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Theorie und Praxis
des
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A. Pickel t "»d £• Scheller
Seminarlehrer in Eisenach Seminarlehrer in Eisenacb
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Das zweite Schuljahr
Leipzig
Verlag von Heinrich Bredt
1907
Das zweite Schuljahr
Ein theoretisch - praktischer Lehrgang
für Lehrer und Lehrerinnen
sowie zum Gebrauch in Seminaren
Bearbeit
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Dr. w. ÄeittUriiVERSlTY'ÖF IWaWH-
Professor an der Universität Jena
A. Pickel t and E. Scheller
Seminarlehrer in Eisenach Seminarlehrer in Eisenach
Fünfte Auflage
Leipzig
Verlag von Heinrich Bredt
1907
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Vorwort
Die y^acht Schuljahre** bieten eine spezielle Methodik des Volksschnl-
nnterrichts dar. Zuerst entstanden in den Jahren 1878 — 85 am Seminar
zu Eisenach, geprüft an der Praxis der Übungsschale dort und in Jena,
fassend auf den pädagogischen Grandsätzen Kerbarts und Zillers,
ziehen sie aach das in ihr Bereich, was seit Oomenias, Pestalozzi
und den neueren Didaktiketn wertvolles fdr die Theorie des Unterrichts
erarbeitet worden ist.
Ihr Hauptziel war und. ist, den Unterricht zu einem wahrhaft er-
ziehenden zu gestalten. Dieses 2<iel 9uphen sie dadurch zu erreichen,
dass sie
1. den Unterricht nach der Idee des kulturgeschichtlichen
Fortschritts in unserer nationalen Eutwickelung aufbaaen;
2. dass sie die einzelnen Lehr^cher nach der Idee^ der Konzen-
tration zu einem einheitlichen Organismus verbinden; und
3. dass sie die Unterrichtsstoffe nach der Idee eines psychologischen
Lehrverfahrens, wie es in der Theorie der formalen Stufen
niedergelegt ist, zum geistigen und gemütvollen Besitz der Jugend
zu machen suchen.
Alle drei Ideen hängen aufs engste miteinander zasammen: sie bilden
ein geschlossenes Ganzes. Die Gesamtwirkung eines solchen Ganzen streben
die „Schuljahre** an. Sie sind der erste umfassende Versuch, den Lehr-
plan unserer gegliederten Volksschulen nach grundlegenden Prinzipien zu
gestalten. An vielen Punkten berühren sie sich hierbei mit der bisher
geübten Praxis, an anderen wieder weichen sie von ihr nicht un-
erheblich ab. Sie erscheinen demnach als eine Fortbildung der bis-
herigen Methodik des Volksschulunterrichts unter steter Rücksichtnahme
auf die empirischen Verhältnisse, aber ohne sich von diesen allein be-
stimmen zu lassen.
Denn sie versuchen ein Ideal des Volksschulunterrichts zu zeichnen,
von dessen Verwirklichung eine Hebung des Unterrichts, und damit auch
der Erziehung erhofft wird. Dass die in den ^Schuljahren'^ enthaltenen
Vorschläge nicht jenseits der Möglichkeit ibrer Verwirklichung liegen,
dass sie keine anausführbaren Forderungen enthalten, dafür bürgt der
Hinweis auf ihre Ausführung in der Praxis der Eisen acher und Jenenser
Übangsschnle and auf die daselbst geroachten Erfahrungen.
Die Verfasser legen ihre Arbeit ihren Berufsgenossen, den deutschen
Lehrern, vor. Sie wünschen, dass man ihre Vorschläge rücksicbtlich ihres
Wertes, wie rücksichtlich ihrer Ausführbarkeit einer strengen Prüfung
JJ 9^
VI Vorwort
unterziehen, aber nicht ohne eine solche verwerfen möge. Der einzelne
Lehrer aber, dem seine Schularbeit am Herzen liegt, dem neae Vorschläge
für die Unterrichtsarbeit anf dem sicheren Grande eines einheitlichen Ge-
dankengebändes nicht anwillkommen sind, möge selbst an der Hand der
Praxis antersachen, wie weit die „ Schaljahre ^ seine Arbeit za fördern
imstande sind.
Immer aber wollen diese, wie sie aas dem Ganzen gearbeitet sind,
aach als Ganzes bearteilt sein. Einzelne Vorschläge, einzelne Verknüpf-
angen innerhalb der Lehrstoffe, einzelne Präparations-Entwürfe mögen
dabei mangelhaft and der Verbesserang bedürftig erscheinen, aber all
diese Mängel im einzelnen genügen noch lange nicht, die grandlegenden
Ideen amzastürzen, welche aas den beiden Grand- V^issenschaften der
Pädagogik, aas Ethik and Psychologie, heraasgeflossen sind.
Allerdings verhehlen sich die Verfasser dabei nicht, dass eine voll-
ständige Darchführang des Lehrplansystems, wie es in den Schaljahren
vorgelegt worden ist, erst dann eintreten kann, wenn die daza nötigen
Lehrmittel beschafft sein werden. Za ihnen gehört in erster
Linie das Lesebach, das, entgegen der encyklopädischen Anordnang,
dem Unterricht der einzelnen Schaljahre in konzentrierender Weise dienen
soll. Es ist ein ganz wesentliches Hilfsmittel für die Verbindung der
Lehrfächer and damit auch für die Herstellang eines einheitlichen, ge-
schlossenen Gedankenkreises. Ja, man kann geradezu sagen, dass ohne
ein Lesebuch, wie es die Schuljahre im Sinne haben, diese selbst in der
Praxis nur zum Teil durchführbar sind.
Deshalb haben sich die Verfasser auch bemüht, diesem Mangel ab-
zuhelfen, diese Lücke auszufüllen. Bisher sind im engen Anschluss an
die „Schuljahre^ bei Bredt in Leipzig erschienen:
1. Lesebuch für das 2. Schuljahr. (Märchen und Robinson.)
2. Lesebuch für das 3. Schuljahr. (Thüringer Sagen, Thüringer
Land, Volk und Eind.)
3. Nibelungen und Gudrun. Lesebuch für das 4. Schuljahr.
4. Ausgewählte Gedichte für den Geschichtsunterricht. Weitere
Bände sind in Vorbereitung.
An der neuen Auflage des vorliegenden Bandes sind ausser den
Herausgebern beteiligt :
1. Herr H. Landmann, Institutslehrer in Wenigenjena,
2. „ Seminardirektor Helm in Schwabach,
3. y, Lehrer Löwe in Altenburg,
4. „ Eektor Schubert in Altenburg,
5. „ Rektor Blauert in Allstedt, S. W.,
6. y, Seminarlehrer Fack in Weimar.
Jena und Eisenach, Juni 1907
Die Yerfasser
Inhalt
Seite
A. Historisch-humanistische Fächer (S. 1 — 137)
I. Gesinnongsunterricht 1 — 43
II. KuDstunterricht 44 — 83
1. Zeichnen and Modellieren 44
2. Singen 57
3 Bildbetrachtong 71
4. Tomen 76
III. Sprachunterricht 84—137
1. Deutsch (Lesen und Schreiben) 84
2. Schönschreiben 102
B. Naturkundliche Fächer (S. 138—199)
L Naturkunde 138—179
IL Bechnen 180—199
„Es kann wohl ohne Übertreibung gesagt
werden, dass dem Bobinson Crusoe die Jugend
aller zivilisierten Völker mehr glückliche Stun-
den verdankt, als irgend einem Buch, das je-
mals geschrieben worden ist Dieses Glück
genoss ich in vollen Zügen.**
Carl Schurz
(Lebenserinnerungen, Berlin 1906)
A. Historisch-faumanistische Fächer
I. Der Gesinnungsunterricht
Literatur : Z i 1 1 e r , Jahrbuch des Vereins für wissensch. Pädagogik«
VI, S. 105 f. D e r s. , Eine Skizze der pädagog. Beform-Bestrebangen usw.
Zeitschrift für exakte Philos., IV. Bd., S. 14f Zilier-Bergner, )late-
rialien zur spez. Pädagog. Dresden 1886. Willmann, P&dagog. Vorträge.
2. Aufl. Leipzig 1886. Biedermann, Der Geschichtsunterricht in der
Schule. Braunschweig 1869. Kirchmann, Geschichte der Arbeit und
Kultur. 2. Aus^. Leipzig 1857. Graberg, Die Erziehung in Schule
und Werkstätte im Zusammenhang mit der Geschichte der Arbeit. Zürich,
0. Füssli. Zillig, Der Geschichtsunterricht in der elementaren Erziehunss*
schule. Jahrbuch des Vereins für wissensch. Pädagogik, XIV. Bd., S. 108 f.
Grabs, Bemerkungen zum 2. Schuljahr. Evang. Schulblatt, 1885 u. 1886.
K r ü g e 1 , Bobinson. Weimar. Kirchen- u. Schulblatt, 1889, 2 und 3. Fuchs,
Bobinson als Stoff eines erziehenden Unterrichts. Jena 1893. Land-
mann, Über die unterrichtl. Verwendung der Bobinsonerz. im zweiten
Schuljahre. V. Heft. Aus dem päd. Üniversitäts- Seminar zu Jena. Langen-
salza 1894. D e r s. , Art. Bobinson in Beins Enzyklopädie, 2. Aufl. VI. Bd.
Ch. Mac Murry, Special Method for history and litterature. Blopming-
' ton, Jll. 1893. Just, Praxis der Erziehungsschule. 111,75, 121 f. Heydner,
Beiträge zur Kenntnis des kindl. Seelenlebens. Leipzig 1894. Fr. Mc
Murry, The educational value of Bobinson Crusoe. The Public School
Journal, Blooraington, January 1895. Hiemesch,, Die Bobinsonerzählung
usw. Leipzig, 1907.
Altmüller, Übersetzung des Bobinson. Hildburghausen 1869.
Kupp er s und Arndt, Bobinson. Eine Erzählung für Kinder von 8—10
Jahren. Duisburg 1881. Beim er, Bobinson Krusoe. Für die Jugend
und die Zwecke der Schale bearbeitet. Leipzig 1880. Grab n er, Bobinson
Krusoe. 22. Aufl. Leipzig 1893. Lida B. Mc Murry, Bobinson Crusoe
for boys and girls. Bloomington, JH. 1894. Märchen und Bobinson-
Lesebuch, 6. Aufl. Leipzig, Bredt. Ullrich, Bobinson u. Bobinsönaden.
Beins Enzyklopädie. 2. Aufl. VI. Bd. Langensalza, Beyer u. Mann.
I. Die Auswahl des Stoffes
.Prur Jeder die Sache nach allen Seiten ;
Mög keiner das Nene, weil neu, bestreiten,
Mög keiner das Alte, weil alt, verachten!*'
1. ForderiiDgy die Bobinson-ErKählnng als Unterriehtsstoff In den Lehr-
plan des zweiten SehuUakres einznateUen
Die hergebrachte Volksschulpraxis hat für das zweite Schuljahr
ebenso wie für das erste eine Reihe biblischer Geschichten als Stoif fttr
Rein, Prof., Schaljahr IL 1
2 Das zweite Sohuljahr
den BeligioDs-Unterricht bestimmt. Wir haben uns gegen eine solche
Yerfrühnng in unserem ersten Band: „Das erste Schuljahr^ 7. Anfl. ent-
schieden aasgesprochen mit Zosammenstellong der Gründe, die ans nötigen^,
die biblischen Erzählangen erst vom fdnften Schaljahr ab anterrichtlich
zxk bearbeiten. Damit dies nun in der wirksamsten Weise geschehen
könne, haben wir einen Vor karsas aafgestellt, dessen Stoff im ersten
Schaljahre in einer Aaswahl Grimmscher M&rchen besteht, die im kind-
lichen Gedankenkreis sich anschmiegend die geeigneste Qaelle zar Weckang
des religiösen Gefühls and des sittlichen Urteils in diesem Alter sein
and die Fäden fortspinnen können, die im Haus- and im Kindergarten*)
angeknüpft worden sind. Sie bilden den Mittelpankt des gesamten Unter-
richts im ersten Schaljahr; von hier aas laafen die mannigfachsten Be-
ziehangen zar Natarkande, dann aach zam ersten Lesen and Schreiben
hinüber. So wird die Einheit des Unterriohtsplanes hergestellt; damit
ist die Einheit des Gedankenkreises gewährleistet. Von den Märchen
gehen alle Gedanken aas, za den Märchen kehren alle zarück; das ge-
samte Interesse wird in ihnen konzentriert.**)
Von welcher Bedeatang dies ist, kann nnr der ermessen, der von
der Wahrheit der Grandiagen des erziehenden Unterrichts überzeagt and
darchdrangen ist. Unser Unterricht steht and fällt mit dem Erzählang-
stoff, der, den Mittelpankt des gesamten Interesses bildend, den Zögling
ganz and voll beschäftigt, ihn za religiös-sittlichen Gefühlen in der
Sphäre anregt, die seinem Standpankte angemessen ist. Wir, die wir
mit dem erziehenden Unterricht Ernst machen wollen, sehen ans daher
genötigt, aach für das zweite Scha^ahr einen konzentrierenden Erzählang-
stoff za sacken, welcher der Aaffassangsfähigkeit des Kindes entspricht
and zagleich dem Gedanken des kaltargeschichtlichen Aaf baaes des Lehr-
planes gerecht wird.
Professor Ziller fand diesen Stoff im Robinson. Die pädago-
gischen Überlegangen, die ihn daza geführt haben, weisen in ihren all-
gemeinsten Umrissen aaf Herbart zarück. Dieser hat die Grandzüge-
der Lehre von dem knltarhistorischen Anfbaa als Mittelpankt des fort-
schreitenden erziehlichen Unterrichts gegeben, and zwar für die Gymna-
sialbildang, insofern er die literarische Folge mit Homers Odyssee be-
ginnt, ein Gedanke, dem namentlich aach Will manu nachgegangen
ist. Der erzieherischen Tätigkeit Herbarts lag die Gymnasialreihe näher
als die, welche für die Volksschale aafzastellen ist. Aber in der Haapt-
♦) Wir treten für die Errichtung von Volkskindergärten ein, um
vor allem auch den Gedanken einer allgemeinen Volksschule mit sechs-
jährigem Kursus als Grundschule für alle weiteren Schulgattungen zur
Verwirklichung zu verhelfen. Denn die in den Volkskindergärten er-
zogenen Kinder werden den Kindern aus den sogenannten besseren Stän-
den annähernd die Wage halten, so dass vom psychologischen Standpunkt
ans dann ein gemeinsamer Unterricht für alle Kinder des Volkes möglich:
wird. Vergl. Rein, Deutsche Schalerziehung. München, Lehmann 1907.
**) Über die Pflege des christlichen Sinnes in den ersten Schuljahren
durch die Schulfeiern u. Andachten siehe das „erste Schuljahres 7. Aufl.,.
Einleitung. Ferner: Bergner, Materialien zur spez. Pädagogik. Dres-
den 1886.
Bobinson 3
Sache fassen die Lehrpläne beider Schnlgattnngen auf denselben grund-
legenden Ideen. Diese nötigen uns, die religiösen Anknüpfungspunkte
sowie die sittlichen Elemente in einer fortlaufenden Reihe klassischer
Erzählungen zu suchen, deren Aufbau sich naturgemäss nach der
geschichtlichen Entwicklung richtet.
In den Berichten Herbarts an Herrn von Steiger und in der
„Ästhetischen Darstellung der Welt zum Zwecke der Erziehung'' finden
wir die ersten Ansätze zu der Aufstellung der erziehenden Erzählstoffe.
Ausgehend von der Überzeugung, dass die Idee Gottes als das Höchste
schon unter den frühesten Gedanken, an welchen die Persönlichkeit des
werdenden Menschen hängt, sich seinen Platz befestigen solle, weist
Her hart zugleich auf die Gefahr hin, dass bei fortdauerndem Hinheften
des Geistes auf den einen Punkt, der als das Höchste femer nicht mehr
erhöht werden kann, die Idee verunstaltet, ja zum Gemeinen und Lang-
weiligen herabgezogen werden könne. ^Fast sollte man,^ sagt er, „die
Idee weniger wach erhalten, um sie zu der Zeit unverdorben vorzufinden,
da der Mensch zur Haltung in den Stürmen des Lebens ihrer bedarf.*'
Aber es sei ein Mittel vorhanden — und zwar sei es das einzige — die
Idee langsam zu nähren, zu verstärken, auszubilden und ihr eine unauf-
hörlich steigende Verehrung zu sichern, dies nämlich, sie fortdauernd
durch Gegensatz zu bestimmen.
Weiter legt er dar, dass der Unterricht i. a. zwei getrennte, aber
stets gleichzeitig fortlaufende Beihen von unten auf jenem höchsten festen
Punkt entgegen zu führen hat, um endlich beide in ihm zu verknüpfen.
Man kann diese Beihen durch die Namen Erkenntnis und Teilnahme
unterscheiden. Die Beihe der Erkenntnis ^Uigt natürlich an bei den
Übungen zur Schärfung und ersten Verarbeitung der Anschauung und der
nächsten Erfahrungen, kurz beim ABC der Sinne. Etwas schwerer dürfte
es sein, den Anfangspunkt der Beihe für die fortschreitende Teilnahme
gut anzugeben und den angegebenen zu rechtfertigen. Die genauere
Betrachtung entdeckte aber bald, dass dieser Punkt nicht in der jetzigen
Wirklichkeit liegen könne. Die Sphäre der Kinder sei zu eng und zu
bald durchlaufen ; die Sphäre der Erwachsenen bei kultivierten Menschen
zu hoch und zu sehr durch Verhältnisse bestimmt, die man dem kleinen .
Knaben nicht begreiflich machen wolle, wenn man auch könnte.
Führt man ihn aber, so meint Herbart, in die Anfänge unserer
Kultur, so ist man sicher, dem Interesse des Knaben Begebenheiten und
Personen darzubieten, deren er sich ganz bemächtigen, von wo aus er
zu unendlich mannigfaltigen, eignen Beflexionen über Menschheit und
Gesellschaft und über die Abhängigkeit beider von einer höheren Macht
übergehen kann. Den Jugendunterricht in der Beligion drückt die all-
gemeine Schwierigkeit, dass der Knabe sich nur nach Massgabe seiner
beschränkten Empfindungs- und Erkenntnissphäre in die religiös-sittlichen
Ideen versetzen kann, die den Erwachsenen bewegen. Wenn er der
Männlichkeit, den Gefühlen und Geschäften derselben sich nähert, wenn
die Kombinationen der anwachsenden Erkenntnisse sich immer rascher
vermehren, so kann auch der Unterricht in der Beligion sich beschleunigen.
Hingegen der Anfang darf nur sehr langsam gehen und muss sich ganz
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hm^JkdtgVt Sittealekre ^^dnldei, die dem Verstaad aie Sekwierickeit
flUMekea sissi, daaut sie gerade G^akl aad Gewokakeit werde, die airgead
akkreekea darf, well das sittlieke Gefflü bestkadii: Naknmir aad iauaer
ketsere Xakraaj^ Terlaa^ die siek ia eiaer groas^a fortlaafeadea Reilie
T<!» allerlei iateressaatea Bildera darstdloi nuus, welehe darek die Be-
traektaagea, za d^iea «e eialadea, darek dea Beifül aad Tadel, dea sie
aaf siek zieken, dea joagea (jeist yeranlaasea, sieb eelkst Maxiaiea aa
biidea aad fest eiazaprägea aad siek lo som künftig^i systeaiaüaekea
W/rtrage der Horal, weleke dieselben aar Uatern aad fester besomaiea
Wfßd^ Torzabereiten. Und am diesen Weg der Qiarakterbildang za fiadea,
so fragt Herbart, was köna^ wir Besseres tan, als den Sparen der
aMrraiisebea Mdaag des Mensekoigesebleckts selbst naehgehen?
ZlUer bat diese Gedanken anfgenoaunea and fortgebildet Er bai
die Reibe der Erzäklongstoffe for die Volkscknlbildnng festgesetzt aad
ist aaeb in ibre anterriehtllche Behandlung eingetreten. Er bat die be-
stianaeaden Gesiebt^ankte for sie an^gestellt. Seine AnseinanderBetzmg
gekt iai wesentlieken dakin: Der gemeinsame Mittelpunkt alles Unter-
riebts mass doreb den sittlieb-religidien Zweck gebildet werden. Weaa
ein soleber Sebwerpoakt aicht vorhanden iit, löst sieb der ünterrickt
aaf ia Masten Ton EenntnisKn, in Sonunen von Fertigkeiten aad 6a-
w5bnongen^ die unter siek unvollkommen zasammenkängen. Es feklt
dem ünterriekt lowobl wie dem Zögling an Konz^tration. Niemals
aber wird dann der dtUieh-religiöse Zweck erreicht werden könn^ den
der ünterriekt nachstrebt £• ist dies nur dadurch möglich, dass flor
jede Unterricbtstufe, f&r jede Schnlklasse ein Gedankenganzes, ein Ge-
sinnungstoff, als konzentrierender Mittelpunkt hingestellt wird, um
den sich die übrigen Fächer peripherisch herumlegen und von dem
ans nach allen Seiten hin verbindende Fäden auslaufen, wodurch die
verschiedenen Teile des kindlichen Gedankenkreises fortwährend geeint
und zusammengehalten werden. Auf diese Weise hört der Unterricht
auf, ein loses Aggregat einzelner Lehrfächer zu sein. An die Stelle
*) 8. Herbart, Allg. Pädagogik. Bach II. Kap. HI. Bein, Stimmen
zur Beform des Beligionsanterrichts. 2 Hefte. Langensalza, Beyer u. Mann.
Bobinson 5
der bunten Lehrpläne, die auf Klarheit und auf Interesse notwendig:
hemmend wirken, tritt eine Einrichtung, wodurch der gleichzeitig zu
behandelnde Stoff der verschiedenen Fächer so geordnet und bearbeitet
wird, dass stets ein innerlicher Zusammenhang und eine wechselseitige
Beziehung unter denselben streng festgehalten wird und deutlich zu er-
kennen ist.
Die Auswahl aber und der Fortschritt der konzentrierenden Mittel-
punkte ist so einzurichten, dass sie teils der Entwicklung und Fortbildung
des kindlichen Geistes und namentlich den Apperzeptionstufen, die darin
nach psychologischen Gesetzen aufeinander folgen müssen, entsprechen,
teils den der Entwicklung des einzelnen im grossen korrespondierenden
Fortschritt in der Entwicklung der Geschichte der Menschheit aufzeigen,
soweit sie uns durch klassische, der Jugend zugängliche Dar-
stellungen bekannt ist, und zwar in allen für unsere gegenwärtige
Kulturstufe nachweisbar bedeutsamen Hauptperioden.
Verbindet man diese beiden mit anderen feststehenden pädagogischen
Gesichtspunkten, so lässt sich daraus ableiten, dass für das erste Schuljahr
das epische Märchen*), für das zweite die Erzählung des Robinson
einen geeigneten Mittelpunkt bilden kann. Das Phantasiegebild des Robinson
erinnert an jene vorgeschichtliche Zeit, wo der Mensch zuerst
mühsam ringend und anfangs nicht unterstützt durch eine gesellschaftliche
Verbindung sich über die äussere Natur erhob, um sie beherrschen und
für seine Zwecke benutzen zu können; an jene Zeit, wo mit den grössten
Anstrengungen die allereinfachsten und notwendigsten Erfahrungen und
Erfindungen gemacht wurden, deren Bedeutung durch die Gewohnheit
eines sicheren Gebrauches so leicht verdunkelt wird, aber ohne die es
dem menschlichen Geiste doch nicht möglich geworden wäre, einen ruhigen
Blick auf die gesellschaftlichen Ideen zu richten, deren Verwirklichung
ihm für seine geschichtliche Entwicklung obliegt. Ist einmal dieser
Standpunkt erreicht, so ist dem Zögling ein chronologisches Aufsteigen
von der ältesten Geschichte Palästinas und Deutschlands an bis zur
Geschichte der Gegenwart möglich. Es gilt, alle in der Entwicklung
unseres Volkes hervorragenden Momente, die in den allgemeinsten Zügen
zugleich der Entwicklung des Zöglings selbst entsprechen, zu durch-
laufen, soweit sie ein Dichter oder Geschichtschreiber in klassischer
Weise beschrieben hat. Bei jedem Hauptpunkt mnss die Überzeugung
lebendig werden, dass hier unser Volk nicht stehen bleiben konnte. Es
gilt, dem Zögling den Gesamtgewinn unserer Bildung von ihren ersten
geschichtlichen Keimen an zu überliefern. Dabei kommt es darauf an,
die Zöglinge mit der ganzen Fülle menschlicher Gesinnungsverhältnisse
in allen Verschiedenheiten und Modifikationen bekannt zu machen und
sie zu veranlassen, dass für alle Fälle des wirklichen Lebens, in die sie
sich dabei mit Hilfe der Phantasie hineinzuversetzen haben, ihr eignes
Urteil sich entscheide, wie es den ethischen Ideen oder dem religiösen
Gesamtideal der Persönlichkeit gemäss ist.
Es gilt aber auch, sie so viel als möglich mit dem theoretischen
*) Vergl. das „erste Schuljahr", 7. Aufl.
6 Das zweite Sohuljahr
Wissen von den natürlichen Bedingron^en des sittlichen Handelns za be-
waffiien. Ein solcher Unterricht ist jedem Zögfling notwendig. Um ihn
ins Werk setzen zu können, empfiehlt es sich, in den Mittelpunkt des
zweiten Schuljahres die Erzählung von Robinson zu stellen, sie nicht
bloss als Jagendlektüre zu benutzen, sondern im Schulunterricht zu ver-
werten.
2. Die Bedeutung der Bobinson-Erzfthlung als Jngendlektfire
Über die Bedeutung der Robinson-Erz&hlung als Jugendlektüre
ist seit Rousseau kaum noch jemand im Zweifel. Die Stelle im Emil,
wo er die Yorznglichkeit des Defoeschen Buches mit mancher Überspannt-
heit zwar, aber auch mit viel innerer Wahrheit rühmend auseinander
legt, bat für die Pädagogik grosse Bedeutung gewonnen. „Dies Buch —
Robinson — wird das erste sein, schreibt Rousseau, welches mein
Emil lesen wird; es wird lange seine ganze Bibliothek ausmachen und es
wird stets einen ansehnlichen Platz darin behaupten. Es wird der Text
sein, welchem alle unsere naturkundlichen Besprechungen nur zur
Erläuterung dienen, es wird bei unseren Fortschritten je nach dem Stand
unserer Einsicht zum Prüfstein dienen, und so lange unser Geschmack
nicht verdorben ist, wird uns das Lesen desselben allezeit vergnügen.
Robinson auf einer Insel, allein, ohne Beistand von seines gleichen, ohne
alle künstlichen Werkzeuge, aber doch für seinen Unterhalt, für seine
Erhaltung sorgend und sich sogar eine Art von Wohlsein verschaffend,
ist ein Gegenstand, der für jedes Alter interessant ist und den man
insbesondere den Kindern anziehend zu machen tausenderlei Mittel hat.
Aaf diese Weise verwandeln wir die wüste Insel, die wir anfangs nur
vergleichsweise annahmen, zur wirklichen Insel. Dieser Zustand ist —
ich gebe es zu — nicht der Znstand des gesellschaftlichen Menschen;
wahrscheinlich wird es auch nicht der Znstand Emils werden, aber nach
ihm soll er alle anderen beurteilen. Das sicherste Mittel, sich über Vor-
urteile zu erheben und sein Urteil den wahren Verhältnissen der Dinge
gemäss zu gestalten, ist, sich an die Stelle eines isolierten Menschen zu
setzen und von allem so zu urteilen, wie dieser Mensch in Rücksicht
auf seinen eigenen Nutzen davon urteilen muss. Dieser Roman, gesäubert
von allem hinzugefügten Wust, beginnend mit dem Schiffbruch Robinsons
in der Nähe seiner Insel*) und endigend mit der Ankunft des Schiffes,
das ihn von derselben hinwegbringt, wird während der ganzen Periode,
von welcher hier die Rede ist**), zugleich Emils Unterhaltung und
Unterricht ausmachen. Ich will, dass ihm der Kopf davon schwindeln,
dass er sich unaufhörlich mit seinem Schlosse, mit seinen Pflanzungen,
mit seinen Ziegen beschäftige, dass er bis ins einzelne nicht aus Büchern,
sondern an den Sachen selbst alles lerne, was in einem solchen
*) Die Erziehungsschale darf auf die Ju^endgeschichte Robinsons
nicht verzichten wegen der ethisch-religiösen Momente, die mit der Dar-
stellung seiner Geschichte verbunden sind, wohl aber müssen die Irr-
fahrten nach Afrika und Südamerika aus naheliegenden Gründen in Weg-
fall kommen.
'^*) Emil vom zwölften bis fünfzehnten Lebensjahr.
Bobinson 7
Walle zu wissen nötig ist, dass er sich selbst als einen Robinson betrachte.
Ich wünsche, dass er sich beunruhige wegen der Massregeln, die zu er*
greifen sein möchten, wenn dies oder jenes zn mangeln anfinge, dass er
das Tan seines Helden prüfe and nntersache, ob derselbe nichts anter-
lassen habe and ob er nichts hätte besser machen können, dass er dessen
.Fehler aufmerksam anmerke und daran lerne, in einem gleichen Falle
nicht auch in dieselben zu verfallen.^
Rousseau führt sodann seine Ideen über Robinson noch weiter
aus. Wir werden Gelegenheit finden, auf dieselben zurückzukommen.
Wie überhaupt sein Emil, so hat namentlich die begeisterte Lobrede
auf den Roman des Defoe in Deutschland an vielen Orten gezündet und
.gleiche Begeisterung geweckt, während sie an den französischen ünter-
richtsanstalten fast wirkungslos vorüberging.
Im Philanthröpium zu Dessau hat sich Basedow mit Wolke
-und Campe seiner bemächtigt. Campe übersetzte den Emil und be-
arbeitete den Robinson für die deutsche Jugend. Er verfolgte bei der
Abfassung des Buches verschiedene Zwecke: 1. er wollte unterhalten;
2. er wollte an den Faden der Erzählung so viele Grundkenntnisse aller
Art knüpfen, als es nur immer geschehen könnte, zumal diejenigen Vor-
hegriffe von Dingen aus dem häuslichen Leben, ans der Natur und aus
dem weitläufigen Kreise der gemeinen menschlichen Wirksamkeit, ohne
welche alle anderen Unterrichtsarten einem Gebäude gleichen, das keine
Grundlagen hat; 3. er wollte manche nicht unerhebliche Vorkenntnis,
besonders aus der Naturgeschichte, mitnehmen; 4. die wichtigste Absicht
des Verfassers war, die Umstände und Begebenheiten so zu stellen, dass
•recht viele Gelegenheiten zu sittlichen, dem Verstände und dem Herzen
der Kinder angemessenen Anmerkungen und recht viele natürliche An-
lässe zu frommen, gottesfürchtigen und tugendhaften Empfindungen daraus
erwüchsen. Schon in der siebenten Auflage konnte der Verfasser rühmen,
dass dasselbe von Cadix bis Moskau und Konstantinopel in alle europäischen
Sprachen, sogar in die russische, die neugriechische und die altböhmische
vübersetzt sei. Bis zum Jahre 1890 erschien die 112 te rechtmässige
Ausgabe. Dieser Erfolg ist sicherlich nicht auf Rechnung der Sal-
•badereien zn setzen, mit denen der gute Campe die eigentliche Erzählung
verquickte, ohne jedoch den beabsichtigten Zweck zu erreichen, da es wohl
kaum ein Kind gegeben hat, das jene Campeschen Belehrungen nicht gern
überschlagen hätte. Vielmehr machte sich auch hier die unverwüstliche
LebensfüUe, die hinreissende Anziehungskraft des ursprünglichen Robinson
geltend.
„Wer dächte nicht mit innigem Entzücken, schreibt Hettner*),
an jene Tage und Stunden, in denen sein märchenlustiges Kindergemüt
•zum ersten Male von der Geschichte und den seltsamen Abenteuern
Jtobinsons' hörte? Es überkommt uns in dieser Erinnerung unwillkürlich
wieder ein Stück Jugendleben. Jenes Gefühl taucht in uns auf, von dem
der Dichter sagt:
*) Hettner, Literat urgesch. des 18. Jahrhunderts. I. S. 281—305*
JBraunschweig 1856. (Vortrag. Berlin 1864.)
8 Das zweite Schuljahr
„Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit,
Klin^ ein Lied mir immerdar.
wie liegt so weit, o wie liegt so weit,
Was mein einst war!**
Ohne Zweifel; unser Bobinson ist ein klassisches Bach. Aber e»
ist nicht nur das klassische Buch der Kindheit, sondern eine der wenigen
Dichtungen, welche auf die späteren wie auf die früheren Tage des
Menschenlebens mit gleichem Zauber fortwirken ; ist es doch ein weltliche»
Buch der Bücher, neben der Bibel wahrscheinlich das verbreitetste und
gelesenste Erzeugnis der gesamten Weltliteratur. Dies muss seine be-
sondere Ursache haben. Wir suchen die unverwüstliche Lebenskraft dea
Buches nicht nur in dem Unterhaltendem, sondern vorzüglich in dem
Sinnbildlichen desselben. Es ist keine Frage : Den Erlebnissen Robinson»
kommt eine tiefere symbolische Bedeutung zu. Sein Leben auf der ein-
samen Insel ist in gewissem Sinne das Leben der Menschheit, die mit
kärglicher -Ausstattung in das Dasein auf Erden gleichsam ausgesetzt,
aus erfindungsreichem Sinne im Laufe der Geschichte die missliche Lage^
darin sie sich bei erwachendem Bewusstsein findet, mit unendlicher Müh-
sal zu leidlichem Behagen gestaltet.'*')
Denselben Gedanken hat Hettner in dem schon erwähnten Vor-
trage ausgeführt. Nachdem er über die Form der Erzählung, über die
ganz ungewöhnliche Feinheit und Naturwahrheit der psychologischen
Charakterzeichnung, über die bewundernswürdige Kunst, der Erzählung
den Stempel der Wahrheit aufzudrücken, auseinander gelegt, fährt er fort :
„Und nun der Inhalt: — Eine einsame, wüste Insel, darauf ein einsamer,
armer, verschlagener Matrose ! Man sollte meinen, es sei kanm möglich,
eine spannende Handlung, geschweige denn gar eine nur einigermassen
beMedigende geistige Bedeutung aus einem so dürftigen Stoffe heranszu-
spinnen. Aber wie unter einem Zauberstabe gewinnt hier alles Leben
und Bewegung. Die Not des täglichen Bedürfnisses führt unsern Kobinson
von Erfindung zu Erfindung; das Gefühl seiner Hilflosigkeit und die
Freude und der Dank, wenn irgend ein unvorhergesehenes Ereignis diese
Hilflosigkeit verringert und mildert, erwecken in seinem öden Innern die
zarten Begungen religiösen Gottvertrauens; das Hinzutreten seines treuen
Genossen Freitag und späterhin der anderen Matrosen, die von den eng-
lischen und spanischen Schiffen kommen, und die damit verbundene
Notwendigkeit, auf neue Erwerbsquellen zu denken und durch Gesetze
und Strafen alle Spaltangen und Störnisse des kleinen Gemeinwesens zu
unterdrücken und unschädlich zu machen, entfalten das erste Entstehen,
Wachsen und 'Dasein des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft.
Wir sehen, wie der Mensch mit innerer Notwendigkeit
^tufe um Stufe aus dem ersten rohen Naturzustand zur
Bildung und Zivilisation kömmt. Kurz, es entrollt sich ein Bild
vor uns, so gross und gewaltig, dass wir hier noch einmal die allmähliche
und naturwüchsige Entwicklung des Menschengeschlechts klar überschauen.
*) S. Altmüller, Vorrede zur Übersetzung des Robinson. Hild-
burghausen 1869. K. Lamprecht, Deutsche Gesch. Berlin 1893.
Robinson 9
Der Robinson ist, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, eine Art von Philo-
sophie der Geschichte. Und gerade in dieser Hinsicht ist es ein gar nicht
genug zu bewundernder Meistergriff unseres bewunderungswürdigen Dichter-
werks, dass die Persönlichkeit Robinsons sich durch keine besondere
Eigentümlichkeit oder durch besonders hevorstechende Fähigkeiten aus-
zeichnet, dass Robinson, so zu sagen, ein ganz gewöhnlicher Durchschnitts-^
mensch ist. Was dieser Robinson denkt und fühlt, was er erfindet, ein-
richtet, tut und handelt, das würde jeder andere Mensch in seiner Lage
auch denken, fühlen, erfinden, einrichten, tun und handeln. Hätte Robin-
son irgend eine entschiedene Liebhaberei für Naturgegenstände oder eine
ausgesprochene Anlage für mechanische Fertigkeiten, so wäre, wie der
englische Kritiker Goleridge einmal sehr fein bemerkt, das Buch vielleicht
um einige anziehende Verwickelungen, und Schilderungen reicher, Robinson
aber hätte aufgehört, dass zu sein, was er ist, nämlich das Beispiel und
das Spiegelbild der ganzen Menschheit«^ —
Auch Bogumil Goltz widmet in seinem „Buche der Kindheit '^
einen besonderen Abschnitt dem Robinson. Wie hätte er auch von der
Kindheit schreiben können, ohne des Robinson zu gedenken? „0 Robin-
son,'' ruft er in Begeisterung ans, „du Wnndermensch, du Heros der
Kindiieit! ... Robinson, du Buch der Bücher, du heilige Schrift in
Kinderherzen geschrieben, du echte Kinderbibel für alle Zeiten, in denen
es Kinder geben wird. ... möchtest du ewig im Kinderkalender
stehen und immerdar in den Kinderherzen erstehn!^
Noch ist der Robinson das Buch unserer Kinder, wenn auch tausend
andere Jugendschriften ihm den Rang abzulaufen suchen. Das wird kaum
bestritten; wohl aber wird man die Frage aufwerfen: sollte die Er-
zählung von Robinson, die als Jugendlektüre unerreicht ist, auch als
Unterrichtsgegenstand, und zwar als Gesinnnngs- und Konzen-
trationstoff für das zweite Schuljahr geeignet sein?
3. Die Bedeutung der Robinson-Erzählung als Gesinnung- und Konzen-^
trationstoff des zweiten Schuljahres
Ehe wir diese Frage beantworten und die Bedeutung der Robinson-
Erzählung nach der genannten Seite hin würdigen, sei es uns gestattet,
die Blicke vorerst auf andere Erzählungen zu lenken. Es wäre ja möglich^
dass man etwas vorschlagen könnte, das von vornherein so viele Vor-
züge eines Gesinnungstoffes auf sich vereinigte, dass man von allem
weiteren Suchen abstehen könnte.
In erster Linie würden uns wohl die biblischen Geschichten
entgegen gebracht werden. Aber diese haben wir nach den Auseinander-
setzungen im „ersten Schuljahr*' für die Unterstufe der Volkschule nicht
geeignet gefunden. Sie treten erst vom fünften Schuljahr ab in
den Lehrplan.'*') Welcher Stoff bleibt aber dann noch übrig? Sollen
wir zu den Erzählungen greifen, welche moderner Fabrik entstammend
•) Grab 8, Schles. Schulzeitung, 1883, Nr. 38 u. 39; Pädagog. Studien.
1858. 1. Heft. S. unser „drittes Schuljahr**. 4. Aufl.
