhefm! Aufsatz: Barbarossa imd Barbabianka. 
Begleitende Gedichte s. Ausgew. Ged. VII. und Vm. Abschnitt. 

Nun anknüpfend an den letzten Kxiegszug Barbarossas gegen die 
Türken die Erzählung der 

Zfige nach dem heiligen Land vor Friedrich Barbarossa 

und sodann 

Die KreuzzQge nach Barbarossa 

Zusammenstellung der bedeutendsten Züge nach dem heiligen Land 
(erster Kreuzzug und fünfter wegen der heimatlichen Beziehungen, 
Landgraf Ludwig d. Heil.). Besprechung über die Folgen, welche die 
Kreuzzüge dem Abendland brachten. 



C Das Mittelalter 

1. Das Erste, was wir betrachten, ist die Gestaltung des Reiches, 
wie sie uns äusserlich erkennbar entgegentritt: seine Grenzen, und 
zwar zur Zeit des Interregnums**). Wir vergleichen diese Grenzen 
mit denen, welche das Eeich zur Zeit Ottos d. Gr. und Karls d. Gr. 
hatte. "Wir finden mehrfache Veränderung in dieser Beziehung vor. 
(Auf der Wandtafel ist vom Lehrer eine Zeichnung zu entwerfen, auf 
welcher jene älteren und diese neueren Grenzen deutlich unterscheidbar 
und vergleichbar sich vorfinden, so dass der Schüler durch das Karten- 
bild, das er nach eingehender Betrachtung auch nachzuzeichnen hat, ein 
deutliches und festhaftendes Bild des früheren, wie des späteren Zu- 
Standes erhält.) Diese Veränderungen bestehen nun auch darin, dass 
nach Nordosten unseres Vaterlandes hin, die Landstriche an der Ostsee, 
Preussen, Kurland erobert, germanisiert und christianisiert werden. 

Hier wäre eine kurze geschichtliche Bundschau auf die Eroberung 
dieser Länder zu werfen und hervorzuheben, wie in der Völkerwanderung 



*) In der Geographie eingehende Behandlung des herrlichen Landes. 
**) Nach Biedermann, Der Geschichtsunterricht, Seite 33. 



Das sechste Schuljahr. 41 

die deutschen Stämme von Osten nach Westen drängen, wie dann die 
rückläufige Bewegung beginnt, die auch nicht aufgehalten wird durch 
den Eroberungszug der Mongolen und das Anstürmen der Türken von 
Osten her. 

2. Die innere Gestaltung Deutschlands. Hier würde 
sich das hauptsächlichste Augenmerk auf die seit den Ottonen merklich 
fortgeschrittene Vielteilung des Beiches richten. Bis gegen Ende des 
10. Jahrhunderts treten die grossen Stammesherzogtümer als Teilganze 
des Bleiches hervor, aber allmählich bilden sich innerhalb derselben weitere 
Einteilungen und Abgrenzungen, zuerst die grossen Mark- und Land- 
grafschafken, die immer selbständiger und von den Herzögen unabhängiger 
sich darstellen, weiter die grösseren geistlichen Gebiete, zuletzt eine An- 
zahl von Pfalzgrafschaften, Burggrafschaften u. s. w. Dieser Zerfall der 
Herzogtümer in eine bunte Vielheit grösserer und kleinerer Gebiete voll- 
endet sich durch den Untergang Heinrichs des Löwen, durch das Ver- 
schwinden der fränkischen und schwäbischen Dynastie. Dies ist mit 
Hilfe einer Karte den Schülern deutlich zu machen. 

3. Die Verfassung des Beiches nach ihren Hauptzügen; 
zuerst das Verhältnis des Kaisers zu den Vasallen. Die vollendete That- 
sache der gänzlich geschwächten und beinahe vernichteten einheitlichen, 
Recht und Ordnung erhaltenden Gewalt im Beich, wie sie im Literregnum 
in schrecklicher "Weise zutage tritt, bietet den Ausgangspunkt der rück- 
schauenden geschichtlichen Betrachtung. Das Königtum unter Heinrich I., 
Otto I. "Wie ist es gekommen, dass dieses starke Königtum so zu Boden 
liegt? Aussterben des sächsischen Kaiserhauses; Kaiserwahl*); Auf- 
stellung der beiden verhängnisvollen Grundsätze unter Heinrich IV. : 
1., dass die Fürsten in der Wahl des deutschen Königs völlig frei, nicht 
einmal an die Familie des letztregierenden Königs gebunden sein sollten, 
2., dass zur Gültigkeit einer solchen Wahl jedesmal die Bestätigung des 
Papstes nötig sei. — Neigung der deutschen Kaiser, nach Italien zu 
ziehen. So würden die Züge der Hohenstaufen nach Italien auch nach 
ihrer Bedeutung für das Reich, das Interesse des Hauses und seiner 
Macht gegenüber den Interessen des Reiches etc. zu betonen sein. — 

Durch eine solche Vergegenwärtigung der Kaisergeschichte würde 
man den Schüler zu dem Endergebnis (Interregnimi) zurückführen, welches 
ihm schori als fertige Thatsache vorgelegt war. Man würde gleichsam 
vor seinen Augen den Faden der Ereignisse ablaufen und sich entwickeln 
lassen, die zu diesem Endpunkte hin von einem früheren anders gearteten 
Zustand führen und würde ihm so, durch Aufzeigung bestimmter That- 
sachen in bestimmter Aufeinanderfolge und Verkettung zum Bewusstsein 
bringen, wie und wodurch es zu dem gekommen sei, was am Ende des 
Zeitraums als vollendet erscheint, zu dem Sieg des aristokratischen und 



*) ,,Es dürfte nicht unzweckmässig sein, diese und ähnliche Momente der 
vaterländischen Geschichte, in denen sich ein hervorstechender Charakterzug des 
Volkes oder eine bedeutsame Wendung seiner Geschicke kundgiebt, so viel 
möghch mit den Worten zeitgenössischer Zeugen wiederzugeben, so im gegen- 
wärtigen Fall die Scene der Wahl Konrads 11., etwa nach der Schilderung 
Wippos." Biedermann. Richter, Quellenbuch, Nr. 33; Krämer, Histor. Lese- 
buch, Nr. 36. 



42 Das sechste Schuljahr. 

partikolaristischen Elementes über das monarchisch-einheitliche. In dieser 
ganz bestimmten Verkettung der geschichtlichen Thatsachen, durch die 
dem Schüler stets gegenwärtig zu haltende Hinweisung auf ein gegebenes 
Endziel der Betrachtung, gleichsam der Auflösung einer vorangestellten 
geschichtlichen Aufgabe, erhält jeder einzelne Vorgang sogleich seine 
deutliche und auch für den noch weniger an geschichtliche Betrachtungen 
gewöhnten jugendlichen Geist leicht fassliche Bedeutung, seine sichere 
Stellung im Ganzen der Geschichtsentwicklung, prägt er sich zugleich 
eben darum fest und bleibend dem Gedächtnis ein. Ereignisse, welche 
ganz bestimmte Wendungen in der Geschichte des deutschen Königtums 
von seiner Grösse zu seinem Verfall hin kennzeichnen, wie die Tage von 
Kanossa, Heinrichs V. Empörung gegen seinen Vater auf Anstiften der 
päpstlichen Partei, die Beugung Heinrichs des Löwen und die dadurch 
beförderte Zersprengung der grossen Herzogtümer — dies und Ahnliches 
samt den hervorragenden Persönlichkeiten, an die sich die behandelten 
Vorgänge knüpfen, wird sich dem Gedächlnisse des Schülers um so fester 
einprägen und um so gewisser darin haften, als ihm, wie gesagt, bei 
jeder dieser Thatsachen und dieser Persönlichkeiten sogleich deren Be- 
ziehung zu der Frage, vor welche der Lehrer ihn gestellt hat, (ihre Be- 
deutung für die Schwächung oder Stärkung des B^iches und seiner Ge- 
walt) klar vor Augen steht. 

Hätte der Schüler solchergestalt die politischen Verhältnisse 
des £«ichs in grossen, klaren Umrissen kennen gelernt, so wären ihm 
nun die Kenntnis der inneren Zustände, teils des Ganzen, teils der 
einzelnen Teile nahe zu bringen. 

4. Die allgemeinen Einrichtungen imBeich: Kriegswesen'*'), 
Rechtsprechung u. s. w. Rittertum. S. Richter, Quellenbuch, 
Nr. 50, 51, 52. 

5. Das Verfassungs- und Rechtsleben der Einzel- 
staaten, das Verhältnis der TJnterthanen zum Landesherm, die Ent- 
wicklung der Standesunterschiede, die Gegensätze von frei und unfrei, 
von reichsunmittelbar und mittelbar, von hohem und niederem Adel u. s. w. 

6. Das Städtewesen. Hier wäre zu zeigen, welche Städte von 
Bedeutung und wo solche neu entstanden sind. Es wäre hinzuweisen 
auf den unterscheidenden Entstehungsgrund und Charakter der einzelnen, 
z. B. ob Bistumsitze, Pfalzen, Mittelpunkte einer Mark, Stapelplätze des 
Verkehrs, Bergwerkstädte oder dergleichen, auf ihre Verfassung (Ver- 
hältnis der Patrizier, der Kaufleute und der Handwerker unter einander), 
ihr inneres und äusseres Wachstum, auf die Rolle, welche die Städte in 
den Angelegenheiten des Reichs spielen (Heinrichs IV. Kampf mit seinem 
Sohn), endlich auf die Anfange der grossen Städtebündnisse (Hansa) 
und auf deren hohe politische wie kommerzielle Bedeutung. (Richter, 
Quellenbuch, Nr. 44.) 

7. Betrachtung des damaligen Verkehrswesens, der Landwirt- 
schaft und der damit im engsten Zusammenhang stehenden Rechts- 
verhältnisse des Bauernstandes, der Gewerbe (des Handwerkertums und 



*) Besuch von Sammlungen auf der Schulreise: Wartburg etc. — analyt. 
Material ! 



Das sechste Schuljahr. 43 

des Innungswesens), des Handels und der SchiflPahrt, der inneren Handels- 
wege und der Handelsverbindungen nach aussen*). 

8. Geistige Kultur. Ausbreitung des Christentums, Stiftung 
kirchlicher Anstalten (Kirchen, Bistümer, Klöster, geistlicher Orden, 
Richter, Quellenbuch, Nr. 47); Minnesänger (Wartburg); Baukunst 
romanischer und gotischer Stil)**). 

9. Der allgemeine Lebensverkehr, Sitten, Trachten, Ge- 
bräuche, "Wohnungs- und Nahrungsverhältnisse der verschiedenen Stände, 
soweit man davon sichere Kunde und gute Abbildungen hat. (B i c h t e r , 
Quellenbuch, Nr. 45.) 



D Budolf Ton Habsburg 

S. Richter, Quellenbuch, Nr. 54u. 55. Kramer, Historisches Lesebuch, 
Nr. 73. 

Anknüpfend an die Blüte des Rittertums, wie sie sich in und nach 
den Kreuzzügen entwickelt hatte, schreiten wir nun fort zum Verfall 
desselben. Als konkretes Beispiel, welches hier den Ausgangspunkt bildet, 
dient die Erzählung vom sächsischen Prinzenraub oder die vom Meier 
Helmbrecht und seinem Sohn. (Richter, Quellenbuch, Seite 98 u. 
123.) Die Verwilderung im Reich ruft die Sehnsucht nach einer kräf- 
tigen Faust wach, welche die Ordnung wieder herstellen und Ruhe und 
Frieden ins Land bringen könnte. Ein solcher Mann fand sich auch 
zum Glück für unser deutsches Vaterland. Von ihm wollen wir jetzt 
hören. 

1 Zerstörung der Ritterburgen 



2 Wie wurde der einfache Graf deutscher Kaiser? 

Gedicht: Der Graf von Habsburg. (Ausgew. Gedichte Nr. 64.) 

3 Kampf mit Ottolcar von BOhmen 

Gedicht: Rudolf von Habsburg auf seinem Zug gegen Ottokar. 
(Ausgew. Gedichte Nr. 65.) 



*) Die Handelswege nach Italien — wie auch die Züge der deutschen 
Kaiser nach Italien — wecken das Interesse, die wichtigsten Alpenpässe 
näher kennen zu lernen. (Geographie: Übergänge über die Alpen.) 

**) Selbstverständlich ist hierbei von der Anschauung, von der Heimat aus- 
zugehen. Es werden sich wohl überall geeignete Bauwerke zur Anknüpfung 
finden lassen. Die Schulen Eisenachs z. B. sind in der glücklichen Lage, einen 
herrlichen romanischen Profanbau (Wartburg) und ein romanisches kirchliches 
Bauwerk (St. Nikolaikirche, romanische Basihka) zeigen und erklären zu können. 
Auch an gotischen Vorbildern fehlt es nicht, im Zeichenunterricht muss dann 
die Zeichnung an der Wandtafel entstehen, Abbildungen etc. zu Hilfe kommen. 
(Seemannsche Büderbogen.) Nachdem im 5. Schuljahr romanische Formen durch- 
gearbeitet worden sind, kommen in dem sechsten solche aus dem gotischen Stil 
zur Betrachtung und Nachzeichnung. (S. Joseph Langes Bilder zur Geschichte. 
Hölzel, Wien). Vergl. d. Art. Zeichenunterricht. 



44 Das sechste Schuljahr. 

4 Sein Tod 

Gedicht: Kaiser Budolfs Ritt zum Grabe. (Auagew. Gedichte Nr. 66.) 

5 Ein Scliweizer Sclilttze im Aufstand gegen einen Habsburger Stattlialter 

Richter, Quellenbuch, Nr. 56. 



Am Schloss des Jahres wird nun noch einmal das Ganze durch- 
laufen mit Hinzunahme des Materials vom fünften Schuljahre: Von 
Hermann, dem Befreier Deutschlands, bis auf Rudolf von Habsburg. 

Femer eine Zusammenstellung des systematischen Materials (Fritzsche, 
Bausteine), sowie des kulturgeschichtlichen. S. Staude-Göpfert, HI, 
S. 236 flf. : 1. Kaiser und Reich; 2. Pflichten des Kaisers, der Obrigkeit; 
3. Pflichten und Gesinnung der TJnterthanen ; 4. Geschichtliche "Wahr- 
heiten. (Die unter 1 und 2 S. 235 gegebene Zusammenstellung würden 
wir der biblischen Reihe zuweisen.) 



B Kunstunterricht 



III Zeichnen 

Litteratur. Siehe das fünfte Schuljahr. 3. Aufl. Seite 82. Ferner: 
D ö r p f e 1 d , Grundlinien einer Theorie des Lehrplans. Gütersloh 1873. Seite 86 ff. 

Auch der Zeichenunterricht hat sich wie die übrigen Fächer dem 
kulturgeschichtlichen Aufbau der Bildungselemente und damit der Kon- 
zentrationsidee zu fügen. In welcher Weise dies geschehen muss, ist 
bereits im fünften Schuljahr, 3. Aufl. S. 82, von uns auseinander gesetzt 
worden. Mit der allgemein gehaltenen Forderung, dass der Zeichen- 
unterricht dasjenige zur Darstellung bringen soll, was der Sachunterricht 
an schönen Formen bietet, ist nichts gethan. Denn es wäre damit ein 
ständiger Streit eröffnet darüber, ob der Geschichtsunterricht oder die 
Naturkunde (Botanik) die Weisungen zu geben habe. 

Aus diesem Streit kommt man nur heraus, wenn man die Idee der 
kulturhistorischen Stufen im Auge behält. Durch diese wird man dahin 
getrieben, den Zeichenunterricht in engste Verbindung mit dem Ge- 
schichtsunterricht zu setzen. Folgt man demselben, der in der deutschen 
Volksschule diö Entwicklung des deutschen Volkes darstellt, so folgt 
man zugleich der Entwicklung des Schönheitssinnes im deutschen Volke 
und erhält ganz bestimmte Weisungen für die Aufeinanderfolge der metho- 
dischen Einheiten. 

Freilich müsste für die Einführung dieser Idee in unsere Schule 
ein Zeichenwerk geschaffen werden, welches nicht bloss den landläufigen 
Grundsatz vom Leichteren z\im Schwereren befolgte, sondern zugleich 
eine geeignete Auswahl aus den einzelnen Stilperioden träfe, 
wie sie die deutsche Kunst im Laufe der Jahrhundei-te geschaffen hat*). 



*) Eine grosse Zahl von Vorlagenwerken giebt wohl eine Reihe wertvoller 
schöner Formen — bei manchen läuft allerdings auch recht geschmackloses 
unter — und giebt sie in der Aufeinanderfolge vom Leichten zum Schweren. 
Um das Konzentrationsprinzip kümmert man sich aber dabei nicht. Dies ist 



j 



46 Das sechste Schuljahr. 

Im Anschluss an Karl d. Gr. und an die sächsischen Kaiser ver- 
tieften wir uns im fünften Schuljahr in die romanische Periode. 

Von dieser gelangen wir dann in die Epoche, welche sich der Zeit 
der Hohenstaufen anschliesst und unter dem Namen des ^Ühergangs- 
Stile s'' bekannt ist. Der Glockenturm der Nikolaikirche zu Eisenach 
bietet uns ein vortreffliches Beispiel dar. (Mainz, Speier, Worms, Lim- 
burg.) 

Ebenso fehlt es uns hier auch nicht an Anschauung für die dritte 
Gruppe: den gotischen Baustil, welcher im 12. Jahrhundert anfing, 
in Deutschland sich auszubreiten. (Strassburg, Biegensburg, Marburg, 
Halberstadt, Nürnberg, Köln u. s. w.) Insofern nun derselbe häufig zu 
seinen künstlerischen Einzelheiten heimische Pflanzengebilde benutzt, tritt 
der Zeichenunterricht zugleich in Verbindung mit dem naturkundlichen. 
Unter den mit Vorliebe benutzten Pflanzen sind hauptsächlich folgende 
zu nennen : Distel- und Mohnblatt mit Blumen und Fruchtkapseln, Epheu, 
"Weinlaub mit Frucht, Primel, Hahnenfuss, Apfel, Haselnuss, Kornblume, 
Massliebchen, Gaisblatt, Löwenzahn, Lilie, Elleeblatt, Storchschnabel, 
Löwenmaul, Eichenlaub mit Frucht, wilde Bösen u. s. w. 

Durch den naturkundlichen Unterricht sind den Kindern die ge- 
nannten Pflanzen lieb und vertraut geworden. Der Zeichenunterricht 
knüpft hieran an und fügt die ästhetische Behandlung der Pflanzenform 
im Bereiche der Kunst hinzu. Er zeigt, wie der künstlerische Sinn der 
Menschen die Formen, welche die Natur in überschwänglicher FüUe dar- 
bietet, verwendet zu mannigfacher Ausschmückung und Veredelung in 
"Wohnung, Blleidung u. s. w. Aber nicht an beliebiger Stelle im Unter- 
richt darf dieser Abschnitt auftreten, sondern da, wo die kulturgeschicht- 
liche Entwicklung diesen Zusammenhang zwischen Natur- und Kunst- 
formen in der deutlichsten Weise offenbart, zugleich angemessen der 
Fassungs- und Darstellungskraft der Schüler. Dies aber leistet die Be- 
handlung des gotischen Stiles*). 



auch ganz natürlich, da man dasselbe in weiten Kreisen entweder noch gar 
nicht oder nur sehr ungenügend kennt. Das fachwissenschaftliche Prinzip ist 
eben überall noch das durchaus herrschende. Auf dem Gebiet des Zeichen- 
unterrichts ist dies um so erklärlicher, als viele Herausgeber von Zeichenwerken 
vorwiegend künstlerisch gebildet sind; das Pädagogische tritt bei ihnen in 
den flmtergrund. Und die so entstandenen Zeichenwerke sind noch nicht die 
schlechtesten. Sie genügen wenigstens nach der ästhetischen Seite vollauf. 
Schlimmer ist's bei denen, die der künstlerischen Seite ihr Leben lang fem 
gestanden haben. Hier genügt man zwar den bekannten pädagogischen Sätzen : 
Schreite lückenlos vorwärts, vom Leichten zum Schweren, aber oft in sehr 
pedantischer und geschmackloser Weise. 

Und so kommt es, dass uns sowohl die Zeichenkünstler wie die 
Pädagogen hier im Stich lassen. Das Werk der Zukunft muss aus der Arbeit 
beider hervorgehen. Die Erziehungsschule aber wird nach der Idee der Kon- 
zentration die Auswahl daraas im einzelnen treffen. Das Zeichenwerk von 
Menard, Neuwied, ist hierbei zu berücksichtigen. 

*) Siehe Otto, Pädag. Zeichenlehre, Seite 51: Charakteristische Formen 
aus der Pflanzenwelt. Holder, Pflanzenstudien und ihre Anwendung im Orna- 
ment etc. Stuttgart. Ha e ekel, Kunstformen der Natur, Leipzig 1899. 



Das sechste Schuljahr. 47 

IV Singen 

Litteratur und theoretische BegrDndung: Siehe das I. Schuljahr, 6. Aufl. S. 242 ff. 

1 Auswahl und Anordnung des UnterrichtsstofTes 

Den religiösen Konzentrationsstoff des sechsten Schuljahres 
bildet das Leben Jesu, den profangeschichtlichen bilden die 
Völkerwanderung, die deutschen Kaiser Heinrich lY., Friedrich Barbarossa, 
Rudolf V. Habsburg, sowie, im Anschlüsse an dieselben die charak- 
teristischen Erscheinungen des späteren Mittelalters: die Kreuzzüge, das 
Biitterwesen u. a. Im geographischen Unterrichte kommt nament- 
lich die Schweiz zur Behandlung. 

Der Gesangunterricht hat hierauf bei der Auswahl seiner Texte 
Rücksicht zu nehmen. Gleichzeitig hat er aber auch die Pflicht, nur 
solche Melodieen darzubieten und singen zu lassen, die dem musikalischen 
Bildungsstand der Schüler in psychologischer und physiologischer Be- 
ziehung entsprechen und deren rhythmisch-melodische Beschaffenheit eine 
Erweiterung der vorhandenen Einsicht in das Tonsystem ermöglicht. 

Im vorausgehenden Unterrichte wurde die Aufmerksamkeit der Schüler 
auf Takteinteilungen gelenkt, denen als Ton- resp. Zeitmass der 
Viertelton, bez. die Viertelnote zu Grunde lag. Sie erhielten so Kenntnis 
vom ^/^, ^/^ und */^ Takt. Hieran reihen sich naturgemäss diejenigen 
Taktarten, bei denen die Achtelnote bez. der Achtelton als 
Masseinheit erscheint; der '^g, %» % ^^^ Vs Takt. Im Hinblick 
hierauf ist es dringend wünschenswert, dass eine erkleckliche Anzahl der 
im sechsten Schuljahre zur Ajieignung kommenden Gesänge diesen Takt- 
arten angehört. 

Die Tonarten C-, G- und F-dur sind den Schülern bereits be- 
kannt; im sechsten Schuljahre sollen D-dur und B-dur zu denselben 
hinzukommen. Es müssen also vorzugsweise Lieder unterrichtlich be- 
handelt werden, deren Melodieen in diesen beiden Tonarten stehen. 

Nach diesen Gesichtspunkten ist die folgende Auswahl getroffen. 
Es ist dabei vorausgesetzt, dass die Lieder in der unten mitgeteilten 
tonischen und rhythmischen Form dargeboten und angeeignet werden — 
am zweckmässigsten in nachstehender Reihenfolge: 

1. Der Mai ist gekommen, Text von Geibel. 

2. Attilas Schwert, Text von Lingg. 

3. König Gelimer, Text von Simrock. 

4. In allen meinen Thaten, Text von Flemming, Melodie von 
Englert. 

5. Mir nach, spricht Christus, Text von Scheffler, Melodie von 
Schein. 

6. Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, von Luther. 



48 



Das sechste Schuljahr. 



7. Die Glocken zu Speier, Text von Oer. 

8. Mache Dich, mein Geist bereit, Text von Freystein, Melodie 
von Kosenmüller. 

9. Die "Weiber von "Weinsberg, von Chamisso. 

10. Der alte Barbarossa, Text von Rückert, Melodie von Gersbach. 

11. Tumerlied, von Massmann, Melodie von Methfessel. 

12. Schweizers Heimweh, Melodie von Sucher. 

13. Heinrich der Löwe, Text von Mosen. 

14. Eins ist not, von Schröder, Melodie von J. S. Bach. 

15. Graf Eberhards "Weissdorn, von Uhland. 

16. "Wie soll ich Dich empfangen, von P. Gerhardt, Melodie von 
Teschner. 

17. Habsburgs Mauern, von Simrock. 

18. Meinen Jesum lass ich nicht, von Keymann, Melodie von 
Hammerschmidt. 

19. Haupt voll Blut und "Wunden, von P. Gerhardt, Melodie 
von Hassler. 

20. Jesus lebt, mit ihm auch ich, von Geliert, Melodie von Crüger. 

21. Auf Christi Himmelfahrt allein, Text von "Wegelin. 

An den religiösen Konzentrationsstoff schliessen sich an die No. 4, 
5, 6, 8, 14, 16, 18, 19, 20 und 21, an den profangeschichtlichen Ge- 
sinnungsstoff die No. 2, 3, 7, 9, 10, 12, 13, 15, 17, an das Schul- 
und Naturleben No. 1 und 11. Neun dieser Lieder stehen in D-dur, 
fünf in B-dur, sechs haben als taktische Masseinheit die Achtelnote. 



Lebhaft. 



2 Der UnterrichtsstofT selber 

Im Anschluss an das Schul- und heimatliche Naturleben 
1 Wanderlust (cf. V. 2.) 

Volksweise. 



^jifiHhjfjT^ 



1. Der Mai ist ge - kom-men, die Bäu-me schlagen aus; da 



l''W i ' n ' Hilr\ ,4 



blei - be, wer Lust hat, mit Sor - gen zu Haus. Wie die 






Wol-ken dort wan-dem am himm - li - sehen Zelt: so 



Das sechste Schuljahr. 



49 



j^/i' i i' IN I N /Ji." 



steht auch mir der Sinn in die wei - te, wei - te Welt. 

Emanuel GeibeL 



Zur Geschichte Attilat 
2 AttUas Sehwert 



Marschmä£usig. 
mf 



Volksweise. 



TJn-term Eichbaum auf der Hai - de liefft ein ßiesenschwert ur- 



^■T•///lf'^'; l ,"llj ^|^^'''| 

alt, liegt ein Eiesenschwert ur-alt, oft in sei-ner dunkeln 




Scheide zuckt es durch den Felsen-spalt, zucktes durch den Felsenspalt. 

H. Lingg. 



Zu der Geschichte von den West- und Ostgothen 
3 Gelüaer 



Volksweise. 



,^Ni ji ^jyi jyJ j' Jij4i4-JU4i 



'^'( t'^t'^ ü c" "jQ- rr 



I r ^ Kr Ci ^ ' I 

* I Da dro-ben un - be - zwungen sass Kö - nig G^e - li - mer 

* (doch en-gen Kreis ge-schlungen hat schon der Feind um -her 

f^ I . n^ . , N , . I ; K »^ . 




^ 




y=t=^ 



„Noch ein -mal möcht* ich schau-en des Le-bens 






r c T Ofry-F 



rf7 



Tag, noch ein -mal mir yer-trauen, dann kom-me, was da mag. 

Simrock» 



«b 



' Das sechste Schuljahr. 

Zur SHIlung des Stürmet airf den Meere 
4 Ib allen meiiieii Thaten 



Englert 
In al - len meinen Tha-ten, lass ich den Höchsten ra- ten, der 



al-les kann und hat; er muss zu al-len Din-gen, solPs 



*' an-ders wohl ge-lin-gen, selbst ge-hen Se-gen, Bat und That. 



I 



Zur Heilang des Btlndgeborenen 
5 Mir naehy spricht Christas 



Paul Flemming. 



Schein 1628. 



^^^\\i \ \ \ U ^^ 



TT 

I Ich hin 



bin das Licht, ich leucht euch lür mit heil - ^m 
\ wer zu mir kommt und fol - get mir, darf nicht im 



|i4_f' ,^' h.|l;i ^^ 



Tu - gend - le - 
Fin - Stern schwe - ben 



^^! I ich bin 



der Weg, ich 



I 



wei-se wohl, wie man wahr-haf - tig wan-deln solL 

Joh. Scheffler, f 1677. 

Zum Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg 
6 Ans tiefer Not sehrei ich ni dir 



^r-" — w9- 



3 f Da -mm auf Gott will hof-fen ich, 
' 1 auf ihn mein Herz soll las - sen sich 



auf mein Ver- 
und sei - ner 



Das sechste Schuljahr. 



bt 



^^^ß^^^m 



T f T-f r r 



v-f' 



dienst nicht bau - en; 1 j. • _. • ^ -nr _.. 

Ott - te trau - en; 1 die mir zu - sagt sein wer-tes Wort, 

das ist mein Trost und ixeu-er Hort; des will icli allzeit har- ren. 

Dr. M. Luther. 
Zur Geschichte Heinrichs iV 
7 Die Gloeken zu Speier 

Ernst. Altes Vollcslied .*) 



^" Wi - rfwn ^^^ 



Zu Spei - er im letz - ten Hau - se - lein, da liegt ein Greis in 

/TS 



ul f ' i i' / / i^^ ^m 



t T ^- 

To - des-pei] 



■pein, sein Kleid ist schlecht, sein La - ger hart, viel 



^^m4^M^=^^ 



r-rfTT I i ' • i" ' I r r ' I r f 

Thrä-nen rin-nen in sei-nen Bart, vielThränen rinnen in sei-nenBart. 

Oer. 

Zu dem Gleichnis von den zehn BrautjOngfrauen 
8 Mache dieli, meiii Geist, bereit! 

Bosenmüller? 

{Ma - che dich, mein Geist, be - reit, wache, fleh' und be - te, 1 
dass dich nicht die bö - se Zeit un-ver-hofft be-tre - te; J 



p-;/.\ ' M.";/f"; i :"; i' iu g^ 



denn es ist Satans List ü-ber vie-le From-men zur Versuchung kommen. 

J. B. Freystein f 1720. 



*) Nach Franz M. Böhme: Altdeutsches Liederbuch. Leipzig bei Breit- 
kopf & Härtel. S. 410. 

4* 



J 



52 



Das sechste Schuljahr. 



Zur Geschichte der Hohenstaufen 

9 Die Weiber yon Weinsberg, von Chamisso 

Nach der Melodie zu dem Lied: „Erhebt euch von der Erde", die za 
No. 3 bereits eingeübt wurde. 



Zur Barbarossa-Sage 
10 Der alte Barbarossa 



Joseph Gersbach. 




►er al- te Bar- ba-ros-sa, der Kai - ser Frie-de - rieh, iE 



#'■ i f f f \ 9 Uij^ ^ 



un - ter - ird- sehen Schlosse hält er ver - zau - bert sich. 

Fr. Eückert. 

im Anschluss an das Schulleben 
11 Tnmerlied 



Heiter. 



A. Methfessel. 



i''.^'iii' n i'n si ^ 



Tur - ner ziehn froh da -hin, wenn die Bau - me schwellen grün; 



Wan-der-fahrt. streng und hart, das ist 



ner - art! 



il'■^''|'^' ji'ii''';ii' ' 



m 



5 ' '■' — t' ' • ' g ' -'1 — ry 

Tur-ner-sinn ist wohl be-stellt,Turnem, Wandern wohl ge- fällt: 

1 



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hu i i' ^J J 



i 



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ir-r^ j'l jrü^ 



Da-rum frei Tur-ne-rei stets ge-prie-sen sei! 

Massmann. 



Das sechste Schuljahr. 53 

Zu: Fr. Barbarossas ROckzug aus Italien (Alpen) 
12 Schweizers Heimweh 
Massig. Fr. Sucher. 



Zu Strass-burg auf der Schanz, da ging mein Trau - em 



fl '' i ' ti i \ i tii^ ^^'^'if I 



an, das Alp - hom hört ich drü - ben wohl an - stim - men, ins 



^iKKtilCf^iJÄ^ 



Ya-ter-landmusstiohhin-ü-ber-schwimmen 'das ging nicht an. 

Volkslied. 
Zu: Heinrich der Ltfwe 
13 Heinrich, der Löwe 

Volksweise. 



i' ^Ii'^l;^'.^/ 



j j' 7m 



n"TEf 



"P? T 



Im Dom zu Braunschweig ru - hat der al - te Wel - fe 



i 



ö r- f. Ff f. t \l ' r T^ i fr f. 



aus, Hein -rieh der Lö - we ru-het nachman-chem har-ten 

Strauss. Heinrich der Lö-we ru - het nach manchem harten Strauss. 

Mosen, 



Zu: Maria und Martha 
14 Eins ist not; ach Herr, dies Eine 



J. S. Bach. 



{Eins ist not; ach Herr, dies Ei - ne leh-re mich er - ken - nen doch ! \ 
AI - lesAnd-re, wie's auch scheine, ist ja nur ein schwe-res Joch, / 



54 



Das sechste Schuljahr. 



' "tf ' /K ' r f/ ' /ff 



dar - un - ter das Her - ze nch na - get und 



pla-fi:et und den- noch kein wah-res Ver- enti-isen er- 



gnti - gen er- 



$ 



^ 



ja - get. Er • lang^ ich dies Ei - ne, das al - les er- 



3^ 



setzt, so werd' ich mit £i - nem in AI - lern er - götzt. 

J. H. Schröder, f 1728. 
Zu: KreuzzDge nach Barbarossa 
15 Graf Eberhards Weissdom 

Volksweise. 



i 



1 



w=rt \ I ;' t 



i ' h}' . l(' ' I 



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'^^=f 



Graf E - ber-hard im Bart, vom Wür-tem - ber-ger Land, er 




kam auf from - mer Fahrt zu Pa - lä - sti - nas Strand, er 



^!B 



^ 



ritard. i 

h J J 



^3E 



^^ 



kam auf from - mer Fahrt zu Pa - lä - sti - nas Strand. 

Uhland. 
Oder nach folgender Melodie: 
Langsam. Schottische Volksweise v. Maurice Green. 




^ I ,' I' I : f / f T 



Das sechste Schuljahr. 



m 



Zur Salbung Jesu in Bethanien lind zu seinem Einzug in Jerusaiem 
16 Wie soll ieh dich empfangen! 

Teschner. 



^^^ 



j i j j j i j j j j i j 



i 



, , , - Pf r r w r ir r^ 

( Wie soll ich dich em - pfan-gen, und wie be-geg'n ich dir? 1 
t al-ler WeltVer - lan-gen, o mei-ner See - len Zier! J 



^hMinhi'Tn^ m 



O Je - SU, Je - SU, se - tze mir selbst die 



Fak - kel 

^r r7 r r ry f fv t ff f 

bei, da -mit, was dich er - gö - tze, mir kund und wis-send seL 

P. Gerhardt. 



Zu: Rudolf von Habsburg 
17 Habsburgs Mauern 



Altes Volkslied.*) 



Zur Aargau steht ein hohesSchloss, vomThal erreicht es keinGeschoss ; wer 



ifi-i:^Ai ^44^-^y-f^ 



"TC 



'J 



f Tr 



hat's er- baut, wer hat's er - baut, das wie aus Wolken niederschaut? 

Simrock. 

Zu: Jesus vor den Hohenpriestern 
18 Meinen Jesum lass ieh nicht 

(cf. 6. Schuljahr No. 16.) 

Hammerschmidt. 



W^'/rltTTTt^ ^ 



i 



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2E 



r Meinen Jesum lass ich nicht, weil er sich flir mich ge-ge - ben, 1 
t so er-fordertmei-nePflicht,un-ver-rücktan ihm zu kle - ben. J 



*) Böhme: S. 181. 



56 



Das sechste Schuljahr. 



•' I ;' I f r f r r f zrf t f f 

Er ist mei - nes Le-bens Licht; mei- nen Je - sum lass ich nicht. 

Christian Keymann, f 1662. 



Za: Jesus vor Pilatus 
19 Haupt ToU Blut und Wunden 



Hassler. 



O Haupt voll Blut und Wun-den, voll Schmerz und vol-ler Hohn! 1 
O Haupt, zum Spott ge-bun-den mit ei - nerDor-nen - - j 



i^^^ 



j i j j 



^m. 



r ' iv r 

krön'. O Haupt, sonst schön ge - zie - ret mit höch-ster Ehr' und 

Zier, jetzt a -her höchst schimpfie - ret, ge-grü-sset seist du mir! 

Paul Gerhardt. 



Zu: Jesu BegriUmis und Auferstehung 
20 Jesns lebt, mit Uun anch ieh 

(cf. 5. Schuljahr No. 18.) 




f Je-sus lebt, mit ihm auch ich: Tod, wo sind nun dei-ne Schreien?! 
1 Er, er lebt und wird auch mich von den To-ten auf-er-wek - ken. J 



Er ver - klärt mich in sein Licht; dies ist mei-ne Zu- ver - sieht. 

Chr. F. Geliert. 



Das sechste Schuljahr. 



57 



Zu: Jesu Himmelfahrt 
21 Anf Christi Himmelfahrt aUein 



1523. 



s' TTi ^ r r ' r f f ^f ' r ^r rfjr 

{Auf Christi HimmelfiaJirt al-lein ich mei -ne Nachfahrt grün-de, 1 
und al-lenZweifeljAngstundPein hie-mit stets ü-her- win-de. j 



I 



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f,' i^n''i'i' 1^1 



g ' f r f ^ 



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Denn weil das Haupt im TTim -mel ist, wird sei-ne Glie-der 



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§• • 



t f r r f- '-f r 



Je • sus Christ zur rech - ten Zeit nach - ho - len. 

Josua "Wegelin, f 1640. 



3 Bemerkungen zum Unterrichtsverfahren 

a) In den meisten Fällen wird der Text des zu hehandelnden 
Xiiedes entweder durch den Sachunterricht, oder durch den Sprachunter- 
richt hereits zum Eigentum der Schüler gemacht worden sein, ehe der 
G-esangunterricht seiner henötigt ist. Es ist dann nur eine kurze "Wieder- 
holung desselhen nach Form und Inhalt gehoten. Im Yemeinungsfalle 
aher muss der Text nach Form und Inhalt ganz wie heim Sachunterricht 
den Schülern vermittelt werden. Die systematische Einordnung des Text- 
inhaltes hleiht in jedem Fall den Sachunterrichtsgegenständen üherlassen. 

Die musikalischenVorühungenfürdie Erfassung und Wieder- 
gabe der neuen Melodie werden in der Tonart und im Rhythmus 
derselben vorgenommen und zwar nach Noten, wenn die zur Notierung 
des zu singenden Tonmateriales erforderlichen Zeichen den Schülern schon 
bekannt sind, nach dem Gehöre, wenn dies nicht der Fall ist. Sie sind 
in der Hauptsache auf die Tonfolgen der diatonischen Tonleiter und der 
drei Hauptdreiklänge zu beschränken und fortgesetzt in den Dienst der 
Tonbildung, der richtigen Yokalisation und Artikulation zu stellen. 

b) Die Schüler des sechsten Schuljahres sind bereits mit dem Ton- 
material von C-, G- und F-dur, sowie mit den zur schriftlichen Dar- 
stellung desselben erforderlichen Noten und Zeichen vertraut, kennen 
auch die Töne, bez. Noten es und eis schon; es werden deshalb alle 
Lieder, die den genannten Tonarten, wie auch die, die D- und B-dur 
angehören, zuerst dem Auge dargeboten. An diese Darbietung schliesst 
sich eine Besprechung an, durch welche die Aufmerksamkeit der 
Schüler auf die melodische, rhythmische und dynamische Eigenartigkeit 
des neuen Liedes gelenkt wird. Das Einüben geschieht nach Noten 



J 



58 Das sechste Schuljahr. 

und dem Gesetz der successiven Klarheit entsprechend, zeilenweise. Kaben 
die Schüler die Melodie vollständig erfasst, dann sind sie auch im Stande^ 
sie aus dem Gedächtnis in Ziffern und in Noten darzustellen. 

Die wenigen Lieder, die in Es- und A-dur stehen (No. 11, 17 und 
21), müssen, da die Töne (Noten) gis und as den Schülern noch fremd 
sind, zuerst vorgesungen und vorgespielt und auch nach dem 
Gehöre eingeübt werden. Der Einprägung folgt eine Besprechung, mit 
der die zunächst bloss rhythmische, dann aber auch rhythmisch tonische 
Notierung der neuen Melodie Bland in Hand zu gehen hat. Die rhythmisch- 
melodische Aufzeichnung ist ohne die Note as, bez. gis nicht möglich. 
Sobald die Schüler die Notwendigkeit eines neuen Zeichens zum Aus* 
druck bringen, wird dasselbe gegeben und bei der Aufzeichnung sofort 
auch in Anwendung gebracht. — Da im sechsten Schuljahr zwei- 
stimmig gesungen wird, macht sich schon bei den ersten Liedern das 
Bedürfnis nach Erweiterung des Ton- und Notensystems nach unten bis 



zum kleinen g | geltend. Hieraus folgt schon, dass keine Note^ 

überhaupt kein Tonzeichen früher gegeben werden darf, als bis es zur 
schriftlichen Fixierung eines gehörten und gesungenen Tones erforderlich ist» 

c) Das systematische musikalische Yorstellungs- und Gedankenmaterial 
der Schüler soll, wie oben unter Ziffer 1 schon erwähnt ist, im sechsten 
Schuljahr durch die Begriffe D-dur und B-dur, dann ^/g-, */g- und */g- 
T a k t ergänzt und erweitert werden. Der Inhalt des Begriffes D-dur 
wird gebildet durch die D-dur-Tonleiter und die drei Hauptdreiklänge 
von D-dur, den D-dur-, G-dur- und A-dur-Dreiklang — der Umfang 
durch alle Lieder, denen die D-dur-Tonleiter zu Ghrunde liegt. Sollen 
die Schüler in der Tonleiter und in den drei Hauptdreiklängen das G e -^ 
meinsame und darum Allgemeingiltige für die gsaize Gruppe 
von Melodieen, die zu der Tonart gehören, erblicken, dann muss sich als 
Niederschlag aus der Betrachtung jedes einzelnen Liedes ergeben, dass 
es aus den Tönen der D-dur-Tonleiter, i. e, aus den Tönen der ge* 
nannten Dreiklänge zustonmengesetzt ist, oder mit andern Worten, dass 
die in der Melodie vorkommenden Töne, wenn man sie vom Schlusston 
aus zu einer Beihe verbindet, die D-dur-Tonleiter geben. 

Auf dieselbe Weise wird auch der Begriff B-dur gewonnen. 

Zeitwert und Taktgliederaccent bestimmen die Taktart. 
Nach diesen beiden Bichtungen müssen deshalb die einzelnen Takte eines 
und desselben Liedes, wie verschiedener Lieder ins Auge gefasst werden. 
Um den Begriff */g-Takt den Schülern zu vermitteln, werden sie ange- 
leitet, von jedem einzelnen Takt der Melodie festzustellen: a) dass der 
Notenwert zwischen je 2 Taktstrichen ^/g beträgt, und b) dass von 
diesen drei Achteln das erste betont ist, das zweite und dritte aber 
accentlos sind. Diese Feststellung wird bei jedem Liede, das derselben 
Taktart angehört, fortgesetzt. Als Gemeinsames und Allgemein- 
giltiges ergiebt sich hierbei die für den ^/g-Takt typische Figur i 

.J J J Die Begriffe */g- und ^I^-Tukt werden auf demselben Wege 

gefimden. 



Das sechste Schuljahr. 



5Ö 



Kommen Lieder zur Behandlung, die einer den Schülern schon be- 
kannten Tonart, oder Taktart, angehören, dann haben die Schüler sie 
lediglich in die Liedergruppen einzureihen, die die gleiche Tonart, be- 
ziehungsweise Taktart haben, gleichzeitig aber haben dieselben auch die 
Gründe für diese Einreihung namhaft zu machen. Es kann dies sowohl 
auf den Stufen der Association und des Systems, wie auf der Stufe der 
Anwendung geschehen. Die chromatischen Versetzungszeichen: tt b und 
Ij, die für den Schüler bis jetzt nur konkrete Bedeutung als Zeichen 
fiär die Töne fis, eis, b, es, etc. hatten, werden nun in ihrer "Wirkung 
verallgemeinert; j^ erhöht, b erniedrigt jede Note um ^/g Ton, 
I hebt diese Veränderung der Note wieder auf. 

d) Auf der Stufe der Anwendung werden die Lese-, Treff- und 
Nachschreibübungen fortgesetzt und zwar in der Begel in der Ton- 
und Taktart der Synthese. Die Ziffer- Akkordübungen werden 
durch Hinzunahme des Domintsep takkor des erweitert. Der Moll- 
dreiklang bleibt noch ausgeschlossen. Die Treffübungen beschränken 
sich auf die Litervalle der diatonischen Tonleiter (Durtonleiter). 



4 Ein Unterrichtsbeispiel 

Präparation für das 6. Schuljahr. 
Habsburgs Mauern 



<'"V< i i i ^i i I J' 



T 



" ' ' ■ ' ' T 

Aar - gau steht ein ho - hes Schloss, vom 



^ h^4-m4^?^^^ 



~^~v~\r~v- rr T"' ^^^~^ r 

Thal er -reicht es kein Geschoss; wer hat's er - baut, wer 



■j'''"f^|^i{' J ^'i'i' ^Mi^ 



T )^ ^ ]^ T ^ 
US Wol-ken nie - der-schaut? 



hat's er - baut, das wie aus 

Ziel: Ein Lied von Budolf v. Habsburg. 

la. B.ecapitulierende Besprechung des Textinhaltes. 

Ib. Vorübungen. 



Simrock. 



-Siw^i 4 — s ^ h h , ^ f -' H r f — F— i 


r», 1 , > 1 


y 1* 8 / J J * -f- J- — * 1 i^ P ' p -*-4 


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^-^\ 



60 



Das sechste Schuljahr. 




i'!'"iiiillrif| _il M j II II 



=^y 



^^^^^ 



Ha. Darbietung durch zeilenweises Vorsingen und Vorspielen. 
Einübung auf den Text unmittelbar nach der Darbietung jeder ein- 
zelnen Zeile. Jede neu eingeübte Zeile wird mit den vorhergehenden 
sofort verbunden. 

b. Rhythmische Darstellung der Melodie. Dass dieselbe mit 
einem Auftakt (leichtem Taktteil) beginnt und dass sie vierteiligen 

Takt hat (man zählt 12 3 4), wird vorher von den Schülern angegeben. 
Pur jeden Schlag wird eine Achtehiote gesetzt. 

c. Rhythmisch-melodische Darstellung durch die Schüler 
unter Leitung des Lehrers. Vom dritten Takte an wird zur Aufzeich- 
nung die Note as erforderlich. Dieselbe darf erst gegeben werden, wenn 
die Schüler gefunden haben, dass es sich um die schriftliche Darstellung 
eines Tones handelt, der höher als g und tiefer als a klingt, also 
zwischen g und a liegt. Der Ton heisst as und wird so notiert: 




Wie weit ist a von g entfernt? wie weit as von a und 



von g? Was bewirkt also das Zeichen b vor der Note a? Erniedrigung 
um ^/g Ton? Fortsetzung der rhythmisch-melodischen Aufzeichnung. 
Singen der Melodie nach Noten. Ergänzung des Satzes durch E i n - 
Zeichnung der zweiten Stimme. Auch diese muss durch die 
Schüler vollzogen werden und zwar sind hierzu nicht bloss die Altisten, 
sondern auch die Sopranisten heranzuziehen. 

d. Besprechung der aufgezeichneten Melodie nach ihrer rhyth- 
mischen, dynamischen und melodischen Beschaffenheit. Als 
Resultat ergiebt sich: Das Lied beginnt mit dem 4. Schlag, es hat 
Auftakt. Die meisten Takte bestehen aus 4 Achtelnoten, einige aus 
2 Achtelnoten, einer Sechzehntelnote und emer punktierten Achtelnote etc., 
auf die Silben „hats er" sind je 2 Töne zu singen, sonst kommt auf 



Das sechste Schuljahr. 



61 



jede Silbe eine Note etc. — Das Lied wird meist halbstark {rnf) ge«* 
sungeii; nur der 5. und 6. Takt sind f zu singen. (Ergänzung der Auf- 
zeichnung durch Hinzufügung der dynamischen Zeichen.) 

Die Töne h, e und a werden nicht gesungen, statt ihrer b, es und 
as ; deshalb ist an den Anfang jeder Zeile die (chromatische) Yorzeichnuug 



^ 



'* zu setzen. Dementsprechende Umänderung der schriftlichen 



Darstellung! Der tiefste Ton ist 



1 



^ 



der höchste 



^ 



Der Schlusston heisst es. In den ersten Takten folgen die Töne s o auf* 
einander wie in der Tonleiter, im 5., 7. und 8. Takt so wie in den 
Akkorden. Im ersten und zweiten Takt haben beide Stimmen 
dieselben Noten zu singen; in der zweiten Stimme ist der 3. Takt 
eine Wiederholung des 1. und der 4. eine Wiederholung des 2. Taktes. 

e. Singen des ganzen Liedes. 

rHa. Wirkung des Zeichens b vor h, vor e und vor a? 

IV a. Das Zeichen b erniedrigt die Note, vor der es stehty 
immer um einen halben Ton. 

mb. Gesamtnoten wert der einzelnen Takte und Art der 
Betonung? 

IVb. Jeder Takt hat einen Notenwert von 4 Achteln. Das Lied 

steht wie „Der alte Barbarossa" im */g-Takt. Betont wird 12 3 4. 

Aufnahme in das Systemheft. 

III c. Aus welchen Tönen ist die Melodie zusammengesetzt? 

Für diesen Zweck werden die in der ersten und zweiten Stimme 
vorkommenden Töne in folgender Weise aufgezeichnet. 

1. Stimme: b es d f g as c 



2. Stimme: 



Ordnung dieser Töne zu einer B,elhe, die mit dem Schlusstone des 
Liedes (es) beginnt und schliesst. 

IV c. „Im Aargau steht ein hohes Schloss" besteht aus folgenden 
Tönen : 



\i J J i J ^r r r 't a 



Ins Systemheft: 



llj U Jl> .^#zrf^^ 



§2 



Das Becbste Schuljahr. 



1. 



Liederan&nge 



Im Aargau steht etc. 



Andere 
Töne. 



Schlnsston. 



es. 



nid. Vergleichende Zusammenstellung der bekannten Tonleitern. 
Gemeinsame und eigentümliche Töne der einzelnen Tonleitern. 
Gemeinsames in den Tonentfemungen etc. 

IV d. 



« l^jjjjJTrl 



8 c 



F t-j j J^ r r ^ ' 



6 l^hJ-rH=f^ » 

tr -" ' ff vi 'it 1 



h 


e 


fis 


a 


eis 


d 


a 


d 


e 


9 


h 


c 
b 
as 


g 


c 


d 


f 


a 


f 


b 


c 


es 


g 


e 


a 


h 


d 


fis 


e 


d 


g 


a 


c 


e 


f 


c 


f 


S 


b 


d 


es 


C 


P 


G 


B 


D 


Es 



Va. Darstellung der neuen Melodie durch Ziffern (es = 1, f=2 
Q. 8. w.) Singen nach Ziffern. 

b. Treff- und Leseübungen auf Sprechsilben. 



1. Stimme: 



2. Stimme: 



4 ;i ^j' 1 j'|. ;iJ^ J 'iJ-T i JMJ-i|r-J' 



±:tS 



etc. bis 



Das sechste Schuljahr. 



63 



jHi ' r p ' ^ r^-n^^^-i ^ i '7 • ' ^t^ ^ 



i 



m: 



^ 



^M^-^MM^ g [i ^ l-p-^jTij:^ ^ 



etc. bis 



i 



^ 



^ 



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s: 



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eto. bis 



y^o iif'[;p|J'.srlgf:g''" I AJi^ S 



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'r^=g?= 


=^ 


U^ 


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7"j1 J- j j"3 





Yc. Akkordübungen nach Ziffern mit den Tönen der drei Hanpt- 
dreiklänge yon Es-dnr. 



Sprachunterricht 



Der deutsche Unterricht 

Lltteratnr: Siehe drittes Schuljahr, 3. Aufl. S. 106 ff.; viertes Schuljahr^ 
3. Aufl. S. 87 ff • fünftes Schuljahr, 3. Aufl. S. 117 ff. W. W a c k e r n a g e 1 , Poetik, 
ßhetorik und Stilistik. 1873. Halle. 

Theorie: Hildebrand, Vom deutschen Sprach-Ünterricht in der Schule. 
Leipzig. Schiessl, Aufsatz-Ünt. F a c k , Materialien zu einer Lehre vom Stil. 
Lehmensick, Lesen in Oberklassen. Der Lese-Unt. auf der Oberstufe der ein- 
fachen Volksschule nach Ziel und Methode. Päd. Studien 1892. Wohlrabe, 
Stellung der Aufsätze. 1892. Halle. Schrödel. Rasche, Neue Bahnen im 
Aufsatz-Unterricht. Zeitschrift: Neue Bahnen 1899, 1/3. 

Praxis: A. Stoffquellen: Freytag, Bilder aus der deutschen Ver« 
gangenheit. Leipzig 1884. A. Kichter, Quellenbuch f. den Unt. in der 
deutschen Geschichte. Krämer, Histor. Lesebuch über das deutsche Mittel- 
alter. Schumann und Heinze, Lehrbuch der deutschen Greschichte. Rein*^ 
Ausgewählte Gedichte. Rüde, Quellenlesebuch für den deutschen Geschichts- 
unterricht. Langensalza 1895. Lesebuch von Steg er and Wohlrabe, Halle 
1896/98. Lesebuch von Gabler. Hermann, Deutsche Aufsätze. Wunderlich, 
1898. Hermann, Diktatstoffe. Ebenda. Rudolf, Wortkunde. Wunderlich, 1898. 
B. Präparationen: B b e r h a r d , Poesie in der Volksschule. 5. Aufl. Langen- 
salza 1898. F o 1 1 z , Anleitung zur Behandlung deutscher Gedichte. Dresden 1898, 
Hache und Prüll, Der gesamte Sprachunterricht. Dresden. Präp. von Her- 
berger u. Döring. Grabe, Präparationen zur Behandlung deutscher Muster- 
stücke. 1887. Leipzig. 



I Auswahl und Anordnung des LesestofTes 

(Siehe „Drittes Schuljahr", 3. Aufl., Seite 106 ff., und „Fünftes Schuljahr*^ 
3. Aufl., S. 117 ff.) 

1 Inhalt des Lesebuches 

a Stoffaiuwftlü 

Das sechste Schuljahr behandelt 

1) im Religionsunterrichte das Leben Jesu, 

2) im profangeschichtlichen Unterrichte die deutschen 
Kaiser Heinrich IV., Friedrich Barbarossa, Rudolf von Habsburg, sowie 



Das sechste Schuljahr. 6ß 

im Anschluss an dieselben die charakteristischen Erscheinungen des 
späteren Mittelalters: die Kreuzzüge, das Sängertum, das Bitterwesen in 
seiner Blüte und in seinem Verfall, die heilig© Vehme, das Städtewesen; 

3) im geographischen Unterrichte die Alpen, die Schweiz, 
Oesterreich-Ungam und die Mittelmeerländer (Italien); 

4) in der Naturkunde teils das, was Geschichte und G-eographle 
>an die Hand geben, teils was die Heimatkunde dem Unterrichte zusammen- 
gefasst unter die Gruppen : (Haus, Kleinbürger, Hausbau, Bergbau, Hand- 
werke, Wohnung) zuweist. Hierdurch sind zugleich die Bichtpunkte für 
die Auswahl der Lesestoffe bestimmt; denn die Lektüre soll ja in die 
innigste Beziehung zu dem übrigen Unterrichte, insbesondere zu dem Ge- 
sinnungs- und naturkundlichen Unterrichte, gesetzt werden.*) 

Folgende Stoffe halten wir für ein Lesebuch des sechsten Schul- 
jahres für angemessen: 

A Lesestoffe znr biblischen Geschichte**) 

*Gebet : Mein Engel weiche nicht (Cl. Harms). Gutes Ziel (M. Spitz). 
*Drei Engel (Spitta). *Mit Gott ans Werk (Spitta). *Der Yöglein Lehre 
(Luther). *Christus und die Samariterin (Kömer). Die Witwe am 
Gotteskasten (Bormann). *Der Witwe Töchterlein (J. Mosen). Der 
arme Lazarus (Krummacher). Der Mann auf Karmel (Krummacher). 
^Christ ein Gärtner (Schenkendorf). * Jesus über alles (Wunderhom). 
Die Reue (Krummacher; zu verl. Sohn). *Petrus (Gottfried Kinkel). 
Gethsemane. *Ostermorgen (Geibel). *Pfingsten (Sturm). *Das Herzens- 
kämmerlein (Beuthner). *Der Greis und der Knabe (Enslin; zu barmh. 
Sam.). *Die Sonnenblumen (Tersteegen). Der Gottesacker (Luther). 
*Am Grabe des Yaters (Klopstock). *Sonntagsfrühe (von Schenkendorf). 
*Wenn eben alles käme (la Motte Fouque). 

B Zur Geschichte 

Heinrich IV. a. Sagen und historische Gedichte: *Heinrich IV. 
in Canossa (Grosse). *Auf dem Schlosshof zu Canossa (Heine). Der 
Knoblauchskönig (Sage von Grimm). *Die Glocken zu Speier (Max 0er). 
*Der Mönch vor Heinrich IV. Leiche, b. Berichte aus den Quellen: 
Lamberts Bericht, wie Erzbischof Anno von Köln den jungen Heinrich 
in seine Gewalt bekommt (Schumann, Geschichte). Eine Bischofs Ver- 
sammlung in Goslar 1063, nach Lamberts Bericht (Schumann, Geschichte). 
Adalbert von Bremen, nach Adam von Bremen (Schumann). Heinrich IV. 
und die Sachsen, nach der Erzählung des Mönchs Lambert (Schumann, 
Geschichte). Heinrich IV. Freiheitsbrief an die Bürger von Worms 
^Bichter, Quellenbuch). Heinrich IV. Schreiben an den Papst Gregor VH. 
aus dem Jahre 1076 (Elrämer, histor. Lesebuch). Heinrich IV. Schreiben 
an das römische Volk, 1076 (Krämer). Der Bannspruch Gregor Vll. 
wider Heinrich IV. 1076 (Richter, Quellenbuch). Lamberts Bericht über 
die Heise Heinrichs IV. nach Canossa (Krämer, histor. Lesebuch, Richter, 
Quellenbuch, Schumann, Geschichte). Brief Heinrich IV. an seinen Sohn 



*) Vergl. Schuljahr V». 
**) Die Gedichte sind mit * bezeichnet. 



66 Das sechste Schuljahr. 

(Krämer, Lesebuch). Eine Bannformel aus dem Jahre 900 n. Chr. 
(Bichter, Quellenbuch). 

Friedrich Barbarossa, a. Sagen und historische Gedichte: 
*Die Weiber von Weinsberg (Chamisso). ^Barbarossa als Knabe (Knapp). 
*Der Hohenstaufen (Kerner). ^Barbarossas Bettung (Döring). Heinrich 
der Löwe (Grimm). *Heinrich der Löwe (J. Mosen). Das St. Georgs- 
Banner (Witzschel). *Schwäbische Kunde (Uhland). *Der alte Barba- 
rossa (Rückert). *Friedrich Botbart (Geibel). Der Kyffhäuser und die 
Kyffhäusersagen (Zerrenner). *Konradins Hinrichtung (Wessenberg). 
Ko radin (Gerok). 

b. Erzählangen aus den Quellen : Friedrichs I. Krönung und Persön- 
lichkeit nach dem Berichte von Otto Frising (Schumann, Geschichte). 
Friedrich I. und Heinrich der Löwe, nach Helmold und Arnold (Schumann). 
Der Tod Friedrich Barbarossas, nach dem Berichte eines Teilnehmers an 
dem dritten Kreuzzuge (Richter, Quellenbuch). 

Kreuzzüge. a. Sagen und Gedichte: *Lied der Kreuzfahrer 
(Novalis). *Gott will es (Gerok, Uhland). *Saladin besiegt die Christen 
(Raupach). *Blondels Lied (Seidl). *Ludwigs des Heiligen Abschied 
(A. Bube). *Kinderkreuzzug (Bechstein). *Graf Eberhards Weissdom 
(Uhland). b. Berichte aus den Quellen : Der zweite Kreuzzug, nach der 
Darstellung Gerhohs (G. Freytag, Bilder I, Richter, Quellenbuch, Schumann, 
Geschichte). Die Eroberung Jerusalems 1099, nach Wilhelm von Tyrus 
(Krämer, histor. Lesebuch). Der dritte Kreuzzug, nach Arnold von Lübeck 
Schumann), c. Neuere Darstellungen: Jerusalem (nach Bässler). 
Erstürmung Jerusalems (nach Fr. v. Raumer). DieKreuzzüge, zusammen- 
fassende Darstellung. 

Rittertum; Blüte desselben: Die Burgen (Wemicke). *Der 
Burgbau (G. Schwab). *Die Burg (Reinick). Die Wartburg im 13. Jahr- 
hundert. — *Das Turnier zu Worms (Griebel). *Des deutschen Ritters 
Ave (Geibel). *Schwert und Pflug (W. Müller). — St. Georg und der 
Lindwurm. *Der K^mpf mit dem Drachen (Schiller). *Graf Richard 
ohne Furcht (Uhland). Harras, der kühne Springer (Körner). *Der 
Schenk von Limburg (Uhland) . *Grafensprung bei Neu-Eberstein (Kopisch). 
*Ueberfall im Wildbad (Uhland). — Das Mainzer Reichsfest 1184, nach 
Arnold von Lübeck (Richter). Eine Schwertleite, nach Johannes von Beka 
(Schumann, Richter). Tumierordnung Heinrichs I. Der deutsche Ritter- 
orden, Geschichtsbild (Karrasek). 

Verfall des Rittertums: Der sächsische Prinzenraub (Curtman). 
Bauern- und Ritterleben, nach einem Gedichte aus dem 13. Jahrhundert 
(Richter). *Die Blutnelken auf dem Falkenstein (Bube). Landgraf Ludwig 
und der Krämer. Die faule Grethe (nach Hennig). Die Ritter von der 
Brandenburg nehmen den Erzbischof von Mainz gefangen. Johann Hübner 
(Grimm). Eppela Gailo (Grimm). Schreckenwalds Rosengarten (Grimm). 

Bürgertum: Die deutsche Hansa (Grube). Jürgen WuUenweber 
(Grube). Die Städte im 13. Jahrhundert (Berthold). Waffen und Kleidung 
im Mittelalter, nach der Limburger Chronik (Schumann). Das Faust- 
recht (nach Jerrer). Die heilige Yehme (Schücking). 

Sängertum: Der Sängerkrieg auf der Wartburg (Grimm). Walter 
von der Vogel weide (J. Kemer). *Zwei Lieder Walthers von der Vogel- 
weide: a. Deutsche Männer und Frauen; b. An die Fürsten. *Zwei 



Das sechste Schuljahr. 67 

Sprüche Walthers von der Yogelweide wider den Papst (Richter). 
^Philipps von Schwaben und seiner Gemahlin Weihnachtsfeier, von 
Walther von der Vogel weide (übersetzt von Simrock). *Der Säuger 
(Goethe). *De8 Sängers Fluch (Uhland). *Taillefer (Uhland). 

Rudolf von Habsburg: *Der Graf von Habsburg (Schiller). 
^Habsburgs Mauern (Sinurock). ^Rudolf von Habsburg auf seinem Zuge 
gegen Ottokar (Görres). *Rudolfs Ritt zum Kaisergrabe (Kemer). Aus 
dem Leben Rudolfs von Habsburg, nach der Chronik von Kolmar (Krämer). 
Rudolf von Habsburg in Thüringen, nach Johannes Rothe (Richter). 
Rudolf von Habsburg, zusammenhängendes Lebensbild (Stacke). 

C Zur Geographie nnd Naturkunde 

Die Schweizeralpen (nach Tschudi). Alpenleben (Curtman). Tier- 
welt auf den Alpen (Brockhaus). Unglücksfalle in der Schweiz (Hebel). 
Die Lawinen (Curtman). Barry (Lenz). *Hirtenreigen (Falk). *Des 
Knaben Berglied (Uhland). *Des Hirten Abschied (Schiller). Das Alpen- 
horn (Redenbacher). *Der Alpenjäger (Schiller). *Berglied „Am Ab- 
grund" (Schiller). Der Gemsenjäger, Sage (Grimm). *Fischerknabe 
(SchiUer). Unsere Waldbäume und Waldtiere, im Gegensatze zu denen 
der Alpen (so weit sie noch nicht zur Behandlung gekommen sind). Italien. 
Die Stadt Rom. Venedig. Süditalien (Meyer). Der Ausbruch des 
Vesuvs. Unsere Zugvögel (Jubitz). 

D Zum Schul- und heimatliehen Natnrleben 

*Frühlingsglaube : Die linden Lüfte (Uhland). *Waldvögelein : Ich 
geh' durch einen grasgrünen Wald (Volkslied). *Der Frühling (Löwen- 
stein). *Die Schwalben (Bjiimmacher). Die Vögel (Lenz). *Mailied 
(Goethe). *Wanderlied: Durch Feld und Buchenhallen (v. EichendorfF). 
*Der Bote im Junius (Claudius). Das Gewitter (Hirschfeld). *Regen- 
bogen (Gerok). *Die Sterne: Ich gehe oft um Mittemacht (Claudius). 
♦Sternschnuppe (v. Sallet). Die Erntezeit (Würkert). *Die Ernte ist da 
(Grube). Geschichte einer Kornähre (Grube). *Sonntagsfrühe (v. Schenken- 
dorf). * Abendläuten : Liebster Mensch, was mags bedeuten. 

*Mein Vaterland : Treue Lieb' (Hoffmann von Fallersleben). *Kennt 
ihr das Land (Wächter). *Bei Sedan (Bodenstedt). Erhebt euch von 
der Erde (v. Schenkendorf). Soldatengeschichten (Keck). *Was blasen 
die Trompeten (Arndt). *Trompeter an der Katzbach (J. Mosen). *Trom- 
pete von Gravelotte (Freiligrath). *Die Wacht am Rhein (Schnecken- 
burger). *Der tote Soldat (Seidel). *Deutscher Rat (Reinick). *Deutsche 
Sprüche (Simrock). Zum Totenfest: Was der Kirchhof predigt (Keck). 
♦WinterHed (v. Sallet). *Die Christnacht (R. Prutz). *Hoffnung: Und 
dräut der Winter noch so sehr (Geibel). *Osterglocke (Böttger). 

b BemerkuDgeii zur StoffauswAhl 

a Menge 
Diese Zusammenstellung des Lesestoffes für das sechste Schuljahr 
kann keineswegs als erschöpfend angesehen werden. Aber ist es möglich, 
dieselbe in Jahresfrist und in der gründlichen Weise, welche wir in 



68 Das sechste Schuljahr. 

unserm dritten, vierten und fünften Schuljahre ausdrücklich fordern*), 
durchzuarbeiten? Es darf nicht vergessen werden, dass es ein anderes 
ist, ob das Lesen im herkömmlichen TJnterrichtsgange auftritt, oder ob 
es dem geschlossenen Lehrplansystem, dem Konzentrationsunterrichte ein- 
gefügt ist. Dort erscheint es als besonderes, isoliertes Lehrfach, hier 
steht es im Dienste des gesamten Sachunterrichts; dort wird der Lese- 
stoff gelesen in den deutschen Lesestunden; hier begegnet man der Lek- 
türe ausser im Deutschen in allen realen Lehrfächern: in allem 
Sachunterrichte wird an geeigneten Stellen auch gelesen. So kann in 
Jahresfrist auch ein umfänglicherer Stoff in gründlicher Weise durch- 
gearbeitet werden. Und so soll es sein. "Was in den Realföchem 
sachlich behandelt worden ist, kann sodann zum ausdrucksvollen Lesen, 
zum Auswendiglernen und Hersagen, sowie zum Anschluss stilistischer 
Übungen an den deutschen Unterricht abgegeben werden. Zur sach- 
lichen und sprachlichen Durcharbeitung zugleich verbleiben dem 
iDeutsch-Unterricht hiemach nur: 

1. Ergänzungsstoffe zum Sachunterricht, 

2. Anschlussstoffe an das Schul- und heimatliche Naturleben. 

/? Schwierigkeit 
Manche Stoffe der obigen Auswahl erscheinen als zu schwer für 
das sechste Schuljahr. Aber von dem Inhalte der Lesestoffe gilt ein 
Ahnliches, wie von dem Umfange derselben. Manche Stücke, welche in 
dem isolierten Leseunterrichte schlechthin unverständlich bleiben, werden 
im zusammenhängenden Konzentrationsunterrichte mit Leichtigkeit ver- 
standen wegen des von Anfang an regeren Interesses für den Inhalt, 
sowie der Fülle der apperzipierenden Gredanken, welche der gleichzeitige 
übrige Unterricht angeregt hat. So haben wir z. B. in der Seminar- 
schule schon mit Kindern des fünften Schuljahres im Geschichtsunter- 
richte das nicht leichte Geibelsche Gedicht „Deutsches Aufgebot" (mit 
Weglassung der Chöre) gelesen, und der Inhalt ist, gehoben und ge- 
tragen von dem gesamten Unterrichte, in welchen das Gedicht hinein- 
gestellt war, von den Kindern ohne erhebliche Schwierigkeiten erfasst 
und verstanden worden. Dass die Mitteilungen aus den Quellen auch 
in den schulmässigen Darstellungen der Auffassung noch Schwierigkeiten 
bieten, ist allerdings richtig. Hier wird noch vielfach, ohne dass der 
Charakter der Quelle verwischt werden darf, sprachliche Zurichtung des 
Textes nötig sein. 

y Reihenfolge 
In dem geschichtlichen Teile bietet unsere Stoffsammlung 

a. historische Gedichte, Sagen und zeitgenössische Berichte, 

b. zusammenhängende geschichtliche Einzelbilder. 

Die Gedichte, Sagen und Berichte stellen in der Volksschule das 
Quellenmaterial dar, aus welchem der Schüler seine Geschichtskenntnis 
erarbeiten soll. Deshalb müssen sie im Unterrichte an den Anfang der 
geschichtlichen Beihen gestellt werden. 



*) Vergl. V» (V. Schuljahr IIL Auflage), S. 117 ff. 



Das sechste Schuljahr. 69 

Die zuBammenhängendeii geschichtlichen DarstelluBgeii; Monographien, 
Lebensbilder hingegen wollen das Gewonnene in mustergültiger Form 
zusammenhalten und zum Abschluss bringen, und dürfen sonach nicht 
eher gelesen werden, bis der Gegenstand selbst im Unterrichte seine 
Bearbeitung gefunden hat. In gleicher Weise sind auch die geographischen 
und naturkundlichen Darstellungen immer erst nach Behandlung der 
Sachstoffe als Lesestücke heranzuziehen. An den rechten Stellen im 
Unterrichte eingefügt, gewähren aber die historischen wie die natur- 
kundlich-geographijächen Bilder den zweifachen Vorteil, dass sie 

1. das erarbeitete Gedankenmaterial in guter Ordnung zusammen* 
halten, den Besitz sichern, und 

2. dem Schüler als Muster guter sprachlicher Darstellungen dienen, 
mithin auch des Schülers Sprachbildung fordern. 



2 Aufsätze 

(Vergleiche „Schuljahr III"», S. 106 ff. und „Schuljahr V"», S. 127 ff) 

Sprachverständnis will vornehmlich der Leseunterricht pflegen. Im 
Aufsatz-Unterrichte soll das Kind vor allem Sprachfertigkeit erlangen, 
Fertigkeit in der Kunst richtiger abgerundeter und geordneter Dar- 
stellung seiner Gedanken. 

A Der Stoff 

a Natur des Stoffes 

Da erhebt sich sofort die Forderung, dass das Kind Gedanken habe, 
die es darstellen kann, dass es seine eigenen Gedanken seien, und dass 
diese Gedanken zu ihrer Darstellung drängen. 

Diese drei Forderungen müssen erfüllt werden durch eine gute 
Auswahl des Stoffes für die schriftlichen Darstellungen, die Aufsätze. 

Der Aufsatz muss Gedankenkreisen entnommen werden, die das 
Kind hat und beherrscht, die sich aus seiner Erfahrung im Schul- und 
Familienleben, in seinen Beobachtungen in der heimatlichen Natur, in 
seinem Unterrichte oder seiner Lektüre in ihm ausgebildet haben. 

Der Aufsatzstoff muss der Entwicklungsstufe der kindlichen Seele 
entsprechend sein, damit es Gedanken, eigene Gedanken darüber sich 
machen könne und nicht fremde von aussen her aufiiehmen müsse. 

In dem Gedankenkreise muss endlich Interesse lebendig sein, damit 
das Kind mit Freude an die Darstellung der Gedanken geht, damit es 
aus seinem Innern heraus dazu getrieben werde. 

b Fassung der Themen 

Die Kunst richtiger, abgerundeter und geordneter DarsteUung seiner 
Gedanken soll der Schüler lernen. 

Eine rechte Fassung des Themas kann ihm diese Arbeit wesentlich 
erleichtem. Das Thema soll einen Fluss der Gedanken in ihm hervor«? 
rufen, und es soll zugleich diesen Fluss eindämmen und in seinen richtigeii 
Weg leiten. 



70 Das sechste Schuljahr. 

Damit der Gedankenverlauf gefördert werde, muss vor allem das 
Thema einen plastischen Hintergrund haben und einer konkreten Be- 
handlung föhig sein. Es muss gedankenweckende Kraft haben, an- 
schauliche Bilder wachrufen, die zur Ausmalung durch die Phantasie reizen. 

Aber die aus den verschiedenen Teilen des Gedankenkreises herzu- 
strömenden Gedanken sollen nicht zerstreut auseinanderfallen, sie sollen 
sich zusammengruppieren wie um einen Krystallisationspunkt. Sie sollen 
zusammenhalten und Anderes, Nichtherzugehöriges soll abgestossen werden. 
Ja, es soll in der Themastellung ein Antrieb liegen zu abgerundeter Ge- 
staltung. Nicht alles, was der Schüler über die Sache weiss, soll er 
hererzählen, sondern er soll unterscheiden lernen, was Bausteine und was 
Bauschutt ist für seinen Zweck. Deshalb muss der Zweck der Dar- 
stellung klar sein, die Aufgabe bestimmt und abgegrenzt. Und doch soll 
nicht ein Stück mechanisch aus dem Gedankenkreis herausgeschnitten, 
sondern er soll von einer Seite her neu in helles Licht gesetzt werden, 
so dass anderes ins Dunkel zurücksinkt. 

c Einige Themen fürs 6. Schuljahr 

1. Was die Glocken zu Speier verkünden wollten (Gedicht). 

2. "Wie der tapfere Schwabe vor dem Kaiser steht („Schwab. Kunde"). 

3. Der schlafende und der erwachende Barbarossa (Gedicht). 

4. Jerusalems Bestimmung (Geschichte). 

5. Unsere Stadtkirche (Hochgotik) und die Kirche zu Klosterlausnitz 
(romanisch). (Zeichnen.) 

6. Wanderers Traum auf den Ruinen einer Burg (Geschichte). 

7. Der Sänger von Goethe (Gedicht) oder: Sänger und Vogel (Ver- 
gleich). 

8. Woraus wir erkennen, dass die Erdoberfläche gekrümmt ist (Math. 
Geographie). 

9. Die Wohnung der Nomaden, Ackerbauer und Kleinbürger im Ver- 
gleich (Naturkunde). 

10. Ein Zug über einen Alpenpass. 

11. Der Sinn der Walzenform ([siehe Zeissig, Formenkunde,] Geometrie). 

12. Warum es gut ist, dass unsere Erdachse nicht senkrecht, sondern 
schief steht (Math. Geographie). 

13. Bitter und Raubritter (Geschichte). 

14. Was aus Italien alles in unserem Orte zu finden ist (Geographie). 

15. Rudolf von Habsburg als Richter und die Vehmgerichte. 

16. Hirtenknabe und Gemsjäger (Geographie). 

B Der Gedankenausdruck 

1 Fortschritt 

Das Ziel, dass der Schüler eigene Gedanken selbständig richtig, ab- 
gerundet und geordnet zur schriftlichen Darstellung bringen kann, ist 
nur in allmählichem Fortschritt zu erreichen. 

Dieser Fortschritt muss vorher sorgfältig überlegt sein, weil sonst 
entweder der Schüler weit vom Ziele zurückbleibt, oder durch Sprünge 
im Unterrichtsgange Lücken im Wissen und Können des Schülers ent- 
stehen. 



Das sechste Schuljahr. 71 

Der Fortschritt soll sich in dreifacher Hinsicht vollziehen. Einmal 
wird die Form des Aufsatzes schwieriger, denn der Schüler soll auch 
die schwierigeren Formen beherrschen lernen. Sodann wird die Hilfe 
des Lehrers dabei geringer, denn der Schüler soll ja immer selbständiger 
und unabhängiger von der Hilfe anderer werden. Und endlich tritt die 
reproduktive Thätigkeit immer mehr zurück, die eigene Schaffenskraft 
wächst, das Individuum lernt es, sich individuell zu geben, seinen ganzen, 
inneren Menschen zum Ausdruck zu bringen. Immer mehr soll der 
werdende Mensch nicht bloss nach Seite der Form, sondern auch in 
Hinsicht auf die Sache lernen, selber zu finden und selber zu gestalten. 
Der Stil ist der Mensch. 

Es ist natürlich ein schwieriges, didaktisches Problem, diesen Fort- 
schritt recht sorgfaltig zu gestalten und den Schüler von der Unfreiheit 
und Unselbständigkeit durch sichere, immer mehr zurücktretende Führung 
zur Freiheit und Selbständigkeit zu bringen. Besonders schwierig wird 
es durch unsere, im wahren Sinne des Wortes schreckliche deutsche 
Rechtschreibung. Der deutsche "Wortschatz bildet geradezu ein Museum 
der Unregelmässigkeit. Wer dem deutschen Volke dazu verhilft, dass 
es diese buntscheckige Zwangsjacke abwirft, der wird in mehr als einer 
Hinsicht ein Wohlthäter zu nennen sein. Viel unnütz verschwendete 
Kraft, viel Zeit, viel Lust wird frei werden für wertvollere und nützlichere 
Geistesarbeit. Wie mancher, der heute zu den Ungebildeten zählt und 
der sich kaum traut, die Feder zur Hand zu nehmen, weil er schon 
weiss, wie seine Gedanken in den Fehlem ersticken, würde frei und un- 
gehindert durch die Last der orthographischen Formen sich ganz anders 
entwickeln können. Heute wird, wie gesagt, das Problem, die Ent- 
wicklung nach der Seite der Kunst schriftlicher Darstellung durch die 
unnötige Last der deutschen Schlechtschreibung sehr viel schwieriger. 

a) Die leichteste Form der Darstellung ist die einfache Nacherzählung. 
Bei ihr kommt es vor allem darauf an, dass die Reihe der Ereignisse 
zu einem Organismus verkettet werde, der durch die Einheit innerer 
Notwendigkeit zusammengehalten wird. Diese Einheit herzustellen ist 
Aufgabe des Erzählers. Die Gestaltungskraft des Kindes kann hierbei 
auch insofern noch thätig sein als der Standpunkt, von dem aus erzählt 
wird, gewechselt werden kann. Jede der in der Geschichte vorkommenden 
Personen kann die Handlung erzählen als eigenes Erlebnis. Die Hand- 
lirng kann auch von einem Beobachter erzählt werden. 

Schwieriger ist die Erzählung von Selbsterlebtem, da das Kind aus 
den vielen Sinnes ein drücken die charakteristischen herausheben muss und 
die Vermeidung der Eintönigkeit (wir gingen, wir sahen, wir kamen etc.) 
schon eine ziemliche Übung erfordert. Schwieriger als die einfache Er- 
zählung ist die Vergleichung, bei welcher das geistige Auge die Ver- 
gleichspunkte scharf erfassen und die gestaltende Kraft der Seele sie 
deutlich darstellen muss, welche fordert, das Nacheinander nebeneinander 
zu stellen und mit einem Blicke zu umfassen. Noch viel schwerer ist 
die Beschreibung, die Darstellung der ruhenden Wirklichkeit, bei welcher 
neben dem Herausheben des Charakteristischen noch die geschickte An- 
ordnung und Gruppierung (successive Gliederung) gelernt sein will, sowie 
die Auflösung in Handlung, die Darstellung des Gewordenen als ein 
Werdendes, die Erfüllung des Thatsäch liehen mit dem Inhalte des Grundes 



72 Das sechste Schuljahr. 

und Zweckes, die Darstellimg des Nebeneinander als ein Nacheinander u. a. 
Die Beschreibung kann aus diesem Grunde erst auftreten, wenn die 
Schüler die leichtere Form der Erzählung einigermassen beherrschen. 

Noch später können die Schüler sich heranwagen an diejenige be- 
schreibende Darstellungsform, welche bestimmt ist, Gefühle zu erwecken 
und darum einen höheren poetischeren Zug annimmt, an die Schilderung. 
Auf gleicher Stufe steht die Charakteristik, die Schilderung des Charakters 
einer Person. Höhere Stilformen, wie die Abhandlung, bei welcher es 
sich um die Entwicklung, Darlegung und Begründung von Behauptungen 
handelt, können nur seltener in der Volksschule Platz finden. Sie ge- 
hören auf eine höhere Stufe. 

Es darf übrigens nicht vergessen werden, dass die „Forderungen 
jeder niederen Stufe des Stils sich auf der höheren wiederholen nur in 
imtergeordneter Weise". Nur treten jedesmal neue Forderungen und 
neue Schwierigkeiten hinzu. Die früher geübten Stüformen müssen auf 
den späteren immer wieder mit geübt werden*). 

b) Allmählich soll der Schüler immer mehr der Mithilfe des Lehrers 
entbehren können. Diese Hilfe giebt er ihm bei der Besprechung des 
Aufsatzes. 

Erst ist die Besprechung ausführlich, die Gedächtnisstützen sind 
von zwingender Beproduktionskraft, die Stücke sind klein, welche auf 
einmal zusammengefasst werden müssen. Allmählich wird das anders. 
Der Besprechung wird weniger Zeit gewidmet, zuletzt genügen Hinweise 
und Andeutungen. 

Dient als Stütze fürs Gedächtnis im Anfange eine Frage, so genügt 
später ein Satz, dann ein Stichwort. 

Im Anfange wird der Lehrer Satz für Satz durchnehmen. Für 
einen jeden oder für wenige kleine Sätze ist eine Frage aufgestellt und 
der Schüler hat sie nur zu beantworten. Später soll ihn der Satz als 
tJberschriffc an einen kleinen Abschnitt erinnern. Endlich dient das 
Stichwort als Beproduktionshilfe für einen grösseren Absatz. 

Schon dadurch erlangt der Schüler grössere Selbständigkeit. Aber 
diese Selbständigkeit bezieht sich nur auf Beproduktion. 

c) Aber die Selbständigkeit des Schülers wird auch grösser in der 
Selbstthätigkeit, im Selbstschaffen, in der Produktion. 

Erst ist der Schüler nur in geringem Masse selbstschaffend thätig. 
Dann ändert der Schüler den Standpunkt beim Erzählen. Die Geschichte 
wird bald vonseite der einen, bald vonseite der anderen Person erzählt. 
Einzelne Ausdrücke werden anders gewählt, durch sinnverwandte ersetzt, 
es wird der Satz mit einem anderen "Worte begonnen. 

Dann wird der Schüler freier. Er ändert die Sätze in freierer 
Weise. Er erzählt und beschreibt in Nebensätzen, wo im Unterricht 
Satzglieder auftraten; Vordersätze wandeln sich in seiner Arbeit in 
Nebensätze, Sätze verkürzen oder erweitem, verbinden und trennen sich. 
Aber das alles so wie von selbst, aus dem Gedanken geschaffen, nicht 



*) Die Frage, ob es methodisch geboten ist, die Aufsatzarbeiten nach dem 
Stufengange der verschiedenen Stilarten fortschreiten zu lassen, ist eine um* 
strittene. Vergl. dafür: Raschke, Neue Bahnen 1899 (Märzheft), dagegen 
W o h 1 r a b e . Die Stellung des Aufsatzes im Gesamt-Ünterrichte (Halle 1892) S. 22 ff. 



Das sechste Schuljahr. 



73 



etwa aus grammatischen Üherlegungen^ und immer mit den Gedanken, 
80 treffend und gut wie möglich nach seinem Geschmack zu schreiben. 

Endlich versucht sich der Schüler auch in der individuellen An- 
ordnung der Gedanken, ja zuletzt auch in der eigenartigen Erfassung des 
Themas. Er erzählt die Handlung von ihrem Höhepunkte her, er löst die 
Beschreibung in ein Thun auf, er versucht die Gefühle festzuhalten und 
wiederzugeben und damit in anderen wieder zu erwecken, die ihm selber 
beim Einzüge des Frühlings, beim Gewitter, beim Sonnenuntergänge über- 
kommen sind. Hier kann das Thema in verschiedener Fassung den 
Schülern vorgelegt werden zur Auswahl, auch verschiedene Themen 
können zu freier Wahl gestellt werden. 

Das ist die höchste Stufe, die in der Volksschule erklommen werden 
kann, darüber hinaus kommen nur einzelne, besonders Begabte. 

(Nicht unerwähnt soll bleiben, dass in der Volksschule auch die 
üblichen Formen des schriftlichen Verkehrs geübt werden müssen: Ge- 
schäftsaufsätze, Briefe, Anzeigen, Telegramme, Anmeldungen, Berichte.) 

Das Bedürfnis entsteht, diese, mehrfach ineinanderverkettete Stufen- 
folge übersichtlich auf die Schulzeit zu verteilen. 

Die ersten drei Schuljahre gelten als Vorkursus, auch für den Auf- 
satz-Unterricht. Im 4. Schuljahre beginnt die eigentliche Arbeit der 
Stilbildung: richtige, abgerundete, geordnete Darstellung der Gedanken. 
Die Arbeit der drei ersten Schuljahre ist wertvolle Vorarbeit. 

Auf die übrige Schulzeit*) lassen sich die mannichfaltigen Arbeiten, 
die zu leisten sind, so verteilen: 

Fortschritt im Aufsatz-Unterricht 



Schul- 
jahr 


Stilform 


Veränderung 


Stütze 


4 


Erzählung 


Ausdrücke 


Fragen für Satz 


5 


Auch Erlebnis- 
darstellung 


Auch Sätze 


Sätze für kleinere Ab- 
schnitte 


6 


Auch Vergleichung 


Auch Standpunkt 


Sätze für grössere Ab- 
schnitte 


7 


Auch Beschreibung 


Auch Gliederung 


Stichworte für kleinere 
Abschnitte 


8 


Auch Schilderung 


Auch Themastellung 


Stichworte für grössere 
Abschnitte 



3 Grammatik einschliesslich der Orthographie und Interpunktion 

(Siehe Schuljahr HI., 2. Aufl., Seite 112—119.) 

Beehtschreibnng 

Das sechste Schuljahr hat 
1. die orthographischen Regeln der Hauptsache nach zum Abschluss 
zu bringen. 



*) Vergl. dazu die Verteilung bei Bas chke, Neue Bahnen 1899. III. Heft. 



74 Das sechste Schuljahr. 

2. die orthographischen Reihen und Ausnahmereihen weiter zu bilden, 
sowie 

3. die G-egensätze zu den Begeln, B,eihen und Ausnahmen durch neue 
Worte zu vervollständigen. Wenn von einer oder der anderen 
Reihe nur noch wenige Worte ausstehen, z. B. von der Wortreihe 
mit ai, aa, ee, oo, so können dieselben, um den Abschluss herbeizu- 
führen, willkürlich hinzugefügt werden; sonst ist an dem Grund- 
satze festzuhalten, dass für die Heranziehung des Wortmaterials 
in die betreflfenden Reihen nur das bei den schriftlichen Arbeiten 
zu Tage tretende Bedürfnis massgebend sein darf. Im einzelnen 
wird sich der orthographische Unterricht in diesem Schuljahre auf 
folgende Punkte zu erstrecken haben: 

A. Dehnung. 

1 . Zu der Regel über das lange i (i wird geschrieben : ie) : 

a) Fortführung der Reihe mit ie, ier, ieren: Monarchie, Barbier, 
studieren, probieren. 

b) Fortsetzung der Ausnahmereihe (i wird als Ausnahme ohne e ge- 
schrieben): Tiger, Bibel, Bibliothek, Kamin, Igel, Fibel, Ida. 

2. Zu dem Dehnungs-h. 

a) Regel. Die früher aufgetretenen Spezialregeln werden in die 
Hauptregel zusammengefasst : Wenn in den Hauptsilben nach einem 
einfachen gedehnten Grundlaut ein 1, m, n, r folgt, so wird der 
gedehnte Grundlaut mit h geschrieben, z. B. Kahn, wählen, fühlen ; 
nehmen, lahm; Lohn, Söhne; fahren, Ohr. 

b) Fortsetzung der Ausnahmereihe: geboren, verloren. 

c) Regel: Vor der Nachsilbe heit fällt das auslautende h weg, z. B. 
Hoheit, Roheit. 

d) Fortsetzung der Ausnahmereihe mit in- und auslautendem th. 

e) Fortsetzung der Reihe mit h = Lautzeichen: gedeihen, drehen, 
drohen, Drohung, droht, fliehen (Flucht), Kühe, Kuh, nähen, Naht, 
nahe, Nähe; Zehe, Zehen — zehn. 

f) Regel: In abgeleiteten Wörtern wird das h beibehalten, z. B. nähen, 
Naht; drehen, Draht. 

3. Zur Verdoppelung der Grundlaute. 

a) Fortsetzung bezüglich Abschluss der Reihe mit aa, ee, oo: Saat, 
Aal, Staat; Armee, Beere, Klee, Seele, Speer, Teer; Moos. 

b) Gegensätze : Aar — Ar — Ahr (Rheinnebenfluss in Rheinpreussen) ; 
das Beet — beten — das Gebet; Meer — mehr — Mähre — 
Märchen. 

B. Schärfung. 

4. Zur Konsonantenverdoppelung. 

a) Man schreibt: spinnen, gesponnen, Spinnrad, Spinnerei, aber das 
„Gespinst" ; — schaffen, er schafft, der Schaffner, aber das „Ge- 
schäft'* ; — können, du kannst, aber die „Kuust". 

b) Regel. Man vermeidet das Zusammentreffen dreier Mitlaute und 
schreibt: Mittag, nicht Mitttag; Schiffahrt, nicht Schiff fahrt; 
Brennessel, nicht Brenn nessel. 

5. Zu Ableitung, 

a) Fortsetzung der Reihe mit dt: senden, sandte, der Gesandte; — 
wenden, wandte. Verwandte; — laden, er lädt; — reden, beredt. 



Das sechste Schuljahr. 75 

b) Reihe der Dingwörter mit der Endung ig: Essig, Honig, König, 
Käfig, Pfennig, Reissig, Zeissig. 

c) Reihe der Dingwörter mit den Endungen ich, icht: Teppich, 
Fähnrich, Hederich, Wüterich; — thöricht, Kehricht, Dickicht. 

Ausnahme: Predigt. 

C. Grundlaute; Mitlaute. 

a) Fortsetzung der Reihe mit ä und äu, ohne dass die Ableitung in 
Betracht kommt : ungefähr, Käse, jäten, verbrämen, Lärm, Märchen, 
Säge, Thräne, träge. 

b) Gegensätze : gewähren — wehren, Gewehr — wären ; Lärche — Lerche. 

c) Man schreibt: der Tod (tödlich, todkrank), aber tot (Eigenschafts- 
wort), der Tote, töten, Totschlag. 

d) Fortsetzung der Reihen mit dem Anlaut p, dem In- und Auslaut p : 
Papst, Post, Raupe, Raps, Mops. 

e) Fortsetzung der Reihen mit gt, cht; gn, gr, gl, kn, kr, kl; Ib, Id, 
^8f ^Pt ^^f Ic^J rg» rch, rk; v, ph; pf, q, x, chs. 

D. Fortführung der Fremdwörterreihe. 

E. Silbentrennung. 

Die Hauptregeln der Silbentrennung sind den Schülern bekannt. 

a) Einfache Wörter werden nach Sprechsilben abgeteilt. 

b) Zusammengesetzte Wörter werden nach ihrer Zusammensetzung ab- 
geteilt. 

Die Schüler müssen nun auch die Sonderregeln für einzelne schwierigere 
Zweifel weckende Fälle kennen und anwenden lernen. Diese Sonder- 
regeln sind folgende : 

1. Zusammengesetzte Wörter werden nach ihrer Zusammensetzung 
abgeteilt auch dann, wenn diese Teilung mit der Aussprache (nach 
(Sprechsilben) nicht übereinstimmt, z. B. be-ob-achten, war-um, dar-aus, 
voU-enden. 

2. Wenn ein Mitlaut im Inlaute steht, so kommt derselbe beim Ab- 
teilen auf die zweite Zeile (z. B. le-sen, Re-gel), auch wenn die Aus- 
sprache damit nicht im Einklang steht. Dies gilt auch bei ch, seh, ph, 
dt, die nur je einen Laut bezeichnen. Es wird also abgeteilt: la-chen, 
lö-schen, Ver-wan-dte. 

3. Wenn mehrere Mitlaute im Inlaute stehen, so kommt der letzte 
von ihnen auf die zweite Zeile, z. B. Hir-ten, Län-der, mor-gen. Dies 
gilt auch für sp und st, ng, nk und ck, pf und tz, sp, st, wobei sich sp 
in s-p, st in s-t, pf in p-f, ng in n-g*), nk in n-k, ck in k-k, tz in t-z 
auflöst. Z. B. Las-ten, Knos-pen, stop-fen, Fin-ger, Hoflftiun-gen, An-ker, 
hak-ken, schät-zen. 

4. Nach m und r tritt pf ungetrennt auf die zweite Zeile, z. B. 
dam-pfen, em-pfinden, Kar-pfen. 

F. Bindestrich. 

Man schreibt statt Feldfrüchte und Gartenfrüchte Feld- und Garten- 
früchte; statt Schularbeiten und Hausarbeiten Schul- und Hausarbeiten. 



*) Hier sind die Kinder auf die Verschiedenheit der Aussprache und 
Schreibung aufinerksam zu machen. Gesprochen : lang-nge, geschrieben : lan-ge. 



76 Das sechste Schuljahr. 

Grammatik 

A. Wortlehre. 

Aus derselben lernen die Kinder als Erweiterung der bereits er- 
langten Einsicht kennen: 

1. Die Zeitformen des Zeitwortes: Gegenwart, erste, zweite und 
dritte Vergangenheit, Zukunft (z. B. ich schreibe, ich schrieb, ich habe 
geschrieben, ich hatte geschrieben, ich werde schreiben). 

2. Die Hilfszeitwörter sein, haben, werden; — können, müssen, 
sollen, wollen, mögen. 

3. Das Mittelwort, aus einem Zeitwort gebildet und wie ein Eigen- 
schaftswort gebraucht, ist als Mittelform des Zeitwortes anzusehen, zu 
benennen und zu behandeln (z. B. der singende Knabe, die besiegten 
Ungarn). 

4. Die besitzanzeigenden, hinweisenden und rückbezüglichen Für- 
wörter (unter den rückbezüglichen tritt auch „welcher" auf, das die 
Kinder seither als Bindewort aufgefasst haben und nun als verbindendes 
Fürwort kennen lernen), nebst ihren Biegungsformen. 

5. Die neuen Vorwörter 

a) mit dem 3. Fall: mit, nach, bei, von, zu, aus, samt, seit; 

b) mit dem 4. Fall: durch, für, gegen, ohne, um. 

Die mit dem 3. und 4, Fall sind bereits bekannt (s. IV. u. V. Schuljahr). 

6. Die Umstandswörter und ihre Unterscheidung von den Eigen- 
schaftswörtern und Vorwörtern (die Umstandswörter stehen bei dem Zeit- 
und Eigenschaftsworte und antworten auf die Fragen wo? woher? wo- 
hin? wann? wie? Eigenschaftswörter werden zu Umstandswörtern, wenn 
sie zum Zeitworte treten, z. B. das Kind schreibt schön). 

7. Die neuen Bindewörter. 

a) für Hauptsätze : dann, daher, also, ausserdem, entweder — oder, nicht 
nur — sondern auch; 

b) für Nebensätze: ob, ehe, bis, da, während, obgleich, um, wodurch. 

B. Satzlehre. 

1. Weitere Formen des zusammengezogenen Satzes nebst Interpunktion. 

2. Weitere Formen des zusammengesetzten Satzes mit den neuauf- 
tretenden Bindewörtern (siehe Wortlehre 7) nebst Interpunktion der Sätze. 

3. Der abgekürzte Nebensatz 

a) in der Form des Supinums (z. B. Der Jäger geht auf die Jagd, um 
ein Wild zu schiessen); 

b) in der Form der Apposition (z. B. Konradin, der letzte Hohenstaufe, 
wurde in Neapel hingerichtet. Ludwig, Herr zu Bayern, sprach etc.) 
nebst Interpunktion. 

Die vorstehende orthographisch-grammatische Zusammenstellung enthält 
die Punkte, welche mutmasslich Gegenstand des Unterrichts werden 
müssen. Doch darf dieselbe nur als eine Vorlage angesehen werden, die 
im Verlaufe des wirklichen Unterrichts noch manche Abänderungen zu 
erleiden haben wird. Denn das orthographisch-grammatische Material soll, 
wie früher dargelegt worden ist, aus den schriftlichen Darstellungen der 
Sachinhalte des Unterrichts abgeleitet werden und das Bedürfnis für die 
Behandlung muss auch vorher dem Schüler fühlbar geworden sein. Alle 



Das sechste Schuljahr. 



77 



Punkte der ohigen Zusammenstellung also, für welche sich bei den münd- 
lichen und schriftlichen Sprachübungen ein solches Bedürfnis nicht von 
selbst einstellt, oder doch leicht geweckt werden kann, bleiben einem 
späteren Bedürfhisfalle vorbehalten. 



2 Die Behandlung des StofTes 

(Siehe III. Schuljahr, 3. Aufl. Seite 117 ff., sowie auch die betreffenden 
• Abschnitte im IV. und V. Schuljahre.) 



A Sachliche Behandlung 

Unterrichtsbeispiele 



Der Sänger 
(1 Vorm Thore) 
.,Was hör' ich draussen vor dem Thor, 
Was auf der Brücke schallen? 
Lass den Gesang vor unserm Ohr 
Im Saale wiederhallen!** 
Der König sprachs, der Page lief; 
Der Knabe kam, der König rief: 
„Lasst mir herein den Alten.'* 

(2 Gruss) 
„Gegrüsset seid mir, edle Herrn, 
Gegrüsst ihr, schöne Damen! 
Welch reicher Himmel ! Stern bei Stern ! 
Wer kennet ihre Namen? 
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit 
Schliesst, Augen, euch, hier ist nicht Zeit 
Sich staunend zu ergötzen." 

(3 Lied) 
Der Sänger drückt die Augen ein 
Und schlug in vollen Tönen; 
Die Ritter schauten mutig drein, 
Und in den Schoss die Schönen. 
Der König, dem das Lied gefiel, 
Liess ihm zum Lohne für sein Spiel 
Eine goldne Kette bringen. 



(von Goethe) 

(4 Weigerung) 
„Die goldne Kette gieb mir nicht, 
Die Kette ffieb den Rittern, 
Vor deren kühnem Angesicht 
Der Feinde Lanzen splittern ; 
Gieb sie dem Kanzler, den du hast, 
Und lass ihn noch die goldne Last 
Zu andern Lasten tragen. 

(5 Lohn) 
Ich singe, wie der Vogel singt, 
Der in den Zweigen wohnet; 
Das Lied, das aus der Kehle dringt, 
Ist Lohn, der reichlich lohnet. 
Doch darf ich bitten, bitt* ich eins: 
Lass mir den besten Becher Weins 
In purem Golde reichen." 

(6 Dank) 
Er setzt' ihn an, er trank ihn aus. 
„0 Trank voll süsser Labe! 
wohl dem hochbeglückten Haus, 
Wo das ist kleine Gabe! 
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich 
Und danket Gott so warm, als ich 
Für diesen Trunk euch danke." 



Erste Behandlnngsfonn : Darbietender Unterrieht 

1. Ziel 

a) Stückweise Darbietung des Zieles 

Wir wollen heute ein Gedicht von Goethe lesen. Das versetzt uns 
in die Eitterzeit. Auf einer Königsburg wird ein Fest gefeiert. Während 
des Festes kommt ein Sänger in die Burg. Von ihm erzählt das Ge- 
dicht. Also ? 

b) (Wiederholung des Zieles): Von einem Sänger der Hitterzeit, 
der zu einem Feste auf eine Königsburg kam. 

I. (Vorbesprechung). 

a) (Die bekannten Vorstellungen). 



78 Das sechste Schuljahr. ' 

1. In welcher Zeit wird das Fest gefeiert? In der Zeit, die wir 
gerade jetzt besprechen, in der Zeit der Bitter. In der Zeit Heinrichs IV. 
(1097), Barbarossas (1190), Budolfs von Habsburg (1273). In der Zeit 
des elften, zwölften und dreizehnten Jahrhunderts. Vielleicht war's ein 
Bitterspiel, wie das Turnier Heinrichs I. nach der Schlacht bei Merse- 
burg oder das Beichsfest zu Worms, vielleicht war es ein Fest, an dem 
Prinzen zu Bittern geschlagen wurden, vielleicht hatte der König eine 
Schlacht gegen seine Feinde gewonnen (der Burgunden Fest des Sieges) 
über Sachsen und Dänen, vielleicht wurde ein hoher Besuch durch das. 
Fest geehrt. 

2. Und an welchem Orte? Auf einer mittelalterlichen Burg. Auf 
einer Burg also, wie sie auch an der Saale gestanden haben. „An der 
Saale hellem Strande stehen Burgen, stolz und kühn.^ Die Beste solcher 
Burgen sehen wir noch : Lobedaburg, Fuchsturm, Kunitzburg, Budelsburg. 

Eine Burg aber haben wir gesehen, die noch deutlicher uns ein 
Bild einer solchen Königsburg giebt, als jene alten Mauern. Die Wart- 
burg. (Auf der Schulreise im 4. Schuljahre.) 

3. Und auf der Wartburg können wir uns auch leicht ein solches 
Fest denken, wie es da gefeiert wurde (Art der Feier). 

In welchem Saale? In dem Bankett- oder in dem Sängersaale? 

Mit welchen Gästen ? Mit solchen, wie wir sie auf den alten Bildern 
sehen: mit Prinzen, Herzögen, Grafen und Bittem. Mit den Beamten 
des Königs. Mit den Damen des Hofes und der Gäste: Den Prin- 
zessinnen, Herzoginnen, Gräfinnen. 

In welchen Kleidern ? Die haben wir auch auf den Bildern gesehen, 
die schönen, reichen, bunten Kleider der mittelalterlichen Frauen. Und 
im Bittersaale auf der Wartburg sahen wir auch die Büstungen der Bitter. 

So können wir uns schon ein Bild machen von dem Feste auf der 
Königsburg. 

b) (Die neuen Vorstellungen). 

Aber manches wissen wir freilich noch nicht. Was denn ? Das vom 
Sänger. 

1 . Gehörte er mit zu den Gästen ? War er mit den vornehmen Herren 
und Damen eingeladen. Und wenn nicht, wie kommt er dann dazu? 

Er kommt während des Festes. Wie kann er herein? Die Zug- 
brücke ist ja (zum Schutze gegen feindlichen Überfall) geschlossen. 
Wie merken die Burgleute, dass er ein Sänger ist? 

2. Und ist er recht stolz, zu diesem Feste geladen zu sein? Was 
sagt er? Was singt er? Und welchen Eindruck macht sein Lied? 

3. Und endlich: Ob man ihm für sein Kommen und für seinen 
Gesang dankt? Die auf dem Schlosse sind alles so reiche, vornehme 
Leute. Er ist ein armer, wandernder Sänger. Wie erweist man sich 
dankbar? 

c) (Anschreiben der Erwartungsfragen in Stich werten). 

1. Einladung? 

2. Lied? 

3. Lohn? 



Das sechste Schuljahr. 79 

n. (Darbietung) : Lesen in Abschnitten*). Jeder Abschnitt zwei- 
mal, erst durch einen begabteren Schüler, dann durch einen mittleren 
Schüler. 

Erste Strophe 

a) Lesen. 

b) Wiedergabe des Inhaltes: Auf seiner Burg feiert der König ein 
Fest. Da erschallt von dem Burgthore her Gesang. Da befiehlt der 
König: „Holt den Sänger in den Saal!" Und der Page thut es. 

c) Erläuternde Besprechung**): Welche unserer Fragen ist damit 
beantwortet? Die erste: Wer hat den Sänger eingeladen? Ein Page, 
ein Edelknabe, der im Dienste des Königs stand und seines Winkes 
gewärtig war, hat ihn eingeladen auf Befehl des Königs. Schnell hat 
er den Befehl ausgeführt. „Der Page lief** — Wohin? Vor das Thor, 
um zu sehen, wer der Sänger sei. „Der Knabe kam" — nämlich zurück 
in den Festsaal, um dem Könige zu berichten. Er ging dem alten Sänger 
voraus, der indessen langsam bis zum Festsaal ihm nachfolgte. Wie 
aber kommt er ans Burgthor? Er gehört zu jenen fahrenden Leuten, 
die von Burg zu Burg ziehen und ihre Lieder erklingen lassen. Darum 
hatte er auch sein Lied vor dem Thore gesungen. 

e) Gereinigte Total auffassung (ausführliche Wiedergabe). 

Zweite Strophe 

Übergang: Nun wollen wir sehen, ob vom Liede, das der Sänger 
singt, uns etwas erzählt wird. 

a) Lesen. 

b) Wiedergabe des Inhaltes: Der alte Sänger begrüsst die Ritter 
und die Bitterfrauen. Er spricht von einem reichen Sternenhimmel. Er 
sagt zu seinen Augen, dass sie sich schliessen sollen. 

c) Erläuternde Besprechung: Von unseren Hauptfragen ist keine 
beantwortet. Wir erfahren, was der Sänger sagt, als er in den Saal 
tritt. An den Frauen rühmt er die Schönheit, an den Bittern den Edelmut. 

Aber manches ist zu fragen : Was ist das für ein Himmel, von dem 
er spricht? Er meint den Saal. Gross und weit und oben gewölbt. 
Und die Sterne? Die Damen mit ihren funkelnden Edelsteinen im Ge- 
wände und die Bitter mit den Ehrenzeichen ihi-er ritterlichen Thaten auf 
der Brust, das sind die Sterne an diesem Himmel. 

Und warum will er die Augen schliessen? Wohl staunt er, ob der 
Pracht, wohl ergötzt ihn die Herrlichkeit. Aber der Glanz des Festes 
droht ihn zu verwirren. Er will mit ganzer Seele singen. Er will die 
Augen schliessen, um abzuhalten, was seine Andacht stören könnte. 

d) Überschrift. Der Gruss. 

e) Ausführliche Wiedergabe. 



*) Die Abschnitte fallen in diesem Gedichte mit den einzelnen Strophen 
zusammen. 

**) Zuerst fragt der Lehrer: „Was habt ihr nicht verstanden?" „Wer hat 
sonst etwas zu fragen ?" Dann leitet er die Besprechung, indem er selbst Fragen 
aufwirft. Im Wechselgespräch wird die Antwort gefunden. 



80 Das sechste Schuljahr. 



Dritte Strophe 

TJbergang Zwei Punkte sind noch unerledigt : Das Lied und der Lohn. 

a) Lesen. 

b) Wiedergabe des Inhaltes. Mit geschlossenen Augen be- 
ginnt er dann sein Lied. Es ergreift alle: Die Bitter schauen mutig in 
die Welt, die Damen blicken in den Schoss, der König lässt ihm zum 
Danke eine goldene Kette reichen. 

c) Erläuternde Besprechung. Beantwortet ist unsere zweite Frage 
nach dem Lied und unsere dritte nach dem Lohn. Auf den Inhalt des 
Liedes kann man von seinem Eindrucke her schliessen: Es rühmte die 
Thaten tapferer Ritter, darum begeisterte der Sang die Bitter im Saale. 
Sie griffen an ihre Schwerter und ihre Augen blitzten voll Kampfesmut. 

Aber warum senkten die Damen ihre Blicke? Weil er sie lobte in 
seinem Liede. Weil er ihre Schönheit und ihre Herzensgüte, ihre Sanft- 
mut pries, darum blickten sie verschämt in den Schoss und vergassen 
in andächtiges Zuhören versunken allen Glanz und alle Herrlichkeit um 
sich herum. 

Ob er auch das Lob des Königs gesungen hat? Wir wissen es 
nicht. Er lässt ihm die goldene Kette, ein reiches Geschenk^ zum Dank 
für sein Lied bringen. 

Aber was heisst: „Er schlug in vollen Tönen!" Sein Instrument 
ist gemeint, das er spielte, nämlich die Harfe, die ihr auch schon ge- 
sehen habt (im Concert: Harfenspielerinnen), die schon in sehr früher 
Zeit gespielt wurde (David). Kräftig griff er in die Saiten, er schlug, 
dass sie laute, volle Töne gaben. 

d) Überschrift. Das Lied. 

e) Ausführliche Wiedergabe. 

Vierte Strophe 

Übergang. Aber unsere Fragen sind ja beantwortet. Was kann 
dann noch kommen? Wir möchten noch wissen, was der Sänger zu dem 
Geschenke gesagt hat. 

Vermutung: Er wird sich bedankt haben für diese reiche Gabe. 
Er wird ein Lied zum Lobe des Königs gesungen haben. Nun, sehen 
Yirir zu! 

a) Lesen. 

b) Wiedergabe des Inhaltes. Der Sänger aber lehnt die goldene 
Kette ab. Er sagt: Gieb sie deinen Bittern, die deine Feinde besiegen, 
gieb sie deinem Kanzler, der dir hilft. Er hat viele Lasten zu tragen. 
Lass ihn die goldene Last dieser Kette auch noch dazu tragen. 

c) Erläuternde Besprechung: Unsere Vermutung hat sich nicht be- 
stätigt. Wir fragen: Weshalb lehnt der Sänger die reiche, königliche 
Gabe ab? Warum nennt er die goldene Kette eine goldene Last? Eine 
Last ist für den Sänger die Abhängigkeit. Und abhängig wird er, wenn 
er Lohn nimmt. Dann kann er nicht mehr frei aus freier Seele singen, 
loben den, der Lob verdient, tadeln alles, das des Tadels wert ist. 
Kette würde sein Herz und sein Lied in Ketten legen. 



Das sechste Schuljahr» 81 

Aber wie kann der Sänger dann sagen: Die Kette gieb deinen 
Rittern? Ja^ die stehen in des Königs Dienst. Sie sind ihm zu G-e- 
horsam und Treue verpflichtet. Sie können auch Lohn von ihm nehmen. 
TJnd so ist es auch mit dem Kanzler. Manches schwere Geschäft lastet 
auf ihm. Manche schlaflose Nacht bringt er zu, wo er über die Re- 
gierung nachdenkt. Ihm bist du zu Dank verpflichtet. Ihn kannst du 
mit dieser goldenen Kette lohnen. Er steht einmal in deinem Dienste. 

d) Überschrift: Die Weigerung. 

e) Ausführliche Wiedergabe. 

Fünfte Strophe 

Übergang. Ob es für den Sänger gar keinen Lohn giebt? 

a) Lesen. 

b) Wiedergabe des Inhaltes. Ich bedarf auch keines Lohnes. Der 
Vogel, der auf dem Zweige singt, will auch von dir keinen Lohn. Das 
Lied, das ich singe, das ist mein Lohn. Aber eine Bitte habe ich: 
Reiche mir einen Becher Wein. Aber der Becher soll von reinem Golde sein. 

c) Erläuternde Besprechung. Wieso ist das Lied des Sängers auch 
sein Lohn? 

Es ist seine Freude, wenn er so schön singen kann. Die Gabe des 
Gesanges ist eine Gabe Gottes. Der Sänger hat in seiner Stimme einen 
unerschöpflichen Quell, immer neue Lieder kann er singen. 

Es ist seine Freude, dass er die Menschenherzen so rühren und • 
begeistern kann für alles Grosse und alles Edle und alles Schöne. Wie 
viel gute und edle Gefühle kann er in den Herzen wecken. Wie viele 
kann er trösten! Wie viele kann er weich, versöhnlich und dankbar 
stimmen. 