10 I)as zweite Schuljahr
4en bösen Fritz und die g^ute Anna, oder die Bnbenstreiche von Max
und Moritz schildern? Sollen wir die wässerigen, durch und durch un-
gesunden sogen, moralischen Erzählungen „für die fleissige Jugend^ vor-
ziehen, mit welchen die Basedowsche Richtung und ihre Nachfolgerschaft
wie eine wahre Sündflut uns noch heutigen Tages zu überschwemmen
4roht? Derartige Fabrikate können wir nicht brauchen, uns ist die
Warnung Jean Pauls zu gut im Gedächtnis: „Sargt nicht jedes Wesen,
4a8 ihr auftreten lasst, in eine Kanzel ein, aus welcher dasselbe die
Kinder anpredigt, eine abmattende Sucht nach Moralien, mit welchen die
meisten gedruckten Kindergeschichten anstecken und plagen, und wodurch
sie gerade auf dem Wege nach dem Höchsten dieses verfehlen, wie etwa
Karl XII. von Schweden gewöhnlich sein Schachspiel verlor, weil er immer
mit dem König ausrückte. Jede gute Erzählung, sowie gute Dichtung,
umgibt sich von selber mit Lehren.^
Auch Herbart'*') wendet sich mit vernichtender Kritik gegen
<lie sogenannten kindlichen Erzählungen, welche schon durch die aus-
gesprochene Absicht zu bilden verderblich wirken. „Stellt Kindern," sagt
«r, „das Schlechte dar, deutlich, nur nicht als Gegenstand der Begierde;
sie werden finden, dass es schlecht ist. Unterbrecht eine Erzählung
-durch moralisches Raisonnement; sie werden finden, dass ihr langweilig
«rzählt. Stellt lauter Gutes dar; sie werden finden, dass es einförmig
ist, und der blosse Beiz der Abwechslung wird ihnen das Schlechte will-
kommen machen. Aber gebt ihnen eine interessante Erzählung, reich an
Begebenheiten, Verhältnissen, Charakteren; es sei darin strenge, psycho-
logische Wahrheit und nicht jenseits der Gefühle und Einsichten der
Kinder; es sei darin kein Streben, das Schlimmste oder das Beste zu
zeichnen; nur habe ein leiser, selbst noch schlummernder Takt dafür ge-
sorgt, dass das Interesse der Handlung sich von dem Schlechteren ab
und zum Guten, zum Billigen, zum Rechten hinüberneige; ihr werdet
sehen, wie die kindliche Aufmerksamkeit darin wurzelt, wie sie noch
tiefer hinter die Wahrheit kommen, und alle Seiten der Sache hervor-
zuwenden sucht, wie der mannigfaltige Stoff ein mannigfaltiges Urteil
anregt, wie der Reiz der Abwechslung in das Vorziehen des Bessern
«ndigt, ja, wie der Knabe, der sich im sittlichen Urteil vielleicht ein
paar kleine Stufen höher fühlt als der Held oder der Schreiber, mit
innerem Wohlgefühl sich hinstemmen wird auf seinen Funkt, um sich zu
behaupten gegen eine Roheit, die er schon unter sich fühlt. Noch eine
Eigenschaft muss diese Erzählung haben, wenn sie dauernd und nach-
drücklich wirken soll, sie muss das stärkste und reinste Gepräge männ-
licher Grösse an sich tragen. Denn der Knabe unterscheidet, so gut
wie wir, das Gemeine und Flache von dem Würdevollen; ja dieser Unter-
schied liegt ihm mehr als uns am Herzen; denn er fühlt sich ungern
klein, er möchte ein Mann sein! Solche Männer nun, deren der Knabe
einer sein möchte, stellt ihm dar. Die findet ihr gewiss nicht in der
^ähe, denn dem Männerideal des Knaben entspricht nichts, was unter
dem Einfluss unserer heutigen Kultur erwachsen ist Ihr findet es
*) Vorrede zur allgemeinen Pädagogik.
Bobinson 11
«uch nicht in enrer Einblildnngskraft, denn sie ist voll pädagfogischer
Wünsche und voll eurer Er&hrangen, Kenntnisse nnd eigenen Angelegen-
heiten.^
Unser Blick wird also auf eine Erzählung gelenkt, die sich ethisch
«0 verwerten lässt, dass entgegengesetzt dem moralisierenden Salbadern
das sittliche Urteil aus der Wärme und Teilnahme für den Helden der
Erzählung mit Klarheit und voller Bestimmtheit sich einstellt. Wir
suchen nach einer Erzählung, die gleichmässig Erkenntnis und Teilnahme
in einer dem Alter des Zöglings angemessenen Sphäre zu pflegen und zu
fördern geeignet ist, die den Gedankenkreis so erfüllt, dass das Interesse
auf das Höchste gespannt wird und die tiefgreifensten Anregungen im
Gemüte des Kindes zurückbleiben.
Kaum eine Erzählung wird nun diesen Forderungen in so reichem
Masse genügen können, wie die von Robinson. Denn welche Erzählung
wäre im stände, die Teilnahme an dem Schicksal des Helden mit
gleicher Stärke in der Seele des Kindes zu erregen? Von Anbeginn
gewinnen wir ihn lieb, wenn wir auch das Verhalten seinen Eltern gegen-
über nicht billigen. Wir durchleben mit ihm die Angst und Not des
Schiffbruchs, wir landen mit ihm auf dem fremden unwirtlichen Eiland,
wir begleiten ihn dort auf seinen Wanderungen und Unternehmungen,
wir sinnen mit ihm über die Mittel und Wege, wie für Wohnung, Lebens-
unterhalt und persönliche Sicherheit zu sorgen sei, wir teilen den Schreck
über die mannigfachen Vorfälle, die ihn bedrohen, und die Freude über
all das Gute, das ihm unverhofft bis zu seiner endlichen Erlösung wider-
fährt.*) Hierbei findet das sittliche Urteil zahlreiche Gelegenheiten
zu klaren und bestimmten Entscheidungen sowohl über das faktisch Ge-
schehene als auch über das , was an seiner Stelle hätte geschehen
können'*'*) Auch verfolgen wir die Spuren des keimenden religiösen
Bedürfnisses, des Abhängigkeitsgefühls von einem höheren Wesen, unter
dessen Schutz der einsame Bewohner sich sicher glaubt, all den Schreck-
nissen gegenüber, die Natur und Menschen ihm bereiten können. In der
Bobinsonerzählung haben wir die konkreteste Verkörperung einer Seelen-
geschichte, die von Leichtsinn und Eigenwillen zur Sünde, von der Sünde
zur Strafe, von der Strafe zur Beue und von hier zur sittlichen Besserung,
zur religiösen Demütigung, zum Vertrauen auf die Gnade und Hilfe Gottes
und so zum inneren Frieden fortschreitet. Die Erzählung ist ein Abbild
des Gleichnisses vom verlorenen Sohn und eine Vorbereitung auf das-
selbe, zwar nicht in biblischer Form, doch durchdrungen von christlichem
Geist.
Welche Fülle von Belehrungen aber für die Seite der Erkennt-
nis aus unserer Erzählung dem Kinde zufliessen kann, dies bedarf wohl
kaum der Erwähnung. Auch hat Bousseau gerade diese Gedankenreihe
▼on mannigfachen Gesichtspunkten aus beleuchtet. Nach allen Seiten hin
wird der Kreis der Kenntnisse erweitert in geographischer, naturkund-
*) Heinecke, Die Bildung des Mitgefühls. Pädag. Stadien. 1883.
3. Heft.
**) S. Ackermann, Päd. Fragen. 2. Heft. Nr. 2. Dresden 1886.
12 Bas zweite Schuljahr
licher, technologischer und kulturhistorischer Hinsicht Indem die Robinson-
erzählung in hervorragender Weise den Interessen der Teilnahme: dem
sympathetischen, dem sozialen und religiösen Interesse, wie den Inter«-
essen der Erkenntnis: dem empirischen und spekulativen dient, wird sie
zugleich zu einer vortrefflichen Propädeutik für Religion, Naturkunde
und Geschichte.
Doch ist immer noch ein Einwand zu beseitigen. Man könnte sagen,
dass der Robinson als Stoff für das zweite Schuljahr verfrüht seL
Ursprünglich ein Roman, der für Erwachsene bestimmt ist, hat er in
seinen Bearbeitungen in das Knabenalter herabsteigen müssen. Wir nun
wollen ihn noch weiter herunterrücken im Dienste des Unterrichts^
ohne ihn dadurch aus der Privatlektüre unserer Jugend zu verdrängen.
Denn es ist von hoher Bedeutung, dass jeder klassische Stoff, der als
Erzählungstoff dem Unterrichte gedient hat, auf einer höheren Stufe ala
Privatlektüre wiederkehrt. Wenn wir also den Robinson für das zweite
Schuljahr bestimmen, so kommt es nur darauf an, ihn für diese Stufe
in angemessener zweckentsprechender Weise zu bearbeiten. Ohne Zweifel
mnss uns hierbei das Original des Daniel Defoe massgebend sein, wie-
wohl wir im Hinblick auf die Stellung des Robinsonstoffes in unserem
Lehrplan vor weitgehenden ÄnderuDgen nicht zurückschrecken. Wir
waren allerdings früher der Meinung, dass wir der Bearbeitung Rousseaus,
Gampes und Gräbners nicht folgen dürften, die Robinson von allem ent-
blösst auf die Insel kommen und ihn erst später Werkzeuge und Gerät-
schaften in einem gestrandeten Schiffe finden lässt. Zu einer so weit-
gehenden Umarbeitung des Originals konnten wir uns früher nicht ent-
schliessen, weil wir annahmen, es sei der Apperzeptionskraft der von
der modernen Kultur umgebenen Kinder zu viel zugemutet, aufzufassen^
wie ein Mensch ohne alle Hilfsmittel, ganz von vorn beginnend, sich
nach und nach die Natur zu unterjochen vermag. Aber erneute Be-
obachtungen und mehrfache Prüfung in der Praxis der Übuugsschule zu
Jena haben uns davon überzeugt, dass der Lehrplan die Bearbeitung
des Stoffes in Rousseauschem Sinn fordert und dass die Kinder sehr
wohl imstande sind, in diese Auffassung sich zu versetzen und sie zu
verstehen.
Wenn wir uns also im ganzen auch dem Original anschliessen, so
tritt doch die Notwendigkeit an uns heran, dasselbe einer durchgreifenden
Bearbeitung zu unterwerfen, um den Erzählungstoff für das zweite
Schuljahr daraus gewinnen zu können. Vor allem gilt es, den Stoff
zusammenzudrängen; denn in solcher Ausführlichkeit, wie Defoe erzählt,
können wir nicht darstellen ; auch geht vieles über den Horizont unserer
Kinder hinaus. Da heisst es also, sich zu beschränken und gut auszu-
wählen. Wir haben sogleich am Anfang die Fahrten Robinsons nach
Guinea, seine Pflanzerzeit in Brasilien weggelassen. Denn ebenso wie
seine späteren Schicksale nach dem Aufenthalt auf der Insel uns nicht
interessieren können, ebensowenig die Ereignisse vor seinem Schiffbruch.
Robinson auf der Insel, auf sich allein angewiesen, für sich allein tätig —
das ist das Thema unseres zweiten Schuljahres, wie weiter unten nach-
gewiesen werden soll. Auch hier wird man manche Abweichung vom
Robinsoii 13
Original, manche Zasammenziehongen und andere Anordnung gewahren,
4ie wir im einzelnen nicht aufführen wollen.*)
Eine weitere Frage wäre nun die nach dem Znsammenhang
zwischen der Kobinsonerzählnng, dem Stoff des zweiten, and
4en Märchen, dem Stoff des ersten Schuljahres. Auf den ersten
Blick hin ist kein Zusammenhang zu bemerken; von der Welt der
Härchen mit ihren erdichteten Gestalten scheint ein grosser Sprung zu
«ein zu der realen Welt des Robinson, in der alles auf gesetzmässige,
jiatumotwendige Weise vor sich geht. Das Gemeinsame zwischen beiden
Stoffen möge jedoch darin gefunden werden, dass auch im Robinson noch
4ie Phantasietätigkeit der Kinder eine Hauptrolle spielt, wie die Er-
jsählung ja auch ein Phantasiegebilde ist, wenn auch nicht eines, das,
wie die Märchen, aus der Kindheit des Volkes selbst stammt. Auf der
anderen Seite liegt der Fortschritt über die Märchen hinaus darin, dass
im Robinson die objektive Welt mit grösserer Deutlichkeit und Schärfe
heraustritt, als dies in den Märchen der Fall ist. „Wenn nämlich das
Kind auf der Stufe, wo ihm die Märchen kongenial sind, alle Aussen-
dinge als seinesgleichen betrachtet und behandelt und daher die Wirk-
lichkeit lediglich nach seinen Phantasien und Wünschen gestaltet, so
kommt doch bald die Zeit, wo die zunehmende Erkenntnis des Wirk-
lichen diese willkürliche Behandlung nicht mehr gestattet, wo alle
Aussenwelt als ein Nicht-Ich, als eine von dem Ich und seinen Wünschen
unabhängige Objektivität dem Kinde gegenübertritt. Trotzdem aber
gibt das Ich seine alles gestaltende Kraft nicht auf, es modifiziert
dieselbe nur, indem es allmählich einsieht, dass es sich zur Berherrschuog
und Bewältigung der Aussendinge nach deren Natur richten müsse.
Daraus entspringt dann das lebhafte Berdürfnis nach Erkenntnis der
Natur und der Trieb, sie vermittelst dieser Erkenntnis den eigenen
Zwecken dienstbar zu machen. Diese Wandlung tritt in jeder Kindes-
entwicklung ein und im grossen und ganzen greift der Robinsonstoff richtig
in diese Phase der Einzelentwicklung ein und fördert auch umgekehrt
das faktische und praktische Eintreten dieser Stufe." (Staude, kultur-
historische Stufen. Päd. Studien, 1880, 2. Heft.)
Indem also der Robinsonunterricht ein Bild der Entwicklung von
den Anfängen unserer Kultur darstellt, weckt er zugleich den Sinn für
objektive, d. h. tatsächliche Betrachtung und Auffassung der umgebenden
Welt Er wird dadurch, wie schon oben angedeutet, zur Propädeutik
für die Geschichte.
„Und diese Propädeutik ist eben deswegen so geeignet, weil jener
Fortschritt nicht dargestellt und verfolgt wird an dem höchsten Kultur-
produkt, an der religiös-sittlichen Weltanschauung, deren Verständnis und
Aneignung nur durch Vertiefung in ihre einzelnen Stufen gewonnen
wird, sondern in der dem Kinde greifbarsten und fasslichsten Gestalt,
an der Überwältigung und Dienstbarmachung der Natur, an der Riesen-
*) Der Text, welcher dem Leseunterricht zugewiesen ist, ist in
unserem Lesebuch für das zweite Schuljahr gesehen. Die Verfasser
haben sich dabei bemüht, dem Standpunkt der Kinder gerecht zu werden.
14 Das zweite Schuljahr
arbeit, welche vorgeschichtliche nnd geschichtliche Menschengeschlechter
zum Zwecke ihrer menschenwürdigen Existenz geleistet und den Kindern
der Gegenwart znm behaglichen Gennss überliefert haben. Dieser ge-
waltige Fortschritt, diese unzähligen Knlturleistungen werden in der
Bobinsonerzählung konzentriert und gleichsam in einen Brennpunkt ver-
einigt, und wenn nur diese Seite derselben vom Unterricht gebührend
gewürdigt wird, dann wird die gedankenlose Stumpfheit und gefühllose
Hoheit, mit der so viele Zeitgenossen die alltäglich gewordenen Errungen*
Schäften, Erfindungen und Wohltaten der kulturgeschichtlichen Arbeit
gebrauchen und missachten, von den Kindern fernbleiben, und dafür wird
geschaffen werden freudiges Staunen, dankbare Hinnahme und Teilnahme
und bewusste Versenkung in das Warum? und Woher? aller in die
Gegenwart hineinragenden geistigen nnd materiellen Denkmale der Ver-
gangenheit.'' (Staude a. a. 0.)
In ähnlicher Weise setzt Zillig auseinander:
„Wie der Mensch der Urperiode zu seinen wenigen mechanischen
Verrichtungen Muscheln, Knochen, Pflanzenteile ohne vorherige Bear-
beitung, so wie die Natur sie Ihm bot, benutzte; wie er weiterhin Pfeil
und Lanzenspitzen, Messer und Gerätschatten zur Bearbeitung de»
Bodens, zur Herstellung der Wohnung oder Grabstätte, ja schon ein-
zelnen Zierrat in freilich oft mühevoller Weise aus Stein fertigte, bis er
endlich in den Metallen ein Mittel zur Befriedigung mannigfaltigster Be-
dürfnisse und in dieser Verwendbarkeit wiederum einen Anreiz zu immer
neuen Erfindungen empfing; mit welcher Überlegung und Umsicht bei
Schafftmg einer bergenden und schützenden Wohnung zu verfahren war^
wenn das Bedürftiis nach sicherer Ruhe, die Notwendigkeit, sich gegen
Feinde in tierischer und menschlicher Gestalt zu verteidigen, dazu nOtigte ;
wie viel Anstrengung und Schweiss es kostete, der Natur die Nahrung
abzugewinnen, und mit welchem Aufwand von Kraft, Mut und schlauer
Berechnung sich der Mensch die Herrschaft über die Tiere sichern
musste, indem er die einen zu bekämpfen, die andern seinem Unterhalt
dienstbar zu machen hatte; wie der Mensch sich hauptsächlich dadurch
über den tierischen Standpunkt erhob, dass er nicht alles, was ihm der
Augenblick bot, auch verbrauchte, sich den Überfluss vielmehr für die
Zukunft aufbewahrte, dass er . sich Zwecke setzte, über das, was er
später nötig haben werde, im voraus sorglich nachdenkend, dass er für
jene Zwecke sich die Mittel berechnete und mit Anstrengung aller
Kräfte bereitete; wie dabei namentlich das Feuer zum mächtigen Hebel
seiner Entwicklung sich gestaltete, usw. — Dies alles finden wir in der
Geschichte Robinsons in konkreter, für die lünder fasslicher Weise dar-
gestellt/ *)
•) Zillig, XIV. Jahrb., S. 108 f. Erläuterungen zum XIV. Jahr-
buch. Leipzig 1882, Veit and Comp. Vergl. Wohlrabe, Ober Gewisseir
und Gkwissensbildang, Programm des Weimar. Seminars 1883, S. 53 f.
Evangel. Schalblatt von Dörpfeld: Erinnerung an das Zillersche
Seminar in Leipzig, 4. Heft 1883. Th. Wiget, Weim. Kirchen- and
Schalblatt, 1880 Nr. 1. Ders., Praxis der Schweiz. Volks- and Mittel-
schule, 1881 Nr. 1. Beyer, Die Natorkunde im erz. Unterricht. Bei na
• Robinson 15-
Bekanntlich forderte anch Biedermann in seinem Schriftchen
^Der Geschichtsunterricht in der Schule^ zan&chst einen knltnr^
geschichtlichen Anschauungsunterricht. Derselbe solle an
die Dinge der Umgebung anknüpfen und diese zu Ausgangspunkten für
eine rückblickende Betrachtung machen. Man würde also z. B. deii
Schüler von der Anschauung der gegenwärtigen Kleidung, Nahrung,
'Wohnung, häuslichen Einrichtungen und anderen Erscheinungen des ihU'
umgebenden Kulturlebens hinüberleiten zu der Anschauung eben dieser
Vorkommnisse in einem früheren Zeiträume usw. Die wichtigsten Er-
gebnisse eines solchen kulturgeschichtlichen Anschauungsunterrichts seien^
folgende: 1. Die Übung und Schärfung des Beobachtungs- und Ver-
gleichungssinnes bei den Schülern. 2. Die Anleitung und Gewöhnung
derselben, auch an den alltäglichen Vorkommnissen nicht stumpf und
gleichgültig vorüberzugehen. 3. Die erste Weckung des Bewusstsein»
von einem Fortschreiten, einer Vervollkommnung der Menschheit durch
eigene Tätigkeit, durch Arbeit, durch gegenseitige Hilfleistungen usw.
Gewiss sehr richtig. Aber unstreitig wird das Interesse für kultur-
geschichtliche Tatsachen und Aufgaben nachhaltiger und wärmer werden,,
wenn es mit der Teilnahme für die Schicksale einer bestimmten Persön-
lichkeit verknüpft ist. Der Biedermannsche Anschauungsunterricht muss^
notwendigerweise etwas Nüchternes und Langweiliges in seiner Abstrakt-
heit bekommen — eine Befürchtung, die man für die Robinsonerzählung
nicht zu hegen braucht. Hier wird das Interesse an der Person des^
Einsiedlers in den Kindern ein unmittelbares Leben gewinnen und sa
stark werden; dass es auch auf die übrigen Unterrichtsgegenstände, auf
die kulturhistorischen Betrachtungen wie auf die naturkundlichen in der
erfolgreichsten Weise einwirkt.
Der durchschlagende Grund, der für Einführung der Robinson-
Erzählung in das zweite Schuljahr spricht, ist also dieser: Er repräsen-
tiert die vorhistorische Zeit, die allen Kulturvölkern gemeinsam ist. Er
versetzt die Schüler in die Kulturanfönge, in denen der Mensch sich über
die Natur erhebt und sie zu beherrschen beginnt. Er erweckt im Schüler
die Vorahnung von historisch Gewordenem, leitet also die erste Pflege
und Weckung des historischen Sinnes ein und bereitet in zweckmässiger
Weise das Verständnis vor für die folgende Patriarchenzeit. So reiht
sich die Robinson-Erzählung in den historischen Rahmen vortrefflich ein,,
indem sie zugleich die Kluft überbrückt, die in der Kinderseele zwischen
der reinen Phantasiewelt und der objektiven Welt besteht. Durch ihn
geht dem Schüler die Erkenntnis der Beziehungen zwischen Natur- und
Menschenleben auf, die Bewältigung von Naturdingen und Naturverhält-
nissen durch den Willen des Menschen, indem zugleich eine Klärung und
Erweiterung der Raum- und Zeitvorstellungen eintritt.
Ein gleicher Fortschritt über die Märchen hinaus geschieht in
religiös-sittlicher Beziehung. Wenn der Vorkursus, der die zwei ersten
Schuljahre umfasst, auch durchaus den Standpunkt der Naturreligion ein-
pädagog. Stadien, 2. Heft 1883 und Leipzig 1885. Beyer, Die Natur»
Wissenschaften in der Erziehungsschule. Leipzig 1886.
IQ Das zweite Schuljahr
nimmt, so findet doch im zweiten Schuljahr eine Erweiterung nnd Ver-
tiefung der religiös-ästhetischen Bildungselemente statt, so dass von hier
aus d^ Übergang zur Sagenstufe ein unmerklicher wird. So stellt die
Robinsonerzählung nicht nur als Kultur- sondern auch als Gesinnung-
«toff durch Weiterbildung der im Märchen-Unterricht erarbeiteten sittliqh-
religiösen Gebilde eine sichere Fortführung der Fundamente für die
Charakterbildung her.'*')
Endlich Jkönnte noch ein Bedenken erhoben werden, ob nämlich bei
4er Wahl der B.obinsonerzählung für das zweite Schuljahr die Natur
oder das Gemüt des Mädchens in eben dem Masse berücksichtigt sei,
als die des Knaben, nnd ob nicht für Mädchen biblische Geschichten
doch vorzuziehen seien. Dieses Bedenken erscheint uns nicht gerecht-
fertigt. Denn es scheiden sich auf dieser Altersstufe die Geschlechter
keineswegs so scharf, dass der Lehrplan darauf Bezug nehmen müsst«.
Auch zeigen die Mädchen für die Hobinsonerzählung ein gleich leb-
haftes Interesse. Überdies werden in den biblischen Geschichten auch
vorwiegend männliche Charaktere betrachtet, so dass sie in dieser Be-
ziehung keine besonderen Vorzüge für die Mädchenerziehung besitz^.
Zum Schluss weisen wir noch darauf hin, dass die Robinsoner-
zählung zugleich als Konzentrationstoff dient. Folgende Fächer
sind — ebenso wie im ersten Schuljahre — zu berücksichtigen: Zeichnen,
Modellieren und Singen, Deutsch (Lesen und Schreiben), Natur-
kunde, Rechnen. Unter der Bezeichnung „Naturkunde" fassen ydr zu-
gleich das Geographische, Technologische und Kulturhistorische zusamnien.
Sämtliche Fächer schliessen sich der Erzählung teils direkt, teils indirekt
an, so dass hierdurch ein organisches Ineinandergreifen der Lehrfächer
entsteht. Die Konzentrationsidee, wie wir sie im ersten Schuljahr durch-
geführt haben, kommt in gleicher Weise auch hier zur Anwendung. Die
Naturkunde erhält vom Gesinnungsunterricht direkte Weisungen, ebenso
das Singen, das zugleich dem Schulleben zu dienen hat. Das Zeichnen
schliesst sich teils den Erzählungen unmittelbar, teils mittelbar durch die
Naturkunde an. Ebenso auch das Rechnen, das die nötigen Ausga^Qgs-
punkte ebenfalls in den behandelten Sachgebieten findet.
So hängt hier alles von dem Mittelpunkt, dem Gesinnungstoff, ab.
Und insofern ist die Frage, welcher Stoff dieses sei, für jedes Schul-
jahr die wichtigste. Denn sie ist zugleich Kern- und Angelpiuikt
der Konzentrationsfrage, wie wir in den einleitenden Kapiteln des „ersten
Schuljahres" auseinander gesetzt haben. Die Theorie des Lehrplaiys,
dessen erstes und hauptsächlichstes Stück die Auswahl und Aufeinander-
folge des Gesinnungstoffes bildet, setzt für das zweite Schuljahr die
Robinsonerzählung ein. An Robinson ist das herrschende Interesse ge-
fesselt; aus ihm müssen sich alle die religiös-sittlichen Antriebe ergeben,
welche bestimmend auf die Geistesbildung unserer Zöglinge einwirken.
Er bildet aber auch den Ausgangspunkt für alle übrigen Besprechungen)
'*') Eine ausführliche Darlegung dieser Gedanken wolle man im
V. Heft ^Aus dem päd. Universitäts-Seminar zu Jena" in der Arbeit 4es
Herrn H. Landmann nachlesen. (Langensalza, Beyer und Mann.)
Bobinson 17
<iie es nicht aaf die Pflege der Teilnahme, sondern vielmehr auf das
Wachsen der Erkenntnis abgesehen haben.*)
Auf solche Weise suchen wir die Idee des erziehenden Unterrichts
in unseren Schulen zu verwirklichen. Mit ihr hängt auf das engste die
Wahl unseres Gesinungstofles zusammen, von ihr ist unsere gesamte
pädagogische Überlegung durchdrungen. Sie kann falsch sein; niemand
^ber wird den Verfassern den Vorwurf machen können, von der her-
rgebrachten Volksschulpraxis ohne tiefer gehende Beweggründe sich ent-
fernt zu haben:
2. Die Erzählung
Vergl. „Lesebuch für das zweite Schuljahr", (Märchen u.
B,obinsoD) 6. Aufl. Leipzig, H. Bredt, Seite 117 ff.
3. Die Behandlung des Stoffes
Die allgemeinen Grundzüge für die Behandlung des Stoffes
«ind im „ersten Schuljahr" 7. Aufl. 111 — 163 dargelegt. Im besondern
sei hier bemerkt: Nach der Theorie unseres Lehrplanes werden dem
Kinde Unterrichtstoffe angeboten, die seiner Entwicklungsstufe, d. i. seiner
Auffassungskraft, entsprechen. Damit ist in psycholigischem Sinnß die
MögUchkeit gegeben, dass die Kinder im Unterricht rege Selbsttätigkeit
*) Was Dr. Fröhlich gegen die Robinsonerzählung vorgebracht hat^
(Die wissensch. Pädagogik, Wien, 3. Aufl. S. 184 f.) ist durch P. Zillig
widerlegt worden. (Pädag. Stud. 1884, 2. Heft S. 33-37) Ferner wurde
im Rhein. Schulmann ((Neuwied 1885, Seite 361 ff.) eine kritische Be-
^sprechung des Konzentrationsstoffes für das 2. Schuljahr veröffentlicht.
Diese war jedoch keineswegs geeignet, unsere Überzeugung auch nur im
mindesten zu erschüttern. Vergl. den Aufsatz von Grabs, Erziehungs-
schule 1885, Nr. 12, Seite 148, ferner den Streit Wiget-Kuoni in der
^Schweizer. Lehrerzeitung 1883, Nr. 30 n. 81, und Beilage zu Nr. 35. Ferner
,Rhein-Schulmann 1885, Nr. 11 und 1886. 2: Emme, Ist die Robinson-
erzählung der geeignete Lehrstoff für das 2. Schuljahr? — Die Einwände
aber, welche aus der Mitte der herb artischen Richtung gegen die Ver-
wendung der Robinsonerzählung als Qesinnungstoff des zweiten Schul-
jahres erhoben wurden, sind in der Arbeit von H. Landmann (V. Seminar-
neft, Jena) eingehend besprochen worden. Hartmann, Die Auswahl des
Volksschuliehrstoffes. Sachs. Schulztg. Jahrg. 1887 Nr. 14—18. Lange,
Über Apperzeption. 4. Aufl. S. 160. will mann, Päd. Vorträge. 2. Aufl.
Anhang: Anmerkung 17. Die Kritik, die bisher an den Robinsonstoff
felegt wurde, ist durchaus theoretischer Natur. Bis jetzt hat noch niemand,
er Gelegenheit hatte, den Wert der Erzählung für das 2. Schuljahr prak-
tisch zu erproben, gegen sie sich ausgesprochen. Alle, die praktisch
diesen Stoff durchgeführt haben, wurden von seiner Brauchbarkeit und
Oüte überzeugt. Mit Recht schreiben daher die „Oberrheinischen Blätter
für erziehenden Unterricht" (Fr. Krönlein, Freibujg i. Br.) Nr. 11, 1894:
<„Mir ist es unbegreiflich, dass Schulmänner, die niemals solche Stoffe
unterrichtlich behandelt haben, theoretisch an dem Stoffe Kritik üben.*^
Vergl. Ackermann (Päd. Fragen, 2. R., 2.): n^it Robinson lässt sich
wohl etwas anfangen, vorausgesetzt, da?3 der Lehrer etwas damit anzu-
fangen weiss."
Pm iweite Schuljahr. 2
lg Das zweite Schuljahr
entfalten nnd prodoktive Arbeit leisten können. Das ist von grond»
legender Bedeutung ffir die Eniehong, da prodoktive Tätigkeit echte
Erziehung am besten fördert.
Wo das Kind an wertvollen Stoffen selbsttätig roitsehaffen kann, da
gedeiht es am besten nach Intellekt, Gemfit und Willen, da entsteht
lebendiges und dauerndes vielseitiges Interesse, da wächst die Seele
harmonisch aus. Diese Einsicht sollte heutzutage zum psychologisch-
pädagogischen Abc jedes regelrecht vor- und durchgebildeten Erziehers
gerechnet werden können.
Der hohe erziehliche Wert produktiver Tätigkeit drängt deshalb zu
der Pflicht, im Unterricht die Bahn zur Selbstbetätigung zu beschreiten,
welche die Lehrplantheorie in der Auswahl, Aufeinderfolge und Inbeziehnng-
Setzung der Unterrichtstoffe geebnet hat: es muss die unterrichtliche
Behandlung so gestaltet sein, dass produktive Arbeit geleistet werden
kann und geleistet wird.
Wohl bei keinem Unterrichtstoffe stösst dabei die Unterrichtskunst
auf geringere Schwierigkeiten als hier. Die Kinder bringen dem Bobin-
sonstoff, wenigstens von da an. wo des Helden Zukunft rätselhaft und
damit spannend wird, ein ausserordentlich reges Interesse entgegen. Da
arbeiten die kleinen Geister, lebhaft im Intellekt nnd Gemüt angeregt,
am Auf- und Ausbau der Handlang; da zeigen die leicht ablenkbaren
Naturen Sammlung, die schwerfälligen und trägen gesteigerte Lebendig-
keit, und nur die tiefstehende geistige Minderwertigkeit beharrt in ihrer
Teilnahmlosigkeit.
Wir besitzen für die Unterstufe keinen zweiten Stoff, an dem der
Lehrer so unzweideutig erfährt, dass der Kindesgeist weit mehr pro-
duktiv-selbsttätig als rezeptiv sein will Lass nns doch schaffen, bitten
die Kinder in der Bobinsonstnnde durch Worte oder Gebärden, und es
gehören entweder der ganze Frevel einer bürokratischen oder einer
nervösegoistisch ausgeübten Schulregierung oder ein bis zum Stumpfsinn
reichender langweiliger Unterrichtsbetrieb dazu, das sich zeigende auf-
strebende geistige Leben nicht zu erkennen nnd niederzutreten.
Der erziehliche Erfolg der Eobinson-Behandlong ist in erster Linie
daran gebunden, dass sich die Kinder in ihrem natürlichen Schaffens-
drange und in ihrer Schaffensfreude ausleben dürfeo. Damit soll nicht
völliger Ungebundenheit und Zügellosigkeit das Wort geredet sein. Das
Kind soll sich nur in seinem Schaffensdrange von keinem anders wollenden
Willen, der sich ihm unverständlich aufdrängt, eingeengt fühlen; nach
eigenen Sorgen und Einfällen, nach eigenem Nachdenken, Prüfen, Ab-
wägen , Wählen, Bevorzugen, Verwerfen usw. soll es sich die Welt des
Eobinson, diese echte Kinderwelt, auf- und ausbauen können. In die
Schranken ist es nur da zu verweisen, wo es in seinem Denken und Tun
auf Abwege zu gerben droht ; nur da ist ihm zu helfen, wo es Hinder-
nisse nicht zu überwinden vermag. Alles Eingreifen hat jedoch durch
leise Winke in Form von Einwänden, Vorschlägen^ Hichtigstellnngen,
Anspornungen usw. zu geschehen, um die Gedanken- und die Gemüts-
bewegungen richtig einzustellen und zu leiten.
Robinson 19
Solche Arbeit ist nur von einer Erzieherpersönlichkeit, die voll von
Liebe zu den Kindern und voll von Begeisterung und Verständnis für
die Berufsarbeit ist, zu leisten. Die „Persönlichkeit^ reicht aber nicht
aus, um die Lehr- und Erziehungskunst vorbildlich auszuüben. Durch
die heute so viel gerühmte „Intuition'' wird die volle Ausnutzung eines
Unterrichtstoffes im Sinne des gesamten Erziehungsplanes nicht ohne
weiteres verbürgt. Dazu führt nur die harte Arbeit theoretisch-päda-
gogischer Vor- und Durchbildung im allgemeinen und Unterrichtsübung
auf dem Grunde psychologisch-methodischer Durchdenkung und Gestaltung
der Stoffe im besondern. In dieser Hinsicht fallen echte Künstler in
Unterricht und Erziehung ebensowenig vom Himmel wie in der Musik,
Malerei, Plastik usw.: überall steht vor dem Künstlertum harte, zähe
Arbeit der Ausbildung.
Die Unterrichtsarbeit muss also auf eingehende methodische Vor-
bereitung gegründet sein, und dabei wäre für die Behandluog des Robin-
sonstoffes besonders auf folgende Punkte zu achten.
1. Während der ganzen Behandlung muss der Lehrer die Haupt-
aufgaben im Auge behalten, die der Stoff erfüllen soll. Es sind ihrer
drei:
a) Weiterbildung der religiös-sittlichen Gefühlsweise und Urteilskraft.
b) Anregung und Ausgestaltung des Gedankens vom historischen
Werden und Vergehen in einer der kindlichen Fassungskraft
entsprechenden Art und Weise.
c) Erweiterung und Klärung der Erkenntnis von Naturdingen und
Naturgeschehen, soweit die Erzählung unmittelbar und unge-
zwungen dazu veranlasst.
Unter diesen Gesichtspunkten hat die ganze Arbeit zu geschehen,
und es ergibt sich daraus von selbst, dass die eine Stoffpartie mehr
diesem, die andere mehr jenem Zwecke zu dienen geeignet ist. Damit
sind zugleich Hinweise für eine rechte Einteilung des Stoffes in Behand-
lungsabschnitte oder „methodische Einheiten'' gegeben.
Das Lesebuch bietet den Robinsonstoff in 32 Hauptabschnitten dar.
Weder diese noch die Unterabschnitte sind aber als „methodische Ein-
heiten^ aufzufassen. Die Abgrenzung der „methodischen Einheiten^ hat
vielmehr der Lehrer nach seinen Überlegungen zu treffen. Darin liegt
seine Freiheit und kann seine individuelle Gestaltungskraft zur Geltung
kommen gegenüber der Gebundenheit an das psychologische Lehrver-
fahren, nach dem innerhalb jeder Einheit gearbeitet werden muss.
Die Abgrenzung der „methodischen Einheit" hat von dem begriff-
lichen Material aus zu geschehen, das man an der Hand des Stoffes als
relativ selbständiges Glied des gesamten Arbeitsplanes betrachtet, weil
es einer gesonderten Besprechung durch alle Stufen des Lernprozesses
bedarf. Steht diese Abgrenzung fest, so handelt es sich um die Frage,
wie das Unterrichtstück am fruchtbarsten methodisch zu bearbeiten ist.
In seiner Präparationsarbeit hat also der Lehrer das psychologische Lehr-
verfahren zunächst rückläufig zu verfolgen, wenn er zu kiinstlerischer
Gestaltung des Stoffes nach den Seiten der Abgrenzung in „methodische
20 T>%» xwcite SebnlJAhr
EimhmUM* 8a<i 4er iHnksab^tng kosmen wfll. Ei gut aaek kitf fibr
dk» LeWer (kr Sau: Zaent das Ziel «ad daan der Wtg.
Daa Letetaeh eatlOlt ferner eiae Aaawahl poedaeber Bei^aiMaCe,
die aaf die HaapUte^aitte dea Textes Terteilt worden siadi, so dasa
§^ikMk im lakaltsrerzet^haiise der koozeatriereiide Charakter dea Ba^es
deatlsek berrortritt. Mit dieser koazestriereaden Verteflaa^ aoll aker keiaer
aawaad^Varea Bekaadlmii^ Vorsehab geleistet, gtadkw^gt eiae wolAt
iett^tie^ worden sein. Anregang soll der Konzentrationsraraaek geben,
wie flMa stttiieh-reliipdse Gedanken and allerlei GematsatiniBaagan, die
der Erzftblst4Hf erzeni^ ia passenden Gediebten aasklingen, lasaMfa
ÜMsen and festbalten lassen kann. DeM Ldirer stebt es also dnndbaas
frei, Ton der gegebenen Sammlang Gediebte aaszosebalten oder andere
eiDzafdbren.
2 Als wiebtigste Stufe im Lemprozess hat unter allen ümslladen
die der Ansebaaimg za gelten. Die Ansebaanng ist grundlegend and
mnss deshalb f6r Intellekt und Gemüt klar und wahr ausfallen, damit
daraus alle den Lemprozess abschliessende Arbeit leicht und sacbinhalt-
lieh herrorwäebst Wo das nicht geschieht, droht der Untorieht ver-
balistisch zu werden. •
Wie ist nun die AnscbauuDgstufe im Bobinsonstoff lebendig, klar,
wahr, dem produktiven Arbeitstriebe entgegenkommend und ihn eriialtend
und fdrdemd zu gestalten? Einige Winke darfiber:
a) ZuDäehst ist es nötig, dass die Behandlung von Anfang an nber-
all klare heimatliche Vorstellungen benutzt Dem Inselleben musa
z. B, ein heimatlicher Schauplatz zugrunde gelegt werden, der
die rerschiedenen Erlebnisse Robinsons und seine ganze Insel-
welt Torzusplegeln gestattet, lian darf aber den Kindern einen
solchen Schauplatz nicht etwa bloss schildern, vielmehr auskund-
schaften mnss man ihn mit den Schfilem, oft dort weilen und
die Handlungen dahin verlegen. Wie Bobinson müssen die Kinder
hier zielbewusst herumstreifen und ihre Phantasie von hier aus
in die Ferne schweifen lassen, oder umgekehrt das Phantasie-
bild in die gegebenen realen Verhältnisse eintragen. Bobinson
mnss da draussen im Spiel, d. h. für das Kind in lebendiger
Wirklichkeit, erlebt werden. Dann regt sich das geistige
Leben in den Kindern, wenn sie dem nat&rlichen Triebe folgen
dürfen und können, ihre Vorstellungen in die Wirklichkeit um-
zusetzen; dann werden die Vorstellungen vollwertig in intel-
lektueller und gemfitlicher Hinsicht; dann kommt es zu inn^m
Erlebnissen, aus denen wahre Gefühle und Stimmungen hervor-
gehen. Damit sind wesentliche Bedingungen zur Entstehung
klarer und wahrer Anschauung, auch mit besonderer Bncksieht
auf das Gefühlsleben, gekennzeichnet.
b) Dem Trieb zum Handeln muss auch im Unterricht zwischen den
vier Schalwänden nach Möglichkeit Bechnung getragen werden.
Es ist dort reichlich davon Gebrauch zu machen, den Phantasie-
bildern durch Modellieren in Plastilina oder Ton greifbare Ge-
stalt zu geben.
Eobinson 21
Robinsons heisses Bemühen, sich in seiner Lage zn verbessern,
and seine Erfolge darin müssen die Kinder sodann durch eigenes
Ton kennen and schätzen lernen. Deshalb gilt es für sie, za
Sachen and zu versachen, sich anzastrengen and ausdanernd za
mühen, am z. B. Pfeil, Bogen, Spiess asw. aas and mit den
natargegebenen Mitteln anzufertigen. Durchforschet darum die
Natur nach brauchbarem Material und übt euer Können daran,
heisst es dabei. In diesem zielbewussten Forschen und im ziel-
bewussten Üben des Könnens liegen wesentliche Merkmale klarer
und wahrer Anschauung mit besonderer Rücksicht auf die Er-
kenntnis der objektiven Welt.
Wer in der Lage ist, schien Unterricht so zu gestalten, dem
wird es am rechten Erfolg nicht fehlen. Es werden ihn dann
vielleicht auch Interesse, Schaffensfreude und wachsendes Können
der Kinder auf die unseres Er achtens bildendste Unterrichsform,
die „entwickelnd dar steinende^ hindrängen.