Es ist seine Freude, dass er frei singen kann, was sein Herz be- 
wegt, ohne nach Gunst oder Geld zu fragen. 

Warum aber lässt er sich dann den Becher Wein reichen? Der 
Wein ist eine Gottesgabe, die des Gesanges würdig ist. Und warum 
in einem goldenen Becher? Man soll den Gesang ehren, indem man 
den Sänger ehrt. Er wollte nicht die goldene Kette haben und auch 
nicht den goldenen Becher, aber man soll den Sänger aufnehmen, wie 
man einen hohen edlen Herrn aufnimmt, denn er fühlt sich als der 
Träger hoher Gedanken und edler Gefühle, als der Vertreter eines 
hohen und edlen Berufes. 

d) Überschrift: Der Lohn. 

e) Ausführliche Wiedergabe. 

Sechste Strophe 

Übergang. Wir wollen nun noch sehen, wie der Sänger diese Gabe 
aufnimmt. 

a) Lesen. 

b) Wiedergabe des Inhaltes. Den köstlichen Labetrunk nimmt der 
Sänger mit Freuden an. Er preist den Trank. Er preist das Haus. 
Er dankt für das Labsal. Er wünscht dem Hause Glück und mahnt, 
die Dankbarkeit gegen. Gott nicht zu vergessen. 

6 



82^ Das sechste Schuljahr. 

c) Erläuternde Besprechung. Was meint er damit, wenn er sagt: 
^0 wohl dem hochbeglückten Haus, wo das ist kleine Gabe!^ Eir seid 
reich und glücklich, denn ihr könnt andere laben und erfreuen. Ihr 
könnt so Köstliches geben und habt von dem eurem gar nicht viel weg> 
gegeben ! 

Zweite Bearbeitung desselben Gedichtes: Entwickelnd-darstellender 

Unterricht 

Weiteres Ziel: Ein Gedicht, das von einem Sänger erzählt, der im 
Mittelalter zu einem Feste auf eine Königsburg kommt. 

Analyse: Was wissen wir? 

Mittelalterliche Sänger zogen von Burg zu Burg und sangen 
ihre Lieder. Oft wurden sie zum Feste eingeladen, oft wurden sie ge- 
holt, meist kamen sie aber von selbst. 

Inhalt ihrer Lieder: Sie sangen die Sagen und Lieder der 
Vorzeit und sangen eigene Lieder. Sie sangen das Lob der Frauen. 
Die besangen die Thaten der Bitter. Die Schönheit des Frühlings. 

Begleitung ihres Gesanges? Sie begleiteten ihre Lieder mit 
einem Saiteninstrumente, mit einer Harfe, einer Fiedel, einer Laute. 

Stand? Es waren zuweilen adelige Herren, zuweilen niedere Bitter. 

Lohn? Oft bekamen sie reiche Geschenke für ihren Gesang. Gold 
oder goldenes Geschmeide. Becher, Binge, Ketten. 

Engeres Ziel: Das Gedicht erzählt, wie der Sänger den Lohn ab- 
lehnt, den man ihm gab. 

Wir fragen: Warum lehnt er den Lohn ab? (Hauptfrage). War 
das Geschenk ihm zu klein? (3) i 

Hatte er bemerkt, dass sein Lied bei den anderen nicht solchen 
Beifall gefunden hatte? (2) 

Oder lag der Grund in der Art der Einladung, die man an ihn 
hatte ergehen lassen? (1) 

Also: 1. Einladung? j 

2. Lied und Eindruck? > TJnterfragen. 

3. Lohn? j 
A. Darbietung des Inhaltes. 

Das Fest auf der Burg können wir uns vorstellen, 
wenn wir an die Wartburg denken. Bankettsaal! Es wurde 
gefeiert in dem grossen Bankettsaale. Unter der gewölbten Decke und 
zwischen den dicken Säulen sassen die Bitter und die Edelfrauen. 
Ritterrüstung! Die Bitter hatten solche Büstungen an, wie wir sie 
auf der Wartburg gesehen haben. Kleidung der Frauen! Die 
Frauen trugen bunte Kleider (wie auf den Bildern auf der Wartburg) 
und reichen Schmuck: Edelsteine, goldene Binge und Ketten. In der 
Mitte der Bitter der König. 

Das sah man beim Feste. Was aber hörte man? Das 
Beden der Bitter, das Lachen und Jubeln, den Lärm des Mahles. 
Manchmal war es ganz laut. Zuweilen legte sich der Lärm und es 
wurde fast still. Da hörte man plötzlich in. die Stille hinein 



Das sechste Schuljahr. 83 

von aussen^ vom Burgthore her, einen lauten Gesang. Ihr 
könnt euch denken, was der König da sagte. Was höre ich 
draussen vor dem Thore? Was vermutete er und was wünschte 
er? Das ist ein fahrender Sänger. Warum singt er nicht hier im Saale ? 
Befehl? Ein Edelknahe soll gehen und sehen, wer es ist und soll ihn 
auffordern, herein zu kommen und hier zu singen. Was geschieht? 
Der Knabe läuft hinaus vors Thor. Dann kommt er wieder und bringt 
die Antwort: Er will im Saale singen. Und dann? Er wird herein- 
geholt in den Festsaal. Alle sahen nach der Thür. Sie wollten 
den Sänger sehen. Sie wollten wissen, wie er aussah, ob es ein junger 
oder ein alter Mann war. Er war alt. Sie sahen einen alten lüann 
mit grauem Haar, in seiner Hand hielt er eine Harfe. Er trug einen 
langen Mantel. Überschrift? Die Einladung. Zusammenfassung. 

2. a) Der Sänger sah sich im Saale um. Er sah die ge- 
wölbte Decke und die Säulen. Er sah die glänzende Versammlung: 
Die Bitter in ihren Büstungen, die Frauen mit ihrem Schmuck. Etwas 
so Schönes erinnert er sich noch nie gesehen zu haben. 
Der Anblick erinnert ihn an das Schönste, das er kennt, 
an den Sternenhimmel. Die Wölbung: die hohe Decke. Die 
Sterne: Die Bitter und Edelfrauen mit ihren Edelsteinen und Ehren- 
zeichen. Welche Gefühle ergreifen den Sänger dabei? 
Staunen ergreift ihn und Freude bei dieser Herrlichkeit. Aber er 
machte es, wie wir es auch zuweilen thun, um alle Ge- 
danken zu sammeln. Er schloss die Augen. Er wollte nicht 
abgezogen werden durch die Pracht rings umher. Er wollte mit ganzer 
Seele singen und alle Aufmerksamkeit auf sein Lied richten. 

b)TJnd dann? Mit geschlossenen Augen begann er sein Lied. 
Kräftig und voll erklang seine Stimme und hallte von 
den Wänden des Saales wieder. Dazwischen hörte man 
andere Töne. Die Töne seines Saiteninstrumentes. Man hörte sie 
laut erklingen, wie also spielte er? Laut, begeistert, er griff voll und 
stark in die Saiten. 

Wonach fragen wir? Nach dem Inhalt seines Liedes. Er- 
schliesst ihn selbst aus seiner Wirkung: Die Augen der 
Bitter blitzten mutig auf und ihre Hände griffen an die 
Schwerter. Er sang also von kühnen Thaten der Bitter, von Mut 
und Heldenkraft. Von wem vielleicht hat er gesungen? Von Siegfried 
und seinen Thaten, von Hagen und seiner Schidd und Strafe. Aber 
auch weichere, zartere Gefühle erweckte er mit seinem 
Gesänge. Er sang von Liebe und Treue, von Milde und Herzensgüte. 
Er erzählte, wie milde Frauenhand Not und Elend mildert. Von w em 
vielleicht hat er erzählt? Von der heiligen Elisabeth. Bei w em 
wird das Widerhall im Herzen gefunden haben? Bei den 
Edelfrauen. Die schauten andächtig und aufmerksam vor 
sich nieder. Überschrift? Des Sängers Gruss und sein Lied. 
Zusammenfassung. 

3. a) EineFrage bleibt noch zu beantworten: Die Frage 
nach dem Lohn. Natürlich war es dem Könige ergangen, 
wie den anderen im Saale. Ihm hatte' das Lied auch gefallen. 
Wir fragen: Was giebt er dem Sänger zum Lohne? Er liess ihm 

6* 



84 Das sechste Schuljahr. 

zum Dank eine goldene Kette reichen. Und? Wir könnten denken : Der 
Sänger nahm sie und sprach seinen Dank. So aber war es nicht, 
sondern er sprach: Die goldene Kette gieb mir nicht. Wir 
fragen? Warum nicht? Er fügte hinzu, der König solle 
sie denen geben, die ihm Dienste leisten, die in seinem 
Dienste stehen. Den Sittern also, die seine Schlachten schlagen. Dia 
mit ihrer Lanze den Feind niederstossen. Den mutigsten seiner 
Ritter sollte er sie geben. Denen, die nicht mit der Wimper 
zucken, wenn ihre Lanze am Schilde des Feindes zersplittert. Oder 
er sollte sie dem Manne geben, der die meisten Sorgen 
der Regierung und Verwaltung des Landes auf sich 
nimmt: Dem Kanzler, dem ersten Minister (Josef, Bismarck). Wes- 
wegen dem? Wegen seiner wertvollen Dienste. Aber des Sängers 
Dienst ist dem Könige doch auch wertvoll. Wir fragen: 
Welcher Unterschied besteht, dass der Sänger die goldene Kette nicht 
nehmen will? Denkt euch, dass die Gabe für Ritter und 
Kanzler eine Verpflichtung enthält: Eine Verpflichtung 
weiterer Treue, weiterer Dienste. Und nun denkt, der Sänger 
hätte des Königs Lob gesungen. Dann würde er in der Gold- 
gabe eine Verpflichtung, fernerhin sein Lob zu singen, erblicken können. 
Dann ist er abhängig. Dann hat sein Lied keinen Wert. Dann 
würden viele sagen: Wes Brot er isst, des Lob er singt. 

Für Goldeslohn singt er Fürstenlob. Vergleich : Kanzler und Sänger. 
Darum sagt er: Gieb die Kette den Rittern oder dem 
Kanzler. Mir würde sie eine Last sein. Der Gedanke, mich 
in deinem Solde von dir abhängig zu fühlen, würde mir drückend sein. 

b) Er vergleicht sich mit dem Vogel. So frei und un- 
abhängig, wie der Vogel sein Lied singt, so singe ich's auch. Und 
denkt an den Lohn! Wie ihr den Vogel nicht belohnt, der euch 
ein Lied vom Baume singt, so sollt ihr mich auch nicht belohnen. 
Ja, er sagt: Wie der Vogel habe ich meinen Lohn schon 
im Gesänge. Das Lied, das ich singe, macht mir Freude, das ist 
mein Lohn. Und wenn es andere erfreut, tröstet und begeistert, dann 
habe ich auch darin einen Lohn. 

Überschrift: Weigerung der Annahme des Goldlohnes. 
Der wahre Lohn. 

Zusammenfassung. 

4. Doch wollte der Sänger den gastfreundlichen König 
nicht kränken. Er bat sich etwas anderes aus. Wir fragen: 
Was bat er? Er bat um einen Labetrunk. Vom besten Wein 
sollte man ihm den schönsten Becher vollschenken. Wie 
sprach er also? ( — ) Was mag man geantwortet haben? 
Du wählst dir aber eine kleine Gabe. Und gethan? Seine Bitte 
wird erfüllt. Und? Der Sänger setzte den Becher an den Mund und 
trank ihn aus. Und? Und er sprach seinen Dank. Seinen Dank 
kleidete er in ein Lob. Er lobte den Wein : Das ist ein köstlicher 
Labetrunk. Er lobte aber auch das gastfreie Haus. Wie gut 
und gastlich seid ihr, die ihr den müden, durstigen Wanderer so er- 
quickt. Und er pries sie glücklich, dass sie das ohne 
Opfer können. Wie glücklich seid ihr, bei denen das als eine kleine 



Das sechste Schnljahr. 85 

Gabe gilt. Und einen Wunsch fügt er hinzu: Möge es euch gut 
gehen. Und eine Mahnung, dann den Dank nicht zu ver- 
gessen. Geht's euch gut, so danket Gott. Und wenn er andere 
dazu ermahnt, wird er selbst wohl auch daran gedacht 
haben? Auch ich danke euch von Herzen. 

Überschrift: Labetrunk und Dank. Zusammenfassung. 
B. Darbietung der Form. 
Einladung (1). 
Gruss (2) und Lied (3). 
Weigerung des Goldlohnes (4). 
Der wahre Lohn (5). 
Labetrunk und Dank (6). 
Nun will ich euch das Gedicht vorlesen. 

L Vorbild: Vorlesen durch den Lehrer, 
n. Nachahmung: Nachlesen durch die Begabteren und Mittlen, 
m. Übung, a) Wiederlesen im Chore und von den Schwachen, 
b) Auswendiglernen und Vortragen. 



B Sprachliche Behandlung 

Die sprachliche Behandlung des Stoffes beginnt mit der Bildung 
und der Niederschrift eines Aufsatzes, an welchen sich die weiteren 
sprachlichen Belehrungen und Übungen anschliessen. Der Aufsatz kann 
in verschiedener Form auftreten, entweder als Inhaltsangabe des be- 
sprochenen Gedichtes oder als eine sich an das Gedicht anlehnende Be- 
schreibung und Ausmalung einer Scene oder als Charakteristik der in 
demselben auftretenden Personen. Im erster en Falle bilden die bei der 
sachlichen Besprechung herausgearbeiteten Überschriften die Disposition, 
und der Aufsatz nimmt die Form der Totalauffassung an; im letzteren 
Falle werden die Konzentrationsfragen zu Grunde gelegt, und der Auf- 
satz erscheint in der Form der „vertiefenden Gedanken". Wir wählen 
im Nachfolgenden zunächst einen Aufsatz in der Form der Inhaltsangabe. 
Der Unterricht verläuft in nachstehender Weise: 

Ziel: Wir haben das Gedicht „Der Sänger" von Goethe gelesen 
und wollen nun auch einen Aufsatz darüber schreiben. 

1. Stufe. Die Kinder fassen den Inhalt des Gedichtes nach den 
Gedanken der sachlichen Behandlung nochmals zusammen, wobei auch 
Nebensächliches mit vorkommen wird, welches man nicht schon hier, 
wohl aber auf der folgenden Stufe ausscheidet, um dem Aufsatz die 
wünschenswerte Kürze und Gedrungenheit zu geben. 

2. Stufe. Gewinnung des Aufsatztextes und ortl^o- 
graphische und grammatische Auffassung desselben. 

a) Angabe der Punkte, über welche im Aufsatz Sätze geschrieben 
werden sollen, nämlich: 

Überschrift: Der Sänger. 

1. Der Säoger vor dem Thore. 

2. Des Sängers Gruss. 

3. Des Sängers Lied. 

4. Des Sängers Lohn. 



86 Das sechste Schuljahr. 

5. Des Sängers Dank. 

6. Des Sängers Abschied. 

b) Bilden der Sätze zu den einzelnen Teilen in der Weise^ dass 
erst verschiedene Kinder, tahigere und weniger fähige, die Sätze zu 
einem Teile angeben, ehe man zum folgenden Teüe übergeht. Es wird 
weder von allen die gleiche Zahl, noch der gleiche Ausdruck der Sätze 
verlangt. Vielmehr ist ein möglchst mannigfacher Ausdruck anzustreben, 
dadurch, dass man lobend anerknnt, wenn der eine und andere Schüler 
eine andere Satzform gewählt, oder dies und das noch hinzugefugt hat. 
Nur die gemeinsam erarbeitete Disposition ist auch von allen einzuhalten. 
Die Schüler haben etwa folgende Sätze gebildet: 

Erster Anfsatztext: In ErziUilform 

Der Sänger. 

(Vorm Thore.) Der König feiert mit den Bitter n und Damen seines 
Hofes in seiner Burg ein Fest. Vor dem Thore erscheint ein Sänger. 
Ihn lässt der König sogleich hereinfuhren in den Saal, um seinen Gesang 
zu hören. 

(Gbuss.) Der Glanz des Saales und der Festversammlung erfüllt 
den Sänger mit Staunen. Er grüsst den König und seine Gäste. 

(Lied.) Darauf schUesst er die Augen, um sich zu sammeln, und 
beginnt seinen Gesang. Alle sind ergriffen von seinem Liede. Auch 
dem König hat der Gesang das Herz bewegt. 

(Lohn.) Nachdem der Sänger geendigt hat, lässt ihm der König 
zum Lohne eine goldene Kette reichen. Solchen Lohn aber lehnt der 
Sänger ab. Er singt nicht, um Lohn und Ehre zu erlangen. Er singt 
aus freiem Antriebe, aus reiner Lust und Freude am Gesang. Wenn 
er nur singen kann, was sein Herz erfüllt und dadurch andere Menschen* 
herzen rühren und erfreuen kann, so fühlt er sich genug belohnt. Er 
bittet den König, ihm statt der goldenen Kette einen Trunk des besten 
Weines in goldenem Becher reichen zu lassen. Seine Bitte wird ihm 
erfüllt. 

(Dank.) Der köstliche Labetrunk erfreut den Sänger. Er preist 
glücklich das Haus, welches dem müden Wanderer eine solche Gabe 
reichen kann. 

(Abschied.) Dann dankt er dem König für das Labsal und zieht 
seines Weges weiter. 

c) Orthographische Besprechung der neu auftretenden 
Wörter. 

Die Besprechung erfolgt so, dass zuerst das herausgehobene Wort 
in seine Teile (Silben) zerlegt, und dass sodann die Schreibung des Wortes 
angegeben wird. Die Erörterung beschränkt sich jedoch ausschliesslich 
auf die schwereren Stellen, alle bekannten Bestandteile des Wortes werden 
dabei übergangen. 

Folgt ein Wort einer bereits bekannten Regel, so ist die Schreib- 
weise auf diese Begel zurückzuführen. 

Ergiebt sich die Schreibweise aus der Ableitung, so ist auf diese 
Ableitung hinzuweisen. 



Das sechste Schuljahr. 87 

Wird die Schreibung aus dem Gegensätze erkannt, so ist dieser 
scharf hervorzuheben. 

Hätte der Aufsatz im ganzen den voranstehenden Wortlaut, so 
würde sich die orthographische Erörterung etwa auf die nachstehenden 
"Worte zu erstrecken haben: 

„sogleich^, Umstandswort auf die Frage wann? zusammengesetzt 
aus so und gleich; gleich mit gl, eh. 

„Saal" mit aa (wie Aal, Aar, baar). 

„grüssen" mit ü, ss; grüsste, gegrüsst, der Gruss, die Grüsse 
(fs == ss). 

„schliessen" mit ie, ss; schloss, geschlossen, das Schloss, die 
Schlösser (fs = ss). 

„Ehre" (dagegen Ähre auf dem Acker, z. B. Kornähre); ehren, 
ehrte, geehrt, verehrt, die Ehre. 

„Antriebe", treiben, trieb, getrieben, der Trieb, die Triebe, der 
Antrieb, die Antriebe. 

statt", Vorwort mit dem 2. Fall, mit tt; statt, stattfinden; die 
Stätte — Stadt, die Städte. 

„Trunk", von trinken, mit tr (wie Traum, treu, tragen) und mit 
nk (wie danken, Gedanken, denken, sinken). Wie unterscheidet sich 
Trunk, Trank, trank, Getränke? Labetrunk, zusammengesetztes Dingwort, 
zusammengesetzt aus Labe und Trunk; Labsal. 

„Wanderer", von wandern, mit nd ; der Wanderer, die Wanderung, 
die Wanderschaft. 

Die besprochenen Wörter werden zum Schreiben mit Unterstreichen 
der orthographischen Eigentümlichkeiten aufgegeben (Hausaufgabe). 

d) Besprechung der neu auftretenden Satzformen und 
ihrer Interpunktion. 

Die Erörterung der Satzformen und der Satzzeichnung beginnt mit 
dem nochmaligen Angeben der Sätze des Aufsatzes, und zwar jetzt mit 
Literpunktion. Wo Fehler vorkommen, muss syntaktische Zerlegung der 
Sätze eintreten. Es empfiehlt sich, zum Wiederholen der Sätze besonders 
die mittleren Schüler heranzuziehen, damit das Bedürfnis einer Be- 
sprechung fühlbar genug hervortritt. Die Schwachen müssen besonders 
veranlasst werden, dass das Bichtige in ihrem Bewusstsein sich fest 
einpräge. Die Erörterung wird sich auf die nachstehenden Sätze zu er- 
strecken haben. 

1. Ihn lässt der König sogleich in den Saal herein- 
führen, um seinen Gesang zu hören. (Zusammengesetzter Satz, 
bestehend aus einem Hauptsatz und einem abgekürzten Nebensatz in der 
Form von „um — zu"; der vollständige Nebensatz heisst: „damit 
er seinen Gesang höre". Abtrennung des verkürzten Satzes durch das 
Komma.) 

2. „Darauf schliesst er die Augen, um sich zu sammeln" 
(Zusammengesetzter Satz, bestehend aus einem Hauptsatz und einem ab- 
gekürzten Nebensatz in der Form von „um — zu" ; der abgekürzte Satz 
„um sich zu sammeln" == „dass (damit) er sich sammle" ; weggelassen 
ist das Bindewort, der Satzgegenstand; andere Wortfolge; Komma). 



88 Das sechste Schuljahr. 

3. „Er singt nicht, um Lohn und Ehre zu erlangen^ 
(= „dass er Lohn und Ehre erlange*'); abgekürzt in die Form „um -¥- 

« zu^ ; weggelassen das Bindewort dass, der Satzgegenstand ; Komma. 

4. „Er bittet denKönig, ihm statt der goldenen Kette 
einen Trunk des besten Weines in goldenem Becher reichen 

zu lassen (= „dass er ihm reichen lasse ^) ; „ihm — reichen 

zu lassen" = abgekürzter Nebensatz in der Form von — zu" ; verkürzt 
durch Weglassen des Bindewortes und des Satzgegenstandes. Trennung 
des abgekürzten Satzes von dem Hauptsatze durch Komma. 

5. „Nachdem der Sänger geendigt hat, lässt ihm der 
König eine goldene Kette reichen" (Zusammengesetzter Satz, 
bestehend aus einem Nebensatz mit dem Bindewort „nachdem" an der 
Spitze, und einem Hauptsatze; beide getrennt von einander durch ein 
Komma. Das neu auftretende Bindewort „nachdem" für einen Neben- 
satz wird zusammengestellt mit den bereits bekannten Bindewörtern für 
Nebensätze. 

e) Vorbereitendes Diktat. In demselben werden teils die neu 
besprochenen Wörter und Satzformen, teils diejenigen früheren Wörter 
und Satzformen, gegen welche seither noch gefehlt worden ist, oder rück- 
sichtlich deren die richtige Schreibung und Zeichensetzung noch nicht 
mit Sicherheit angenommen werden kann, berücksichtigt. Das Diktat 
wird folgenden Wortlaut haben können: 

Diktat. Die Thüre, das Thor, die Thore — der Thor, die Thoren. 
Der Gesang, der Sänger. Er erscheint sogleich; er grüsst; er schliesst 
die Augen. Das Gold, die Kette, die goldene Kette; belohnen, der 
Lohn ; er will ihm den Lohn reichen. Das Ehrenzeichen (die Ehre), die 
Kornähre (die Ähre). König Heinrich überreichte den Hunnen statt 
des Tributes einen Hund ; statt, die Stätte — die Stadt, die Städte ; die 
Wohnstätte, die Hauptstädte. Wir trinken, er trank, der Trank, das 
Getränke, der Trunk. Der Wanderer möchte trinken; er verlangt einen 
frischen Trunk; das Wasser ist ein Getränk. Das frische Wasser labt 
den Durstigen; es ist für ihn ein Labetrunk, ein Labsal. (Ausserdem 
noch Diktieren von Sätzen der besprochenen Satzformen, sowie bereits 
bekannter Satzformen, rücksichtlich deren die richtige Zeichensetzung 
seitens der Kinder noch zweifelhaft ist. Bei diesen Satzdiktaten haben 
die Schüler die Interpunktionszeichen selbst zu setzen.) 

So lange das vorbereitende Diktat noch nicht fehlerlos geschrieben 
wird, darf die Niederschrift des Aufsatzes nicht erfolgen. Durch mehr- 
faches Abschreiben des Eichtigen, sowie durch Zusatzdiktate müssen die 
Fehler erst völlig beseitigt werden. 

f) Einschreiben des Aufsatzes, Korrektur durch den 
Lehrer ausser der Schule, Fehlerbesprechung, sowie 
Fehlerverbesserung seitens der Schüler in der Schule. Bei 
groben orthographischen oder grammatischen Verstössen im Anschluss an 
den Aufsatz sogleich noch ein Fehler extemporale. 

3. Stufe. Als grammatischer Satz soll im Anschluss an den Auf- 
satz der abgekürzte Nebensatz in der Form des Supinums (mit „um — 
zu" und mit „zu") erarbeitet werden. Zu diesem Zwecke werden von 
folgenden Sätzen 3 diktiert, und dann 2 hierauf vergleichend besprochen. 



Das sechste Schuljahr. 89 

1. Der Sänger schliesst die Augen, 

damit (dass) er sich sammle — um sich zu sammeln. 

2. Er singt nicht, 

damit (dass) er Lohn erlange — um Lohn zu erlangen. 

3. Er bittet den König, 

dass er ihm einen Labetrunk gebe — ihm einen Labe- 
trunk zu geben. 

4. Heinrich lockte seinen Vater in eine Burg am Bhein, 
dass (damit) er ihn gefangen nähme — um ihn gefangen 

zu nehmen. 

5. Friedrich Barbarossa zog in das gelobte Land, 

damit (dass) er dasselbe denTürken entreisse — um das- 
selbe den Türken zu entreissen. 

6. Heinrich IV. zog nach Kanossa, 

dass (damit) er sich vom Banne löse — um sich vom Banne 
zu lösen. 
Durch eine vergleichende Betrachtung dieser Sätze finden die Kinder : 
Der Nebensatz mit „dass'S „damit^' wird oft in einen abgekürzten Satz 
mit „um — zu" oder bloss mit „zu" verwandelt. In der Verkürzung 
bleibt das Bindewort „das" „damit", sowie der Satzgegenstand weg und 
„um — zu" oder bloss „zu" tritt hinzu. Auch der verkürzte Neben- 
satz wird von dem vorangehenden Satze durch ein Komma getrennt. 

4. Stufe. Eintragen von einigen der vorstehenden Sätze als Muster- 
sätze ins Sprachheft unter der Überschrift: Der abgekürzte Nebensatz. 

In diesen Mustersätzen behalten die Schüler den erarbeiteten gramma- 
tischen Gewinn. Bei Wiederholungen lesen die Kinder die Mustersätze 
und sprechen immer auch die in denselben ausgesprochene Hegel aus. 

5. Stufe, a) Fehlerdiktat in der Form von Sätzen, gebildet aus 
dem Inhalte dieser, sowie früherer sprachlicher Einheiten. In dasselbe 
werden die Wörter und Satzformen aufgenommen, gegen welche bis dahin 
gefehlt worden ist. Zusammenhang der Satze ist wünschenswert. 

b) Diktat von zusammengesetzten Sätzen mit verkürzten Neben- 
sätzen. Die Satzzeichen fügen die Kinder selbst ein. 

c) Umwandlung dieser Sätze in vollständige Nebensätze. Einfügung 
des Satzzeichens durch die Kinder. 

d) 1. Vollständige, 2. Zusammengesetzte, 3. Sätze mit „dass", „damit" 
werden diktiert, von den Kindern im Geiste umgewandelt in verkürzte 
Nebensätze mit ,,um — zu" oder „zu" und in dieser verkürzten Form 
mit den Satzzeichen geschrieben. 

Zweiter Aufsatztext: In Yergleichgform 

Sänger und Vogel 
a) Vergleichspunkte: 

Freies Leben, unabhängig, 
Gesangeslust, 
Lied, Gottesgabe, 
Lohn. 



90 Das sechste Schuljahr. 

b) Vergleich: 

„Ich singe, wie der Vogel singt, 
der in den Zweigen wohnet, 
das Lied, das aus der Kehle dringt, 
ist Lohn, der reichlich lohnet.** 

So antwortet der Sänger dem Könige. Wir aber fragen: Ist es 
denn wahr, dass der Sänger so frei ist, wie der Vogel in der Luffc? 
"Worin gleicht der Sänger dem Vogel? 

Das erste ist: Beiden ist die herrliche Gabe des Ge- 
sanges gegeben. 

Öde und still liegt der Wald am Ende des Winters. Da zieht der 
Frühling ins Land und von allen Zweigen tönt's und zwitschert's und 
jubelt's. Und die Menschen bleiben im Walde stehen und lauschen dem 
Liede der Vögel und werden wieder froh. 

Freilich die Sprache ist den Vögeln versagt. Das Wort, das noch 
tiefer in die Seele dringt, das hat erst der Mensch in seiner Gewalt. Stille 
wird's im Saale. Aller Augen sind auf den Sänger gerichtet. Da lässt 
er seine Stimme erklingen und wie sie hineinklingt in die Menschen- 
herzen, das kann man an den Mienen sehen. 

Das zweite ist: Beide führen ein freies Leben. 

Der Vogel hüpft von Ast zu Ast. Er schwingt sich von Baum zu 
Baum. Er fliegt von Wald zu Wald weit über die Fluren hinweg. Er 
kann hin, wo er hin will. Niemand kann ihn durch seinen Befehl zwingen. 
Er fragt nicht, wem das Land gehört, über das er fliegt. 

So auch der Sänger. Er wandert von Burg zu Burg. Er geht 
von Stadt zu Stadt. Er zieht von Land zu Land. Auch ihm schreibt 
Niemand seinen Weg vor. Auch er ist unabhängig von dem, der über 
alle im Lande gebietet, von dem König. 

Und das dritte ist: Sie finden ihren Lohn beide in 
ihrem Liede. Niemand bezahlt den Vogel für seinen Gesang. Niemals 
verlangt er einen Lohn. 

So ist auch der Sänger reich belohnt, wenn er seine Stimme er- 
schallen lassen und die Menschenherzen ergreifen und rühren kann. 
Eines anderen Lohnes bedarf er nicht. 

Und es ist gut so, dass es so ist. 

Wie den Vogel die innere Lust treibt, zu singen, so folgt der 
Sänger dem inneren Drange, dem Drange seines Herzens. 

Wie der Vogel im Käfig seine schönsten Lieder vergisst, so wird 
auch der Gesang des Sängers seine grösste Macht verlieren, wenn der 
Sänger die Freiheit verliert. 

Und wie gerade die freie, fröhliche und freiwillige Gabe, die uns 
die Vögel mit ihren Liedern im Walde darreichen, am meisten die 
Herzen ergreift, so auch das Lied des Sängers, der in keines Menschen 
Solde steht und der von sich sagen kann: 

„Ich singe, wie der Vogel singt, 
Der in den Zweigen wohnet. 
Das Lied, das aus der Kehle dringt, 
Ist Lohn, der reichlich lohnet.** 



B Naturwissenschaftliche Fächer 



IV Erdkunde 

Litteratnr: Siehe das fünfte Schuljahr, 3. Aufl., S. 152 ff. aeistbeck, 
Die Kulturgeographie. S. Kehrache Blätter, 1. Heft 86, S. 63 ff. Tischen- 
dorf, Präparationen für den geogr. Unt. Leipzig, Wunderlich. 

I Die Auswahl und Gliederung des Stoffes 

In unserem „fünften Schuljahr" haben wir auseinander gesetzt, wie 
die Konzentrationsidee den innigen Anschluss der Greographie an den 
Gesinnungsstoff, und zwar an die Profan-Geschichte, verlangt. Das 
Interesse soll von hier aus auf die Objekte der Erdbeschreibung über- 
gelenkt werden. 

Diesem Grundsatze folgend stellen wir für die Geographie des 
sechsten Schuljahres folgende Stoffe fest: 

1. Die Länder, welche um das mittelländische Meer 
herumliegen. Aus ihnen setzte sich das gewaltige Bömerreich 
zusammen, welches dem Ansturm der germanischen Völker erUegen muss. 
Durch einen Teil derselben ziehen die Kreuzfahrer nach dem heiligen 
Land. Sie bilden den Schauplatz der Apostelgeschichte (7. Schuljahr) 
und von hier aus nehmen die Entdeckungsreisen ihren Anfang (7. Schul- 
jahr). Man wird also zunächst die Namen der Länder und ihre gegen- 
seitige Lage festsetzen, ferner die Grenzen, Hauptgebirge, Hauptflüsse. 
Klima, Produkte, Handels wege und Handelsstädte im Anschluss an die 
Elreuzzüge. 

2. Italien. Dieses Land ist aus der unter No. 1 genannten Gruppe 
hesonders herauszuheben und eingehender zu behandeln. Denn an diesem 
Lande haftet für uns Deutsche ein besonderes Interesse. Nach ihm ging 
die Sehnsucht der deutschen Kaiser, namentlich der Hohenstaufen, 
das ganze Mittelalter hindurch. Zur Zeit der Yölkei* Wanderung war hier 
der Sitz des mächtigen Theodorich. Viel Ströme deutschen Blutes 
flössen um das schöne Land. Aber auch friedlicher Verkehr wurde 



92 Das sechste Schuljahr. 

zwischen Deutschen und Italienem gepflegt. Die Handelsstrassen 
zwischen den deutschen und den oberitalienischen Städten, sowie auch 
die Znge der deutschen Kaiser fuhren uns 

3. auf die Alpenpässe und die Behandlung der Alpen. Es 
kommt darauf an, mit den Kindern ein lebensvolles Bild der plastischen 
Gestaltung der Pflanzen- und Tierwelt, des Lebens und Treibens der Be- 
wohner, überall, wo es angeht, mit Aufdeckung der wechselseitigen Be- 
ziehungen, zu erarbeiten. (S. das TJnterrichts-Beispiel.) 

4. Die Geschichte Budolfs von Habsburg fuhrt uns auf die Schweiz, 
sowie auf die österreichischen Kronländer: Böhmen, Ober- und 
Nieder-Oesterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten und Krain, Tirol. 



2 Die Bearbeitung des Stoffes 

Die allgemeinen Grandzüge sind in den vorausgehenden Bänden auseinander- 
gesetzt worden. Nachstehendes ünterrichtsbeispicl ist von Herrn Dr. G opfert 
in Eisenach gearbeitet, die Erweiterung einer Fräparation, welche in den Päd. 
Stadien, Jahrg. 1882, abgedruckt war. Man vergl. hierzu die Präparationen 
von Tischendorf. (Leipzig, Wunderlich.) 



Ein ünterrichtsbeispiel 

Die Alpen 

Der unterrichtlichen Behandlung des Alpengebietes hat man von 
jeher grosse Aufmerksamkeit gewidmet. TJnd mit B«cht. Steht doch 
dieses Gebirge einzig da unter den Hochgebirgen nicht nur Europas, 
sondern der ganzen Welt. „In der That, es giebt kein Hochgebirge 
auf der Erde, welches einen solchen Beichtum an Thälern und einen 
solchen Grad von verschiedenartiger Brauchbarkeit derselben für die 
menschlichen Verhältnisse aufzuweisen hätte, als die Alpen" (Kutzen, 
das deutsche Land, 3. Aufl., S. 96). TJnd ist doch, was für uns 
grösseren Wert hat, dieses Gebirge von je für unser Deutschland von 
höchster Bedeutung gewesen. 

Ob man freilich immer den richtigen Weg bei dieser Behandlung 
verfolgte? — Jüan hat sich die grösste Mühe gegeben, den plastischen 
Bau der Alpen den Schülern gut vorzuführen und einzuprägen ; man hat 
genaue Karten in allen möglichen Manieren gefertigt, um ihnen die Auf- 
fassung zu erleichtern. Man hat gute Schilderungen gegeben und lesen 
lassen; man hat sorgfaltig die Höhen unterschieden und die betre£fenden 
Zahlen für die über die Schneegrenze herausragenden Berge merken 
lassen. — Trotzdem sind „die Alpen" das Schmerzenskind der geographischen 
Stunden geblieben: für Lehrer und Schüler. Bei aller Mühe wird die 
nötige Klarheit der Auffassung meist nicht erreicht. Dies kommt wohl 
in erster Linie daher, dass gewöhnlich die ganze Gebirgsmasse der Alpen 
als zmsammenhängendes Ganze auf einmal auftritt; dann stürmen die 
neuen Vorstellungen zu massenhaft in die Seele ein, als dass noch BAum 
übrig wäre für eine ruhige klarstellende Arbeit. Nur durch einen all- 
mählichen Erwerb kann die nötige Klarheit geschaffen werden. Vor 



Das sechste Schuljahr. 93 

allen Dingen darf man auch die einzelnen Objekte nicht gleichwertig 
behandeln ; und dann kommt auch hier wieder sehr viel auf den richtigen 
Anfangspunkt an. Schon Kutzen sagt (S. 89), dass man die Höhe der 
Pässe weit mehr ins Auge fassen solle, als die der Bergspitzen, denen 
ein „historisches Interesse" abgehe. 

Mit diesen Worten wird das Princip des Anschlusses der Geographie 
an die Geschichte gestreift. Wie die ersten Besucher und Ansiedler, 
die Pioniere der Alpenvölker, nur ganz allmählich in die Thäler hinein- 
drangen und die Gegenden mit ihren Vorteilen und Schätzen kennen 
lernten, so muss auch der Schüler allmählich, von bestimmten Punkten 
aus die Alpen erobern. Nur kann das in unseren Schulen auf den gross- 
artigen, bequemen Kunststrassen in rascherem Gang geschehen als in der 
Wildnis der Vorzeit. Denn da sich dieses erste Eindringen unserer 
Kenntnis entzieht, so bleibt nichts übrig, als geeignete Erzählungen der- 
jenigen historischen Partieen als Ausgangspunkte zu nehmen, welche in 
der Schule zur Behandlung gelangen. 

Da nun in der historischen Zeit die Alpen schon bewohnt sind und 
keine Völkerwanderungen in ihr Gebiet innerhalb des Geschichtsstoffes 
der Volksschule vorliegen, so kommen wir naturgemäss zu den Zügen, 
für welche unser Gebirgsland die Bolle des Durchgangs-Landes hat: zu 
den Zügen der deutschen Kaiser im Mittelalter und zu den Handels- 
zügen der deutschen Kaufleute, welche vor der Entdeckung Amerikas 
jene hochgelegenen Strassen aufsuchen mussten, um aus Italien den Be- 
darf an Waren des Morgenlandes zu holen. 

Damit haben wir aber die eine Bedeutung jener Hochländer ge- 
troffen, welche sie noch jetzt für ganz Europa wichtig erscheinen lässt, 
zumal für Deutschland, Italien und Frankreich. — Sind nun die Be- 
ziehungen der Alpen zu dem erweiterten Umgangskreis der Schüler auf- 
gedeckt, so kann das erwachte Interesse auch hinübergeleitet werden zu 
der andern Bedeutung, zu dem Selbstwert jener Länder, wenigstens in 
den Schulen, in denen das notwendig erscheint. 

Jene Züge, sowie der heutige Verkehr, weisen uns nun hin auf die 
Flüsse als die Führer der Menschen von alters her. Und wir haben 
schon erwähnt, wie kein Gebirge der Erde einen solchen Reichtum an 
brauchbaren Thälem aufzuweisen hat, wie die Alpen. Freilich kann 
dieser Gedanke im Unterricht erst verwertet werden, wenn ein solches 
unzugänglicheres, unbewohnbareres Gebirge, wie sie in andern Erdteilen 
vorkommen, auftritt. 

Als System muss sich bei unserem Gang ergeben: 

1., die Alpen als mächtiges — aber doch von den Menschen über- 
wundenes — Verkehrshindernis; 

2., die Alpen als eine die grössten Verkehrsadern Mitteleuropas 
bildende, durch ihre Schneemassen unerschöpfliche Quelle. 



Die ersten Übergänge über die Alpen, welche in dem der Volks- 
schule zuzuweisenden Geschichtsstoff vorkommen (die Schüler erleben ge- 
wissermassen auf diese Weise lange vor der eingehenden Behandlung 
das Verkehrshindernis), gehören zu den italienischen Kriegen Ottos d. Gr. 
und Karls d. Gr. Femer liegt eine genaue Beschreibung des Alpen- 



94 Das sechste Schuljahr. 

Übergangs Heinrichs IV. vor. Aber dieses Material ist noch nicht reich 
genug, um daran ausfuhrhche Darstellungen der Alpen zu knüpfen. Man 
wird um so weniger dazu versucht sein, als die spätere Geschichte noch 
dringendere Veranlassung bietet. Die Züge Barbarossas, die schon er- 
wähnten Handelszüge drängen geradezu zu einer genaueren geographischen 
Orientierung, indem sie ja nicht vereinzelte Fälle darbieten, sondern einen 
reichen Verkehr veranschaulichen. 

Es kann nun nicht zweifelhaft sein, wo der Anfangspunkt für die 
Behandlung zu suchen sei. Derselbe wird durch jene Partien gegeben, 
von welchen die meisten Einzelheiten für eine anschauliche Vorführung^ 
vorliegen; es ist dies vor allem bei der alten Kais er Strasse der Fall. 
Auch werden wir auf ihr „durch das älteste Verbindungsland zwischen 
Italien und Deutschland" (Pütz, Lehrbuch, 11. Aufl., S. 257) geführt. 

I. Ziel: 

Wir wollen den Rückweg Barbarossas aus Itahen, auf dem er die 
Burg eroberte, etwas genauer kennen lernen. 

Vorbemerkung. In den vorausgegangenen Geschichtsstunden, 
musste natürlich dieser Weg schon bezeichnet werden, aber über das 
Nennen der Namen ist man nicht viel hinausgegangen. 

Analyse: 

Wiederholung der Heldenthat Ottos von Witteisbach in der Veroneser 
Klause. Dann Weitermarsch in dem Etschthal, über den Brenner in 
das Innthal und so nach Deutschland. Dabei fortwährende Benutzung 
der Wandkarte ; ein Schüler spricht, ein anderer zeigt. 

Wir haben in der Nähe Eisen achs auch ein solches Thal, welches 
hinauf auf das Gebirge führt; auch kann man von oben in einem Thal 
wieder drüben hinab gehen. — Das Marienthal, Hohe Sonne, Wilhelms- 
thal. (Zeichnung eines Schülers an der Wandtafel.) 

Auch eine enge Stelle, wo einem Heere der Weitermarsch verwehrt 
werden könnte. — Der Königstein. 

Allmählicher Aufstieg von Eisen ach aus, steiler Abfall nach Wilhelms- 
thal. Dazu eine einfache Profilzeichnung. 

Femer Beachtung der Bäche, die nach beiden Seiten herabfliessen, 
mit ihren Quellen fast an die Hohe Sonne reichen und rechts und links 
von den Höhen herab kleine Zuflüsse erhalten. Je nachdem diese die 
Thalwände bildenden Höhen steil sind, kommen die Zuflüsse mehr oder 
weniger reissend herab, sogar in der Form von Wasserföllen. Wenn der 
Schnee schmilzt, oder wenn es stark geregnet hat, ist der Wasserreichtum 
grösser. 

Das Wasser reisst tiefe Schluchten, durch welche nur schmale Wege 
führen (Annathal, Hochwaldsgrotte). Je höher wir steigen, desto steiler 
werden die Schluchten. Die Fahrstrasse liegt höher, meist am Rande 
der Schluchten, und musste teilweise in die Felsen der Thalwand ein- 
gesprengt werden (der gehauene Stein, die Karls wand). 

Die Strasse kreuzt den Bennstieg (den Gebirgskamm), also zwei 
Querthäler. Die Längsthäler des Thüringerwaldes gehen von Nord- 
osten nach Südosten. 

Gerade auf dem höchsten Punkt der Strasse, wo das Gebirge über« 



Das sechste Schuljahr. 95 

schritten wird, liegt das Wirtshaus, so dass man sich von der Anstrengung 
des Aufstieges erholen kann. 

Da wo die Thäler ausmünden , haben sich Menschen angesiedelt. 

(Sollten diese Dinge nicht mit der nötigen Klarheit von den Schülern 
vorgestellt werden können, so ist ein Spaziergang nötig. An diesem Bei- 
spiele wird es wohl auch wiederum deutlich, dass bei solcher Verwertung 
des heimatkundlichen Materials : auf ein bestimmtes Ziel hin, dem Schüler 
weit grösserer Nutzen erwächst — hinsichtlich des fremden Stoffes nicht 
nur, sondern auch des heimatlichen selbst — , als bei dem üblichen 
selbständigen Betrieb in den beiden ersten Schuljahren.) 

Wenn wir nun, um beide Wege zu vergleichen, nach den Alpen 
reisen wollten, wohin müssten wir da reisen? — Angaben der Himmels- 
richtung, der betreffenden Eisenbahnen, der bekannten Städte, welche 
man berührt, der Flüsse, über die man fährt, der Gebirge, welche man 
überschreitet ; Angabe auch der ungefähren Entfernung, der Länge einer 
etwaigen Eisenbahnfahrt. Alle diese Angaben sind nach der Wandkarte 
von den Schülern zu machen. Bei den Entfernungen dient ein bekanntes 
Stück als Mass, am besten ein Stück von 100 km (Jena bis Thür. Wald). 

Auf dieser Eeise kommen wir auch nach der Ebene, wo Barbarossa 
seine Scharen zu versammeln pflegte, wenn er nach Italien zog (diese 
Angabe hatte die Geschichtsstunde gebracht) — auf das Lechfeld bei 
Augsburg (Schlacht im Jahre 955 : immanente Repetition). 

Nicht nur Kriegsheere (es ist auch an Ottos d. Gr. Züge zu erinnern) 
zogen von hier aus über die Alpen — auch Kaufleute mit ihren Fracht- 
wagen, um die morgenländischen Waren aus Italien zu holen, besonders 
die reichen Kaufherrn aus Augsburg selbst. 

Ihr kennt auch einen einzelnen Krämer, der ebenfalls diese Strasse 
wandelte — den Handelsgenossen Ludwigs des Heiligen , des Land- 
grafen von Thüringen, mit seinem Esel. Er kam von Venedig. Daraus 
sehen wir, dass die deutschen Kaufleute die Waren direkt aus Venedig 
holten. 

Schon in der Analyse müssen nun überall bei den einzelnen Ab- 
schnitten Zusammenfassungen eintreten ; ebenso natürlich weiterhin. 
An diese Zusammenfassungen kleiner Stücke hat sich nun stets eine Ein-» 
prägung anzuschliessen. 

Synthes e: 

Wir wollen nun diese vielbesuchte Strasse (Kaiserstrasse!) 
genauer kennen lernen. 

Wenn wir das Marienthal hinaufgehen, so sind wir in einer Stunde 
auf der Hohen Sonne. — Von Augsburg aus sind es in gerader Linie bis 
zum Brennerpass etwa 45 Stunden. Rechnen wir die vielen Krümmungen 
des Wegs, so kommt viel mehr heraus, so dass die Kaufleute gewiss 
viel länger als eine Woche reisen mussten, ehe sie mit den schwerfalligen 
Frachtwagen hinaufkamen. (Diese und die folgenden Angaben der Schüler, 
wie sie nach den Strichen zusammengestellt sind, müssen natürlich erst 
durch mehr oder weniger Hülfsfragen erarbeitet werden.) 

Dazu kommen die Krümmungen nach oben und unten. (Die Karte 
wird genau betrachtet.) — Um aus dem Lechthal in das Innthal zu 
kommen, muss man über einen Gebirgszug, die bayrischen Alpen, 
hinüber. (Der Name wird von einem Schüler von der Karte abgelesen 



96 Das sechste Schuljahr. 

und dann besprochen.) Hier befindet sich ein Fass^ über den man in 
das Innthal hinunter kommt. Dann muss man wieder hinauf. 

(An dieser Stelle sei bemerkt, dass ebenso wie hier der Zug der 
genannten Alpen, die Bichtung des Innthals, die Bichtung unseres Weges 
durch sogenanntes Luftzeichnen oder auch durch einfache Faustzeichnungen 
der Schüler an der Tafel (die exakte Zeichnung kommt später) eingeübt 
werden muss, wie es auch später beim Auftreten eines Flusses, Ge- 
birges etc., deren Lage und Eichtung bestimmt werden, zu geschehen hat.) 

"Wenn man, von Augsburg kommend, die bayrischen Alpen hinauf- 
steigt, so sieht man dasselbe vor sich wie das Marienthal hinauf — hoch- 
gelegene "Wälder. 

Dann aber noch etwas zu jeder Jahreszeit, was man bei uns nur 
im "Winter kennt, — mit Schnee bedeckte Bergspitzen; denn schon hier 
ragen viele Berge über die Schneegrenze hinaus. 

Hier finden wir dasselbe Gestein, wie auf den Hörseibergen. — Die 
bayrischen Alpen sind Kalkalpen. Dieselben sind wie die Hörseiberge 
vielfach zerklüftet, die Berge ragen schroff auf und bilden steile "Wände 
und zackige Homer. (Hier ist eine gute Abbildung am Platz.) Sie 
haben noch einen anderen Namen von ihrer Lage. — "Weil sie vor der 
Hauptkette der Alpen liegen, nennt man sie "Voralpen. 

Freilich ein grosser Unterschied ist zwischen unsem Kalkbergen und 
den Kalkalpen vorhanden. — Dieselben sind viel höher, so dass auch 
die Schluchten, die Bergwände, die Spitzen viel grossartiger sind. 

Gingen nun Kaufleute und Soldaten, wenn sie über die bayrischen 
Alpen hinunter in das Innthal kamen, gleich drüben wieder hinauf? (Be- 
trachten der Karte ; bei solchen specielleren Angaben erscheint es übrigens 
geeigneter, wenn die Schüler den Handatlas, falls ein solcher vorhanden 
ist, aufschlagen.) — Nein, sie zogen erst eine Strecke abwärts bis Inns- 
bruck. Hier überschritten sie den Lm, dann erst stiegen sie wieder 
hinauf, bis zum Brennerpass. 

"Von dem Brennerpass kann man nun nicht gleich in das Etschthal, 
wie in der Geschichtsstunde gesagt wurde. (Karte !) Auch jetzt ist der 
Handatlas vorzuziehen; es spricht für ihn hier und in folgenden ähn- 
lichen Fällen noch ein anderen Grund. Der Eisack tritt neu auf. 
Lesen alle Schüler deuiNamen in ihrem Atlas, so ist das gewiss besser, 
als wenn ein Schüler an der "Wandkarte den Namen abliest und vorsagt, 
oder, wo es die Orthographie des "Wortes verlangt, an die Tafel anschreibt.) 
— Zunächst das Ei sack- Thal hinab bis man hinter Botzen in das 
Etschthal einmündet. 

Die Strecke vom Pass hinab, nach Ober-Italien zu, ist steiler als die 
von Augsburg bis zum Pass; wie kommt das? (Karte!) — Augsburg 
liegt selbst schon ziemlich hoch, „auf der schwäbisch-bayrischen 
Hochebene". Ober-Italien aber ist ein Tiefland, und die Strecke 
von Augsburg bis zur Passhöhe ist der von oben bis in das Tiefland 
etwa gleich. Es ist also anders als von Eisenach bis nach Wilhelmsthal, obgleich 
der Weg von der Hohen Sonne nach "Wilhelmsthal ja auch steiler ist, als 
der von Eisenach hinauf, denn die erstgenannte Strecke ist kürzer und 
Eisen ach liegt tiefer als "Wilhelmsthal. 

Noch ein Unterschied besteht zwischen den beiden Aufstiegen auf 



Das sechste Schuljahr. 97 

den Brenner. — Der südliche fuhrt nicht über einen vorliegenden Ge- 
birgszug. 

Ein einfaches Profil wird entworfen und dem heimatlichen zur 
Seite gestellt. 



Brenner 13S6 m 




Hohe Sonne 435 m 

— ta 



1200 


m 




800 


m 




400 


m 




Vero 


na 59 


m 


1200 


m 




800 


m 




400 


m 





Eisenach 231 m Wilhelmsthal 328 m 
■ Meeresspiegel 



Man denke sich diese Profile neben einander stehend. Dieselben 
leiden naturgemäss an verschiedenen Unrichtigkeiten. Es wird z. B. 
ein falsches Bild von dem Aufstieg zum Brenner und zur Höhensonne 
erweckt. Diese Unrichtigkeiten werden aber zum grossen Teil ver- 
schwinden, wenn die Profile ausgedehnt werden über die ganze "Wandtafel. 
Man wird nun gewiss nicht die genauen Zahlen den Schülern vorfähren, 
da hierdurch die Klarheit der Übersicht verloren geht; man wird sich 
vielmehr mit den ungefähren Verhältniszahlen zu bekannten Höhen be- 
gnügen, z. B. : der Brenner ist dreimal höher als die Hohe Sonne. 

In andern Fallen ist es gewiss richtiger, Profile später auftreten 
zu lassen, vielleicht erst auf der fünften Stufe, hier aber nötigt das 
schon behandelte heimatliche Profil zu früherer Vorführung. 

Natürlich müssen Lage und Himmelsrichtungen genau erörtert 
werden : links ist Norden, durch die Tafel Osten etc. ; Innsbruck, Brenner- 
pass und Botzen müssen hinter der Tafel gedacht werden ; der Inn fiiesst 
durch die Tafel — ein Schüler hält den den Fluss vertretenden Stock 
in der angegebenen Bichtung etc. etc. 

Vor allem kommt auch der Unterschied in der Höhe zur An- 
schauung — es ist ausführlich von den höheren, gewaltigeren Berg- 
riesen , die unübersteiglich scheinen , von den tieferen schauerlichen 
Schluchten etc. zu sprechen — und man kann nun fortfahren: 

"Wir haben „Bäche" nach Wilhelmsthal zu gefunden, in den Alpen 
giebt es Flüsse. — Die Alpen sind so viel höher und breiter als der 
Thüringer Wald, dass die Abdachungen der ersteren eine ganz andere 
Länge besitzen, da kann viel mehr Wasser zusammenfiiessen. Auch 

7 



98 Das sechste Schuljahr. 

liegt auf den Alpen ewiger Schnee , so dass hiermit eine unversiegbare, 
reiche Quelle vorhanden ist. 

Nach der Hohen Sonne zu werden die Schluchten steiler. — Nach 
dem Brenner zu ist es auch so. Der Eisack ist ein reissender Fluss; 
die Etsch ist im Oberlauf , der von Westen nach Osten gerichtet ist, 
zwar auch reissend, aber von Botzen an, das gar nicht mehr hoch über 
dem Tief lande liegt, wird der Lauf des Flusses immer ruhiger (vgl. 
Daniel, Kleineres Handbuch, 2. Aufl., Seite 453); in der Po-Tiefebene 
fliesst er langsam nach Osten dem Po parallel, bis er nördlich vom 
Po-Delta mündet. Ebenso wird der Nebenfluss des Inn, der von dem 
Brenner hinabfliesst, viel reissender sein, als sein Hauptfluss. 

Nach der Hohen Sonne zu hatten wir Querthaler. — Die Etsch mit 
dem Eisack bildet auch ein Querthal, ebenso kommt man in einem 
solchen von dem Brenner hinab in das Lmthal. Aber dieses selbst ist 
ein Längsthal; ebenso das obere Etschthal. Der Kamm der Alpen 
bildet zwischen Inn und Etsch die Wasserscheide. 

XJberschrifb : Die Kaiserstrasse. 



Warum wird denn gerade der Brenner-Pass so viel benutzt worden 
sein? — Weil er jedenfalls niedriger als die andern ist. 

Dem ist so. Wenn nun ein so reger Verkehr auf dieser Strasse 
herüber und hinüber stattfand, so dass die Beisenden wochenlang täglich 
ein anderes Nachtquartier suchen mussten! — Es werden an dieser 
Strasse eine Beihe von Städten und Dörfern entstanden sein; z. B. 
da wo die Thäler ausmünden : Verona; da wo der eigentliche Aufstieg 
beginnt: Botzen (Trient tritt erst in der Beformationsgeschichte auf); 
da wo ein Fluss überschritten werden muss : Innsbruck; vielleicht auch 
eine Zufluchtsstätte oben auf der Passhöhe. (Wenn nötig, ist immer 
wieder an die heimatlichen Verhältnisse zu erinnern.) Für Botzen und 
Innsbruck ist zu benutzen, was Kutzen, Seite 91, schreibt : „nicht immer 
waren die Passwege so bequem, wie in unseren Tagen ; man bedurfte an 
ihrem Fusse jedesmal eigener Vorbereitungen und somit eines dazu bequem 
gelegenen und hülfreichen Ortes." Bei Innsbruck kann ferner die Be- 
sprechung des Namens der Anschaulichkeit dienen. Gerade an jener 
Stelle, wo die Passstrasse vom Brenner her ausmündet, musste eine 
Brücke über den Inn sehr bald ein dringendes Bedürfnis werden (der 
gefährliche und beschwerliche Donauübergang der Nibelungen kann hier 
gut benutzt werden). 

Die Orte an dem Süd abhänge der Alpen haben einen grossen Vor- 
zug. — Dort ist das Klima viel wärmer, umsomehr, als die meisten 
Städte auch noch viel tiefer liegen, z. B. Botzen im Verhältnis zu 
Innsbruck. 

Es giebt sogar Kurorte dort, wie M e r a n an der Etsch (Aufsuchen 
an der Karte). — Meran liegt an der obem Etsch, da wo sie nach 
Osten fliesst ; wegen des milden Klimas ist es von Fremden, besonders von 
Kranken viel besucht. 

Überschrift: Besiedelung der Kaiserstrasse. 



Das sechste Schuljahr. 99 

In der früheren Zeit zog man über den Brenner von Deutsch- 
land direkt nach Italien^ heutzutage reist man durch ein dazwischen 
liegendes Land. — Die Betrachtung der politischen Karte ergiebt Tirol, 
welches zum Kaisertum Ostreich gehört. 

Es müssen nun alle angestellten Objekte (Gebirge, Plüsse, Städte) 
von diesem politischen Gesichtspunkte aus noch einmal durchlaufen 
werden. 

Auch die politischen Grenzen Tirols sind zusammenzustellen. 

Überschrift: Die Länder, durch die die Kaiserstrasse 
führt. 



Diese vorliegende erste und zweite Stufe wird nach Bearbeitung 
des übrigen Materials mit diesem zusammen zu einer dritten, vierten und 
fünften Stufe ausgebaut. 

Jetzt aber müssen, nachdem die Verhältnisse der alten Kaiserstrasse 
klargestellt sind, zunächst Fragen beantwortet werden, die vielleicht 
schon längst bei dem öfteren Studieren der Karte den Schülern sich auf- 
gedrängt haben ; Fragen, die sich auf die Verhältnisse der schwäbisch- 
bayrischen Hochebene beziehen. Dass man aber bei Betrachtung 
der Alpen diese Hochebene in das Gebiet der Besprechung zieht, ist 
schon um deswillen gerechtfertigt, weil sie in mehrfacher Hinsicht als 
ein vorgelagertes Glied der Alpen angesehen werden kann ; sie steht mit 
denselben in engster Verbindung. 

Man denke nur an die Massen von Gebirgsschutt und Über- 
schwemmungsschlamm auf der Hochebene , die den Alpen entstammen ; 
man denke an das vorwiegend durch die Alpen bestimmte Klima; man 
denke vor allem an die von den Alpen kommenden Flüsse , ohne die 
die Hochebene keine Bedeutung hätte. 

n. Ziel: 

Die Flüsse, über die die Kaiserstrasse führt, die zugehörige Hochebene. 

Die schon bekannten Namen werden genannt. Man wird also zuerst 
vom Lech und vom Inn sprechen. 

Analyse und Synthese werden hier am besten mit einander 
abwechseln. 

Es wird unter fortwährendem Betrachten der Karte und lebhaftem 
Gespräch zwischen Lehrer und Schüler festgestellt, dass der Inn bei der 
den Handel der verschiedenen dort zusammentreffenden Flussgebiete ver- 
mittelnden Stadt P a s s a u in die Donau fliesst, die Grenz stadt Passau 
ist schon aus den Nibelungen bekannt ; dass er aus einem langen Längs- 
thal der Alpen kommt, bei seinem Austritt aus den Alpen aber ein Quer- 
thal bildet; dass er ebensolang ist als die Donau bis Passau, dass seine 
"Wasserfülle grösser ist als die der Donau, dass und warum er doch der 
Nebenfluss ist (vorherrschende Stromrichtung etc. vgl. Kutzen, S. 145 f.) ; 
— dass die imtere Hälfte seines Laufes, also etwa von Innsbruck an, 
schiffbar ist ; dass er von seinem Austritt aus den Alpen an durch Bayern 
fliesst und zuletzt, ebenso wie der Unterlauf seines Nebenflusses S alz ach 
(Salzburg) die Grenze gegen das Kaisertum Ostreich bildet. 

7* 



100 Das sechste Schuljahr. 

Es ist darauf zu halten, dass zuerst immer die Darstellung der rein 
geographischen Verhältnisse erfolgt, dann erst die Beziehung der einzelnen 
Objekte zu den Menschen (soweit diese nicht als Ausgangspunkt benutzt 
werden musste) ; es ist also vor der Besprechung der SchifPbarkeit des 
Inn ein Abschnitt zu machen. Man muss auch hier ein sauberes Aus- 
einanderhalten der Yermengung vorziehen. Vgl. unten die Fräparation 
über die Schweizer Flüsse. 

Die Kaiserstrasse berührt noch einen Muss zwischen Inn und Lech : 
(Karte!) Die Isar. — Da werden wohl Isar und Lech, ähnlich wie 
der Inn damals und heute noch, die Waren hinabtragen in das Donau- 
thal ; es werden auch an den Mündungen dieser Flüsse wichtige Handels- 
städte liegen. 

Die Karte wird verglichen, aber es finden sich wohl Städte wie 
Augsburg und München (die Hauptstadt Bayerns) an dem Lauf dieser 
Flüsse, aber keine Städte an den Mündungen. — Nach einiger die 
möglichen Ursachen erwägenden Überlegung wird festgestellt, dass diese 
Flüsse einen reissenden Lauf haben in breitem Bett, viel Geröll mit sich 
führen, zu Überschwemmungen geneigt sind und ausgedehnte Sümpfe 
bilden ; dass sie deshalb auch bis zu den Mündungen nicht schiffbar, 
sondern nur flössbar sind. 

Deshalb eignen sich diese Flüsse auch zu Grenzflüssen. — Die 
Ufer sind vielfach unbebaut, die Ansiedlungen der Menschen liegen meist 
fem von ihnen, ebenso die Strassen. Früher war der Lech die Grenze 
zwischen Bayern und Schwaben (ist in der Geschichte des IV. Schul- 
jahrs schon erwähnt worden bei der Besprechung der fünf deutschen 
Herzogtümer), jetzt aber ist die bayerische Grenze nach "Westen zu 
vorgerückt : Die Hier, welche den Charakter der zuletzt genannten 
Müsse trägt, wird als Grenzfluss Bayerns und Würtembergs bestimmt (Ulm). 

Es hat nun noch eine Besprechung des Klimas zu erfolgen im 
Anschluss an das vorher von dem Klima der südlichen Alpenthäler Ge- 
sagte. Dasselbe ist rauher als in Mitteldeutschland trotz der südlichen 
Lage, weil die Alpenmauer erstens die warmen Südwinde aufhält, zweitens 
die Begen bringenden Nord- und Westwinde sich anstauen lässt. Hier- 
bei lässt sich auch auf die Seen hinweisen. 

Die Erörterungen über die angeführten vier Flüsse fordern eine 
Association. 

Dieselbe muss zusammenstellen : Die drei westlichen Flüsse (Quelle 
in den Voralpen, gleicher Charakter) und sie in Gegensatz stellen zu dem 
Inn (Quelle tief im Innern der Hauptkette, schiffbar) ; femer die beiden 
westlichen Flüsse und die beiden östlichen , vom Inn wird hier nur der 
Unterlauf berücksichtigt (gleiche Eichtung); femer alle vier Flüsse die 
Iller, der Lech, die Isar , der Inn (auf derselben Hochebene, der 
schwäbisch-bayrischen ; Gegenüberstellung der höchsten Punkte und der 
tiefsten ; Abdachung) ; endlich die vier Städte : Ulm, Augsburg, München, 
Passau (zwei Mündungsstädte, die zugleich Grenzstädte sind , zwei weit 
von den Mündungen aufwärts gelegene, die eine von ihnen eine Hauptstadt). 



Das sechste Schuljahr. 101 

Hieraus ergiebt sich als System: 

Die schwäbisch-bayrische Hochebene (Lage, Beschaffenheit) und ihre 
Hauptflüsse. 

Es wird eine Skizze dieser Hochebene mit den nunmehr bekannten 
Objekten gezeichnet. 

Methodische "Übungen. 



III. Ziel: 

^uch auf anderen Strassen zogen die Deutschen nach Italien. 

Analyse: 

Es wird an die Züge Barbarossas gegen Mailand erinnert und 
die Aufmerksamkeit auf das schon bekannte Bheinthal gelenkt. Hierbei 
kommt man vom Bodensee den Khein hinauf bis Chur, das dieselbe 
Bedeutung für die Passstrasse hat, wie Innsbruck für die Brennerstrasse, 
dann aber kann man, wenn man die Bichtung nach Mailand innehält, 
nicht nach der ans dem 3. Schuljahr bekannten Quelle des Eheins am 
St. Gotthard zu reisen, sondern 

Synthese : 
man muss direkt nach Süden, den Hinterrhein (Vorder rhein !) hinauf 
über den S p 1 ü g e n hinab an den Comersee, durch welchen die A d d a 
fliesst. 

Der Lauf der Flüsse, die Lage des Passes muss natürlich genau 
bestimmt werden, auch in ihrem Verhältnisse zu dem früheren Stoff; z, B. 
der Hinterrhein und die schon bekannten Quellflüsse; die Adda, . bis 
fast in das Quellgebiet der Etsch reichend, parallel, aber entgegengesetzt 
dem Inn. 

Bei der Splügenstrasse, die ja bedeutend höher hegt, als die Brenner- 
sia*asse, ist auch hinzuweisen auf die Schutzgalerien gegen Lawinen 
und Eiszapfen, überhaupt auf die grösseren Gefahren (via mala). 

Für die anschauliche Auffassung der Einzelheiten würden die Durch- 
arbeitung eines jene Strassenverhaltnisse genau schildernden Stückes des 
Lesebuches gute Dienste leisten. 

Auch hier muss ein Profil gezeichnet werden: vom Bodensee bis 
zum Eintritt der Strasse in die Tiefebene. Dies bringt noch besser die 
steilere Abdachung der Südseite zur Anschauung, indem die Strecke vom 
Splügen bis zur Tiefebene um vieles kürzer ist als von dem Pass zum 
Bodensee, der doch noch auf der Hochebene liegt. 



IV. Ziel: 

Heutzutage fahrt man von dem westlichen Deutschland nach Italien 
durch den St. Gotthard. 

Analyse: 

„Durch" den St. Gotthard?! — Besprechung des Tunnels der 
Werrabahn. Seine Länge. Dauer der Fahrt hindurch. Die hohen 



102 Das sechste Schuljahr. 

Dämme hinauf; die grossen Brücken; die gesprengten Felsen; die steilen 
Felswände zu beiden Seiten; die Steigung auch von Marksuhl her. 

Sind die Vorstellungen nicht ganz klar^ so muss ein Spaziergang 
hinauf und durch den Tunnel gemacht werden. 

Synthese: 

Nunmehr sind die appercipierenden Vorstellungen für den Gotthard- 
Tunnel vorhanden, und die Schüler werden mit Hülfe ihrer Phantasie 
die Verhältnisse , der G-rösse der Alpenwelt entsprechend , erweitem 
können. Sie erfahren, dass der Tunnel etwa zwei deutsche Meilen lang 
ist, die Fahrt hindurch also etwa ^/^ Stunde dauert.; dass man acht 
Jahre an ihm gearbeitet hat, vom Sommer 1872 bis zum Herbst 1880, 
und anderes, wodurch das Biesenmässige solcher Arbeiten zur Anschauung 
kommt. Femer muss davon gesprochen werden, dass der Tunnel noch 
bedeutend niedriger liegt, als die Brenner-Bahn; und davon, dass der 
deutsch-italienische Handel durch ihn einen bedeutenden Aufschwung ge- 
nommen hat. 

Wie kommt man nun hinauf zu dem Tunnel? — Das Thal des 
Vorderrheins könnte in Betracht kommen. 

Es giebt vom St. Gotthard noch einen direkteren Weg nach Norden. — 
Die Ben SS (wie zwei deutsche Fürstentümer) wird auf der Karte ge- 
funden und verfolgt, durch den Vierwaldstätter See, bis zur Mündung 
in die Aar, welche in den Bhein fliesst. 

Vom St. Gotthard aber hinab nach Italien ? — Der T e s s i n , welcher 
auch durch einen See, den Lago Maggiore, fliesst (wie Beuss und 
Adda) und unterhalb Favias (aus dem langobardischen Feldzuge Karls d. Gr. 
bekannt) in den Po mündet, wie die Adda, wird als Führer für die 
Menschen erkannt. 

'Da am St. Gotthard gerade so wie am Splügen und Brenner zwei 
Flussthäler zusammenstreben, so ist leicht einzusehen, dass auch über den 
St. Gotthard-Pass von alters her eine besuchte Verbindungsstrasse 
zwischen Deutschland (Schweiz) und Italien führte. 

Auch hier ist festzustellen, dass der südliche Teil der St. Gotthard- 
Strasse steiler ist als der nördliche. 



Der eben behandelte Stoff fordert aus denselben Gründen, wie bei 
der schwäbisch-bayrischen Hochebene eine Erweiterung durch die Hoch- 
ebene der Schweiz. 

V. Ziel: 

Die übrigen Flüsse der Schweiz. 

Analyse: 

(Die früheren methodischen Weisungen sind natürlich auch bei 
dieser Präparation zu beobachten.) 

Die bis jetzt dagewesenen Flüsse sind zu wiederholen: Der Bhein, 
welcher aus Vorder- und Hinterrhein zusammenfliesst, bis Basel; die 
Beuss; die Aar und der Tessin bis zu dem Lago Maggiore. 

Synthese: 

A Bein geographische Darstelinng 

Zuerst ist die Aar als der eigentliche Hauptfluss der Schweiz ge- 
nauer zu erforschen: Quelle nicht weit vom St. Gotthard (Bhein-, Beuss- 



Das sechste Schuljahr. 103 

und Tessinquelle) ; zwei Seen; durch den Jura veranlasster Bogen, der 
nach Nordosten offen ist; von links der Abfluss des Neuenburger 
Sees (Neuenburg). 

Nicht weit von der Mündung der Eeuss mündet noch ein Nebenfluss : 
düe Limmat und der Züricher See (Zürich) werden bestimmt. 

Die Aar und die Unterläufe ihrer Nebenflüsse fliessen auch über 
eine Hochfläche: (wie Bier, Lech, Isar, Lm) die Schweizer Koch- 
ebene zwischen Genfer- und Bodensee, Jura und Alpen. 

Alle diese Flüsse fliessen durch Seen: Zusammenstellung derselben, 
dabei Hinzufügen des Genfer Sees (Genf) und der £.hone (Quelle, 
Bichtung, Längsthal; von Genf an fliesst sie zuerst südwestlich, dann 
nach Süden in das mittelländische Meer). 

Die Seen werden nunmehr ihrer Gestalt nach betrachtet, wobei be- 
sonders die Abweichungen des Yierwaldstatter Sees von der einfachen 
langgestreckten, etwas gekrümmten Gestalt auffallen. Man lässt schliessen 
auf die vielen Thäler und Schluchten, welche dort zusammentreffen und 
in die sich der See hineinzieht, so dass ofb die Felswände aus dem See 
steil in die Höhe steigen. 

Am Züricher See sind die Berge schon niedriger und allmählich 
ansteigend, daher ist auch das Thal breiter. 

Die Aar- Seen können übergangen werden. Aber der Genfer See 
wird besprochen und mit dem Bodensee zusammengestellt, wodurch ein- 
mal die gleiche Grösse, dann aber die Gestalt eines jeden um so schärfer 
hervortritt (Stiefelknecht — Halbmond, Sichel, Hom). 

Von dem Neuenburger See muss die im Verhältnis zu den übrigen 
Seen völlig verschiedene Bichtung, welche wieder auf den Jura hin- 
weist, hervorgehoben werden. 

Die Seen sind für die Flüsse sehr wichtig. — Läuterungsbecken, 
ruhigerer Lauf nach dem Austritt. 

B Beziehung zu den Mensehen 

1. Die genannten Flüsse nützen der Schweizer Hochebene viel mehr 
als Bier, Lech, Isar, Inn der schwäbisch-bayrischen Hochebene. — Sie 
stürzen, nachdem sie durch die Seen geflossen sind, nicht mehr so rasend 
dahin, wie jene, können infolgedessen die TJferlandschafken um so besser 
befeuchten. Auch dienen sie schon der Schiffahrt, wenigstens mit 
Kähnen — auf der Aar fahren sogar grosse Kähne. Auf den Seen 
fsihrt man mit Dampfschiffen. An den Gewässern befinden sich auch 
viele Fabriken, welche die Kraft derselben ausnutzen. Auch der 
Fischfang ist lohnend. Daher finden wir an der Aar besonders eine 
Beihe bedeutender Städte: Bern (Bundeshauptstadt), Solothurn, 
Aar au; an der Beuss: Luzern (am Ausfluss aus dem Vierwaldstätter 
See); an der Limmat: Zürich; amBhein: Chur, Basel; amTessin: 
Bellinzona; aber die grösste Stadt der Schweiz liegt am grössten See : 
Genf (Uhren). 

2. Wir wissen schon, dass an den Flüssen entlang die Wege für 
die Kaufleute etc. führten und fuhren. Je gebirgiger aber ein Land ist, 
desto wichtiger müssen in dieser Hinsicht die Flüsse sein. 

In der Schweiz dienen femer die Flüsse alljährlich als Wegweiser 



104 Bas sechste Schuljahr. 

einer Masse von Menschen, die zum Vergnügen und zur Erholung daß 
Land nach allen Bichtungen durchreisen. 

Am wichtigsten aber sind die Schweizer Flussthäler dadurch, daai 
sie dem Lande die Bolle einer Yermittiung des Weltverkehrs zu über- 
nehmen gestatten (vgl. Kutzen, S. 134 f.). Bei diesem Durchgangs* 
handel verdienen die Schweizer viel Geld. 

3. Auch in der Schweiz dienen die Flüsse als Grenzen. -^ — Der 
Bhein bildet die Grenze der Schweiz gegen das Kaisertum Ostreich 
(Tirol); der Bodensee und weiterhin der Bhein gegen das Kaisertum 
Deutschland (Königreich Bayern, Königreich Würtemberg, Grossherzogtum 
Baden); der Genfer See gegen die Bepublik Frankreich. 

Diese Erörterungen sind nach Stichworten zu wiederholen, die voo 
den Schülern selbst zusammengestellt werden : Beziehungen der Gewässer zu 
den Menschen (Überschrift); 1. Fruchtbarkeit; 2. Schiffahrt; 3. Fabriken; 
4. Fischfang; 5. Anlage von Städten; 6. Wege; 7. Grenzen. 

Association: 

1. Wir wollen das ganze Flusssystem der Schweiz überschauen: wo 
liegen die höchsten, wo die tiefsten Funkte desselben? — Um den 
St. Gotthard die höchsten; am Lago Maggiore, Genfer See und an der 
Mündung der Aar, bez. Basel, etwa die tiefsten. Daher strömt nach 
diesen Punkten alles Wasser zusammen. Dreht man sich bei der Aar- 
mündung nach der Schweiz zu, so sieht man die Gewässer fach er« 
förmig herabfliessen. 

2. Zusammenstellung der Läuterungsbecken der Flüsse. 

3. Zusammenstellung der Städte, welche am Ausfluss der Flüsse aus 
den Seen liegen. 

4. Vier Flüsse vom St. Gotthard! 

5. Vergleich der Flüsse der schweizerischen Hochebene mit denen 
der schwäbisch-bayrischen : Die der ersteren fähren hinein in die innersten 
Teile der Alpen, die der zweiten, abgesehen vom Inn, nur in das Gebiet 
der Voralpen. 

6. Welche Schweizer Städte haben Gewinn von den grossen Handels- 
strassen? — 

System: 

1 . Die exakteZeichnung der Schweizer Flüsse, Seen und Städte, 
die dagewesen sind. 

Angabe des 26^ ö. L. und 47^ n. Br. am Bande der Zeichnung 
(Durchschnittspunkt im Vierwaldstätter See.) 

2. Die oben angegebenen Stichworte können aufgeschrieben werden. 
Methode: 

1. Die einzelnen Flüsse und Seen werden nunmehr mit grösserer 
Genauigkeit als bei dem vorbereitenden Zeichnen der Analyse und 
Synthese von den Schülern an die Wandtafel gezeichnet oder in Form 
von Extemporalien auf ein besonderes Blatt Papier, ins Diarium oder auf 
die Schiefertafel, und zwar in den mannichfachsten Zusammenstellungen. 

2. Die angegebenen Gradlinien werden verfolgt und mit bekannten 
Ländern, Städten etc., sowie mit bekannten Graden in Beziehung gesetzt. 

3. Profilzeichnungen. Durch sie liefern die Schüler am besten den 
Beweis, dass sie den vorliegenden Stoff beherrschen^ dass sie ihn beliebig 
verwenden, anwenden können. Z. B. ein Profil vom G^enfer- bis Boden- 



Das sechste Schuljahr. 105 

see. HaaptbediDgnng ist hierbei elementarste Behandlung. Die 
Schüler legen Eechenschaft ab über das stärkere oder geringere Gefälle 
des Flusses, über das Hinauf und Hinunter, bloss die allgemeinsten Höhen- 
bestimmungen sind zu berücksichtigen. Nur wenn, wie oben, auf be- 
stimmte Schlüsse hingewirkt werden soll, müssen genauere Angaben 
erfolgen. Allerdings ist darauf zu achten, dass Bekanntes zur Darstellung 
gelangt: so muss der Schüler bei einem Querprofil durch den Vierwald- 
stätter und Züricher See die Ufer des ersteren schroflF, die des letzteren 
sanft ansteigend darstellen; das Becken des Bodensees muss etwa vier- 
mal so breit erscheinen als das des Züricher Sees. Sowie nur aber der 
richtige Gedanke durch die Zeichnung zum Ausdruck kommt, ist sie zu 
billigen. 

4. „Berglied" von Schiller nach seiner geographischen Seite zu 
besprechen. 

5. Fingierte Beisen ; z. B. ein Kaufmann aus Basel reist über (durch) 
den St. Gotthard in Geschäften (mit "Waren) nach Italien. Ein Ver- 
gnügungsreisender macht dieselbe Beise. Beidemal Benutzung des Gedichts. 
Jeder von den beiden sieht die Dinge mit andern Augen an ; jeder hat 
andere Empfindungen auf der Beise. 



VI. Ziel: 

Wir wollen nun auch den Teil der Alpen genauer ansehen, über 
den einst Heinrich IV. reiste. 

Analyse: 

Jene Beise wird wiederholt, die den deutschen Kaiser ja deshalb 
von der Westseite her über die Alpen, und zwar über den Mont-Cenis 
(ist der Name in der Geschichtsstunde nicht aufgetreten, so darf er erst 
auf der Synthese genannt werden) führte, weil die abtrünnigen deutschen 
Fürsten, um seine Befreiung vom Banne durch eine Eürchenbusse zu 
hindern, die direkt nach Süden führenden Pässe (also auch diejenigen, 
die wir besprochen haben,) besetzt hatten. 

Die Gefahren der Winter reise werden besprochen: man musste 
über starre Eisfelder und Gletscher, oft mit der grössten Lebensgefahr. 
„Bald kroch man auf Händen und Füssen hinan, bald glitt man auf dem 
Bücken oder auf dem Bauche einen schlüpfrigen Abhang hinab. Oft 
mussten die Frauen auf Ochsenhäute gesetzt und so hinabgezogen werden. 
Ebenso wurden auch an gefahrlichen Stellen die Pferde vorangelassen, 
indem man ihnen die Beine zusammenband und sie so an Stricken hin- 
untergleiten Hess, wobei mehrere umkamen." 

Femer: Erinnerung an den Alpenübergang Karls d. Gr., ebenfalls 
über den Mont-Cenis. 

Beide Kaiser kamen aus dem Thal des Flusses, der durch den 
Genfer See fliesst. 

Auch das Thal, in welches sie hinabzogen, das Po-Thal, ist bekannt ; 
ebenso Pavia und Canossa am Nordabhang des Apennin, der an die 
Alpen ansetzt. 

Synthese: 

Ein Nebenfluss der Bhone führt auf den Pass. — Die Isöre wird 
aufgesucht und bestimmt: Hauptrichtung des Laufes, Mündung südlich 



106 Das sechste Schuljahr. 

von dem Bhoneknie bei Lyon, nördlich von dem Bhonedelta (Tief- 
land, wie die Po -Tiefebene). 

Heutzutage würde Heinrich IV. alle Beschwerden vermeiden können. 
— Der Mont-Cenis-Tunnel wird besprochen (der St. G-otthard-Tunnel 
ist zu repetieren). 

Die Bahn föhrt nach einer wichtigen Po-Stadt hinab. — An einem 
Nebenfluss des Po entlang hinab nach Turin. Es wird an die Lage 
von Mailand und Verona erinnert. 

Die Quelle des Po (südlich vom Mont-Cenis) wird aufgesucht, und 
seine Hauptrichtungen (die Alpen hinab nach Osten, dann bis Turin etwa 
nach Norden, von da nach Osten bis zur Mündung in das Adriatische 
Meer, wie bei der Bhone ein Delta,) werden bestimmt. 

Die Sichtungen dieses Alpengebietes werden nach der Karte be- 
stimmt : Von Norden nach Süden, dann in einem nach Nordosten offenen 
Bogen am Meere hin bis zum Apennin. 



Es fehlen noch die Ost- Alpen. Um auch diese zu berühren, kann 
der direkte historische Ausgangspunkt entbehrt werden. Das Literesse 
an dem Gebirge ist bei den Schülern stark genug geworden, um eine 
selbständige Fortleitung, eine Vervollständigung, zu gestatten. 

VIL Ziel: 

Ein Pass der Ostalpen. 

Analyse: 

"Wenn es Ostalpen giebt, muss es auch Westalpen geben ; es ergiebt 
sich die Teilung in West-, Mittel- und Ostalpen. 

Vermutung, dass der Pass die Verbindung zwischen der grössten 
Donaustadt (Wien) und den Städten des Adriatischen Meeres ermöglicht« 

Synthese: 

Genauere Bestimmung der West-, Mittel- und Ostalpen. Der M o n t 
Blanc, der höchste Alpenberg, als Eckpfeiler. Länge der drei 
feile (1, 2, IV,). 

Der Semmering wird aufgesucht. Die Hauptthäler, durch welche 
die „ Bahn^ (Brennerbahn !) führt, das Mur-, Drau- und Sau thal, werden 
gefunden. 

Die drei Flüsse werden nach Quelle, Bichtung (Drau und Sau 
parallel der Donau), Mündung bestimmt. Längsthäler (Lin, Bhone). 

Durch die vielen fast parallelen Flussthäler, zwischen denen sich 
Gebirgszüge befinden, wird, wie das Kartenbüd bestätigt, die Breite 
der Ostalpen zur Anschauung gebracht. Die Färbung lässt auf die 
geringere Höhe schliessen. Der Semmering ist von all den genannten 
Pässen der niedrigste. 



Es folgen nun die das ganze behandelte Material zum Abschluss 
bringenden drei letzten Stufen. 

Association: 

1. Zusammenstellungen, welche die übersichtliche Auffassung der 
Alpen erleichtem. Westalpen, Mittelalpen, Ostalpen in Bezug auf 



Das sechste Schuljahr. 107 

Biohtimg; horizontale Ausdehnung, Höhe. Die G-estalt gleicht fast einem 
Füllhorn. Zusammenstellung der Pässe unter Angabe ihrer Lage zu 
einander etc. 

2. Zwei im Norden vorliegende Hochebenen. Nach Süden, Osten 
(die ungarische Tiefebene ist aus dem dritten und vierten Schuljahr be- 
kannt) und Westen Tiefländer. Bichtung und Grenzen jeder Ebene. 
"Wodurch sind sie von einander getrennt? etc. 

3. Die Länder, welche durch die Alpen getrennt sind (Deutsch- 
land — Italien, Ungarn — Italien, Frankreich — Italien); die aussen herum- 
liegenden , das eingeschlossene. Die in den Alpen liegenden Länder : 
Schweiz, Tirol etc. Die durch Alpenstrassen, Eisenbahnen verbundenen 
Städte etc. 

4. Zusammenstellung der Flussthäler, die von beiden Seiten hinauf- 
führen zu einem Pass, der Fahrstrassen, Eisenbahnpässe, Tunnels. Zu- 
sammenstellung der oft ungeheueren menschlichen Arbeiten: Wegebauten, 
Galerien, Brücken, Schutzhäuser, Tunnels etc. ; der für die Pässe wichtigen 
Städte etc. 

5. Die Flusssysteme : Donau, Bhein, Rhone, Po, die grössten Flüsse 
Mitteleuropas. "Wo befinden sich die "Wasserscheiden ? Die nach Norden, 
Süden, Osten, Westen fliessenden Flüsse. Die Donau nimmt die meisten 
nördlichen und die östlichen Alpengewässer auf, der Rhein den Rest der 
nördlichen, der Po die südlichen imd die Rhone die westlichen. Der 
Rhein strebt von den Alpen fort, die übrigen Flüsse umfliefsen, begleiten 
sie : Donau im Norden und Osten, Po und Rhone im Süden und Westen etc. 

System : 

Exakte Zeichnung. 

Aufschreiben der beiden erarbeiteten und nun verstandenen Sätze 
(bez. Lesen und Anstreichen im Lehrbuch): 

L Die Alpen sind ein mächtiges, aber doch von den Menschen über- 
wundenes Verkehrshindernis. 

2. Die Alpen sind die durch ihre Schneemassen unerschöpfliche, 
die grössten Verkehrsadern Mitteleuropas bildende Quelle. 

Methode (Funktion): 

L Es kann die bekannte Beschreibung der Bemhardinerhunde ge- 
esen werden ; dann wird der Grosse St. Bernhard noch in die Reihe der 
Pässe eingefügt. Eine andere Beschreibung wäre erwünscht, worin das 
Sonst und Jetzt drastisch einander gegenüber gestellt wäre; wie z. B. 
vor noch gar nicht so langer Zeit auf allen Pässen, ausser dem Brenner 
und Semmering, die Wagen der Reisenden am Fusse der Passrücken aus- 
einander genommen werden und um einen hohen Preis auf dem Rücken 
der Maultiere und Pferde stückweise über den Berg getragen werden 
mussten (Kutzen, S. 94). Ein drittes Lesestück musste in zusammen- 
hängender Weise die Alpenbewohner, ihren Charakter, ihre Be- 
schäftigung etc. vorführen, so dass das Bild, das die Schüler von den 
Alpen gewonnen haben, weiter ausgestattet wird, z. B. mit Sennhütten, 
weidenden Herden, Gemsen, so dass sie einen Einblick in die Alpen- 
wirtschaft und ähnl. bekommen. 

2. Fingierte Reisen. 

3. Überschwemmungen der Alpenflüsse. 



108 Das sechste Schuljahr. 

4. Apenninen — Ausläufer der Alpen in der Balkanhalbinsel. 

5. Pyrenäen, Alpen, Karpathen, Kaukasus (Einordnen in diese Eeihe 
unter der Voraussetzung, dass diese Gebirge schon bekannt sind). 



Aus den vorliegenden Präparationen wird bei aller XJnyollkommenheit 
wenigstens das Bestreben ersichtlich sein, die Schüler nach dem Gresetze 
der successiven Klarheit dahin zu bringen, dass sie ein wichtiges grosses 
Stück unseres Erdteils in seinen hauptsächlichen Beziehungen scharf 
auffassen ; und weiter das Bestreben, die Striche und Punkte der Karte zu 
beleben und zu verhindern, dass die Schüler nur tote Namen und Zahlen 
dem Gedächtnis einprägen. Sie sollen sich die Gegend, die besprochen 
wird, wirklich in einem annähernd richtigen Bilde vorstellen. Denn 
mehr als eine Gegend kann man nie vor dem geistigen Auge haben, 
mehr kann nie von dem Bewusstsein umspannt werden. Sowie man sich 
ein ganzes Land in seiner Gesamtheit, also etwa die Schweiz, oder auch 
nur ein Gebirge, ein Musssystem vorstellen will, unterstellt sich unserem 
Bewusstsein sofort das betreffende Kartenbild. Der Grund hiervon liegt 
darin, dass das leibliche Auge eben auch nur eine Gegend auf einmal 
umspannen kann. Übersieht man aber ja einmal von einem hohen Berg 
ein ganzes Land, so sind dann die Entfernungen so gross, dass nur ein 
sehr unbestimmtes Bild sich der Seele einprägt, welches niemals geeignet 
ist, eine Grundlage für analoge Verhältnisse zu bilden. 

Vor allem aber hoffe ich, auch einigermassen dem Grundsatze gerecht 
geworden zu sein, dass durch den geographischen Unterricht ein klares 
Verständnis erzielt werden soll von der genauen Wechselwirkung, in 
welcher die Erde und ihre Bewohner zu einander stehen. 



V Naturknnde 

Litteratur und Allgemeines; Siehe „Viertes Schuljahr^'. Nachschlage- 
werke für das „Sechste Schuljahr" sind; Grosse, Dr. E., Deutschlands Kultur- 
pflanzen. Leunis-Frank, oynojpsis der Pflanzenkunde. Hannover, Hahn, 1883. 
Jlüller, Dr. K., Das Buch der Pflanzenwelt. Leipzig, Spamer, 1869. Griese- 
b ach, A., Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen Anordnung. Leipzig, 
Engehnann, 1872. 13,50 M. T h o m e , Dr. 0. W., Tier- und Pflanzen-Geographie. 
Stuttgart 1881. Strassburger, E., Streifzüge an der Riviera. Berlin, Paetel, 
1899. 5 M. Maennel, B., Lehrplan für den naturgeschichtlichen Unterricht 
nebst Präparationen für das Pensum der Mittelmeerzone. Gotha, Thienemann, 
1887. Twiehausen, 0., (Krausbauer), Der naturgeschichtliche Unterricht in 
ausgeführten Lektionen. 4. Abteilung. (Darin; Aus den Mittelmeerländem.) 
Leipzig, Wunderlich, 1892. 2,80 M. Berlepsch, Die Alpen in Natur- und 
Lebensbildern. Jena, 11.25 M. (Taschenausgabe 3 M.). "Whymper, Berg- und 
Gletscherfahrten. Braunschweig. 13,50 M. Kaden, W., Das Schweizerland. 
Stuttgart, Engelhom. 45 M... GseU-Fels, Die Schweiz. Volksausgabe. 2. Aufl. 
Zürich, Schmidt. 19 M. Über Gletscher S. Leunis-Senft, Lehrbuch der 
Mineralogie (4 M.) oder in der Synopsis des Mineralreichs. Cohn, Dr. J., Die 
Pflanze. (Darin : Vom Meeresspiegel zum ewigen Schnee.) Breslau, 1897. 19,50 M. 
Ty ndall, J., Das Wasser in seinen Formen als Wolken, Flüsse, Eis und Gletscher. 
Leipzig. 2. Aufl. 4 M. 

!^lein, Dr. H. J., Allgemeine Witterungskunde. Leipzig, Freitag, 1882. 
IM. Trabert, Meteorologie. Leipzig, Göschen, 1899. 0,80 M. Umlauft, 
Prof. Dr. Fr., Das Luftmeer. Die Grundzüge der Meteorologie und Klimatologie. 
Wien, Hartleben. 10,80 M. 



1 Auswahl und Anordnung des Stoffes*) 

Wenn wir auch an der Ansicht festhalten, dass der naturkundliche 
Stoff der Heimat für die Volksschule der wichtigste und geeignetste ist, 
so können wir doch auch den ausserhalb des heimatkundlichen Kreises 
liegenden nicht ganz von der Hand weisen. Dürfen wir im sechsten 
Schuljahr vielleicht auch von dem im Gesinnungsunterricht auftretenden 
naturkundlichen Stoff absehen, weil er für die Zwecke jenes Unterrichts 



*) Über seine Stellung zum naturkundlichen Unterricht hat sich der Ver- 
fasser der Abschnitte „Naturkunde" im vierten und fünften Schuliahr 
(3. Aufl.) ausgesprochen, was er zu beachten bittet, wenn man einen Unterschied 
zwischen dem im ersten Schuljahr (6. Aufl.) Seite 109 mitgeteilten Lehrplan und 
dem im sechsten beibehaltenen flndet. 



110 Das sechste Schnljahr. 

genügend bekannt sein wird, so liegt die Sache doch anders in SLinsicht 
auf den geographischen Unterricht. Ohne nähere Kenntnis gewisser 
natnrkundlicher Erscheinungen sind viele geographische nicht zu ver- 
stehen (wie ja die Geographie nur ein Teil der Naturkunde ist). Ent- 
weder besorgt nun der geographische Unterricht sich selbst die natur- 
kundlichen Kenntnisse, d. h. man treibt in der Geographiestunde Natur- 
kunde, oder der naturkundliche Unterricht nimmt jenem die Aufgabe ab. 
Er kann das, sofern es sich um ausserheimatliche Gebiete handelt, indem 
er bei Behandlung heimatlicher Stoffe die fremden „anschliesst", oder, 
falls weder besondere Gelegenheit noch Veranlassung zu solchem An- 
schluss vorliegt, indem er sie selbständig (ähnlich wie die heimatlichen) 
behandelt. Man hat wohl gemeint, hierdurch erniedrige sich der natur- 
kundliche Unterricht zur dienenden Magd eines andern Fachs. Das soll 
nicht der Fall sein. Die Naturkunde wird sich nicht vorschreiben lassen, 
unter welchen Gesichtspunkten sie eine Naturerscheinung betrachten soU; 
sie wird in jedem Fall nur streben, die Wahrheit zu erforschen, d. h. 
Naturerscheinungen nach Ursachen und Wirkungen zu erkennen.*) 

In der Geographie sind es im sechsten Schuljahr die Alpen und 
die sog. Mittelmeerländer, die zur Behandlung stehen, weil sie 
häufig den Schauplatz der geschichtlichen Ereignisse aus der Zeit von 
Otto I. bis Rudolf von Habsburg bilden. Welche Veranlassung hat wohl 
der naturkundliche Unterricht, sich hier mit zu beteiligen? Wir vergegen- 
wärtigen uns folgendes : 

„Die wunderbare Sehnsucht, die der Süden im Herzen des Nord- 
länders erweckt, geht zwar mehr aus den Urteilen der Maler und solcher, 
denen der Mensch und seine Geschichte das Wissenswerteste ist, hervor, 
als aus den Bildern, welche der Botaniker und Zoologe oft gerade von 
den ersehntesten Punkten entwerfen müssen" (Thome a. o. O. 586); aber 
viele eigenartige Erscheinungen des Menschenlebens bleiben uns unver- 
ständlich, wenn wir nicht die Naturverhältnisse jener Länder in Betracht 
ziehen. 

Der Sinn und die Liebe für die Kunst, mit^dem der Südländer so 
reich ausgestattet ist, wird vielleicht mit Recht aus den Einflüssen der 



*) So soll z. B. der Schüler nicht bloss erfahren : „In den Mittelmeerländern 
wachsen Lorbeer, Myrte, Olive u. s. w. ; diese Pflanzen haben immergrünes, 
glänzendes, leder- oder pergamentartiges Laub ; viele sind für die Bewohner von 
Wichtigkeit; denn sie liefern ihnen Nahrung, Gewürze u. s. w."; sondern er soll 
auch verstehen lernen: ^,Die Begenlosigkeit des Sommers und die Milde des 
Winters sind die wichtigsten Eigentümlichkeiten des Klimas dieses Gebiets. 
Während im Waldgebiet die Hauptentwicklung des Pflanzenlebens mit der 
wärmeren Jahreszeit zusamenfällt, entwickeln sich hier die Pflanzen während des 
JFrühlings, verharren während der trockenen Periode in einem gewissen Still- 
stand und beleben sich unter dem Einfluss der Herbstregen von neuem. — Die 
eigentliche Mittelmeerflora ist charakterisiert durch eine Keihe von immergrünen 
Bäumen, Sträuchern und Halbsträuchern mit bald biegsam und lederartigem 
bald spröd pergamentartigem Blatt, das gegen starke Verdunstung geschützt ist. 
Lorbeer und Myrte, dann der wichtigste Äulturbaum, die Olive, sind bekannte 
Typen dieser durch reiches, tiefes Grün der glänzenden ßlattfläche ausgezeichneten 
Flora. Derart ausgerüsteten Pflanzen vermag die Glut der Sommersonne nicht 
zu schaden, während die einjährigen Grräser und Kräuter verdorren; daher liegt 
die Flur, welche den ganzen Winter hindurch in üppigem Grün prangte, im Juli 
und August da als leere, verbrannte Steppe. Im Oktober, wenn die ersten 
Herbstregen gefallen sind, erwacht die Natur u. s. w.*' (Thome a. a. O., S. 557.) 



Das sechste Schuljahr. 111 

grossartigen und schönen Natur, die ihn umgiebt, aus der Lichtmenge, 
die ihm ein selten getrübter Himmel spendet, abgeleitet. Aber auch die 
Beschäftigung und Nichtbeschäftigung (dolce far niente), sowie die Er- 
nährungsweise der Bewohner stehen in engster Beziehung zur Natur des 
Landes. Wo man die Wiesen vier- bis fünfmal mäht, wo das Getreide 
zweimal im Jahre reift, wo Bäume und Sträuche köstliche Früchte in 
Menge spenden, muss der Mensch anders arten, als da, wo er der Natur 
seinen Unterhalt unter Sorgen und Mühen abringen muss. Selbst auf die 
religiösen Vorstellungen übt die Natur bekanntlich Binfluss. „XJnsem 
Vorfahren war die Sonne eine milde, gütige Frau, der stille Mond führte 
ihnen den klingenden Frost unbewölkter Wintemächte ins Gedächtnis. 
Am Mittelmeer wird der Mond weiblich gedacht, die sanfte Mondgöttin 
stand aller Kreatur in ihren schwersten Nöten bei. Der unendliche Zauber 
jener taghellen Mondnächte des Südens lässt die mythologische Vor- 
stellung noch heute verstehen und nachempfinden. HeHos, der Sonnen- 
gott, dagegen ist der harte und gestrenge Herr, der mit seinen Pfeilen 
Tod und Verderben sendet. Ihnen erliegen die Kinder der Flur, ihnen 
erliegen die Menschen." 

Unter den Naturprodukten der Mittelmeerländer finden wir eine 
ganze Anzahl, die wenigstens dem Namen nach in weiten Volkskreisen 
bekannt sind. Bei nachfolgendem Überblick folgen wir besonders Thome 
(Tier- und Pflanzen-Geographie); „Die Mittelmeer flora ordnet sich zu 
drei Hauptformationen, zu Wäldern, Gesträuchern und offenen 
Matten; letztere werden mancherort, z. B. auf den spanischen Hoch- 
ebenen, fast steppenhaft. Die immergrünen Bäume bilden 
meistens nur lichte Bestände und stehen unsem Baumformen an Höhe 
des Wuchses nach. Viele haben Neigung, in Strauchformen überzugehen; 
das Klima des Mittelmeergebietes scheint der Vegetation der Sträucher 
angemessener, als jener der Bäume. Sie gehören zur Lorbeer- und 
Olivenform, von denen die erster e das breite Blatt der Buche, letztere 
das schmale der Weide besitzt. Den reinsten Ausdruck der Lorbeerform 
gewähren nicht unsere einheimischen Bäume, sondern die (kultivierte) 
Citrone und Orange. Die Stecheiche oder Stechpalme (Ilex 
Aquifohum) erhebt sich oft zu stattlichen Bäumen. Von Eichen sind 
nur allgemein verbreitet Steineiche und Coccuseiche ; die Korkeiche 
gehört dem Westen, die Knopperneiche dem Osten an. Fast der 
einzige Vertreter der OHvenform ist der wohl aus dem Orient stammende 
Ölbaum, dessen Bedeutung auch für die Physiognomie des Landes 
durch die Kultur eine ganz bedeutende geworden ist. Eine alleinstehende, 
eigentümliche Form bildet die fiederblättrige Karube (Johannis- 
brotbaum). 

In der B,eihe der immergrünen Strauchformen, welche die 
Maquis zusammensetzen, zeigt sich eine allmählich fortschreitende Ver- 
minderung der Blattgrösse, bis die Blätter zuletzt ganz verschwinden, 
oder sich zu domigen Organen umbilden. Das grösste Blatt hat die 
Oleanderform mit Oleander und Helianthemum und Cistus- Arten ; dann 
folgen Myrte, Mastixstrauch, Pistazie, Buchsbaum, Mäusedom. Das 
Nadelblatt der Heideform tritt bei zahlreichen Sträuchem auf, so bei 
dem Bosmarin und eigentlichen Heidearten, unter denen die Baum- 



il2 Das sechste Schuljahr. 

h e i d e hervorragt. (Letztere ist wichtig für unsere Holzpfeifenindastrie ; 
Bruydre-Pfeifen.) 

Unter den Bäumen mit abfallendem Laube steht die Buchen* 
form oben an. Sie bildet an den untern G-ehängen der Gebirge zunächst 
den G-ürtel der Kastanienwälder. Unsere Eichen ziehen sich bis in 
die immergrüne Küstenlandschaft; ebenso die gewohnte Erscheinung der 
Ulmen und Pappeln. Die Pyramiden- oder italienische 
Pappel (Populus pyramidalis Rvz.) haben wir ja erst aus Italien er- 
halten. Dem Süden eigentümliche Formen sind sodann Mandelbaum^ 
G-ranatbaum und die beiden Maulbeerbäume. 

Eine neue Pflanzenform bietet der Feigenbaum, dessen Kultur 
gegenwärtig den ganzen Bereich der Mittelmeerflora umfasst. Der 
Kappernstrauch, dessen noch ungeöffiiete Blütenknospen die Kappem 
des Handels sind, wächst häufig wild, wird aber auch sehr viel kultiviert. 

Die Nadelhölzer nehmen an der Zusammensetzung der Wälder 
einen ebenso grossen Antheil, als die Laubhölzer. Die Pinie sehen wir 
auf vielen südlichen Landschaftsbildem. Weit verbreitet ist die Eibe 
(Taxus baccata), der Sadebaum (Juniperus sabina) und die schlanke 
italienische Cypresse (Cupressus sempervirens) . Von Palmen 
wächst nur die Zwergpalme (Chamaerops humilis) wirklich wild. Die 
mancherorts kultivierte Dattelpalme reift ihre Früchte nur im süd- 
lichen Spanien. 

Die einheimischen Saftpflanzen sind unbedeutend, um so grösser aber 
ist die E,olle, welche die aus Amerika stammenden Opuntien (Fici 
indichi) und Agaven und die aus Afrika eingewanderte oder verwilderte 
gem. Aloe spielen. 

Von den Schlinggewächsen ist das edelste der Weinstock, der in 
ausgedehntestem Masse kultiviert wird, oft auch wildwachsend an den 
Bäumen emporrankt und neben feurigem Wein auch B^osinen und 
Korinthen liefert." 

Von Kulturgewächsen sind auch noch Mais und Reis hervorzu- 
heben, die beide bis in die Lombardei vordringen. Unsere Obstbäume 
liefern in der Region der Kastanienwälder ihre besten Früchte. 

Die Vegetationszeit für Winterweizen beträgt in Berlin 299 Tage, 
in Palermo nur 171. Wegen der grossen Lichtmenge können bereits in 
der Lombardei herrliche Ernten zwischen den Obstbäumen und den sie 
verknüpfenden Weinreben gezogen werden. 

Aus der Fauna würden besonders (als eigentümliche Tiere) zu nennen 
sein : Stachelschwein, Mu f f 1 on, Schakal, Magot (türkischer oder 
gem. Affe), Bär, Büffel, Pelikan, Flamingo, Lämmergeier; 
Schildkröte, Chamäleon, Skorpion, Tarantel, Malmignatte, 
Cikaden, Blutegel (Hirudo officinalis.) 

Das Meer bietet in seinen Bewohnern dem Südländer eine reiche 
Ausbeute; es ist (wegen seines vermehrten Salzgehalts und der hohem 
Temperatur) viel reicher an Tieren als die nordeuropäischen. Teils 
kommen die Produkte des Meeres als frutti die mare auf den Markt der 
inländischen Städte (Schilderung eiues Fischmarktes in Venedig oder 
Neapel), teils sind sie Handelsartikel. Von den 600 Fischarten, die das 
Mittelmeer beherbergt, sind für die Binnenländer einige von Literesse 
wegen ihrer sonderbaren Gestalt. (Bandfische, Schiffshalter, Seepapagei.) 



Das sechste Schuljahr. 113 

"Wir werden sie erwähnen, nm auch hier den Formenreichtum der Natur 
zu zeigen; gewöhnlich meint man, die Fischgestalt lasse keine grosse 
Formveränderung zu. Aus den 500 Schnecken und 230 Muscheln nennen 
wir die Purpurschnecke („ Purpur und köstliche Leinwand " ) . Unter 
Umständen verdienen auch Tintenfisch (Sepia) und Elrake (Seepolyp) 
Berücksichtigung. Die rote Edelkoralle und Badeschwämme 
dürfen nicht vergessen werden. 

Die Alpen, von deren erhabenen Natur Verhältnissen alle Schilde- 
rungen nur einen schwachen Begriff geben, scheinen auf den ersten Blick 
für den naturkundlichen Unterricht gefahrlich werden zu können. Denn 
welche Empfindungen rufen bei dem Kundigen nicht die Worte „Alpen- 
flora", „Tierleben der Alpenwelt" hervor. Bei näherer Überlegung wird 
man aber erkennen, dass man sich hier auf das Ausserste beschränken 
kann, ohne ein falsches Bild geben zu müssen. Zunächst sind es nicht 
die Vegetationsverhältnisse, die den Alpen ihren eigentümlichen Charakter 
aufragen. Tausende durchwandern dieselben jährlich, ohne von der 
Alpenflora etwas anderes zu bemerken, als „Alpenrosen" und (gewöhn- 
lich nicht selbstgepflücktes) „Edelweiss". Noch weniger kommen sie mit 
der Tierwelt in Berührung ; die Phantasie müsste ihnen denn einen gross- 
hörnigen Ziegenbock als Steinbock, eine braune Ziege als Gemse und 
einen Fischreiher oder Bussard als Lämmergeier oder Steinadler vor- 
spiegeln. 

Ihren gewaltigen Eindruck machen die Alpen durch die geologischen 
Verhältnisse (zu denen wir auch die senkrechte Erhebung rechnen), die 
auch Ursache der eigentümlichen Erscheinungen in der Pflanzen- und 
Tierwelt sind. „Gerade die eigentümlichsten Gewächse erwecken häufig 
die Vorstellung, als wären sie aus den Thälern emporgestiegen und 
hätten, um sich den neuen Lebensbedingungen anzuschmiegen, ihre 
Organisation nur soweit umgeändert, als es zu ihrem Fortbestehen er- 
forderlich war." (Thomö a. a. 0. S. 46.) Wir stellen deshalb die 
geologischen Verhältnisse der Alpen in den Vordergrund und erörtern 
die Erscheinungen des sogenannten ewigen Schnees, der Gletscher 
und Lawinen; femer berücksichtigen wir die Gebirgswässer 
(Wasserfalle) und ihre Wirkungen, die Seen als Klärungsbecken der 
(jrebirgswässer. Hieran schliessen wir den Einfluss der mit grossem 
flöhen abnehmenden Wärme auf die Vegetation, die Almen (Alpen), femer 
die Frage, welche Existenzbedingungen fär Tiere vorhanden sind. 

Diesen reichen Stoff können wir natürlich nur mit Auswahl und 
nicht so eingehend behandeln, wie den von der Heimat gebotenen. 
Dieser soll auch im sechsten Schuljahr nicht aus dem Auge gelassen 
werden. Veranlassung zu seiner Berücksichtigung bietet die „darstellende 
Unterrichtsform", die ja an Vorstellungen aus dem heimatlichen Kreise 
anzuknüpfen hat, wenn sie das Fremde vorstellbar machen will. Um 
die Vorstellungen in der nötigen Frische bereit zu haben, werden wir 
gut thun, wenn wir eine heimatliche Gruppe eingehender behandeln. Als 
eine solche können wir die deutschen Gärten bezw. den deutschen 
Gartenbau wählen. Denn erstens pflegen wir in unsem Gärten (und 
im Zimmer) eine Anzahl Pflanzen, die ihre Heimat in den Mittelmeer- 
ländem haben, und zweitens sind viele Naturprodukte, die wir aus jenen 
Ländern beziehen, Gegenstände des dortigen Gartenbaus. Wenn wir 

8 



114 Das sechste Schuljahr. 

Gelegenheit dazu haben (Schulgarten); gestalten wir den Unterricht mög- 
lichst praktisch, indem wir ihn mit „Arbeitsunterricht" verknüpfen. (Das 
Begonnene setzen wir in den nächsten Schuljahren und vielleicht auch in 
der Fortbildungsschule fort, so dass Schüler und Schülerinnen Verständ- 
nifl und Liebe für die „Erziehung und Pflege" eines Obstbaums, eines 
Topfgewächses u. dgl. gewinnen.) 



Durch den naturgeschichtlichen Unterricht werden wir im sechsten 
Schuljahr auf eine Anzahl physikalischer Erscheinungen hin- 
gewiesen, wie dies ja auch in den frühem Schuljahren geschehen ist. 
Ausserdem machten uns mit solchen bekannt die täglichen Erfahrungen 
und besondern Beobachtungsaufgaben. Wohl haben wir diesen natur- 
kundlichen Stoff von Zeit zu Zeit geordnet und geklärt. In der Haupt- 
sache erstreckte sich seine Behandlung auf die PeststeUung des That- 
sächlichen; denn zur Ergründung des Zusammenhangs, des „Warum und 
Weil", fehlte den Schülern die geistige Kraft. Nun sind sie soweit 
herangereift, dass wir leichtere Teile aus der Physik sachgemäss mit ihnen 
vornehmen können. Am zahlreichsten werden wohl die Beobachtungen 
sein, die sich auf das Wetter bez. auf das Klima beziehen. Es macht 
sich recht gut, dass auch der schon erwähnte Unterrichtsstoff vielfSach 
darauf hinweist und dass einige hierher gehörige Erscheinungen unschwer 
zu behandeln sind. 

Den physikalischen Unterricht verlegen wir in das Winterhalbjahr. 



2 Die Gliederung des Stoffes 

Nach dem Vorstehenden können wir für die Naturkunde im sechsten 
Schuljahr folgenden Lehrplan aufstellen: 

1. Unsere Gärten und der Gartenbau. 
(April u. Mai.) 

2. Alpenpflanzen und Alpentiere. 
(Juni.) 

3. Pflanzen der Mittelmeerzone 

a. die von den Menschen gepflegten 

b. die wildwachsenden. 

(August.) 

4. Tiere (Landtiere) der Mittelmeerzone. 

5. Was bietet das Meer den Bewohnern der Mittelmeerländer? 
(September.) 

6. Witterungsverhaltnisse (Klima) bei uns, in den Alpen und in den 
Mittelmeerländem.*) 



*) Jede Schule soll sich eine kleine meteorologische Station einrichten und 
fleissig (regelmässig) Beobachtungen anstellen. Es ist unglaublich, wie wenig in 
manchen Schulen für hierher gehörige Dinge geschieht. Wir haben so manchen 
Seminaristen kennen gelernt, der keine Ahnung von Temperaturverhältnissen 
hatte, kein Thermometer ablesen, nicht einmal die Windrichtung bestimmen 
konnte. 



Das sechste Schuljahr. 115 

a. Die Wärme (Temperatur). 

1. Wie misst man sie? Gebrauch des Thermometers. 
Anfertigung u. s. w. 

Arten der Thermometer. 

Worauf beruht die Temperaturmessung ? 

(Ausdehnung aller Körper durch die Wärme.) 

2. tlrsachen, warum die Wärme in verschiedenen Ländern 
verschieden ist. 

(Hierbei auch Tages- und Jahreszeitenwärme, Wärme- 
strahlung und Wärmeleitung.) 

b. Die Niederschläge (oder die Wärme und das .Walser). 