3. Über die Synthese im Geschichtsunterricht, sowie über den ^ent-
wickelnd darstellenden Unterricht^ siehe das 1. Schuljahr, 7. Auflage,
Seite 139 ff; XVII. Jahrb. d. V. f. w. Päd., S. 178 f. und den be-
treffenden Artikel von 0. Foltz in Reins Encyklopädie, 2. Aufl., Langen-
salza. Beyer & Mann. Der „entwickelnd darstellende Unterricht" regt
die produktiven Kräfte am intensivsten zum Schaffen an. Er ist in vollem
Sinne des Wortes konkret aufbauende Unterrichtsform, bei der sich die
Kinder mit Hilfe des Lehrers die Erzählung stückweise selbst erarbeiten.
Es findet dabei entschieden ein lebhafterer Gedankenfluss und eine leb-
haftere Gefnhlserregung statt, als da, wo die Schüler sich vorherrschend
rezeptiv verhalten müssen.
Die Anwendung des „entwickelnd darstellenden Unterrichts^^ setzt kon-
kretes Vorstellungsmaterial voraus, und es kommt darauf an, dieses so
zu verwerten, dass dadurch im unterhaltenden Zwiegespräch ein neuer
Stoffabschnitt erarbeitet wird. Das Unbekannte des Stoffes muss also mit
Hilfe von Bekanntem im Intellekt und Gefühl ergriffen oder assoziiert
werden können.
Daraus folgt, dass nicht alle Stoffpartien „entwickelnd darstellend**
behandelt werden können und sollen. Es ist Sache des Lehrers, die ge-
eigneten Abschnitte dafür auszuwählen. Ferner ist damit gesagt, dass
die Darbietung des Neuen auch durch die Erzählung des Lehrers zu ge-
schehen hat. Die mustergültige Erzählung hat ihre volle Berechtigung
und wir unterschätzen ihren Wert nicht. Trotzdem sind wir überzeugt,
dass bei ihrer ausschliesslichen oder sehr überwiegenden Anwendung man
weder der Klarheit und Wahrheit in der Anschauung, noch dem
Schaffensdrange der Kinder gerecht zu werden vermag, und dass man
nach der erzählenden Darbietung den Lemprozess sehr oft nicht nutz-
bringend abzuschliessen vermag.
4. Dass mit dem Wiedererzählen von selten der Kinder der Unter-
richtsprozess nicht abgeschlossen und vollendet ist, soll noch besonders her-
vorgehoben werden. Es handelt sich noch darum, die Kinder in den erarbei-
teten Stoff zu vertiefen und auch einige religiös-ethische Sätze aus dem
22 ^&s zweite Schuljahr
konkreten Material ahzaleiten. Die Vertiefung geschieht aach am besten
in der Form der Unterhaltung.*) Man hat sich aber zn hüten, in das
so beliebte „Abfragen*^ zu geraten und Religiöses and Ethisches den
Schalem entlocken zu wollen, was in ihnen weder Kraft noch Gestalt
anf der Anschanangsstufe gewonnen hat. Der Lehrer mass erkennen and
festhalten, was sich an religiösen and ethischen Gefühlen and Urteilen
auf der Anschaaangsstafe geregt hat. Darauf hat sich die Vertiefung zu
richten und Zusammenfassung der Urteile zu bewirken.
5. Die religiös-sittlichen Sätze werden, wo es geht, in einem Bibel-
spruch, in einem Sprichwort oder in einem sonst leicht fassbaren klassi-
schen Diktum zusammengefasst. An geeigneten Stellen müssen sie wieder-
holt und geordnet werden. Dabei ist auch auf das religiös-sittliche
Material aus dem ersten Schuljahr Rücksicht zn nehmen. Die Wieder-
holungen sind aber nicht als Gedächtnisübungen anzusehen, sondern es
ist auf das Bekannte unter neuen oder veränderten Gesichtspunkten zu-
rückzugreifen, so dass auch hier, wo es sich um Zusammenfassungen und
Zusammenstellungen handelt, nach Möglichkeit immanent wiederholt wird.
6. Im Folgenden geben wir in kurzen Umrissen religiös-sittliche und
kulturgeschichtliche Betrachtungen an, die im Anschluss an die einzelnen
Abschnitte der Robinsonerzählung sich zur unterrichtlichen Durcharbeitung
darbieten. Auswahl hieraus und Bearbeitung sind dem Lehrer überlassen,
da wir in den „Schuljahren" nur Anhaltspunkte für seine Präparationen
zu geben beabsichtigen, um eigenem Nachdenken und freier Selbsttätig-
keit nicht vorzugreifen. Unter demselben Gesichtspunkte sind aach die
beiden Präparationen zu betrachten und zu beurteilen. Für die Vor-
bereitung ist dem Lehrer auch das Präparationswerk von A. Fuchs, Jena
Verlag Haake, zu empfehlen.
Übersieht des Stoffes
1. Robinson als Schulknabe: Es werden die Faulheit, der
Leichtsinn und Ungehorsam das Knaben gerügt, der, anstatt zu arbeiten
am Hafen spazieren geht. Hervorgehoben wird ferner, dass Robinson
die Heimat nicht liebt, das Brot nicht achtet, keine Ordnung hält and
die Weihnachtsgeschenke nicht recht einschätzt. Dagegen sind auch die
Ansätze zum Guten zu beachten, Robinson ist wissbegierig, die elterlichen
Vorhaltungen gehen ihm zu Herzen, er gibt sich Mühe, das Gute zu tun,
verachtet z. B. das Brot nach der Zurechtweisung nicht wieder. Sein
grösster Fehler ist seine Willensschwäche, den Versuchungen zu wider-
stehen. Das alles ergibt sich aus dem Vergleich mit den Geschwistern
und Spielgefährten in anschaulicher Weise. Poesie: 1 — 4.**)
2. Robinsons Ferien: Der Vater gibt sich alle Mühe, Robinson
zu bessern. Umsonst. Robinson ist empfänglich für alles Neue, was er
während des Landaufenthaltes wahrnimmt. Er fängt auch allerhand
Arbeiten mit Eifer an, aber es fehlt ihm an Stetigkeit darin. Bald
*) Für diese Unterhaltungen kann die Robinsonaasgabe von Campe
dem Lehrer mancherlei Winke ^eben.
**) Die Nammern beziehen sich auf das Lesebuch. Teilweise sind die
Gedichte im- naturkundlichen Unterrichte zu verwenden.
Bobinson 23
verUert er überall die Lust wie die kleinen Kinder. Die guten Bei*
spiele der Kameraden nnd die wohlmeinenden Worte der Eltern fruchten
nichts; Robinson wird den Gedanken an eine Eeise in die weite
Welt nicht los. Wie leichtsinnig ist er doch dabei, da er gar nicht
überlegt, wie es ihm in der fremden Welt, die er gar nicht kennt, er-
gehen kann 1 Wie wenig nachhaltig spürt er von der elterlichen Liebe,
die es so gut mit ihm meint! Poesie: 1, 2, 5.
3. Bobinson als Lehrling: Bobinson ist ein ganz anderer Lehr-
ling als seine gleichaltrigen Kameraden. Nur kurze Zeit arbeitet er,
dann empfindet er gar nichts mehr vom Ernst der Arbeit. Er denkt
nicht über seine Zukunft nach, ist blind dafür. Die Bitten, Mahnungen
und Warnungen von Vater und Mutter gehen nicht tief bei ihm und
sind bald wieder vergessen. Die Gedanken an den Hafen und eine See-,
reise nehmen ihn ganz gefangen und lassen ihn alle seine Pflichten ver-
gessen. Er wird ein Müssiggänger. Ungehorsam und Lieblosigkeit gegen
die Eltern treten immer deutlicher bei ihm hervor.
Müssigung ist aller Laster Anfang. Ihr Kinder, seid gehorsam euem
Eltern in allen Dingen. 4. Gebot. Poesie: 6.
4. Bobinsons heimliches Fortgehens Auch der Tod der
Brüder ändert Bobinson nur oberflächlich. Zwar folgt er den Eltern
mehr, doch der Gedanke an das Meer behält die Macht über ihn. Da-
ran ändert auch alles weitere Bitten und Flehen der Mutter nichts.
Bobinson spricht nicht wieder von seinem Wunsche, denn, glaubt er viel-
leicht, die Eltern gönnen mir nichts. Wie unrecht! Nun fügt es sich
gar, dass er ohne Abschiedsgruss Vater und Mutter heimlich und bös-
willig verlässt. Wie hartherzig 1 — Wenn dich die bösen Buben locken,
80 folge ihnen nicht. Ehre Vater und Mutter und verlass sie nicht.
Poesie: 7 und 8.
5) Bobinsons Seereise: Das weite Meer, das unermesslich hphe
und weite Himmelszelt mit seinem Farbenspiel nnd seinen unzähligen
Sternen erwecken in Bobinson eine Gottesahnung, und mit dieser kehrt
das Bewusstsein über sein Unrecht gegen Vater und Mutter bei ihm ein.
Wir freuen uns, dass sich das Gewissen bei ihm so zu regen beginnt
und ihn zu dem Entschlüsse treibt, zu den Eltern zurückzukehren. Um
so schärfer tadeln wir dann, ^ass er die Ausführung seines Vorsatzes
wieder vergisst und seine Beue nur von kurzer Dauer ist. „Wir müssen
bei uusern guten Vorsätzen bleiben und sie nicht vergessen^. Poesie:
11—12.
6. DerSchiffbruch: Not lehrt beten, sagt ein bekanntes Sprich-
wort. Bei Bobinson scheint das zunächst nicht zuzutreffen, denn Wind
und Wellen, Blitz und Donner, der ihm vor Augen stehende Tod führen
ihn nicht zu Gott. Um so ergreifender wirkt es, wie ihn der milde
Glanz des Abendsterns zu Gott emporzieht. Gott als ein Wesen, das
Lust am Verderben haben könnte, bleibt Bobinsons Innerm fremd,
aber der Gott der Liebe offenbart sich ihm und führt ihn durch die
Liebe zum Bewusstsein der göttlichen Allmacht, dass er beten kann:
„Hilf mir Gott und sieh nicht an, was ich Böses getan habe*'. Poesie:
13—15.
24 I^i» zweite Sdnü jekr
7. Die Rettmag: Betatoii nX ein ^idball des eapörtea MeeresL
Was kam wdmt Kraft ia der Kaast des Schwinmens dagegca Ua ? V<»
dea Wellea wird er fufri gmme n, aad lie, von d^ea er tielMriieb de»
T#d erwartete, werdea seiae Better. Das erkennt er, nachdem er die
h€tiumBg wieder gewofanen hat. Zugleich erkennt er aber dahinter die
Wirkeade Haad des gitigen Gottes, nnd innig dankt er anf dea Kakeft
den hiBBlii^en Vater fir die wanderbare Bettang. Poesie: 16 — 17.
8 Die Insel: Das Gefihl des Alleinseins im fremden Lande, die
Farcht tot wildea Tieren, vor dem Tod ans Honger nnd Dorst, lenkoi
EobiasoBS Blick iauaer m^r za dem, der Wolken, Lnft nnd Winden
gOi Wege, Laof aad Bahn ... So sacht nnd findet er seinen
Gott im Abend' nad Morgeabittgebet nnd noch mehr im Dank for die
Gftte, die ihm cotdl geworden ist Da lernt er sprechen: «Nie bist do^
Hükäster, Ton ans fem*^ . . . „Bafe mich an in der Not'' . . . ,,Wenn
di« Not am grötsten, ist Gottes Hilfe am nächsten''. Poesie: 18-19.
9. nnd 10. Bobinson sorgt für eine Wohnung und richtet
sich ein; Es beginnen Sorge nnd Kampf um die Erhaltnng des Lebens.
Die Sorge spricht: Wo werde ich wohnen? Was werde ich essen nnd
trinken, nnd womit soll ich mich kleiden? Diese Fragen beherrschen
KobinsoDS ganzes Denken nnd Tan. Nach irdischen Dingen beisst es
trachten, fleissig sein von morgens bis abends und a) Wohnang suchen
nnd einrichten, b) nach Nahmogsmitteln forschen, c) sich die not-
wendigsten Kleidungsstücke verschaffen, d) mit der Zeit rechnen zu
lernen.
Begreiflieh ist es da, dass Bobinson vor lanter Sorgen nnd Bingen
am seine Lebenshaltnng den vergisst, der ihm bis jetz geholfen hat.
Begreiflich, aber trotzdem unrecht.
Erfreulich ist es umsomehr, dass Bobinson, nachdem sich des Tages
Last und Mühen verringert haben, wieder an Gott denkt nnd die Sonn-
tagsfeier mit Lob und Dank für alles Gute einrichtet.
Besondere Beachtung verdienen auch die Tugenden des Fieisses nnd
der Beharrlichkeit, die Bobinson im Nachdenken und Arbeiten zur Er-
reichung seiner Ziele entwickelt. Wie führt Beharrlichkeit, an der e»
ihm früher fast ganz fehlte, zum Ziel! — ,,Bis hierher hat der Herr
geholfen, er wird auch weiter helfen" . . . „Lobe den Herrn und ver»
giss nicht, was er dir Gutes getan hat'^ ! — „Auf einen Hieb föllt kein
Baum" . . . Poesie: 20—24.
11. Bobinson sieht sich auf der Insel um: Not und W^iss-
begierde treiben Bobinson dazu, sich auf der Insel weiter umzusehen.
Mit Gott fängt er seine Unternehmungen an.
Nun lernt er ein fremdes Land kennen, das seine Einbildungskraft
zu Hause so sehr gefangen gehalten hat. Dabei kommt er zur ruhigen
Überlegung und sieht ein, wie töricht er war. Er weint, aber er ver-
zweifelt nicht, sondern rafft sich auf und handelt als Kraftmensch, den
man achten und als Vorbild betrachten muss, nach dem Wort: „Arbeiten
und nicht verzweifeln". So erreicht er viel. Poesie: 27 — 28.
12. Folgen der Beise: Die Beise hat ihm Erfahrungen gebracht,,
die ihn nachdenklich machen. Durch Schaden wird er klug. Er musa
Robinson 25
sieb den Verbältnissen anzupassen versacben, mit den zugebenen Mitteln
reebnen.
Damit beginnt der Gedanke der Entwicklang anscbanlicb za wirken.
Diesen Entwicklongsgedanken, das bistoriscbe Werden, die Schüler abnen
za lassen, gebort von nan an mit zn den Hanptaafgaben des Unterrieb ts.
Die Aufgabe wird nicbt dadarcb gelöst, dass man von Zeit za Zeit sagt :
Sebt, so bat sieb allmäblicb alles entwickelt. Solcbe Hinweise sind
Pbrasen für die Kinder. Sie braacben plastisch anscbaaliche Entwick-
lang ibres Helden ; sie müssen diese Entwicklung selbst mit darcbmacben.
So entsteht die Ahnung vom Werden der Dinge anf und aus sachlichem
Untergrund und hört auf, blosse Verbalassoziation zu sein.
Robinson erkennt im Schatten ein Orientierungs mittel. Er mus»
Fasse und Kopf gegen die erkannten Unbilden zu schützen suchen. —
Wünschen bringt den Menschen nicbt weiter, sondern Nachdenken und
Tun. — Vorbedenken und Nachbedenken fordert. Poesie: 29.
13. Robinson alsJäjger: Der Trieb zur Verbesserung seiner
Ernährung und das Vorbandensein von Jagdtieren erwecken den Ge-
danken, Jäger zu werden. Robinson ist der Mann, neue Gedanken gleich
in die Tat umzusetzen. Doch wieviel Nachdenken, Energie, Beharrlich-
keit gehört dazu, ans Ziel zu kommen. Und die Erreichung des Zieles
bringt neue Aufgaben mit sich. — Feuer zu erbalten, gelingt ihm nicht,
darum muss er das Fleisch auf andere Weise essbar zu machen ver-
suchen. Viel Fleisch verdirbt ihm. Das bringt Antrieb zum Bauen eines
Kellers, und im Anscbluss hieran stellt sich ganz natürlich der Wunsch
nach Bequemlichkeit ein und führt zur Herstellung von Tisch und Stuhl.
— Es gelingt Robinson, alle Aufgaben mit den ihm von der Natur dar-
gebotenen Mitteln zu lösen. Seine Erkenntnis der Natur wird immer
reicher, so dass er ausrufen kann : „Herr, wie sind deine Werke so gross
und viel. Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll
deiner Güter.« Poesie: 30. 31, 36.
14. Robinson will ein Hirt werden: Eine Ziege erhält Robin-
son und damit einen lebenden Geführten. Welche Freude erwächst ihm
daraus, aber auch wieviel neue Sorge 1 Sein Freund bedarf des Schatzes.
Die Höhle muss darum mit einem Hofe umgeben werden. Neues AVerk-
zeug muss dazu ersonnen und hergestellt werden. Alles gelingt, und
sicher fühlt sich Robinson im geschützen Heim. Er kann Lebensmittel-
vorrat aufspeichern und dadurch Zeit für den Umgang mit seinem Kame-
raden gewinnen. Sinnig und innig gestaltet sich dieser Umgang. Durch
Fieiss, Nachdenken und Ausdauer kann ich viel erreichen, ich darf nur
nicbt die Lust und den Mut verlieren. Der gute Mensch ist freundlich
mit den Tieren. Poesie: 37—38.
15. Robinson sorgt für den Winter: Die Zeitvorstellang
fängt ihre besondere Rolle in Robinsons Leben zu spielen an. Der Winter,
der ihm früher viele Freuden brachte, steht jetzt als Schreckgespenst
vor seiner Seele und bringt ihm neue und grosse Lebenssorgen. Die
fübren aber zu neuen Fortschritten: warme Kleidung und Wintervorrat
werden geschaffen. „Spare in der Zeit, so hast da in der Not.** AVir
wollen ordentlich und anständig gekleidet geben. Poesie: 39 — 4L
26 ^^9 zweite Schal jähr
16. Robinson wird krank: Jetzt, wo ein heftiges Fieber Ro-
binson plagt, gedenkt er seiner Eltern, denn dass der Matterliebe zarte
Sorgen fehlen, bringt ihn wieder mehr zar rechten Wertschätznng der
Eltern. Die Elternliebe kommt zam Darchbrach and lässt ihn bittere
Rene empfinden. Er betet inbrünstig za Gott and gesteht, wie schweres
Unrecht er seinen Eltern zugefügt hat. Er bittet .sie am Verzeihung
und bereitet sich* zum Tode vor. Gott hilft ihm auch diesmal und lässt
ihn gesunden. Sein erstes ist nun, dass er Gott dankt — „Danket dem
Herrn^ . . . „Barmherzig und gnädig ist der Herr*' . . . nHerr, der du
mir das Leben, auch diesen Tag gegeben^ . . .
„Vergiss nicht, wie sauer du deiner Mutter geworden bist. Wer
hat das Kind am liebsten?^ . . . „Wer nährte mich an treuer Brust?
Wer trug und küsste mich vor Lust? usw.** . . .
17. Die Ernten: Gott zeigt sich Robinson als der Geber alles
Guten und schenkt ihm Gerstenkörner. Um aber daraus Brot zu ge-
wiunen, ist viel Nachdenken und Mühen nötig. Dabei erfährt Robinson,
was das Wort bedeutet: ^Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein
Brot essen. ^ — „Alle gute und alle vollkommene Gabe** . . . „Aller
Augen warten auf dich** . . . Poesie 53 — 56.
18. Das Feuer: Wieder erhält er eine gute Gabe von oben, die in
seinem Leben eine vollständige Umwälzung hervorruft. Was doch die
eine Himmelsgabe vermag ! Sie schafft Rat und Hilfe an allen Enden. Sie
stellt neue Aufgaben und macht sie lösbar. „Wohltätig wirkt des Feuers
Macht.** Poesie: 57.
19. Robinson als Töpfer: Zum Feuer gehören nur noch Töpfe,
um kochen und ein heimatliches Gericht bereiten zu können. In dem
Gedanken steckt Antrieb zu neuem Schaffen. Nachdenken und Versuche
führen wieder zum^ Ziel. — „Übung macht den Meister.^ „Probieren
geht über Studieren.** Poesie: 58 — 59.
20. Sonntagsfeier: Unermüdlich hat Robinson an seinen Töpfen
gearbeitet. Jetzt kocht es zum erstemal darin. Wie wird das herr-
lich munden, wie am Sonntag zu Hause! Sonntag? Wie lange habeich
über der vielen Arbeit nicht an den Sonntag gedacht! Es ist unrecht,
Gottes Feiertag vergessen zu haben! So ruht Robinson aus und eilt zu
seinem Kalender. Dieser zeigt für den nächsten Tag einen Feiertag an,
den nun Robinson in innigem Verkehr mit seinem Gott verlebt.
„Mein erst Gefühl sei Preis und Dank.** — „Wach auf, mein Herz,
und singe**. — ^Ach bleib mit deiner Treu**. — „In allen meinen
Taten**. — „Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge be-
schicken** — Kalender und Sonn- und Festtage im Jahre. Poesie: 62 — 63.
21. Robinson als Bäcker: Ganz natürlich vervollkommnet und
verschönt sich Robiusons Lebensweise. Freilich überall erfährt er die
Wahrheit von seines Vaters Wort: Ohne Fleiss erblüht dir nirgends
Glück auf Erden. Kann ihm volles Glück überhaupt auf der Insel er-
blühen? Nimmer, denn sein Herz weilt je länger je mehr zu Hause bei
Vater und Mutter. Am Geburtstag der Mutter kommt es ihm ganz und
gar zum Bewusstsein, wo sein Glück wohnt.
„0 lieb, so lang du lieben kannst!** Poesie: 65, 66; 69—72.
Robinson 27
22. Robinson baut sich einen Kahn: Das Heimweh bringt
ihn ZQ dem Unternehmen. Er hat aber das Werk nicht recht bedacht
und erreicht sein Ziel deshalb nicht ganz. ^Vorgetan and nachbedacht
hat manchen in gross Leid gebracht Poesie: 73 — 75.
23. Eine nene Entdeckung: Seine Angst über die Fassspar,
die er im Sande findet, ist gross, doch natürlich and begreiflich. Eben-
so gerechtfertigt ist sein Entsetzen, das ihn ergreift, als er die Über-
reste von Menschen findet, welche die Menschenfresser am Strande zurück-
gelassen haben. Ergreifend ist sein Dank, dass ihn Gott behütet hat
and seine Bitte am Bewahrung vor einem so schrecklichen Ende.
Mut und Tatkraft, die er bei der Bettung des Wilden zeigt, packen
uns. Wie kommt Robinson, der erst so grosse Angst zeigt, dazu? Es
gilt einen Menschen zu retten, wenn auch einen wilden. Der Wilde ist
ein Mensch und darum Robinsons Nächster. „Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst. '^ „Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt."
Durfte Robinson die Wilden töten? Notwehr? Der gerettete Wilde
zeigt sich sehr dankbar und gehorcht Robinson. „Seid barmherzig, wie
euer himmlischer Vater auch barmherzig ist.^ Gebote 1 und 5. Poesie 76.
24. Robinson als Lehrer: Robinsons Belehrung: Gott liebt die
Menschen, wie ein Vater seine Kinder liebt. Er weiss alles und erhält
die ganze Welt. Einen bösen Gott gibt es nicht. Es gibt nur einen
Gott, und das ist ein lieber, guter Gott. Er sorgt für uns und be-
schützt tins. — Immanente Wiederholung religiös-ethischer Sätze! Poesie
77—78.
25. Weihnachten in der Fremde: Robinson belehrt Freitag
über die Bedeutung des Weihnachtsfestes. Poesie 81 — 86.
Zweckmässig lässt sich im Anschluss daran ein Kursus einschieben
über die in der spätem Anmerkung gewünschte Wiederholung und Er-
weiterung der Erzählungen aus dem Leben Jesu. Man wird es auch so
einzurichten versuchen, dass dieser Kursus in die Weihnachtszeit fällt.
Besonders sei auch hier hervorgehoben, dass die Entwicklung der
Kultur der Menschheit in den Belehrungen, die Robinson dem Freitag
angedeihen lässt, klar hervortreten. Im Unterricht mass darauf Gewicht
gelegt werden.
26. Ein Schiff: Menschen schweben in Todesgefahr. Da ist
Robinson hilf bereit zur Rettung. Freitag auch. Ihre Hände sind zu
kurz zam Helfen. Der Untergang aller Schiffsinsassen versetzt Robinson
in tiefe Trauer. — Poesie: 87.
27. Die Schätze des Schiffes. I Vergl. die 2. Präparation
28. Der Wert der Güter. / und die Poesie: 88—89.
29. Der Kampf gegen die Wilden: Robinson und Freitag
sind gnte Genossen. Freitag gehorcht pünktlich. Mutig gehen sie in
die Gefahr und retten die Gefangenen. Freitag erlebt eine grosse Freude,
indem er seinen Vater findet. Die kindliche Liebe, die er zeigt, findet
lebhafte Zostimmung, ebenso Robinsons Sorge für die Geretteten.
„Seid barmherzig gegen eure Feinde.'' — „Liebe Vater und Mutter
mit ganzem Herzen.*' „Liebes Kind, pflege deines Vaters im Alter und
betrübe ihn ja nicht.'' Poesie 90.
28 ^As zweite Schuljahr
30. Ein anerwartetes Ereignis: Der Spanier und Freitags
Vater fahren in Freitags Vaterland. Robinsons Sorge erstreckt sich
immer weiter. Nan will er auch den andern weissen Männern helfen.
Das ist gut von ihm. „Da sollst deinen Nächsten lieben, wie dich
selbst.**
Nach langer Prüfung sendet Gott dem Robinson Errettung. ^Wer
nur den lieben Gott lässt walten usw.^ ^Befiehl du deine Wege usw.*'
Poesie: 91—93.
81. Der Abschied: Robinson wird die Trennung von der Insel,
von allem, was er dort geschaffen hat, schwer. Sein Abschied von
Freitag. Die grosse Treue desselben findet entschiedenen Beifall. „Sei
getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.*'
Poesie: 96.
32. Die Heimat: Das Wiedersehn. Gottes Fügung. „Der Herr
behütet alle, die ihn lieben. ** „Meine Gedanken sind nicht eure Ge-
danken usw.^ „Barmherzig und gnädig ist der Herr usw.^ Poesie:
97—101.
Anmerkung.
In der Zeit vor Weihnachten findet eine Wiederholung und Er-
weiterung der Erzählungen von der Jugend Jesu statt, nicht in streng
unterrichtlicher, sondern mehr in erbaulicher Weise. Es werden die
Gedichte des Lesebuchs : Das Christkind, Weihnachtslied, Vom Himmel
hoch da komm ich her, Stille Nacht, du fröhliche (Lesebuch II, Nr.
83 — 88) herangezogen, besprochen und gelernt.
ZusammenstelluDg
Am Ende des Schuljahres wird eine Zusammenstellung des ge-
wonnenen ethisch-religiösen Materials erfolgen können, etwa nach folgenden
Gesichtspunkten :
1. Gott und der Mensch.
2. Der Mensch und die Schöpfung.
3. Die Menschen unter einander.
4. Der Mensch und die Tiere.
5. Von dem Segen der Arbeit. (S. Präparationen v. Fuchs,
S. 107 f.)
Die im ersten Schuljahr gelernten Sätze werden bei passender Ge-
legenheit herangezogen und mit den neu gewonnenen verknüpft. Eine
schriftliche Feststellung der ethisch-religiösen Sätze kann dann im 3. Schul-
jahr in Angriff genommen werden. Das ist der Anfang für den all-
mählich zu gewinnenden Schal-Katechismus.
Zwei Lehrbeispiele
1. Beipiel
(Erzählender Unterricht)
Der erste Abschnitt ija Lesebuch ist überschrieben: „Eobinson als
Schulknabe''. Das religiös- ethische Material, das darin enthalten ist,
lässt sich in folgenden Sätzen aussprechen:
Bobinson 29
1. Ein fleissiger Schüler gefällt, ein fauler missfällt; sei darum
fleissig.
2. Ein braves Kind gehorcht seinen Eltern und macht ihnen
Freude.
3. Sei stark gegen die Versuchung und lass dich nicht verfuhren.
4. Halte, was du dir vorgenommen und was du versprochen hast.
Ein Mann, ein Wort.
5. Achte das Brot, denn es ist Gottesgabe.
6. Sei bescheiden und zufrieden in deinen Wünschen.
7. In der Heimat ist es schön. Lerne sie kennen, dann wirst du
sie lieben.
Dieses Material erscheint wertvoll und* geeignet, den Abschnitt
„Eobinson als Schulknabe*' als „methodische Einheit^ zu betrachten.
Der Erzählstoff ist aber umfangreich und muss deshalb in Unterabteilungen
zerlegt werden. Jede dieser Unterabteilungen wird nach den beiden
ersten formalen Stufen durchgearbeitet. Ist dies geschehen, dann beendet
die dritte, vierte und fünfte Stufe den Lernprozess für die Einheit. Es
würde sich demnach die Präparation für diese erste Einheit etwa so ge-
stalten :
I. Stück
Ziel: Ein Schulknabe betrübt Vater und Mutter. (Oder: Er macht
Vater und Mutter Sorgen und Herzleid.)
I. Stufe: Der ist ganz anders als Buben sein müssen. Wie denn?
Er ist böse und ärgert Vater und Mutter. Da müssen wir doch fragen !
Was hat er getan? Wie hat er die Eltern geärgert? Davon will ich
euch später erzählen Vielleicht habt ihr noch etwas anderes zu fragen !
Wie heisst der Knabe? Wo wohnt er? Ich will euch sagen, er lebt
nicht mehr. Schon vor vielen Jahren ist er gestorben. Er hiess .
Eobinson, und wo er gewohnt hat, das soll euch ein Flösser, der auf
unserer Saale fährt, erzählen.
Der Flösser sagt: Die Saale trägt mich auf meinem Floss immer
weiter. Da komme ich an vielen Städten vorbei, an Jena, Naumburg
und Halle. Wenn ich von Halle an noch einen oder zwei Tage fahre,
hört die Saale auf und fliesst in einen viel breiteren Fluss. Das geschieht
ebenso wie im Paradies, wo die Leutra aufhört, indem sie in die Saale
fliesst.
Nun schwimmt mein Floss auf dem breiten Flusse weiter. Der
heisst die Elbe. Darauf gibts noch mehr zu sehen. Da fahren Kähne,
die sind so lang wie unser Seminargarten, und Dampfschiffe fahren auch
darauf.
Immer weiter reise ich mit der Elbe, die immer breiter wird. Zu-
letzt wird sie so breit, dass ich nicht mehr darüber schauen kann.
Skizze vom Weg anzeichnen! Hier komme ich zu einer grossen Stadt,
die heisst Hamburg. Wer weiss, was von Hamburg kommt?
Im Paradies sind Kähne am Ufer festgebunden. Bei Hamburg aber
liegen auf der Elbe grosse Dampfer und Segelschiffe. Die sind am Ufer
oder auch auf dem Elbgmnde festgemacht, dass sie nicht wegschwimmen.
30 ^<^8 zweite Schu^ahr
Bild vom Hafen vorzeigen nnd die Eünder sich darüber kurz aosspreehen
lassen 1
Der Ort, wo so viele Schiffe stehen, wohin sie kommen nnd von wo
sie wieder wegfahren, heisst Hafen. Im Hafen gibt es viel zn sehen.
Sprich darüber! Möchtest da dort gerne zuschauen?
In der Hafenstadt Hamburg wohnte Robinson, von dem ich euch
nun erzählen will. Was denn?
Erinnerung an das Ziel: Wie er Vater und Mutter betrübt.**)
II. Stufe: Erzählung des Lehrers nach dem Lesebuchtexte:
Bobinson lief lieber draussen umher, statt in der Schule zu lernen«.
Am liebsten spielte er an der Elbe. Er sah zu, wie die Schiffe an-
kamen. Die waren so gross wie zweistöckige Häuser. Er wollte sehen,
wie sie ausgeladen werden, und wie die Leute aussteigen. Denn sein
Vater hatte ihm erzählt: „Die Schiffe kommen weit her aus fremden
Ländern. Dort leben wilde Tiere und braune Menschen. Die Nüsse
sind dort so gross wie Köpfe und die Bäume so hoch wie Türme.*
Manchmal sah Bobinson auch Schiffe fortfahren. Dann dachte er: „Ach,
wenn ich doch auch einmal mitfahren könnte, weit fort von hier in ein
fremdes Land!
Überschrift: Bobinson geht gern in den Hafen. — (Die Kinder
müssen gewöhnt werden, selbst Überschriften anzugeben.)
Einprägung. Wenn der Lehrer das Stückchen ein oder zweimal
erzählt hat, richtet er an die ganze Klasse die Frage: Wer kann es
wieder erzählen? Einer der sich meldenden Schüler wird dazu aufge-
fordert. Der Lehrer lässt ihn ruhig aussprechen, ohne ihn zu unter-
brechen. Dann folgt, wenn nötig, die Frage an die ganze Klasse, was
hat er vergessen? oder was hat er falsch erzählt? Die Erzählung wird
nun ergänzt oder berichtigt. Nun erzählt derselbe Schüler, welcher
die erste unvollkommene Darstellung gegeben hatte, das Stück noch ein-
mal. Dann folgen andere. Bei dem Erzählen ist der individuelle Aus-
druck höchst willkommen, Ausdrücke aus der Volkssprache sind gestattet,
nur grobe grammatische Verstösse werden zurückgewiesen, oder von den
Schülern verbessert.
Zeigt sich bei dem Wiedererzählen der Kinder irgend eine Unklar-
heit, irgend ein Missverständnis, so muss dasselbe sofort beseitigt und
aufgeklärt werden und zwar durch eine Unterredung mit den £[indem.
Dieselbe wird immer da den besten Erfolg erzielen, wo ein Bedürfnis
dazu von selten der Schüler hervortritt.
Das leidige Abfragen der Erzählung und Zerpflücken des Stoffes
muss ganz unterbleiben.
II. Stück
I. Stufe: Das war aber doch nicht schlimm, dass Bobinson in den
Hafen ging. Wieso denn? Er konnte dort viel sehen. Was denn?
Da kamen Schiffe an und fuhren weg. Manche wurden ausgeladen.
*) Der Anfang der Geschichte erheischt eine ausführliche Vorbereitung
als spätere Einheiten.
Bobinson 31
Aach Menschen fahren weg, weinten and winkten mit den Tüchern.
Andere kamen von der Reise and warden frendig empfangen. Die
Kinder müssen ihre Qedanken zasammenhängend änsseru.
Aber Robinson versäamte aach viel ! Er machte seine Schalarbeiten
nicht. Er kam nicht zar rechten Zeit nach Hanse. Das ging nicht.
Das darften Vater nnd Matter nicht leiden. Sie massten ihm das vor-
halten. Hört) wie sie es getan haben.
IL Stnfe: Erzählang:
Oft kam er erst spät nach Hanse, wenn es schon dnnkel wnrde.
Dann sah die Matter nach der Uhr nnd sagte zn ihm mit ihrer sanften
Stimme: „Aber Robinson! Wie lange bist da wieder draassen gewesen!
Sieh deine beiden Brüder an, Erich nnd Radolf! Wie fleissig haben die
wieder gelernt nnd gearbeitet! Sie haben ihre dentschen Aufsätze ge-
schrieben, gerechnet, gelesen nnd ihr Englisch gelernt. Und aach dein
Schwesterlein Hildegard! Nimm doch endlich ein Bnch zar Hand!*' Und
wenn schon die Lampen brannten, kam der Vater aas dem Geschäft.
Dann hörte er, wie Robinson wieder seine Schalarbeiten nicht fertig
gemacht hatte. Da trat er zu ihm ans Bett nnd sprach mit ernster
Stimme: „Wenn da es so weiter treibst, Robinson, dann kann nichts
Rechtes ans dir werden. Robinson, bessere dich!^
Dem Robinson kamen die Tränen in die Angen und er nahm sich
vor, anders zn werden. Er blieb aach die ganze Woche za Hause und
lernte.
Aber die nächste Woche war goldiger Sonnenschein. Der schaute
so hell ins Fenster und lockte ihn von seinem Stuhle auf, und bald war
er im Freien, „^ie muss heute der Seespiegel funkeln und glitzern!^
so dachte Robinson. Er stand wieder bei den Schiffen und hatte alles
vergessen.
Überschrift: Wie Vater und Mutter Robinson warnen.
Einprägung. Dieselbe erfolgt in derselben Weise, wie bei dem
1. Stück. Es wird sodann das 1. und 2. Stück verbunden.
m. Stück
L Stufe: Einmal besuchte den Robinson sein kleiner Vetter PauL
Der kam vom Dorfe, wo es nicht so viel zu sehen gibt wie in der Stadt.
Robinson führte ihn herum und zeigte und erzählte ihm viel. Sprich
darüber! Die Kinder lassen Robinson erzählen, was sie zu erzählen
wissen : immanente Wiederholung. Sie flechten vielleicht auch Neues ein.
Von Paul müsst ihr auch etwas sagen können! Sie erzählen, dass
er sich wundert, erstaunt ist, sich freut usw. Vielleicht wird auch gesagt^
dass es Paul auch gut in Hamburg gefiel.
Nun will ich euch erzählen, wie es gewesen ist.
Erzählung: Einmal bekamen Robinsons Eltern Besuch. Da kam
Paul, ein kleiner Vetter von Robinson, ein rechter Bauernjunge, herein
in die Stadt. Robinson zeigte ihm alles, das Haus, die Stadt und den
Hafen. Wie staunte der Junge über alles, über die grossen Häuser-
reihen, über die Form der Kirche, über die prächtigen Wagen und die
vielen, vielen Leute!
32 I^as zweite Schuljahr
Aber noch mehr sperrte er den Mand auf, als er den Hafen sah
mit den vielen grossen Schiffen. „Die Mastbänme machen ja einen ganzen
Wald!" sagte er.
Robinson erzählte ihm von den grossen Eeisen, die die Schiffe
machen, und sagte: „Ich möchte einmal fortfahren auf einem solchen
Schiffe. Hättest du nicht auch Lust, Paul?** „Nein/ antwortete der
Bauemknabe treuherzig. „Das möchte ich gewiss nicht. Ich will in
meinem Dorfe bleiben. Ich will in meinem Vaterhause bleiben. Am
plätschernden Bache draussen, wos Mühlenrad sich dreht, wo die Apfel-
bäume so herrlich blähen, wo meine lieben Eltern wohnen, da will ich
bleiben. Wie schön ist's da draussen! Ach, ich werde froh sein, wenn
ich wieder dort bin!^ Bobinson guckte ihn ganz verwundert an. Er
konnte nicht verstehen, warum Paul sein Dorf so sehr liebte, und Pa«l
verstand es nicht, warum Robinson von Hamburg fort wollte auf das
weite Meer und in ein fernes Land.'*')
Einprägung: In derselben Weise.
Überschrift: Wie den Robinson sein Vetter Paul besucht.
IV. und V. Stück
Sie werden ebenso behandelt und unter den Überschriften zusammen-
gefasst:
IV. Wie Robinson das Brot verachtet.
V. Wie Robinson Weihnachten unzufrieden ist.
Danach folgen die den Lernprozess abschliessenden Stufen.
IIb. Wodurch betrübt Robinson seine Eltern?
Er ist nicht fleissig, sondern läuft in den Hafen, ehe er seine
Schularbeiten gemacht hat. Die Eltern mahnen und warnen ihn, meinen
es gut mit ihm, aber er vergisst ihre Worte bald. Er verspricht, sich
zu bessern, aber er hält sein Wort nicht. Er ist ungehorsam. Robinson
kann sich auch nicht bezwingen. Er muss immer gleich das tun, wozu
ihm die Lust kommt.
Robinson ist auch unzufrieden und unbescheiden. Er hat viel zu
Weihnachten bekommen, aber es ist ihm noch nicht genug.
Mit dem Brot geht er schlecht um und verachtet die Gottesgabe.
Er macht sich auch wenig aus seiner Heimat, in der es so viel zu sehen
gibt und in der Vater und Mutter wohnen.**)
lU. So sind nicht alle Kinder. Die Brüder Erich und Rudolf und
sein Vetter Paul sind ganz anders! Erich und Rudolf sind fleissig, ge-
horsam, halten ihr Wort, werfen das Brot nicht weg und sind bescheiden.
Paul ist auch so, und er ist auch gern zu Hause, wo Vater und Mutter
wohnen. Er liebt seine Heimat.
*) Wir haben die Darbietung wöirtlich nach dem Lesebuch gegeben,
um an dieser Stelle eine Probe aus demselben zu zeigen. Es versteht sich
von selbst, dass der Lehrer frei und individuell zu erzählen hat.
**) Es ist Sache des Lehrers, wieviel und was er von dem Material
brauchen will und kann.
BobiQSpn 33
Es gibt manche Kind^, die laacben es so ähnlich wie Robinson.
Die meisten sind aber wie Erich, Eadolf und Paal. Pas sind die guten
Kinder.