1. Wie misst man sie? 

2. Wie entstehen sie? 

aa. Verdunstung und Verdampfung des Wassers. Ver- 
dunstungskälte oder gebundene [d. i. umgewandelte] 
Wärme. 

bb. Das Kochen oder Sieden des Wassers. Die Circu- 
lation des erwärmten Wassers. Warum steigt er- 
wärmtes Wasser in die Höhe und warum sinkt 
kaltes ? Wasserheizung. Siedepunkt. 

cc. Die Verdichtung (Oondensation) des Wassers: 
Nebel, Wolken, Begen, Thau, Reif, Schnee, 
(xraupeln, Hagel. — Sättigungspunkt der Luft. 
Das Hygrometer. (Auch hygroskopische Pflanzen 
u. dgl.) „Freiwerdende" Wärme. Dampfheizung. 
Destillation. Leidenfrost'scher Versuch. 

dd. Erstarrung des Wassers. Ausdehnung beim Ge- 
frieren. Geologische Wirkung der Eisbildung. 
Erstarrungs- und Schmelzpunkt. Dichtigkeite- 
maximum des Wassers bei 4 ^ G. Schmelzen und 
Erstarren anderer Stoffe. 

ee. Woher kommt der Wasserreichtum der Alpen? 
Schnee und Eis in den Alpen. 
Geologische Wirkungen der Gletscher und Alpen- 
gewässer, 
c. Die Winde. 

1. Arten und Bestimmung der Winde (Windrose). 

2. Entstehung. (Aus diesem schwierigen Kapitel nur einiges, 
z. B. die Erscheinungen, die mit der Erwärmung der 
Luft zusammenhängen.) 

7. Die Lehre vom Luftdruck. (Ausgangspunkte können sein: Die 
Luftbewegungen als Folge verschiedenen Luftdrucks; oder: Das 
Barometer als „Wetterglas" und Luftdruckmesser.) 

Luftdruckerscheinungen: Blasebalg, Atmen, Saugen, 
Trinken, der Heber u. s. w. Die Saug- und Druckpumpe, die Feuer- 
spritze. Hierbei Kolben und Ventile ; der Heronsball. — Für diese 
Stoffe kann als gemeinsamer Gesichtspunkt auch aufgestellt werden : 
Wie der Mensch den Luftdruck in seine Dienste nimmt. Unter 
bliese Überschrift liessen sich dann auch mit bringen: die Wind- 
müllerei, die Windmotoren und die Segelschif&hrt. Zur Vermeidung 

8* 



116 D»s sechste Schuljahr. 

einseitiger Naturanschaaung vergesse man dann aber auch nicht bei passen- 
den Oelegenheiten auf den Zusammenhang anderer Naturerscheinungen 
hinzuweisen y z. B. wie die Luftbewegung im Dienst der Pflanzenbe- 
fruchtung steht (bei den Windblütlem), wie sie die Samen verbreitet, 
wie sie zur Verbreitung der Wärme und Feuchtigkeit beiträgt, wie sie 
geologisch wirkt. 



3 Die Bearbeitung des StofTes 

Hierüber geben ^^Yiertes, Fünftes und Siebentes Schuljahi'^ die 
nötigen Anweisungen. Wir können uns hier auf ein paar Bemerkungen 
über die Behandlung fremdländischer Naturkörper und Naturverhältnisse 
beschränken. 

Soweit es möglich ist, soll man immer die Naturkörper selbst, als 
die besten Anschauungsmittel, zu erlangen suchen. In betreff der „Mittel- 
meerländer*' ist das nicht schwer. Wir erinnern an die Gewächshäuser 
oder ,, Orangerien^, wie sie jede grössere Stadt bietet; an die zahlreichen 
Topfgewächse, die aus den Mittelmeerländem stammen, und die überall 
zu finden sind; an Handelsgegenstände, die fast jedes 'Kind kennt. 
(Kastanien, Jd^ndeln, Feigen, Gitronen, Apfelsinen, Johannisbrot, Bosinen, 
Korinthen, Mais, Beis; Lorbeerblätter, Olivenöl, Korkeichenrinde, Stech- 
eiche, Oleander, Myrte, Buchsbaum, BosmariD, Eibe, Sadebaum, Gypresse, 
Aloe, Opuntien, Agaven u. s. w.) 

AI« Lehrform wird man bei Behandlung fremdländischer Dinge viel- 
ÜBkch den sogenannten „ darstellenden*' Unterricht wählen. (Yergl. 1. Schul- 
jahr, 6. Aufl. S. 137 und 5. Schuljahr, 3. Aufl. S. 189 u. s. f.) 

Zum Ausgangspunkt kann man öfter mit Vorteil gute Landschafbs- 
bilder nehmen, wie sie jetzt für den geographischen Unterricht vorhanden 
sind. Wir nennen die „Geographischen Charakterbilder für Schule und 
Haus*<, von E. Hölzel in Wien verlegt (ä Blatt 3 bez. 6 M.). Daa 
Bild „Neapel und der Vesuv" z. B. führt im Vordergrund eine Vege- 
tationsgruppe aus dem südlichen Abhänge des Posilips, eines von 
Neapel südwestlich nahe der Küste streichenden, von Villen und Gärten 
bedeckten Hügelrückens, vor Augen. „Wir sehen da vor uns die 
amerikanische Agave, deren 1 bis l^/» m lange, lanzenförmige, 
fleischige Blätter in Büscheln zwischen Mauerwerk und Gestein hervor- 
wachsen; daneben auf den Boden hingeschmiegt das blattreiche, frucht- 
behangene Melonenkraut, weiter dann kräftige, in purpurnem Blüten- 
schmucke prangende Oleandersträuche, dahinter die pappelahnliche, 
düstergrüne Cypresse, endlich die stolze Pinie mit ihrer schirm- 
ähnlichen Krone." Auch Photographien, besonders Stereoskopen und 
farbige Skioptikonbilder lassen sich als Anregungsmittel verwenden. 



YI Mathematik 



1 Raumlehre 

Litteratar. Siehe „achtes Schuljahr" 2. Aufl. S. 124 und „fünftes Schuljahr" 

2. Aufl. 8. 172. Ausserdem sei noch namhaft gemacht Guido Schreiber, 
Das technische Zeichnen, I. Teil, Berlin, Ernst Toeche 1871, welches Werk eine 
Fülle besten Übungsmaterials für das geometrische Zeichnen enthält. F. Martin 
u. O. S c h m i d t , Raumlehre f. Mittelschulen. Dr. ph. Th. Leiden fr ost, Raum- 
lehre für 6- bis 7klas8. Volksschulen. 1. Heft. Weimar. 

I Auswahl und Anordnung des Lehrstoffs 

(Siehe „achtes Schuljahr" 2. Aufl. S. 140 ff.) 

Das sechste Schuljahr beschäftigt sich mit den einfachem Baum- 
formen der „ ebenen Geometrie ^ . Es behandelt 1. die Eigenschaften 
(Gesetze) dieser Raumformen, 2. die Darstellung (Konstruktion) und 

3. die Berechnung derselben. 

Im einzelnen kommen folgende Gagenstände zur Bearbeitung i 

1. Der Kreis. 

Mit Rücksicht auf die Lösung vieler Konstruktionsaufgaben und auf 
die Bestimmung der Winkelgrösse beginnt, im Anschluss an die letzte 
Einheit des Vorjahres, der Kursus mit dem Kreise und den Kreisfiguren. 
Es kommen hierbei in Betracht : konzentrische Kreise, einander berührende 
Kreise, einander schneidende Kreise, das Bogenzweieck nebst dem Spitz- 
bögen, und die Gesetze, welche sich auf diese Gegenstände beziehen. 

2. Grösse der "Winkel; "Winkelmass, "Winkelmesser 
(Transporteur), Transportieren, Teilen gegebener "Winkel. 

3. Arten, und Eigenschaften der Dreiecke. Bestimmungs- 
stücke des Dreiecks. Kongruenzsätze. Dreieckskonstruktionen. - 

4. Arten und Eigenschafteil der Parallelogramme. Go- 
jsetze. Konstruktionen. 

5. Das Deltoid (wichtig für viele Konstruktionen). Gesetze d-es- 
Äelben.- Konstruktion desselben. 



118 



Das sechste Schuljahr. 



6. Flächenmass. Flächenberechnung des Parallelogramms^ 
des Dreiecks, des Trapezes, des uuregelmässigen und regelmässigen Viel- 
ecks, des £[reises. 

2 Die Bearbeitung des Lehrstoffs 

(Siehe „achtes Schuljahr" 2. Aufl. S. 150 fF.) 

1 Einheit 

Kreise, welche einander berühren. Gentrallinie 
Fig. 1 Fig. 2 

D 




Aufgabe. Es sollen zwei Fenster der Synagoge, das kreisrunde 
Fenster im Ostgiebel und das Hundbogenfenster in der Langseite der- 
selben, besprochen und gezeichnet werden. 

I. Stufe, a. Zusammenfassung dessen, was die Schüler über Gestalt 
und Grösse beider Objekte an Ort und Stelle durch Anschauung, Schätzung 
und Messung kennen gelernt haben. 

b. Zeichnen der Fensterformen aus dem Kopfe und aus freier Hand 
an die Wandtafel. 

H. Stufe. 1. a. Genaue Beschreibung der geometrischen Gestalt 
des kreisrunden Fensters im Anschluss an eine vom Lehrer an der Wand- 
tafel entworfene genaue Zeichnung (Fig. 1). Der äusserste Kreis um- 
schliesst sieben unter sich gleiche kleinere Kreise, von welchen sich der 
eine in der Mitte des XJmfassungskreises befindet, während die sechs 
übrigen ringförmig in dem ITmfassungskreise und um den innem Bereis 
herumliegen. Die sechs Eingkreise berühren sich sowohl untereinander, 
als auch mit dem innersten und dem äussersten Kreise. Die Berührung 
unter sich und mit dem innem Kreise geschieht von aussen, die mit dem 
ITmfassungskreise von innen. Die Berührungspunkte im Aussenkreise 
teilen diesen in sechs gleiche Teile. Zieht man von den Teilungspunkten 
aus die Halbmesser in den äussern Kreis und teilt man jeden derselben 
in drei gleiche Teile, so ist ersichtlich, jeder der eingeschlossenen Kreise 
hat zum Halbmesser den dritten Teil vom Halbmesser des äussersten 
Kreises ; der Mittelpunkt des innersten Kreises fallt mit dem des äussersten 
zusammen; die Mittelpunkte der Bingkreise liegen in den zweiten Teilungs- 
punkten der Halbmesser des TJmfassungskreises, vom Mittelpunkte desselben 
aus gezählt. 

b. Nun ist es leicht, die Fensterform, vom Umfassungskreise aug^ 



Das sechste Sclmljahr. 119 

mit Zirkel nnd Lineal genau zn zeichnen. Gebt das Konstrnktionsyer- 
fahren an! a. Ziehen des TJmfassungskreises ; b. Teilen desselben in 
sechs gleiche Teile; c. Einlegen der Halbmesser; d. Teilen derselben in 
drei gleiche Teile; e. Ziehen der innem BIreise mit dem Drittel des 
Halbmessers des Aussenkreises. 

Könnte man die Zeichnung nicht aber auch von dem innersten Kreise 
aus ausfuhren? Wie würde in diesem Falle zu verfahren sein? Genaue 
Angabe des Konstruktionsverfahrens! 

c. Zeichnen der Fensterform mit Zirkel und Lineal 1. von dem 
TJmfassungskreise ausgehend! 2. von dem innersten Kreise ausgehend! 
Prüfen der Zeichnungen auf ihre Richtigkeit (Berühren die Ringkreise 
einander? den Umfassungskreis? den innersten Kreis? Findet die Be- 
rührung von innen und von aussen in der richtigen "Weise statt?) 

2. a., Beschreibung des Bundbogenfensters nach einer vom 
Lehrer an der Wandtafel entworfenen genauen Zeichnung (Fig. 2). Der 
untere Teil des Fensters ist ein Rechteck von 1,50 m Grundlinie (Breite) 
und 4 m Höhe, in welchem sich noch als senkrechte Mittellinie eine dünne 
Säule erhebt. Auf dem Rechteck ruht ein Halbkreis , der die obere 
Breitseite desselben zum Durchmesser hat. Auf jeder Hälfte dieses Durch- 
messers ist nach oben wieder ein Halbkreis gezogen. Diese beiden innem 
Halbkreise treffen unter sich in dem Punkte C, und mit dem sie um- 
schliessenden Halbkreise in den Punkten A und B zusammen. Innerhalb 
des leeren Raumes zwischen den drei Halbkreisen liegt ein kleinerer 
voller Kreis, mit dem Mittelpunkte im zweiten Drittel der Höhe (Pfeil- 
höhe) des Hauptbogens. Er hat das Drittel dieser Höhe zum Halbmesser 
und berührt sich sowohl mit den beiden innem als auch mit dem äussern 
Halbkreise. 

b. Wie können wir hiemach unser Rundbogenfenster nach den 
ermittelten Grössenverhältnissen in verjüngtem Masse genau zeichnen? 
Angabe des Konstruktionsverfahrens! 

c. Ausführung der Zeichnung auf Papier und Prüfung derselben auf 
ihre Richtigkeit! 

m. Stufe, a. Wo sind wir sonst schon der geometrischen Gestalt 
der gezeichneten Fenster begegnet? Der Kreisform mit den sieben gleichen 
Innenkreisen noch nicht, wohl aber schon vielfach der Form unseres 
Rundbogenfensters. Wir haben dieselbe wiedergefunden in den Fenstern 
des Realschulgebäudes, des Hotels zum Erbprinzen, der Eingangspforte 
zur „Phantasie". Auch die Fenster unserer Nikolaikirche gehören hierher; 
nur dass bei denselben der innere vollständige Kreis zwischen den drei 
Halbkreisen fehlt. Zeichne auch diese Formen nach den von uns er- 
mittelten Massen! 

b. Ergänzen wir in der Zeichnung unseres Rundbogenfensters die 
drei Halbkreise zu ganzen Kreisen, so entsteht eine Figur, die aus einem 
Umfassungskreise und aus drei in diesem liegenden kleinem Kreisen be- 
steht, welche letztere sich aUe drei untereinander, und zwar von aussen, 
und mit dem TJmfassungskreis, und zwar von innen, berühren. Vergleich 
dieser neuen Gestalt mit der des kreisförmigen Giebelfensters! In beiden 
haben wir einen ITmfassungskreis und mehrere Innenkreise; da wie dort 
Berührung der Innenkreise untereinander (und zwar von aussen) und mit 
dem TJmfassungskreise (und zwar von innen). Aber dort finden wir sieben 



120 Das sechste Schuljahr. 

Innenkreise, hier nur drei; dort sind alle Innenkreise gleich, hier sind 
nur zwei einander gleich, während der dritte kleiner als die beiden 
andern ist. 

c. "Wir verbinden in beiden Piguren die Mittelpunkte je zweier ein- 
ander berührenden Kreise und sehen : Die Gerade zwischen den Mittel- 
punkten (die Centrallinie) geht in allen diesen Fällen durch den Be- 
rührungspunkt der beiden Kreise, oder anders ausgedrückt, der Berührungs- 
punkt liegt bei den Kreisen mit äusserer Berührung in der CentraHinie, 
bei den Kreisen mit innerer Berührung in der Verlängerung der Central- 
linie. Untersucht, wie gross die Centrallinie in den uns vorliegenden 
Fällen bei Kreisen mit äusserer, bei Kreisen mit innerer Berührung ist! 
Dort gleich der Summe, hier gleich dem Unterschiede der beiden Halbmesser. 

Ob das in allen Fällen so sein mag ? Es werden verschiedene andere 
Berührungskreise daraufhin untersucht, und zuletzt wird das Ergebnis 
ausgesprochen. 

IV. Stufe. Zusammenfassung des Begrifflichen. 

1. Zwei Kreise können eine solche Lage zu einander haben, dass 
sie einander berühren. 

2. Die Berührung zweier Kreise kann von aussen und von innen 
erfolgen. 

3. Die Gerade zwischen den Mittelpunkten zweier einander be- 
rührender Kreise heisst Centrallinie. 

4. Der Berührungspunkt zweier Kreise liegt bei der Berührung von 
aussen in der Centrallinie , bei der Berührung von innen in der 
Verlängerung derselben. 

5. Die Centrallinie ist bei Kreisen von äusserer Berührung gleich 
der Summe, bei Kreisen von innerer Berührung gleich dem Unter- 
schiede der beideo Kreishalbmesser. 

V. Stufe, a. Es sollen zwei Kreise von 12 mm und 20 mm Halb- 
messer so gezeichnet werden, dass sie einander 1. von aussen, 2. von 
innen berühren! Angabe des Konstruktionsverfahrens! Ausführung der 
Zeichnung nach demselben! 

b. Drei Kreise von je 18 mm Halbmesser sollen einander von aussen 
berühren. Angabe des Verfahrens! Man zeichnet (Fig. 3) ein gleich- 
seitiges Dreieck von 2 X 18 = 36 mm Seite und beschreibt von den 
pig 3 Eckpunkten aus mit dem gegebenen Halbmesser 

die drei Kreise. Können dieselben auch so 
gezeichnet werden, dass sie einander von innen 
berühren? Warum nicht? 

c. Ein kreisrundes Fenster zu zeichnen, 
in welchem drei gleiche kleinere Kreise den 
Umfangskreis von innen, einander aber von 
aussen berühren (Fig. 3). 

d. Vier gleiche Kreise von je 10 mm Halb- 
messer sollen so gezeichnet werden, dass je 
zwei einander berühren, und dass sie von 
einem äussern Kreis berührend umschlossen 
werden. Suche das Konstruktionsverfahren 

auf und sprich es aus! Zeichne nach demselben! (Lege wie in Fig. 10 
«in Quadrat von 2 X 10 = 20 mm Seite hin und beschreibe mit 10, mm 




Das sechste Schuljahr. 131 

.HalbmeBser von den vier Ecken aus vier Kreise. Hierauf ziehe vom 
Mittelpunkte des Quadrats eine Gerade nach einer Ecke desselben und 
verlängere sie bis an den Umfang eines der vier £[reise. Die entstandene 
Gerade ist der Halbmesser des IJmfangskreises, mit welchem dieser selbst 
von dem Mittelpunkte des Quadrates aus gezogen werden kann. Nach- 
.weis der Richtigkeit des Verfahrens! Ausführung desselben!) 

c. Versuche eine Figur zu zeichnen, in welcher in einem äussern 
Kreise fünf gleiche Kreise so liegen, dass sie sich untereinander und 
mit dem äussern Kreise berühren! GHeb das Konstruktionsverfahren an! 

f. Untersuche, ob auch in allen diesen Zeichnungen unsere obigen 
Sätze (4. Stufe) sich bestätigen und ob die Konstruktionsweisen mit den- 
selben übereinstimmen ! 

2 Einheit 

Konzentrische Kreise 
Fig. 4 




Aufgabe. Die Kreisfigur im Fenster über dem Haupteingang zur 
Annenkirche zu zeichnen (Fig. 4). 

I. Stufe. Aufsuchen des Bekannten in der zusammengesetzten 
Kreisfigur : drei gleiche, einander von aussen berührende Kreise, die von 
einem äussern Kreise, den sie von innen berühren, umschlossen werden. 
Wie die Zeichnung bis dahin auszuführen, ist uns bereits bekannt. An- 
gabe des Verfahrens! Zeichnung der Figur bis dahin nach den er- 
mittelten Massen in angemessener Verjüngung! 

II. Stufe. Aber in jedem der drei gleichen, einander berührenden 
Innenkreise von 12 cm Halbmesser finden wir noch zwei andere kleinere 
Kreise eingeschlossen, die einander nicht berühren, aber die Eigenschaft 
besitzen, dass je zwei von ihnen mit ihrem sie umfassenden Kreise den- 
selben Mittelpunkt haben, und dass sie infolge dessen in stets gleicher 
Entfernung in- und umeinanderlaufen : sie sind gleichlaufende (konzentrische) 
Kreise. Qieb noch einmal ihre Merkmale an! 

Angabe der Halbmesser dieser konzentrischen Kreise! Einzeichnen 
derselben in die bereits gezogenen drei Hauptkreise ! Einzpiir.hnfm dec 
beiden gleichseitigen Dreiecke! (Wie?) 

m. Stufe. Haben wir nicht unlängst schon, ohne dass wir darauf 
geachtet, zwei Kreise von gemeinsamem Mittelpunkt gezeichnet? B^im 



132 



Das sechste Schuljahr. 



Zeichnen des östlichen GTiebelfensters der Synagoge : ansserster und innerster 
£[reis desselben sind konzentrische Kreise. Nachweis ! Auch am Zifferblatt 
der Nikolaikirchturmnhr haben wir solche Kreise bemerkt. "Wo haben 
wir den gemeinsamen Mittelpunkt derselben zu suchen? Zeichnet das 
TJhrzifferblatt nach den abgeschätzten Halbmessern! 

Jüngst wurden wir in einem Buchbinderladen in der Unterstrasse 
auf eine Schützenscheibe aufmerksam. Sie zeigt uns ebenfalls kon« 
zentrische Kreise , die sich von den genannten dadurch unterscheiden, 
dass sie alle in gleichen Abständen von einander laufen , was bei den 
vorher besprochenen und gezeichneten nicht der Fall war. Wie zeichnen 
wir diese Schützenscheibe? (Ziehen des äussersten Kreises; Einteilen 
seines Halbmessers in so viel gleiche Teile, als Kreise hineingezogen 
werden sollen ; Beschreiben der einzelnen Kreise mit den entsprechenden 
Halbmessern von dem Mittelpunkte des äussern Kreises aus!) 

IV. Stufe. Zusammenfassung des gewonnenen Begrifflichen. 

1. Ungleich grosse Kreise, welche einen gemeinsamen Mittelpunkt 
haben, heissen konzentrische Kreise. 

2. Drei und mehre konzentrische Kreise können alle gleiche Ab- 
stände von einander haben, ihre gleichen Abstände von einander 
können aber unter sich auch verschieden sein. 

3. Angabe des Konstruktionsverfahrens für beide Falle. 

V. Stufe, a) Aufsuchen von BÄumformen, die konzentrische Kreise 
darstellen! (Jahresringe regelmässig gewachsener Baumstämme; "Wellen- 
kreise auf dem Wasser; Kochherdringe; Erkerfenster in dem neuen 
K.schen Hause in der Kasemenstrasse.) 

b) Aufsuchen von konzentrischen Halbkreisen! (Fenster im Erd- 
geschoss des Theaters, im Hotel zum Erbprinzen, im Giebelfenster der 
Klemda, des Seh. sehen Hauses in der Theaterstrasse u. s. w.) 

c) Zeichnen von dergleichen Formen nach vorgelegten Mustern ! nach 
der Natur! nach eigener Erfindung! in Verbindung mit einander be- 
rührenden Kreisen und Halbkreisen! 



3 Einheit 
Einander schneidende Kreise. 
Fig. 5 



Bogenzweieck 




ß ^ 




Aufgabe. Wir wollen eines der Spitzbogenfenster der St. Annen- 
kirche zeichnen (Fig. 6). 



Das secliste Schuljahr« 123 

1. Stufe. Fenster von hervorragenden Bauwerken haben wir schon 
gezeichnet. Welche? Ein solches des Nikolaiturmes, der Synagoge, der 
£,ealschule. Wie unterscheiden sich von diesen die Fenster der Annen- 
kirche? Jene sind Rundbogen-, diese sind Spitzbogenfenster (gotische 
Fenster). 

Beschreibung des Spitzbogenfensters nach der eigenen Anschauung 
und Untersuchung: Es besteht aus einem E^echteck von 98 cm Breite 
und 230 cm Höhe; auf dem ßechteck erhebt sich ein Spitzbogen, der 
die Breite des B.echtecks zur Spannweite hat, und dessen Höhe nach den 
an Ort und Stelle vorgenommenen Ermittelungen 83 cm beträgt. Der 
Abstand der Spitze von dem Anfang des Bogens war auf jeder Seite 
98 cm, also gleich der Spannweite. 

Zeichnung des Fensters aus freier Hand an die Wandtafel, 
n. Stufe. 1. a) Vorführung einer genauen Zeichnung des Fensters 
seitens des Lehrers und Nachweis seitens der Kinder, dass die Zeichnung 
der Fensterform genau entspricht. Insbesondere ist die Zeichnung auch 
auf die Richtigkeit der Massverhältnisse zu prüfen. Es muss deshalb 
unter derselben auch der verjüngte Massstab angegeben sein^ nach welchem 
gezeichnet worden ist. 

b) Genauere Untersuchung des Spitzbogens zum Zweck des Zeichnens 
desselben. Wie wird sich der Spitzbogen des Fensters zeichnen lassen? 
Der Augenschein belehrt uns, jeder der beiden Teile AC und BC des 
Spitzbogens gehört einem Kreise an. Aber wo haben diese Kreise ihre 
Mittelpunkte, und wie gross sind ihre Halbmesser? 

Eins wissen wir von früher her (vergl. V. Schuljahr S. 184), die 
Gerade AC (Fig. 6) des Bogens links ist eine Sehne in demjenigen 
Kreise, welchem der Bogen angehört, und der Mittelpunkt des Kreises 
liegt in der Winkelrechten, welche in dem Halbierungspunkte der Sehne 
errichtet wird (vergl. V. Schuljahr S. 184). Das Gleiche gilt auch von 
dem Bogen und der Sehne BC. Errichtet jetzt die Winkelrechten auf 
den Sehnen AC und BC! Durch Probieren mit dem Zirkel finden wir 
unschwer in den beiden Winkelrechten die zwei Mittelpunkte der beiden 
Kreise und Kreisbögen. Wir gelangen hierbei merkwürdigerweise in die 
beiden Endpunkte der Spannweite oder in die beiden Bogenanfänge A 
und B, so dass der Mittelpunkt des Bogens AC in B und der des Bogens 
BC in A liegt, die Spannweite AB zugleich Halbmesser der beiden Kreis- 
bögen und Kreise ist. 

c) Nun ist's ein Leichtes, den Spitzbogen zu ziehen. Beschreibt das 
Verfahren ! Zeichnet den Spitzbogen des Fensters ! Zeichnet das ganze 
Fenster a) an die Wandtafel ! b) ins Buch ! 

Stufe m a. 1. Untersucht und zeichnet jetzt auch das Altar- 
fenster der Annenkirche, der Georgenkirche, das Fenster des Sch.schen 
Hauses in der Theaterstrasse nach den ermittelten Massverhältnissen! 
Auch in den Spitzbogen dieser Fenster liegen die Mittelpunkte der Einzel- 
bögen in den Bogenanfängen^ so dass die Spannweite zugleich Halbmesser 
der Bögen und jeder der Bögen ein Sechstel des ganzen Elreises ist 
(deutscher Spitzbogen). 

2. Welche Gestalt würde der Spitzbogen aber erhalten haben, wenn 
er (wie in Fig. 7) von den Punkten m und n aus mit dem Halbmesser 



124 «Das sechste Schuljahr. 

mB=iiA gebildet worden wäre? welche, wenn man die Punkte o und 
p als HHttelpunkte und oB und pA als Halbmesser angenommen hätte? 

Wie unterscheiden sich diese Formen von den vorhergehenden? 
(Niedriger, gedrückter Spitzbogen; erhöhter Spitzbogen.) Und wie alle 
diese Spitzbogen von den Rundbogen, die wir früher gezeichnet? 

Stufe lY a. 1. Man unterscheidet gleichseitige, niedrige und er- 
höhte Spitzbogen. 

2. Bei dem gleichseitigen oder deutschen Spitzbogen sind die Bogen- 
anfange zugleich die Mittelpunkte der Bögen, von denen jeder ein 
Sechstel des ganzen Kreises ist. 

3. Bei dem niedrigen Spitzbogen liegen die Mittelpunkte auf der 
Spannweite innerhalb des Bogens. 

4. Bei dem erhöhten Spitzbogen liegen die Mittelpunkte ausserhalb 
des Bogens in den Verlängerungen der Spannweite. 

Stufe Ya. 1. Es soll die Yorderansicht der Orgel in unserm 
Schulsaal gezeichnet werden. Sie ist in ihrem obem Teüe im gotischen 
Stile ausgeführt. In dem mittlem Hauptfelde zeigt sie einen grossem 
gotischen Bogen, zu beiden Seiten etwas tiefer stehende Spitzbogen von 
derselben Form. 

Untersucht, welcher von den drei Formen die Spitzbogen angehören ! 

Untersuchung ihrer Massverhältmsse ! 

Zeichnung der Yorderansicht der Orgel! 

2. Wo sind wir sonst noch dem Spitzbogen begegnet! In dem 
kleinen nördlichen Giebelfenster unseres Schulhauses ; in den Fenstern der 
St. Georgenkirche; in den Fenstern zweier Häuser in der Theaterstrasse. 
Ermittelung der Massverhältnisse dieser Bogen ! Zeichnen derselben ! 

3. Zeichnet einen gleichseitigen Spitzbogen von 12 mm Spannweite! 
Zeichnet einen niedrigen Spitzbogen von 16 mm Spannweite, in welchem 
die Mittelpunkte im 1. und 3. Yiertel der Spannweite liegen! Zeichnet 

. einen erhöhten Spitzbogen von 20 mm Spannweite, in welchem die Mittel- 
punkte der beiden Bögen 4,5 mm über die Enden der Spannweite hinaus 
gerückt sind! 

Stufe IIb. 1. Wir ergänzen die beiden Bögen AC und BC 
(Fig. 6) des Spitzbogenfensters zu vollständigen Kreisen (angedeutet in 
Fig. 5), und erhalten zwei Kreise, welche einander in zwei entgegen- 
gesetzten Punkten C und D schneiden. Die Gerade AB ist die Central- 
linie beider Kreise, die Gerade CD eine gemeinsame Sehne derselben; 
die geschlossene Figur AD BC heisst ein regelmässiges Bogenzweieck ; die 
obere Hälfte dieses Bogenzweiecks aber stellt unsem Spitzbogen dar. 
Als was kann derselbe hiemach angesehen werden? 

Fassen wir das entstandene Bogenzweieck etwas genauer ins Auge. 

Schneidet das Bogenzweieck aus und faltet, es um die Centrallinie 
(Breite) AB! Was ergiebt sich? AB teilt das Zweieck in zwei gleiche 
Teile; die Stücke über und unter der Breite AB sind völlig gleich, 
unser Zweieck ist ebenmässig (symmetrisch), AB ist auch Ebenmässlinie 
(Symmetrale). 

Faltet jetzt das Bogenzweieck um die Höhenlinie CD ! Auch sie 
teilt das Zweieck in zwei völlig gleiche Teile; das Zweieck ist auch in 
Bücksicht auf seine Seiten rechts und links ebenmässig; auch die Höhe 
CD ist Ebenmässlinie. 



Das sechste Schuljahr. 125 

Faltet jetzt unser Bogenzweieck erst um AB und sodann auch iU' 
gleich noch um CD ! Was ergiebt sich hieraus ? Breitenlinie und Höhen- 
linie in unserm regelmässigen Bogenzweieck schneiden einander unter 
rechten Winkeln und halbieren einander, was auch schon der Augenschein 
lehrte. (Vgl. Hoffmann, Vorschule der Geometrie, Halle 1874.) 

Stufe mb. 1. Ob alles das bei den Bogenzweiecken, denen die 
Spitzbogen des Georgenkirchfensters, des Giebelfensters unserer Schule, 
der Vorderseite unserer Orgel angehören, ebenso ist? Zeichnet die 
Bogenzweiecke ! Sie sind sämtlich regelmässige Bogenzweiecke, und alles, 
was wir vorhin gefunden, trifft auch bei ihnen zu. 

2. Wie verhält sich aber die Sache, wenn das Bogenzweieck gebildet 
wird a., durch zwei gleiche Kreise, deren Mittelpunkte innerhalb des 
Bogenzweiecks liegen (Fig. 7)? b., durch zwei gleiche Kreise, deren 
Mittelpunkte ausserhalb des Zweiecks liegen (Fig. 7)? c, durch zwei 
ungleiche Kreise ? Zeichnet diese Fälle ! Fasst das Ergebnis zusammen ! 
(In den Fällen a und b sind die Bogenzweiecke allseitig ebenmässig; 
Breitenlinie AB und Eckenhöhe CD sind Ebenmasslinien, stehen recht- 
winklig aufeinander und halbieren einander; die Sehnen im Spitzbogen 
sind einander gleich, aber nicht gleich der Spannweite, Im Falle c ist 
das Bogenzweieck einseitig ebenmässig (oben-unten) ; nur die Breitenlinie 
AB ist Ebenmasslinie ; beide Hauptlinien schneiden einander unter rechten 
Winkeln, halbieren aber einander nicht. Der Spitzbogen ist unregelmässig, 
die Sehnen der Bögen sind ungleich.) 

Stufe IV a. 1. Zwei Kreise können so zu einander liegen, dass 
sie einander schneiden. 

2. Wenn zwei Kireise einander schneiden, so ist das ihnen gemeinsam 
angehörige Flächenstück ein Bogenzweieck. 

3. Die einander schneidenden Kreise können gleich und ungleich sein. 
Im ersten Falle ist das entstandene Bogenzweieck regelmässig, allseitig 
ebenmässig; im letzten Falle ist es unregelmässig, einseitig ebenmässig. 

4. Im regelmässigen Zweieck schneiden Breitenlinie und Eckenhöhe 
einander unter rechten Winkeln, halbieren einander und sind beide Eben- 
masslinien. 

5. Die Hälfte des regelmässigen Bogenzweiecks über der Breitenlinie 
ist der gotische Spitzbogen. Die Sehnen in demselben sind gleich; sie 
bilden, wenn die Mittelpunkte der Bögen in den Bogenanfangen liegen, 
mit der Spannweite ein gleichseitiges, wenn die Mittelpunkte in gleichen 
Abständen von den Bogenanfangen innerhalb oder ausserhalb des Spitz- 
bogens liegen, ein gleichschenkliges Dreieck. 

6. Im unregelmässigen Bogenzweieck stehen die zwei Hauptlinien 
ebenfalls senkrecht aufeinander, aber sie halbieren einander nicht, und 
es ist nur die Breitenlinie zugleich auch Ebenmasslinie. Der Spitzbogen 
ist unregehnässig, denn die beiden Bögen sind nicht gleich; die Sehnen 
un Spitzbogen sind ebenfalls ungleich. 

Stufe V b. 1. Zu einer Centrallinie AB = 18 mm soll mit einem 
Halbmesser r s=5 18 mm ein regelmässiges Bogenzweieck gezeichnet werden ! 

2. Zeichnet zu einer Breite AB = 20 mm mittelst gleicher Kreise von 
16 mm (25 mm) Halbmesser von den Punkten A und B aus das Bogenzweieck! 

3. Untersucht, zu welcher Art vorgelegte Bogenzweiecke gehören! 

4. Im gleichseitigen Bogenzweieck schneiden Breitenlinie und Ecken- 



136 Das sechste Schuljahr. 

linie einander nnter rechten Winkehi. Sollte hierin nicht ein Hüttel ge- 
geben sein, a., eine gegebene Gerade zu halbieren b., auf eine ge- 
gebene Gerade in einem beliebigen Punkte (in einem gegebenen Punkte) 
die Winkelrechte zu errichten ? Aufsuchung und Angabe des Verfahrens ! 
Ergänzung der lY. Stufe durch den an dieser Stelle neu gewonnenen 
Satz*). 

Vielfache Übung im Halbieren von Geraden, sowie im Auftragen 
von Winkelrechten auf gegebene Gerade. 

5. Ob nicht das Verfahren, nach welchem wir seither schon das 
gleichseitige Dreieck aus der Seite, das gleichschenklige aus Grundlinie 
und Schenkel konstruiert haben, auch mit den Eigenschaften des gleich- 
seitigen Bogenzweiecks, bezüglich mit den Eigenschaften des regelmässigen 
Spitzbogens zusammenhängt, darin seine Begründung findet? Nachweis 
dieses Zusammenhangs ! Übung im Konstruieren gleichseitiger und gleich- 
schenkliger Dreiecke mit Hülfe des gleichseitigen Bogenzweiecks und 
Spitzbogens ! 

6. Es soll das Annenkirchfenster mit seinen drei Spitzbogen erklärt 
und gezeichnet werden! (In dem äussern Spitzbogen liegen noch zwei 
klehiere, innere Spitzbogen.) Zeichne die Spitzbogen zuerst mittelst voll- 
ständiger Kreisel dann in abgekürzter Weise! 

7. Zeichnet den mittleren Spitzbogen in der Vorderansicht (dem 
Prospekt) unserer Orgel mit seinem Beiwerk ! (Dieser gleichseitige Spitz- 
bogen hat eine Spannweite von 120 cm; über ihn erhebt sich ein gleich- 
schenkliger Spitzwinkel, welcher auf der nach beiden Seiten verlängerten 
Spannweite des Spitzbogens steht. Die Anfange der Schenkel liegen 
24 cm von den Bogenanfangen des Spitzbogens ab. Die beiden Winkel- 
schenkel sind die Sehnen eines anderen gleichseitigen Spitzbogens. Zeichnet 
diesen zweiten Spitzbogen! Zeichnet die ganze Figur unter Weglöschen 
der Bögen des äussern Spitzbogens!) 




Aufgabe. Wir wollen das Werkzeug besprechen, mit Hülfe dessen 
die Maurer die wagerechte Sichtung der Mauern herstellen (Setzwage). 

Die Kinder beschreiben nach eigener Anschauung die Setzwage und 
ihren Gebrauch seitens der Bauhandwerker. Hierbei kommt zur Er- 
örterung die wagerechte Eichtung (= der eines im Gleichgewicht befind- 
lichen Wagebalkens), die senkrechte Bichtung (»= der eines Lotes). Die 
eingehendere Besprechung findet sodann im Anschluss an ein solches 
Werkzeug und an eine Zeichnung desselben statt. Unsere Setzwage ist 



*) Auch auf der V. Stafe können zaweilen noch neue Sätze gewonnen 
Werden. Vergl. Her hart, AUgem. Pädagogik, 1806 S. 127. 



D&ß sechste Schuljahr. 



127 



ein gleichschenkliges Dreieck von 42 cm Schenkellänge und 56 cm Gb:und- 
seite. An der Spitze desselben ist ein Lot befestigt. Die Spitze liegt 
winkelrecht über der Mitte der Grundseite. An unserer Setzwage ist 
diese Winkelrechte von der Spitze auf die Mitte der Basis durch einen 
Riefen angedeutet, der Fusspunkt derselben durch einen kleinen halbkreis- 
förmigen Ausschnitt bezeichnet. Giebt man der Winkelrechten die Sich- 
tung des angebrachten Lotes (d. h. stellt man die Setzwage so, dass ihr 
Lot genau in die Sichtung der Winkelrechten fällt), so ist die Grund- 
seite wagerecht gerichtet; wird das auf der Grundseite stehende Werk- 
zeug so gerichtet, dass die Grundseite wagerecht gerichtet ist, so fallt 
die Winkelrechte mit dem Lote zusammen. Wird die Setzwage mit der 
Grundseite auf die Mauer aufgestellt und das Lot fällt mit der Winkel- 
rechten zusammen, so ist die Mauer oben wagerecht; fallen beide nicht 
zusammen, so ist die wagerechte Sichtung nicht vorhanden. Nach welcher 
Seite neigt im letzten Falle die Mauer? 

Prüft mit der Setzwage die wagerechte Sichtung der Tischplatte, 
des Fensterbretts u. s. w. ! 

Die Setzwage ist uns der Vertreter des gleichschenkligen Dreiecks, 
und dieses wieder steht in inniger Beziehung ziun Bogenzweieck und dem 
gleichschenkligen Spitzbogen. Narchweis dieses Zusammenhangs! Die Grund- 
seite entspricht der Breite des Bogenzweiecks, bezüglich der Spannweite 
des gleichschenkligen Spitzbogens, die gleichen Schenkel entsprechen den 
Sehnen der beiden Bögen. Was vom gleichschenkligen Spitzbogen gilt, 
gilt daher auch vom gleichschenkligen Dreieck. Die Höhe im gleich- 
schenkligen Dreieck ist Ebenmasslinie, halbiert die Grundseite und den 
Winkel an der Spitze; die Winkel an der Grundseite sind einander 
gleich. Beweis durch Umklappen um die Höhe. 

Könnte die Grundseite der Setzwage nicht auch kleiner sein als ein 
Schenkel? Könnte sie nicht auch die Form des gleichseitigen Dreiecks 
erhalten? Warum mag man ihr in der Segel aber doch die Form des 
gleichschenkligen Dreiecks mit der Grundlinie als der grössten Seite des- 
selben geben? 

5 Einheit 

Einige geschlossene architektonische Gebilde: 
das Kleeblatt, das Vierblatt, die dreiteilige rundbogige 

Fischblase 



Fig. 9 



Fig. 10 




/±' A -4^\ 

N > I I / 



Au f gäbe. Wir wollen die aus Kreisen und Kreisbogen bestehenden 
Figuren (Fig. 9 und 10) zeichnen, die wir in den gotischen Spitzbogen 



128 



Das sechste Schuljahr. 



der Annenkirchfenster keimen gelernt haben, sowie im Anschlnss hieran 
die Zierfigur, welche uns in den Füllungen der gusseisernen Ofenthüre 
im Zimmer unserer lY. Klasse aufgefallen ist (Fig. 12). 



Fig. 11 



Fig. 12 





In den Spitzbogen der Annenkirchfenster erscheinen abwechselnd 
das „Kleeblatt" (Fig. 9), und das „Yierblatt" (Fig. 10); in der Ofen- 
figur (Fig. 12) aber haben wir eine Form der rundbogigen „Fischblase" 
vor uns. Alle diese Formen kommen in der Baukunst sehr vielfach zur 
Anwendung. . 

Ein Blick auf die an der Tafel stehenden Zeichnungen dieser Figuren 
mit ihren Hülfslinien ergiebt die Konstruktionsweisen für die zu zeichnenden 
Gebilde. 

Wie wird zunächst ein „Kleeblatt** C^g- ö) konstruiert?] 
Ziehe einen Kireis und teile denselben in sechs gleiche Teile ! Schreibe 
dem Kireise das gleichseitige Dreieck ein! Verbinde die Mitten der 
Dreiecksseiten durch Gerade, wodurch das ganze Dreieck in vier kleinere 
gleichseitige Dreiecke zerlegt wird! Ziehe aus den Mittelpunkten der 
kleinen äussern Dreiecke mit dem Abstände dieser Mittelpunkte von den 
Ecken Kreisstücke, welche in den Mitten der grossen Dreiecksseiten zu- 
sammentreffen ! Lösche die Hülfslinien (die Dreiecke) weg! 

Oder in etwas anderer Weise: Ziehe einen 
(kleinern) Elreis (Fig. 13) und teile denselben in 
sechs gleiche Teile! Beschreibe mit demselben 
Halbmesser aus den Teilungspunkten 1, 3, 5 
ICreisstücke, welche in den drei übrigen Teilungs- 
punkten 2, 4, 6 zusammenstossen ! Umschliesse 
die drei Kreisstücke vom Mittelpunkte des An- 
fangskreises aus noch mit dem Kreise von doppelt 
so grossem Halbmesser ! Tilge den innern Kreis 
wieder ! 

Wie lässt sich das „Yierblatt" (Fig. 10) 
zeichnen ? 

Ziehe einen Kreis ! Beschreibe das Quadrat in denselben ! Verbinde 
die BEalbierungspunkte der Quadratseiten durch Gerade so mit einander, 
dass das dem grösseren eingeschriebene kleinere Quadrat entsteht! Ziehe 
nach aussen Halbkreise auf die Seiten des inneren Quadrats ! Lösche die 
Hülfsquadrate wieder weg! 



Fig. 13 




Das sechste Schuljahr. 



129 



Fig. 14 



Oder: Ziehe einen (kleinem) Kreis (Fig. 14) und teile ihn in 8 
gleiche Teile! Nimm die Sehne zwischen zwei benachharten Teilpunkten 
in den Zirkel und beschreibe mit dieser ZirkelÖffiiung von den Tau- 
punkten 2, 4, 6j 8 Kreisstücke auf den Anfangskreis, welche in den Teil- 
punkten 1, 3, 5, 7 zusammentre£fen! Ziehe den ümfassngskreis ! Lösche 
den innem (Hülfs-) Kreis wieder weg! 

Wo haben wir das Kleeblatt und das 
Vierblatt sonst noch gesehen? Das Kleeblatt 
in den Fensterbogen des Oberpfarreigebäudes, 
in den Stützen der Gasleuchter in der Georgen- 
kirche; das Yierblatt am Ladengetäfel eines 
Hauses in der Georgenstrasse. — Wie wird 
ein Fünfblatt, ein Sechsblatt konstruiert werden 
können ? 

Wie aber mag die eigentümliche drei- 
teilige dritte Figur (Fig. 12) entstanden sein? 
Wenn man die Kreisbogen im Linem des 
TJmfassungskreises zu vollständigen Kreisen 
ergänzt (Fig. 11), so erhält man die zusammengesetzte Kreisfigur, welche 
uns schon bekannt ist (Fig. 3) : einen Umfassungskreis mit drei in dem- 
selben liegenden gleichen kleineren Kireisen, die sich unter einander und 
mit dem Hauptkreise berühren. Wir dürfen daher nur die zusammen- 
gesetzte Kreisfigur nach dem uns bekannten Verfahren konstruieren und 
die nicht dazu gehörigen drei Kreigstücke wieder löschen, um die ver- 
langte Figur (die dreiteilige rundbogige „Fischblase") zu erhalten. Aus- 
führung der Konstruktion, und zwar 1. Darstellung der Form in natür- 
licher Grösse an der Wandtafel, 2. in verjüngtem Masse auf Papier! 

Vergleich des „Kleeblatts'^ des „Vierblatts", des „Fünfblatts" (der 
„fünfblättrigen Rose") mit der rundbogigen Form der „Fischblase". 
Bei den ersteren kamen einander schneidende, bei letzterer einander be- 
rührende Linenkreise in Betracht. Dort bleiben die Schnäbel bildenden, 
hier die in einander übergehenden Kireisstücke stehen. Könnte man 
nicht aber auch Kleeblätter und Vierblätter mit einander berührenden 
Kreisen bilden? 




6 Einheit 

Konstruktion der Spirallinie 

Auf gab e. Wir wollen die schöne Verzierungsform zeichnen, welche 
wir unlängst am gusseisernen Gitterthore der E.schen Villa angeschaut, 
und die wir gestern nochmals genau betrachtet haben. Wie haben wir 
^e Figur genannt? (Spirale.) Wiederhole kurz die Aufgabe! 

Anmerkung. Die Ausführung dieser Einheit siehe im „achten 
«chuljahre" Seite 151 flF. 



ido 



Bas sechste Schuljahr. 



7 Einheit 
Gerade und Kreis. Tangente. Tangentendreieck 

Fig. 15 




Aufgabe. Es soü die Deckenträgerstütze in der neuen Turnhalle 
gezeichnet und besprochen werden (Fig. 15). 

I. Stufe. Die Grundfigur der Stütze ist ein ungleichseitig-recht- 
winkliges Dreieck ABC mit dem rechten Winkel bei A, der Seite AB = 
100 cm, der Seite A0.= 150 cm. In das Dreieck ist ein Kreis so ein- 
geschrieben, dass er alle Seiten des Dreiecks berührt. Innerhalb des 
i^jeises liegt ein Yierblatt mit halbkreisförmigen Blättern. 

Das ungleichseitig-rechtwinklige Dreieck können wir aus den beiden 
Seiten AB und AC, welche den rechten Winkel bilden, schonzeichnen. 
Zeichnet dasselbe in angemessener Verjüngung! Auch den Elreis mit 
dem Vierblatt haben wir schon konstruieren gelernt (Fig. 10). Wiederholt 
die Konstruktion! Wie aber vermögen wir den Kreis so in das recht- 
winklige Dreieck einzuzeichnen, dass er alle drei Seiten des Dreiecks 
berührt, ein eingeschriebener Kreis wird? 

Stufe IIa. Offenbar muss zweierlei bestimmt werden: 1. der 
Mittelpunkt des Kreises im Dreieck, und 2. der Halbmesser desselben. 

Im Anschluss an eine genaue Husterzeichnung des Gebildes finden 
die Schüler unter angemessener Leitung des Lehrers: a. der Hittelpunkt 
des Kreises in unserm Dreieck liegt im Schnittpunkte der Winkel- 
halbierenden CO und BO, und b. die vom Mittelpunkte auf AC ge- 
zogene Winkelrechte OE ist der Halbmesser des Kireises. Wie können 
wir hiernach den Elreis in unser rechtwinkliges Dreieck einzeichnen? 
Konstruiert nach den gemessenen Seitenlängen in verjüngtem Masse das 
Dreieck! Zeichnet den Kreis in dasselbe! Legt in den eingeschriebenen 
Kreis das Vierblatt! 

Stufe nja. Eine ähnliche dreieckige Stütze mit eingeschriebenem 
Kreise fanden wir an dem Schlagbaum in der Mühlhäuserstrasse jenseits 
der Bahn (Fig. 22), nur dass der schräg aufwärts gerichtete Balken 
durch ein ungleichseitig stumpfwinkliges Dreieck mit eingeschriebenem 
Kreise ohne Vierblatt gestützt wurde. Wie lang haben wir bei unserer 
Messung die drei Seiten AB, AC, BC des Dreiecks gefunden? Ob man 
auch hier den Kreis nach dem beim rechtwinkligen Dreieck angewandten 
Verfahren einzeichnen kann? Führt die Konstruktion aus und gebt an, 
was ihr gefunden! 

In der Giebelfüllung einer Villa am Barfüsserteiche bemerkten wir 



Das sechste Schuljahr. 131 

ein gleichschenkliges Dreieck, dessen Grundseite AB wir auf 80 cm, und 
dessen Schenkel AC = BC wir auf 100 cm schätzten. Dasselbe war durch 
die Höhe CD auf die Gfrundseite AB in zwei rechtwinklige Dreiecke 
ACD und BCD zerlegt, ein jedes mit dem eingeschriebenen Kreise. Ver- 
sucht, ob ihr die Kreise auf die vorige Weise auch in diese Dreiecke 
einzeichnen könnt! 

Zeichnet in ein gleichseitiges Dreieck von 22 mm Seite, in ein 
gleichschenkliges von 30 mm Schenkel- und 36 mm Grundseitenlänge den 
eingeschriebenen Kreis! 

Was lernen wir daraus! 

Stufe rVa. 1. Ein Kreis innerhalb eines Dreiecks, welcher alle 
drei Seiten desselben berührt, heisst ein dem Dreieck eingeschriebener Kreis. 

2. Der Schnittpunkt der Winkelhalbierenden Linien im Dreieck ist 
der Mittelpunkt des eingeschriebenen Kreises. 

3. Die Winkelrechte vom Mittelpunkte auf eine der Dreieckseiten 
ist der Kalbmesser des eingeschriebenen Kreises. 

4. Angabe des Konstruktionsverfahrens für den ins Dreieck einzu- 
schreibenden Kreis. 

Stufe Va. 1. Nachzeichnen vorgelegter Dreiecksfiguren mit ein- 
geschriebenen ICreisen. 

2. Zeichnet a) in ein gleichseitiges Dreieck von 2 cm Seite, b) in 
ein gleichschenkliges von 25 mm Schenkellänge und 32 mm Grundseite 
den eingeschriebenen Kreis ! Brauchen wir in diesen beiden Fflllen noch 
eine besondere Winkelrechte vom Mittelpunkte auf eine Dreiecksseite zu 
legen, um den Kalbmesser zu gewinnen ? Vergleicht nach dieser Hinsicht 
das gleichseitige Dreieck und das gleichschenklige Dreieck miteinander! 

3. Es soll einem gegebenen Dreieck ein Kreis eingeschrieben und 
ein solcher auch umgeschrieben werden ! 

Stufe üb. Wir kehren zu unserer Trägerstütze in der Turnhalle 
(Fig. 15) zurück. Wie der Kreis die Dreiecksseiten berührt, so be- 
rühren umgekehrt die Dreiecksseiten den Kreis, sie sind Berührende 
(Tangenten) an den Kreis. Jede von ihnen würde, auch bei jeder denk- 
baren Verlängerung nach beiden Seiten, den Kreis doch nur in dem 
einen Punkte berühren. Anders bei den Winkelhalbierenden, die, von 
einem Punkte (A, B, C) ausserhalb des Kreises ausgehend, denselben 
bei gehöriger Verlängerung in zwei Punkten schneiden, einmal bei ihrem 
Eintritt in den Kreis, das andere mal bei ihrem Austritt aus demselben. 
Sie sind den Kreis durchschneidende (gerade) Linien (Sekanten). Wo 
haben wir solche Sekanten schon gesehen? 

Ziehen wir von den Berührungspunkten E, F, D der Tangenten AB, 
AG und BG Halbmesser in den Kreis, so steht jeder dieser Halbmesser 
winkelrecht auf seiner Tangente. 

Stufe mb. Ob das beim Kreis und seinen Tangenten immer so ist, 
und ob wir somit auf ein allgemeines Gesetz gestossen sind? Die Unter- 
suchung wird an allen den Figuren vorgenommen, die in den letzten Stunden 
gezeichnet worden sind. Und siehe, es trifft zu. Sprecht das Gesetz aus ! 

Stufe IV b. Zusammenfassung des neuen BegriflFlichen. 

1. Die Sekante ist eine Gerade, welche, von einem ausserhalb des 
SLreises liegenden Punkte ausgehend, den Kreis durchschneidet. 

2. Die Sekante trifft den Kreis in zwei Punkten. 

9* 



152 



Das sechste Schuljahr. 



3. Die Tangente ist eine Gerade ausserhalb des Kreises, welche, auch 
bei jeder möglichen YerlängeruDg derselben, den Kreis nur in einem 
Punkte berührt. 

4. Der Halbmesser nach dem Berührungspunkte steht winkelrecht 
auf der Tangente. 

Stufe Yb. 1. Ob man das unter Nr. 4 ausgesprochene Gesetz 
nicht benutzen könnte, um von einem gegebenen Punkte aus einen 
Berührungskreis an eine gegebene Gerade zu ziehen? (Lege von aus 
eine Winkelrechte an die gegebene Gerade, so ist diese der Halbmesser 
des Kreises, mit dem der Kreis von aus gezogen werden kann.) Aus- 
führung der Konstruktion! 

3. An dem Getäfel eines Ladens in der Georgenstrasse fanden wir 
zwei wagerechte parallele Gerade von 150 cm Länge und 20 cm Abstand 
von einander. Zwischen ihnen waren in gleichen Abständen 4 Kxeise 
angebracht, welche die Parallelen berührten. Die Mittelpunkte der beiden 
Endkreise lagen je einen Durchmesser weit von den Endlinien des Parallel- 
streifens ab. Die Form soll gezeichnet werden! 

3. An der Galerie eines Hauses am Prinzenteiche gewahrten wir 
ein Quadrat in ausgeschnittener Arbeit von (ungefähr) 60 cm Seite mit 
einem eingeschriebenen Kreise und mit einem zweiten dem ersten kon- 
zentrischen Kreise von nur halb so grossem Durchmesser. Aufsuchen, 
Aussprechen und Anwenden des Konstruktionsverfahrens! 

4. Dem Dreieck lässt sich ein Kreis einschreiben, dem Quadrat 
ebenfalls. *Wie ist das bei dem Rechteck? Wie so? Versucht es, dem 
regelmässigen Fünfeck (wie wir es auf dem Siegelring Luthers kennen 
gelernt haben) einen Kreis einzuschreiben! Am Barfässerwege fanden 
wir ein regelmässiges Achteck von 150 cm Seite abgegrenzt mit einem 
in demselben befindlichen kleinen Teiche, dessen Umfang als einge- 
schriebener Kireis angesehen werden konnte. Die Figur soll gezeichnet 
werden! a) Aufsuchen des Konstruktionsverfahrens! b) Ausführung der 
Konstruktion! Wie würden wir aber verfahren können, wenn wir mit 
der Zeichnung des Kreises beginnen und die Zeichnung des regelmässigen 
Tangentenachtecks folgen lassen wollten? Von welchen Sätzen würden 
wir beim Antragen der Tangenten Gebrauch machen? 

ö. Ergänzung des Systems durch die auf der V. Stufe neu ge- 
wonnenen Sätze. 

8 Einheit 

Winkelmessung. Winkelmesser 



Fia. 16 




Aufgabe. Es ist schon von uns bemerkt worden, dass wir auf 
imserer Schultreppe viel bequemer imd leichter aufsteigen können, ab 



Das sechste Schuljahr. 133 

auf mauchen Haustreppen, z. B. auf der in der Schuldienerwohnung ; dass 
es viel grössere Anstrengung kostet, den Schlossbergweg hinaufzusteigen, 
als es kostet, um den Weg hinter der neuen Turnhalle zu wandern. Wir 
wollen überlegen, wie das zugeht? 

So viel wissen wir schon, das Aufsteigen macht um so mehr Mühe, 
je steiler die Treppe, der Bergweg ist; es geht um so leichter und be- 
quemer, je allmählicher, sanfter Treppe und Weg aufsteigen. Es wird 
uns aber sofort schon durch den Augenschein klar, dass Schultreppe und 
Tumhallenweg eine geringere, die Treppe in der Dienerwohnung und der 
Weg auf den Schlossberg eine grössere Steigung haben. 

Aber wie mag sich eine solche Steigung genau bestimmen lassen? 
Wie mag zunächst die Steigung (Steilheit) der Schultreppe genau be- 
stimmt werden können? Bei dieser haben wir das leicht. Unter dem 
Treppenaufgang ist ein Bretterverschlag angebracht, dessen unterer Band 
AB (Figur 16) genau wagerecht unter dem Treppenbalken AC hinläuft. 
Der schräg aufwärts gehende Treppenbalken hat eine Länge von 284 cm, 
die Wagerechte AB unter demselben eine solche von 235 cm. Steigen 
wir nun auf der Treppe von A bis q, so sind wir gerade über dem 
Punkte m der Wagerechten; sind wir in r angekommen, so befinden wir 
uns über n ; haben wir die Höhe C erreicht, so stehen wir gerade über B. 
Nun hat unsere Messung ergeben: auf die wagerechte Entfernung 
Am = 50 cm kommt eine Steigung = qm = 34 cm ; auf die wagerechte 
Entfernung An = 150 cm die Höhe (Steigung) m = 102 cm ; auf die ganze 
wagerechte Entfernung AB = 235 cm die Höhe OB ==160 cm. Ist da- 
durch die Steigung nicht bestimmt? Können wir auf die Frage nach 
dem Grade der Steilheit nicht sagen: auf 50 cm wagerechte Entfernung 
kommt eine Steighöhe von 34 cm ? Und können wir hiemach die Treppe 
mit ihrer richtigen Steigung in verjüngtem Masse nicht auch genau an 
die Tafel zeichnen? Zeichnet die Treppe an die Wandtafel und stellt 
dabei das cm durch das mm dar! 

Eben so leicht haben wir es, die Steilheit des Weges hinter der 
neuen Turnhalle zu bestimmen, nur dass wir bei ihm besser thun, die 
Untersuchung in der Eichtung von oben nach unten anzustellen, also den 
Fall des Weges zu ermitteln^ der natürlich gleich der Steigung des- 
selben sein muss. Die wagerechten Fugenlinien an der Mauer der Turn- 
halle lassen bequeme und genaue Messungen zu. Es kommt aber nach 
den von uns vorgenommenen Messungen auf eine wagerechte Entfernung 
von 12 m ein Fall von 80 cm (auf eine wagerechte Entfernung von 
28 m ein solcher von 1,86 cm). Wie kann hiemach das Mass des Falles 
oder des Ansteigens ausgedrückt werden? (Auf eine wagerechte Ent- 
fernung von 12 m kommt ein Fall von 80 cm.) Stellt verjüngt das 
Wegstück hinter der Turnhalle nach diesen Massverhältnissen in einer 
genauen Zeichnung dar! 

Wie werden wir aber die Steigung des Weges auf den Schlossberg 
«rmitteln können, bei dem wagerechte Strecken und Steighöhen (Fall- 
tiefen) in Seitenmauem zum bequemen Ausmessen nicht vorhanden sind? 
Durch Nivellieren mit Hülfe einer Latte (eines Massstabes von mehreren 
Metern Länge), eines Lotes und einer Setzwa^e. Ausgerüstet mit diesen 
Werkzeugen, wird die Steigung des Weges an verschiedenen Stellen ge^ 



134 Das sechste Schuljahr. 

ine9sen, aus den einzehien Messergebnissen das Mittel gezogen und hierauf 
die Wegstrecke in der Schule genau gezeichnet. 
Nun hat sich aber ergeben: 

bei der Schul treppe auf eine wager. Strecke v. 50 cm eine Steigung v. 34 cm 

beim Wege hint. d. TumbaUe „ „ „ „ v.l2m „ „ v.80cm 

beim Schlossbergwege „ „ „ „ v. 14,5 m „ „ v.2m 

Wo ist aber nun die Steigung am grössten, und wie viel beträgt 
sie in dem einen Falle mehr als in dem andern? Das macht erst wieder 
eine Rechnung nötig: man muss ausrechnen, wie viel beträgt in jedem 
dieser Falle die Steigung auf eine wagerechte Strecke von 20 cm (oder 
von 50 cm, oder von 1 m, oder von 10 m u. s. w.), um eine genaue 
Yergleichung anstellen zu können. 

Um dieser Unbequemlichkeit aus dem Wege zu gehen, hat man 
nach einem Verfahren gesucht, durch welches die Steigung von vorn- 
herein so bestimmt werden kann, dass eine sofortige Verglerchung ohne 
vorher gegangene Umrechnung möglich ist. Wie hat man das angefangen ? 

Sehen wir wieder auf unser Treppengebüde (Fig. 16). Die wage- 
rechte Strecke AB des Treppen Vorschlags bildet mit dem schräg auf- 
steigenden Treppenbalken AO den Winkel GAB. Es ist ein spitzer 
Winkel. Würde man den in A drehbar befestigten Treppenbalken AC 
etwas nach AB zu herunter lassen, so würde der Winkel kleiner (spitzer), 
die Steilheit der Treppe geringer werden. Liesse man den Balken AC 
ganz herunter auf AB, so fielen die beiden Ausdehnungen zusammen, ein 
Winkel und eine Steigung wäre gar nicht mehr vorhanden. Drehte man 
von da ab den Balken AO um A ruckweise wieder aufwärts, so nähme 
der Winkel bei A jedesmal an G-rösse zu und mit dem Winkel zugleich 
auch die Steigung des Schenkels (Balkens) AC. Hätte AC endlich um 
A eine Vierteldrehung gemacht, so stände er senkrecht auf der Wage- 
rechten AB, bildete mit derselben einen rechten Winkel und hätte jetzt 
die höchste Steigung erlangt; denn noch weiter gedreht, bewegte er sich 
nach der entgegengesetzten Seite wieder abwärts. Die Steigung hangt 
daher von der Drehung des einen Schenkels vom andern oder, was das- 
selbe ist, von dem Winkel ab, den beide Schenkel mit einander bilden; 
und Winkel und Steigung können in folgender Weise bestimmt werden: 

Man zieht von A aus einen Kreis, welcher die Schenkel AB und AC 
durchschneidet, teilt den Kreis in 360 gleiche Teile, die man von dem 
Schenkel AB aus nach dem Schenkel AC hin numeriert, und nennt jeden 
dieser 360 Teile des Kreises einen Grad. Wird nun der Schenkel 
(Balken) AC aus der Lage AB bis zum ersten Gradstrich in die Höhe 
gedreht, so entsteht ein spitzer Winkel von 1 Grad (= 1 ^) ; und man 
sagt auch von der Steigung des Schenkels (Treppenbalkens) AC, sie be- 
trage 1 Grad (!<>). Dreht man AC um 3, 8, 20, 50, 80, 90 Grad 
von AB ab aufwärts, so beträgt auch der entstandene Winkel und die 
erfolgte Steigung 3, 8, 20, 50, 80, 90 Grad. Bei 90« hat AC eine 
Vierteldrehung gemacht, der Winkel ist ein Rechter geworden : der rechte 
Winkel (R) beträgt also 90 <>. Die Steigung ist bei 90« die. höchste. 

Es würde aber lange aufhalten, wollte man zur Winkelmessung den 
um den Winkel gezogenen Kreis immer erst in seine 360 Grade ein- 
teilen. Man hat daher im voraus und ein für allemal einen auf Papier, 



Das sechste Scliuljalir. 



155 



Fig. 17 




Messing, Hörn gezogenen Kreis oder Halbkreis genau in Ghrade abgeteilt, 
den man nun bequem zur Winkelmessung benutzen kann. Qewöhnlidh 
benutzt man hierzu nur einen Halbkreis, weil derselbe vollkommen aus- 
reicht und handlicher ist. Man nennt den zur Winkelmessung in seva^ 
180 Ghrad geteilten Halbkreis einen Winkelmesser oder Transporteur. 
Hier ist ein solcher, mit dem ihr nun 
umgehen lernen sollt (Fig. 17). 

Wie wird der Transporteur zur 
Winkelmessung benutzt? Die Schüler 
haben das Verfahren genau anzugeben 
und dasselbe sich einzuprägen. 

Bestimmt nun die Steigung unserer 
Treppe, des Weges hinter der Turn- „ 
halle, des Schlossbergweges in den voü 
uns entworfenen genauen Zeichnungen Ji|| 
auch nach Graden! 

Wie wird sich hiernach die Steigung des Basenplatzes unter der 
Wartburg, der Neigungswinkel der im Georgenthal und bei der Nesse- 
mühle zutage tretenden Gebirgdschichten etc. bestimmen lassen? 

(Messen einer wagerechten Strecke, Messen der Steighöhe, genaue 
Zeichnung, Messen des Winkels in der Zeichnung mit dem Transporteur.) 

Das Aufsteigen . einer Geraden von einer Wagerechten geht nur bis 
zu 90 ^ ; von da an nimmt es wieder ab. Zur Bestimmung der Steighöhe 
(Falltiefe) würde daher schon der Yiertelkreis mit seiner Gradeinteilung 
genügen. Aber man hat nicht selten auch Winkel zu bestimmen, die 
durch eine grössere als eine Vierteldrehung entstanden sind (stumpfe 
Winkel), und hierzu bedarfs des graduierten Halbkreises. Ist die Ab- 
drehung eines Schenkels vom andern 180 Grad, so liegen beide Schenkel 
in derselben Geraden, aber nach entgegengesetzten Seiten ; der durch «ie 
gebildete Winkel heisst ein gestreckter Winkel = 2 R. 

Vielfache Übungen im Schätzen, Messen von Winkeln, die in der 
Natur gegeben sind! die in Zeichnungen vorliegen! Z. B. 

a. Bestimmt aus der Zeichnung die Winkel, welche in einer Seiten- 
fläche der Nikolaiturmpyramide, in der achteckigen Grundfläche derselben 
vorkommen! die Winkel, die in der Dreiecksstütze in Fig. 15 vorkommen! 

b. Es soll der Winkel bestimmt werden, den der schräg aufwärts 
gerichtete Arm des Schlagbaums in der Mühlhäuserstrasse mit dem Pfosten 
macht, an dem er befestigt ist (Fig. 22)! 

c. Am Werrabahnübergang in der Mühlhäuserstrasse ist die Steigung 
der Bahn durch die Zahlen 1 : 50 ausgedrückt. Was soll das heissen? 
Zeichnet die Steigung! Ermittelt die Steigung nach Graden! 

d. An der Wandtafel stehen mehrere Winkel. Messt dieselben mit 
dem Transporteur und schreibt die Gradzahl in die Winkelöffnung! 

e. Zeichnet mit Hülfe des Transporteurs Winkel von 6, 9, 20, 30, 
45, 60, 80, 90, 100, 140 Grad! 

f. Zieht eine Wagerechte, teilt dieselbe in 10 gleiche Teile und 
tragt an die Teilungspunkte der Beihe nach von links nach rechts Winkel 
von 100, 90, 80, 70, 60, 50, 40, 30, 20, 10 Grad! 

g. Schätzt die an der Tafel stehenden Winkel nach Graden ab und 
prüft mit dem Transporteur eure Schätzungsresultate auf ihre Richtigkeit! 



186 



[Das sechste Schuljahr. 



h. Nehmt den Zirkel und bildet mit seinen beiden Armen Winkel 
Yon 90, 60, 45, 30, 20 Grad! 

i. Es ist 3, 6, 9; 2, 5, 11 Uhr; ^1^4:, ^1^6, »/^ll Uhr; wie gross 
jdnd die Winkel, welche die beiden Zeiger bilden ? 



9 Einheit 

Quadrat Diagonalen im Quadrat. Eechtwinklig- 
gleichschenkliges Dreieck. 

Fig. 18 




Aufgabe. Es soll die Vorderseite des eisernen Balkongeländers 
an dem M.schen Hause am Schlossberg besprochen und gezeichnet werden 
(Kg. 18). 

I. Stufe, a. Beschreibung der Form desselben nach der an Ort 
und Stelle erlangten Anschauung. Die Grundfigur ABCD ist ein Quadrat 
von 60 cm (= 6 dm) Seite, mit den beiden Diagonalen AG und BD, 
und mit den beiden Mittellinien GE und HF. In dem Quadrate liegen 
drei konzentrische Kreise : der eingeschriebene Kreis EFGH mit der halben 
Mittellinie = 30 cm als Halbmesser, ein zweiter Kreis von 25 cm Halb- 
messer, ein dritter von 5 cm Halbmesser. Das Quadrat wird oben und 
unten umrahmt von einem Rechteck, dessen Länge gleich der Quadrat- 
seite = 60 cm ist und dessen Höhe 15 cm beträgt. 

b. Darstellung des Gebildes in einer Freihandzeichnung aus dem 
Kopfe auf der Wandtafel unter Wiederholung der Beschreibung. 

c. Genaue Zeichnung des Quadrats mit seinen Diagonalen (ohne das 
übrige Beiwerk) mit Lineal und Zirkel aus der Quadratseite AB = 60 cm 
nach dem bereits bekannten Konstruktionsverfahren ! (AB =s 60 cm hin- 
gelegt, in A und B Winkelrechte errichtet und gleich AB gemarcht, zu- 
setzt die freien Endpunkte D und C der Winkelrechten durch die Gerade 
DC verbunden). Nachweis der Bichtigkeit der Zeichnung! 

n. Stufe. Im Anschluss an die genaue Zeichnung an der Wand- 
tafel schärfere Auffassung des Quadrats, um aus der Kenntnis seiner 
Eigenschaften neue Konstruktionsweisen zu gewinnen. 



Das sechste Schuljahr. 137 

1. Fassen wir das Quadrat rücksichtlich seiner Seiten und Winkel 
ins Auge. Dass seine Seiten gleich und seine Winkel rechte sind, wissen 
wir hereits. Ebenso ist uns bekannt, dass je zwei seiner Gegenseiten 
parallel laufen. Weü letzteres der Fall ist, können wir unser Quadrat ein 
Parallelogramni nennen; weil die Winkel rechte sind, ist es ein recht- 
winkliges, weil seine Seiten gleich sind, ist es ein gleichseitiges Parallelo- 
gramm : unser Geländerquadrat ist ein rechtwinklig-gleichseitiges Parallelo- 
gramm. 

Welches Konstruktionsverfahren lässt sich hieraus ableiten? Wir 
ziehen zwei wagerechte Parallelen in einem Abstände von 60 cm, und 
legen durch dieselben zwei senkrechte Parallelen, ebenfalls in einem Ab- 
stände von 60 cm. Das von diesen vier Geraden eingeschlossene Viereck 
ABCD ist das zu zeichnende Quadrat. Zeichnet nach diesem Verfahren 
das Quadrat! Prüft die Zeichnung auf ihre Hichtigkeit! 

2. An der Wandtafel steht wieder, jedoch ohne alle Nebenlinien, in 
genauer Zeichnung und natürlicher Grösse unser Geländerquadrat ABCD. 
Wir legen die Diagonale AC ein und finden: 

Die Diagonale AC ist grösser als die Quadratseite; die Messung 
ergiebt, sie hat eine Länge von 85 cm.*) Sie teilt das Quadrat ABCD 
in die beiden rechtwinklig gleichschenkligen Dreiecke ABC und ACD. 
Welches sind die gleichen Schenkel ? welches die rechten Winkel ? Klappt 
man die beiden Dreiecke um AC zusammen, so zeigt sich, ihre Seiten 
decken einander (sind gleich), ihre Winkel decken einander (sind gleich) ; 
die Dreiecke haben gleiche Gestalt und Grösse, sie passen ganz auf ein- 
ander, sie sind deckungsgleich (kongruent): die Diagonale AC ist Eben- 
masslinie. Bei dem Zusammenklappen um AC deckt der Winkel DAC 
den Winkel BAC, der Winkel DCA den Winkel BCA; die Diagonale 
hat also die rechten Winkel A und C des Quadrats halbiert, jeder der 
Teilwinkel ist ein halber B,echter = V2 •^* ^^® Diagonale AC ist auch 
Winkelhalbierende. Jedes der beiden gleichschenklig - rechtwinkligen 
Dreiecke hat hiernach zwei gleiche Schenkel von je 60 cm, eine Grund- 
seite AC von 85 cm und ferner 1 B und 2 halbe B, zusammen = 2 B. 

Löschen wir die Diagonale AC aus und legen dafür die Diagonale 
BD ein, so führt die Untersuchung zu ganz gleichen Ergebnissen. Wie 
heissen dieselben? Auch die Diagonale BD zerlegt das Quadrat in zwei 
deckungsgleiche (kongruente) gleichschenklig-rechtwinklige Dreiecke, ist 
Ebenmasslinie und Winkelhalbierende. Jedes der beiden rechtwinklig-gleich- 
schenkligen Dreiecke hat ausser dem B 2 halbe B zusammen = 2 B. 

3. Sollten sich aus diesen Eigenschaften unseres Quadrats nicht neue 
Verfahrungsweisen zum Zeichnen desselben ableiten lassen? Da die 
beiden rechtwinklig-gleichschenkligen Dreiecke, in welche das Quadrat 
durch eine Diagonale zerlegt wird, kongruent sind, so ist durch jedes der 
beiden Dreiecke auch das andere und somit auch das Quadrat bestimmt. 
Demnach dürfen wir nur, wenn wir die Diagonale AC ins Auge fassen, 
die beiden kongruenten rechtwinklig-gleichschenkligen Dreiecke ABC und 
ACD im richtigen Anschluss an einander zeichnen, um das Quadrat 
ABCD zu erhalten. 



*) Genauer 84,85 cid. 



138 Bas sechste Schuljahr. 

Was muss nns aber von dem rechtwinklig-gleichschenkligen Dreieck 
ABC bekannt sein, wenn dasselbe gezeichnet werden soll? Vermögen 
wir es zu konstroieren, wenn uns bekannt ist Schenkel AB = CB = Qaadrat- 
seite 60 cm? Wie zeichnen wir hieraus das Dreieck ABC und sodann das 
Quadrat ABCD ? Wir lassen AB = 60 cm und CB = 60 cm winkebecht 
in dem Punkte B zusammentre£Pen, verbinden die freien Endpunkte A und 
C durch die Gerade AC, und haben in ABC das eine der beiden Dreiecke 
unseres Quadrats. Weise nach, dass wirklich ABC das Hälftendreieck 
unseres Quadrates ist! Ist es gleichschenklig? rechtwinklig? ist AB 
z=ss CB = 60 cm, AC = 85 cm ? ist jeder Winkel an der Grundseite AC 
= i/g R = 45^? Dass die beiden Schenkel AB und CB gleich sind und 
einen rechten Winkel einschliessen, ist nicht weiter auffallend, wir haben 
ja beim Zeichnen die beiden Schenkel einander gleich und = 60 cm 
gemacht und sie unter einem rechten Winkel zusammengesetzt. Wunder- 
bar aber ist, dass Seite AC ganz von selbst die (richtige) Länge von 85 cm 
erhalten hat, und dass ebenso ganz von selbst jeder der beiden Winkel 
an AC = ^2 ^ = ^^^ gross geworden ist. Es muss gar nicht anders sein 
können, als dass, wenn wir die rechtwinklig zusammengestellten Schenkel 
60 cm lang machen, die Seite AC == 85 cm lang und jeder der beiden 
Winkel an derselben = ^/g R = 45*^ gross wird: das Dreieck muss durch 
die Länge der Schenkel und den eingeschlossenen rechten Winkel nach 
Gestalt und Grösse völlig bestimmt sein. 

4. Das eine der beiden Dreiecke unseres Quadrates ist fertig und 
richtig. Wie zeichnen wir nun im richtigen Anschluss an dasselbe das 
andere ACD? Die Seite AC hat dasselbe mit Dreieck ABC gemein. 
Auf dieser errichten wir darum mit den gleichen Schenkeln AD = CD 
= 60 cm das Dreieck, indem wir erstens von A und von C aus mit dem 
Halbmesser CD = 60 cm Bögen nach aufwärts schlagen, die sich in D 
kreuzen, und zweitens den Kreuzpunkt D mit A und mit C verbinden. 
Untersucht auch dieses Dreieck auf seine Richtigkeit 1 Welche Merkmale 
muss es haben ? Welchen dieser Stücke haben wir bei der Konstruktion 
die erforderliche Grösse gegeben? Welche haben von selbst die richtige 
Grösse erhalten? Welche Stücke haben also in diesem Falle Form und 
Grösse des Dreiecks bestimmt? (Die drei Seiten.) 

Bilden aber die beiden an einander geschlossenen Dreiecke ABC und 
ACD das zu zeichnende Geländerquadrat? Nachweis der Richtigkeit! 

Wie würde es werden, wenn wir unser Quadrat durch die Diagonale 
BD in die beiden Dreiecke ABD und CBD zerlegten und aus diesen das 
Quadrat zu zeichnen versuchten? Wir würden auf dem gleichen Wege 
zum Ziele gelangen. 

Zeichnet nach dem eben beschriebenen Verfahren das ganze Balkon- 
geländer mit allen seinen Haupt- und Nebenteilen genau und sauber in 
euer Buch! 

5. Wie aber, wenn uns von dem Balkongeländerquadrat zwar die 
Länge der Diagonale AC = 85 cm, nicht aber die Länge der Quadratseite 
AB bekannt wäre? Ob wir gleichwohl das Quadrat zeichnen könnten? 
Überlegt folgendes: Jedes der beiden Dreiecke ABC und ACD hat die 
Grundseite AC = 85 cm und an derselben die beiden spitzen Winkel von 
je 1/2 R= 45®. Sollte hierin nicht ein Fingerzeig liegen, wie wir zu- 
erst das rechtwinklig-gleichschenklige Dreieck ABC und hernach im' An- 



Das sechste Schuljahr. 139 

Schlüsse daran auch das demselhen kongruente Dreieck AGD und somit 
das Quadrat ABGD zu zeichnen imstande wären? 

Angahe des Verfahrens ! Ausführung der Zeichnung nach demselben ! 
Welche Stücke hatten nach Konstruktion die richtige Grösse erhalten? 
(Seite AC = 85 cm und die beiden anliegenden Winkel = Vg R). Welche 
waren von selbst gleich geworden? Durch welches Stück ist hiemach 
unser rechtwinklig- gleichschenkliges Dreieck ABC, und sonach auch das 
Quadrat bestimmt? (Durch die Grundseite = Diagonale AC.) 

6. Legen wir in unser Geländerquadrat ABCD (Fig. 18) beide 
Diagonalen AC und BD zugleich ein, so ergiebt sich durch den Augen- 
schein, durch das Messen der in Frage kommenden Linien und Winkel, 
sowie durch das zweifache Zusammenfalten (Umklappen) der betreffenden 
Stücke folgendes: a. Die Diagonalen AC und BD sind gleich, halbieren 
und schneiden einander unter rechten Winkeln, b. Sie zerlegen das 
Quadrat in die vier kongruenten rechtwinklig-gleichschenkligen Dreiecke 
AOB, BOG, COD, DOA. c. Jedes der vier Dreiecke hat eine Quadrat- 
seite = 60 cm zur Grundseite und zwei Halbdiagonalen von je 42,5 cm 
zu Schenkeln. Die rechten Winkel liegen am Schnittpunkt der Diago- 
nalen; an den Grundseiten (= Quadratseiten) liegen wieder je zwei 
Winkel von je 45^. d. Durch jedes dieser Dreiecke sind auch die drei 
andern und somit auch das Quadrat bestimmt. 

7. Sollten sich hieraus nicht noch andere Konstruktionsweisen füi- 
das Quadrat gewinnen lassen? Aus welchen Stücken das rechtwinklig- 
gleichschenklige Dreieck konstruiert werden kann, wissen wir. Aus 
welchen nämlich? 1. Aus der Grundseite, 2. aus dem Schenkel. Ist uns 
nun bekannt die Quadratseite AB = 60 cm, wie können wir alsdann das 
gleichschenklig-rechtwinklige Dreieck AOB, und wie im weitem auch das 
Quadrat ABCD konstruieren? Wir legen AB = 60 cm wagerecht hin, 
setzen in A und B nach aufwärts Winkel von 45^ an und lassen die 
Schenkel einander in schneiden; dann ist AOB das eine der vier kon- 
gruenten Teildreiecke. Verlängern wir nun die Schenkel AO und BO 
jeden um sich selbst bis nach C und D und verbinden wir noch C mit 
D, C mit B und D mit A, so ist ABCD unser Quadrat. Führt die 
Zeichnung nach diesem Verfahren aus! Prüft die Zeichnung auf ihre 
Richtigkeit ! 

8. Legt in das Balkonquadrat (Fig. 18) auch die beiden Mittel- 
linien GE imd HF ein und gebt an, was ihr bemerkt! Sie halbieren 
einander und schneiden einander unter rechten Winkeln; sie teilen das 
Quadrat in vier gleiche kleinere Teilquadrate von 30 cm Seite. Klappt 
AEGD und GE, HFCD um HF und sagt, was sich ergiebt ! Es erfolgt 
beidemale Deckung: die Mittellinien sind zugleich Ebenmasslinien , das 
Quadrat ist allseitig ebenmässig. 

9. Es fehlen uns in unserm Quadrate noch die drei konzentrischen 
Kreise. Der grössere ist der eingeschriebene Kreis (der die Quadrat- 
seiten in ihren Halbierungspunkten berührt); er hat die halbe Mittel- 
linie = halbe Quadratseite zum Halbmesser. Die- übrigen beiden Kreise 
haben bei dem gleichen Mittelpunkte Halbmesser von 25 cni und von 5 cm. 

Genaue Zeichnung des Quadrates mit seinen Diagonalen, Mittellinien 
konzentrischen ICreisen, sowie den Rechtecken oben und unten ins BeinheftJ 



140 Das sechste Schuljahr. 

Stnf e in. 1. Wiederholt die Konstmktion, indem ihr a. von der 
senkrechten Qoadratseite AT) (BC), b. von der wagerechten DC ausgeht ! 

Wiederholt die Konstruktion zu einem grossem Quadrate von 96 cm 
Seite! zu einem kleinem von 24 cm Seite! Prüft in jedem einzelnen 
Falle, ob ein genaues Quadrat entstanden ist! Sprecht das Ergebnis aus! 

Es sei uns aber von unserm Geländerquadrate die Diagonale AG ^ 
85 cm bekannt und folglich auch die Halbdiagonale AO == 42,5 cm; 
wie können wir alsdann das Quadrat aus den vier Dreiecken konstruieren? 
Wir lassen zwei Gerade rechtwinklig einander in schneiden, machen 
von aus jeden der vier Arme gleich der Kalbdiagonale = 42,5 cm, 
nennen die vier Arme OA, OB, OC, OD und verbinden der B.eihe nach 
die freien Endpunkte A, B, C, D durch Gerade mit einander ; ABCD ist 
dann unser Quadrat. Nachweis der B.ichtigkeit ! Haben wir hier wieder 
die beiden rechtwinklig einander schneidenden und einander halbierenden 
gleichen Diagonalen ? die vier kongruenten, rechtwinklig-gleichschenkligen 
Dreiecke mit den rechten Winkeln am Schnittpunkte der Diagonalen? 
Führt die Konstruktion auch mit andern (grossem und kleinem) Diago- 
nalen aus und prüft jedesmal die entstandene Zeichnung auf ihre Bichtig« 
keit! Was lernen wir hieraus? 

rV. Stufe. Zusammenfassung alles Neugelemten. 

1. Zwei Dreiecke, welche an Gestalt und Grösse ganz gleich sind (in 
allen ihren Seiten und Winkeln übereinstimmen, einander decken), 
heissen deckungsgleiche oder kongruente Dreiecke. 

2. Ein gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck hat zwei gleiche Seiten 
(Schenkel), welche den rechten Winkel einschliessen. Die dem 
rechten Winkel gegenüberliegende dritte Seite (Grundseite) ist grösser 
als ein Schenkel. Von den beiden Winkeln an der Grundseite ist 
jeder ^/^ B, = 45®; die Summe der drei Winkel im rechtwinklig- 
gleichschenkligen Dreieck = 2 B,*) 

3. Ein rechtwinklig-gleichschenkliges Dreieck ist bestimmt a. durch die 
Grundseite, b. durch den (gleichen) Schenkel, und kann daher aus 
diesen Stücken konstruiert werden. Demnach sind gleichschenklig- 
rechtwinklige Dreiecke, welche übereinstimmen a. in der Grundseite, 
oder b. in den gleichen Schenkeln, kongruent. 

4. Das Quadrat ist ein Parallelogramm, welches lauter gleiche Seiten 
und lauter rechte Winkel hat. 

5. Jede Diagonale im Quadrat halbiert zwei entgegengesetzte Winkel 
in demselben und teilt das Quadrat in zwei kongruente gleichschenklig- 
rechtwinklige Dreiecke : die Diagonale im Quadrat ist Ebenmasslinie 
und Winkelhalbierende. 

6. Beide Diagonalen im Quadrat sind einander gleich, halbieren einander, 
schneiden einander unter rechten Winkeln und teilen das Quadrat 
in vier kongruente, gleichschenklig-rechtwinklige Dreiecke. Durch 
jedes dieser Dreiecke sind auch die drei andern bestimmt. 

7. Das Quadrat ist bestimmt a. durch die Quadratseite, b. durch die 
Diagonale, und es kann daher aus jedem dieser Stücke konstruiert werden. 



*) Dass der letzte Satz allgemein, d. h. von allen Dreiecken gilt, lernen 
die Scnüler erst später. 



Das sechste Schuljahr. 141 

Quadrate a. von gleicher Seite, b. von gleicher Diagonale sind ein- 
ander gleich (kongruent). 
Y. Stufe. 1. In ein Quadrat ist a. eine Diagonale gelegt, sind 

Ix die beiden Diagonalen gelegt; Zusammenstellung der Sätze, die sich 

in Bezug hierauf ergeben haben l 

2. Zusammenstellung der Konstruktionsweisen für das gleichschenklig- 
rechtwinklige Dreieck und für das Quadrat, sowie Angabe der Sätze, auf 
welche sich dieselben gründen! 

3. Wir haben die Seite der quadratischen Gitterthüre des Klemda- 
gartens zu 1,5 m, die in dem Quadrate liegende Diagonale zu 2,12 m gefunden. 
Es soll nach dem verjüngtem Massstabe die Thüre a. aus der Quadrat- 
seite, b. aus der Diagonale gezeichnet werden! 

4. Auf dem Vorplätze des D.schen Hauses im Johannisthaie haben 
wir in einem eisernen Geländer das Quadrat mit seinen Diagonalen, 
einer Mittellinie, einem eingeschriebenen Kreise angewandt gefunden. 
Genaue Beschreibung der geometrischen Form ! Angabe der Konstruktion ! 
Zeichnung der Geländerform nach den ermittelten Massen! 

5. In ein Quadrat sind die beiden Diagonalen und die beiden Mittel- 
linien gelegt; was lässt sich vergleichsweise über sie sagen? Sie sind 
sämtlich Ebenmasslinien ; die Diagonalen teilen das Quadrat in vier gleiche 
Dreiecke, die Mittellinien in vier gleiche Teilquadrate ; ein Teilquadrat ist 
folglich gleich einem Teildreieck. Die Endpunkte der Mittellinien sind 
die Berührungspunkte für den ins Quadrat eingeschriebenen Kreis. Die 
halbe Mittellinie ist der Halbmesser für den eingeschriebenen, die halbe 
Diagonale ist der Halbmesser für den umgeschriebenen Kreis. — Ergänzung 
der rV. Stufe durch diese Sätze. 

6. Zeichnet in Verjüngung ein gleichschenklig- rechtwinkliges Dreieck 
ABC mit den gleichen Schenkeln AB = CB ^^ 75 cm ! 

7. Zeichnet alle ein gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck mit einer 
Grundseite von 2,5 cm; bringt darauf verschiedene eurer Dreiecke zur 
Deckung und prüft, ob sie kongruent sind! 

8. Zeichnet ein gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck von 2,5 cm 
Schenkellänge und 4 cm Grundseite! Es geht nicht. Warum nicht? 

9. Zeichnung von Quadraten mit ihren Diagonalen, Mittellinien, ein- 
und umgeschriebenen Kjreisen a. aus der Quadratseite = 22 mm (15 mm, 
24 mm, 28 mm); b. aus der Diagonale = 36 mm (30 mm, 40 mm)! 
Die Quadrate sollen abwechselnd Seitenstellung und Eckstellung haben! 

10 Einheit 

Bechteck; ungleichseitig-rechtwinkliges Dreieck; 

gleichschenklig-schiefwinkliges Dreieck; Neben- und 

Scheitelwinkel 

(Siehe Fig. 19. Seite 142.) 

Aufgabe. Zeichnen des gusseisemen Gitterthores vor dem Vor- 
gArten des Sch.schen Hauses am Frauenberge. 

Die geometrische Erörterung beginnt mit der Beschreibung der Form 
äßs Gitterthores nach der an Ort und Stelle gewonnenen Anschauung. 
"Eb besteht aus vier Abteilungen. Die Grundformen derselben sind Becht- 
ecke, von denen die der beiden mittlem Abteilungen auf der Langseite 



142 



Das sechs tje Schuljahr. 



ruhen, die der beiden Endabteilungen aber auf der Schmalseite stehen. 
Bei der gleichen Höhe von 92 cm hat jedes der beiden mittlem eine 
Breite . (Orundseite) von 290 cm, jedes der beiden äussern von 82 cm. 
In jedem der vier Bechtecke liegen die beiden Diagonalen, deren Durch* 
Schnittspunkt durch einen kleinen Kreis von 5 cm Halbmesser um- 
schlossen wild. 













Fig 


. 19 












































- 


::^ 


^ 




-^ 


"^ 































Zur genauem Betrachtung heben wir eins der Mittelstücke aus 
(Pig. 19). Das Rechteck ABCD hat oben und unten noch einen recht- 
eckigen Bahmen von 12 cm Höhe ; 24 senkrechte, in gleichen Abständen 
von einander stehende, oben mit einer Pfeilspitze versehene Stäbe ragen 
noch 18 cm über den obem Bahmen hinaus. In diesem liegen 24 gleiche, 
die parallelen Langseiten berührende Kreise, die das Yierblatt in sich 
tragen, und die von den senkrechten Stäben in ihren Mitten durchschnitten 
werden. Pfeilspitzen und Kreise sind in der Figur 18 oben weggelassen. 

Nach der Beschreibung folgt die Darstellung der Mittelabteilung des 
Thores mit allem Beiwerk in einer Freihandzeichnung aus dem Kopfe 
an der Wandtafel oder auf Papier. 

Im Anschluss an eine genaue Zeichnung der Gitterform an der 
Wandtafel oder auf einer Wandkarte treten sodann die Schüler zwecks 
Auffindung neuer Konstruktionsweisen unter Leitung des Lehrers in die 
eingehende Untersuchung des Rechtecks ein, nach deren Abschluss die 
exakte Zeichnung des ganzen Gebildes mit allem Neben- und Beiwerk 
mittelst Zirkel und Lineal ausgeführt wird. 

Aus den Erörterungen der 2., den Vergleichungen der 3. und den 
Zusammenfassungen der 4. Stufe lernen die Schüler 

a. das Rechteck, seine Eigenschafben, Bestimmungsstücke, Konstruktions- 
weisen und 

b. das ungleichseitig-rechtwinklige, sowie das gleichschenklig-schief- 
winklige Dreieck, seine Eigenschaften, Bestimmungsstücke und Kon- 
struktionsweisen 

kennen. Im einzelnen lässt sich der neue begriffliche Gewinn aus dieser 
Einheit so zusammenfassen: 

1. Das Rechteck ist ein Parallelogramm, welches, wie das Quadrat, 
vier rechte Winkel hat, in dem aber nur die Gegenseiten einander 
gleich sind. 

2. Die Diagonale im Rechteck teilt dieses in zwei kongruente, ungleich- 
seitig-rechtwinklige Dreiecke, in denen man, wie im rechtwinkligen 
Dreiecke überhaupt, die beiden den rechten Winkel einschliessenden 



Das sechste Schuljakr. 143 

Seiten die Katheten, die dem rechten Winkel gegenüberliegende 
Seite die Hypotenuse nennt. Die Diagonale ist aber weder Winkel- 
halbierende, noch Ebenmasslinie ; das eine Dreieck mnss vielmehr 
in der Blattebene erst um 180 Grad gedreht werden, ehe es beim 
Übereinanderbringen zur Deckung mit dem andern gelangt. Durch 
das eine Dreieck ist aber auch das andere und somit auch das 
Bechteck bestimmt. Auch in jedem dieser rechtwinklig-ungleich- 
seitigen Dreiecke betragen die beiden spitzen Winkel zusammen 1 E., 
alle drei Winkel also 2 R. Durch einen der spitzen Winkel ist 
auch der andere bestimmt. 

3. Beide Diagonalen im Bechteck sind einander gleich, halbieren ein« 
ander und schneiden einander unter schiefen Winkeln. Sie teilen 
das B.echteck in vier gleichschenklige Dreiecke, von denen zwei 
spitzwinklig-gleichschenklig, zwei stumpfwinklig-gleichschenklig sind. 
Nur die einander gegenüberliegenden sind kongruent. Wenn aber 
eins dieser Dreiecke bekannt ist, sind durch dasselbe auch die 
übrigen und damit das ganze Bechteck bestimmt. Auch in den 
schiefwinklig-gleichschenkligen Dreiecken sind die Winkel an der 
Grundseite einander gleich und machen mit dem Winkel an der 
Spitze zusammen 2 B aus. 

4. Die beiden einander schneidenden Diagonalen bilden am Durchschnitts- 
punkte 4 Winkel. Je zwei nebeneinander liegende Winkel der- 
selben heissen Nebenwinkel; je zwei einander gegenüberliegende heissen 
Scheitelwinkel. Ein Winkel und sein Nebenwinkel machen zusammen 
2 B = 180 ^ ; Scheitelwinkel sind einander gleich. Die vier um den 
Schnittpunkt herum liegenden Winkel machen zusammen 4B = 360 ^. 
Durch einen dieser Winkel sind auch die drei übrigen, sowie die 
sämtlichen Winkel in den vier Dreiecken bestimmt. 

5. Das ungleichseitig-rechtwinklige Dreieck ist bestimmt und kann 
konstruiert werden, wenn gegeben sind a. die beiden Katheten, 

b. eine Kathete und die Hypotenuse, c. eine Kathete und der an- 
liegende spitze Winkel, d. die Hypotenuse und ein anliegender Winkel. 

6. Das gleichschenklig-schiefwinklige Dreieck ist bestimmt und kann 
konstruiert werden, wenn gegeben sind a. die Grundseite imd der 
Schenkel, b. die Grundseite und ein anliegender Winkel, c. ein 
Schenkel und der Winkel an der Spitze, d. die Grundseite und der 
gegenüberliegende Winkel an der Spitze. 

7. Das Bechteck ist bestimmt und kann konstruiert werden, wenn ge- 
geben sind a. zwei Nachbarseiten, b. eine Seite und die Diagonale, 

c. die Diagonale und ein Winkel am Durchschnitt der Diagonalen, 

d. eine Seite und die beiden spitzen Winkel, welchen die beiden 
Diagonalen mit ihr bilden, e. eine Seite und der ihr gegenüber- 
liegende Winkel am Schnittpunkte der beiden Diagonalen. 

8. Zusammen Stellung der hieraus sich ergebenden Konstruktionsweisen 
für die gedachten Dreiecke und für das Bechteck. 

Hierauf vielfache zeichnerische Darstellungen von angeschauten, ihren 
Grössenverhältnissen nach bestimmten Formen, denen das Bechteck zu 
Grunde liegt, sowie von Dreiecken gedachter Art und von Bechtecken, 
zu denen Bestimmungsstücke willkürlich gegeben sind; und Nachweis, 
dass auch bei allen diesen Formen die obigen Sätze ihre Gültigkeit haben* 



144 



Das sechste Schuljahr. 



11 Einheil 

Der Bhombus; das Bhomboid; das gemeine Dreieck 
Kongruenzsätze 

Fig. 20 




Aufgabe. Es sollen die eisernen Treppengeländer vor dem S.schen 
Hause in der Kasemenstrasse und an dem Aufgang zur Werrabahnbrücke 
am Bahnhofe besprochen und gezeichnet werden. 

Das erste, welches in einer Zeichnung hier nicht mit vorgeführt 
worden, ist seiner Grundform nach ein gleichseitig-schiefwinkliges Parallelo- 
gramm (Bhombus, Baute), das zweite, in Fig. 20 dargestellt, ist ein 
schiefwinklig-ungleichseitiges Parallelogramm (Ehomboid). 

Im Anschluss an diese schiefwinkligen Geländerparallelogramme führt 
die Betrachtung zu den Eigenschaften des Hhombus und Bhomboids, zu 
den Gesetzen ihrer Diagonalen und zu den verschiedenen Bestimmungs- 
stücken und Konstruktionsweisen beider Parallelogrammformen; sowie zu 
dem ungleichseitig-schiefwinkligen (gemeinen) Dreieck und seinen Be- 
stimmungsstücken. 

Wir legen die Diagonalen in das Ehomboid und erhalten eine neue 
Art des Dreiecks, das ungleichseitig-schiefwinklige oder das gemeine 
Dreieck, mit welchem die Beihe der Dreiecksformen erschöpft ist. Indem 
wir zur Konstruktion des gemeinen Dreiecks die Bestimmungsstücke des- 
selben aufsuchen, gelangen wir zu den allgemeinen, d. h. für alle Dreiecke 
gültigen Kongruenzsätzen, die durch vielfache Anwendung in Lösung von 
Konstruktionsaufgaben zu voller Deutlichkeit und sicherer Aneignung ge- 
bracht werden. Das Messen der Winkel in den Parallelogrammen und 
Dreiecken, der Winkel um den Schnittpunkt der Diagonalen fuhrt auf 
die Sätze von der Winkelsumme im Dreieck, im Parallelogramm (Viereck), 
von den Winkeln um einen Punkt herum, so wie auf die Sätze von den 
Neben- und Scheitelwinkeln. 

Die fünfte Stufe dieser Einheit muss reiche Übungen und Anwen- 
dungen bringen. Sie bestehen der Hauptsache nach im Aufisuchen von 



Das sechste Schuljahr. 



145 



Zierformen mit dem schiefwinkligen Parallelogramm als ihrer Grundlage, 
in dem Messen und Zeichnen, sowie im Umformen derselben, in dem 
eigenen Erfinden und Darstellen dergleichen Formen. Wo haben wir 
Formen mit dem schiefwinkligen Parallelogramm beobachtet? In der 
Füllung einer Hausthüre in der Karlsstrasse fanden wir ein auf der 
Langseite ruhendes Bechteck, in welchem je zwei benachbarte Seiten- 
halbierungspunkte durch Gerade verbunden waren. Welche Art des 
schiefwinkligen Parallelogramms war dadurch entstanden? Zeichnet die 
Form nach den ermittelten Massen! Zeichnet die Form auf der Breiir 
seite stehend! Zeichnet die Form in Eckstellung so, dass a. die lange 
Diagonale des Bhombus, b. die kurze Diagonale desselben senkrecht 
steht! — Sind wir nicht auch beim regelmässigen Bogenzweieck dem 
Bhombus schon begegnet? Nachweis! — In dem Rhombus des Bogen^- 
zweiecks, dem der Spitzbogen des Annenkirchfensters angehört, haben 
wir eine besondere Art desselben vor uns : die kurze Diagonale ist gleich 
der Hhombusseite. Zeichnet einen solchen Bhombus! — Legt in einen 
Bihombus, in ein Bhomboid die Breitenlinie ein und untersucht, was für 
Figuren entstanden sind! Legt in dieselben die beiden Diagonalen zu- 
gleich ein und beurteilt die entstandenen Figuren! Untersucht, ob sich 
dem Bhombus, dem Bhomboid a. ein Kreis einschreiben lässt (der alle 
Seiten berührt) ? b. ein Kreis umschreiben lässt (der durch alle vier Eck- 
punkte geht)? Warum geht es nicht? u. s. w. 

Nach Beendigung dieser Einheit dürfte eine (willkürliche) Wieder- 
holung am Platze sein, in welcher ein grösserer Teil des geometrischen 
Systems ausgebildet wird. Es werden systematisch zusammengestellt: 
a. die Arten der Dreiecke, b. die Dreiecksbestimmungsstücke, c. die 
Kongruenzsätze, d. die Arten der Parallelogramme, e. die Gesetze der- 
selben, f. die Bestimmungsstücke derselben. 

12 Einheit 

Die von einer Geraden geschnittenen Parallelen; 

gleichliegende Winkel, Wechselwinkel, Gegenwinkel 

Fig. 21 




Aufgabe. Es soll die hölzerne Gitterthüre besprochen und ge* 
^zeichnet werden, die wir am Eingang zu einem Berggrundstück im Graben- 
thal in Augenschein genommen und ausgemessen haben. 

10 



146 Das sechste Schuljahr. 

1. Stufe. Die Grundform ist ein Rechteck ABCD (Fig. 21) von 
64 cm Breite und 80 cm Höhe mit einer von links oben nach rechts 
unten laufenden Diagonale DB. Die beiden wagerechten Parallelseiten 
sind in je acht gleiche Teile geteilt. Durch diese Teilungspunkte sind 
von Hnks unten nach rechts oben parallellaufende Stäbe angebracht, die 
oben und unten je 10 cm über die wagerechten Bechtecksseiten hinaus- 
reichen. Eine von diesen Schrägen (EF) ist in der Zeichnung durch ihre 
Stärke besonders hervorgehoben. Sie geht durch den 2. Teilpunkt unten 
und den 4. Teilpunkt oben. Alle übrigen Schrägen haben mit ihr die- 
selbe Sichtung. 

Zeichnet die Thüre aus freier Bjmd an die Tafel! 

Zeichnet sie mit Zirkel und Lineal genau in euer Buch! Angabe 
des Verfahrens! Ausführung der Zeichnung! Prüfung derselben auf 
ihre Bichtigkeit! 

n. Stufe. Wir fassen die durch ihre Stärke hervorgehobene 
Schräge EF ins Auge. Sie schneidet die beiden wagerechten Parallel« 
Seiten AB und DC und bildet mit ihnen die acht Winkel a, b, c, d, e^ 
f, gy hy die sich vielfach zu Winkelpaaren zusammenstellen lassen. Zu- 
nächst treten wieder Nebenwinkel und Scheitelwinkel auf, welche den 
Kindern bereits bekannt sind. Aufsuchen derselben ! Messen derselben ! 
Stehen die Messresultate im Einklang mit den Sätzen von den Neben- 
und Scheitelwinkeln? 

Es entstehen aber auch femer a. gleichliegende Winkel (z. B. a 
und e, d und h), b. innere und äussere Wechselwinkel (z. B. c und f^ 
a und h), c. innere und äussere Gegenwinkel (z. B. c und e, b und h). 
Angabe ihrer (wesentlichen) Merkmale! Fassen wir die Gradmasse der 
zu Paaren zusammengeordneten Winkel vergleichend ins Auge, so ergiebt 
die Untersuchung: 1. die gleichliegenden Winkel sind einander gleich; 
2. die Wechselwinkel sind einander gleich; 3. die Gegenwinkel betragen 
zusammen 2 B. 

ni. Stufe, a. Welche Winkelpaare sind auch an den übrigen 
Schrägen vorhanden? welche fehlen an einigen Linien? 

b. Die schrägen Parallelstäbe werden aber selbst auch mehrfach 
durch andere Grade geschnitten, nämlich durch die Senkrechten DA und 
CB, durch die Wagerechten DC und AB, durch die Diagonale DB. Ob 
auch in diesen Fällen wieder an den geschnittenen Parallelen die neuen 
Winkelpaare entstanden sind? Ob in jedem dieser Fälle alle Winkel- 
paare entstanden sind? Ob von diesen Winkelpaaren dasselbe gilt, was. 
von den Winkelpaaren gleicher Art, die wir vorher besprochen, ermittelt 
worden war? 

rV. Stufe. Zusammenfassung der Sätze über die gleichliegenden 
Winkel, die Wechselwinkel und die Gegenwinkel, wie sie oben 
schon ausgesprochen worden sind. 

V. Stufe, 1. Zeichnet nochmals das Thürrechteck, legt aber jetzt 
die schrägen Parallelstäbe mittelst der Gleichheit der Wechselwinkel ein ! 

2. Es soll eine zweite Thüre von doppelter Länge und Breite ge- 
zeichnet werden, in welcher aber die Schrägstäbe die wagerechten 
Parallelen unter spitzen Winkeln von 50 Grad schneiden! 

3. Nachweis, dass auch das Ziehen von Parallelen mit Hülfe von 
Lineal und Winkelhaken auf der Gleichheit der gleichliegenden Winkel beruhte 



Das sechste Schuljahr. 147 

4. Wie kann man mittelst der Gleichheit der Wechselwinkel 
Parallelen ziehen und angehliche Parallelen auf ihre Sichtigkeit prüfen? 

5. Vielfache Ühung im Ziehen von Parallelen unter Benutzung der 
gefundenen Sätze! 

6. Kommen unsere Sätze nicht auch schon hei den Parallelogrammen 
in Betracht? Welche Winkelpaare kommen hei denselben vor xmd zwar 
a, wenn die Figur nur die vier Seiten enthält? b. wenn auch die 
Diagonalen eingelegt sind? Welche Parallelogrammgesetze beruhen 
darauf? 

13 Einheit 

XJnverschiebbarkeit der Dreiecksverbindung 
Fig. 22 




Aufgabe. Wir wollen überlegen, wie die Schlagbäume in der 
Mühlhäuser- und Gothaer-Strasse (Fig. 22), die Sperrbalken an den Bahn- 
übergängen, die Querbalken des Wildzaunthores unter der Wartburg, 
der gusseiseme Querbalken vor dem Eingang in die Lokomotivenhalle 
auf dem Bahnhof, die wagerechten Strassenlatemenhalter befestigt sind, 
damit sie sich nicht senken. 

Alle die genannten Gegenstände, insbesondere die beweglichen, frei- 
schwebenden Sperr- und Querbalken, würden ohne besondere Vorrichtungen 
nicht lange die ursprüngliche Bichtung beibehalten, sondern an der freien 
Seite durch ihr eigenes Gewicht sich senken. Wie ist dem vorzubeugen ? 
Durch neue senkrechte und wagerechte Bindestäbe (also durch eine 
Vierecksverbindung) nicht, wohl aber durch eine an der hintern Seite 
angebrachte Querleiste, welche mit dem Querbalken und dem senkrechten 
Pfeiler, an dem jener befestigt ist, ein Dreieck bildet, kurz durch eine 
Dreieckskonstruktion, eine Dreiecksstütze, wie wir eine solche schon als 
Träger- und Balkenstütze in der Turnhalle (Fig. 15) kennen gelernt 
haben. Worauf beruht aber diese Anwendung? Auf einer Eigenschaft 
des Dreiecks, nach welcher die in ihren Enden befestigten Dreiecksseiten 
eine unverschiebbare Verbindung bilden, während sich die verbundenen 
Vierecksseiten in den Nägeln leicht verschieben xmd den schweren 
schwebenden Balken eine feste Stütze nicht zu geben vermögen. Mehr- 

10* 



148 Das sechste Schuljahr. 

fache Versuche mit Dreiecks- und Yierecksverbindungen , wozu unter 
anderen der zusammenlegbare Meterstab eine gute Gelegenheit giebt! 
Die leichte Yerschiebbarkeit der Vierecksyerbindung sehen wir sehr deut- 
lich auch an dem beweglichen Eisengitter an der Bahnsperrvorrichtung 
vor dem Nadelthor. Ist der Sperrbaum herabgelassen, so bilden die 
einzelnen Felder des Gitters regelrechte Bechtecke; ist er aufgezogen, 
so haben sich die Bechtecke in verschobene Bechtecke (Bhomboide) ver- 
wandelt. Zeichnen der Sperrvorrichtung in beiden Lagen ! Zeichnen einiger 
anderer Gegenstände mit Dreiecksstützen ! Aufsuchen von weiteren Beispielen, 
in denen die Dreiecksverbindung als Stütze zur Anwendung gekommen ist ! 
Ob nicht auch das Einlegen der Diagonalen in die (viereckigen) 
gusseisemen Eingangsthüren , sowie femer, ob nicht auch die Stegkon- 
struktionen neben der Synagoge und im Grabenthal mit dieser Eigen- 
schaft des Dreiecks zusammenhängen? Nachweis dieses Zusammenhangs! 



14 Einheit 

Zwei ungleiche gleichschenklige Dreiecke auf gemein- 
samer Grundseite (das Deltoid, Drachenviereck) 

Fig. 23 




Aufgabe. Gelegentlich der Anfertigung eines Papierdrachens soll 
das „Drachenviereck" (Deltoid) besprochen und gezeichnet werden. 

I. Stufe. Für den Papierdrachen, den sie in die Luft steigen lassen, 
und folgeweise auch für die geometrische Form desselben, das Drachen- 
viereck (Fig. 23), haben die Kinder aller Zeiten und aller Orte ein leb- 
haftes Literesse. Die Zöglinge werden veranlasst, sich ausführlich über 
den Gegenstand auszusprechen. 

n. Stufe. Die eingehende Betrachtung schliesst sich an eine an 
der Wandtafel stehende Musterzeichnung an. Sei ABCD (Fig. 23) das 
Drachenviereck, so legen wir zunächst die Diagonale ((jrundseitendiagonale) 
AC ein und erkennen : unser Drachenviereck besteht aus den beiden un- 
gleichen gleichschenkligen Dreiecken ABC und ADC, welche auf der ge- 
meinsamen Grundseite AC nach entgegengesetzten Seiten errichtet sind. 

Hieraus ergiebt sich ohne weiteres seine Konstruktion. Angabe des 
Konstruktionsverfahrens unter Sückerinnerung an die Konstruktion gleich- 
schenkliger Dreiecke ! Zeichnen eines Drachenvierecks aus AC = 24 mm, 
AD = CD = 18 mm, AB = CB = 30 mm ! 



Das sechste Schuljahr. 149 

Lege jetzt auch die Diagonale (Spitzendiagonale) DB ein! Sie zerlegt 
das Viereck in zwei ungleichseitige Dreiecke ADB und GDB, die dem 
Augenscheine nach deckungsgleich sind. Klappt man Dreieck ADB um DB 
über GBD, so findet man die Deckungsgleichheit bestätigt. Das 
Drachenviereck ist daher durch jedes dieser beiden Dreiecke bestimmt, 
die Bestimmungsstücke eines derselben sind auch die unseres Vierecks. 
Gieb diese Bestimmungsstücke an ! Welche sind für die Konstruktion am 
bequemsten? Miss dieselben in der Figur an der Tafel und konstruiere aus 
ihnen das Viereck! 

Aus der Kongruenz der Dreiecke ADB und CDB folgt weiter, 1. dass 
G-rundseitendiagonale AG und Spitzendiagonale DB einander unter rechten 
Winkeln schneiden, 2. dass die Spitzendiagonale die Winkel D und B an 
den Spitzen der beiden gleichschenkligen Dreiecke halbiert, 3. dass die 
Spitzendiagonale auch die Grundseitendiagonale halbiert, aber von dieser nicht 
halbiert wird, 4. dass die von den ungleichen Nachbarseiten eingeschlossenen 
Winkel A und G einander gleich sind, 5. dass die Spitzendiagonale DB, 
zugleich Ebenmasslinie ist, was von der Grundseitendiagonale nicht gilt. 

in. Stufe. Zeichnung des Drachen Vierecks in verschiedenen Lagen 
(die Grundseitendiagonale senkrecht gerichtet, — die Spitzendiagonale 
von links nach rechts schräg aufwärts gerichtet) ! Zeichnung von Drachen- 
vierecken aus gleichschenkligen Dreiecken von andern Mass- und Winkel- 
verhältnissen ! Vergleich des Drachenvierecks mit dem Quadrat in Eck- 
stellung! mit dem B.hombus! mit dem B.homboid! 

rV. Stufe. Aufsammeln der begrifflichen Ergebnisse. Wie können 

die Sätze nach Stufe II lauten? 