IV. Wir wollen uns darum merken:
1. Ein gutes, braves Kind ist fleissig, gehorsam und bescheiden.
2. Es hält sein Wort.
3. Es achtet das Brot als eine Gottesgabe.
4. Es folgt nicht Jeder Lnst.
5. Es ist gern in seiner Heimat
y. Was tost da, wenn die Schale aas ist? Wenn du aber keine
Lost hast? Die Matter schickt dich in die Stadt zam Bäcker, wie musst
da dich da verhalten?
Da hast versprochen, fleissig za sein, was hast da zu ton? Dein
Freand rnft: Komm mit zam Spiel! Da hast aber deine Arbeiten noch
nicht fertig! Wir wollen Gedichte lesen. Sagt mir, was ihr dabei denkt.
Gedichte: „Versachaag", „Der Fanle", „Mein Vaterhaas".*)
2. Unterriehts-Beispiel
(Ent wickelnd-darstell ender Unterricht)
Vorbemerkung: Die folgende Präparation will den darch die Anf-
ßndang des Schiffes herbeigeführten Wendepunkt in Eobinsons und Frei-
tags Leben auf der Insel teilweise behandeln« Es bildet dieses Stiick
aas dem Leben Robinsons eine „methodische Einheit''. Der Gründe, die
hier zur Ausfuhrung dieser Einheit führen, sind drei. Erstens ist die
Einheit reich an gesinnungbildenden Momenten, und es kann aus der
Behandlung erkannt werden, wie die religiös- ethische Gefühls- und Denk-
weise der Schüler durch den Bobinsonstoff geweckt, beeinflusst und ge-
fordert wird. Zum andern kehren die Ereignisse und Handlungen dieser
Einheit den kulturellen Gesichtspunkt deutlich hervor und zeigen, wie
durch den Bobinsonstoff in dem Schüler das Interesse für historisch Ge-
wordenes angebahnt und gefordert werden kann. Hier ist sehr klar der
auf die Historie vorbereitende Charakter des Bobinsonstoffes ausgeprägt.**)
Drittens endlich lässt sich an diesem Stoffe das Wesen des entwickelnd-
darstellenden Unterrichts, soweit es überhaupt durch eine Unterrichts-
akizze dargelegt werden kann, gut' erkennen. Der Leser der Präpara-
tion vermag sich aus dem von den Schülern dargebotenen Vorstellungs-
schatze durch Bückschlüsse und Vorblicke ein Bild von dem Gedanken-
gewebe der Kinder und somit von der Gesamtwirkung der Bobinsoner-
s&hlnng auf die Schüler zu machen. Er wird auf diese Weise vor einem
absprechenden Urteile über die Möglichkeit der Schülerleistungen bewahrt,
er wird begreifen, dass der Zögling nur leitender Anregungen durch den
Lehrer bedarf, um die Geschichte in einer annehmbaren Weise zu konstruieren.
Die Anlage der Präparation geht von folgenden Voraussetzungen aus.
*) Vergl. Lesebach, 6. Aufl. Leipzig, Bredt.
**) Verel. Biedermann, Der Geschichtsunterricht nach kultur-
geschichtlicher Methode.
Dm sweite Schuljahr. 3
34 l^As zweite Schuljahr
In der Geschichte ist ein Höhepunkt erreicht. Für die Kinder
hahen Bohinson und Freitag in den äussern Einrichtungen eine Kultur-
stufe erklommen, die obne moderne Knlturmittel nicht überstiegen werden
kann. In dem Leben auf der Insel macht sich infolge der Buhe eine
grosse Eintönigkeit geltend, die namentlich schwer auf Bohinson lastet.
Er vermisst den Segen seines Lebens in der Heimat wieder sehr bitter, '*')
seine Gedanken weilen ohne ünterlass im Vaterlande, und bei Jeder Ge-
legenheit erzählt er Freitag wehmütig von dem verlornen Gute. Dabei
tritt in gleicher Stärke mit dem Heimweh das feste Gottyertrauen auf
eine endliche Erlösung an den Tag. — Freitag hat auch starke Sehn-
sucht nach dem Vaterlande.
Diese Gemütsstimmung benutzen wir zum Ausgangspunkte und zur
Durchdringung der nun folgenden Einheit von der Auffindung des Schiffes,
und es gestaltet sich der Verlauf der nnterrichtlichen Behandlung etwa so.
Übersicht
I. Teil
(Im Vordergrund steht die Beeinflussung des Gemüts)
Ziel: Wir erzählen, wie Bohinson zuerst noch trauriger, dann aber
mit Freitag*'*') glücklich und reich wird. (Beich im Herzen, reich an
äussern Gütern.***)
1. Ein Schiff in Stnrmesnot und dessen versuchte Bettung.
2. Fand und Besuch des Schiffes.
3. Die Dinge, die Bohinson findet.
4. Was er mit Freitag auf die Insel schafft und wie sie Gott
danken.
II. Teil
(Im Vordergrunde steht die ScLärfung des Bewosstseins für das Geworden-
sein und Werden der Dinge durch Gegenüberstellung des Einst und
Jetzt)
Ziel: Wir wollen sehen, wie jetzt für Bohinson und Freitag das
Leben angenehmer wird.f) (Wert und Segen der Kulurgüter.)
1. Wert der Schusswaffen u. Streich-
hölzer.
2. Wert der Bücher und des Schreib-
materials.
3. Wert verschiedener Gerätschaf-
ten und Werkzeuge.
4. Wert des Geldes.
Auswahl und Beihenfolge der zu
besprechenden Dinge hat sich nach
* dem vorhandenen Interesse und dem
dadurch bedingten Gang der Er-
zählung zu richten.
*) Vergessen hat er das Vaterhaus nie, aber die Gedanken daran
waren durch Freitag in den Hintergrund gedrängt worden.
**) Bohinson ist und bleibt die Hauptperson. Freitag wird deshalb
eine so bevorzugte Stellung eingeräumt, weil er in seinem Denken, Fühlen
und Handeln vielfach in Gegensatz zu Bohinson tritt und so in religiös-
ethischer und kultureller Hinsicht aufklärend und vertiefend wirkt.
***) Die Herausarbeitung dieses Gegensatzes liegt im Plane. In das
Ziel kann der Gegensatz wegen seines abstrakten Charakters nicht auf-
genommen werden.
t) Dem Standpunkte der Klasse entsprechend, müssen die Ziele
vielleicht einfacher lauten.
Kobinson
35
Ausfnhrang.*)
Ziel: Wie Robinson noch trauriger wird.**
I. und II. Stufe.
1. Robinson war seit einiger Zeit
recht unglücklich, besonders war er
es heute am letzten Tage im Jahre.
Warum ?
)
Erzähle, weshalb nicht!
Seht, so war es am Tage. Abends
nun?
Robinson rief oft aus: Könnte
ich doch in einem Buche lesen!
Oft erzählten sich dann die Freunde
von der Heimat. Dabei waren sie
gewiss traurig?
Er hatte Heimweh und wünschte^
er wäre zu Hause bei Mutter und
Vater. Auf der Insel gefiel es ihm
gar nicht mehr.
Er hatte in der Höhle, auf dem
Hofe und im Garten alles so schön
gemacht, dass es nicht besser mehr
ging. Nun musste er jeden Tag
dasselbe tun, und das wurde ihm
langweilig.***)
Abends gefiel es ihm erst recht
nicht. Er konnte nichts Ordent-
liches arbeiten, denn sein Licht
brannte nicht sehr hell.
Robinson und Freitag wurdea
dann so traurig, dass sie zu weinen
anfingen. Wenn doch ein Schiff
käme und mich mit nach Hamburg
nehme, rief er . . . manchmal be-
trübt.
*) Die Präparation will ein Bild aus der Praxis geben, soweit es
aus der Erinnerung möglich ist. Die methodische Einheit umfasst im
Lesebuch die Abschnitte 26, 27 und 28.
**) Das Hauptziel umfasst die ganze Einheit, darum tritt es als
Doppelziel auf. Ein Stundenziel muss einfach sein.
***) Diese zutreffende Antwort brachten mehrere Schüler zugleich»
und sie fand den Beifall der übrigen Zöglinge. Bei dieser Gelegenheit
«ei auch bemerkt, dass da, wo dem Leser Antworten unerwartet kommen
und als ein Unding erscheinen, die Erklärung dafür in erster Linie mit
in der Lehrplanfraee gesucht werden muss. Die Anwendung des ent-
wickelnd-darstellenden Unterrichts setzt zusammenhängende Stoffe voraus.
AVer noch nicht zusammenhängende einheitliche Stofite mit den Kindern
behandeln konnte, sondern durch den Lehrplan dazu verdammt war, für
«ich selbst und mit den Kindern nach Schmetterlingsart an tausenderlei
Dingen herumzunippen, der wird manches Dargebotene unbegreiflich finden.
Zur Beruhigung vielleicht persönlicher Gereiztheit, mehr aber noch zur
Beunruhigung seines pädagogischen Gewissens, soll einem solchen Leser
gesagt sein, dass er an seiner Schule infolge des Lehrplans mit dem ent-
wickelnd-darstellenden Unterricht wenig oder gar nichts anfangen kann,
iveil bei allem Vielwissen die Schtller nicht diejenige Art und dasjenige
Mass von Interesse und geistiger Schulung besitzen, wodurch eine so
selbsttätige Arbeit möglich wird. In einer Schule, wo ein Lehrplan ohne
geistigen Mittelpunkt besteht, haftet dem Schlilergeiste derselbe Mangel
an. „Tausend Kräfte** werden rege gemacht, aber sie können sich nicht
in „munterm Bunde** zu gemeinsamer höherer Arbeit vereinigen. Eng
gefasste katechetische Fragen können wohl sicher und treffend beant-
wortet werden, höhere Durchschnittsleistungen gibt es aber nicht.
3*
3«
Das swtito SckuljaKr
Dann aber dachte er wieder an
Gott und wurde mutig.
Dann sang er auch ein Lied ! . . .
Freitag hatte auch Heimweh.
Robinson sollte noch trauriger
werden. Was nur geschehen mag !
Dmkt euch jetzt die beiden Freunde
abends so traurig in der Höhle
sitzen!
Draussen ist es sto<^finstere Nacht.
Ein furchtbarer Sturm hat sich er-
hoben und wühlt das Meer so sehr
auf^ dass hohe Wellen fast bis zur
Hdhle gelangen. Robinson und
Freitag können nicht schlafen. Ro-
binson erzählt etwas!
Robinson denkt vielleicht auch
an Leute, die jetzt in Not sind?
Dann sagt er noch : Freitag, wir
wollen den lieben Gott bitten, dass
er die Menschen, die auf dem Meere
in Gefahr sind, behütet. Danach
waren beide ganz still. Robinson
liefen die Tränen über die Wangen.
Plötzlich ertönten einige Kanonen-
schüsse vom Meere herüber 1 Er-
zähle, was Robinson sofort denkt
und — tut!
Ob Robinson nicht selbst helfen
will so gut er kann?
Hörte es wohl niemand?
Ja» er sagte, der liebe Gott wird
mir schon helfen.
Wer nur den lieben Gott liast
walten . . . Befiehl du deine Wege . . .
Hoff, du arme Seele, hoff . - .*y
Er erzählt Freitag vom Schiff-
bruch. Siehst du, sagt er zu Frei-
tag, so schreckliches Wettor war
auch damaU, aU ich auf die Insel
geworfen wurde. Alle Menschen,
die mit mir auf dem Schiff waren,,
sind im Meer ertrunken, mich allein
hat der liebe Gott errettet.
Ach, rief Robinson, wenn nur
jetzt kein Schiff auf dem Meere ist,,
sonst geht es auch unter, und aller
Leute darauf ertrinken.
Als Robinson die Kanonenschüsse^
hörte, rief er: Da ist ein Schiff in
Not! Die Matrosen schiessen, damit
andere Schiffe kommen und helfen.
Robinson wollte nun gleich selbst
helfen. Er dachte, wenn die Ma-
trosen wüssten, dass hier eine Insel
wäre, so könnten sie vielleicht her-
überkommen (steuern). Darum sprang
er gleich mit Freitag vor die Höhle,,
und beide schrieen, so laut sie nur
konnten.
Der Sturm brauste so arg und
das Schiff war so weit, dasa
niemand auf dem Schiffe etwa&.
hören konnte.
*) Es kommt darauf an, welches Lied gelernt ist.
Bobmaon
87
Da g^edachte Robinson, ein Zeichen
zu geben, dass die Matrosen sehen
konnten in der dnnkeln Nacht:
Freitag sollte dabei helfen!
Das Schiff bemerkte anch das
Feaer nnd antwortete durch einen
Eanonenschnss. Ob sich da Robin-
8on freute und warum?
Das Schiff kam auch wirklich
der Insel näher. Robinson hörte
es.
Das Schreien ging Robinson sehr
zu Herzer, aber er war doch mehr
freudig als traurig und dankte Gott
schon für die nahende Rettung.
Freitag verstand alles nicht recht.
— Plötzlich sollte alle Freude um-
sonst gewesen sein. Robinson ver-
nahm ein furchtbares Krachen vom
Schiffe herüber. Er hörte lante Hilfe-
rufe, die immer schwächer wurden,
zuletzt war alles still. Jetzt ahnte
er etwas Schreckliches
Rettungsboot!*) . . .
• •
Robinson rief noch lange laut.
Warum?
Es war aber alles vergeblich.
Die Nacht war schauerlich, nnd
Robinson und Freitag gingen end-
lich wieder in die Höhle. Schlaf?
Er weinte nicht bloss über die
Leute, sondern? . . .
Da wollte Robinson ein Feuer
auf dem Felsen anzünden, das sie
auf dem Schiffe sehen konnten.
Freitag musste trockenes Gras
aus dem Stalle holen. Robiuson
selbst nahm Kohlen aus dem Ofen
uhd tmg sie auf den Felsen. Bald
brannte das Feuer und leuchtete
weit ins Iteer hinaus.
Da freute sich Robinson sehr,
denn er dachte, nun werden die
Leute gerettet, ich bekomme Ge-
sellschaft und kann mit dem Schiff
fortfahren.
Er konnte auf einmal das Jammer-
geschrei der Reisenden hören, das
auch immer stärker wurde.
Da rief Robinson: Das Schiff ist
vor einen Felsen gefahren und zer-
brochen (geborsten — zersehellt).
Es ist leck geworden. Das Wasser
dringt ein, es sinkt unter, und alle
Menschen ertrinken!
Er wollte mit Freitag in das
Boot steigen nnd sehen, ob sie je-
mand retten könnten. Die Wellea
gingen aber so hoch und es war
so dunkel, dass das nicht ging.
Er dachte, vielleicht ist jemand
so wie ich auf die Insel geworfen
worden, der kann es hören.
Sie konnten aber die ganze Nacht
nicht schlafen. Robtiison dachte
immer an die unglücklichen Menschen
und weinte über sie.
Er weinte auch darüber, dass
er nicht gerettet worden war.
*) Ei ist selbstverständlich, dass im unterrichte vielleicht auch
andere und bestimmtere Hilfen gegeben werden müssen.
S8 ^As zweite Schuljahr
Vielleicht lief er öfters noch Das tat er auch und rief nach
hinaus. Menschen, aber niemand hörte.
So verlief die ganze Nacht.
Überschrift: Wie Eobinson ein Schiff vor dem Untergange
retten will.
Zusammenfassung*): Eobinson und Freitag waren nicht mehr
fröhlich auf der Insel. Sie hatten beide Heimweh und wänschsten sich
nach Hause. In der Höhle, auf dem Hofe und im Garten hatte Eobinson
alles so schön in Ordnung gebracht, dass es gar nicht besser mehr ging.
Nun musste er jeden Tag dasselbe tun, und das wurde ihm langweilig.
Abends sass er traurig in der Höhle. Eobinson rief dann sehr oft:
„Ach, hätte ich doch ein Buch zum Lesen! Eobinson und Freitag er-
zählten sich auch oft von der Heimat und wurden dabei traurig bis zum
Weinen. Eobinson wurde aber wieder mutig, wenn er an Gott dachte.
Er sagte dann : Der liebe Gott wird mich doch noch erretten . . . Auch
sang er: Wer nur den lieben Gott lässt walten usw. . . .
Eines Abends sassen Eobinson und Freitag wieder traurig zusammen
in der Höhle. Ein furchtbarer Sturm wühlte das Meer auf, so dass die
Wellen fast bis an die Höhlen kamen. Eobinson erzählte jetzt Freitag
alles von dem Sturme, den er auf dem Schiffe erlebt hatte. Zuletzt
sprach er zu Freitag: Wir wollen Gott bitten, dass er die Menschen
hehüten mag, die auf dem Meere in Gefahr sind.
Plötzlich ertönten einige Kanonenschüsse vom Meere herüber. Eo-
hinson wusste sofort, dass diese von einem Schiffe kamen. Er sagte zu
Freitag: da ist ein Schiff in Not. Die Matrosen schiessen, damit andere
Schiffe kommen und ihnen helfen. Eobinson wollte auch selbst helfen,
80 gut er konnte. Er dachte, wenn die Matrosen wüssten, dass hier
eine Insel wäre, so könnten sie vielleicht herübersteuem. Darum sprang
er gleich mit Freitag vor die Höhle, und beide riefen so laut sie konnten.
Der Sturm brausste aber so arg und das Schiff war noch so weit, dass
niemand auf dem Schiffe etwas hören konnte. Da wollte Eobinson dem
Schiffe durch ein Feuer ein Zeichen geben. Freitag musste rasch
trockenes Gras auf den Felsen tragen, Eobinson brachte Kohlen herbei,
und bald leuchtete das Feuer weit ins Meer hinaus. Das Schiff verstand
auch das Zeichen und kam der Insel näher. Eobinson freute sich schon
darüber, dass die Menschen gerettet würden und dass er mit dem Schiff
bald fortfahren könnte. Er dankte Gott schon für die Eettung. Auf
einmal hörte er ein furchtbares Krachen vom Schiff herüber. Die Eei-
senden schrieen um Hilfe, bald aber war-^Ues still. Jetzt wusste Eo-
binson, dass das Schiff an einem Felsen zerschellt war. Er wollte mit
Freitag noch ertrinkende Menschen retten, aber das ging nicht. Er rief
lange laut, um vielleicht jemand am Ufer zu finden, aber alles war ver-
*) Kann man keine gute Zusammenfassung von den Schülern er-
warten, dann hat das Vorbild des Lehrers voranzugehen; die Erfahrung
lehrt aber, dass selbst lange Zusammenfassungen vollständig zufrieden-
stellend ausfallen, wenn nur der Unterricht lebendiges Interesse hervor-
zubringen vermochte.
Bobinson
39
geblich. Da ging Bobinson mit Freitag traurig in die Höhle. Er
weinte über die angläcklichen Menschen and konnte die ganze Xacht
nicht ffftbl^ftii Oftmals lief er noch vor die Höhle and rief, aber nie-
mand hörte.
2. Nach nnd nach kam der Morgen
heran. Der Starm hörte anf, nnd
es wnrde etwas hell. Erzahle, was
Bubinson sofort tat!
Es war aber noch nicht hell ge-
nng.
Da sachten sie!
Es wnrde non heller and sie
kehrten wieder am. Als sie ein
Stück gegangen waren, sah Bobin-
son nicht weit von der Insel einen
danklen Gegenstand aas dem Meere
schaaen. Zuerst konnte er nicht
genan erkennen, was es war. End-
lich aber wnrde es ihm klar . . .
Das hatte der Starm zaletzt aaf
eine Sandbank*) geworfen. Aber
wie sah es ans!
Erzähle, was Bobinson dachte nnd
tat!
Aaf dem Wege schaate Bobinson
ganz starr nach dem Schiffe nnd
ihm schlag das Herz hoch, wenn
er daran dachte, dass er im Schiffe
noch Menschen finden könnte. End-
lich langten sie an der Sandbank
an. — Nichts regte sich im Schiffe.
Bobinson wollte nnn hinein . . .
Das ging nicht so leicht!
Bobinson ging mit Freitag an
das Meer nnd schaate nach dem
Schiff.
Sie konnten nichts sehen.
Da gingen sie am Meere hin nnd
sachten nach Menschen. Bobinson
schrie wieder, aber niemand hörte.
Sie fanden niemand.
Es war das Schiff.
Es lag aaf der Seite, die Mast-
bäame waren abgebrochen and die
Tane hingen an der Seite herab. Kein
Mensch iiess sich aber daranf sehen.
Bobinson dachte, vielleicht ist
doch noch jemand lebendig im Schiff;
ich will rasch hinüberfahren. Frei-
tag mnsste nnn schnell das Boot
derbeischaffen nnd beide fahren aaf
has Schiff los.
Die Tür war aber oben aaf dem
Schiffe, and Bobinson mnsste des-
halb hinaufsteigen.
Das Schiff war hoch, and [Bobin-
son konnte ohne Leiter nicht hin-
auf kommen.
*) Die Kinder wissen, dass in der Saale die Flösse oft auf Sand-
bänke geraten. Mit Vorteil ist auch ein passendes Bild vorzuzeigen.
40
Das zweite Schuljahr
Da kam ihm zum Glück ein Tan
za Hilfe . . .
Und Freitag band das Boot fest und
folgte ihm nach. Gib an, was
Eobinson nun weiter beginnt!
Zam Glfick hing nach der einen
Seite ein Tan vom Schiffe herab;
an diesem kletterte Robinson auf
das Schiff.
Robinson öffnete nun die Tttr und
ging in das Schiff. Er suchte zu-
erst nadi Menschen in allen Kajüten,
er klopfte an allen Türen, er rief
auch laut, aber alles blieb still.
Da merkte er, dass alle Menschen
ertrunken waren und weinte bitter-
lich darüber.
NuQ wusste er etwas . . .
Er klagte laut über den Tod der
vielen Menschen. Freitag stand da-
bei und wusste nicht, was er über
das grosse Schiff und über seinen
Herrn sagen sollte.*)
Überschrift: Wie Robinson das verunglückte Schiff besacht und
über den Tod der ertrunkenen Menschen klagt.
Zusammenfassung: Als der Morgen kam, hörte der Sturm auf.
Robinson ging mit Freitag sehr früh an das Meer und schaute sich
nach dem Schiffe um. Es war aber noch sehr düster und nichts zu
sehen. Da gingen sie am Meere hin und suchten nach verunglückten
Menschen. Robinson rief überall laut, aber es hörte niemand. Als es
heller wurde, kehrten sie wieder um. Als sie ein Stückchen gegangen
waren, sah Robinson etwas Dunkles aus dem Meere schauen. Es war
das Schiff. Das hatte der Sturm auf eine Sandbank geworfen. Da lag
es auf der Seite, die Mastbänme waren abgebrochen und die Taue hingen
an den Seiten herab.
Robinson dachte, vielleicht lebt noch jemand im Schiffe. Freitag
musste das Boot schnell herbeiholen und nun fuhren sie nach dem Schiffe.
Als sie dort ankamen, wollte Robinson in das Schiff gehen. Zum
Glück hing ein Tan herab, an dem Robinson auf das Schiff klettern
konnte. Als er oben war, kam Freitag auch. Robinson suchte nun
zuerst nach Meiischen in allen Esgüten. Er ^ud aber auf dem ganzen
Schiffe keine Seele. Darüber weinte er bitterlich. — Frdtag stand
dabei und wusste nicht, was er über das grosse Schiff und über seinen
Herrn sagen sollte.**)
Ziel: Wie Robinson nun mit Freitag glücklich und reich wird.
*) In diesem Abschnitte drängen die Kinder oft dazu, gleich von
den' Dingen auf dem Schiffe zu erzählen. Dieses Drängen lässt - sich
durch den Hinweis auf das Ziel beseitigen. Es wird gesagt, dass davon
erst die Rede sein kann, wenn es sich um Robinsons und Freitags Glück
handelt.
♦*) Haben wir erzählt, was wir zuerst wollten? Ja, Robinson ist noch
trauriger geworden. Diese Frage ist hier zweckmässig. Sie erinnert den
Schüler, dass ein Teil des Zieles erreicht ist. I^un das zweite Stondenziel.
Robinson
41
3. Robinson berubigte sich bald
wieder und dachte wie damals, als
er nicht nach dem fernen Lande
kam. . . .
Und nun wurde er sehr glücklich.
Er jauchzte auf vor Freude. Worüber
denn?
Zu Freitag sprach er jetzt wie
ein Kind zu Bruder und Schwester
am Weihnachtsfeste!
Was Robinson nur alles fand?
Zuerst kam er in die Kajüten *),
wo die Reisenden gewesen waren.
Auch Bücher, worin die Reisenden
gelesen hatten, waren da.
Am meisten freute er sich über
ein dickes Buch. Das war die
Bibel, aus welcher ihm die Mutter
früher Geschichten erzählt hatte.
Einige Reisende hatten auch ge-
schrieben, und es lag noch Papier
da. Daneben lagen Federhalter mit
Federn und auch Tinte fand Ro-
binson. An der Decke hingen auch
Lampen.
Jetzt kam Robinson in die Kajüte,
wo die Matrosen gewohnt hatten.
Da sah es ganz anders aus.
Die Matrosen hatten auch eine
W^erkstatt wie wir in der Schule.
Was Gott tut, das ist wohl-
getan. . . .
Er freute sich über die Sachen,
die ganz so aussahen wie zu Hause.
Er dachte, du kannst dir die Sachen
mitnehmen, die du auf der Insel
notwendig gebrauchen kannst.
Freitag, sagte Robinson, sieh dir
doch die herrlichen Sachen an!**)
Und Freitag stand dabei . . .
und machte grosse Angen und ein
verblüfftes***) Gesicht, denn er
kannte die ganzen Sachen nicht.
Da standen Reisekoffer unter den
Bänken; es hingen Kleider (Über-
zieher) an den Haken in der Wand.
Auch Fernrohre, womit die Reisenden
viel sehen wollten, waren dabei.
Darüber freute sich Robinson sehr.
Da hingen Gewehre und Säbel.
... In den Patronentaschen steckten
Patronen, f )
. . . Darin fand Robinson Sägen,
Hobel, Meissel, Bohrer, Hämmer,
Zangen, Nägel, Schrauben, Beile
(Äxte) und Spaten.
*) Der Ausdruck ist bekannt; es kann auch ein anderer gebraucht
werden.
**) Ein Kind fuhr einmal fort: die uns der liebe Gott beschert
hat. Es war ein gemütvoll angelegter Knabe.
♦♦♦) Aus der Praxis.
t) Die Vorstellung von Vorderladern ist nur selten noch anzutreffen.
In den Patronen sind teils Kugeln, teils enthalten sie Schrot.
42 I^AB zweite Schuljahr
Endlich kam Robinson in die Hier waren Teller, Schüsseln^
Küche. Flaschen, Eimer, Messer, Gabeln,.
Reibeisen —
Und etwas, worüber sich Robinson Ja, nun brauchte Robinson keine
am meisten freute: Streichhölzer. Angst mehr zu haben, dass ihm das
Feuer ausging.
Neben der Küche war auch noch Da lagen Säcke voll Mehl, Reis,
eine Vorratskammer. Graupen und vieles andere.
Überschrift: Was Robinson im Schiffe fand.
Zusammenfassung.
4. (Der Stoff ist nach dem vorigen Abschnitte vorhanden. Die
Kinder haben zu wählen. Dabei ist dafür zu sorgen, dass die Dinge
nicht fehlen , die zur Befriedigung geistiger und leiblicher Bedürf-
nisse von Robinson am meisten vermisst wurden. — Deshalb nur An-
deutungen.*)
Was mögen Robinson und Freitag auf die Insel gebracht haben?
Robinson wählte klug aus. Freitag nicht, denn er kannte die Dinge
nicht. Wählt auch so aus wie Robinson! Dabei Angabe des Grundes
und der Gemütsstimmung. — Freitag steigt auf einer Strickleiter ins
Boot und schafft die Dinge nach der Insel. Bald tut Eile not, denn der
Sturm erhebt sich wieder. — Robinson findet zuletzt den Hund noch.**)
Grosse Freude. In der Aufregung und Angst wird der Hund vergessen.
Anhänglichkeit desselben.
Alles ist glücklich am Lande, als der Sturm losbricht. Robinson
nun voll. Freude, Freitag mit ihm. Dankgebet in der Kapelle.
Überschrift: Was Robinson und Freitag auf die Insel schaffen^
und wie sie Gott für alles danken.
Zusammenfassung: — Danach Frage: Haben wir nun auch
erzählt, wie Robinson und Freitag glücklich werden?
Vertiefung.***)
Abstraktionsziel: Wir wollen versuchen, Robinson und Freitag
ins Herz zu schauen.
Da denken wir an die Geschichte, als sie in der Nacht das Schiff
bemerkten.
A. Robinsons Verhalten gegenüber der Not der Menschen.
Robinson tun die Leute leid. — Er will helfen. 1 Teilnahme.!
Erruft. \^ ,^ , ,« Hilfsbereit- Nächsten-
t:, .. , - « } Er versucht zu helfen. } , - ? i. u
Er zündet Feuer an. j | schaft. | liebe.
Er bittet Gott um Errettung der Menschen, j Fürbitte, j
*) Vergl. unser Lesebuch für das zweite Schuljahr.
**) Derselbe spielt nicht eine so grosse Rolle wie früher, wo er
Robinsons einziger Geführte war.
♦*♦) Von hier an auch nur Andeutungen.
Robinson 43
B. Eobinsons Verhalten gegenüber dem Tode der Menschen.
Er weint über die Verunglückten. — Mitleid.
Er murrt nicht gegen Gott. 1 ^ .. u i. »i.
Wie tröstet er sich? ) »ottergebenheit.
C. Freitags Verhalten.
Er hilft mit. Er klagt mit. An Gott denkt er nicht, weil er ihn
noch nicht gut kennt. Er freut sich mit Robinson. — Mitleid, Mit-
freude.
m. Stufe: Das Sterntalermädchen lernt Leute in Not kennen. Es
ist mitleidig und hilfbereit. Es hilft wirklich. Es vertraut auf Gott.
Es klagt nicht, weil ihm die Eltern gestorben sind.
Das fleissige Mädchen klagt nicht über seine Not. Verlässt sich
auf Gott. Frau Holle nimmt sich des Kindes in der Not an.
lY. Stufe: Menschen in Not muss man bedauern, ihnen helfen, für
sie beten. — Was Gott tut, das ist wohlgetan.
V. Stufe: Was tust du, wenn du Kinder in Not siehst, wenn die
Eltern krank sind, wenn die Eltern sterben? Wie denkst du über das
Verhalten der Bohne? Lesebuch f. d. 2. Schulj. Gedicht No. 20,
Str. 3—4.
III. Teil
Ziel: Das Leben wird nun angenehmer.
Es kommt darauf an, Bekanntes von einst und jetzt vergleichsweise
gegenüberzustellen und dabei auf den Segen der erhaltenen Güter hin-
zuweisen. Dieser Segen gehört vom Zeitpunkte des Schififsfundes an mit
zum Hauptthema der Geschichte. Hier muss daher vor allem der Dinge
gedacht werden, die im Leben auf der Insel eine vollständige Umwälzung
hervorrufen.
IL Kunstunterricht
1. Zeichnen und Modellieren
Im Kunstunterricht ist der stafenweise Fortschritt ebenso notwendig
wie auf allen anderen ünterrichtsgebieten. Er zeigt sich nicht bloss
in den neaen Stoffen, welche der Gesinnungsnnterricht eines Schaljahres
an die Hand gibt, sondern anch in der znnehmenden Fertigkeit, die Dinge
der Umgebung nach Form nnd Farbe aufzufassen und so gut als möglich
wiederzugeben. Wir treten damit dem Irrtum entgegen, es käme in den-
jenigen Klassen, welchen das malende Zeichnen zugewiesen ist, nur da-
rauf an, dass überhaupt etwas zum Gesinnungsunterricht Gehörendes ge-
malt werde. Das malende Zeichnen soll die Kinder in der rechten Weise
auf das exakte vorbereiten. — Um die zeichnerische Fertigkeit möglichst
rasch zu entwickeln, hat man neuerdings den Beginn des exakten Zeichnens
bereits in das zweite, ja sogar in das erste Schuljahr verlegt. Diesen
Versuchen gegenüber betonen wir : das Zeichnen im 2. Schuljahr ist noch
durchaus „malendes Zeichnen^. (S. das 1. Schuljahr, 7. Aufl., Seite 268 ff.
und die dort angegebene Literatur.) Es schliesst sich an die von Robinson
und Heimat reichlich gebotenen Gegenstä,nde an, denen das Kind durch
nähere Beschäftigung besonderes Interesse entgegen bringt. Manche von
ihnen können auch in Ton und Sand modelliert werden, wie überhaupt
die Hand- und Gartenarbeit der Kinder durch die Hobinson-Erzählung
vortreffliche Anregungen erhalten. Dadurch fände auch eine wertvolle
Weiterführung der im „ Kindergarten ** begonnenen Arbeiten statt, die
nur zu häufig von der Schule gänzlich ignoriert werden, weii man die
rechte Wertschätzung des Zeichnens und der Handarbeit noch nicht ge-
funden hat. (S. Rein, Encyklopäd. Handbuch der Pädagogik: Er-
ziehung zur Arbeit. Langensalza, Beyer & Mann.)
Wie im ersten Schuljahre, so werden auch hier die Gegenstände
mit Bleistift schematisch oder im Schattenriss dargestellt Neu ist die
ergiebige Anwendung der Farbe. Gewöhnlich wird die Zeichnung mit
Bleistift im Umriss entworfen und dann mit Buntstift ausgemalt, während
CS bei gewissen Bildern sich empfiehlt, alles sofort mit Buntstift auszu-
führen. Man lässt auf lose Blätter zeichnen, und zwar auf Zeichen-
papier. Zu Versuchen kann jedes ungeleimte Papier benutzt werden.
Die Schüler sollen nicht Gummi gebrauchen.
Zeichnen and Modellieren 4&
1« Robinsons erste Wasserfahrt
(Robinson im Boot rudernd]
Wir werden in den folgenden Einheiten nicht besonders darauf hin»
weisen, dass der zu zeichnende Gegenstand möglichst im vorausgehenden
naturkundlichen Unterri<3ht angeschaut oder dargestellt und seine zweck-
entsprechend« Einrichtung und sein Gebrauch dabei eingesehen werde.
So nur waltet ein innerer Zusammenhang zwischen Zeichnen und Natur-
kunde. Werden die Kinder bei der Betrachtung des Gegenstandes auf
die zeichnerische Aufgabe hingewiesen, so fühlen sie sich zum genauen
Sehen veranlasst.
Anschauung: Boot 1. auf dem Lande, 2. auf dem Wasser, 3. be-
lastetes Boot auf dem Wasser — Ruder — Spielzeug: ein aus Baum-
rinde geschnitztes Boot.
Vorübungen 1. Ruder. Gerade Ldnien der Ruderstange!
2. Kahn auf dem Wasser, mit wenigen flotten Strichen ausgeführt.
3. Robinson im Kahn sitzend. Auch hier muss der Entwurf in
wenige Minuten fertig sein, denn es handelt sich nur um Feststellung
des Grössenverhältnisses zwischen der Länge des Bootes und der Höhe
des im Fahrzeuge Sitzenden.
Zeichnen des Bildes. Man lässt an der linken Seite des Zeichen-
bogens angeben, in welcher Höhe die Wagerechte für den Wasserspiegel
zu ziehen ist. Im übrigen wird aber nichts vorgeschrieben; jedes Kind
führt die ganze Zeichnung nach eigenem Geschmack aus. Zum Schlüsse
lassen wir die Farben für das Ausmalen angeben. Letzteres wird zu
Hause vollendet. Wir dürfen so annehmen, dass die Kinder bei diesem
angenehmsten Teile der Arbeit sich nicht helfen lassen. Namensunter-
schrift. Die ganz verschieden ausgeführten Bilder werden nebeneinander
gelegt und von den Schülern besichtigt. Dies darf nicht versäumt
werden.
Wer nach weiterer Betätigung verlangt, male: Wie Robinson beim
Rudern ins Wasser Mit.
In einer Mädchenschule wurde zu Anfang dieses Schuljahres folgendes
Bild gemalt: Robinson, am Steuer sitzend, lenkt ein Segelboot. Zur
Anschauung diente das Modell eines Segelbootes. Das vom Wind geblähte
Segel wurde an der Wandtafel vorgezeichuet. Alle Bilder fielen genügend
aus, während einige durch geschickte Darstellung aller Grössen Verhältnisse
überraschten.
2. Die Flagge, das Abzeichen des Schiffes
In dieser Einheit wird auf sorgfältige Ausführung der geraden
Linien gesehen. Wer sich keine Mühe gibt, darf nicht ausmalen, sondern
wiederholt die Linearzeichnung.
1. Die Flagge der deutschen Handelsschiffe.
Das Seitenverhältnis des Rechtecks erkennen die Kinder ans der
Wandtafelzeichnung: Höhe 2, Breite 3 Teile. Sie treffen das Ver-
hältnis (natürlich freihändig!) besser, wenn wir ihnen dasselbe gar nicht
weiter erklären. Die drei gleichbreiten Querstreifen werden so hergestellt:
Zeichenbogen gedreht, dass die kürzere senkrechte Seite zur Wagerechten
46 ^^8 zweite Schuljahr
wird. In jeder Hand einen Bleistift, die Spitzen hin und her gerückt
bis 3 gleiche Teile entstehen. Dieselbe Teilung auf der unteren kürzeren
Seite. Verbindungslinien als Senkrechte gezogen. Farben: unterster
Streifen rot, oberster schwarz.
Häusliche Beschäftigung: verschiedenfarbige Flaggen ans
buntem Papier anfertigen. Die Ausstellung in der Klasse regt den
Farbensinn an.
Übung: Wiederholung der ersten Linearzeichnung , deren Aus-
malung dem häuslichen Fleisse überlassen bleibt. Hauptsache: schöne
Farbendreiklänge.
Wer aber nur von Schiffen geführte Flaggen malen lassen will, dem
seien empfohlen: 1. Teilungslinien wie bei der deutschen Handelsflagge,
die Farben sind bei der gehissten Flagge von unten nach oben gesehen:
niederländische Handelsflagge: blau-weiss-rot ; russische: rot-blau-weiss ;
spanische Eriegsflagge: rot-gelb rot. 2. Das Rechteck durch zwei Senk-
rechte in 3 gleichbreite Felder geteilt, Farben von links nach rechts:
französische Handels- und Eriegsflagge : blau-weissrot ; belgische : schwarz-
gelb-rot.
2. Signalflaggen.
Das Rechteck ist nur wenig breiter als hoch. Unter jede Flagge
wird der lateinische Druckbuchstabe gemalt. Nach dem technischen
Fortschritt geordnet:
1. Das ganze Rechteck gelb (Q)
2. Durch senkrechte Mittellinie halbiert (Farben von links nach
rechts gesehen): weiss-rot (H); gelb-blau (K)
3. Rechteck durch senk- und wagerechte Mittellinie in 4 Felder
geschieden, oberes linkes und unteres rechtes blau, die beiden anderen
gelb (L)
4. Schachbrettmuster (weiss und blau), das oberste linke der 16
Felder ist blau: N
5. 3 gleichbreite senkrechte Streifen: rot-weiss-blau (T)
6. kleines blaues Rechteck in der Mitte der weissen Flagge (S);
weisses Rechteck in der blauen Flagge (P)
7. in der Mitte der blauen Flagge ein weisses Rechteck und in
diesem ein rotes (W)
8. rote Flagge mit gelbem Ereuz, das die Mitten der Seiten ver-
bindet (R)
9. weisse Flagge mit rotem Ereuz, das die Ecken des Rechtecks
verbindet (Y); blaue Flagge mit eben solchem weissem Ereuz (H)
10. rotes Rechteck mit schwalbenschwanzförmigem Ausschnitt (B)
Wimpel: gleichschenkliges Dreieck, bedeutend länger als die Drei-
ecke. Beim Zeichnen wird zuerst die senkrecht stehende Grundlinie und
die wagerechte Höhenlinie des Dreiecks gezogen. G: Wimpel durch
Senkrechte geteilt, linker Teil gelb, die lange Spitze blau; G: weisser
Wimpel mit roter Scheibe; D: blauer "Wimpel mit weisser Scheibe; F:
roter Wimpel mit weisser Scheibe.
Die Enaben geben sich diesen Arbeiten mit Eifer hin, sobald sie
den Zweck der Flaggen kennen.
Zeichnen und Modellieren 47
In Mädchenschalen begnngt man sich mit dem Zeichnen der
deatschen Handelsflagge nnd lässt dann einige Flaggen mit schönen Farben-
dreiklängen ausfahren.
Dann wird ein einfarbiger Wimpel gezeichnet. Dieses Dreieck wird
zu. einer Zierkante verwendet, in der aufrecht stehende und auf die
Spitze gestellte Dreiecke abwechseln. Ausfübrung: zwei lange Wagerechte;
der entstandene Streifen durch Senkrechte in gleiche Abteilungen ge-
schieden ; jede Senkrechte ist die Höhenlinie eines gleichschenkligen Drei-
ecks. Die Dreiecke werden verschieden gefärbt; oberer und unterer Ein-
fassungsstreifen erhalten gleiche Farbe.