V. Stufe, 1. Konstruiere das Drachenviereck aus den Seiten AD s= 
GD = 26 mm und AB = GB = 40 mm und dem von den ungleichen 
Seiten eingeschlossenen Winkel A = B = 1 15 Grad ! 

2 . Lässt sich das Drachenviereck nicht auch aus der Grundseitendiagonale 
AG und den beiden Abschnitten der Spitzendiagonale OB und OD zeichnen ? 
Zeichnet die Figur aus diesen Stücken! 

3. Was würde sich ergeben, a) wenn man den beiden gleichschenk- 
ligen Dreiecken je einen Winkel an der Spitze von 90^ gäbe? b) wenn 
man die Dreiecke nicht nach entgegengesetzten Seiten, sondern nach 
derselben Seite legte? 

4. Sollte das Drachenviereck nicht auch benutzt werden können, 
a. um eine gegebene Gerade zu halbieren? b. um einen gegebenen Winkel 
zu halbieren? c. um auf einer gegebenen Geraden eine Winkelrechte zu 
errichten? Angabe des Verfahrens für jeden dieser Fälle! Anwendende 
Übung! 

15 Einheit 

Vorbereitung zur Flächenberechnung des Eechtecks 

Aufgabe. Es soll ausgerechnet werden, wie viel Backsteine zu 
den vier uns zugänglichen und sichtbaren Abteilungen der Mauer nötig 
gewesen sind, welche neuerdings zwischen unserem Schulhofe und dem 
y. Eichelschen Garten aufgeführt worden ist. 

I. Stufe. Die Mauer, soweit sie uns nicht durch unser Hof gebäude 
verdeckt ist, besteht, abgesehen von den beiden Thürabteilungen an den 



150 



Das sechste Schnljahr. 



Enden, ans vier rechteckigen Feldern von gleicher Höhe, aber ungleicher 
Breite (Onmdseite). Die Maner ist, wie wir beim Ban beobachtet haben, 
zwei Steine dick gemacht worden. Die östliche Seite ist nns zugekehrt, 
die westliche dem Garten. Wir werden daher wohl zuerst die Zahl der 
uns zugekehrten Steine bestimmen und sodann das erhaltene Besultat ver- 
doppeln müssen. Wie yerfeihren wir? 

n. Stufe. Wir machen den Anfang mit dem grosseren Bechteck 
rechts und zählen zuerst die Steine der untersten Beihe = 60; hierauf 
auch die der zweiten Beihe, auch = 60. Von selbst halten die S^inder 
jetzt mit dem Zahlen inne, indem ihnen klar wird, dass bei der gleichen 
Länge in jeder folgenden Beihe ebenfalls 60 Steine liegen. Sie zahlen 
daher nur noch die Beihen übereinander = 24, und sagen sich : in jeder 
Beihe liegen 60 Steine, in den 24 Beihen des ganzen Feldes also 
24 X 60 = 1440, und in ihrer ganzen Starke 2 X 1440 = 2880 Steine. 
In gleicher Weise wird auch die Gresamtzahl der Steine in jeder 
der drei übrigen Abteilungen bestimmt und darauf die Summe gezogen. 
' m. Stufe. Vergleichender Überblick und Angabe, wie in jedem 
einzelnen Falle verfahren worden ist. 

rV. Stufe. TJm die Zahl der (gleichen) Steine einer rechteckigen 
Mauer von einfacher (Stein-) Starke zu bestimmen, zählen wir die 
Steine in der untersten (oder in einer beliebigen) Beihe, sowie die 
Beihen übereinander und multiplizieren beide Zahlen miteinander : Zahl 
der Steine in einer Beihe X Zahl der Beihen über einander. 

Y. Stufe. 1. Wie viel Backsteine mag aber das Mauerstück ent- 
halten, welches uns durch unser Hofgebäude verdeckt wird ? Wie wollen 
wir das ermitteln ? 

2. Wie viel Backsteine würden nötig gewesen sein, wenn auch die 
beiden Eingänge in gleicher Stärke hätten ausgemauert werden sollen? 

3. Bestimmt die einfache Anzahl der Backsteine in dem Bechteck 
der südlichen Giebelseite unseres Schulhauses von der Ghmndmauer bis 
zum ersten Stock! Schätzen, Messen, Bechnen! 



16 Einheit 

Quadratmeter. Flächenberechnung des Bechtecks, des 

Quadrats. 
Fig. 24 Fig. 25 

Di \C 




Aufgabe. Als im vorigen Sommer das (einseitige) Dach unseres 
kleinen Hofgebäudes mit Schiefer gedeckt wurde, fragten wir den Bau- 
aufseher, was das Schieferdach kosten werde. Er teilte uns mit, dass 
mit Einschluss der Bretterverschalung das Quadratmeter auf 2,50 Jf zu 
urtehen komme. Wie viel hat die Bedachung gekostet? 



Das sechste Schuljahr. 151 

1. Stufe. Was unter einem Quadratmeter (qm) zu verstehen , ist 
den Kindern nicht mehr unbekannt. Sie haben ein solches in einer Dar- 
stellung an einer Schulzimmerwand seit Jahren vor Augen gehabt und 
den Namen schon sehr oft nennen hören. Auch in den Seitenflächen des 
in einer Ecke des Lehrzimmers hängenden (hohlen) Kubikmeters (cbm) 
iist ihnen das Quadratmeter entgegengetreten. Es ist ein Quadrat von 
1 m Seite. 

Wüssten wir die Zahl der Quadratmeter, die unsere Dachseite ent- 
hält, so dürften wir nur die 2,50 Ji mit dieser Zahl multiplizieren, um 
die Antwort auf die Kostenfrage zu erhalten. Eins wissen wir, die Dach- 
seite ist ein Rechteck, dessen Länge (Grundseite) 10 m, und dessen 
Breite (Höhe) 3 m beträgt. Aber wie viel Quadratmeter mag die Recht- 
ecksfläche enthalten? 

n. Stufe, a. Messt in Gedanken das Dachseitenrechteck mit dem 
Quadratmeter aus ! Wie vielmal könnt ihr das qm an der Grundseite hin- 
legen? 10 mal. Grund? Wieviel solcher Reihen aber liegen wohl über- 
einander ? Drei ! Nachweis ! Demnach hat das Rechteck 3 Quadratmeterreihen 
übereinander, und in jeder Reihe 10 qm, im ganzen also 3 >< 10 qm = 30 qm. 

b. Das ergiebt sich auch, wenn wir unser Dachrechteck in das 
(quadratische) Netz unserer Schiefertafel oder des Zeichenheftes zeichnen. 
(Yergl. Fig. 25.) Jedes kleine Quadrat in der Zeichnung stellt ein Quadrat- 
meter dar. Wieso? Und es ist augenscheinlich, in der untersten (in 
jeder) Reihe liegen 10 qm, also gerade so viel, als die Grundseite Meter 
hat; und es liegen 3 Reihen übereinander, also gerade so viel, als die 
Rechteckshöhe Meter beträgt; das ganze Rechteck enthält demnach 
3 X 10 qm == 30 qm; und die Kosten belaufen sich folglich auf 30 X 
2,50 M = 75 M. 

in. Stufe, a. Wie aber, wenn die Dachfläche eine Grundseite von 
15 m und eine Höhe von 4 m; ferner eine Grundseite von 24 m, eine 
Höhe von 6 m hätte ? — Noch weitere Abänderungen der Grundseiten- 
und Höhenzahl, bei welchen zuletzt auch leichte Bruchteile vom Meter 
mit auftreten. Einzeichnen der Rechtecke in das Quadratnetz und an- 
schauliche Entwicklung ihrer Quadratmeterzahl! 

b. Vergleichender Überblick über die in den einzelnen Fällen ein- 
geschlagenen Wege zur Flächenberechnung der Rechtecke. 

rV. Stufe. Der Flächeninhalt des Rechtecks wird gefunden, wenn 
man die Grundseitenzahl mit der Höhenzahl multipliziert; kürzer: 
Der Flächeninhalt (F) des Rechtecks ist gleich Grundseite (s) 
X Höhe (h) ; noch kürzer : F = g . h 

V. Stufe. 1. Messt und berechnet den Flächeninhalt des Rechtecks 
an der Giebelseite unseres Schulhauses von der Grundmauer bis zur 
Grundseite des Giebeldreiecks! 

2. Die Dachseite unseres Hofgebäudes, die wir berechnet, ist ein 
Rechteck von 10 m Grundseite, 3 m Höhe und 10 X 3 = 30 qm Fläche. 
Wie aber, wenn die Dachfläche bei 10 m Grundseite auch eine Höhe 
von 10 m gehabt hätte? Was wäre aus dem Rechteck geworden? 
(Quadrat). Wie gross wäre der Flächeninhalt desselben ? Grundseite X 
Höhe == Seite X Seite (Fig. 24), oder, wenn man die Quadratseite mit a 
bezeichnet 

F = aXa = a2 



152 Das sechste Schuljahr. 

3. Zeichnet in natürlicher Qrosse in ein Centimetemetz ein Becht- 
eck von 12 cm Grundseite und 9 cm Höhe, und hestimmt den Flächen- 
inhalt desselben! P «= 9 X 12.^ 108 Quadratcentimeter (qcm). 

4. Erklärt das Quadratmeter, das Quadratcentimeter ! Untersucht,. 
\iie yiel qcm ein qm? 

5. Zusammenstellung der Quadratmasse (Flächenmasse, Massquadrate): 

1 qm = 10000 qcm. 
Ergänzung der lY. Stufe durch die auf der Y. Stufe unter 2 — 5 
gewonnenen neuen Sätze. 

6. Zeichnet in der Yerjüngung von 1 : 10 an die Wandtafel ein 
Bechteck von 4 m Länge und 3 m Breite! ein Quadrat von 4 m Seite! 
Bestimmt die Flächeninhalte dieser Figuren! — Zeichnet in der Yer- 
jüngung von 1 : 100 in euer Buch ein Bechteck von 2 m Grundseite 
und 4 m Höhe! ein Quadrat von 5 m Seite! Flächeninhalte? — Messt, 
zeichnet und berechnet die Yorderfläche der Wandtafel, der Stubenthüre, 
der Fensterscheibe! 

Anmerkung. Weitere Aufgaben in: „Pickel*', Geometrische 
Bechenaufgaben, Dresden, Bleyl und Kaemmerer, unter Nr. 1 — 56. 



Zu den Schlusseinheiten Nr. 17—23 

Die Bücksicht auf den diesem Lehrfache zugemessenen Baum legt 
uns die Nötigung auf, uils für die noch folgenden Einheiten möglichst 
kurz zu fassen. Meist werden wir uns auf die Angabe der grundlegenden 
Aufgabe und auf einige Bemerkungen zu derselben beschränken müssen. 

17 EinheH 
Berechnung grösserer Bechtecke und Quadrate. Das Ar 

Aufgabe. Es soll unser Schulgarten in der Kupferhammerstrasse 
im ganzen imd in seinen einzelnen Abteilungen gemessen, gezeichnet und 
berechnet werden. 

Der Garten bildet ein Bechteck. Wir entwerfen uns zunächst einen 
Faustriss von ihm mit dem Wegenetz und den Haupt- und Neben- 
abteilungen des Ghrundstücks. Dann gehen wir zur Messung über. Wir 
messen seine Länge und Breite, bestimmen (mittelst Messung) die Lage, 
die Breite der Haupt- und Nebenwege ; die Lage, Länge und Breite der 
beiden Felder für die Baumschule, der Felder für die Beete der Kinder, 
für die botanischen Beete, die Lage, Länge und Breite der Laube, die 
Breite der Babatten längs der Hauptausdehnungen ; den Durchmesser des. 
Bondels in der Mitte des Gartens. Die Länge und Breite des ganzen 
Gartens messen wir der grösseren Ausdehnungen wegen mit der Kette 
(dem Dekameter =:= Dm => 10 m) ; die Ausdehnungen der einzelnen Ab- 
teilungen dagegen mit dem Meter. Die Länge des Gartens beträgt 34 m, 
die Breite 20 m. Die Angabe der Lage und Ausdehnungen der einzelnen 
Innenglieder mag hier unterbleiben. 

Nach der Messung folgt die genaue Zeichnung (die Anfertigung des 
Planes, der Karte) und hierauf die Berechnung des Ganzen und seiner; 
einzelnen Teile, mit vorläufigem Ausschluss des Bondels in der Mitte. Bei 



Das sechste Schuljahr. 15S 

der Erörterung des Flächenitihaltes des ganssen Gartens kommt das nächst 
höhere Massquadrat, das Ar (r= a) samt seinem Verhältnis zu den bereits 
bekannten Massquitdraten zur Erörterung, Anschauung und Anwendung. 
Der Schulgarten bietet uns für^ längere Zeit einen äusserst dankbaren 
geometrischen Belehrungs- und Übungsstoff dar. 

18 Einheit 

Berechnung des schiefwinkligen Parallelogramms und 

des Parallelogramms überhaupt 

Fig. 26 



Aufgabe. An dem Nebengebäude eines neuen Hauses in der 
Kupferhammerstrasse, unserm Schulgarten schräg gegenüber, finden wir 
den aussen angebrachten Treppenaufgang durch eine Bretterwand ab- 
geschlossen. Es soll dieser Bretterverschlag gemessen, gezeichnet und 
berechnet werden. 

Die Wand bildet ein mit der Treppe schräg aufwärts gerichtetes 
schiefwinkliges Parallelogrstmm (Schiefeck, Bhomboid) mit zwei senkrecht 
gerichteten Parallelen von je 2,25 m Länge, zwei schräg aufwärts laufenden 
Parallelen von je 5 m Länge und einem spitzen Winkel von 50 Grad. 
Zeichnet dasselbe a. in der ursprünglichen Lage d. h. in halber Eck- 
stellung so, dass die beiden kurzem Parallelen die senkrechte Bichtung 
haben! b. in Seitenstellung so, dass das Bhomboid auf einer Langseite 
ruht (Fig. 26)! Jetzt zur Berechnung! Das rechtwinklige Parallelo- 
gramm können wir berechnen. Wiederholung der Begel. Wie aber be- 
rechnet man dieses schiefwinklige? 

IL Stufe. Sei ABCD (Fig. 27) das auf den wagerechten Boden 
gelegte, auf der Langseite AB ruhende Schiefeck, so können wir durch 
die Winkelrechte DE von D auf AB links das 
rechtwioklige Dreieck ADE abschneiden und ^^^- ^' 

dasselbe als Dreieck BCF rechts ansetzen. Hier- j) (^ 

durch ist aus dem Schiefeck ABCD das Bechteck /\ /\ 

EFQD entstanden, welches mit jenem gleiche / 1 / \ 

Grundseite, gleiche Höhe und gleichen Flächen- j^ -^ \ — ;^ jr 

inhalt hat! Nachweis! Wie kann daher der 

Flächeninhalt unseres Bretterrhomboids gefunden werden? Flächeninhalt 

s?=3 Grundseite AB X Höhe DE. Berechnen desselben! 

ni. Stufe. Zeichnet weiter in euer Quadratnetz in verjüngtem 
Hasse ein schiefwinkliges Parallelogramm 

a, von 20 cm Grundseite, 32 cm Nebenseite und einem von beiden 
eingeschlossenen Winkel von 60 Grad! 

b, von 4 cm Grundseite, 3,5 cm Nebenseite und einem spitzen 
Winkel von 55 Grad; 

c, von 5 cm Grundseite, 3 cm Nebenseite und einem spitzen Winkel 
von 48 Grad: 



154 Das sechste Schuljahr. 

d. Ton 38 mm Ghnnds^ite, 38 mm Nebenseite und einem spitzen 
Winkel von 52 Grad, 
nnd nntersucht, ob anch von diesen Schiefecken das Gleiche gesagt werden 
kann! Legt die Höhen ein, messt dieselben und berechnet aus Grand- 
seite und Höhe die Flächeninhalte der Schiefecke ! I 
IV. Stufe. 1 . Der Flächeninhalt des schiefwinkligen Parallelogramms 
ist gleich dem eines rechtwinkligen, welches mit ihm gleiche Grund- 
seite und gleiche Höhe hat. 

2. Der Flächeninhalt (F) des schiefwinkligen Parallelogramms ist 
ebenfalls gleich Grundjseite (g) mal Höhe (h) ; kurz : F = g . h. 

3. Der Flächeninhalt eines jeden Parallelogrammes ist F = g . h. 
Y. Stufe, a. Zeichnet unser Treppenschief eck mit denselben Seiten, 

aber mit spitzen Winkeln von 45 Grad ! Berechnet den Flächeninhalt des 
B>homboids in dieser Gestalt und vergleicht ihn mit dem des ursprünglichen! 

b. Berechnet die schiefwinkligen Parallelogramme, welche wir schon 
früher gezeichnet haben! 

c. Nachweis, dass schiefwinklige Parallelogramme von gleicher Grund- 
seite und gleicher Höhe flächengleich sein müssen! 

d. Der Flächeninhalt eines gegebenen Bhomboids soll in Form eines 
Bechtecks dargestellt werden! 

e. Der Flächenraum von 36 qcm soll ab Quadrat, als Bechteck, 
als Bhombus, als Bhomboid dargestellt werden! 

Siehe weiter Nr. 1 — 56 der „Geometrischen Bechenaufgaben". 

19 Einheit 
Berechnung des Dreiecks 
Fig. 28 
C.- ^E 



Aufgabe. Die südliche Giebelseite des neuen H.schen Hauses in 
der Mühlhäuserstrasse ist vom ersten Stock an mit Blechtäfelchen be- 
hangen worden, von denen, wie wir gefunden haben, 36 Stück auf das 
Quadratmeter gehen. Es soll bestimmt werden, wie viel Täfelchen zum 
Behang der Seite erforderlich gewesen sind! 

Die Giebelseite, soweit sie in Betracht kommt, besteht aus einem 
Bechteck von 12 m Grundseite und 3 m Höhe, und aus einem auf dem- 
selben ruhenden (gleichschenkligen) Dreieck von der gleichen Grundseite 
und von 4 m Höhe. Der Flächeninhalt des Bechtecks ist Grundseite 
mal Höhe = 12 . 3 = 36 qm. Wie viel Quadratmeter wird aber das 
Giebeldreieck enthalten? 

Zeichnen wir dasselbe genau nach den angegebenen Grössenverhält- 
nissen verjüngt in das Quadratnetz (Fig. 28), so ergiebt sich auf den 
ersten Blick, unser Giebeldreieck ABC ist gerade die Hälfte des (schief- 
winkligen) Parallelogramms ABEC, welches mit dem Dreieck gleiche Grund- 



Das sechste Schuljahr. 155 

Seite (AB) und gleiche Höhe (CD) hat; denn CB ist Diagonale in dem 

Parallelogramm ABEC und halhiert dasselbe. Wie gross ist hiemach 

der Flächeninhalt unseres Dreiecks? 

ABXCD g.h 12.4 
F = _ = __ = 24qm. 

Wie gross ist folghch der Flächeninhalt der ganzen Giebelseite? 
(36 -|- 24 = 60 qm.) Und wie viel Plättchen braucht man demnach zum 
ganzen Behang? (60 . 36 = 2160 Stück.) 

Lässt sich auch das rechtwinklige , das gleichseitige , das gemeine 
Dreieck, jedes beliebige Dreieck in derselben Weise, wie unser gleich- 
schenkliges Giebeldreieck , zu einem Parallelogramm ergänzen, das mit 
dem Dreieck gleiche Grundseite und gleiche Höhe hat, und von welchem 
das Dreieck genau die Hälfte ist? Dreiecke von verschiedenster Gestalt 
und (Grösse werden ins Quadratnetz gezeichnet und nach der gedachten 
Eichtung untersucht. Die Untersuchung ergiebt: 

1. Jedes Dreieck lässt sich zu einem Parallelogramm ergänzen, das 

mit ihm gleiche (Brundlinie und gleiche Höhe hat. 

2. Das Dreieck ist die Hälfte seines Parallelogramms. 

3. Der Flächeninhalt des Dreiecks wird daher gefunden, wenn man 

die Grundseite (g) mit der Höhe (h) multipliziert und das Produkt 
durch 2 dividiert; kurz: 

Mannigfache Konstruktions- und Rechenaufgaben! Z. B. a. Kon- 
struiere ein gleichseitiges Dreieck auf der Seite AB = 12 mm ! ein gleich- 
schenkliges von 16 mm Grundseite und 12 mm Höhe! ein rechtwinkliges 
mit den Katheten AB = 20 mm, AC =15 mm! ein ungleichseitig- 
stumpfwinkliges mit Seite AB = 24 mm, AC =18 mm, und dem von 
denselben eingeschlossenen Winkel von 124 Grad, und berechne ihre 
Flächeninhalte ! 

b. Zeichne auf der (gemeinsamen) Grundseite AB = 20 mm drei 
Dreiecke, deren Spitzen C, D, E in derselben Parallele zu AB liegen! 
Bestimme aus Grundseite und Höhe ihre Flächeninhalte! Was lernen 
wir daraus? (Dreiecke von gleichen Grundseiten und gleichen Höhen 
sind flächengleich.) 

c. Verwandle ein gegebenes spitzwinkliges Dreieck in ein flächen- 
gleiches rechtwinkliges Dreieck! 

d. Der Flächeninhalt eines Dreiecks von 24 mm Grundseite und 
18 mm Höhe soll in der Form eines Rechtecks von derselben (Srundseite 
dargestellt werden. Seine Höhe? Zeichnen desselben! 

Siehe weiter Nr. 57 — 77 der „Geometrischen Rechenaufgaben^. 

20 Einheit 
Berechnung des Trapezes 

(Siehe Fig. 29, Seite 156.) 

Aufgabe. Es soll untersucht werden, ob wir den Flächeninhalt 
der fünfeckigen (^ebelseite unseres Schulhauses nicht auch noch auf eine 
andere Weise als durch die Zerlegung derselben in ein Rechteck und in 
ein Dreieck berechnen können? 



156 



Das sechste Schuljahr. 
Fig. 29 




FäUen wir von der Giebelspitze auf die . Grandlinie eine Winkel- 
rechte, so zerlegt dieselbe das Giebelfünfeck in zwei kongruente Trapeze, 
für welche wir die Berechnungsweise aufsuchen. Das begriffliche Ergebnis 
der durch die grundlegende Aufgabe angeregten Untersuchung ist: Der 
Flächeninhalt des Trapezes wird gefunden, wenn man die beiden parallelen 
Seiten addiert, die Sunune halbiert und mit dem Abstände der Parallelen 
von einander multipliziert. Bezeichnet man die Parallelseiten mit G und 
g, ihren Abstand mit h, so ist: 



21 Einheit 

Berechnung des Vielecks 

A u f gab e. Könnten wir die fünfeckige Giebelseite der Jakobsschule 
nicht auch durch Diagonalen in lauter Dreiecke zerlegen und ihren Flächen« 
inhalt aus diesen berechnen? 

Zeichne die Giebelseite nach den ermittelten Massen ins Quadrat- 
netz! Zerlege sie durch Diagonalen in lauter Dreiecke! Berechne sie 
aus diesen Dreiecken ! Prüfe die Bichtigkeit der Bechnung, indem du die 
Iläche in anderer Weise berechnest und die Besultate vergleichst! 

Ob man auf diese Weise nicht auch ein Sechseck, ein Achteck, kurz 
jedes beliebige Vieleck berechnen kann? Besultat? 

Wie kann man aber noch zur Abkürzung der Messung und Be- 
rechnung in dem besonderen Falle verfahren, wenn das Vieleck ein regel- 
mässiges ist? 

22 Einheit 

Auffindung des Mittelpunktes zu einem gegebenen Kreise 

oder Kreisbogen 

Fig. 30 




Aufgabe. Es soll das Profil der Amricherbrücke mit ihren vier 
Bogen nach verjüngtem Masse gezeichnet werden (Fig. 30). 



Das sechste Schuljahr« 157 

Unsere Messungen haben ergeben : Höh& der Pfeiler =» 2,5 m ; Spann- 
weite des Bogens s^s 6 m ; Bogenhöhe = 2 m. Zur Zeichnung jedes der 
(gleichen) Bögen ist zunächst durch Konstruktion der Kalbmesser und 
hierzu wieder der Mittelpunkt desselben zu bestimmen. Wie kann das 
geschehen ? 

Sei AGB (Fig. 30) der Brückenbogen, AB die Spannweite, DO die 
Höhe, so ziehen wir noch die beiden gleichen Sehnen AC und BO. Ge- 
setzt nun, der Mittelpunkt (0) des Bogens wäre uns bekannt, und wir ver- 
bänden die Endpunkte A und C, B und der beiden Sehnen mit dem- 
^selben, so entständen zwei gleichschenklige Dreiecke mit deii Spitzen im 
JMüttelpunkte 0, und diese Spitzen lägen genau winkelrecht über den Mitten 
•der Sehnen AC und BC (vgl. S. 123). Errichte ich also auf den Mitten 
dieser beiden Sehnen nach innen Winkelrechte , so ist der Schnittpunkt 
derselben der gesuchte Mittelpunkt des Kreises und die Gerade von diesem 
Punkte bis zum Bogen der gesuchte Halbmesser. 

Das Übrige ergiebt sich hiemach von selbst. 

23 EinheH 

Kreisberechnung: Umfang, Durchmesser 

Auf gab e. Wir haben unlängst dem Schmiede in der Georgenstrasse 
zugesehen, wie er den eisernen £,eif um ein Wagenrad legte. Als er 
fertig war, sass der Beif wie angegossen. Auf welche Weise kann man 
ermitteln, wie gross der Beif gemacht werden muss ? 

a. Durch Umlegen eines Bandes um den Badrand; b. durch Fort- 
rollen des Bades in gerader Bichtung und Messen des Weges bei einer 
Umdrehung; aber auch (und das bildet den Gegenstand der Erörterung) 
c. durch Berechnung aus dem Baddurchmesser. 

Die gründliche Erörterung der Sache ergiebt: Der Umfang (p) des 
Kreises ist 3,14 . . (tc) mal so gross als der Durchmesser (d = zwei 
Halbmesser = 2 r) ; kurz ; p == 2 r . tt. 

24 Einheit 

Kreisberechnung: Flächeninhalt des Kreises 

Aufgabe. Als wir die einzelnen Teile unseres Schulgartens be- 
rechneten, mussten wir vorerst noch von der Flächenberechnung des Bondels 
in der Mitte des Gartens absehen. Jetzt wollen wir uns zur Aufgabe 
•machen, auch dieses zu berechnen. 

Begriffliches Besultat der durch diese Aufgabe angeregten Erörterung : 
Man findet den Flächeninhalt des Kreises, wenn man den Umfang (p) mit 
dem Halbmesser (r) multipliziert und das Produkt durch 2 dividiert ; kurz : 
_ p . r (2 T7t) . r „ 

2 2 



. I 



158 Das sechste Schaljahr. 



2 Rechnen 

Lftteratnr: Backhaas, £., DasRechneo mit Dedmalbrachea aad mehr- 
fach benanntea Zahlen dedmaler Währong. Bielefeld and Leipzig, Yelhagen 
and Klasingy 1879. Erfarth, Th. B., Bechenschole for Elementar-, Volks- and 
Boreenehalen« 2. TeiL Erfurt, Kömer, 18fö. Hentschel, e!, Lehrbach des 
Rechenantenichts far Yolksscholen. Leipzig, Mersebarger. 10. Aufl. von 
Koltzsck 1877. Kirchen- and Schalblatt (Dr. Leidenfrost]. Weimar, 
Bohlaa, 1879. Schütze, C. Th., Praktische Anweisang zar Behandlung der 
Brachrechnang and der bor^erlichen Rechnangsarten. Leipzig, 1877. Hart« 
mann, B., Der Kechenantemcht in der deatschen Yolksschale. Frahkfort, 18^. 
Heiland, F., a. Mathe sias, JBL, Kechenbach für Yolknchnlen. 4. Heft. 
Weimar, Bohlao, 1893. 

I Die Auswahl des StofTes 

Yen einer nähern Bestimmung der Sachgebiete, an die sich der 
Secheniinterricht anzuschliessen hat nnd die er beleuchten soll, sehen 
wir ab, da die Leser des „Sechsten Schaljahrs*' über diesen Punkt in 
den frühem „Schuljahren^' das Nötige gefunden haben werden. Auch 
für die dem sechsten Schuljahr zugewiesenen Brechnungsarten gUt, dass 
der Kechenunterricht „seine Pfahlwurzeln in den Boden der Praxis senken 
und den Schüler für den B.echenyerkehr des Lebens ausrüsten soll''. Er 
mnss daher seine Au^ben vorzugsweise den thatsächHchen Lebens- 
verhältnissen entlehnen, dem Markt und der Werkstatt, dem Yerkaufsladen 
und der Handelswelt, dem Ackerbau und der Viehwirtschaft, dem Wirt- 
schafte- und Schuldbuch, der Haushaltung und dem Gemeindewesen u. s. w. 
Dabei darf er aber nie dem gewöhnlichen Nützlichkeitsprinzip 
geopfert und in jene materialistische Hichtung getrieben 
werden, die als „unpraktisches Zeug" über Bord wirft, was sich nicht in 
klingende Münze umsetzen oder als Milchkuh ausbeuten lässt. " ( J an i c k e , E. , 
Geschichte des Bechenunterrichts. In Kehr, Geschichte der Methodik 
des deutschen Yolksschulunterrichts, 1. Band). 

Als Fachgebiete haben wir dem sechsten Schuljahr die Lehre 
von den gemeinen Brüchen, die schwierigem Pälle aus der Decimal- 
rechnung (und, wenn Zeit vorhanden, einige Abschnitte der einfachen 
Schlussrechnung) zugewiesen. 

Der Lehre von den gemeinen Brüchen wird schon seit längerer Zeit 
von manchen Seiten das Heimatsrecht in der Volksschule abgesprochen, 
sie wird zu dem „unpraktischen Zeug*' geworfen, dessen sich die Volks- 
schule so rasch als möglich entledigen solle*). Aufgaben wie */^ : ^/^ 
werden blosse Kinderquäler und Zeitverschwender genannt**). 



*) „Jeder sieht, dass die letzte Stunde der Bruchrechnung geschlagen hat" 
(Mauritius, decimales Rechnen und metrisches Bechnen. Paderborn, 1869. 
Ja nicke (a. a. 0. S. 448) führt noch den Ausspruch eines uns unbekannten 
Zöllners an: „Dass aber die Sünde der Väter, welche die gemeinen Brüche 
eingeführt haben, noch an den Kindern heimgesucht wird, indem sie gezwungen, 
mit dem unnützen, schwerfälligen Wust zu hantieren, ist ein himmelschreiendes 
Unrecht, welches zu unterdrücken und zu sühnen die Aufgabe jedes Menschen- 
freundes ist.") 

*♦) Siehe Allgem. Thüring. Schulzeitung 1882 No. 51. 



Das sechste Schuljahr. 159 

Nun wollen wir gern zugeben, dass die gemeinen Brüche seit der 
Einbürgerung des decimalen Münz-, Mass- und Gewichtssystems von ihrer 
Wichtigkeit für das praktische Leben sehr viel verloren haben. Aber 
beseitigt sind sie noch lange nicht. Es wird kaum jemandem einfallen, 
im Kopfe mit 0,33 oder 0,25 statt mit ^/g bez. V4 zu rechnen. Auch 
Siebentel, Zwölftel, Fün&ehntel u. s. w. dürften sich bis auf weiteres 
im „praktischen Leben^^ erhalten. 

Fordert dieses also noch die Kenntnis der gemeinen Brüche, so 
wird sich die Volksschule ihrer annehmen müssen. Diese hat aber auch 
noch andere Gründe hierfür. Sie wird heute noch beherzigen, was ein 
in Herbartischen Kreisen wohl bekannter Mann, Dr. Bartholomäi, 
im 26. Band des „Pädagogischen Jahresberichts von Lüben^^ schrieb: 
„Man prüfe und überschaue doch einmal das ganze Gebäude des B>echen- 
unterrichts, das fest an- und ineinandergefügt, wie keine andere Disziplin 
sich dessen rühmen kann, und denke sich aus demselben die Bruch- 
rechnung, das feste Gebälk, auf welchem der Oberbau ruht, und was 
dem unteren mehr Sicherheit und Haltung verleiht, hinweg ! Denn fuhrt 
die Bruchrechnung einerseits zu grösserer Klarheit und Gewandtheit in 
den vier Spezies mit ganzen Zahlen, so bildet sie anderseits die sicherste, 
ja ich möchte sagen, die einzigst sichere Grundlage, auf welcher fort- 
gebaut werden kann. Man wende hier nicht ein, dass dasselbe vermittelst 
der Decimalbrüche erreicht werden soll; die gewöhnlichen Brüche 
können sie im Bechenunterricht nicht ersetzen. Man denke 
doch z. B. nur an die Übung des Hebens und an die Vorteile, welche 
anfangs das Heben eines Bruches, später das gegenseitige Aufheben der 
Zähler und Nenner bei einer Beihe Faktoren für die Gewandtheit und 
den Durchblick der Schüler zur Folge hat, und femer an den Erfolg, 
der durch das beim Heben übliche Dividieren durch alle einstelligen 
Zahlen erzielt wird, bei welchem man ohne die gewöhnliche umständ- 
liche Form den Quotienten sofort unter oder neben den Dividend schreibt, 
also gezwungen ist, im Kopf zu dividieren, zu multiplizieren und zu 
subtrahieren. Diese Andeutimgen mögen hier genügen, wie auch eine 
Hinweisung auf die feste und sichere Grundlage, welche eine rationelle 
Behandlung der Bruchrechnung für alle höheren Bechnungsarten bildet, 
ausreichen dürfte. Hervorragender aber als alle diese Vorteile ist der 
formelle Nutzen.'^ Auch Jänicke (a. a. 0.) zieht aus „dem Durch- 
einander der Stimmen'* die Forderung: „Die mehrklassige Volksschule 
kann um des formalen Zwecks willen (Entwickelung und Stärkung der 
Zahlkraft und des arithmetischen Denkens) die Bechnung mit den ge- 
wöhnlichen Brüchen nicht entbehren, wenn sie dieselbe auch wesentlich 
beschränkt.'* 

Diese Beschränkung finden wir nicht darin, dass wir einige „Bechen- 
fölle'^ — z. B. die Multiplikation eines Bruchs mit einem Bruch oder 
die Division durch einen Bruch — weglassen, sondern dass wir Mass 
halten in den einzelnen Übungen und die ungeschickten, im Leben kaum 
vorkommenden Bruchzahlen unbeachtet lassen. Wir werden z. B. ver- 
meiden das Gleichnamigmachen zahlreicher Brüche, deren Nenner nicht 
verwandt oder in grossen Zahlen ausgedrückt sind, die Addition zahl- 
reicher Posten, bei Divisionen mit grossem Divisor die Darstellung des 
Quotienten durch einen Bruch, von dem man keine Vorstellung hat 



160 Das sechste Schuljahr. 

(z. B. 36487 : 24973 = l^^*^*/24»78 — ^^r wird stets das decimale 
Brechnen angewandt — ) u. dgl. 

Viele Lehrer sind gegen die Bruchrechnung nicht bloss eingenommen 
aus Überzeugung von deren TJnnötigkeit, sondern auch wegen ihrer Schwierig- 
keit. Das Bruchrechnen soll für die meisten Schüler der Volksschule 
EU schwer sein. Wir können das nur für solche Schüler zugeben, denen 
die ,, Zahlkraft '^ überhaupt nur sehr massig zuerteilt worden ist. Bei 
der Mehrzahl der Schüler, die einen gründlichen Unterricht im Bechnen 
mit ganzen Zahlen genossen haben, dürfte das Bruchrechnen besondere 
Schwierigkeiten nicht verursachen. Wie man z. B. gleichnamige Brüche 
•addiert, subtrahiert und dividiert; wie man mit einer ganzen Zahl mul- 
tipliziert oder dividiert (wenn im letztem Fall der Divisor im Zähler 
aufgeht), braucht wohl kaum besonders gelehrt zu werden; ebenso sind 
Erweitern, Einrichten und Heben dem Schüler keine fremdartigen Be- 
"griffe. (Vergl. „Resolvieren und Reduzieren**.) Sollten die Verhältnisse 
sehr ungünstig sein, eine Anzahl Schüler z. B. das Ziel voraussichtlich 
nicht erreichen, so wird man sich mit den „leichten Bechenfallen*' be- 
gnügen können und diese vielleicht als einen ersten Kursus der Bruch- 
rechnung durchnehmen. Die meisten Schwierigkeiten dürfte wohl das 
Suchen des Hauptnenners und das Gleichnamigmachen bieten, weshalb 
manche Bechenmethodiker, z. B. Brennert und K as e 1 i tz , der Addition 
und Subtraktion die Multiplikation und Division vorangehen lassen. Be- 
gnügt man sich aber mit kleinem Bruchausdrücken, so wird die Sache 
auch für schwächere Schüler lehrbar. Unnötige Furcht herrscht auch 
vor den Fällen in der Multiplikation und Division, wo Multiplikator 
oder Divisor Brüche sind. Vielfach werden hier einfach mechanische 
Begeln gegeben. Das ist weder statthaft noch nötig, wenn die Schüler 
aus dem frühem Unterricht wissen, dass Vergrösserung des einen Fak- 
tors oder des Divisors Vergrösserung des Produktes bez. Verkleinerung 
des Quotienten nach sich zieht, und dass man, um ein richtiges Besultat 
zu erhalten, das Produkt mit dem nämlichen Faktor dividieren bez. den 
Quotienten multiplizieren muss, mit dem man vorher multipliziert hatte. 
(Ausserdem kann man die letzterwähnten Fälle später in der Begeldetri 
behandeln.) 

Zum Bechnen mit decimalen Zahlen wollen wir im sechsten Schul- 
jahr noch ergänzend zufügen: die nicht aufgehende Division, 
die Verwandlung der (gemeinen) Brüche in Decimal- 
zahlen, die Multiplikation und Division mit einer deci- 
malen Zahl (Decimalbruch) und die Abkürzung der Rech- 
nung en. Das Bechnen mit Decimalzahlen ist fleissig zu wiederholen; 
auf der 1. oder 3. formalen Stufe wird sich fast stets Grelegönheit bieten, 
Vergleichungen des vorliegenden Falls mit dem ähnlichen aus der Rechnung 
mit Decimalzahlen anzustellen. Die Schüler werden hierbei auch lernen, 
wo man mit Vorteil die eine oder die andere Rechnungsart anwendet. 
Ergiebt sich z. B. bei der Lösung von Additionsaufgaben voraussichtlich 
ein grosser Generalnenner, so wäre es pedantisch, dem Schüler die Ver- 
wandlung der Brüche in Decimalzahlen nicht zu gestatten; es würde 
vielmehr von geringer Intelligenz des Schülers zeugen, wenn er diesen 
Weg nicht einschlagen wollte. 

Der Verwandlung von Decimalzahlen in (gemeine) Brüche werden 



Das sechste Schuljahr. 161 

wir wenig Baum gewähren, da sie im Leben nur selten in grösserm Mass 
erforderlich ist. Wo sie zweckmässig stattfindet, haben wir schon oben 
angedeutet; in der Volksschule werden das meist Fälle sein, wo dem 
Schüler der (gemeine) Bruch bereits bekannt ist (z. 8.0,75 = ^la ^»ss = V»)* 
Über die Verwandlung geschlossener und rein periodischer Decimalzahlen 
braucht man nicht hinauszugehen. 



2 Die Gliederung des StofTes 

Unter sog. „ungünstigen Verhältnissen^ wird es nicht möglich sein, 
alle Lehrstücke, die nachstehend aufgeführt sind, durchzuarbeiten. Für 
manche Schulen oder Schüler dürften schon die unter No. 1 bis 12 ge- 
nannten genügen. 

Die Lehrstücke sind nicht nach den Sachverhältnissen , an welche 
bei Bearbeitung derselben angeknüpft wird, geordnet und benannt, sondern 
nach den Zahlverhältnissen (also fachwissenschafblich). unsere Bezeich- 
nungen können deshalb nicht als Zielangaben dienen ; diese werden 
nach örtlichen Verhältnissen verschieden und deshalb dem Lehrer zu über- 
lassen sein. 

1. Entstehung, Arten und Grössenverhältnisse der Brüche. 

2. Verwandlung ganzer und gemischter Zahlen in Brüche und um- 
gekehrt : Verwandlung unechter Brüche in ganze und gemischte 
Zahlen. 

3. Die nicht aufgehende Division. 

4. Verwandlung (gem.) Brüche in Decimalzahlen. 

5. Veränderung des Werts einer Bruchzahl durch Addition gleich- 
artiger Teile. 

% + % 

6. Veränderung des Werts der Bruchzahlen durch Subtraktion gleich- 
artiger Teile. 

25/ 17/ 

/82 '82 

4-% 

7. Veränderung des Werts eines Bruches durch Multiplikation des 
Zählers mit einer ganzen Zahl. 

% X 5 

5%X5. 

8. Veränderung des Werts eines Bruchs durch Division des Zählers. 

30»%, : 6. 



♦) Wir folgen in der Aufeählung der sogenannten „Rechenfälle*" flentschel, 
Lehrbuch. Ausdrücklich sei aber bemerkt, dass wir die „Fälle" nicht so ver- 
wendet wissen wollen, dass sie der Schüler sich einprägen und seine Übersicht 
über dieselben geben soll. Sie sollen dem Lehrer nur andeuten, wie verschieden 
die Aufgaben sein können. Man vergleiche auch das sehr sorgfältig gliedernde 
Rechenbuch von Heiland und Mutnesius. 

11 



162 Das sechste Schuljahr. 

9. Yerändening des Werts eines Bruchs durch Multiplikation des 
Nenners. 

10»/8:5 
7V,:5 

10. Veränderung des Werts eines Bruchs durch Division des Nenners. 

161/, X 4 
18% X 4. 

11. Erweitem der Brüche. 

12. Heben der Bruche. 

(Teilbarkeit der Zahlen und grösstes gemeinschaftliches Mass.) 

13. Addition ungleichnamiger Brüche. 

a) Das Gleichnamigmachen. 

b) Die Addition. 

14. Subtraktion ungleichnamiger Brüche. 

lö /lO 

4%-% 

15. Multiplikation einer ganzen Zahl mit einem Bruch. 

12 X V* 12 X V, 

12 X % 12 X % 

12X6% 12X2%. 

16. Multiplikation einer ganzen (dekaidischen) Zahl mit einer Deci- 
malzahl. 

3X0,1 
3 X 0,3 
3 X 2,3 

17. Division {Messen) einer ganzen Zahl durch einen Bruch. 

48: V4 48: V, 

48:«/, 48:«/, 

48:6»/^ 48:2«/,. 

18. Division (Messen) einer ganzen (dekadischen Zahl) durch eine 
Decimalzahl. 3 : 0,1 

3 : 0,3 
3 : 2,3. 

19. MultipKkation eines Bruchs mit einem Bruch, einer gemischten 
Zahl mit einem Bruch u. s. w. 

75 X % 

"/i2X5% 

12% X % 
7%X9%,. 

20. Division eines Bruchs durch einen Bruch, einer gemischten Zahl 
durch einen Bruch u. s. w. 

%•-% 1 

7^/2 : V2 i Grleichnamigmachen. 



% ■■ % 



8 



Das sechste Schuljahr. 163 



19/ . 2/ 
/l7 • /i 



7"/« : 2%. 

21. Multiplikation einer Decimalzahl mit einer Decimalzahl. 

22. Division (Messen) einer Decimalzahl durch eine Decimalzahl. 

23. Verwandlung von Decimalzahlen in gem. Brüche. 

24. Annäherungswerte. 



3 Die Bearbeitung des Stoffs 

Während das Eechnen mit Decimalzahlen sich vorzugsweise für das 
schriftliche (Ziffern-) £,echnen eignet, ist das Bruchrechnen ein rechtes 
tlbungsfeld für das Kopfrechnen. Der Grundsatz des Yolksschulrechnens : 
Ziffernrechnen tritt nur dann in Grebrauch, wenn das 
Zahlgedächtnis nicht ausreicht, wird möglichst streng durch- 
geführt; die Verfahrungsweisen beim Ausrechnen sind beim Kopf- und 
Zifferrechnen dieselben. Ausführlichere Anweisungen über die Ver- 
fahrungsweisen findet man in allen grossem Lehrbüchern des B.echen- 
unterrichts. Wir beschränken uns deshalb hier auf Hervorhebung einiger 
Punkte. 

1. Die Brüche treten nicht plötzlich im Bechenunterricht auf; schon 
in den frühern Schuljahren hat der Schüler ihre Entstehung (bei der 
Division) kennen gelernt und mit ihnen gerechnet. Besonders sind es 
benannte Bruchzahlen, die ihm geläufig sind. Er weiss, das ^j^ m 
= 50 cm, ^2 blitzend = 6 Stück, V2 Schock = 30 Stück ist u. s. w. 
Femer, dass.2 Halbe = 1, */^ = 1 u. s. w. Dieses vorhandene Material 
ist jetzt zusammenzufassen und zu sichten. Auf Brüche führt sowohl 
das Teilen, als das Messen oder Vergleichen. Vielfach wird die Ent- 
fitehung der Brüche nur in der ersten Form der Division vorgefahrt: 
man teilt die Gegenstände, z. B. Apfel, Papier, Bindfaden, Linien, 
Kreise u. s. w. und benutzt auch wohl „Bruchrechenapparate**. Aber 
auch die zweite, allerdings schwierigere Form darf nicht unterlassen 
werden. Beim Messen sind es zunächst nicht die eingeführten Mass- 
stäbe und Gewichte, die Brüche nötig machen, sondern die Naturmasse. 
Die Massstäbe u. s. w. haben ja bekanntlich sehr kleine Unterabteilungen, 
die Bruchzahlen scheinbar unnötig machen. (Diese Unterabteilungen 
sind zwar immer ein Bruchteil der Masseinheit, man wird sich dessen 
beim Messen aber kaum bewusst.) Naturmasse, z. B. die Spanne, der 
Schritt, der Fuss haben Unterabteilungen nicht; deshalb spricht man 
hier von ^/jj Spanne, ^/g Schritte u. s. w. Auch wenn Naturkörper mit 
einander verglichen werden, kommt man fast immer auf Brüche; der 
eine Baum ist l^/g oder 1^/gmal so hoch als der andere; der Gold- 
schmied- (Käfer) ist nur ^/^ so gross als der Maikäfer u. s. w. ; Deutsch- 
land ist ungefähr l^/^mal so gross als Italien. Im Geschichtsunterricht 
kann man die Begierungszeit der Regenten vergleichen u. s. w. An- 
knüpfungspunkte sind also zahlreich vorhanden. 

Es ist wohl der häufigste Fall, dass der ganze Massstab nicht genaue 
Male in der aufzumessenden Grösse enthalten ist ; das übrigbleibende Stück 

11* 



164 Das sechste Schuljahr. 

kann dann nur mit einem kleinem Massstabe (Einheit) ausgemessen werden, 
z. B. mit der Hälfte, dem vierten, achten, zehnten u. s. w. Teil der ersten 
Einheit. Auf die kleinere Einheit bezieht sich das Wort „Bruch*'. Man 
zahlt nun ebenfalls, wie viel mal die angenommene kleinere Einheit in 
dem noch anszumessenden Stück enthalten ist, und erhält so eine Bruch- 
zahl gewöhnlich nur ,, Bruch" genannt. Die Bruchzahl oder der Bruch 
ist also nicht ein Teil einer Zahl, sondern ebenfalls eine (ganze) Zahl, 
deren Einheit aber kleiner als die Eins der natürlichen Zahlenreihe ist. 
Sie enthält (wie die sogenannten ganzen Zahlen) eine bestimmte Menge 
von Einheiten; diese können zusammen weniger oder mehr als die Eins 
der natürlichen Zahlenreihe ausmachen (echte und unechte Brüche). 
(Es ist sehr wichtig, dass der Schüler eine richtige Auffassung von 
einem Bruch bekommt. Hier wird oft ein Fehler gemacht, und die 
Schüler meinen dann, sie hätten beim Bruch mit einer Doppelzahl zu 
rechnen.) 

Auch auf die Erklärung des Namens der Einheit, „Bruch", führt 
die Entstehung. „Gebrochene Zahl" statt „Bruch" setzen, wird dem 
Schüler unverständlich sein. Eher wird er sich etwas Sichtiges vor* 
stellen, wenn er sich erinnert an zerbrochene Gegenstände, an die Bruch- 
stelle, den Bruch und die Bruchstücke. Es wird ihm aber auch ver- 
ständlich werden, dass man den beim Ausmessen einer Grösse angewandten 
(grössern) Massstab den „ganzen Massstab" oder die „ganze Einheit" 
nennen kann, den kleinem einen von jenem „abgebrochenen" (ab- 
geleiteten) oder eine „Bruch -Einheit". Die Ausdrücke ganze Zahl 
(statt dekadische), Bruch-Zahl, gemischte Zahl bedürfen nun kaum 
der Erklärung. 

Sind die Ausdrücke Bruch-Einheit und Bruch- Zahl richtig verstanden 
worden, so sind auch die Bezeichnungen Stamm brüche und abgeleitete 
Brüche klar. (Diese Namen sind übrigens nicht nötig.) 

Aus der Entstehungsweise der Brüche ergiebt sich femer, dass von 
gleichnamigen Brüchen die mit dem grössten Zähler, von ungleichnamigen 
Bruch- Einheiten die mit dem kleinsten Nenner die grössten sind. 
Man wird schon hier die Grösse verschiedener Brüche naher vergleichen 
können, um das spätere Heben, Erweitem und Gleichnamigmachen u. s. w. 
vorzubereiten; z. B. ^/^ = der Büilfte von V2 > deshalb ^/^ = ^/^, oder 
^/^ =%. Die Bruchzahl ®/,5 ist 4 mal so gross als ^/^g u. s. w. 

2, Wie man unechte Brüche in ganze oder gemischte Zahlen ver- 
wandelt und ganze oder gemischte Zahlen einrichtet, wird dem Schüler 
ohne Weiteres verständlich sein. Den Brüchen, die der Einheit (Eins) 
gleich sind (uneigentliche Brüche) besondere Namen zu geben, dürfte in 
der Yolksschule überflüssig sein. Ebenso das nähere Eingehen auf die 
Doppelbrüche. „Das Y2 Viertelchen Kaffee" scheint im Verkehr zwar 
noch immer vorhanden zu sein; der Schule Aufgabe ist es aber nicht, 
abgeschaffte Dinge zu erhalten und zu pflegen. 

Da von den uns bekannten £,echnungsarten nur die Division auf 
Brüche führt, so schreibt man diesen wie eine Divisionsaufgabe und um- 
gekehrt eine Divisionsaufgabe wie einen Bruch. Diese Auffassung (nicht 
so zu verstehen, als sei der Bruch eine Divisionsaufgabe) ist wichtig für 
den so vorteilhaften Bruchsatz bei spätem schriftlichen Aufgaben. Sie 
leitet auch über zum folgenden Abschnitt. 



Das sechste Schuljahr. 165 

3. Schon bei der Division mit Decimalzahlen haben wir ein Mittel 
(Erweiterung) kennen gelernt ^ den sogenannten Best in Divisionsaufgaben 
zu beseitigen. Jetzt kennen wir in der Annahme vom Divisor abgeleiteter 
(abgebrochener) kleinerer Einheiten ein ferneres Mittel^ jede Division ohne 
Rest zu Ende zu führen. Vielfach wird die Division den Schülern hier 
wiederum nur als „Teilen** vorgeführt. Es heisst z. B. 13 : 6. Damit 
ist die Aufgabe gestellt 6 (Personen) sollen sich unter 13 (Apfel) teilen. 
Jede bekommt zunächst 2 ganze; der übrig bleibende wird in 6 Teile 
geteilt, wovon jeder Teiler einen erhält. Die Form des Messens ist auch 
hier zu üben. Z. B. 13:6. Die Masseinheit ist 6*), sie ist in 13 zwei- 
mal enthalten; es bleibt ein Rest (1); dieser kann mit dem 6. Teil der 
Masseinheit (^/^ von 6) noch einmal gemessen werden. Aufgaben mit 
sehr grossem Divisor sind zwecklos. Hier kann auch der Unterschied in 
der Entstehung von Bruchzahlen erwähnt werden. % kann sein -/g von 
einem Ganzen, oder ie ^/^ von zwei Ganzen. 

4. Da wir bei frühem Divisionen den Rest in Decimalzahlen er- 
weiterten und als Quotient statt eines (gem.) Bruchs eine Decimalzahl 
erhielten, so liegt der Schluss nahe, dass die betreffende Decimalzahl gleich 
ist einem (gem.) Bruch, dass beide also in einander übergeführt werden 
können. Das Verfahren bei der Umwandlung (gem.) Brüche in Decimal- 
zahlen ist aus der vorigen methodischen Einheit (und aus der Schreib- 
weise der Brüche) klar. An dieser Stelle kann auch die Auffassung der 
Decimalzahlen als Decimal b r ü c h e behandelt oder wiederholt werden. 

Bei der Umwandlung der (gem.) Brüche in Decimalzahlen tritt nun 
geordnet auf, was bei den frühem Divisionen schon hin und wieder beob- 
achtet wurde : manche Brüche geben endliche, andere periodischen, s.w. 
Decimalzahlen. Die Frage, welche Brüche geschlossene und welche 
periodische Decimalzahlen geben, liegt zwar ausserhalb der Aufgabe des 
Volksschulrechnens, doch kann sie leicht beantwortet werden, wenn der 
Schüler früher gelernt hat, dass da, wo der Divisor im Dividend aufgeht, 
auch die Faktoren des Divisors und die daraus gebildeten Teilprodukte 
aufgehen. Dieser Satz sollte aber jedem Volksschüler bekannt sein ; denn 
mit ihm kann er nicht nur oft sehr bequem Divisionen ausführen, sondern 
er schafft ihm» auch Einsicht in das Verfahren beim Suchen des grössten 
gemeinschaftlichen Masses und des kleinsten gemeinschaftlichen Vielfachen 
mehrerer Zahlen. 

5. und 6. Diese beiden Lehrstücke enthalten nichts Neues. Sie 
sollen bloss als Vorbereitung für die spätere Addition und Subtraktion 
dienen und werden nicht in grosser Ausdehnung behandelt. Der Schüler 
hat im ersten Abschnitt die Entstehung der Bruch -Zahlen aus den 
Bruch-Einheiten kennen gelernt und hierbei schon Brüche addiert, er 
kann also selbst angeben, wie die Addition gleichnamiger Brüche auszu- 
führen ist. Die Brüche als benannte Zahlen auffassen zu lassen, wie 
manche Rechenlehrer raten, halten wir bei einem ernsten Rechenunterricht 
für unnötig« 

Bei der Addition und Subtraktion gemischter Zahlen gewöhne man 
die Schüler nicht an das vorherige Einrichten der Zahlen. Für das 
schriftliche Rechnen sind keine besondern Regeln nötig. Damit die 



*) Wenn noch nötig, zuerst mit Anschauungsmitteln. 



166 Das sechste Schuljahr. 

Nenner die Übersicht nicht stören, schreibt man den Nenner ober die 
Posten bes. den Minuenden (wie später den Generalnenner) oder man 
rückt ihn rechts seitwärts anter den Zähler. 
58 

3 15 oder 3 "/^^ 
28 *%, 

4 87 4 "/.„ 

43 "kl 

45 *»/..8 



7"»^, = 10'/,, 7"%, = 10%, 

Da die Schüler mit dem „Heben*' der Brüche vielleicht noch nicht 
genügend vertraut sind, wählt man die Beispiele so, dass nicht oder leicht 
zu heben ist, oder hebt vorläufig auch gar nicht. Das Heben wäre stets 
vor der Verwandlung des unechten Bruches in eine gemischte Zahl aus- 
zuführen. Die letzterwähnte Operation wird man zweckmässig nicht bis 
zum Schluss aufschieben, wenn die Zähler nur kleine Zahlen sind, wie 
das hier B,egel sein soll. Man wandelt gleich um, sobald ein Ganzes 
erreicht wird, und bemerkt jedes Ganze mit einem Strich. In obigem 
Beispiel wäre also zu rechnen: 

45 1_ 4 8' 18«/ .3«/ l_ 87' 1 J_ «1/ . «1/ »L «3/ 44' - 

52 n^ /58 ^ /5« » /6« n^ /52 ^^ /ö« » /52 T^ /62 '52» 

44' I 15' 1-4-7/ . 3J.4._L3 I 7/ 10"/ 

/52 T^ /62 ^ T^ 52 » .^T^^T^^T^ 52 ^^ /52* 

Sobald die Schüler im Verständnis sicher sind, dürfen die Wiederholungen 
weggelassen werden, wie das beim stiUen B.echnen ja gewöhnlich geschieht. 
7. — 10. Die bei diesen methodischen Einheiten zu gewinnenden Sätze 
sind zwar sehr einfach, aber von grosser Wichtigkeit ; deshalb recht klare 
Einsicht und tüchtige Übung. Die beiden ersten Sätze: 

1. Wenn man den Zähler mit einer ganzen Zahl multipliziert, so 
vergrössert man den Bruch ebensovielmal ; man multipliziert also 
einen Bruch mit einer ganzen Zahl, indem man den Zähler des- 
selben multipliziert; 

2. Wenn man den Zähler mit einer ganzen Zahl dividiert u. s. w., 
sind auch schwachem Schülern so einleuchtend, dass man Multiplikation 
und Division der Brüche überhaupt for recht einfach haltei^ könnte. Die 
Schuler werden aber sofort merken, dass der zweite Satz nur in wenigen 
Fällen angewandt werden kann. Sie müssen deshalb noch nach einem 
andern Mittel zur Verkleinerung des Bruchs suchen, das sie in der Ver- 
grössernng des Nenners finden. Wenn ihnen die Entstehung und die 
Gbössenverhältnisse der Brüche wirklich klar geworden sind, bietet die 
Einsicht in diese DivisionsweiBe keine Schwierigkeiten. Aus dem Gegen- 
satz ergiebt sich ein anderes Verfahren für die Multiplikation in gewissen 
Fällen, dessen Vorteile auf der Hand liegen. Die Sätze über Multipli« 
kation und Division: Man multipliziert einen Bruch mit einer ganzen 
Zahl, indem man entweder den Zähler multipliziert oder den Nenner 
dividiert ; man dividiert u. s. w., lässt man natürlich zusammenstellen und 
vergleichen. Bei den daraufiblgenden Übungen haben die Schüler stets 
das vorteilhafteste Verfahren anzuwenden. Zu merken ist auch der Fall, 
dass man den Zahler als ganze Zahl erhalt, wenn man ihn mit einer 
Zahl multipliziert, die gleich seinem Nenner ist (*/g X 8 = 5) ; oder dass 
man den Bruch mit einer dem Nenner gleichen Zahl multipliziert hat, 



Das sechste Schuljahr. 167 

wenn man diesen wegstreicht. (Für die spätere Multiplikation und Division 
sehr wichtig.) Gemischte Zahlen werden vor Ausführung der Multipli- 
kation oder Division nicht erst eingerichtet. 

Wenn sich der Nenner des Multiplikanden gegen den Multiplikator 
heben lässt, so wird vor Ausführung der Multiplikation gehoben. Der 
Schüler soU nicht rechnen % X 18 = »% = 4; sondern % X 18 = 
1*8:9X2 = 2X2 = 4. 

Beim schriftlichen Rechnen gewöhnt man ihn bald an den vorteil- 
haften Bruchsatz. 




15 

Ebenso: ^^ : 

11. Die Einsicht für das Erweitem der Brüche ist schon aus 6 bis 
10 gewonnen worden, ausserdem bekannt aus der Division dekadischer 
Zahlen (z. B. 815 : 5 = (815 X 2) : (5 X 2) = 1630 : 10 = 163) und aus 
dem Bechnen mit Decimalzahlen. Wichtiger als das Erweitern mit einer 
gegebenen Zahl (z. B. Erweitere *,,j durch 9!) ist das Erweitem zu 
einem gegebenen Bruch (z. B. mit welcher Zahl müssen 5tel erweitert 
werden, damit es 45tel werden? Erweitere */jg auf 60 teil), weil hier- 
durch die Addition und Subtraktion ungleichnamiger Brüche vorbereitet 
wird. Auch Übungen, wie folgende, sind wichtig: Neont alle Brüche, 
die sich zu 12, 24, 36, 72, 360teln u. s. w. erweitern lassen! Bildet 
daraus Beihen! 



V. 


= 


18 
/86 


\ 




12/ 


~~~ 


/36 


1/ 




/3« 


u 





Ve 


______ 


/86 


~~~ 


'U. 


,= 


3/ 
/86 


Vx8 




2/ 


1 — 


'k 





18/ 


"■~~ 


% 





36/ 


"~~~ 


% 




12/ 


~~~ 


\ 


___ 


24/ 


~~~ 


/86 


8/- 


^^ 


8«/_- 



Oder: 



/8 — /86 ^- 8- w- 

Vergleicht die Grösse der aufgeführten Brüche! 

Hieran Hesse sich das Gleichnamigmachen der Brüche anschliessend 
wenn besondere Umstände dies wünschenswert machen sollten. Am natür- 
lichsten tritt es aber unmittelbar vor der Addition ungleichnamiger Brüche 
auf. Dort wird es unbedingt verlangt und findet sofortige Anwendung. 

1 2. Das Heben ist an bequemen Zahlen schon vielfach geübt worden. 
Die Regeln über die Teilbarkeit der Zahlen sind zum Teil ebenfalls be- 
kannt. Man kann sie hier nochmals zusammenstellen und nötigenfalls 
ergänzen. Dem Schüler sollen wenigstens bekannt sein die Erkennungs- 
mittel für: 



168 Das sechste Schaljahr. 

2, 4, 8; 
3 9* 

5,' 10, 100, 25; 
6, 12, 15. 
Vielleicht auch noch für 11. 

Hiermit wird man für das jetzige Bmchrechnen in der Volksschule 
aasreichen. In vielen Fällen gewährt es aher grosse Erleichterung, wenh 
man gleich das grösste gemeinschaftliche Mass mehrerer Zahlen 
kennt. Zur Auffindung desselben kann man bekanntlich zwei Wege ein- 
schlagen: Zerlegung der Zahlen in die Grundfaktoren, oder wiederholte 
Division. 

Beispiel: Es sei das grösste gemeiDschafbliche Mass für die Zahlen 
144 und 360 zu suchen. 

a) 144 = 2.2.2.2.3.3 
360 = 2 . 2 . 2 . 3 . 3 . 5 
Gemeinschaftlich sind die Faktoren 2.2.2.3.3; deshalb das grösste 
gemeinschaftliche Mass 2 . 2 . 2 . 3 . 3 = 72. 

360 : 144 = 2 oder 360 : 144^: 72 
144772 = 2 ~~72 ^^^ 

Dem erstem Verfahren ist der Vorzug zu geben, besonders wenn 
die Zahlen nicht sehr gross sind. Es setzt nur voraus, dass der Schüler 
in der Faktorenlehre nicht unbewandert ist; dann sieht er den Grund 
des Verfahrens sofort ein und gelangt auch rasch und sicher zum Ziel. 

Das zweite Verfahren lässt das grösste gemeinschaftliche Mass bei 
allen Zahlen mit Sicherheit auffinden und kann besonders dann angewandt 
werden, wenn die obengenannten Erkennungsmittel für die Verwandtschaft 
der Zahlen nicht ausreichen. Die Begründung des Verfahrens ist nicht 
schwer und bleibt auch nicht vereinzelt. Denn die Anwendung der 
„Erkennungsmittel '^ soll ebenfalls begründet werden und beruht auf den 
nämlichen Zahlgesetzen. (Geht eine Zahl in einer andern auf, so auch 
in deren Vielfachen; geht eine Zahl in zwei anderen auf, so auch in 
deren Summe und Unterschied.) 

14. und 15. Die Schwierigkeit bei der Berechnung der Summe oder 
Differenz ungleichnamiger Brüche liegt bekanntlich im „Gleichnamigmachen" 
der Brüche. Die Schüler haben dies zwar schon ausgeführt, aber nur 
unter sehr günstigen Verhältnissen ; ihre bisherige Kenntnis vom „Erweitem" 
reicht nicht aus, um die Bruch-Einheit (oder den Nenner) zu bestimmen, 
zu welcher sich in jedem angegebenen Falle alle Brüche erweitem lassen. 
Intelligente Schüler werden zwar in dem Satz: „Die Faktoren sind stets 
im Produkt enthalten," einen Weg finden. Sie sehen alle Nenner als 
Faktoren an und suchen das Produkt; dabei kommen sie aber auf un- 
gemein grosse Zahlen, die sich als unnötig erweisen. An den oben ge- 
stellten Aufgaben haben sie gesehen, dass man mit einem viel kleinem 
Nenner auskommt, wenn die gegebenen Nenner mit einander verwandt 
sind. Wie findet man diesen kleinsten gemeinschaftlichen Nenner? Zu- 
nächst können gewiss aUe die Nenner als Faktoren weggelassen werden, 
die schon in einem andern enthalten sind; denn sie gehen auch auf in 
dem gesuchten Nenner, der ja ein Vielfaches der übrigbleibenden ist. In 



Das sechste Schuljahr. 169 

dem obigen Beispiel waren die Nenner 2, 3, 4, 6, 12, 18. Die 4 ersten 
können wir weglassen, denn sie sind in 12 enthalten. Von 12 und 18 
ist das kleinste gemeinschaftliche Vielfache aber nicht 12 X 18 = 216, 
sondern 36. Dagegen würde es von 11 und 12 wirklich 11 X 12= 132 
sein. Woher dieser Unterschied? Im letztern Falle soll in der zu 
suchenden Zahl 11 enthalten sein, sie muss also den Faktor 11 haben; 
ebenso wegen der 12 den Faktor 12 oder die Grundfaktoren 2.2.3. 
Im erstem Falle muss die Zahl wegen der 12 die Grundfaktoren 2.2.3 
enthalten, wegen der 18 2.3.3. Setzen wir zunächst 12 = 2 . 2 . 3, so 
sind von 18 schon zwei Grundfaktoren vorhanden; wir haben deshalb 
nur noch den dritten (3) zuzufügen. 2 . 2 . 3 . 3 = 36. Hieraus ergiebt 
sich die "Wichtigkeit der Zerlegung der Zahlen in die Grundfaktoren. 
Sie ist unsem Schülern nichts Unbekanntes , sondern zu Zwecken der 
Multiplikation und Division bereits früher geübt worden. (Vergl. Viertes 
Schuljahr.) Wir machen hier nochmals darauf aufmerksam, dass sie 
nicht als „reine Faktorenlehre" behandelt werden soll, weil dieses wissen- 
schaftliches Interesse voraussetzt. Die Schüler müssen den Nutzen der- 
selben immer einsehen. 

Zur Aufsuchung des kleinsten gemeinschaftlichen Vielfachen sind 
für das schriftliche Verfahren in den verschiedenen Rechenbüchern etwas 
abweichende Schemata angegeben. Wir empfehlen das im weim. Kirchen- 
und Schulblatt,*) Jahrg. 1879, Seite 171, angegebene. Da diese 
Zeitschrift ausserhalb des weimarischen Landes weniger verbreitet sein 
dürfte, teilen wir das Wichtigste davon mit. 

18 = 2.3.3 

12 = 2.2.3 

15 = 3.5. 

16 = 2.2.2 
35 = 5.7. 

50 = 2 . 5 . 5 

2.2.2.3. 3.5.5.7= 25200 
Dazu werden folgende Erläuterungen gegeben: 

1. Das gesuchte Vielfache soll 18 enthalten, daher muss es mindestens 
eine Zwei und zwei Dreien als Faktor haben, ich schreibe also unter 
den Strich 2.3.3; das Vielfache ist also bis jetzt 18, und in der That 
ist 18 das kleinste Vielfache von 18. 

2. Das gesuchte Vielfache soll 12 enthalten, daher muss es zwei 
Zweien und eine Drei als Faktor haben. Nun ist eine Zwei bereits da 
und, hier zum Teil überflüssigerweise, auch zwei Dreien ; ich brauche also 
nur noch eine Zwei, welche ich, damit die Ordnung gewahrt werde, 
voran stelle. Es steht nunmehr unter dem Striche als kleinstes gemein- 
schaftliches Vielfaches von 18 und 12 die Zahl 2.2.3.3, d. i. 36. 

3. Wegen 15 brauche ich noch eine Fünf (diese setze ich hinter 
die zweite Drei). 

4. Wegen 16 brauche ich noch zwei Zweien u. s. w. 

Demnach ist 2.2.2.2.3.5.5.7 = 25200 das kleinste ge- 
meinschaftliche Vielfache der Zahlen 18, 12, 15, 16, 35 und 50. 



*) Von Herrn Geh. Obcrschulrat Dr. Leiden fr ost. — Wir geben die 
Beispiele, wie sie im Kirchen- und Schulblatt enthalten sind; in der Volks- 
schule werden wir nicht mit so grossen Generalnennern rechnen. 



170 Das sechste Schuljahr. 

Die Schüler sind noch darauf aufmerksam zn machen, dass eine Yer* 
ändemng der Reihenfolge der Faktoren Vorteile hei Bildung des Produktes 
hietet: 2.2.5.5= 100 

100 . 2 . 2 = 400 
400 . 3 . 3 = 3600 
3600 . 7 = 25200 
Die Erweiterungszahlen (d. s. die Zahlen, mit welchen Zähler 
und Nenner der zu erweiternden Brüche multipliziert werden müssen) 
werden gewöhnlich durch Division gefunden. (Dem Schüler ist dieses 
Yerfiihren bereits bekannt: Produkt und ein Faktor ist gegeben, den 
andern findet man durch Division.) Es empfiehlt sich aber, das Multi- 
plikationsverfahren vorzugsweise anwenden zu lassen, denn 

1. „bietet es abermals Gelegenheit, die Faktorenlebre anzuwenden 
und zu üben; 

2. kann es gerade in schwierigem Divisionsfallen, wo der Schüler 
oft schon seine Zuflucht zu schriftlicher Ausführung nehmen wird, 
noch im Kopf vollendet werden. Darf es doch als unbestreitbar 
angesehen werden, dass, gerade so wie die Fertigkeit des Schülers 
im Addieren diejenige im Subtrahieren überragt, auch der Zahl- 
raum, innerhalb dessen der Schüler mit Sicherheit im Kopf multi- 
plizieren kann, entschieden weiter reicht, als derjenige, innerhalb 
dessen er sich unter sonst gleichen Umständen einer Division 
unterziehen mag." (A. a. 0. S. 189.) 

Nehmen wir in obigem Beispiel die Zahlen 18, 12, 15, 16, 35 und 
50 als Nenner von Brüchen an, so findet man die Erweiterungszahlen 
durch das Multiplikationsverfahren auf folgende Weise : 

Damit aus 18teln 25200 tel werden, muss man den Bruch mit 1400 
erweitem, denn 18 = 2 . 3 . 3 ist der eine Faktor des Produkts 25200 ; 
der andere besteht aus den übrigen Grrundfaktoren von 25200, nämlich 
aus 2.2.2.5.5.7= 1400. 

12 = 2.2.3, der andere Faktor (die übrigen Grrundfaktoren von 
25200) 2.2.3.5.5.7 = 2100. 

15 = 3 . 5, der andere Faktor 2.2.2.2.3.5.7 = 1680 u. s. w. 

Der bessern Übersicht wegen schreibt man die zu erweiternden 
(gleichnamig zu machenden) Brüche in eine senkrechte Reihe, rechts neben 
dieselben die Erweiterungszahlen, neben diese die erweiterten Brüche. 
Hat man die Erweiterungszahlen richtig gefunden, so sind bloss noch die 
Zähler zu multiplizieren, denn die multiplizierten Nenner geben stets den 
Hauptnenner. (Die Ausführung der letztem Multiplikation kann aber 
als Probe für die Eichtigkeit der Erweiterungszahl dienen.) Deshalb ist 
auch nicht nötig, den Nenner der erweiterten Brüche jedesmal hinzu- 
schreiben; es genügt, wenn man sich denselben oben anmerkt. 

25200 

7Ö00 
10500 
11760 
11025 

5040 

3528 



"/l« 


14Ö0 


%s 


2100 


7.5 


1680 


'!^e 


1575 


''U 


720 


VoO 


504 



Das sechste Schuljahr. 



171 



Nun kann die Addition der Brüche unmittelbar erfolgen, ebenso die 
Angabe der Differenz je zweier Brüche. (Aach die Division — das 
Messen — könnte hier angeschlossen werden.) 

Sind gemischte Zahlen zu addieren, so addiert man erst die Zähler 
der gleichnamig gemachten Brüche, hebt — wenn möglich — und ver- 
wandelt den unechten Bruch in eine gemischte Zahl u. s. w. 

Wie man eine schriftliche Additionsaufgabe zweckmässig anordnet, 
zeigt folgendes Schema (Kirchen- und Schulblatt S. 187): 

1680 



^" '12 


140 


986 


401%, 841590 


3 748 


35 245 


IS"»/», 

3 


105 525 
60 540 
30 1170 


800V,„5 


1 


»ose/ 31«/ ai/ 

/l«80 — ;io» — ** /l06 



Zuweilen gewährt es Vorteil, nicht alle zu addierenden Brüche gleich- 
namig zu machen, sondern die verwandten in Gruppen zu bringen, diese 
zu addieren und die Summen schliesslich in eine Hauptsumme zu ver- 
einigen. Ein Beispiel hierfür entnehmen wir Erfurth (a. a. 0. 8. 115). 

% + '%! + '%* + \ + V: + 'k. + "/v. 4- % + 'I. + % 

. + 7i» + "/i. 

Nach gewöhnlicher Weise addiert, erhält man den Hauptnenner 9240 
und hat deshalb mit grossen Zahlen zu rechnen. Man kann hier aber 
folgende Gruppen bilden: 

a) 



*/8 


b) 1% 


c) %0 


d) »/, 


e) '7n 


% 




''U 


% 


722 


:/* 


1« 


1'/. 


1 


1%2 


'/* 


2"/24 


178 

1*/. 

1 







7V* 

+ li/22_ 

SSa. 8*1/44 
Da TinBere Schüler bereits mit Decimalzahlen rechnen können, so 
dürfen sie von denselben Anwendung machen, wenn sich bei Lösung einer 
Additionsanfgabe mit (gem.) Brüchen voraussichtlich ein grosser Haupt- 
nenner ergiebt. (JSentschel a. a. 0. S. 123.) 

%, =0,308 

%;= 0,294 

1%= 0,526 

i%3= 0,783 

%, = 0,207 

»/3,== 0,355 

2,473 



172 Das sechste Schuljahr. 

Der Hauptnenner würde 86822723 sein. 

Zur Subtraktion bemerken wir nur, dass man das „Rechnen mit 
Vorteilen" nicht ausser Acht lassen möge. 

<^'h - "/.* = (5V, -1)4- V„ == 4Vt + V,. = 4"/,4. 

Oder 5V; - "A, = (5 - "/,,) + V, = 4V.. + V. = 4"/,,. 

15. In Hentschels Lehrbuch des Bechenunterrichts ist (Seite 81) 
folgende „Vorbemerkung" zu lesen: „Wir beschränken uns bei der 
Multiplikation und Division mit Brüchen nach Möglichkeit. 
Denn gerade bei diesen beiden Rechnungsarten ist es recht schwer, die 
Lernenden sicher zu machen , vor Konfusionen zu bewahren und doch 
einen übermässigen Aufwand an Kraft und Zeit zu vermeiden." Ferner 
Seite 93: ,.Dass Division und Multiplikation mit Brüchen die 
schwierigsten Kapitel der Bruchrechnung sind und nur mit grosser 
Mühe, Sorgfalt und Geduld bei den Schülern Klarheit und Sicherheit in 
diesen Stücken erlangt werden kann, das weiss der erfahrene Lehrer 
nur zu gut." Es wird deshalb geraten, „die gleichartigen Bechnungs- 
falle fast ausschliesslich auf einerlei Weise lösen zu lassen, für das schrift- 
liche B,echnen feste Regeln in fester Form aufzustellen, dieselben aus 
dem Mündlichen herzuleiten und ihre Zahl möglichst zu beschränken." 

Aus manchen Rechenbüchern sind diese Falle bereits weggelassen. 
Aber Regeldetri- Aufgaben , z. B. 2 kg kosten 6 M. ; wieviel kosten 
3/^ kg? führen doch auf die Multiplikation einer Zfthl mit einem Bruch. 

Der Schüler rechnet: 

2 kg 6 ^; 

1 kg 3 ^; 

'U kg %^; 

^U kg % ^ X 3 = •,; ^ = 2V4 Ji 

Nach Analogie anderer Aufgaben wird er aber auch schliessen: 

1 kg 3 Ji; 

'/4 kg 3^X%. 

Nun steht er vor der Aufgabe: Multiplikation einer ganzen Zahl 
mit einem Bruch, Wie leicht diese Aufgabe zu lösen ist, wurde eben 
gezeigt. Bei der Ausrechnung hat der Schüler schon angegeben, dass 
3 X V4 ^^ ^®^ heisst , als den 4. Teil von 3 dreimal nehmen. Damit 
ist das Verständnis für die Multiplikation mit einem Bruch eröffnet. 
Die schriftliche Darstellung geschieht zweckmässig mit Benutzung die 
sog. Bruchstrichs: 

3:4X3=^ 
4 

Wo gehoben werden kann, geschieht es natürlich vor Ausführung 
der Division oder Multiplikation. 

Ob man zuerst dividiert und den Quotient multipliziert, oder ob 
man zuerst multipliziert und dann das Produkt dividiert, bleibt für das 
Resultat sich gleich; deshalb wird dem Schüler in passenden Fällen er- 
laubt sein — aber erst nachdem er Einsicht in die Multiplikation mit 
einem Bruch genommen hat — auch zu rechnen: 

3X% = (3X3):4=^. 



Das sechste Schuljahr. 173 

Aufgaben wie 15 X ^/g lassen wir zunächst auf zweierlei Weise 
ausrechnen : 

a) 15 X «/s = 15 :8 X 3= 17« X 3 =3 + 21/^ =3 + 2% =5% 

b) 15X%=(15X3):8=45:8==5% 

Zur Ausrechnung b gelangen wir auch durch die vorteilhafte Schreib- 
weise : 15 X 3 = 15 X 3 = 45 = 578. 
8" "8~ 

Der Schüler wird bald beurteilen lernen, wo er am vorteilhaftesten 
die eine oder andere Ausrechnungsweise anwendet. 

Wegen der Multiplikation mit einer Decimalzahl führen wir den 
Schüler noch in eine andere Auffassungsweise der Multiplikationsaufgaben 
ein. Er soll bereits wissen, dass man Aufgaben wie 78 X 5 nicht rechnet : 
70 X 5 + 8 X 5 = 3*50 + 40 = 390, sondern: 

78x5 = 1^^-^=390. 

Dann wird er auch den Satz kennen: Wenn man einen Paktor zu gross 
setzt, erhält man ein zu grosses Produkt ; man bekommt aber das richtige 
Produkt, wenn man dasselbe mit derselben Zahl dividiert, mit welcher 
man den Faktor multipliziert hat. 

Mit Hilfe dieses Satzes können wir bei den in Eede stehenden Auf- 
gaben den Bruch beseitigen und mit einer ganzen Zahl multiplizieren. 

12 X V, = 12 X (V, X 7) : 7 == ii^=^= P/,. 

(Dass man den Bruch mit einer Zahl, die gleich dem Nenner ist 
multiplizieren muss, wenn man soviel Ganze erhalten will, als der Zähler 
angiebt, ist schon im 7. Lehrstück geübt worden.) 

Ist der Multiplikator eine gemischte Zahl, so zerlegt man dieselbe. 
12X2% = (12X2) + 12X% 

= 24 + 5V, 

= 291/7 
Die gemischte Zahl vor Ausführung der Multiplikation einzurichten, 
ist nicht zu empfehlen. 

Neben der gewöhnlichen Ausrechnungsweise lasse man den Schüler 
auch andere anwenden, damit er gewöhnt werde, die Aufgaben zu über- 
legen und vorteilhaft zu rechnen. 

Beispiele : a) 12 X ^\ = (12 X 6) -|- (12 X »/J 
= 72 + 9 

= 81 

12 X 6^/4 aber auch = (12 X 7) — (12 X V4) 

= 84 — 3 =81. 

b) 35 X V12 = (36 X ^/i,) -~ (1 X %2) 
= 15 - \^ 

14V,,. 
16. Die Multiplikation mit einer Decimalzahl bietet nun eigentlich 
nichts Neues mehr ; mögen wir die Decimalzahl als einen Decimalb r u c h 
oder eine Systemzahl auffassen. 



174 Das sechste Schuljahr. 

Wir sehen den decimalen Multiplikator zunächst als eine ganze 

(dekadische) Zahl an und multiplizieren wie mit einer solchen. Soviel 

mal wir denselben bei dieser Annahme erhöht hatten, sovielmal müssen 

wir das Produkt erniedrigen , was bekanntlich durch Abstreichen von 

soviel Stellen geschieht, als der Multiplikator decimale Stellen hatte. 

Wenn wir mit decimalen Einheiten zu multiplizieren haben, so fallt die 

Multiplikation ganz weg; die Multiplikation mit einer decimalen Einheit 

ist gleich der Division durch eine dekadische Einheit desselben Grads. 

o^^^ ^, 3000X1 3000 ^^^ 
3000 X 0,1 = jp- = ^^- = 300 

,000X0,0, =-^^-^-30 

3000X0,00, =?^ = S = 3 

3„00X0,000,-»S=-«=0,S 

Dann kürzer: 3000 X 0,01 = 300,0 
3000 X 0,001 = 30,00 
u. s. w. 

17. Auf Divisionsaufgaben, in welchen der Divisor ein Bruch (oder 
eine gemischte Zahl) ist, führen uns wiederum Begeldetriaufgaben, wenn 
wir dieselben nach der Vergleichungsmethode lösen wollen, was oft kurz 
zum Ziel führt. 

Die Division tritt hier auf in der Form des „Messens" oder Ver- 
gleichens. Nun lassen sich allerdings nur gleichartige Dinge mit ein- 
ander messen; deshalb haben manche E;echenlehrer empfohlen, in der 
Volksschule nur ein Verfahren anzuwenden : nämlich Dividend und Divisor 
gleichnamig zu machen und dann wie mit ganzen Zahlen zu dividieren. 
Dies Verfahren ist in vielen Fällen jedoch recht umständlich. Wir meinen, 
dass die meisten Schüler, die bis zu dieser Stufe des Rechenunterrichts 
vorgeschritten sind, auch ein kürzeres Verfahren begreifen werden. 
Dieses gründen wir auf den Satz: „Wenn man den Divisor durch Mul- 
tiplikation vergrössert, wird der Quotient zu klein; um ihn richtig zu 
erhalten, muss man ihn mit derselben Zahl multiplizieren, mit welcher 
man den Divisor multipliziert hatte. '^ 

Den Divisor multiplizieren wir mit einer dem Nenner gleichen Zahl, 

damit wir den Zähler als Ganze erhalten. 

48 VC 4 
48 : Vi =(48 : 1) x4 = -^— = 192. 

Rechnen wir 48 : 1 statt 48 : ^Z^, so haben wir den Divisor (die 
Mass-Einheit) 4 mal zu gross gesetzt, der Quotient ist 4 mal zu klein 
geworden, ist also mit 4 zu multiplizieren. 

ll:6*/, = ll:^'/,=l^X4=||=li'/„ 

16 

48:6'/, = 48:*7,=g>5Jx^=7V, 

9 



Das sechste Schuljahr. 175 

18. Wenn man Dividend und Divisor mit derselben Zahl multipli- 
zierty bedarf der Quotient keiner Berichtigung. 

48:V4 = (48X4):(V,X4) 

= 192 : 1 =192. 
Diesen Satz benutzen wir bei der nun folgenden Division durch eine 
Decimalzahl. Wir multiplizieren hier beide Zahlen mit der dekadischen 
Einheit; die den Divisor zu einer ganzen (dekadischen) Zahl macht, 
a) 30 ; 0,01 = (30 X 100) ; (0,01 X 100) 
= 3000 : 1 = 3000. 
b) Die Division durch decimale Einheiten braucht man nicht um- 
ständlich auszufuhren; sie geschieht durch Erhöhung (Hinaufrücken) des 
Dividenden. 

c) 24 : 1,2 = (24 X 10) : (1,2 X 10) 
= 240:12 = 20 
Die Multiplikation führt man natürlich nicht weitläufig aus. 

19. Das zur Multiplikation eines Bruchs mit einem Bruch nötige 
Verständnis ist durch die Übungen No. 7 — 10 vorbereitet worden. 

Die gewöhnliche Regel : Man multipliziert Zähler mit Zähler und 
Nenner mit Nenner, geben wir dem Schüler nicht, weil sie leicht zu ge- 
dankenlosem Rechnen verleitet. Findet sie der Schüler schliesslich selbst, 
so mag er sich beim praktischen Rechnen darnach richten ; die Erklärung 
derselben soll ihm keinesfalls erlassen werden. 

Oder: «/, X V* = (7* X 1) : 4 = ^^ »/,, 
7. X 74 = 74 : 4 X 3 = »/,. X 3 = %, 



Oder: »/, X 7, = (7* X 3) : 4 = 



3X3 



- = 7i« 



4X4 

b) 74 X 2% = (7* X 2) + CU X 74) = 7, + 7i« = 2Vi«- 

Oder: \ X 274 = 74 X »/, = ^^ = "71« = 2Vi,- 

c) 3% X 2«, = (3»/, X 2) 4- (3»/, X 74) 

= (3 X 2) + (*/, X 2) + (3 X 74) + (74 X 74) 

= 6+% + 2V, 4- 7i, 

= 107i« 

Oder : 3% X 2*/, = 1»/, X 2»/, 

=e»/, x2)+r/.x74) 

= 7V, + 213/,, 

= 107l6- 

Oder: 3»/, X 2% = i»/, X "^ 

= ''%» = 107i.; 
Beim ersten Verfahren erhält man vier zu addierende Teilprodukte. 
Dieses Verfahren wird nur zweckmässig sein, wenn dabei nicht mehr als 
zwei Brüche entaschen, oder wenn die ganzen Zahlen sehr gross sind. Im 
allgemeinen führen das zweite oder dritte Verfahren schneller zum Ziel, 
d) Die Rechnungsvorteile bestehen auch hier vorzüglich im gegen- 
seitigen Aufheben der gemeinschaftlichen Faktoren. 



176 Das sechste Schaljahr. 

2 

,. 5X16 ,, 

13 
2 

5, ^ 16/ _ ^X^ __ 2/ 

5 

20. a) \''%=^ _^ 
/i8 • /i8 — "^ • ^ — /e* 
. b) 7%: 1^8 = ^%:% =5. 
Wenn die Schüler das Wesen eines Bruchs und das ,, Messen' ' klar erfasst 
haben, so werden diese Aufgaben unmittelbar gelöst. Man kann des leichten 
Verständnisses halber auch ungleichnandge Brüche auf diese Weise divi- 
dieren lassen, besonders weun sie leicht gleichnamig zu machen sind. 
Z. B. 

3/ . 6/ 0/ .10/ — Q . 1 W 

/4 • /e — /l2 • /l2 — » . iU — - 1^^, 

Dagegen würde es unpraktisch sein, zu rechnen '/sr • V24 ^^ ^^k^i ' **/264 
= 56:55 = 1^55. 

c) Bei ungleichnamigen Brüchen verfahren wir wieder wie oben (unter 
No. 17). 

12/ .8/ 12/ . Q v^ 7 

12:3 ^ 

= %X7 

= ^^/i7 = l^Vi7. 

=-r75^x' 

— /85 ^^ ' /85' 

Erklärung wie oben: Durch Division mit 3 statt ^Z, ist der Quotient 
7 mal zu klein geworden, er muss deshalb mit 7 multipliziert werden. 
Im ersten Beispiel kann die Division am Zähler ausgeführt werden, im 
zweiten muss sie durch Multiplikation des Nenners stattfinden. Auf die 
Regel: Man kehrt den Divisor um und multipliziert, drängen wir auch 
hier nicht hin. Wohl aber ist zu beachten, dass man die einzelnen 
Operationen in anderer Reihenfolge vornehmen kann (beim schriftlichen 
B,echnen im Bruchsatz hinschreiben!) und dadurch oft Vorteile erhält. 

8 

A\ 7/ .5/ — 7x2^ ^ 

^) /88 • /24 33X5 * '^^ 

11 

5 

26/ .15/ _ 25 . ^ _ 5, 

/48- /16— 48.i5~ /*^ 
3 3 
e) Man könnte das unter c und d angewandte Verfahren auch aus 
der Division gleichnamiger Brüche ableiten. Z. B. ^/^ : %. Die beiden 



Das sechste Schuljahr« 177 

Brüche sind gleichnamig zn machen, indem man Zähler and N^nnier des 
Bmdendeni mit dem Nenner des DivisbrM und Zähler und Nenner de^ 
Divisors mit dem Nenner des Dividenden multipliziert.- Das Gleichpamig- 
machen führt man aher nicht aus, sondern deutet es hloss an. - ' • 

4/ .2/ _4X3 2X5 

'^' '^ 5X3 3X5 
Die Nenner kommen nun nicht weiter in Betracht, deshalb 

2 

V5:% = (4.3):( . 5) = |g| = «/, = li/,. 

Empfehlenswert ist dieses Verfahren, wenn es auf Ableitung einer mechä- 
nisdien Begel abgesehen ist. 

■f)5l^:»/,=*V8:74=•^^=*V6-=ß%. ■ 

2 
Aber 68/,:3/^=(6:3/J+(8/,:3/j 

/^^ 6X4 3X4 \ 

V 3 "^5><3/ 

= 8 + V;^ = 8V,. . ,. • • 

h)2»/,:lV, = 28/,:3/^ = (2:%)4.(3/,:8/j 

= 176. . 

Oder63/,:lV5 = ^74?75 • 

• 9 

^ 2?X5 

' "" 4X6 

2 

=* /s — /s« 
21. Auch hier geben wir nicht die mechanische Begel; ;,Mau mul- 
tipliziert wie mit ganzen Zahlen und gipbt ^em Produkt so viele Decimal- 
stellen, als beide Faktoren zusammen haben" ; erst muss die nötige Ein- 
sicht gewonnei; sein. 

Wir verfahren deshalb wie im Abschnitt 16. . . 

0,2X0,4 ==(0,2x4) : 10= 0,8:10= 0,08-,'. 
3,6 X 0,4 = (3,6 X 4) : :10f= 14,4:10.= 1,44 . 
3,6;X 2,8 = (3,6 X 28) : 10 = 100,8 : 10 F= 10,08. , 
;oder 3,6 X 2,8 ^ (3,6 X 2) -+-(3,6 X 0,8). / :\. .. 

Beim Tafelrechnen können wir zwei "Wege einschiagen: a)- Vor der 
Ausftihrung der Multiplikation ist zu Aiberiegen, in welche Stelle die- 
niedrigste Produktziffer kommt. Die Einerstelle des' Multiplikands ist 
massgebend für das Einsetzen. ; 

- ' - ' ' '■'/■ ' 84,7 X^0,423 ' ' ' 

• '3388 

•..y.'^-' ". ' ^ • • . ^541 ;■ •" '■ . ■ • . .',": \: ;: "': 

"'V-' '"'■■• ■ ■ ^^^^^ .:] . .. . \ ■ . . * '" ^'^r^ •'■ 

12 



178 Das sechste Schuljahr. 

b) Man erhebt beide Faktoren zu ganzen (dekadischen) Zahlen. Da- 
durch wird das Produkt um so viele Grade zu gross, als beide Faktoren 
erhöht worden sind, deshalb hat man es um eben so viele Grade wieder 
zu erniedrigen, was durch Einsetzen des Komma geschieht. 
84,7 X 0,423 ^ (847 X 423) : 10000 (oder 10 *) 
3388 
1694 
_2541^ 
35;828r 

22. Die Division einer Decimalzahl durch eine Decimalzahl unter- 
scheidet sich nicht von der in No. 18 angegebenen: Wir rucken durch 
Multiplikation mit einer dekadischen Einheit die Stellen des Divisors und 
Dividenden soweit hinauf, dass der Divisor zu einer ganzen Zahl wird. 

32,385 : 2,55 = 3238,5 : 255 = 12,7 
0,648 : 0,0015 = 6480 : 15 = 432. 
Dividend und Divisor gleichnamig zu machen, wie vielfach ange- 
raten wird, ist weder nötig noch zweckmässig. 

23. Das Wenige, was von der Verwandlung der Decimalzahlen in 
(gem.) Brüche in der Volksschule vorkommen soll, schliessen wir an das 
Heben der Brüche an, weä der einfachste Fall, die Verwandlung einer 
endlichen (geschlossenen) Decimalzahl, weiter nichts erfordert als die An- 
wendung der Bruchform statt der decimalen Schreibweise und event. Heben. 

Auf die Verwandlung der rein- und gemischt-periodischen Decmial- 
zahlen legen wir in der Volksschule keinen Wert. Wir wissen uns 
nicht zu entsinnen, dass wir jemals davon Gebrauch gemacht haben. 
W6r diese Verwandlung für wünschenswert halten sollte^ wird seinen 
Zweck schon erreichen, wenn er eine Begel aus der Entstehung der 
(periodischen) Decimalzahlen ableitet. Z. B.: 

% = 0,8; also 0,8 =% 
% oder % = 0,6; „ 0,6 = % = 7s 
"/99=0,855 „ 0,85 =»%, 
7,, =0,54; „ 0,54 =54/^^ = «/^^ 
727=0,037; „ 0,037 = »7,,, = 7,,. 

24. Das Heben der Brüche führt auch auf das Setzen von Annähe- 
rungswerten. Zuweilen kommen Brüche vor, die sich gar nicht oder nur 
wenig kürzen lassen, mit denen es sich dann (im Kopf) recht unbequem 
rechnen lässt. Auf vollständige Genauigkeit kommt es aber im prak- 
tischen Leben vielfach gar nicht an ; deshalb wird es erlaubt sein, einen 
Bruch ein wenig zu vergrössem oder zu verkleinem. (Das praktische 
Leben macht thatsächlich recht viel Gebrauch davon.) Der Schüler soll 
imstande sein, bei einer Veränderung angeben (berechnen) zu können, wie 
viel er vom genauen Wert abweicht; mit Berücksichtigung der Sach- 
verhältnisse wird er dann auch zu beurteilen haben, ob in einem vor- 
liegenden Fall die Abänderung überhaupt statthaft ist. ^ei manchen 
Brüchen, wo die Abänderung nur am Zähler vorgenommen wird, ist die 
Angabe des Fehlers leicht. Z. B. «730 beinahe = ^4/^^ ^ 4/^ * Fehler ^1^^. 
Setzt ..man statt 7i6 ''lu='^lit so ist -der Fehler 730» ^«'^ 73 = ^780» 
7i5 nur ^780- -^^^ mussten die Brüche erst gleichnamig gemacht werden. 



Das sechste Schuljahr. 179 

'V91 UDgefahr '^oo = ^5- ^^^ Fehler könnte hier schon bedeutender 
sein ; denn der Bruch ist auf doppelte Weise vergrössert worden. Macht 
man beide Brüche gleichnamig, so ergiebt sich als Fehler %55, der ge- 
wiss bei vielen Dingen nicht in's G-ewicht fallt. 

Man kann auch im Voraus den Nenner des Nährungswertes be- 
stimmen, jedoch wird hiervon seltener Gebrauch gemacht. ^^^/i44 sollen 
z. B. in Achteln (ungefähr) ausgedrückt werden. Hier fassen wir den 
Bruch auf als Divisionsaufgabe: 125 : 144. 

125 Ganze sind 125 X 8 = 1000 Achtel; 

1000 Achtel dividiert durch 144 = 6^713 Achtel = ca. '/g. 

Man rechnet kürzer: — ^ttt — 

14:4 

18 
Oder man hebt mit 18; giebt ungefähr '/g. 

Viel häufiger kommen die Abkürzungen bei den Decimalzahlen vor. 
Die Schüler haben davon wohl bereits Gebrauch gemacht bei der Division 
und dem Verwandeln gemeiner Brüche in Decimalzahlen*). Im prak- 
tischen Rechnen kürzt man aber nicht nur Quotienten, sondern auch 
Summen, Differenzen und Produkte. Man kann annehmen, dass in den 
meisten Fällen, die ein Volksschüler rechnerisch zu behandeln hat, drei 
Dezimalstellen genügen. Die Kenntnis der abgekürzten Rechnungen hat 
deshalb für viele Volksschüler entschiedenen Wert. Bekanntlich scheidet 
man diese Rechnungen in solche mit genauen und ungenauen Zahlen. 
Letztere lassen wir weg bis auf einen Fall. (Wir fügen sie hier an der 
Übersicht halber, nicht in der Meinung, dass die Schüler im sechsten 
Schuljahr sie einüben sollen.) 

Als Regel soll der Schüler sich merken , dass die abgekürzte Zahl 
bis auf ^2 Einheit ihres niedrigsten Teils genau (sicher) sein soll. 

Bei der Addition muss also wenigstens die vierte untere Stelle mit 
berechnet werden, wenn die Summe bis auf die dritte gekürzt werden 
soll. Ist die Anzahl der Summanden eine grössere, so müsste man auch 
noch die fünfte Stelle berücksichtigen ; das kann geschehen durch Addition 
der fünften Stellen oder durch Abkürzung der Summanden auf vier 
Stellen. 

0,32461 0,3246 

6,37892 6,3789 

8,76595 8,7650 

0,87952 0,8795 

7,36942 7,3694 

0,84807 0,8481 

24,56649 abgek. 24,567. 24;5665~abgek. 24,567. 

Hätte man beim ersteren Verfahren bloss die vierte Stelle berücksichtigt, 
so wäre die abgekürzte Summe 24,566. 

Beim zweiten Verfahren hat jeder Summand einen Fehler erhalten, 
der aber stets kleiner als ^/g zt ist. 6 mal ^2 zt = ^j^ zt könnte die Summe 
der Fehler also nicht sein, wohl aber ^j^ zt. Nun sind aber vier Sum- 
manden zu niedrig, zwei dagegen zu hoch eingestellt worden, deshalb haben 

*) Bei wenig günstigen Verhältnißsen begnügt man sich mit diesen Ab- 
kürzungen. 

12* 



1,80 Das seehste Schuljahr. 

sich die Fehler wieder etwas ausgeglichen. Mehr als 0,5 ergänzt man 
bei den Abkürzungen bekanntlich auf 1, weniger als 0,5 lässt man aus. 
Wie soll man es aber halten bei 0,5 ? Als Regel hat man bei der 
Addition hier eingeführt: Wird durch die Ergänzung die Zahl eine 
gerade, so setzt man 0,5 = 1 ; ist sie bereits gerade , so lässt man 0,5 
aus. Also 0,5655 = 0,566 ; aber 0,5665 = 0,566. Andere ergänzen 
0,5 in jedem Falle zu 1,0. Von der abgekürzten Addition wird man im 
praktischen Rechnen besonders Gebrauch machen, wenn (gem.) Brüehe 
zu addieren sind, die einen unbequemen Biiuptnenner erhalten müssen. 
Uan verwandelt dann vor der Addition die Brüche in (abgekürzte) 
Decimalzahlen (s. u.). Wie weit man in der Abkürzung gehen darf, 
entscheidet die Natur des rechnerisch zu behandelnden G-egenstandes, oder 
eine sonstige Bestimmung über die Genauigkeit. 

Bei der abgekürzten Subtraktion genügt nicht immer die Berück- 
sichtigung einer weiteren Stelle, wie vielfach angegeben ist. 
12,23476 oder 12,235 

— 3,84934 — 3,849 
8,38542 abgek. 8,385 8,386 

12,2348 und 12,235 

— 3,8493 — 3,849 
8;3855" 8,386 

Hier ist eine Differenz von 1 t entstanden, wei] nur der Minuend 
um 1 t erhöht worden ist, also eine Ausgleichung der Fehler nicht statt- 
gefunden hat; man muss also eine Stelle mehr berücksichtigen. Werden 
beide Glieder durch Kürzung gleichartig verändert, so bedarf es nur so 
vieler Stellen, als man haben will. 

Die abgekürzte Multiplikation wird häufig in Anwendung kommen 
können, weil man bei der Multiplikation recht oft Zahlen erhält, die weit 
über die nötige Genauigkeit hinausreichen. Die Ausfuhrung der abge- 
kürzten Rechnung ist etwas schwieriger, als bei Addition und Subtraktion. 
Beispiel: 23,794 X 6,3584 
142,764 
7 1382 
1 18970 
190352 
95176 



151,2917696 abgek. 151,292. 
Wollte man so verfahren, so hat man im Grunde genommen nicht 
abgekürzt gerechnet. Wir rechnen deshalb anders. Da das Haupt- 
produkt die Summe der Teilprodukte ist und wir jenes nur bis auf 
Tausendstel genau haben wollen, so kürzen wir die Teilprodukte, sobald 
fiie unter die zt hinabreichen. Also: 
23,794 X 6,3584 
142,764 =23,794x6 
7 1382 = 23,794 X 0,3 
1 1897 = 23,79 X 0,05 + 2 zt 
1903 = 23,7 X 0,008 4-7zt 
94 = 23 X 0,0004 -{- 2 zt 
151,2916 abg. 151,292 



Das sechste Schuljahr. 181 

Erklärung: Das erste Teilprodukt (23,794 X 6) ist vollständig zu 
berechnen, da es bloss bis zu den t reicht; das zweite (23,794 X 0,3) 
ebenfalls, da es nur bis zu den zt hinabgeht, die berücksichtigt werden 
inüssen. 

Das dritte TeiJprcJd^ (23,794 X 0,05) reicht bis zu den ht; diese 
schreiben wir zwar nicht mit auf (sondern nur das Teilprodukt von 23,79 
X 0,05), es sind aber 2 zt (0,004 X 0,05) darin enthalten, die wir zu 
den 45 zt (aus 0,09 X 05) addieren müssen. 

Das vierte Teilprodukt (23,794 X 0,008) würde bis zu den m 
reichen, das fünfke (23,794 X 0,0004) bis zu den zm. Es werden bloss 
berechnet die Teilprodukte von 23,7 X 0,008 und 23 X 0,0004. Vom 
zweiten Teilprodukt an kommt vom Multiplikand immer eine Zahl weniger 
in Betracht. Um Irrungen zu vermeiden, setzt man über die jedesmal 
in Wegfall kommende Multiplikandziffer einen Funkt. 

Von der abgekürzten Division genauer Zahlen wird weniger (Gebrauch 
gemacht. Wie« bei der abgekürzten Multiplikation der Multiplikand nach 
und nach gekürzt wurde, so bei der abgekürzten Division der Divisor. 
Beispiel: 74,519:6,4832 

= 745190 : 64832 = 11,4957 
64832 
96870 : 64832 
64832 

32038:6483 
25933 



6105 : 648 
5735 



370 

324 : 64 
"46 
^:6 
3 
Von den Rechnungen mit ungenauen Zahlen erwähnen wir besonders 
der Division, weil sie häufig anzuwenden sein dürfte. Sie ist nicht schwer ; 
der Schüler hat nur aufzumerken, wo der höchste Teil des Dividenden 
unsicher wird und da die Division abzubrechen. 

Beispiel: 86,44136 : 0,5495732 abgek. auf 86,441 : 0,5496. 
= 864410:5496 = 157,2 
5496 
31481 
27480 
""40010 
38472 
^5380 
10992 
"4388 
Die unsichere Stelle des Divisors (6) macht alle Beste der unter- 
strichenen Stellen unsicher. Sobald die höchste Stelle des Bestes 



182 Das sechste Schuljahr. 

unsicher geworden, ist die Fortsetzung der Division zwecklos; denn nun 
wird der Quotient höchst wahrscheinlich falsch ; unsicher ist er schon 
eine Stelle vorher geworden. Man berechnet deshalb die Aufgabe durch 
abgekürzte Division bis auf Zehntel und kürzt den Quotienten auf Einer. 

86,441 ; 0,5496 = 157,3 abgek, 157, 
3148 
400 



16^ 
Ein tieferes Eingehen auf die abgekürzten Hechnungen liegt ausser- 
halb der Aufgabe des Yolksschulrechnens. (Ausführliche Behandlung 
findet sich in Backhaus. Das Bechnen mit Decimal zahlen , und 
Kutsch, Bechenbuch far Schulen.) Zum Schluss bemerken wir noch, 
dass für die allermeiBten Schüler die ausführliche Behandlung der um- 
ständlichem Bechnungen vergebliche Mühe gewesen sein dürfte, wenn 
ihnen nicht reichlich Gelegenheit zur Anwendung bez. Wiederholung 
gegeben wird. 



Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Naumburg a. S. 



Grundlinien zu einem Lehrplan für ein 

(Entworfen im Pädagogisch 

A, Historisch-hiiinanistische Lelirfächer (Menschenleben) 





1 Gesinnungsunterricht 


II Kunstunterricht 


lil Sprachunterricht 


Zeit 


Biblische 
Geschichte 


Profan- 
Geschichte 


Singen 


Zeichnen 


ModeU 
Heren 


Lesen 


Aufsatz 
u. Gram- 
matik 


Schrei 


I. 
Schuljahr 

a) 16 Std. 

b) 18 Std. 


i J 
1 1-^ 

1 p 

.2 B d 

J ^ 

u 

0) 


Eine Auswahl 

Grimmscher 

Märchen 

(S. 1. Schuljahr 

6. Aufl. 
Leipzig, Bredt) 


•A 

o 

P. 
^1 


IUI 




Vor- 
übungen 


— 


m 

g:§' 

S ® ' 


n. 

Schuljahr 
20 Std. 


Robinson 
(S. 2. Schul- 
jahr 4. Aufl.) 


Konz. Lese- 
buch 
n. Schuljahr 
S. Lehmensick, 
»Lesen« in 
Reins Hand- 
buch 
Langensalza 


— 


Schuljahr 
22 Std. 


Thüringer 

Sagen 
(S. 3. Schul- 
jahr 3. Aufl.) 


Gesch. 
Lesebuch 
(Leipzig, 

Bredt) 


Vor- 
übungen 


1 = 

a> 

2 ; 

^ 1 


IV. 

Schuljahr 
24 Std. 


Altes 

Testament : 

Patriarchen, 

Moses, Richter, 

Könige 


1 
Nibelungen, 

Grudrun, 
(S. 4. Schul- 
jahr 3. Aufl.) 


>^ 

<= 2 

-3.2 

1-5 r^ 

> § 

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^ 1 

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Lebens- 
formen 
aus den 
Nibe- 
lungen 


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1 

Übenc 

selbe 

Alpl* 

bete 


V. 

Schuljahr 
26 Std. 


Propheten 

Neues 
Testament : 
Leben Jesu 


Deutsche Ge- 
schichte 
1. Von Hermann 

bis Otto I. 

(S. 5. Schuljahr 

3. Aufl.) 


Roma- 
nische 
Kunst- 
periode 

(Heimatl. 

Anknüpfg. 
Ansehe. 

Darstellg. 




YI. 

Schuljahr 
28 Std. 


Leben Jesu 


2. Von Otto I. 
bis Rudolf von 

Habsburg 

(S. 6. SchuQahr 

3. Aufl.) 


Gotische 

Zeit 
Anschg. 

Dar- 
stellung 


|g. 


YII. 

Schuljahr 

30 Std. 


Apostel- 
geschichte 
Paulus 


3. Von Rudolf 

von Habsburg 

bis zum 30jähr. 

Krieg 

(S. 7. Schuljahr 

2. Aufl.) 


Renais- 
sance 

(Mittel- 
alter) 

Anschg. 
Darstellg. 


3 


YHI. 

Schuljahr 

32 Std. 


Reformations- 
zeit, Luther, 

Abschl. Schul- 
Eatechismus 


4. Vom 30 jähr. 
Krieg bis l»7ü/71, 
Wiederauf- 
richtung des 
deutsch. Reichs, 

Wilhelm I. 

(S. 8. Schuljahr 

2. Aufl.) 


Renais- 
sance 
(Neuere 

Zeit) 

Anschg. 

Darstellg. 

Zeichnen 

n. d. Natur 





C. Turnei 



ichtklassige Volksschule in Thüringen 

toTeraitäts-Sexninar /.n Jena) 

B. Naturwissenscliaftliclie Fächer (Naturleben) 



IV Erdicunde 



Y Naturkunde 



VI Mathematik 



Mathentat. 
Geographie 



Q-eographie 



Schul- 



Technisch- 
wirtschaft- 
liche Reihe 



Beobach- 



Rawnlehre 



Bechnen 



Hand" 
arbeit 



d 5J ^ S 

flS Qi W 

<-! ^^ fl iS 






= s * ^ 

O t. oj .^ 




Heimat, 

Saalthal, 

ünstrut- 

thal 



Saalthal, 

Unstrut- 

thal 



S s § 
'S «55i 

O ^3 2 

'S '*» f^ 









D 
^ fl 08 



-t: [fi 



SJ 



'S p üb iE o 

t^ i S 
3 



Zahlraum 
von 1 bis 10 

(Addition, 
Subtraktion) 



Zahlraum von 

1 his 100 
Multiplikation 

und Division 

(nur die 

leichteren 

Formen) 



Zahlraum von 

1 his 1000 
Die schweren 
Reihen in Mul- 
tiplikation und 
Division. Die 
grösseren 
Reihen 



Fort- 
führung 

der 
Arbeiten 

des 
Kinder- 
gartens 



Scheinbare 
Drehung der 
Himmels- 
kugel 
(3. Capesius 
'. Geogr. i. d. 
Handbuch 
V. Rein) 



Thür. Wald, 
Thüringen. 
Rheiugeoiet, 
Donaugehiet, 
Süddeutsch- 
land 



Thüringer 
Wald 



Entfernung 

und Gröfse 

der 

Gestirne 



2-;} 



WS 

Oi 

a> ^ 
OS 

bin 

a ^ 
5 <^ 

o 



Nord- und 
Mittel- 
deutschland, 
Wesergebiet, 
Eibgebiet, 
Oder- und 
Weichsel- 
gebiet 



Wald und 
Wiese 
(Jäffer u No- 
maaen, Jagd- 
tiere, Herden- 

wirtscbaft) 
I Kleidung 



Harz- 
gebirge 



ll Feld 
' (Ackerbau: 
! Getreidebau, 
, Obstbau, 
I Weinbau) 
|i Nahrung 



Alpen, 

Italien, 
Mittelmeer- 
länder, die 

Schweiz, 
Östen'eich- 

Ungam 



Rhön- 
gebirge 



Haus 

(Kleinbürger, 

Hausbau, 

Bergbau, 

Handwerke) 

Wohnung 



Ausser- 

europ. 

Erdteile 



Luther- 
stätten : 
Eisleben, 
Mansfeld, 
Magde- 
burg, 
Wittenberg] 



Wasser 
'(Grossbürger. 
Verkehrsmit- 
tel, Gesund- 
heitslehre) 
Verkehr 



Kopernikus, 

Kepler, 

Galilei, 

^oucault, 

Newton 



iniM Spiele 



Preussen, 
Skandi- 
navien, 
Frankreich, 
Russland, 
England, Das 
dtsch. Reich, 
Kolonieen 



Leipzig 
und Erz- 
gebirge 



Erde 
als Lebens- 
gemeinschaft, 
ICElektnzität, 
Magnetismus, 
Gesundbeits- 
I lehre) 



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Kirche : 
Quadr. Säule, 
eseit. S., 8s S., 
6-u.8seit.Pyr., 
Abgest. Pyr. 



Wohnhaus : 

Würfel, 

rechteckige 

Säule, 

dreis. S. 



Unbegrenzter 

Zahlraum, 

Die vier 

Spezies 

mit aibstrakten 

und konkreten 

Zahlen 



Die vier 

Spezies 

mit gemischten 

und dezimalen 

Zahlen 



Acker und 

Wiese : 
Kongruenz- 
sätze. Kreis- 
berecnnung, 
Walze 



Bruch- 
rechnung 



Wald: 
Kegel, Kegel- 
stutz, 
Pythagor. 
Lehrsatz 



Kulturstätten : 
Kugel, Kegel- 
mantel, Ellipse. 
Verhältnissätze, 
goldener 
Schnitt 



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