Auch der Anker lässt sich zu einer Zierkante verwenden. Man
wähle die Form des Ankers, die in einigen Marineflaggen geführt wird.
Die farbige Ausstattung kann sehr mannigfaltig sein.
3. Untergang des Rettungsbootes
Freie farbige Illustration: hohe Wogen — ein Teil des sinkenden
Bootes sichtbar — Eobinsons Kopf über Wasser.
4. Felsige Küste der Insel
1. Die nachstehend beschriebenen Vorübungen sind für den tech-
nischen Fortschritt unentbehrlich. Ein grosser farbiger Bruchstein mit
scharfen Kanten wird als Gegenstand des Nachzeichnens auf den Tisch
gelegt. Von der dahinter stehenden schwarzen Wandtafel hebt er sich
deutlich ab. Der Lehrer fährt mit einem Stabe am Umriss herum, lässt
die Eckpunkte nach Höhe und Entfernung vergleichen und ihre Lage
feststellen und dann die Umrisslinie zeichnen. Der Schüler muss auf seinem
Platze still sitzen, den Kopf ruhig halten und darf nicht mehr von den
Seiten zeichnen wollen, als er auf einen Blick vom ganzen Steine
sehen kann.
Der Stein war so gelegt, dass jeder Schüler eine Licht- und eine
Schattenfläche sehen kann. Nun wird die Grenzlinie zwischen Licht- und
Schattenfläche im Bilde eingetragen, die Schattenfläche mit Bleistift schraf-
fiert und darauf der ganze Stein mit einer Farbe überzogen. Es kann
aber auch der ganze Stein zuerst mit der Farbe der Lichtseite und dann
auf der Schattenseite noch mit einer oder zwei andern Farben übermalt
werden. Durch Mischung der Farben, z. B. Violett und Grün zart über-
einander gestrichen, werden wirksame Töne geschaffen.
Häusliche Beschäftigung: Der Schüler suche sich einen scharf-
kantigen faustgrossen Bruchstein und zeichne (male) ihn zu Hause in
natürlicher Grösse. Die Bemerkungen des Lehrers über Mängel der Schul-
zeichnung wird mancher daheim beachten.
Das Zeichnen unregelmässiger Formen, wie des Bruchsteins, fördert
das Auffassen und Darstellen des Körperlichen; ausserdem ist die Dar-
stellung von Steinen bei vielen Illustrationen wünschenswert.
2. Farbige Illustration nach Wandtafelzeichnung. Im Vorder-
grunde kleinere Steinblöcke, dahinter FeLsen. Ausmalen: Wellen der
Brandung hellblau mit gi unlieben und bräunlichen Schatten — die Stein-
blöcke mit heller Lichtseite und kräftigem Schatten, die weiter zurück-
48 ^AB zweiU Schuljahr
stehenden Felsen in verschiedenem Grau (zartes Übermalen mehrerer
Farben).
Wenn die Kinder die aasgestellten eigenen Bilder betrachtet haben,
zeige man ihnen ein künstlerisch ausgeführtes farbiges Bild ähnlichen
Inhalts. Ihr Interesse wird sehr rege sein.
5« Maiskolben
Er wird nur gezeichnet, wenn er in der Naturkunde betrachtet
wurde. Wir lassen ihn ohne die am Grunde sitzenden Blattscheiden dar-
stellen, möglichst gross: zuerst die länglich runde Umrisslinie; von den
in der Richtung der Spindel laufenden Riefen zuerst die mittlere und dann
beiderseits so viel (vielleicht zwei), als der Kolben dem Beschauer zeigt.
Dann werden mit kurzen Querstrichen die Körner in jeder Zeile einge-
zeichnet: im unteren Teile die grösseren, am Gipfel die kleinsten. Natür-
liche Färbung.
6. Der Baum, auf dem Robinson sehlief
Anschauung: Baum des Schulgartens oder der nächsten Umge-
bung. Man lasse nicht etwa ein Bild wie das in Gräbners Robinson-
ausgabe als Vorlage benutzen. Die kindliche Phantasie muss aus selbst
erworbenen Anschauungen ein Bild schaffen. — Wie werden wir den
Baum zeichnen? Unten ist der Stamm stark. Von der Stelle an, wo
die untersten Äste abgehen, ist er etwas schwächer. Wie teilt sich der
Stamm am Wipfel? Die einzelnen Abteilungen des Stammes, von unten
nach dem Wipfel zu betrachtet, werden ihrer Stärke nach aufgefasst.
Ein unterer Ast wird genau besehen: Wie stark ist er da, wo er vom
Stamme ausgeht? „Hier streckt der Ast Zweige aus, da ist er schon
etwas schwächer. Hier gehen wieder Zweige ab, da ist er noch
schwächer usw."
Zeichnung: Stamm, Äste und ein paar Zweige (ohne Laub) werden
mit Bleistift zart entworfen. Ausmalen: Das Laub verdeckt an vielen
Stellen Äste und Stamm, darum wird das Laub zuerst gemalt. Mit Grün-
stift werden nicht einzelne Blätter, sondern grössere Massen des Laubes
(das Bild stellt den Baum in weiter Feme stehend dar) in unregelmässigen
Flächen aufgetragen. Die sichtbar bleibenden Teile der Äste und des
Stammes werden leicht mit Braunstift überstrichen. Gras am Fnsse des
Stammes. Über die Ausführung gebe man nicht zu viel Vorschriften.
Einige Kinder sind ängstlich und streichen zu langsam, viele aber malen
zu flott und müssen zu ruhiger Ausführung angebalten werden.
Wer den Robinson auf einem Ast ruhend darstellen will, mag zu
Hause noch einmal den Baum zeichnen, dann Robinson; das Ausmalen
beginnt wieder mit dem grünen Laube.
7. Robinsons Höhle
Eine Wagerechte, die den Fnss der Felsenwand bezeichnet. Auf der
Mitte dieser Linie die nicht zu grosse, zackige Öffnung der Höhle. Seit-
wärts der grosse Stein, den Robinson abends vor den Eingang wälzt.
Zeichnen and Modellieren 49
Ausmalen: Auf dem Boden der Höhle liegt ein Haufen Gras. Der
übrige Teil der Höhle schwarz ausgemalt. Dann wird der links liegende
Stein (s. 4. £inheit) gemalt — dann rechts neben dem Höhleneingang
«in ansehnlicher Strauch — die Felsenwand lilagrau — der Boden des
Vordergrundes gelb und darauf hier und da etwas Lila oder Hellbraun.
8. Robinsons Hut
Für den technischen Fortschritt wertvolle Übungen: der Reifen.
Anschauung. In der Naturkunde war vielleicht ein Reifen aus
Buten geflochten worden, als Gegenstand fürs Zeichnen wird aber den
Kindern ein glatter, ungefähr 50 cm Durchmesser haltender, hellfarbiger
Seifen gezeigt. Er wird an einer Stelle mit einem biegsamen Steingel
«mwickelt. Diese Umwicklung bietet einen Anhalt beim Betrachten der
{perspektivischen Ansichten des Kreises. Der Reifen wird vor die schwarze
Wandtafel gehalten, von der er sich deutlich abhebt. Die Kinder sehen
-den vollen Kreis, dann den verkürzten, das Langrund (Ellipse), der in
*€iner Ansicht sogar als gerader Streifen erscheint.
Zeichnen:
1. Auf Packpapier einen ungefähr 10 cm grossen Kreis freihändig
^kusfähren. Die Hand wird nicht aufgelegt, sie führt den weichen SUft
ziemlich geschwind mehrmals auf der gesuchten Kreisbahn herum. Einer
«ngeschickten Hand bringen wir die Empfindungen der Kreisbewegung
dadurch bei, dass wir eme starke, auf den Papierbogen gezweckte Papp-
:<eheibe vielmals umfahren lassen.
2. Dann werden kleinere Kreise von ungefähr 5 cm Durchmesser
Versucht und endlich auf einem Zeichenbogen gut ausgeführt. Hierbei
•-«oll der weiche Stift die Kreisbahn nur einmal, aber auch geschwind
.zurücklegen. Nachgebessert mrd nicht.
3. Ebenso wird der verkürzte Kreis, das Langrund geübt.
Farbige Illustration: 1. Robinsons tütenförmiger Hut; 2. ein
■aus einer roten und grünen Rute geflochtener Reifen.
Anwendungen des Langrunds und der gebogenen Linien: Malen von
Strohhüten mit verschieden gefärbten Bändern.
9. RobinsoB pflfiekt Nüsse
1. Kokosnuss. Anschauung: Nuss, von der Hülle umgeben. Hell-
grau gemalt, dunkelgrau oder bräunlich schattiert.
2. Kokospalme. Anschauung: Zimmerpalme mit fiederartig zer-
teilten Blättern. Zeichnen:
1. mit Grünstift: aufbrecht gehaltenes gefiedertes Palm blatt, ziem-
lich gross. Daneben Robinsons Figur im Schattenriss, die nur ein
Drittel der Blatthöhe einnimmt. Die Kinder zeichnen die Figur erst
schematisch: Senkrechte fürs Rückgrat, 2 Striche für die Beine, Quer-
strich für die Schultern, Armstriche, auf den kurzen Halsstrich eine Ei-
form. Der Kopf wird nun schwarz ausgemalt, dann werden die Striche
des Rumpfes und der Gliedmassen verbreitert.
2. Zimmerpalme mit einigen natürlich gebogenen Zweigen (Fieder**
»hlättem), sofort mit Grünstift aasgführt.
Dm zweito Schuljahr. 4
50 ^^^ zweite Schuljahr
3. Palmbanm mit Kokosnüssen, ohne Bleistiftvorzeichnnng^
farbig ausgeführt. Schwacher hellbranner Stamm, den die Kinder ohne
Geheiss etwas gebogen darstellen. Krone mit grossen Palmzweigen
(reichlich ein Drittel der Stammlänge): grün. Am Fnsse der Palme
steht Bobinson und greift mit einer Hand an den Stamm. Wenn der
Stamm 15 cm hoch wäre, dürfte die Fignr nnr 15 mm sein. Den
Kindern sagen wir dieses Verhältnis nicht, sondern lassen sie mit der
Bleistiftspitze den Scheitelpunkt der Fignr angeben und rücken den
Stift nötigenfalls weiter herunter. Robinson wird im Schattenriss wie
vorhin beschrieben dargestellt. — Aus der Krone hängen 'ein paar kurze
Äste mit rötlichen Nässen herab. Dass diese so gross wie Köpfe sind^
mögen die Kinder beim Malen bedenken.
4. Robinson wirft eine Nuss herab. Palmbaum ^e vorhin
gemalt. Robinson umklammert unter der Krone den Stamm, reckt eine
Hand aus, mit der er die herabfalleilde Nuss geworfen hat. unten
liegen einige Nüsse. Anschauung für die Figur: Knabe an der Kletter-
stange.*)
10. Robinson fertigt^inen Sehirm
Die Vorübungen waren in der Hauptsache von der 8. Einheit ge-
leistet Auf einem Zeichenbogen werden drei Bilder entworfen, die den
Fortschritt von Robinsons Arbeit darstellen (S. Lehmensick, Märchen-
nnd Robinson-Lesebuch: „Folgen der Reise^ 3. Abschnitt)«
1. Bild: Der Stock, an dessen Spitze die Stiele der langen herab-
hängenden Blätter festgebunden sind. Ausführung: Senkrechte mit Blei-
stift gezogen — mit Grünstift die herabhängenden Blätter — hellrote
Umwickelung an der Spitze — sichtbarer Teil des Stockes braun.
2. Bild. Der grosse Reifen um den Stock gehalten (Anschauung
wie in Nr. 8). Mit Bleistift: Senkrechte, wagerechtes Langrund (den
vorderen Teil des Reifens sehen (!) die Kinder tiefer liegen als den
hinteren Teil). Mit Buntstift: alles wie beim vorigen Bilde. Soweit
der Reifen nicht von herabhängenden Blättern verdeckt ist, wird er rot
überzogen.
8. Bild: Die Blätter sind am Reifen befestigt. Ausführung mit
Bleistift wie vorhin. Da die Blätter auf dem Reifen befestigt werden^
ist dieser nicht sichtbar, wohl aber folgt der Rand des Schirmdachea
dem Langrund. Farbe wie im vorigen Bilde.
11. Pfeil und Bogen
Anschauungsmittel in der bei Knaben beliebten Ausführung.
1. Bogen: Halbkreis (gelb) mit straffer Sehne (braun).
2. Pfeil: Stab mit Steinspitze und angebundenen Federn.
*) Lehrer, die sich mit solchem malenden Zeichnen noch nicht befasst-
haben, zweifeln vielleicht an der Ausführbarkeit des Vorgeschlagenen.
Die Kinder zweifeln nicht an ihrem Können und malen mit Freuden.
Und die fertigen Bilder sind wirklich wert, aufmerksam betrachtet zu
werden. Man lasse Kinder eines späteren Schuljahres, die so etwas noch
nicht versucht hatten, es malen und man wird finden, dass diese es kaum.
l)esser bringen.
Zeichnen und Modellieren 51
3. Bogen mit aufgelegtem Pfeil. Sehne geradlinig.
4. Der anf den Bogen gelegte Pfeil ist zurückgezogen. Ver-
llnderte Form des Halbkreises (Anschauung!) — Pfeil möglichst von
gleicher Lilnge wie im vorigen Bilde. — Sehne in Winkelform.
12. Robinson sitzt an seinem Steintiseh
Die farbige Illustration mögen die Kinder zu Hause fertigen nach
der Darstellung des Lesebuches: „Robinson als Jäger ^ (6. Abschnitt).
13. Robinsons Ziege
Wenn die Kinder auch bereits im ersten Schuljahre die Ziege be-
traehtet und zu zeichnen versucht haben, so müssen sie doch hier von
neuem die lebende Ziege anschauen. Bilder (vielleicht im Schattenriss) :
1. Kopf der Ziege von vorn gesehen.
2. Derselbe von der Seite gesehen.
3. Ganze Ziege in Seitenansicht. Auf Probeblatt versucht jedes
Kind die Ziege aus dem Gedächtnis zu malen ohne irgend welche An-
weisung des Lehrers. Wem der Versuch gelungen ist, der male das
Bild auf den Zeichenbogen. Den Ungeschickten wird die Entstehung
des Bildes an der Wandtafel gezeigt. Lage und Grösse aller Körper-
teile werden nach dem Kopfe bestimmt, der darum zuerst zu zeichnen ist.
14* Pflanze, mit der Robinson seinen Hof einzäunte
Entweder wird die einheimische Distel mit den purpurroten
Blütenköpfen nach vorangegangener Anschauung ohne weiteres mit Bunt-
stift gemalt oder die Fackeldistel. Letztere kann nur nach dem
Gegenstande gemalt werden. Die stachelige Opuntia vulgaris wird häufig
im Zimmer gezogen.
15. Robinson fertigt sich Kleider
1. Jacke. Zeichnen nach dem Gegenstand. Die Mädchen können
zu Hanse den Schnitt für eine Puppenjacke herstellen, wenn sie nicht
schon derartige Schnitte besitzen und da lieber nach diesen eine Puppen-
jacke zuschneiden und nähen.
a) Rückseite der ausgebreitet hingelegten Jacke, farbig ausgemalt;
b) Vorderseite einer ausgebreiteten zugeknöpften Jacke, vielleicht
blau mit „goldenen" Knöpfen.
2. Freie Illustration: Robinson in seiner zottigen Pelz-
kleidung.
Eine hübsche Übungsform für Mädchen : kleine kugelige Knöpfe (mit
gelber Öse) in verschiedenen Farben.
16« Landschaft vor dem Herb8treg:en
Nach der Schilderung des Lesebuches: „Robinson sorgt für den
Winter** (6. Abschnitt). Wiese und alle Gewächse nur mit Gelb, Rot
und braun gemalt; Bäume und Sträucher baben wenig Laub.
4*
52 1^218 zweite Schaljahr
17. Landschaft naeh d«m Herbstrefen
Lesehach: „Rohinson wird krank" (5. Abschnitt). Dieselbe Grup-
pierung wie im vorigen Bilde, aber im Fruhlingsschmuck. Auf der
Wiese werden zuerst die gelben, roten und blauen Blumen gemalt, dann
der Basen.
18. Die Gerste
Anschauung: Gerstenhalm mit Ähre:
1. Bleistiftzeichnung: aufrecht stehende Gerstenähre. Senkrechte
für die Spindel, Körner angesetzt, Grannen von den Körnern aus nach
oben gestrichen. j^J
2. Dieselbe mit Grün- oder Gelbstift, wie es der Gregenstand fordert.
3. Gersten halm mit Ähre. Biegung des Halmes durch die schwere
Ähre bewirkt. IB^^
Freie Illostration] : Vögel besuchen Bobinsons Gerstenfeld«
19. Robinson ein Korbmacher
1. Weide. Anschauung: Korbweide am Bache. Zeichnen:
a) Weidenzweig mit Blättern. Vorübung: einzelne Blätter mit
Bleistift in freiem Zuge ohne Hilfslinie dargestellt. Der beblätterte
Weidenzweig wird sofort farbig ausgeführt.
b) Weide nach dem Gedächtnis.
2. Aus Weidenruten geflochtener Korb. Bleistiftzeichnung nach
dem Gegenstande, leicht mit Braunstift überzogen.
3 Weidenkorb mit Grünfutter.
20. Der brennende Baum
Farbige Illustration. Über das Zeichnen des Baumes Tgl. die 6.
Einheit.
21. Robinson als Töpfer
1. Versuche, kleine Schüsseln und Töpfchen aus Ton zu fonnen.
Das geformte Gefäss wird gezeichnet. — Verwertung des Langmnds,
vgl. 8. und 10. Einheit.
2. Grosser einhenkeliger Topf mit glattem Bande (also ohne Ge-
fässlippe) als Gegenstand des Nachzeichnens.
3. Zu Hause zeichnen und malen die Kinder ein Töpfchen, das sie
beim Spielen (Puppenküche!) oder zum Trinken oft in die Hand nahmen.
Das Gefäss bringen sie alsdann in die Schule, damit die Zeichnung mit
dem Gegenstande verglichen und geprüft werde.
4. Topf zum Ausgiessen schräg gehalten. Venuch auf Probeblatt.
Die meisten Kinder werden nicht das Langrund in die richtige Lage
zur Gefäss wand gesetzt haben. Damm folgendes zur Anschauung.
1. Der Topf steht auf dem Tische: Langrund wagerecht, Gefässwände
senkrecht. 2. Die Kinder sehen in die kreisrunde Öffhung des liegenden
Topfes. Ein Stab wird als Längsachse in den Topf gehalten. 3. Das
Lageaverhältnis zwischen Mittellinie und Topftrand wird wie in der 10.
Z^chnen und Modellieren 53
Einheit deutlich gemacht: Stab senkrecht, Keifen wagerecht. Dann wird
der Stab, und mit ihm der Reifen,' geneigt. 4. Schematische Darstellnng
an der Wandtafel: a) senkrechtes Kreuz ohne Oberarm (T), Umrisslinien
des Topfes vom Lehrer rasch dazu gezeichnet; b) das Erenz nach links,
c) nach rechts geneigt, mit hinzugefügten ümrisslinlen.
Die Kinder zeichnen ein nach rechts oben ansteigendes Lang-
mnd. Nun soll die senkrechte Mittellinie angegeben werden: Zeichen-
bttgen so gedreht, dass das Langrnnd wagerecht liegt — senkrechte
Mittellinie gezogen nnd nach dieser die übrigen ümrisslinien.
Farbige Illustration: Die drei am Feuer stehenden Töpfe
nach der Beschreibung des Lesebuches (2. Abschnitt).
22. Der Papagei
!• Die Kinder malen den Papagei, wie sie sich ihn nach der Be-
schreibung des Lesebuches („llobinson als Bäcker^, 2. Abschnitt) vor-
stellen.
2. Ein Papagei (im Notfalle ein grosses Bild) angeschaut. Zeichnen :
a) Kopf, von der Seite gesehen: Kreis — dicker hakiger Schnabel
— Auge. Die Zeichnung wird auf dem Blatte wiederholt und die beste
Form ausgemalt.
b) Auf einem Aste sitzender Papagei: Mit Bleistift: Ast von links
nach rechts wenig aufsteigend. Die Fasse sind nicht sichtbar. Lang-
rund für den Körper; Kopf aufgesetzt; langer Schwanz. Ausmalen
nach den Angaben des Lesebuches.
28. Robinson baut sich einen Kahn
Farbige Illustration : Bobinson sitzt in seinem Kahn auf dem Lande
und schaut hinaus auf das Meer.
24. Eine Fnssspnr im Sande
1. Zu Hause betrachten die Kinder die Stapfe ihres eigenen Fusses
ind zeichnen beide Fusssohlen im Umriss, indem sie den Fuss aufs
Papier setzen und mit Bleistift umfahren. Beide Umrisse werden schwarz
ausgemalt.
2. Betrachten der Bilder, d. h. jedes Kind betrachtet die
Bilder seiner eigenen Fusssohlen: a) grösste Länge und grösste Breite
der Sohle, Endpiuikte mit beiden Zeigefingern berührt; b) Breite der
Sohle unterm Ballen und unter der Ferse; c) Breite der Zehen: Wie
breit sind die beiden grossen Zehen zusammen im Vergleich zur Ge-
samtbreite der drei andern? Welche Zehe ist die schmälste? d) Lange
der Zehen.
3. Zeichnen der Fusssohlen in starker Verkleinerung (Schattenriss).
4. Welche Form muss die Schuhsohle haben, wenn der Fuss be-
quem auftreten soll?
*" Weitere Übungsformen:
5. Seitenansicht des Fusses.
6. Ein Schuh.
54 ^fts zweite Schuljahr
25. Die Wilden tanzen um ein Feuer
Die Figuren werden höchstens 3 cm gross und zuerst schematisch
entworfen (s. 9. Einheit) und dann schwarz ausgemalt. Den roten
Feuerschein nicht vergessen !
26. Der Flüchtling liegt vor Robinson auf den Knien
Schattenbild. Der Flüchtling hat Eobinsons rechten Fuss noch
nicht ergriffen. Robinsons rechte Hand hält die auf die Erde gestellte
Keule, in der linken hält er Bogen und Pfeile.
27. Abfahrt der Wilden
In weiter Ferne sieht man auf dem blauen Meere die Wilden in
fünf Booten fahren (Schattenbild).
2S. Freitag will mit der Keule auf den Topf losschlagen
1. Die Kinder versuchen die bildliche Darstellung nach der Er-
zählung des Lesebuches ^Robinson als Lehrer **, 5. Abschnitt.
2. Das misslungene Bild stellt den Kindern die Aufgabe, einen zum
Schlage ausholenden Menschen genau anzuschauen. Ein Schüler hält mit
beiden Händen einen starken Stock: Stellung der Füsse, Richtung des
Oberkörpers und Kopfes, Haltung der Arme, Lage des Stabes. Die
Figur wird mehrmals mit schematischen Strichen geübt, bis endlich die
Zeichnung halbwegs befriedigt."') Alsdann wird sie zum Schattenbild er-
weitert
3. Wiederholung des ersten Versuches: zuerst wird Freitag ge-
zeichnet, dann in passender Entfernung von ihm der am Feuer stehende
Kochtopf.
29. . Freitag sehiesst Fische
Anschauung: ein Kind zielt mit dem auf den Bogen gelegten, zu-
rückgezogenen Pfeile nach einem Punkte des Fussbodens. Die Figur
des Schützen wird versucht und gezeichnet.
Bild: Freitag steht am Bache und zielt nach dem Wasser. Robin?
son steht hinter ihm, mit der Rechten den Schirm, mit der Linken seine
Waffen haltend.
30. Weihnachten in der Fremde
I.Robinson denkt an den Weihnachtsbaum im Eltern-
hause. Die Kinder malen den Weihnachtsbaum, den sie in der Er-
innerung haben.
*) Derartige Zeichnungen entsprechen auf dieser St\^e nur entfernt
der wirklichen Gestalt. Sie werden aber bei andern lUnstrationen, auch
in den folgenden Jahren, wieder geübt, und so lernen die Kinder allmählioh
die menschliche Fi^ur mit dem Auge des Zeichners betrachten und das
Bild einer Gestalt im Gedächtnis festhalten. Das verständige Schauen
nötigt zu besserem Darstellen.
Zeichnen und Modellieren 55
2. Bild: Der Weihnachtsbaum, den Robinson für f^reitag
geschmückt hat. Darstellung nach dem Lesebache „Weihnachten
in der Fremde**, 5. Abschnitt. Nachdem das Orangenbäumchen mit
Früchten and Lichtern in Bleistift entworfen ist, wird so gemalt:
Flammen der Lichter (hellblaa, rote Spitze) — die goldgelben Früchte
— das dunkelgrüne Laub, die weissen Lichter werden ausgespart —
der braune Blumentopf.
31. Das Leachtfeaer auf dem Felsen
nach der Schilderung des Lesebuches „Ein Schiff" , 2. Abschnitt. Auf
dem violettgrauen Felsen ein mächtiges Feuer; alles übrige schwarz.
32. Das Wrack
nach dem 4. Abschnitt dei selben Schilderung gezeichnet.
33. Die Schätze des Sehiffes
Nachdem der ganze Bericht des Lesebuches durchgearbeitet worden
ist, malen die Kinder ein Bild von den am Ufer aufgestapelten Schätzen.
Die Darstellung des einzelnen und die Gruppierung bleibt der Phantasie
des Kindes überlassen. Die Bilder werden sehr verschieden ausfallen
and in mehrfacher Hinsicht den Lehrer interessieren.
84. Robinson und Freitag schalTeu die Sachen naeh der HShJe
Darstellung nach der Erzählung des Lesebuchs „Der Wert der
Güter**, 2. Abschnitt.
Die Kinder werden an ihre Erfahrungen erinnert: Freitag und
Bobinson schreiten aus und zeigen in der Haltung des Oberkörpers und
der Arme die anstrengende Tätigkeit. — An die Lehne einer Bank
wird ein Seil geschleift, das ein Schüler über die linke Schulter nimmt,
während er mit der rechten Hand einen Stab (die Deichsel) hält; so
stellt er Freitag, den Wagen ziehend, vor. Ein anderer Schüler stemmt
gegen das Ende der Bank and veranschaulicht den den Wagen schiebenden
Bobinson. Die Darstellung wird von anderen wiederholt, damit jeder
die Haltung des Ziehenden und Schiebenden sehen und dann annähernd
im Bilde wiedergeben kann.
35. Hilfe bei der Arbeit
1» Bild: Werkzeug der beiden Zimmerleute. Zeichnungen
zum ö. Abschnitt derselben Erzählung, z. B. Säge — Axt — Hammer
— Zange.
2. Bild. Erntearbeit. Bobinson mäht mit einem Säbel die
Gerste. Freitag schafft das Getreide mit dem Wagen fort.
36. Angenehmes Leben im Hause
Z. B. Ausstattung des Mittagstisches durch Schüssel, Teller, Messer
Gabeln, Löffel. Für den Abend: die Lampe mit Tülle und Docht.
Zeichnen nach dem Gegenstande (die ftüher gebrauchte BüböUampe).
56 ^A> zweite Scbuljabr
37. Robinson nnd Freitag tragren den Geretteten znr Höhle
Illustration nach den letzten Abschnitten der Erzählung n^c''
Kampf mit den Wilden''.
38. Die Fahrt in Freitags Yaterland
Illustration zum 3. Abschnitte der Erzählung ^Ein unerwartete»
Ereignis''. Der Spanier und Freitags Vater rudern fort, Robinson und
Freitag stehen am Ufer und winken ihnen den Abschiedsgruss nach.
39. Das Schiir des Kapitäns
1. Nachdem das Modell eines Segelschiffes betrachtet worden ist^
wird dasselbe aus dem Gedächtnis gezeichnet : Rumpf, drei Masten, Segel
usw.; beim Ausmalen werde die rote Flagge nicht vergessen.
Bild: Küste der Insel, in deren Nähe das englische Handelsschiff
ankert. Die Kinder sagen, wie sie sich das Bild der Küste denken.
Der Lehrer gibt die nötigen Abänderungen und Hinweise und zeichnet
das Bild gross und deutlich an die Tafel. Die Kinder zeichnen mit
Bleistift nach und malen dann aus. Dann wird das in der Nähe der
Küste ankernde Segelschiff gemalt. Auch dieses zeichnet der Lehrer in
das Bild der Wandtafel ein, damit das rechte Grössenverhältnis getroffen
werde.
40. Der Abschied
Farbige Illustration zum Schlüsse der gleichnamigen Erzählung.
Am rechten oder linken Rande des Zeichenbogens ist der hinterste
Teil des abfahrenden Schiffes sichtbar; hier stehen Robinson und Freitag
und schauen nach der fernen Insel. Die Zeichnung wird vom Lehrer
an der Wandtafel ausgeführt. Einige Übungen mögen vorausgehen, da-
mit die Kinder sich über dieses letzte Bild der Robinsongeschichte freuen
können.
Es ist kaum nötig zu bemerken, dass der Lehrer bei beschi^nkter
Zeit unter den vorgeschlagenen Stoffen auswähle. Nicht wenige der
Illustrationen können die Kinder zu Hause ausführen.
Singen
57
2. Singen*)
L Die theoretische Grundlage «ehe im L Schuljahr, 7. Auf).
11. Unterrichtsskizzen
1. Frfihlingslied
(Auch zu BobinsoD, Lesebuch Nr. 14.)
Mnnter.
Volksweise.
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AI - le Vö - gel Bind schon da, al - le Vö-gei, al - le!
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Welch ein Sin-gen, Mu - si-ziern, Pfeifen, Zwitschern, Ti-re-lieni!
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Fräh-ling will nun ein-marschiem, kommt mit Sang und Schalle.
Ho£Einann v. Fallersleben.
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Ein jun-ges Lämmchen weiss wie Schnee mi-
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lauf Ga - lopp,
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ü - her Stock und jo
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II. Zeilenweisfs Darbieten und Einüben der Melodie, doch so, dass
immer dem Vorsingen und Nachsingen das Vor- und Nachsprechen der
Tezteszeilen im Bhythmus der Melodie vorausgeht..
*) S. die Arbeit von Löwe im XX VI. Jahrbuch des Vereins f. w.
P&d. Dresden 1894.
**) Anmerkung. Durch die auf I b vorzunehmenden Obungen
sollen die Schüler an aus früheren Liedern bekannte melodische und rhyth*
mische Figuren erinnert werden. Alle diese analytischen Übungen werden
vom Lehrer immer erst vorgesungen und vorgespielt und dann erst von
den Schülern zu Gehör gebracht Sie haben lediglich den Zweck, für die
Erfassung und für die Wiedergabe des neuen Liedes vorzubereiten.
58
Das zweite Schuljahr
III. Vergleichnng der melodischen Figuren der ersten Zeile mit
denen der letzten Zeile, dann der beiden Hälften der zweiten Zeile.
IV. Die erste und die letzte Zeile lauten gleich; die erste und
zweite Hälfte der mittleren Zeile lauten ebenfalls überein.
V. Zusammenstellung der Textesworte aus verschiedenen Strophen,
auf welche die gleichen Töne und Tonfolgen zu singen sind.
Zu Robinsons Abschied. Lesebuch Nr. 1 und 2.
2. Lieb .Heimatland, ade
Massig bewegt.
V
Volkslied.
^1 J J J J l^^ l J J J J Ij:^
i
{
I
k
A - de, du mein lieb Hei-mat-land, lieb Hei-matland, a - de! 1
Es geht jetzt fort zum fremden Strand, lieb Hei-matland, a - de! J
cresc*
^
i- 1 J J' C— 4-^
Und 80 sing ich denn mit fro • hem Mut, wie man
" " ' ' J: J\ j- i'
^^S
^^
sin-get, wenn man wandere tat, lieb Hei-mat-land, a - da!
Ib.
|3ij.J "iijJi I
AI - le Vö-gel jo
la mi
mit auB-ge-lass-ner Freu-de
la
$M ^' r r I r-i
jJ' ji j' j' i j^ a
la
jo
mi
II. Darbietung durch Vorsingen und Vorspielen in zwei Abschnitten.
Die Einübung beginnt mit dem Nachsprechen des vorgesungenen Tezt-
abschnittes in dem Rhythmus des Liedes; besonderer Nachdruck ist auf
jene Silben zu legen, die mit Ys ^oten versehen sind.
m. Der Lehrer singt mit starker Akzentuierung des guten Takt-
teiles die erste Zeile. Die Schüler haben während des Singens darauf zu
singen
59
achten, ob man leichter 1, 2, oder 1, 2, 3 zum Singen zählen kann.
Nachdem sie ihrer Beobachtung Ausdruck gegeben haben, wird die Zeile
▼om Lehrer noch einmal gesungen, die Kinder zählen* laut und schlagen
immer auf 1 leicbt mit der Hand auf die Bank. So wird jede Zeile
behandelt. Der Auftakt bleibt ausser Betracht.
^ lY. Zu dem Lied: „Lieb Heimatland, ade!" kann man immer eins,
zwei zählen. Die Töne auf 1 sind stärker wie die Töne auf 2.
V. Wie ist es bei anderen Liedern? — bei „Aus dem Himmel ferne **
— „Fuchs, du hast die Gans gestohlen'
Ein junges Lämmchen weiss
wie Schnee** usw. Eine Abteilung, oder ein einzelner Schüler singt,
andere zählen. Auf eins wird die Hand abwärts, auf zwei aufwärts
bewegt Wie ist es bei „Winter ade?'^
Zu Robinson, Lesebuch Nr. 3, 5 und auch 14.
3* Noch lässt der Herr mich leben
m
s
I J '"; j I
^
-^
Noch läset der Herr mich le-ben; mit firöh-li-chem 6e - müt eil
^^
t
p
T
S
i
s=5
^
icli, ihn zu er - he - ben; er hört mein trü - hes Lied.*
Die Melodie ist den Schülern schon vom 1. Schuljahr her bekannt;
es ist die Melodie, die zu dem Liede „Ach bleib mit Deiner Gnade^
gesungen wurde. Es kann also von ihr ohne besondere Vorübungen
Gebrauch gemacht werden. Später, wenn die Melodie von Teschner zu
„Valet will ich Dir geben ^ eingeübt ist, kann der vorstehende Lieder-
text auch dieser Melodie untergelegt werden.
4. Abendgebet
(Auch zu Robinson, Lesebuch Nr. 4 und 5.)
Volksweise.
Mü-de bin ich, geh lur Buh, ■ohliesne meine Äug-lein zu;
Va*ter, las« die An -gen dein
fi-ber meinem Bet-te sein!
Luise HenseL
60
Das zweite Schuljahr
Ib.
^> g' <;
T— r
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5z:
iE^
^> g <;
T— r
uip 5
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sollt mir wahr - haf - tig nicht hin - (1er - lieh sein.
la '.
la
mi.
4^jjiJ JAiN^^ii^^^J'J'^'jir'r
an der ganzen grossen Zahl la
la jo.
II. Darbietnng des ganzen Liedes durch Vorsingen desselben.
Rhythmisiertes Vor- und Nachsprechen des Textes nnd zwar der ganzen
Strophe. Zeilenweises Einüben der Melodie.
III. Anf welche Silben sind zwei Töne zu singen? Welche
Stellung haben Mund und Znnge beim Singen der Silben ^Rnh'^ nnd
^zn"? Bei welchem Selbstlanter hat der Mund eine ähnliehe Form?
Wie ist die Mnndstellnng beim Singen der Silben „geh'**, „recht**, „sende**
usw.? Bei welchem anderen Selbstlanter ist die Stellung des Mundes
eine ganz ähnliche? Wie ist sie bei a, o, ai, ei? Beim Sprechen
welcher Mitlauter werden die Lippen ganz geschlossen? Bei iii(iide)
und B(ette).
IV. Die Lippen werden nur geschlossen bei den Mitlantem m, h, p.
Bei allen Selbst- und Doppellautern bleibt der Mund geöffnet.
V. Zusammenhängende Wiedergabe der bis jetzt gewonnenen Ge-
setze über die Tonbildnng und über die Aussprache.
Zu Robinson, Lesebuch Nr. 6, 7, 10 und 14.
5, Wach anf, mein Herz und singe
^
JIJ.U JU J
-»
IZ
3
■i»
2Z
1
1. Wach' auf, mein Herz und sin - ge dem Schöpfer al - 1er Din-ge, dem
2. Sprich Ja zu mei - nen Taten, hilf selbst das be - ste ra-ten, den
I
I
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l. Ge - ber al - Icr Gü - ter, dem from-men Men-8chen*hü - ter.
'2. An-fang, Mitt* und Kn - de, ach Herr, zum be - i«t*>n wen - de!
Pänl Gerhardt.
Singen
61
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Klipp klapp
1» la —
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al-le YÖ-ffel ro
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n. Zeilenweises Darbieten, rhythmisiertes Sprechen des Textes nnd
Einftboi.
UL Vergleichnng einzelner Silben in bezog auf die Daaer ihrer Töne.
IV. In dem Lied: „Wach anf, mein Herz^ kommen Töne vor,
die einen Schlag, die zwei Schläge nnd die drei Schl&ge lafg währen.
V. Wie vielerlei Töne (der Dauer nach) kommen in dem Liede
▼or: J^och lässt der Herr mich leben ^?
Zn: Robinson wird krank. Lesebuch Nr. 9.
6. Kommt ein Tegel geflogen
Volksweise.
Kommt ein Vo - gel ge - flo-gen, setst sich nie -der auf meinen
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^* r r. c 1"^
FuBB, hat ein Brief-chen im Schnabel^ brin-get freund -li-chen GruM.
Ib.
fifjALH^lf. ^^gir' iJ^H j^ ^
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r-m j J- r I r r J m
n. Vorsingen, Vorspielen, Einfiben in zwei Abschnitten,
ni. und lY. Die Einordnung des neuen Liedes in die verschiedenen
Liedergruppen erfolgt später.
62
Das zweite Schuljahr
7. Mein erst Gefühl sei Preis nnd Dank*)
(Röhinson wird wieder gesund. Lesehach Nr. 9.)
1540.
Mein erat Gefflhl sei Preis und Dank; er-he-be Gott, o See - lel Der
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r r J 7 M r ~J J i ;j j ^
Herr hört dei-nen Lob -ge* sang; lob -sing ihm, mei*ne See
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le!
(fa • ri fa - ra fa - rum)
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(her auf je -des Kind)
la 10
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II. Vorsingen des ganzen Liedes dnrch den Lehrer. Zeilenweises
Sprechen des Textes mit dem Rhythmus der Melodie. Es ist hierbei
besonders darauf zu achten, dass die Silben „mein^, ,,er", »der'', „lob**
leicht und kurz gesprochen werden, die erste Silbe des Wortes „Seele''
aber die doppelte Zeit der anderen Silben zugeteilt erhält. Das rhyth-
misierte Sprechen des Textes kann auch dem Einüben der einzelnen Zeilen
in der Weise vorausgehen, dass immer bloss die Zeile vorher gesprochen
wird, die zur Einübung kommt. Bei Melodieen, deren einzelne Zeilen,
wie in dem vorstehenden Liede, die gleiche taktische Gliederung
haben, kann das rhythmisierte Sprechen des ganzen Textes dem Ein-
üben vorausgeschickt werden. Zeilenweises Einüben der Melodie.
III. Vergleichen der einzelnen Töne der letzten Zeile in bezug auf
ihre Tonhöhe. Der erste Ton ist der höchste, der letzte der tieftte
Ton. Der 2. Ton ist etwas tiefer als der 1., der 3. etwas tiefer als
der 2., der 4. etwas tiefer als der 3. usf. Der erste und der letzte
Ton lauten sehr ähnlich; wenn sie zusammen erklingen, könnte man
meinen, es wäre ein Ton. — Zur Bestätigung dessen Singen der Ton-
leiter in abwärtsgehender Eichtung, gleichzeitigen Singen des ersten und
*) Dieses Lied ist in den Choralbüchern meist, einer andern Melodie
untergelegt. In ihrer ursprünglichen rhythmisch (^n Gestalt aber, an der
hier aus den im L Schuljahr angeführten Gründen festgehalten werden
soll, ist diese Melodie für das 2. Schuljahr nicht geeignet, weshalb vor-
stehende Melodie gewählt wurde.
Singen
63
letzten Tones durch verschiedene Ahteilnngen nnd durch einzelne Schüler ;
Spielen des ersten und letzten Tones unmittelbar nacheinander, dann
gleichzeitig.
IV. Diese Tonreihe nennt man Tonleiter. Der 1. und der 8.
Ton derselben klingen sehr ähnlich, jeder der Tonleiter-Töne ist um etwas
tiefer, als der ihm vorhergehende Ton.
y. Singen der Tonleiter in abwärtsgehender Eichtung von ^, ^
und _c^ ausgehend. Aufsuchen solcher Stellen früher gelernter Lieder^
die aus Teilen der abwärtsgehenden Tonleiter bestehen, so: „her auf
jedes Kind** ^ — „bei uns Herr Jesu^ — „sonst wird dich der Jäger
holen mit dem Schiessgewehr** — „hinderlich sein'' — „Pferdchen lauf
i^alopp** — 9} hopp, hopp, hopp, hopp, hopp." —
8, Wnosch
Zu Robinson, Lesebuch Nr. 10.
Volkslied»
ihi J J I r' nif r rir-f; f i r r r \ M
1. Wenn ich ein VOglein ^^r und auch zwei Flüglein hätt', flog ich zu dir;
2. Bin ich gleich weit von dir, träum ich doch stets von dir, bin nicht al - lein ;
3. Ein-sam dann wei-ne ich, nen - ne im Seufzen dich, doch du bleibst fem
f^Mr'J'J j i ji ig
j l l ^UJjj' l l
1. weile a-ber nichtkann sein, weile a-ber nicht kann sein, bleib ich all- hier.
2. wach ich vom Schla-fe auf, wach ich vom Schla-fe auf, bin nicht al - lein.
8. Mut*ter, o Mut-ter mein, Mut-ter, o Mut-ter mein, bleib nicht mehr fern.
Ib
und haben wir solches, so hats kei-ne Not la.
\a-
Es klappert die Müh-le am rau-schen-den ßach
II. Darbietung des Liedes in zwei Abschnitten. Rhythmisiertes
Sprechen des Textes und Einüben der Melodie nach Zeilen.
64
Das zweite Schuljahr
III. Während der Lehrer oder einzelne Schüler die erste Zeile vor-
singen, haben die beim Singen nicht beteiligten Schüler darauf za achten,
ob man 1, 2 oder 1, 2, 3 zählen i^aun, in welcher Weise starke und
schwache Töne mit einander abwechseln. In gleicher' Weise verfährt
man mit den folgenden Zeilen. Nach jeder Zeile wird konstatiert, dass
auf einen starken Ton zwei schwache Töne folgen und dass man 1,
2, 3 zählen kann.
IV. In dem Liede „Wenn ich ein Vöglein wär'^ folgen immer auf
einen starken Ton zwei schwache Töne. Man kann 1, 2, 3 zählen.
V. Wie ist die Zeiteinteilung bei den Liedern: „Es klappert die
Mühle^, ,,Wach auf, mein Herz^, „Kommt ein Vogel geflogen^, „Weisst
du wie viel Sternlein stehen **? Bei welchen Liedern kann man nicht
1, 2, 3, sondern 1, 2 zählen?
Zu Lesebuch Nr. 11 und 16.
9. Schfitzenlied
Frisch.
B. Ans. Weber.
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Mit dem Pfeil, dem Bo - gen, durch Ge - birg und Thal
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kommt der Schütz ge - zo - gen, früh am Mor • gen - strahl.
B«i der Wiederholung pp.
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klipp, klapp, klipp, klapp, klipp, klapp er mah-let uns Kom
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II. Vorsingen des Liedes in zwei Abschnitten. Bhythmitisiertes
Sprechen des Textes mit besonderer Beachtung der durdi die Zäsuren
der Melodie gebotenen Verlängerungen der Silben ^Bogea^, „xogen^i
^Tal*" und »Strahl**. Zeilenweises Einüben.
Singen
65
ni. Es wechseln lange und kurze Töne wie bei „Wach auf, mein
Herz** nnd bei „in Polen brummt^. Wie bei diesen Liedern kann ma9
auch bei dem nengelernten Lied 1, 2, 3 zählen, eventaell Vorspielen der
«rsten Zeilen in folgender Weise:
Wechselweises Singen und Zählen.
Bei welchen Liedern haben wir auch 1, 2, 3 gezählt? Hand-
bewegnngen: ab, links, auf — statt des Zählens nnd in Verbindung
mit demselben, während der Lehrer singt oder spielt.
IV« Man kann solche Lieder Dreischlaglieder oder Dreier*
lieder nennen.
V. Welche Lieder gehören zu den Dreischlagliedern, welche nicht?
Von den ersteren werden einige gesungen und zwar so, dass eine
Abteilung singt, während die andere leise zählt und die dritte die
taktischen Handbewegungen macht.
Zu Bobinson, Lesebuch Nr. 12, 14, 20 und 25«
10. Gott, ich danke dir*)
Albert.
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Gott, ich dan - ke dir von Uer*zen, dass du mich in die-ser Nacht 1
Yor Gefahr, Angst, Not und Schmei'zen hast be - hü - tet und be-wacht,j
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daM des bö - sen Fein - des Liit mein nicht mäch • tig wor - den isl
Albert.
I b.
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(dem from*men etc.)
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n. Zeilen weises Vorsingen und Vorspielen; rhythmisiertes Sprechen
nnd Einüben der Melodie ebenfalls Zeile um Zeile.
*) Zweite Strophe des Liedes: „Gott des Himmels und der Erd«^.
Daa xweite SchuUahr. ^
66
Das zweite Schuljahr
III. Die Tondauer der guten Silben ist zu vergleichen mit der
Tondauer der akzentlosen Silben. Bei welchem früher gelernten Liede
findet das Gleiche statt? Durch Vergleichung ist weiter festzustellen,
auf welche der akzentuierten Silben nur ein Ton, auf welche derselben
zwei Töne zu singen sind. Endlich ist auch noch zu bestimmen, ob
man T, % % oder T^ ^ zählen kann. Um dies den Schülern zu er-
leichtern, sind die einzelnen Zeilen so zu spielen:
y j j J I r r n j j j i T"n^
IV. Die guten Silben haben entweder einen langen Ton, oder
zwei kurze Töne; die. schlechten (oder leichten) Silben haben immer einen
kurzen Ton. Man kann bei diesem Liede 1; 2, 3 zählen. Es gehört
zu den Dreischlagliedern.
V. Singen des Liedes durch eine Abteilung, während die andere
die Taktteile durch Handbewegungen : ab, links, auf andeutet.
Bei welchen anderen Liedern konnten wir 1, 2, 3 zählen?
11. Das Bttblein auf dem Eis*)
Gh. H. Hohmann.
ü j' I J'ii' p Mf ^
(! M r ^ H
6e - fro-ren hat es heu - er noch gar kein fe-stes Eis; BQb-
rT-T \ i : ni' j' i J'i j vj g
lein geht auf den Wei - her und spricht so zu sich leis: Ich
ri7.
rTT i j' j' J' J' I j' ji
will es ein-mal wa-gen; das Eis, es muss doch tra-gen! Wer weiss?
Fr. Gull,
I b
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y j' J'f, rlriip p p JiJi i j' J-f, p i r r
Im-mer im Gki-lopp hopp etc. la
Ü J' I J' J' p p l f ^
X
guckt mit etc.
la
*) Ich würde dieses Lied fortgelassen haben, wenn ich die Kritik
Böttchers im 4. Heft der Studien, Jahrgang 1885, S. 46, soweit sie den
Oüllschen Text betrifft, für richtig erachten könnte.
H.
Singen 67
n. Darbietung, rhythmisiertes Sprechen und Einüben in drei Ab-
schnitten.
III. Der Lehrer spielt mit starker Betonung des 1. und 3. Achtels
<lie 1. Zeile vor. Die Schüler geben an, ob auf einen stärkeren Ton
4mmer ein schwächerer Ton folgt, oder ob einem stärkeren Tone immer
«wei akzentlose Töne sich anschliessen. Nachdem dies festgestellt ist,
"wird die Zeile wieder gesungen, wobei die Schüler durch Auf- und Nieder-
schlag die Taktglieder markieren. Die übrigen Zeilen werden unter dem-
«elben Gesichtspunkt vergleichend mit der ersten Zeile zusammen gestellt.
Bei jeder Zeile wird konstatiert, dass man 1 2 zählen kann.
Wie ist der Wechsel zwischen starken und schwachen Tönen in
«nderen Liedern, in: „Ade, du mein lieb Heimatland^, „Alle Vögel sind
«ehon da^, „Mein erst Gefühl sei Preis und Dank^ usw.? Wie zählt,
wie taktiert man in allen diesen Liedern?
lY. Man heisst solche Lieder Zweischlaglieder oder Zweier-
lieder.
y. Woran erkennt man die Zweischlag-, woran die Dreischlaglieder?
Nennen einzelner Lieder; Einordnung derselben in eine dieser Gruppen
durch die Schüler. Znsammenstellung der gelernten Lieder nach diesen
swei Gruppen.
Für den Weihnachtskreis auch zu Bobinson, Lesebuch Nr. 23:
12. „Tom Himmel hoch da komm ich her^
Die Melodie hierzu ist bereits zu dem Liede „Mein erst Gefühl sei
Preis und Dank^ eingeübt worden.
13« ffXUe Jahre wieder^
nach der Melodie zu „Aus dem Himmel ferne*'. (Nr. 1 im ersten Schul«
jähre.)
m. Stufe zu Nr. 12 und Nr. 13.
Der Lehrer singt und spielt folgende Stelle:
kommt das Chri - stni - kind
Zahl der Töne. Der erste ist der tiefste, der letzte der höchste
Ton. Der zweite ist etwas höher, als der erste, der dritte etwas höher,
4tl8 der zweite usf.
6*
68
Das zweite Sohuljalir
Ebenso wird folgende Stelle ans dem Liede: „Vom Himmel hoch
da komm ich her^ behandelt.
^m
^
I
da komm loh her
Bestimmung des Gemeinsamen and des unterscheidenden beider Stellen^
Die zweite Stelle hat höhere Töne als die erste; oder sie ist höher als
die erste. Beide bestehen aas 4 Tönen. Der erste ist bei beiden der
niedrigste Ton usf. w. o.
Nun werden beide Figaren unmittelbar nach einander auf la gesangen
und dann gespielt, doch so, dass die Schüler den Beginn der 2. Figar
deutlich merken. Hierauf wird festgestellt, dass auch der 1. Ton d^r
2. Stelle nur um etwas höher ist als der letzte Ton der 1. Stelle^
Ebenso werden der 1. und der letzte Ton der ganzen Beihe gleichzeitig
angesungen und gespielt.
IV. Der 1. und der 8. Ton lauten sehr SJinlich. Jeder Ton ist
um etwas höher als der vorhergehende; der vorhergehende ist immer
etwas tiefer als der folgende Ton. Diese acht Töne bilden die aufwärts
gehende (oder steigende) Tonleiter.
V. Singen der Tonleiter in auf- und abwärts gehender Richtung^
zunächst in D-dur, dann aber auch in C-dur, Es-dur und E-dur.
In welchen der gelernten Lieder kommen Teile der Tonleiter vor?
Zu Bobinson Lesebuch Nr. 10, 27 und 29.
14. Lang, lang ist's her
Volkslied
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0, wie 80 schön und herz-in-nig einst klang, lang ist es her,
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lang ist es her. Mut-ter, o Mut-ter, dein lieb - li • eher Sang,
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lang, ach gar lang ist es her! Nimmer ver-gess ich die se*li-ge Zeit,
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da . du Yoll Treu-e dein Herz mir ge- weiht; ach, die-ses Glückes ge*
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denk ich noch heut, lang, ach gar lang ist es her.
Singen
69
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n. Zeilenweises Darbieten, rhythmisches Sprechen des Textes
und Einüben. Wie kann man zählen? Wie viel Töne sind gewöhnlich
auf den 1. Schlag — auf den 2. Schlag zu singen?
m. Bei welchem Liede sind auch öfter auf einen Schlag zwei Töne
zu singen? (Kommt ein Vogel geflogen.) Auf den wievielsten Schlag
bei diesem, bei jenem Lied?
Bei welchen Liedern kommt nur ein Ton auf zwei Schläge? (Gott
ich danke dir — Wach auf mein Herz — Mit dem Pfeil, dem Bogen.)
IV. Es können kommen zwei Töne auf einen Schlag nnd zwei
Schläge auf einen Ton.
y. Nenne andere Lieder, in denen 2 Töne auf einen Schlag zu
singen sind — dann solche, in denen Töne vorkommen, die 2 Schläge
lang währen!
15. Winters Abschied
(Anch zu Robinson Nr. 12.)
Volksweise.
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Win-ter, a - de ! Scheiden tut weh. A-ber dein Schneiden macht,
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dass mir das Her - ze lacht. Win-ter, a - de! Scheiden tut weh.
HofiPmann v. Fallersleben.
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jifa r r. u fi nrni
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70 ^fts zweite Schuljahr
n. Vorsingen und Vorspielen der ganzen Melodie. Rhythmisierte»
Sprechen der ganzen Strophe. Zeilenweises Einüben der Melodie.
m. Vergleichang des neu gelernten Liedes in bezag auf die Takt*
Ordnung mit: „Gott ich danke dir" — „Wach auf mein Herz" —
„Wenn ich ein Vöglein war" — „Es klappert die Mühle" usw. Ver-
gleichung der im 2. Schuljahre geübten Lieder in bezng auf ihren Text*
Inhalt.
lY. Das Lied: „Winter, ade" gehört zu den Dreischlagliedern. Wir
haben gelernt : zwei Winterlieder, zwei Weihnachtslieder, ein Morgenlied,
ein Abendlied, ein Schützenlied, ein Abschiedslied, ein Frühlingslied und
ein Wunschlied.
Y. Einordnen der neuen Lieder in die Liedergruppen des Vorjahres
und der im 1. Schuljahre angeeigneten Lieder in die Liedergruppen des
2. Schuljahres. Kursorische Hepetition der verschiedenen Lieder.
Zusammenstellung der für das zweite Schuljahr behandelten Lieder
1. Alle Vögel sind schon da.
2. Ade, du mein lieb Heimatland.
3. Noch lüsst der Herr mich leben.
4. Müde bin ich, geh zur Ruh'.
5. Wach auf, mein Herz, und singe.
6. Kommt ein Vogel geflogen.
7. Mein erst Gefühl sei Preis und Dank.
8. Wenn ich ein Vöglein war.
9. Mit dem Pfeil, dem Bogen.
10. Gott, ich danke dir von Herzen.
11. Das Büblein auf dem Eis.
12. Vom Himmel hoch da komm ich her.
13. Alle Jahre wieder.
14. Lang, lang ist's her.
15. Winter, ade.
Mit dem 2. Schuljahre schliesst das Singen nach dem Gehöre»
Im 3. Schuljahre beginnt das Singen nach Noten und damit die
eigentliche Einführung in die Elemente der musikalischen Theorie.
Schwab ach
»
J. Helm
Bildbetrachtung 71
3. Bildbetrachtung
Literatur und theoretische Begründung: Siehe das I. Schuljahr,
7. Aufl. 1903, S. 246 fi. und im VII. Schuljahr, 3. Aufl. 1906, S. 179 ff.
I. Auswahl und Anordnung des Stoffes
Schon frühzeitig erwacht im Kinde die Freude an der Kunst. Mit
dieser Tatsache müssen wir auch in der Schule rechnen und solche Freude
pflegen. Das geschieht hinsichtlich der produktiven Seite durch Model-
lieren und Zeichnen (s. diesen Abschnitt). Aber auch die Anleitung zum re-
zeptieren künstlerischen Empfinden muss leise angebahnt werden. Wir wählen
dafür solche Kunstwerke, für die wir beim Kinde Apperceptionen voraus-
setzen oder schaffen könneu. Die Umwelt des Kindes, seine Spiele und
Beschäftigungen, die Jahreszeiten, das Leben der Tiere, mit denen es
noch immer (vgl. Märchen) in freundschaftlichstem Verhältnis steht, die
Erzählstoffe der Schule suchen wir ihnen auch in künstlerischer Aus-
prägung vorzuführen. Nur was das Kind an sich selbst erlebt oder in
der Natur gesehen hat, ist ihm im Bilde sofort verständlich, kann es in
Illusionen versetzen. Die Bilder müssen, wie Konrad Lange richtig dar-
gelegt hat, gross und deutlich sein und dürfen nicht zu viel verwirrende
Einzelheiten enthalten. Zu vermeiden wären allzu komplizierte Ver-
kürzungen und zu genaue Detaillierung, zu wünschen sind mehr fiächen-
hafte Darstellungen, Klarheit der Silhouette, Deutlichkeit des mimischen
Ausdrucks, Abkürzung der Einzelheiten, Bevorzugung friesartiger Komposi-
tionen. Auch mit der Schattierung macht man mit Kindern recht eigen-
artige Erfahrungen; sie halten eine stark schattierte Gesichtshälfte für
schmutzig. Dagegen wollen Kinder im Alter von über 5 Jahren gern
farbige Bilder, aber solche mit lebhaften ungebrochenen Farben. Mit
feineren Farbenunterschieden und den durch das Licht bedingten Farbenver-
änderungen wissen sie nichts anzufangen, daher haben gute neuere
Bilderbücher vorzugsweise einfache Lokalfarben angewendet. (Vgl.
Gertrud Caspari, Kinderhumor für Auge und Ohr.)
Wir sind in der Schule von dem abhängig, was der Kunstmarkt
bis jetzt hervorgebracht hat. Er hat vorzugsweise für die Erwachsenen
gearbeitet. Doch sind schon einige den Forderungen eines besonderen
Kinderstils nachkommende Veröffentlichungen zu verzeichnen, wie die
Kinderfriese von Breitkopf und Härtel, einige Blätter aus den Kinder-
serien desselben Kunstverlags, verschiedene Kinderfriese und Kinder-
serien von Walther und Gertrud Caspari aus E. Voigtländers Verlag in
Leipzig. Auch die Künstlersteinzeichnnngen von Voigtländer und von
Teubner kommen den Forderungen Konrad Langes insofern vielfach nach,
als sie klar und deutlich das Wesentliche hervorheben und flächenhafte
Darstellung erstreben.
Wir schliessen die Bilder an die Jahreszeiten, die Spiele, die
beobachteten Tiere und die Erzählstoffe des 2. Schuljahres an. Das ist
die natürliche Anordnung. Der Robinsonstoff steht im Mittelpunkt der
72 ^M zweite Schuljahr
ganzen Jahresarbeit. Wie er für die Handarbeit, die durchaos auch im
Dienste der künstlerischen Erziehung steht, weil sie das Formgefühl an-
bahnt, für die Naturkunde und für das Zeichnen die gegebenen An-
knüpfungspunkte bildet, so auch für die Betrachtung von Bildern. Wie die
Situationen und Gemütsstimmungen in den poetischen Begleitstoffen (s.
das Mürchen- und Robinsonlesebuch, herausgeg. von den Verfassern der
Schuljahre, 6. Aufl. Leipzig, Bredt, 1907) fortklingen, so kann auch
die bildende Kunst hinzutreten, um die Kraft der Illusion zu fördern,
um die Gefühle zu vertiefen, um angeschlagene Gedankenreihen fortzu-
führen.
Die Einheiten, wie sie oben im Abschnitt Gesinnungsunterricht und
in unserm Lesebuch angegeben sind, können beispielsweise Anlass zum
Zeigen folgender Bilder geben:
A. Daheim:
1. Bobinson als Schulknabe am Hafen :
Kalimorgen, Hamburger Hafen. Künstlersteinzeichnung von
B. G. Teubner, Leipzig.
2. Robinsons Ferien:
Kalimorgen, Niederdentsche Dorfstrasse. Künstlerstein-
zeichnung von R. Voigtländer, Leipzig, oder
Albert Haueisen, Pfälzischer Bauernhof, ebendaselbst.
B. Fem vom Vaterhäuser
7. Rettung:
E. Liebermann, Zeichnung im Lesebuch (herausgeg. v. d.
Verf. der Schuljahre) S. 137.
13. Robinson als Jäger (Gedicht Nr. 31 Der Jäger und Nr. 32
Jägerleben) :
Matthäus Schiest, Hirschjagd, Deutsche Wandfriese von
Breitkopf und Härtel, Leipzig, Nr. 8.
14. Robinson als Hirt:
Hans V. Volkmann, Frühling auf der Weide, Kleine
Wandbilder, Nr. 205, B. G. Teubner, Leipzig.
15. Robinson sorgt für den Winter (Gedicht Nr. 43: Winterszeit,
Nr. 44: Schneemann):
Karl Biese, Einsamer Hof, Kleine Wandbilder, Nr. 208,
B. G. Teubner, Leipzig.
Engelhart, Wanderer im Winter, Neue Künstlerstein-
zeichnung, Wien, k. k. Staatsdruckerei.
17. Die Ernte (Gedicht Nr. 53: Saatzeit, Nr. 54: Lied vom
Samenkorn, Nr. 55: Das Samenkorn, Nr. 56: Die Ernte):
H. Eichrodt, Der Säemann, Künstlersteinzeichnung, B. G.
Teubner, Leipzig.
W. Georgi, Pflügender Bauer, und W. Georgi, Die
Ernte, Künstlersteinzeichnungen, B. G. Teubner, Leipzig.
H. V. Volkmann, Wogendes Kornfeld, ebendaselbst.
H. V. Volkmann, Emtesegen, Künstlersteinzeichnung,
Voigtländer, Leipzig.
Bildbetraclitang 73
23. Eine neae EntdeekuDg:
Ernst Liebermann, Holzschnitt S. 196 im Märchen*
Robinsonlesebnch, heransgeg. v. d. Verf. der Schaljahre.
25. Weihnachten in der Fremde (Weihnachtsgedichte Nr. 81, 82,
83, 84, 86):
Erich Enithan, Stille Nacht, heilige Nacht, Künstler-
steinzeichnang, Leipzig, B. G. Teabner.
Franz Hein, Knecht Koprecht, Kinderserie der Kunst-
blätter von Breitkopf und Härtel, Leipzig.
Wilhelm Steinhausen, Vom Himmel hoch da komm ich
her. Neue Flugblätter zu deutschen Volksliedern, Breitkopf und
Härtel, Leipzig.
Kunz Meyer, Tannenbaum, Neue Flugblätter zu deut-
schen Volksliedern, Breitkopf und Härtel, Leipzig.
26. Robinsons Abschied von der Insel:
Ernst Liebermann, Holzschnitt S. 235 im Lesebuch
(Robinson betend).
II. Unterrichtliche Behandlung des Stoffes
Über die methodischen Fragen der Bildbetrachtung ist ausführlich
im 1. Schuljahr (7. Auflage, Leipzig, Bredt, 1903) und im 7. Schuljahr
(8. Auflage, Leipzig, Bredt, 1906) gesprochen worden. Man vergleiche
die Ausführungen daselbst.
Für das zweite Schuljahr wären noch einige besondere Bemerkungen
anzufügen. In so frühem Alter sind die dargebotenen Bilder in erster
Linie Anschauungsbilder, aber wir wählen nur künstlerische aus. Die
Kinder haben ihre Freude daran, ihnen Bekanntes auf dem Bilde wieder-
zuerkennen. Das ist gewiss eine wichtige vorästhetische Arbeit Die
Kinder sind an genaues Sehen zu gewöhnen; allem flüchtigen Darüber-
hinhuschen ist zu wehren. Gerade weil nur das Bild im Kulminations-
punkt des Interesse an das Kind herangebracht wird, weil die Seele
schon eingestellt ist, wird das Wiedererkennen des Dargestellten, das
Erfassen des Inhalts nicht viele Schwierigkeiten machen. Aber die Formen-
sprache der Kunst will erst gelernt sein. Deshalb soll das Kind
fragen, was es nicht verstanden hat. In ungezwungener intimer Unter-
haltung wird auf Einzelheiten aufmerksam gemacht und Falsches be-
richtigt. Das Kind soll sich liebevoll versenken lernen, und gern wieder
zu früher gesehenen Bildern zurückkehren. Damit ist für diese Stufe
genug getan. Hier sind eigentliche ästhetische Fragen, z. B. nach dem,
was der Künstler gewollt und wie er seine Absicht erreicht hat, durch-
aus unangebracht und verfrüht.
Aber ein Weiteres kann auch schon im 2. Schuljahr zur Vorbereitung
des ästhetischen Empfindens getan werden. Auf Schulgängen in die Natur
hinaus ist das Beobachten eifrig zu pflegen. Die Natur ist der unver-
siegliche Born, in dem alle Kunst immer wieder sich verjüngt, aus dem
sie schöpft und gestaltet. Wir dürfen nicht die Natur durch Bilder er-
setzen wollen. Bevor ein Winterbild angeschaut wird, sind die Kinder
in eine Winterlandschaft hinauszuführen. Schon im Oedanken an das
74 ^As zweite Schuljahr
zu zeigende Bild macht sie der Lehrer auf die Schneepolster and Schnee-
häahehen auf Zinnen, Mauern und Dächern aufmerksam, er zeigt, wie
die Äste sich unter der Schneelast bis zum Boden herabb^'ngen, wie der
Schnee an der einen Seite aller Stämme haften geblieben ist. Da seht,
wo der Hase gelaufen ist usw. Man wird staunen, wie gern die Kinder
4as alles auf dem Bilde wiederaufsuchen, was sie vorher gesehen.
Immer heisst es: „Gerade wie dranssen im Kammerforst !^ Die Emte-
bilder sollen nicht davon abhalten, das wirkliche Ernteleben zu beobachten,
das wäre verkehrt. Aber sie vertiefen und befestigen das vorher An-
geschaute und lehren vorher Geschautes im Bilde wiederzuerkennen.
Ein Unterrichtsbeispiel würde also folgen dermassen verlaufen:
a) Im Hinblick auf die 2. Einheit „Robinsons Ferien" erfolgt für
die Stadtkinder ein Gang aufs nächste Dorf. Ein Bauernhof wird be-
sucht, die Tiere beobachtet, die Häuser, ihre Fenster, ihr Anstrich, ihre
Dächer betrachtet. Der Unterschied der Strassen wird bemerkt usw.
(Weiteres wird in der Naturkunde besprochen.)
b) Der Abschnitt: „Robinsons Ferien" wird im Unterrieht erzählt.
c) Wir wollen nun das Bild eines Dorfes aus Robinsons Heimat
anschauen, wie es ein Maler gemalt hat. Das Bild wird lange ruhig
betrachtet. Dann dürfen die Kinder erzählen, was sie alles entdecken.
Da weiss jeder etwas Neues. Das grosse Hans gehörte gewiss Robinsons
Verwandten usw. Es entsteht mit Hilfe der Kinder eine Beschreibung,
wie sie etwa Käte Kautzsch in ihren „Versuchen in der Betrachtung
farbiger Wandbilder mit Kindern" gegeben hat.*) „Wie fröhlich schaut
die Strasse aus ! So viel bunte Farbe, so viel freundliches Leben überall !
Die roten Ziegelhäuschen stehen keck und lustig gegen den blauen
Himmel, gegen die weissen Wolken, gegen das grüne Gras und die
Büsche, und wie würdig und liebevoll die alten stolzen Ulmen dem
Treiben der Menschen und Tiere auf der Strasse zuschauen. Sie sind
schon zum Teil herbstlich gefärbt und haben viel von ihrem Schmuck
dem Kinde zum Spielzeug opfern müssen. Da liegen die welken, braunen
Blätter nun achtlos auf dem Wege, und das Hühnervolk sucht sich
zwischen ihnen seine Würmchen und Körnchen. Der Herr Hahn scheint
recht übermütig und herrscherfroh. Er hat das Picken nicht mehr nötig,
ist auf den Rand des Ackerwagens geflogen und kräht über seine ge-
schäftigen Weiblein hinweg, dass es eine Art hat. Was hat die Frau da
in ihrem Wägelchen? Viele Kannen, vielleicht war Milch darin, die sie
verkaufte, nun ist sie heimgefahren und schwätzt noch unterwegs mit
ihren Freunden, die da vor der Tür ihres Häuschens stehen. Sie freut
sich mit den Eltern an dem Kinde, das die Mutter auf dem Arme trägt.
Und da kommt noch ein so kleines Wurm in rotem Röckchen die Strasse
daher. Stolz an der Hand der Mutter, die es zu ihren Einkäufen mit
sich nahm. Kommt aber mal mit hinüber die kleine Stiege hinauf zu
der höher gelegenen Strasse; da ist noch eine dritte Mutter zu sehen,
*) Solche Versuche sollen nicht etwa sklavisch kopiert werden, aber
sie können den in solchen Bildbetrachtungen ungeübten Lehrer anleiten,
wie er es ähnlich gestalten kann.
Bildbetrachtung 75
ein Kind, das gern schon Mütterchen sein will und eine Puppe als Baby
auf dem Arm trägt. Zu ihren Füssen sitzt die kleine Freundin; wir
sehen nor ihren Rücken, vielleicht hat sie auch iht Puppenkind bei sich.
Die zwei sind so eifrig, dass sie den Bauer noch gar nicht sehen, der
da auf sie zukommt. Vielleicht der Vater. Die Sense trägt er über
die Schulter, die Jacke am Arme, sie wurde ihm zu heiss bei der Arbeit.
Schwerfällig geht er ; er ist wohl schon alt ; und was die Leute alle für
plumpe Schuhe tragen I Dicke, grosse Schuhe, die den Fuss nicht ein-
engen und fest sind gegen Steine und Nässe. Sehr viel können
uns all die kleinen Figürchen auf dem Bilde erzählen, und die Häuser,
zwischen denen wir sie stehen sehen, sind zwar still und unbeweglich, aber
wieviel plaudern sie aus von dem, was in ihnen und um sie hervorgeht 1
Ihr denkt vielleicht: sie sehen ja alle ganz gleich aus! Doch nicht so
ganz! Seht nur genauer hin: da gleich das erste Haus rechts — wir
sehen nur ein Stück davon — , es ist mit einem dicken Strohdach ge-
deckt und hat nach der Strasse zu keine Fenster. Das ist wohl ein
Stall- und Wirtschaftsgebäude. Es gehört zu dem freundlichen Haus
daneben, und zwischen ihnen ist eine Wageneinfahrt. Das zeigt uns
der Prellstein an der Ecke des ersten Hauses. Der mag schon viele
Stösse erlitten haben, hat schon eine muldenartige Vertiefung in der
Mitte; alt sind auch die Balken des Stallhauses. Sie zeigen Risse und
moosige Flechten. Der Wagen, der da steht, der soll vielleicht heute
noch ins Feld, um Korn oder Heu in die Scheuer zu tragen. In dem
Wohnhaus aber leben die Eltern mit dem Kinde. Die Frau hält etwas
auf ihr Haus. Schöne weissblaue Gardinen hat sie aufgesteckt, und zwei
rote Nelkenstöcke blühen an dem einen Fenster. Es scheinen ganz wohl-
habende Leute zu sein, ihr Haus hat noch im zweiten Stockwerk ein
Fenster, das einen Wohnraum kündet, und es ist mit Ziegeln gedeckt;
oben gibt's noch einen spitz zulaufenden Bodenraum, der nur ein kleines
rundes Guckloch nach aussen hat. So wie dies, kann euch ein jedes
Häuschen etwas Neues berichten^ usw. So mnss man die Kinder,
natürlich in Gesprächsform, anleiten, sich lange eingehend und liebevoll
mit allen Einzelheiten eines Bildes zu beschäftigen. Entsprechend der
Eigenart der kleineren Kinder lokalisieren wir den Robinsonferien-
aufenthalt (s. Lesebuch) in diese Dorfstrasse hinein.
76 ^&8 zweite Schuljahr
4. Tarnen
Literatur t'i') J. G F. GutsMuths Spiele zur Übung und Erholung
des Körpers und Geistes. 8. Aufl. Hof. Lion. 6M. A. Netsch, Spiel-
buch ftir Mädchen. Hannover 1899. Meyer. 2,50 M. Trapp-Pinzke,
Das Bewegungsspiel. 8. Aufl. Langensalza, Beyer u. Söhne. 1,60 M.
Lehrerkollegium zu Schlettaa, 100 Schulspiele nach Altersstufen
der Kinder. Dresden 1901. Huhle. 1,35 M. Maria Kühn, Macht aut
das Tor! Alte deutsche Kinderlieder, Reime, Scherze und Singspiele.
10. Tausend. Düsseldorf, Langewiesche. 1,80 M.
I. Ziel und Aufgabe*)
2. Auswahl und Anordnung
unser Standpunkt, dass das Tomen ein organisches Glied des
'Erziehungsganzen sei, verlangt eine Anknüpfung der Übungen an den
Gedankenkreis des Zöglings, wo das nur immer möglich ist, und ein
Anknüpfen der übrigen Unterrichtsfächer an das Turnen durch Ziel-
stellongen und Hinweise, wo immer angängig.
Bei der Auswahl der Übangen ist demnach Rücksicht zn nehmen
sowohl auf die psychische, als auch auf die physische Entwicke-
longsstufe der 7 — 8jährigen Kinder. Diese stellt sich uns folgendermassen
dar : **)
psychisch: physisch:***)
Reiche Phantasie. Lebhafter Schnelligkeitsnbnngen zur För-
Tätigkeitsdrang ; Interesse für rege dernngder AtmnngonddesBlatkreis-
Handlung; Freiheit der Willens- laofs; Verteilung der Anstrengung
betätigung. auf grosse Muskelmassen; Ver-
meidung der Anstrengung einzehier
Körperteile; Gegengewicht gegem
Sitzzwang und Schulluft.
Dieser Eigenart entspricht am besten das Bewegnngsspiel im
Freien, wenn möglich auch im Anschluss an die Märchen, Tierfabeln
und den Robinson im Unterrichte. Im Bewegungsspiele, welches
möglichst allen Kindern gleichzeitig Gelegenheit zur Betätigung und auch
jedem die Möglichkeit passender (selbstgewählter) Ruhepausen bieten
muss, erhält das Kind einen „Unterricht im Vergnügen ** und bemerkt
von den Absichten des Erziehers, der die Spiele natürlich so auswählt,
dass sie psychisch und physisch fördernd wirken, nichts.
Die unvermeidlichen Ordnungsübungen, sowie einige sich aufdrängende
Freiübungen und volkstümliche Übungen tragen Spielcharakter.
*) Siehe: L Schuljahr, 7. Aufl., S. 311 und 318.
**) a. a. 0. S. 315.
***) Dr. med. F. A. Schmidt, Unser Körper, Leipzig, Voigtländer.
Turnen 77
Präft man diese Auswahl an der Hand der Theorie der kultur-
historischen Stufeu, so ergibt sich Übereinstimmung:
Genetische Entwickelung: unser Lehrplan:
Alle Naturvölker treiben auf der Fortführung der Bewegungs-
ersten Entwickelungsstufe phantasie- spiele des Eindergartens und des
Tolle Tänze und Spiele mit Gesang 1. Schu^ahres.*) Neue Laufspiele
nach einfachem Rhythmus bei ihren im Anschluss an -die Erzählstoffe
Festen und ihrer Unterhaltung. (z. B. Bobinson), ebenso einfache
Freiübungen zur Veranschaulichung
von Vorgängen und volkstümliche
Übungen. Ordnungsübungen bei Auf-
stellung zu den Spielen und Aas^
fiügen.
Wie überhaupt in der Volksschule, darf besonders auf dieser Stufe
das Turnen nicht blosse Technik sein, sondern die Grundlage für den
Turnunterricht müssen Sachen bilden, die auch das Vorstellungsleben,
das Gefühl und den Willen des Kindes beschäftigen und anregen. Das
ist nur möglich, wenn das Turnen
1. als Veranschaulichungsmittel benutzt wird, um Hand-
lungen auch handelnd von den Schülern darstellen zu lassen (Robinson:
Tanz der Wilden um das Feuer; Wettlauf zwischen dem Gefangenen
und dem Verfolger; die Jagd; Schiessen mit Bogen und Pfeil; kleiner
Schreitreigen nach dem Liede „Der Schütz^; Ziel werfen u. a.); wenn es
2. im Spiel kulturgeschichtliche Kenntnisse vermittelt, d. h.
solche Spiele pflegt und erhält, die auf uralten Volkssitten, Gebräuchen
und mythologischen Vorstellungen nnsrer Vorfahren beruhen und daher
als ein bleibendes Denkmal alter Zeiten der Nachwelt erhalten zu werden
verdienen. Hierbei sollen auch die auf gleicher Grundlage beruhenden
Abzählreime nicht vergessen werden.**)
(Das Erlösen der Erdgöttin ans der Macht des Winters: „Das
Königstöchterlein ^ ; „Prinzessin erlösen^ ; „die ummauerte Königstochter" ;:
„die Domröschenballade*', zugleich eine Erinnerung an die Schicksals-
göttinnen. Elfen: „Nix in der Grube**. Kobolde: „Vom Butzemann**.
Herd begiessen: „Bauer, baue Kessel**. Regenbogenbrücke nach Wal-
halla: „Brücke bauen**. Frau Holle:
Ringel, Ringel, Reihe!
Sind der Kinder dreie,
Sitzen auf dem Holderbusch,
Schreien alle: husch, husch, husch!)
Wenn auch das Kind auf dieser Stufe zum vollen Verständnis für den
Zusammenhang zwischen dem Spiel und seiner kulturgeschichtlichen Grund-
lage nicht geführt werden kann, so ist es doch schon ein Gewinn, wenn
es die Handlungen des Spieles nachahmend so aufnimmt, wie sie sich
bieten, da dadurch die konkrete Grundlage zu einem späteren Verständnia
♦) a. a. 0. S. 319.
**) Böhme, Kinderlied u. Kinderspiel.
78 ^A9 zweite Schuljahr
für das Weben der Volksseele in der Vergangenheit gegeben wird. Die
Tatsache, dass sich diese Spiele überhaupt durch die Jahrhunderte er-
halten haben, ist der beste Beweis für ihre Güte.
3. ist es vorteilhaft, wenn sich der Turnunterricht das durch andere
Unterrichtsstoffe angeregte und gesteigerte Interesse zu nutze macht.
(Jagdspiele im Anschluss an Eobinsons Jagdabenteuer; Handwerkerspiel;
Robinson und Freitag: Nachahmungsspiele u. a.).
Alles in Allem: wenn das Turnen charakterbildend wirken
will, darf es keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne die Kinder
zum Handeln anzuhalten.
3. Die Spiele
Um zu zeigen, wie leicht die Spiele mit zusammenhängenden Ge-
dankenmassen in Verbindung gebracht werden können, sind die Spiele
nach den oben bezeichneten Gesichtspunkten geordnet.
See und Schiff: Wogendes Meer G. M. 255*) N. 22**)
Fischzug r, 279 „11
Holland — Seeland. ... „279 „13
Seüziehen „219 „52
Das Schiff „150
Klettern am Tau, Mast, Leiter.
Gehen auf dem Schwebebaum.
Nix in der Grube . . . . „ 232
Jagd: Die Jagd G.M. 294N. 46
Blinde Jagd «327
Jäger und Hühnchen (Häschen) . . „ 245
Häschen im Busch „60
Zielball (Scheiben) „ 58
Ziegenspiel „ 69
Ballschiessen „ 68
Boj^enschiessen „211
Mückchen, Sperling, Habicht, Jäger Seh. 26***)
Die Wilden: Schwarzer Mann G.M. 276 N. 28 Seh. 7
Gänsemarsch (Tanz ums Feuer) „ 251
Wettlauf
Der Butzemann M. a. d. T. 186 t)
Abzählreim „ 171 (Siehe
unten unter „Brücke bauen''.)
Handwerke (Nachahmespiele):
Wollt ihr wissen, wie der Bauer G.M. 248 N. 116 Seh. 13 M.a.d.T.226
Handwerk erraten . . . . „ 351 „ 38
Kleiderwaschen „ 250
Adam hatte 7 Söhne, . . „ 246 „ 113
'^) Seitenzahl in GutsMuths Spielbuch. 7. Aufl.
**) Seitenzahl in Net seh, Spielbuch für Mädchen.
*♦*) Seitenzahl in „100 Schulspiele".
t) Seitenzahl in „Macht auf das Tor!"
79
Bei den NaeliftluM^klca at^t der bfridnig^smbe da Kmdor and
dar Ldffcr eim weitet G^äet oHn. (Beii^ei: Zei^ea^aehe Ewiaehen
BoIhbmmi «id Freitag:; PaatomiMcn.) Hiertor gfkSat aadi ein in der
goldnen Ane geq^ieltet Nndiakse^d: 2 PtateieB. Die graeaere stellt
rieh som Empbrnge der Handweifar aas dem Mobrenlande ail Dieee
kommen and spreckea:
„Wir kommen aas dem Mi^irailaad,
Die Sonne kat ans sehwars getamnt,
Wir sind die editen Mokren
Und kabea sdiwarse Okren.*
Frage: .Was fir ein Handwerk Irdbt ikr?*
Mokren: „Eün reekt sdiönes!''
.Zeigt's mal ha!«
Nan folgt die pantomimisdie DarsteUoagy and nack dem Erraten
tritt eine Anzakl andrer Mokr^ aaf.
Jakreszeiten: Domroeeken . . . . lLa.d.T.229 N. 161
Des Königs Töekteriein. „ 219 G.M. 234 Sek 10
. 224
Bingel, Ringel, Heike! . . 232
Abziklvers . 171 :
„Dorek Feld and Wald
Das Hom ersckallt.
Fraa Holda kommt, kaka!
Ikr Sekätzeken, das bist da!"
Brücke baaen G. IL 251
Abzäklvers M.a.d.T. 171:
Es gekt ein M&nncben aber die Brack',
Hat ein Säckeken aaf dem Back\
Scklägt es wider den Pfosten,
Pfosten krackt, Männcken lackt:
Tipp, tipp, tapp — da bist ab!
4. Spielreigen im Anschluss an Lieder
Eine ganze Anzakl Lieder dieser Stafe*) eignen sieb za darstellenden
Handlangen, die vom Lekrer leickt in eine entsprechende Ordnang ge-
braekt werden können. Einige Beispiele:
1. Dan Sehfitzenlied (Mit dem Pfeil, dem Bogen). Melodie von Anselm
Web« 1804.
Elemente: GFehen and freadiges Schwingen der Waffen (Str. 1 a. 2),
Schnss (Str. 3).
Aafttellang: KreiB in Flankenreike, linke Seite nack innen.
Text: 4X4 Schritte = 16 Zeiten.
Kehrreim: La la la 4 X 4 Schritte = 16 Zeiten.
*) Von der Auswahl aaf Seite 70: Nr. 1, 2, 6, 9, 11 a. 15.
80
Das zweite Schuljahr
1. Str. Der Bogen ruht senkrecht auf der linken Schalter, so dass
der Bogen vor, die Sehne hinter der Schalter liegt and die linke
Hand das antere Ende fasst; der Pfeil wird wagrecht in der
rechten Hand getragen.
1. — 16. Zeit: Vorwärtsgehen im Takt (ohne Gleichtritt!); in der
1. a. 9. Zeit schwingen beide Arme wagrecht, in der 5. and
13. Zeit gehen die Hände zorttck.
17. — 32. Zeit: In der 1. and 9. Zeit Springen in den Seitgrätsch-
stand, in der 5. and 13. zarück in die Gnmdstellang. Arm-
bewegangen wie vorher. Beim Senken der 1. Hand in der
29. Zeit gleitet der Bogen herab und wird von der 1. Hand
in der Mitte gefasst.
2. Str. 1.— 16. Zeit: Wie 1. Str.
17.— 32. „ Wie 1. Str.
3. Str. 1. — 16. Zeit: Wie 1. Str., aber die Arme schwingen seit-
wärts hoch.
17. — 32. Zeit: Springen in den Seitgrätschstand, aber mit Vi I^^^'
huDg, das Gesicht nach aassen and so stehen bis zam Schlass.
In der 21. Zeit wird der Pfeil aaf die Sehne gesetzt, in der
2ö. Zeit die Sehne gespannt and der Pfeil schräg hoch nach
vorn gerichtet, and in der 29. Zeit der Pfeil abgeschossen.
Hieraaf Wettlaaf der Schützen nach ihren Pfeilen.
2. Einladung ins Freie
Munter.
E. Richter.
^^
ä
w
ä
^^
1. Kommt AI - le her - aus, her - aus aus dem Haus ! hin - aus zu den
I
^Ji<: \J.l=f ^m
¥
^m
t
Ler-chen, den Mei-sen und Stör-chen, zum Eu-kuk hin - aus, her-
i p-nzi
-JSL
aus aus dem Haus !
2. Heraus aus dem Haus ! Juchheisa ! hinaus zur Wiese, zum Bache :
He, Brüderchen lache! Sturm laufen wir dann den Hügel hinan!
3. Den Hügel hinan! und wer ihn gewann, den führen im Glänze,
gekrönt mit dem Kranze, mit geschmücktem Strauss, wir singend nach Haus!
Geisheim.
Elemente: a) Heraas aas dem Haas: 2 Stimreihen stehen einander gegen-
über and heben ihre gestreckten Arme schräg hoch nach vom, dasa
sich die Fingerspitzen berühren, eine Flankenreihe steht anter diesem
Dach and zieht heraas.
Turnen
81
b) Stormlaufen.
c) Heimkehr des Siegers: 2 Knaben führen den 3. zwischen sich,
mit ihren äusseren Händen seine Hände fassend, ihre inneren Hände
über seinen Kopf gefasst.
Aufstellung: ) ^ ( Die Beihen dürfen nicht mehr als 10 Kinder
) ^--^ ( zählen; sind mehr als 30 Kinder vorhanden, so
) >^ ( baut man lieber mehrere Häuser. Ist die Kinder-
) ^^ ( zahl nicht durch 3 teilbar, so stellt sich ein
) '^ ( Überzähliger stets hinter die mittelste Eeihe,
) '^ ( zwei Überzählige stellen sich stets ans Ende
) ^^ ( der äusseren Reihen.
) w ( 12 Takte mit je 3 Schritten = 36 Zeiten.
3. 1. 2. Reihe.
1* Str. 1. — 12. Zeit: Reihe 1 geht 12 Sehr, gerade aus heraus aus
dem Haus. Dann, 13. — 26. Zeit, läuft sie im Sturmschritt rechts
herum um das Haus und stellt sich als Stirnreihe neben Reihe 2,
die links um macht. Auf diese Weise ist die Aufstellung wieder
hergestellt.
2. Str. Reihe 2 führt dasselbe aus wie Reihe 1 in der 1. Str., aber
links herum um das Haus, und bleibt als Flankenreihe stehen;
Reihe 1 macht links um. Die 3 Nachbarn fassen sich wie oben
unter c beschrieben ist.
3. Str. Vorwärts gehen, im Kreise herum oder vom Platz hinweg.
3. Der Schmetterling
Schnell.
R. SchuinaDD.
y
^^^^^m
m
P=t2:
EÖE^
1. O Schmet-ter-ling sprich, was flie-hestdu mich? O
^^^^^m
^i
-# ^
Schmet-ter-ling sprich, was Äie-hest da mich ? Wa -
1
y
^^^
:&t
t
?^=i
mm doch so ei - lig, wa - rum doch so ei - Hg, jetzt
fej
m
i
i^
^S^feE
fern und dann nah, jetzt fern und dann nah.
2. Jetzt fern und dann nah, jetzt hier and dann da — jetzt fern and
dann nah, jetzt hier und dann da, — ich will dich nicht haschen, ich
will dich nicht haschen, ich tu dir kein Leid, ich tu dir kein Leid.
Daa zweite Schuljahr. ^
82 D&s zweite Schuljahr
3. Ich tu dir kein Leid: o bleib^ allezeit! O bleib allezeit, o bleib
allezeit! IJnd war ich ein Blümchen, und war ich ein Blümchen, so
sprach ich zu dir, so sprach ich zu dir.
4. So sprach ich zu dir : Komm, komm doch zu mir ! So sprach ich
zu dir : Komm, komm doch zu mir ! Ich schenk dir mein Herzchen, ich
schenk dir mein Herzchen, n^^® gut bin ich dir!^: Wie gut bin ich dir!
Hoffmann v. Fallersleben.
Elemente: Fliehen und haschen, fern und nah sein; hier und da sein;
„wie gut bin ich dir!**: Handfassen und herum wirbeln.
Aufstellung : Die Kinder sind in zwei gleichgrosse Abteilungen eingeteilt,
die „Kinder** und die „Schmetterlinge*^.
Die „Kinder** stehen mit dem Gesichte nach aussen auf einer
Kreislinie so weit von einander entfernt, dass sie sich bei seitge-
hobenen Händen eben noch berühren. Am Anfang des Beigens steht
rechts von jedem „Kind** der zu ihm gehörige „Schmetterling**. (Bei
Kinderfesten können die Schmetterlinge mit Flügeln ausgerüstet sein,
die ans Draht gebogen, mit Gaze überzogen und bemalt sind und an
2 Gummischnüren über die Schultern gezogen werden.)
16 Takte mit je 3 Schritten = 48 Zeiten.
Der ganze Eeigen wird mit kurzen Laufschritten ausgeführt.
1. Str. Schmetterling (Seh.): 8 Takte: vorwärts laufen, drehen und
zurücklaufen ; 8 Takte : dasselbe wiederholen, aber am Schlnss dem
Kinde gegenübertreten, Gesicht gegen Gesicht = 48 Zeiten.
Kind (K.): winkt am Anfang jedes 2. Taktes.
2. Str. Seh. : 4 Takte rückw. laufen, dann 4 Takte vorw. 1 2 mal =
K. : 4 „ vorw. „ „ 4 „ rückw.J 48 Z.
Am Schlnss steht der Seh. wieder neben seinem K.
3. Str. Seh.: 8 Takte: das Kind rechts umkreisen = 48 Z.
K.: dreht sich am Ort links herum. Am Schlnss stehen beide
Gesicht gegen Gesicht.
^' -^ ' > In Gegenstellung beide Hände fassen.
Beide 8 Takte links herum wirbeln mit Galopphüpfen 1 aq 7
8 „ rechts „ » » » J
Bei grosser Schülerzahl kann auch ein dritter Kreis aussen hemm
stehen, der die Blumen darstellt, die von den Schmetterlingen um-
kreist werden, erst links und rechts herum.
4* Winters Abschied*)
Elemente: Abschiedszeichen, auch spöttische; lustiges Wandern.
a und c = 4 Takte Kehrreim, b = 4 Takte Text = 12 Takte
mit je 3 Schritten = 36 Zeiten.
Aufstellung: Kreis.
1. Str.: a u. c: Stehen und Abschied winken.
b: Handefassen und gehen linksherum im Kreise.
2. f, SL und c: Bübchen schaben.
b: Wie 1. Str., aber rechts henun.
3. „ a u. c: Lange Nase machen.
b: Hüpfen links hemm im Kreise.
♦) Siehe Seite 69.
Turnen 83
5. Einige methodische Bemerkungen
Die vorliegende Aaswahlreihe soll eine Stoffsammlung zur Auswahl
sein, nicht aber ein Lehrplan, der durchgearbeitet werden mtisste. Denn
besonders in der Volksschule hat das \yort Geltung: ^^Nicht Vielerleii
aber viel spielen!^ Nicht besondere Stunden, aber die Gelegenheiten
(Zwischenstunden, Lehr- und Spaziergänge, Singstunden u. a.) ausnützen!
Das Spiel ist eine Art kindlicher Poesie. „Es liegt ein tiefer Sinn
im kindlichen Spiel^ (Schiller). Es kann daher nicht gedeihen unter
4er Leitung eines kaltsinnigen Pedanten oder eines Schulhandwerkers,
sondern nur unter einem nicht aufdringlichen, nur leise fühlbaren Einflnss
eines warmherzigen Einderfreundes, der das Kunststück versteht, sich
überflüssig zu machen. Je mehr die Kinder meinen, alles selbst gewollt
zu haben, was sie taten, je weniger sie die leitende Hand des Lehrers,
die sie sicher führt, fühlen, desto mehr wird der Unterricht das sdn,
was er sein sollte, ein „Unterricht im Vergnügen^, „Arbeit im Gewände
jugendlicher Freude.^ (GutsMuths.)
6*
. Sprachunterricht
1. Deutsch (Lesen und Schreiben)
I. Die Auswahl des Stoffs
Eine ausführliche Abhandlong über den deutschen Spcachunterricht
enthält das „Dritte Schuljahr^. Ausserdem verweisen wir noch auf den
Artikel „Muttersprache, Unterricht in der ^ (von Fr. Lehmensick)
in der Encyklopädie d. Pädg. von Prof. W. Rein. 2. Aufl. Bd. IV.
An beiden genannten Stellen finden sich auch die Litteratur-
angaben. Wir können deshalb im „Zweiten Schuljahr" gleich mit der
praktischen Gestaltung des deutschen Unterrichts beginnen.
Von den verschiedenen Aufgaben des deutschen Unterrichts stehen
im zweiten Schuljahr im Vordergrund Förderung der Lesefertig-
keit, so dass am Schlnss dieses Schuljahrs die sog. mechanischen
Schwierigkeiten zum grössten Teil überwunden sind, Gewöhnung an
klare mündliche Darstellung in einfachen Sätzen und an Eich-
tigschreibung der Schreibübungswörter. (Die zuletzt ge-
nannte Aulgabe drückt man vielleicht zweckmässig auch negativ aus:
„Verhinderung der Falschschreibung.") An eigentliches Aufsatzechreiben
denken wir noch nicht. (Man müsste denn die recht anregenden Übungen,,
wie sie z. B. G. Boscher in „Neue Bahnen", Leipzig, 18. Jahr-
gang 3. Heft angibt, schon dazu rechnen.)
2. Die Bearbeitung des Stoffs
1. Das Lesen."*") Das zweite Schuljahr hat die Aufgabe, zunächst
das Wortlesen (ohne Beschränkung) zu üben und zu fliessendem, ton-
richtigem Satzlesen überzuleiten. Beim Wortlesen wird verlangt,,
dass der Blick gleich das ganze W^ort übersieht,'''*) während beim Satz-
lesen immer schon einige nachfolgende Worte erf asst sein müssen, wenn^
'*') Vergl. hierzu: A. Pickel, Anweisung zum elementaren Lese- und
Schreibunterricht (von Seite 53 an). Dresden, Bleyl & Kämmerer.
**) Dabei stellen wir uns nicht jeden Buchstaben in allen seinen Teilen^
klar vor, sondern nur in seiner Gesamtform andeutungsweise. Auch nicht-
alle Buchstaben eines Worts erfassen wir wirklich „gleichzeitig", wir
„übersehen" nur drei bis vier Zeichen.
Lesen and Schreiben 85
das vorhergehende noch ausgesprochen wird. Das Wortlesen betont zwar
die Silben richtig, setzt aber alle Wörter eines Satzes gleichwertig ; das
Satzlesen hebt Einiges als besonders wichtig hervor, setzt also ein Urteil
voraus. Es kann nicht eher erfolgen, bis die erlangte Fertigkeit im
Wortlesen den Blick znm schnellen Durchlaufen der Zeilen freigemacht
hat; deshalb darf man es nicht zu fräh verlangen. Auch erzeugt man
sonst leicht „Stockerer", welche die bekanntern Werter zwar rasch
hinter einander lesen, bei jedem schwierigem Wort aber halten und
dann einen neuen Anlauf nehmen. Selbst das Wortlesen darf man
nicht voreilig erzwingen wollen. Wenn das lautierendeLesen noch
Schwierigkeiten macht, verlegen sich die Schüler leicht aufs Erraten der
Wörter. Also behutsamer Fortschritt! Zum lautierenden Lesen muss
noch so oft zurückgegriffen werden, als ein schweres Wort es nötig macht.
Jeder Satz ist zunächst tüchtig wortweise einzuüben. Für den An-
fang ist das Lautieren noch das alleinige Lehrverfahren, später tritt
das Buchstabieren ein. Zur Erleichterung werden dabei die schwerern
Wörtern zerlegt. Silben weises Lesen eines Wortes kann man nicht ohne
Weiteres verlangen ; denn der Schüler weiss ja noch nicht, wie weit eine
Silbe reicht. Man gibt ihm deshalb an, bis zu welchem Buchstaben
er lesen soll, z. B. bei „Bohnensuppe" : Lies bis zum h; — Boh- — , von
da bis zum n ! — nen- — , beide Silben ! — Bohnen- — , vom s bis zum
ersten p! — sup- — , vom zweiten p bis zum Schluss! — pe! — , die
beiden letzten Silben zusammen! — suppe — , das ganze Wort! —
Btphnensuppe — . Viele Lesebücher für die Unterstufe bringen die Wörter
gleich in Silben getrennt (Bohnensuppe z. B. ist gesetzt: Boh nen sup pe.)
Das Lesen wird dadurch allerdings zunächst erleichtert, aber es artet
leicht in Silbenlesen aus; auch werden die Wortbilder verunstaltet. Wird
ein Lesestück richtig vorbereitet, so ist die erwähnte Hilfe nicht nötig.
Von der grossen Schrift der Lesemaschine zu der kleinen des Lese-
buchs ist ein ziemlicher Sprung. Dazu kommen die vielen Zeilen unter
einander und die geringe Übung im Zeigen und Fortrücken auf solchen
Linien. Das alles macht die Schüler leicht verwirrt. Deshalb schiebt
man zwischen Lesemaschine und Lesebuch als zweckmässigen Übergang
Lesetafeln ein,"*") deren Schrift die Mitte zwischen derjenigen der
Lesemaschine und der des Lesebuchs hält. Sie gestatten ohne Mühe einen
tüchtigen Gesamtunterricht und Übung im Mitzeigen und Nachlesen. Im
Lesebuch wird die zu lesende Zeile durch das Lesebrettchen oder
ein Blatt Papier, das zu lesende Wort durch den Zeigestift isoliert.
Die unterrichtliche Behandlung eines Lesestücks
erfolgt nach den bekannten formalen Stufen. Es soll aber nicht jedes
Letestück als methodische Einheit angesehen und nach sämtlichen
Stufen durchgearbeitet werden, weil sonst die Leseübung zu gering sein
würde.**) Viele Lesestücke werden deshalb auf der zweiten Stufe mit
*) Solche sind bei Klinkhardt in Leipzig erschienen.
**) Die Erfahrung hat gelehrt, dass viele Obung nötig ist, wenn wirk-
lich etwas Ordentliches im Lesen und Schreiben erreicht werden soll.
Deshalb gebe man den Übungen genügend Raum auf den Stundenplänen.
gg Das zweite Schuljahr
dem Lesen (und vielleicht der Inhaltsangabe) abgeschlossen oder erst bei
einem spätem weiter verwendet.
Die Vorbereitung eines Lesestücks ist eine zweifache. Sie er-
streckt sich zunächst auf den sachlichen Inhalt. Interesse für denselben
soll schon durch die Zielangabe erweckt werden. Bei der nun folgenden
Vorbesj^rechung darf nicht der ganze Inhalt des Lesestücks verraten
werden. Voraussichtlich ist in dem Lesestück auch manches dem Schüler
unverständlich oder unklar und erklärt sich aus dem Zusammenhange
beim Lesen nicht von selbst. Entweder sind es einzelne Ausdrücke oder
Satzkonstruktionen; diese sollen, wo es ohne Zwang und Künstelei ge-
schehen kann, vor dem Lesen zur Klarheit gebracht sein. Vielfach
wird die Erklärung da eingeschobeUi wo sie sich eben nötig macht,
oder sie wird am Schluss eines Abschnitts gegeben. Dadurch werden
die Schüler genötigt, zunächst Unverständliches zu lesen, und dann wird
die Gedankenreihe oft unterbrochen. Für den Lehrer ist das Einschieben
allerdings leichter als eine gute Vorbereitung, die nicht aus einzelnen
zusammenhangslosen Stücken bestehen darf, sondern ein abgerundetes
Ganze bilden soll. Das lässt sich oft nur schwer bewerkstelligen und
erfordert viele Überlegung, wenn man nicht künsteln will. Eine gelungene
Vorbereitung lohnt aber immer den darauf verwandten Fleiss. Die
nötigen Erklärungen müssen möglichst kurz gefasst werden und dürfen
sich nur auf das zum Verständnis Notwendige erstrecken, damit die Lese-
stunde nicht etwa in eine Geographie- oder Naturgeschichtsstunde aus-
artet.*) Lesestücke, die viele Erklärungen erfordern, sind als missratene
oder als nicht auf diese Stufe gehörige anzusehen.
Zweitens erstreckt sich auf der Elementarstufe des Lesens die Vor-
bereitung auf das Technische des Lesens (und des daran zu schliessenden
Schreibens). Auch diese Vorbereitung erfordert grosse Sorgfalt und sollte
meist schriftlich geschehen. (Nur unerfahrene oder oberflächliche Lehrer
werden sich auf augenblickliche Eingebungen oder ihren „praktischen
Blick ^ verlassen.) Hierbei (wir haben die ersten Leseübungen im zweiten
Schuljahr im Auge) wird folgendes zu beachten sein. Eine Anzahl von
Wörtern des zu behandelnden Lesestücks ist dem Schüler aus dem Frühem
bekannt. Diese Wörter werden zunächst ausgesondert und treten, so-
weit es nötig erscheint, in Form der Wiederholung auf. Nur wo sich
Mängel ergeben, werden sie wieder in ihre Elemente zerlegt.**") Von
neuen Wörtern sind meist Lautgruppen (Elementarsilben) bekannt; mit
*) Fr. Otto: „Die Förderung, welche ein Lesestück dem Schüler
bringen soll, darf nicht darin gefunden werden, dass dasselbe eine sach-
liche Erläuterung erheischt, die eine Partie des Bealunterriohts ersetzt
oder vertritt. Dem Bekannten fehlt das Förderliche nicht, wenn es nur
in einer verklärten Auffassung zur Anschauung vorgehalten wird.*'
**) Ziller (Jahrb. 1871, S. 148): „Die AniSyse lenkt ihrer Natur ge-
mäss in die Bahn zurück, die der Zögling bei Abneigung des Stoffs ge-
gangen ist. Nur darf sie nicht zu den einfachsten Elementen zurück-
kehren, wofern daraus schon Zusammensetzungen gebildet und diese in
eine systematische Form gebracht worden sind. Denn ein Wissen, das
zustande gekommen ist, darf nicht eher wieder in seine Elemente auf-
gelöst werden, als bis sich Mängel der Aneignung ergeben haben. ^
Lesen und Schreiben 87
diesen verfahren wir ähnlich. Die Normalwörter gewähren uns dabei
wesentliche Hilfe, weshalb wir auf sie immer zurückgreifen. Sollten
ganz neue 'Verbindungen vorkommen, so werden diese wie früher ein-
geübt.'*') Bei schwierigem Wörtern, besonders bei mehrsilbigen, em-
pfiehlt es sich, dieselben an der Lesemaschine anzustellen. (Das Lese-
buch für die Elementarstufe wird darauf Rücksicht nehmen, dass die
schweren Wörter in einem Stück sich nicht häufen.)
Als zweite Stufe folgt nun das Lesen des vorbereiteten kleinen
Lesestücks oder Abschnitts. Es wird so lange eingeübt, bis auch die
schwachem Schüler das Stück geläufig lesen können. Das technische
Geschick des Lehrers muss sich hier ebenso entfalten, wie bei den ersten
Leseübungen, damit die Aufmerksamkeit erhalten bleibt und eine inten-
sive Leseübung stattfindet. Dabei ist folgendes zu beachten : Die Schüler
sitzen in guter Haltung vor dem aufgeschlagenen Buche und zeigen auf
das zu lesende Wort; fortgerückt wird nur auf ein bestimmtes Zeichen,
wie auch nur auf ein solches das Wort ausgesprochen wird. Die Pausen
zwischen den einzelnen Wörtern sind anfangs länger, dann kürzer und
feilen schliesslich beim Satzlesen ganz weg. Gelesen wird in der Regel
erst von Einzelnen, dann im Chor, bei Ermüdung in mannigfachem
Wechsel ; die schwächern Schüler lesen am häufigsten. Der Lehrer liest
auch musterhaft vor. Sätze sitzen bald im Gedächtnis, dann wird häufig
nicht mehr auf die Wörter gesehen; deshalb werden die Wörter noch
ausser der Reihe gelesen (z. B. das erste, das vierte, das vorletzte usw.).
Rückwärtslesen ist nur als Ausnahme zulässig. Stockt ein Schüler bei
einem Wort, so darf es ihm nicht vorgesagt werden; er muss
lautieren, leise oder laut. Auf das genaue Mitzeigen und Nachlesen ist
streng zu halten. Zum Einzellesen werden zuerst die befähigten Schüler
aufgefordert, dann die schwächern. Man wird sich bei diesen noch einige
Zeit mit dem Wortlesen begnügen dürfen. Jeder Abschnitt wird erst
Satz für Satz eingeübt; der vorhergangene Satz wird dann immer zum
nachfolgenden zugezogen, bis schliesslich der ganze Abschnitt fliessend
gelesen werden kann. Später können kleine Abschnitte gleich bis zu
Ende gelesen werden. An das Satzleseu schliessen sich Belehrungen über
die Satzzeichen an. Die richtige Betonung ergibt sich ans dem
Verständnis; als Hilfe dient eine kurze Frage nach dem hervorzuhebenden
Wort. (Das musterhafte Vorlesen des Lehrers nicht zu vergessen ! Wo
es seine Stelle hat, ergibt sich aus der Eigenart des Lesestücks.) Werden
Sätze oder ganze Abschnitte im Chor gelesen, so hat der Lehrer zu
leiten wie beim Chorsprechen ; sonst wird durch Chorlesen leicht die Be-
tonung geschädigt. (Man achte sorgfältig darauf, dass sich nicht ein
sog. „Schulten^ einschleicht!)
Auf das „Einlesen'' erfolgt nun ein näheres Eingehen auf den Inhalt
des Gelesenen. Sog. „Kernfragen^' weisen auf die Hauptsache hin. Durch
*) Sind in der Normal wörterreihe des ersten Schuljahrs nicht alle
Baohstaben des Alphabets enthalten, so wird man die fehlenden in der
Vorbereitung nach und nach auftreten lassen. Will man statt dessen die
Normalwörterreihe vergrösser n, so achte man darauf, dass die Übersicht
nicht verloren geht.
gg Das zweite Schuljahr
andere Fragen überzeugt sich der Lehrer, ob alles richtig verstanden
ist. Das stellt sich auch heraus, wenn der Lehrer die Schüler veran-
lasst, sich über das Gelesene ausführlich zu äussern. (Dabei hüte sich
der Lehrer vor dem vielen „Hineinreden*'! ,,Die rechte Erklärung ge-
schieht nicht über die Köpfe hinweg, nicht in die Köpfe hinein, sondern
ans den Köpfen der Schüler heraus'^ Lehmensick, Muttersprache.)
(Fragen und Inhaltsangaben sind auch am Platz, wenn Frmüdung im
Lesen eintritt; sie müssen aber kurz sein.) Von Zeit zu Zeit werden
die eingelesenen Lesestücke wiederholt. Geeignete Stücke werden aucb
„auswendig gelernt ** und gut hergesagt.
Das Leseziel des zweiten Jahrkurses kann als erreicht angesehen
werden, wenn die Schüler die kleinen Lesestücke ihres Lesebuchs und
andere für diesebe Stufe berechnete Stücke auch ohne vorherige Ein-
übung nach einem ein- oder mehrmaligen stillen Durchlesen langsam,
aber geläufig und mit Ausdruck lesen können.*)
2. Das Schreiben. Unter „Schreiben^ sind hier die sämt-
lichen schriftlichen Übungen mit ihren Vorbereitungen zum Zweck dee
Sprachunterrichts zu verstehen.""*') Als Aufgabe des zweiten Schuljahrs
sehen wir an: Erwerbung eines sprachlich (mündlich und schriftlich)
richtigen Ausdrucks im Umfang des behandelten Stoffs, mit Be-
schränkung auf die Grundformen des einfachen Satzes.
Die Übungen schliessen sich zum Teil an das Lesen, zum Teil auch
an den Sachunterricht an. Was aus der (theoretischen) Sprachlehre vor-
kommt, wird nicht um seiner selbst willen herbeigezogen, sondern ist
Hilfsmittel für die schriftliche Darstellung. Dahin gehören: Silbenab-
teiluDg, Ableitung und Umlautung, Dingwort, Dehnung und Schärf ung,
einige Satzzeichen. Die schriftlichen Übungen bestehen im Abschreiben,
Schreiben nach Diktat, Aufschreiben von Memoriertem und Aufschreiben
von selbst gebildeten Sätzen. Im ersten Halbjahr werden die Übungen
vorzugsweise Arbeiten nach Mustern (Ab- und Aufschreiben kleiner Lese-
stücke) sein, im zweiten Halbjahr gesellen sich zu ihnen Niederschriften
von selbst gebildeten Sätzen.
Den schriftlichen Übungen hat stets eine auf die Rechtschreibung
gerichtete Vorbereitung vorauszugehen, da wir nun einmal nicht um die
(für viele Menschen recht schwierige) Eechtschreibung hemmkommen.*'*'*]
'*') Im Anschluss an die nSchuljahre** sind auch Lesebücher er-
schienen: 1. Märchen- und Robinson-Lesebuch. 2. Thüringer Sagen,
Thtlringer Land, Volk jand Kind. 3. Nibelungen und Gudrun.
**) Im Laufe des zweiten Schuljahres beginnt auch das Schreiben
mit Feder und Tinte, was für die Kinder keine so einfache Sache
ist, und ein besonderer Schönschreibunterricht, der es mit den richtigen
Formen der Buchstaben zu tun hat. (Siehe letzten Abschnitt dieses
Bandes.)
**'*') Welches Verfahren ist das beste zur Sicherung der Bechtschrei-
bung? Als Mittel der Einprägung kommen in Betracht: Sehen, Hören,
Schreiben, Sprechen, Buchstabieren. Durch gegen 6000 sorgfältige physio'
]oo;isch-psychologische Untersuchungen hat Dr. Lay in Karlsruhe die
Fehlerzahl festgestellt, die bei Anwendung jedes der Mittel im Durch-
Lesen und Schreiben 89
Alle noch nicht geschriebenen Wörter, sowie die schwierigem Wörter
überhaupt, von denen anzunehmen ist, dass ihre Schreibweise nicht sicher
ist, werden herausgehoben nnd an die Wandtafel geschrieben. Hier
sind sie genau anzuschauen, zu lautieren (später zu buchstabieren), dann
abzuschreiben. Zur weitern Befestigung folgt Lautieren aus dem Kopf
und Anschreiben an die Wandtafel, Aufschreiben ohne Hilfe (aus dem
Gedächtnis oder nach Diktat) und Verbesserung. Geübt wird bis zur
▼ollstftndigen Sicherheit. Ein grosses Gewicht ist hierbei auf das Sehen
zu legen. Denn beim Kinde ist die Rechtschreibung hauptsächlich nicht
Ergebnis der Überlegung, sondern Sache der Übung und der dadurch
bedingten Gewohnheit. Es soll kein falsches Wortbild sehen. Hat es
f&r ein Wort zwei verschiedene Wortbilder angeschaut, so können später
auch wieder zwei ins Bewusstsein treten: ein richtiges und ein falsches,
nnd es hängt vom Zufall ab, welches eintritt oder gewählt wird. Des-
halb dürfen Wörter auch nur ausnahmsweise zum Zweck der Verbesse-
rung falsch an die Tafel geschrieben werden ; nach geschehener Verbesse-
rung sind sie sofort wieder wegzuwischen. Die Anschauung allein tut's
jedoch auch nicht. Wo ein ersichtlicher Grund für die Schreibweise
eines Wortes vorhanden ist, da wird er auch angegeben; wo einfache
Begeln die Rechtschreibung wesentlich unterstützen können, da sollen sie
auch herangezogen und angewandt werden. (Z. B. Dingwörter mit
grossem Anfangsbuchstaben.)
Da unsere Sprache für denselben Laut verschiedene Bezeichnungen
hat (z. B.: V, v, F, f; i, ie, ieh), so reicht das Lautieren zur genauen
Bezeichnung der Schreibweise bald nicht mehr aus. Eine Zeit lang kann
man sich noch mit den Normal Wörtern behelfen (es wird gesagt: F wie
bei Falke, V wie bei Vogel, ie wie in Ziege usw.), was aber schliesslich
doch zu umständlich ist. Deshalb muss nun das Buchstabieren ein-
treten und bei Besprechung der Rechtschreibung bald alleiniges Mittel zur
Verständigung werden. Das Buchstabieren wird am leichtesten und
raschesten an bekanntem Wortmaterial, an den Normal Wörtern gelernt,
die deshsdb nochmals, jetzt buchstabierend durchlaufen werden.
Der neue Gesichtspunkt verleiht der Sache neuen Reiz. So lange das
schnitt auf jeden Schüler kamen. Er hat dabei Sprechen nicht als selbst-
stindige Tätigkeit geprüft, sondern laut und leise mit dem Hören und
Sehen verbinden lassen.
1. (Nur Klangbild : Diktat) 3,04 rund 12 Fehler.
2. Sehen ohne Sprechbewegung (Schriftbild: Lesen) 1,22 „ 5
H. Bachstabieren (laut, SprechbeweguDg) .... 1,02 „ 4
4. Abschreiben (still, Schrei bbewegung)
a) von Druckschrift 0,54 „ 2 „
b) von Schreibschrift 0,26 „ 1 „
(Lehmensick, Muttersprache.)
Die Lehrer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Hessen viel
ibflchreiben. „Kein Tag ohne Linie !^ Wie wir uns noch erinnern können,
w&ren die Erfolge im Rechtschreiben nicht schlecht. Jetzt ist „wissen-
■chifUüch bewiesen*^, dass man die Abschreibübungen nicht unterschätzen
soll Freilich soll man sich dabei auch bewusst sein, dass, wer richtig
Abschreibt oder richtig nach Diktat schreibt, noch nicht bewiesen hat, dass
^ auch bei freier Darstellung richtig schreiben kann.
90 ^&s zweite Schuljahr
Lautieren noch znm Lesen schwieriger Wörter nötig ist, mnss scharf eine
Vermengnng von Lautieren nnd Buchstabieren vermieden werden. (Wei-
teres über das Buchstabieren in Pickel, Anweisung, S. 65 bis 67;
Lehrproben ebendaselbst S. 68 — 71.)
Der Stoff für Hechtschreibung und Sprachlehre strömt jetzt so
reichlich zu, dass er nicht mehr bewältigt werden kann, wenn er nicht
geordnet und in systematischer Form Eigentum des Schülers wird. Da-
her ist die vollständige stufengemässe Durcharbeitung einzelner Sprach-
stücke geboten.
Auf der dritten Stufe werden die Wörter zusammengestellt und
verglichen, sowohl die aus dem vorliegenden Stuck, als auch die dazu
in Beziehung stehenden aus frühem Abschnitten. Aus dem sich dabei
findenden Gleichartigen und Entgegengesetzten ergeben sich nach und
nach Klassen mit bestimmten Merkmalen, z. B. Wörter mit besondern
Buchstaben: V (Vogel, Vater, Vetter); ss (Fluss, muss); ng (Gesang,
fing). Gedehnte Wörter: und zwar solche, in denen die Dehnung
bezeichnet ist durch ein h (Kahn, Sohn, Jahr); durch Verdoppelung des
Grundlauts, (Beet, Boot); durch ie (Ziege, viel, lieb); gar nicht bezeichnet
(Fuss, Herd, mal, war). Geschärfte Wörter (ähnlich wie vorher).
Die Aufstellung solcher Wortklassen, die zweckmässig nach einem
Normalwort benannt werden, ist sehr wichtig. Ohne solche erhält das
Gedächtnis nicht die nötige Stütze und versagt schliesslich den Dienst.
Auf der vierten Stufe werden die Wörter nach ihren charakte-
ristischen Merkmalen zusammengestellt, bezüglich in die Klassen ein-
geordnet.
Zweckmässig schreiben die Schüler diese Beihen in ein Heft, das
„Wörterbuch für Rechtschreibung^. Ist eine Regel für die Recht-
schreibung oder ein Satz aus der Sprachlehre zu entwickeln, so geschieht
das ebenfalls nach der bekannten Weise. Auf der vierten Stufe wird
die Regel oder der Satz in knappen, klaren Worten ausgesprochen und
eingeprägt und mit einem Muster belegt.
Nun soll der Schüler noch beweisen, dass er die Sache nicht nur
richtig aufgenommen hat, sondern auch anwenden kann. Es folgen da-
her auf der fünften Stufe kleine Diktate, in denen das durchge-
arbeitete Wortmaterial in neuen Verbindungen wieder auftritt. Diese
Übungen werden so lange fortgesetzt, bis vöUige Sicherheit in der Recht-
schreibung erreicht ist. Als häusliche Aufgaben können öfter die be-
kannten Wortreihen (z. B. die Wörter mit Id, nn, tt, usw.) aufge-
schrieben werden. Freiere Arbeiten als Hausaufgaben sind nur mit
Vorsicht, ganze Aufsätze noch gar nicht zu verlangen. — Alles Ge-
schriebene wird gelesen und durchgesehen; die Verbesserungen erfolgen
gemeinschaftlich. (Schon während des Schreibens kann der Lehrer et-
waige Fehler sich notieren. Die sog. Klassenfehler ergeben sich
sofort und sind gründlich zu beseitigen.)
Alle Lesestücke vollständig schriftlich durchzuarbeiten würde bei
der knappen Zahl der Schulstunden unmöglich sein. Der Lehrer hat
daher gleicli zu Anfang des Schuljahres eine Auswahl von Lesestoffen
zu treffen, die sich für die schriftlichen Übungen vorzugsweise eignen.
Lesen und Schreiben 91
Darnach kann er einen Lehrplan fär das Schuljahr entwerfen. Die aus
dem Sachnnterricht und der eigenen Erfahrung zu entnehmenden Stoffe
kann man kaum mit einiger Sicherheit im voraus bestimmen.
3. Lehrproben
1. Kind und Eltern
(No. 1 des „ersten Lesebuchs^^)
„Ich bin ein Kind.
Ich habe einen Vater und eine Mutter.
Vater und Mutter sind meine Eltern.
Meine Eltern geben mir zu essen und zu trinken.
Meine Eltern geben mir auch Kleider und Schuhe.
Sie lassen mich in einem Bett schlafen.
Meine Eltern haben mich lieb.
Ich habe meine Eltern auch lieb.^
a) Das Lesen
Ziel: Von jetzt an lest ihr in eurem neuen Lesebuch. Darin steht
zuerst etwas von euch und euren Eltern.
1. Stufe. Was wird wohl von euch und euren Eltern im Lese-
buch stehen? (Meine Eltern haben mich lieb. Meine Eltern geben mir
zu essen und zu trinken. Meine Eltern geben mir Kleidung usw. Ich
habe meine Eltern lieb. Ich gehorche ihnen usw.) Ob ihr richtig ge-
raten habt| werden wir sehen. Welche Wörter mnssten dann in dem
Lesestfick vorkommen? Könnt ihr diese schon lesen? Wir woUen sehen.
Lest, was hier steht (an der Lesemaschine)!
Bekannte Wörter:
a) ein, eine, einen einem.
b) Mein, mein, meine, meinen, meinem. („Mein^ steht ja zwei-
mal da!)
c) in. Ich, ich, mich, mir, bin auch. (Ich, ich!)
d) und, zu, Mutter, eine Mutter, meine Mutter.
(Spiter, wenn kein Zweifel mehr besteht, dass solche Wörter im
Leseboeh sofort gelesen werden könneu, bleiben sie in der Vorbereitung
weg. Braucht man sie zu sprachlichen Zwecken, so bringt man sie auch
dann noch in die Vorbereitung.)
Über ToUst&ndige Sicherheit im Lesen könnten Zweifel bestehen bei
e) Kind, sind, ein Kind, mein Kind.
f) Kinder, Kleider, Vater. Die Kinder, die Kleider, der Vater.
g) Schuhe. Die Schuhe, meine Schuhe,
h) trinken, schlafen, lassen.
i) Die Kinder schlaf eu, die Kind r essen,
k) Ueb.
Von diesen Wörtern wird man noch einige an der Lesemaschine
lesen lusscn, dann kann das Lesen des Lesestücks beginnen.
92 I^as zweite Schuljahr
Nehmen wir aber an, die Wörter, Vater, Kleider nnd schlafen
kämen einigen Schälern fremdartig vor, weil das V nicht häufig ist,
Kl nnd schl nicht genügend geäbt worden sind , so hätten wir noch
folgende Übungen anzustellen:
Wo haben wir diesen Buchstaben (V) kennen gelernt? Bei „Vogel"
(Normalwort). Wie lautet er also? V.
Lest! Vo, Vö, Va, Vi, Vog, Vög.
V darf man nicht verwechseln mit B. (In der Deutschen Schrift!)
Lest! Vo, Bo: Vogel, Bogen; Va, Ba: Vater, Bad (Bader?); Vi,
Bi: Violine, Bier; Vögel, Bögen.
Auch das kleine v kennt ihr (bei „Larve").
Lest! ve, va, ver, ev av, stav: Larve, Eva, Gustav, brav.
Ähnlich würden Kl und schl einzuüben sein.
Neu erscheint vielleicht auch die Aussprache doß grossen E = Ä
(in Eltern) und das b =» w. Die Bnchstabenformen sind kekannt und
auch ihr sonstiger Laut. Das kleine e ist fast wie ä lautend, schon
längst angewandt worden in den Silben er, em, en, el, es. An diese
können wir anknüpfen: m-e «== me (in Blume), e-m = em (meinem),
n-e = ne (in Biene), e-n = en (Ofen), r-e = re (in Schere), e-r =
er (Bauer), 1-e = le (in Eule), e-1 = el (Esel), s-e = se (in Rose),
e-s = es (schönes), t-e = te (in Flöte), e-t = et (betet), e klingt
also bald wie eh, bald wie ä (aber nicht so breit und offen).
Lautiert nun leise folgende Wörter: Eva, Emma, Eltern; Erde,
Ernte; Esel, Ente.
Lest diese Wörter! Wie sprecht ihr das E in denselben aus? (Wie
Ä und wie Eh.)
In welchen lautet es Eh, in welchen Ä?
Nun lautiert und lest noch folgende Wörter: Beet, Bett, Gebet,
gebet, essen, Vetter.
Habt ihr jedesmal gleich gewusst, ob ihr e oder ä lautieren solltet?
Wenn wnsstet ihr aber, wie ihr e aussprechen solltet? (Wenn wir das
Wort durchlautiert hatten.)
Das b erföhrt eine ähnliche Behandlung.
Wieviele und welche von den angegebenen Vorübungen nötig sind,
wird der Lehrer leicht beurteilen können, wenn er schon „das erste
Schuljahr" im Lesen unterrichtet hat. Anderseits mnss er die Fertigkeit
seiner Schüler durch Proben feststellen.
2. Stufe. Nun lesen wir im Lesebuch. Ich will euch erst einmal
ein Stück vorlesen (vielleicht die 3 ersten Zeilen), damit ihr hört, wie
ihr es lernen sollt.
Ihr lernt nun zuerst jedes Wort für sich lesen.
Zeigt auf das erste Wort!
Lautiert nnd lest]
Das zweite Wort! usw.
Nun ist die erste Zeile fertig.
Wir müssen sie aber noch anders lesen lernen.
Nun wollen wir sehen, ob wir die Wörter gleich (ohne Lautieren)
lesen können.
Lesen und Schreiben 93
Nun wollen wir nicht mehr nach jedem Wort halten.
Was hast da gelesen?
Was bist dn?
Nun lies so, dass ich das gleich höre.
Ebenso die folgenden Zeilen. '
Zam Lautieren greift man auch, sobald die Schüler sich aufs Er-
raten der Wörter verlegen, oder wenn sie die Sätze auswendig können
und nicht mehr auf die Wörter sehen. Auf die gute, scharfe Aus-
sprache wird selbstverständlich immer gehalten; sie soll im zweiten und
in den folgenden Schuljahren nicht nachlässiger werden als im ersten.
Nach dem Einlesen des Stücks folgt eine kurze Besprechung des
Inhalts und eine Wiedergabe. Auch schon einige Umformungen, z. B.
Was steht von dir im Lesestück?
Was noch?
Alles!
Was steht von deinen Eltern darin?
Mit einem nochmaligen guten Lesen schliesst die Übung ab.
b) Das Schreiben
Ziel: Wir wollen nun auch einiges von dem, was wir gelesen
haben, schreiben.
Endziel der folgenden Schreibübung ist: Fehlerfreie Niederschrift
nach Diktat und aus dem Kopfe. Deshalb hat die Vorbereitung nur
noch weniges zu bringen. "
1. Stufe. Ob ihr wohl schon alle Wörter richtig schreiben könnt?
Wir wollen sehen! Gebt Wörter aus dem Lesestück an, die mit einem
grossen Anfangsbuchstaben geschrieben werden ! (Kind, Eltern, Bett, leb,
Meine usw.)
Warum werden diese mit grossen Anfangsbuchstaben geschrieben?
(Hauptwörter haben grosse Anfangsbuchstaben. Diese Regel ist bereits
bei dem Normalwörterstoff aufgetreten).
Aber „meine** ist dreimal mit dem grossen und zweimal mit dem
kleinen m geschrieben?
2. Stufe. Wir wollen einmal nachsehen, wo das Wort „meine"
mit dem grossen und wo es mit dem kleinen m geschrieben (gedruckt) ist.
Ich sehe noch ein anderes Wort, das wir anders geschrieben haben.
3. Stufe. Wo steht ,,meine^ mit dem grossen, wo mit dem
kleinen m.
Wo „ich«.
4. Stufe. Regel: Wenn die Wörter „meine" und „ich" einen
neuen Satz anfangen (nach einem Punkt stehen), so werden sie mit
einem grossen Anfangsbuchstaben geschrieben.
5. Stufe. Nun will ich sehen, ob ihr das Stück richtig schreiben
könnt Zuerst will ichs euch ganz leicht machen.
a) Ihr sollt das Lesestück aus dem Lesebuche abschreiben. (Schiefer-
tafeln! Stift! Lesebuch! Alles taktmässig.) Schaut das erste Wort an!
(Kind.) Lautiert es. (K-i-n-d = Kind.) Was für ein K? Schreibt
94 ^^^ zweite Sobaljahr
das Wort. Das zweite Wort lautet „ond^* Schreibt es! Das dritte
Wort! Schaat es an! Lautiert! Was für ein E? Was für ein t?
Schreibt! (Statt dieser Befehle gebraucht man später bestimmte hörbare
Zeichen, z. B. für Anschauen einmaliges schwaches Klopfen, für Lautieren
zweimaliges, für Schreibsn dreimaliges. — Nach dem Lautieren wird
das Wort allemal gut ausgesprochen. Die leichten Wörter werden nicht
erst lautiert, sondern gleich geschrieben.) Die Satzzeichen sind ebenfalls
anzugeben.
Nachdem der Stundenstoff abgeschrieben ist, wird er von den
Schiefertafeln vorgelesen und vom Lehrer durchgesehen. Später können
die Schüler die Tafeln umtauschen und die Fehler anstreichen. Im An-
fang wird der Lehrer gut tun, jeden Fehler selbst anzustreichen, wenn
die Klasse nicht zu gross ist. Die Verbesserung muss der Schüler immer
selbst ausführen. Man lässt die falsch geschriebenen Wörter nochmals
lautieren, wobei sämtliche Schüler das betreffende Wort ansehen; wer es
falsch geschrieben hat, verbessert es.
Sollte einmaliges Abschreiben nicht genügen, so kann es noch ein-
mal erfolgen und zv^ar ohne Zuziehung des Lautierens. Dann wird dem
Schüler die Aufgabe als eine von der ersten verschiedene erscheinen.
b) Nun tut das Lesebuch weg. Ich sage jetzt vor, was ihr schreiben
sollt. (Erstes Diktat.)
c) Nun will ich aber andere Sätze vorsagen, die nicht im Lesestück
stehen. (Zweites Diktat.)
Ich habe Eltern. Ich habe meinen Vater lieb. Ich habe auch
meine Mutter lieb. Mein Vater hat mich lieb.
d) Wer von euch kann auch passende Sätze augeben?
Meine Mutter hat mich auch lieb. Ich esse. Ich trinke. Ich
schlafe. Meine Eltern essen und trinken auch. Meine Eltern geben
mir Kleider und Schuhe und ein Bett.
e) Wer kann Sätze aus dem Lesestück hersagen?
f) Jedes Kind soll aus dem Kopf die Sätze aufschreiben, die es
gemerkt hat.
2« Bruder und Schwester (Sprachliche Behandlang)
(S. erstes Lesebuch)
„Ich habe einen Bruder und eine Schwester.
Mein Bruder heisst Karl.
Meine Schwester heisst Anna.
Mein Bruder und meine Schwester sind meine Geschwister.
Sie spielen mit mir.
Sie sind gut mit mir.
Ich habe meine Geschwister lieb.^
A. Ziel: Wir wollen das Stück von Bruder und Schwester noch
einmal lesen ; dann wollen wir sehen, wie man die richtige Schreibweise
mancher Wörter leicht merkt (Statt des Lautierens soll das Buch-
stabieren angewandt werden. Die Buchstabennamen lässt man zweck-
mässig zuerst wieder bei den Normal;9irörtem anwenden. Das Endziel in
Lesen und Schreiben 95
dieser Lehrprobe ist: Gewinnung einiger Sätze aus der Sprachlehre und
Anwendung derselben. Der Lehrstoff ist das konkrete Material)
1. Stufe.
a) Lesen des Stücks von einzelnen Schülern und im Chor.
b) Die Kinder erzählen, was sie gelesen haben. Nach dem Lesen
fragt der Lehrer: Wer hat das gesagt? Ein kleiner Knabe
(ein kleines Mädchen). Wie wird der kleine Knabe (das kleine
Mädchen) genannt?
c) Wer hat auch einen Bruder, eine Schwester (oder mehrere)?
Wie helssen sie?
2. Stufe.
a) Lest den 1. Satz. Lest ihn noch einmal, aber haltet bei
jedem Wort etwas ein (der Lehrer klatscht zu jedem Worte).
Sagt den Satz auswendig und klatscht selbst zu jedem Worte!
Wieviel Wörter hat der Satz? (7). Wie lautet das 1., 2.
usw. Wort.
b) Welche Wörter könnt ihr schon schreiben? Buchstabiert die-
selben! Welche habt ihr aber noch nicht geschrieben?
Lautieren und Buchstabieren der neuen Wörter aus dem Buche.
Bei jedem neuen Worte heisst es : Womit wird das Wort ge-
schrieben? Bruder mit d wie Kleider, Kind, sind; heisst mit
SB wie NuBS; Anna mit nn wie Mutter mit tt, lassen mit ss,
Bettchen mit tt, spielen mit sp, ie (wie sie, lies) usw.
c) Anschreiben der Sätze von Seiten des Lehrers (unter dem
Mitbuchstabieren seitens der Kinder) an die Wandtafel und
Unterstreichen der orthographischen Eigentümlichkeiten der
Wörter. (Lehmensick empfiehlt die Hervorhebung derselben
durch Schreiben mit bunter Kreide.) Lesen des Angeschriebenen
und Abschreiben desselben.
d) Abschreiben der drei Sätze aus dem Lesebuche (als Haus-
aufgabe).
3. Stufe.
a) Welche Wörter kennen wir nun mit
d: Bruder, Kleider, Kind, sind;
t: gut, mit, Vater, Eltern, trinken;
nn, tt, SS: Anna, Mutter, Bette, lassen;
ie, SS, sp. usw.?
b) Seht das erste Wort von jedem Satze an! Was bemerkt ihr?
In allen 7 Sätzen ist das erste Wort mit einem grossen An-
fangsbuchstaben geschrieben. Wie ist das bei den Sätzen
eines vorhergehenden Lesestücks, das wir auch schon geschrie-
ben haben? Was lernt ihr daraus? (Vergl. auch die 1.
Lehrprobe.)
e) Was steht nach jedem Satze in unserm Lesestück? Wie war's
in einem vorhergehenden? Was sehen wir daraus?
4. Stufe.
1. Wortreihen mit d, t, nn, ss, ie, sp.
96 ^A8 zweite Schuljahr
2. Wenn ein Satz anfängt, wird ein grosser Anfangsbachstabe
geschrieben.
3. Wenn ein Satz zu Ende ist, so wird ein Punkt gesetzt.
5. Stufe.
a) Diktat von Wörtern mit d, t, nn usw.
b) Diktat von kleinen Sätzen, wobei die Schüler die Satzzeichen
selbständig zu setzen haben. Z. B.: Ich bin ein Kind. Ich
habe einen Bruder. Ich habe eine Schwester. Mein Bruder
heisst Karl. Meine Schwester heisst Anna. Bruder und
Schwester haben mich lieb. Meine Eltern haben mich auch
lieb. Ich esse. Ich trinke. Meine Geschwister essen und
trinken auch.
B. Ziel: Nun sollt ihr noch schreiben lernen, wie ihr heisst (eure
Namen schreiben lernen) und wie die Namen eurer Schulkameraden ge-
schrieben werden.
1. Stufe. Die Schüler geben an, wie die Eander hiessen, die im
vorbehandelten Abschnitt vorkamen. Hierauf sagen sie der Beihe nach
ihre eigenen Vor- and Zunamen. (Dabei wird auf deutliche, reine Aus-
sprache gehalten.)
2. Stufe.
a) In Gruppen von je drei, höchstens vier Namen (immer Vor-
und Zunamen zusammen) werden dieselben lautiert, buchstabiert,
vom Lehrer (senkrecht untereinander) an die Tafel geschrieben ;
nach je einem Vor- und Zunamen wird ein Komma, zuletzt
ein Punkt gesetzt.
b) Lesen der angeschriebenen Namen von der Wandtafel, Buch-
stabieren und Schreiben der Namen auf die Schiefertafel; Lesen
des Aufgeschriebenen.
c) Schreiben der besprochenen Namen als Hausaufgabe.
3. Stufe.
a) Wer hat einen einsilbigen, einen zweisilbigen, einen dreisilbigen
Namen ?
b) Wer hat einen Namen der mit k, mit g, ch, nn usw. ge-
schrieben wird?
c) Diktieren aller Vornamen (nebst den Zeichen), welche die
Kinder nun schon schreiben können, mit Hinzunahme derer,
die im vorher behandelten Lesestück vorgekommen sind. Mit
was für einem Anfangsbuchstaben werden alle diese Vornamen
geschrieben? (Mit einem grossen.)
d) Diktieren der Zunamen (samt der deichen). Lesen des Ge-
schriebenen; Hinweisung darauf, dass auch jeder Zunamen mit
einem grossen Anfangsbuchstaben geschrieben wird.
e) Diktat der Vor- und Zunamen der Kinder, der Sitzreihe der
Kinder nach. Die Kinder werden darauf aufmerksam gemacht,
dass allemal, wenn Vor- und Zunamen fertig geschrieben sind,
ein Komma, zuletzt ein Punkt gesetzt wird.
Lesen und Schreiben 97
4. Stufe.
1. Die Vornamen werden mit einem grossen Anfangsbuchstaben
geschrieben.
2. Die Zunamen werden mit einem grossen Anfangsbuchstaben
geschrieben.
3. Wenn wir bloss die Vornamen schreiben, so wird nach jedem ein
Komma gesetzt, zuletzt ein Punkt. Ebenso bei den Zunamen.
4. Wenn wir Vor- und Zunamen schreiben, so setzen wir erst
nach dem Zunamen ein Komma, zuletzt einen Punkt.
5. Stufe.
a) Aufschreiben der Vornamen der Kinder der Sitzreihe nach,
aus dem Kopfe, mit den Satzzeichen.
b) Aufschreiben der Zunamen in gleicher Weise.
c) Aufschreiben der Kinder nach Vor- und Zunamen der Sitz-
reihe nach, aus dem Kopfe, mit den Satzzeichen.
d) Aufschreiben wie mit ihrem Vornamen die Knaben, wie die
Mädchen heissen.
Anmerkung. Von jetzt ab sollen die Kinder unter jede schrift-
liche Arbeit ihren vollen Namen schreiben.
3. Die Augen
.,Zwei Augen hab* ich, klar und hell,
Die drehen sich nach allen Seiten schnell;
Die sehen alle Blümchen, Baum und Strauch
Und den hohen Himmel auch.
Die setzte der liebe Gott mir ein,
Und was ich sehe, ist alles sein."
Für die theoretische Sprachlehre wollen wir aus Gedichten nur wenig
ableiten, damit wir dieselben nicht zu sehr zerpflücken und die Poesie
nicht zerstören. Auch die Besprechungen und mündlichen Übungen (z. B.
Inhaltsangaben) beschränken wir auf das Allernötigste. Von vollständigen
«Umwandlungen in Prosa' sehen wir aber auf den untern Stufen ganz ab.
Das vorstehende kleine Gedicht sollen die Kinder lesen, dann me-
niorieren, mit Ausdruck hersagen und aus dem Gedächtnis richtig auf-
schreiben können. Zu Zwecken der Rechtschreibung heben wir heraus
a) die Wörter, in welchen das h ausgesprochen wird, und b) die mit
g nnd ch (Augen, auch) und ht geschriebenen.
Ziel. Wir wollen von den Augen lesen.
1. Stufe. Was wird wohl von den Augen gesagt sein? (Mit den
Augen kann man sehen. Mit den Augen kann man die Blumen sehen.
Jfit den Augen kann man die Sterne sehen u. dergl.) Wer sagt alles?
In unserm Lesestück steht noch mehr.
2. Stufe. 1. Lesen.
a) Lesen des Gedichts von Seiten des Lehrers.
b) Hat euch das gefallen? Was hat euch gefallen? Wer hat
etwas gemerkt? Sagt das alles nacheinander! Klingt das
so, wie ich vorgelesen habe?
c) Das Lesestück ist ein Gedicht.
Du» xweite SchnUahr. 7
98 ^aß zweite SchuJjahr
Die Zeilen reimen sich (hell— schnell, Strauch— auch, ein— sein).
d) Nun lest ihr das Gedicht.
e) Ich lese das Gedicht noch einmal vor, dann will ich sehen ^
wer es ehenso lesen kann.
f) Wer will sagen, was in jeder Zeile steht? Wer will alle»
sagen.
g) Wollen wir das kleine Gedicht nicht auswendig lernen?
2. Schreiben.
a) Schreibweise der Wörter Zwei, klar, hell, schnell, alle, kann^
liebe, Gott, Himmel, Seiten, Baum. (Die Wörter mit Doppel-
Konsonanten sind schon systematisiert.) Augen, Blümchen^
Strauch, drehen, sehen, hohen, setzte.
b) Abschreiben des Gedichts mit besonderer Berücksichtigung der
Satzzeichen.
c) Aufschreiben aus dem Gedächtnis.
d) Aufschreiben der Inhaltsangabe.
4. Strohhalm, Kohle nnd Bohne
(Nr. 8 der Märchen im Lesebuch für das zweite Schuljahr)
(1. Hälfte.) „In einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau. Die
wollte sich eines Tages für den Mittag Bohnensuppe kochen. Sie machte
also auf ihrem Herd ein Feuer zurecht, nahm eine Hand voll Stroh,
zündete es an und legte es in den Herd. Dann tat sie Eeisig nnd Holz
darauf. Als sie nun die Bohnen in den Topf tun wollte, fiel eine au»
ihren zitternden Händen auf den Boden und legte sich neben einen Stroh-
halm. Aber die alte Frau hörte sie nicht. Bald danach fiel auch eine^
glühende Kohle zu den beiden herab. Doch die alte Frau sah sie nicht.
Da sprach der Strohhalm : Liebe Freunde, wo kommt ihr her ? Die
Kohle antwortete: Ich bin aus dem Feuer gesprungen; sonst Wäre ich
in meinen schwarzen Kleidern zu Asche verbrannt. Die Bohne sagte:
Ich bin noch so mit heiler Haut davon gekommen; hätte mich die alte
Frau in den Topf gebracht, ich wäre zu Brei gekocht worden, wie meice
Kameraden. Und mir, fing der Strohhalm an, wäre es beinah nicht besser
ergangen. Glücklicherweise bin ich der Alten zwischen den Fingera.
durchgeschlüpft. Alle meine Brüder hat die Alte ins Feuer geworfen.
Sechzig hat sie auf einmal ums Leben gebracht. Was fangen wir nun
aber an? sprach die Kohle. Wir sind zusammen so glücklich dem Tode
entgangen, sprach die Bohne. Wir woUen'^gute Kameraden bleiben und
getreulich zusammenhalten. Aber hier könnten wir in ein neues Unglück,
kommen. Darum wollen wir miteinander in ein fremdes Land ziehen.^
Ziel. Wir wollen das Märchen von Strohhalm, Kohle und Bohne
lesen.
1. Stufe. Wer kann das Märchen noch erzählen? Manches habt
ihr vergessen, das hört ihr nachher beim Lesen wieder. Damit ihr im
Lesebuch gleich ordentlich lesen könnt, wollen wir vorher die grossen
(schweren) Wörter lesen. Wer hat ein grosses Wort beim Erzählen ge»
merkt? Wer noch eins? Sprechübungen! Ich habe solche hier (an der-
Lesen und Schreiben 99
Lesemaschine) angestellt. Wer kann sie lesen ? (Wir geben eine grössere
Anzahl, nm zu zeigen, dass es nicht an Stoff zu Sprech- und Lese-
übungen mangelt. Dass so viele in der Vorbereitung zu einem Lese-
stück auftreten sollen, ist nicht gemeint.)
a) Strohhalm, Bohnensuppe;
b) zünden, zündete, antworten, antwortete, legen, legte, kochen,
kochte, trippeln, trippelte, arbeiten, arbeitete;
c) glühen, glühend, glühende, brennen, brennend, brennende,
kochen, kochend, kochende;
d) entgangen, entfallen, entzündet, entlaufen; verbrannt, verlaufen,
verglüht;
e) gefallen, geworfen, gekocht, gebrannt, gesprungen, gelaufen,
gefangen ;
f) Beisig, sechzig, zwanzig, achtzig, neunzig, siebenzig, fünfzig,
dreissig, vierzig;
g) zusammen, Kameraden.
Diese Wörter werden an der Lesemaschine, wo sie auch in Silben
zerlegt stehen, nach Bedürfnis lautierend oder buchstabierend eingeübt. —
Man könnte hierbei auch bereits die orthographischen Eigentümlichkeiten
der Wörter hervorheben, damit die Schüler beim Lesen darauf achten
sollen. Das ist nicht zweckmässig; denn beim Lesen soll zunächst auf
den Sinn der Wörter (bezüglich Sätze) geachtet werden; orthograhische
Interessen dürfen sich nicht störend dazwischen drängen. Die ortho-
graphische Behandlung folgt deshalb dem Lesen nach.
2. Stufe.
1. Lesen.
a) Leseübung im Lesebuch. Bei dieser zerlegen wir die mit-
geteilte erste Hälfte des Mädchens in mehrere Abschnitte, die
einzeln gelesen werden.
b) Mündliche Wiedergabe der gelesenen Abschnitte.
c) Hauptinhalt der Abschnitte, herausgehoben durch „ Kernfragen **,
Bildung einer Überschrift.
2. Schreiben.
Der orthographischen Besprechung werden unterworfen — und zwar
wird buchstabiert — Strohhalm, Kohle, Bohne, Dorfe, wohnte, wollte,
Bohnensuppe, zündete, legte, Keisig, Holz, kochte, Topf, fiel, wollte,
glühende, beide, neben, Boden, danach, herab, Freunde, kommt, ihr, her^
antwortete, entsprungen, verbrannt, Kameraden, würde, gefallen, Brüder,
Feuer, sechzig, fangen, zusammen, fremdes, Land, ziehen, alte Frau und
die Alte. (Diese grosse Zahl ist auf zwei Lektionen zu verteilen, ebenso
das Abschreiben des vorliegenden Abschnitts.)
Beim Buchstabieren der Wörter, deren Schreibweise bereits be-
kannten Regeln folgt, werden diese Regeln immer zu Hilfe genommen.
(Die Wörter werden erst im Lesebuch angeschaut, dann buchstabiert,
dann an die Tafel geschrieben, wobei besonders zu merkende Buchstaben
unterstrichen oder mit gelber Kreide geschrieben werden. Die Schüler
achreiben die Wörter ab, dann wischt man sie weg, lässt aus dem Kopf
buchstabieren und aufschreiben, bis keine Fehler mehr vorkommen.
100 I^as zweite Schuljahr
Beispiele: Strohhalm. Seht das erste Wort in der Übersehrift an!
Lest es! Was für ein Wort ist es? Bachstabiert die erste Hälfte!
Warum wird Stroh mit oh geschrieben? Buchstabiert die zweite Hälfte!
Wieviel h kommen in das Wort Strohhalm ? Warum? Buchstabiert mir
das ganze Wort vor, ich will es anschreiben! Auf die zwei h müsst
ihr besonders merken, ich unterstreiche sie (oder schreibe sie gelb).
Brüder: Wieviel Silben hat das Wort? Buchstabiert die erste
Silbe! Warum gross B? Warum ü und nicht i? Die zweite Silbe!
In welche Beihe gehört „Bruder" ?
fremdes: Wieviel Silben? Buchstabiert silbenweise! Das ganze
Wort! In welche Beihe? (Land, Freund, zünden.)
Nach der orthographischen Behandlung kann folgen:
a) Abschreiben eines Abschnitts. (Berücksichtigung der Satz-
zeichen!) Vorlesen des Geschriebenen, Verbesserung.
b) Silbentrennung. Sagt folgende Wörter silbenweise und
schreibt sie auch silbenweise (mit Trennungszeichen)! Kohle,
Bohne, Dorfe usw. (Oder gleich die Aufgabe: Schreibt die
fünf ersten Sätze Silben weise !)
c) Schreibt fünf Sätze aus dem Kopfe auf!
d) Diktieren eines Abschnitts.
3. Stufe. Vergleichungen : (Zur Auswahl!)
a) Stroh, Kohle, Bohne werden gedehnt gesprochen, die Dehnung
wird beim Schreiben durch h bezeichnet. (Hierbei wird auch
an die oben erwähnten Wortreihen erinnert. Z. B. Stroh
gehört zu Hahn, Kohle ebenfalls, desgleichen Bohne usw.)
Suppe, alle, wollen werden geschärft gesprochen, die Sehärfnng
wird durch doppelten Mitlaut bezeichnet. Sie, fiel, liebe sind
ebenfalls gedehnt, aber die Dehnung des i ist durch ie be-
zeichnet. Weitere gedehnte und geschärfte Wörter sind auf-
zusuchen (wohnte, ihr, nahm, dies, wie, ziehen, voll, gefallen,
wenn, verbrannt usw.). Dehnung und Schärfung sind nicht
bezeichnet bei von, in, an, nun, her, herab usw., hat aber
hätte.
b) Feuer, Freunde, Reisig, Brei, beide.
c) wollte, alte, beide, würde, zündete, legte, sagte, antwortete,
Freunde, werden, Boden, ft^emde.
d) alt, gekocht, verbrannt, gebracht, bald, fremd, Land, Kamerad,
Hand, Freund, glühend.
e) würde, wird, Brüder.
f) fing, fangen, springen.
g) Dorf, Torf.
h) Holz, Hau.
i) gebracht, kochen, darnach, sprach, legte, pflegte,
k) Beisig, sechzig, ich.
1) entsprungen, glühend.
m) eine Frau, eine Bohne, ein Topf, ein Strohhalm, ein Land,
n) in einem Dorfe, ins Feuer, in den Topf, in ein fremdes Land,
auf den Boden, neben einen Strohhalm.
Lesen und Schreiben 101
0) die alte Frau, die Alte. (Kann noch nicht verallgemeinert
werden, weil es noch an Stoff fehlt, wird deshalb für diesen
Fall gemerkt.)
4. Stnfe. Stellt zusammen
a) die gedehnten Wörter!
Mit h: Stroh, Kohle usw.
Mit ie: fiel, liebe usw.
b) die geschärften!
11: wollte, alle, voll.
pp: Suppe.
nn: wenn, verbrannt..
mni: zusammen, kommt.
c) te: wollte, alte, legte.
d) de: beide, würde, Freunde.
e) d: Kamerad, Land, Dorf.
t) Bg: fing, fangen.
g) ch: kochen, sprach.
h) g: legte.
i) ig: Beisig, sechzig, zwanzig.
k) ent: entgangen.
1) end: glühend.
Schreibt die Wörter in das „Wörterbuch^ (soweit sie nicht schon
darin stehen)!
m) die Frau, eine Frau, die Bohne, eine Bohne; der Topf, ein
Topf, der Strohhalm, ein Strohhalm ; das Land, ein Land, das
Stroh,
n) wo? in einem Dorfe.
wohin? in den Topf, auf den Boden, neben einen Stroh-
halm, in ein fremdes Land, ins (in das) Feuer.
5. Stufe.
a) Diktat: Strohhalm, Kohle und Bohne wollten in ein fremdes
Land ziehen. Die alte Frau hatte Bohnen in den Topf ge-
schüttet. Viele Bohnen waren in einem Topfe. Auf dem
Feuer lagen viele Kohlen. Der Strohhalm fiel auf den Boden.
Auf dem Boden lagen auch die Kohle und Bohne. (Die ge-
sperrten Worte sollen die Schüler auf die Frage wo ? und wo-
hin ? selbst angeben.) Das Diktat kann sich auch auf andere
Ergebnisse — vierte Stufe a bis m — beziehen.
b) Schreibt die Überschriften auf!
c) Schreibt zu jeder Überschrift einen Satz!
102 -Das zweite Schuljahr
2. Das Schönschreiben
Literatur: Hesse, K. A. J. Der Schreibunterricht, ein Versuch,
die Methode dieses Unterrichtsgegenstandes auf Psychologie zu basieren
und den Einfiuss desselben auf die sittliche und intellektuelle Bildung
nachzuweisen. Schweidnitz. 1860. — Dietlein, H. K. Wegweiser für
den Schreibunterricht Leipzig, Klinkhardt. 1876. — Hey, C, Die
Methodik des Schreibunterrichts. (In Kehr, Geschichte der Methodik.
2. Band. Gotha. 1878. — Zschille, K. A. Elementar-Schreibschule.
Leipzig. 1845. — Neff, Taktschreibmethode nach Schreuer. Heidel-
berg. 1846. — Hertzsprung, P.W. Lehrbuch der Kalligraphie. Berlin.
1854. — Ruckert, A. J. Die Steilschrift des deutschen und lateinischen
Alphabets und der Ziffern. Würzburg, Staudinger. 1892. 3 M. — Rück er t,
Über das Wesen und die Ziele der senkrechten Steilschrift. Würzburg,
Staudinger. 1893. — Schubert, Dr., über Heftlage und Schriftrichtung.
Hamburg, Voss. 1890. — Opp ermann, H. W., Über Schreibhaltung,
Heftlage und Schriftrichtung. (In Pädagog. Blätter für Lehrerbildung
und Lehrerbildungsanstalten. 1894 No. 3. Gotha, Thienemann.) — Fuchs,
Dr. E., Die Ursachen und die Verhütung der Blindheit. Wiesbaden. 1885.
Janke, Körperhaltung und Schriftrichtung. Pädag. Magazin Heft 22.
Langensalza. 1893. Janke, Schreiben und Schrift. Enzyklopädie der
Päd. V. Prof. Dr. W. Rein. Band VL Langensalza. Baginsky-Janke,
Handbuch der Schulhygiene. Stuttgart 1898. L o b s i e n , M., Über Schreiben
und Schreibübungen. Deutsche Blätter f. e. ü. 34. Jahrg. No. 9 — 17.
Langensalza 1907.
I. Die Auswahl des Stoffs
1. Unter „ Schreiben ** versteht man in der Schale Übangen im
Anfsatzschreiben, Rechtschreiben und Schönschreiben. Wenn nun schon
der Betonung des Rechtschreibens in der Volksschule von gewichtiger
Seite (Raumer, Gesch. der Pädagog. III. S. 117) Bedenken entgegengestellt
worden sind, so ist es nicht zu verwundern, dass der ünterrieht im
Schönschreiben noch viel mehr Angriffe erfahren hat, da es derselbe ja
eigentlich bloss mit den Schriftformen zu ton hat. Wiederholt ist
ausgesprochen worden, die Volksschule habe nicht die Aufgabe, Kalli-
graphen zu bilden; bei ihrer sehr beschränkten Zeit habe sie wichtigere
Dinge zu tun, als schöne Buchstaben malen zu lassen, auch habe die
Mehrzahl der Schüler später gar keine Gelegenheit, von der mühsam
erworbenen Fertigkeit Gebrauch zu machen. (Vergl. hierzu Kellner,
Aphorismen 62.)
Nun muss allerdings zugegeben werden, dass die Form der Buch-
staben für den Inhalt des Geschriebenen gleichgiltig ist. (Mancher sehr
bedeutende Mensch und Schriftsteller hat eine recht schlechte Handschrift
geschrieben. „ Gelehrte ** und „schwer lesbare^ Handschrift gelten ja in
manchen Kreisen noch heute als gleichbedeutend.) Die Erzeugnisse der
Kalligraphen, Firmenschreiber u. dgl. lassen sich mit schriftstellerischen
Arbeiten überhaupt nicht vergleichen.
Gleichwohl lässt sich unschwer nachweisen, dass dem Schönschreib-
unterricht in der Volksschule eine Stelle einzuräumen ist.
Das Schönschreiben 103
Das praktische Leben fordert zunächst, dass in der Volksschale
nicht bloss geschrieben, sondern dass auch klar und deutlich und
fliessend geschrieben wird. Denn ohne Erfüllung dieser Forderungen
ist das Schreiben für den Schüler ziemlich wertlos, um ihnen aber ge-
recht zu werden, genügt es erfahrnngsgemäss nicht, dass die Schüler so
nebenbei, wenn es gerade gebraucht wird, einige Unterweisungen im
Schreiben erhalten. Besonderer Unterricht mit vielen Übungen hat
bis jetzt nicht entbehrt werden können. Wenn das aber der Fall ist,
«0 handelte man doch töricht, wenn man den Belehrungen und Übungen
unklare und unschöne Formen zugrunde legen wollte. Zu der Erkenntnis
>ist man nun doch gekommen, dass die „schönen Formen^ für die Erziehung
eines Menschen nicht so unwesentlich sind, wie man vielfach gemeint
hatte. Wir schreiben deshalb auch dem S c h ö n Schreibunterricht einen
nicht unbedeutenden Wert zu. Denn er weckt und pflegt den
Sinn für Reinlichkeit, Ordnung und Schönheit und stellt
an den Schüler die Forderung, seine Arbeit möglichst
vollkommen, mit Anstrengung aller Kräfte zu tun.
Das ist aber für die Erziehung eine sehr wichtige Sache und nicht
erst in der Neuzeit erkannt worden. So schreibt Hesse (s. Literatur):
^Das Schöne wirkt sittlich, indem es die Omnipotens des Nützlichen
hindert und grobsinnige Genüsse verachten lehrt.*) Der Geschmack am
Schönen bedingt aber gewissermassen die Reinlichkeit, und umgekehrt
bricht der Sinn für Reinlichkeit die Bahn für die sittliche Wirkung des
Schönen. Je grössere Sorgfalt die Schüler auf ihre Schrift verwandt
haben, desto grösser wird die Achtsamkeit sein, sie durch Unreinlichkeit
nicht zu verunstalten. — Wenn man bedenkt, wie oft diese einzige
Untugend imstande ist, das Glück des ganzen Lebens zu zerstören, wie
«ie sich selbst auf künftige Generationen fortpflanzt und gleichverderbliche
Wirkungen äussert, so wird der Lehrer das, was er dafür tun kann,
gewiss nicht für unwichtig halten.''
Ferner stellt sich der Schüler beim Schönschreiben dem Schönen
nicht bloss beobachtend und empflndend gegenüber, sondern handelnd;
und zwar ist es eine der ersten Handlungen, die dem Kinde in der
Schule zugemutet wird. Hierbei wird der Grund gelegt zu Sorgfalt und
Genauigkeit, zu andauerndem Fleiss, aber auch zu den entgegengesetzten
Fehlenii die den Menschen für jedes Geschäft unzulänglich und un-
brauchbar machen. (Es ist eine bekannte Erfahrung, dass eine schöne
Handschrift ebenso empfehlend wirkt, wie ein ansprechendes Äussere, und
dass schon „mancher junge Mensch durch dieselbe sein Glück gemacht
hat.«)
2. Wenn dem Schönschreibunterricht Förderung des Sinns für das
Schöne zugesprochen wurde, so musste vorausgesetzt werden, dass man den
Schriftformen überhaupt Schönheit zuschreiben kann. Worin besteht aber
diese Schönheit? In dem Sinne, in dem wir von der Schönheit einer
Statue oder eines Gemäldes sprechen, können wir allerdings die Buch-
*) Den weitern Nachweis hierfür S. Hesse, der Schreibunterricht.
§ 40. Der sittliche Wert des Schreibunterrichts.
104 ^&s zweite Schuljahr
Stäben nicht schön nennen. Denn einem Buchstaben liegt keine Idee
oder künstlerische Aufgabe zugrunde, die durch seine Form zum Ausdruck
gebracht werden soll. Da die Buchstaben aber nicht einzelne Elemente
(z. B. Punkte) sind, sondern Zusammensetzungen aus geraden oder krummen
Linien, so sind die Bedingungen des ästhetischen Wohlgefallens und
Missfallens hinreichend gegeben. (Hierbei woUen wir gleich bemerken:
je mehr die gebogene Linie vorherrscht, desto schöner werden wir einen
Buchstaben nennen können. Deshalb gelten die Grossbuchstaben, welchen
der Schwung und die Wellenlinie in grösserem Masse eigen ist, allgemein
als die schönsten; und unter den verschiedenen Schriftgattungen der
Schreibschrift erkennt man ebenso allgemein der sog. englischen
Schrift den Preis zu.) Den Eindruck des ästhetischen Wohlgefallens
macht aber die Schrift besonders durch Begelmässigkeit, Symmetrie,
Gesetzmässigkeit, und durch Vollkommenheit der Ausführung ihrer Teile.
Diese Eigenschaften schliessen aber schon recht hohe Forderungen
in sich. Schon zur Regelmässigkeit und Symmetrie gehört viel. Stock -
mayer (Schmids Encyklopädie VII, S. 748) rechnet dazu folgendes: a)
Jeder Buchstabe muss vollständig und rein ausgeführt werden; es
darf kein Teil fehlen, aber es ist auch keine Zutat, z. B. Bogen und
Schnörkel, zu gestatten, b) Grundstriche und Haarstriche müssen
sich in der Stärke wohl unterscheiden, c) Die Höhen oder Längen der Buch-
staben müssen gleichmässig sein oder in richtigem Verhältnis zu ein-
ander stehen. Ein kurzer Buchstabe muss durchweg so hoch als der
andere, ein langer ebenso lang als der andere sein. Es sind also alle
die Vorschriften zu verwerfen, in denen einzelne Grossbuchstaben höher
sind als die andern. (Auch die geringere Länge des t in der englischen
Kurrent kann nicht als berechtigt angesehen werden. Über das richtige
Verhältnis der Höhen ist man etwas verschiedener Ansicht Als fest-
stehend kann gelten, dass die Länge der Hochbuchstnben der Länge der
Tiefbuchstaben gleich sein muss. In vielen neueren Alphabeten ist das
Verhältnis der Grundhöhe zur Gesamthöhe, z. B. das n zum f wie 1 : 7
in der deutschen , wie 1:5 in der englischen Kurrent angenommen.
Die sogenannten Steilschrift- Alphabete haben 1 : 4 bis 1 : 5. Es treten
auch Bestrebungen auf, die 1:2 oder 1 : IV2 vorschlagen, um mehr
Übereinstimmung mit der Druckschrift herbeizuführen.) d) Die Bjchtung
der Grundstriche muss durchaus die gleiche sein, e) Die Grundstriche
der einzelnen Buchstaben müssen immer dieselbe Entfernung haben.
(Damit ist nicht gemeint, dass die Grundstriche aller Buchstaben in
der Entfernung übereinstimmen müssen, z. B. n und e, e und a.) f) Die
Schleifen müssen rein ausgeführt sein, so dass die Striche nicht zu-
sammenfliessen und die Weite und Länge der Oberschleifen ebenso gross
ist, als die der Unterschleifen usw. g) Sämtliche Buchstaben eines
Wortes sollen zusammenhängen. (Bei einigen Buchstaben geht das
nicht, z. B. beim deutschen x und I.) — Es ist zu beachteUi dass An-
fang und Ende eines jeden Buchstaben merklich begrenzt sein müssen,
sonst fehlt die Deutlichkeit, h) Die Bäume zwischen den einzelnen
Wörtern müssen gleich gross sein (etwa so gross als ein n). i) Die
Buchstaben der verschiedenen Linien sollen die rechte Ent-
Das Schönschreiben 105
fernnng von einander haben. (Die Unterlängen der obern und die
Oberlängen der untern Linie dürfen weder in einander übergreifen, noch
zu weit von einander abstehen. Zwischen zwei Zeilen soll man noch
eine Linie ziehen können, ohne damit die langen Buchstaben zu be-
rühren.)
Begelmässigkeit und Symmetrie allein machen aber noch keinen
schönen Eindruck, es darf dabei nicht die Anmut fehlen. Diese fordert
aber nicht nui*, dass jeder Zug in möglichster Vollkommenheit ausgeführt
wird, dass z. B. Licht und Schatten richtig verteilt sind, dass die Über-
gänge ans dem Starken ins Feine ganz allmählich geschehen, dass die
Schleifen nicht bauchig oder hager, die Bogenlinien mehr dem Oval als
dem Kreise entnommen sind, sondern auch, dass jeder Zug mit Frei-
heit und Sicherheit geschrieben ist.*)
3. Wie hoch soll nun die Volksschule in Beziehung auf die ge-
nannten Eigenschaften ihr Ziel stecken? Eine für alle Fälle zutreffende
Antwort hierauf kann man wohl nicht geben ; es wird bei jeder einzelnen
Schule die Erwägung anzustellen sein, ob nach Erreichung einer gewissen
Höhe durch Anstrebung eines noch höheren Ziels im Schreibunterricht
die Schüler in ihrer Gesamtausbilduug noch wesentlich gefördert werden,
oder ob dies durch andern Unterricht, dem der Schönschreibunterricht
die Zeit wegnimmt, nicht noch mehr geschehen könne.*'*') Auf den
Oberstufen wird der Schreibunterricht sich jedenfalls mit weniger Stunden
begnügen müssen (in besonders günstigen Verhältnissen ganz wegfallen
können), als auf den Unterstufen. (Die Lehrpläne weisen ihm hier ge-
wöhnlich 2 bis 4, oben 2 Stunden an.) Dieselbe Erwägung entscheidet
auch über die Zahl der zu lehrenden Schriftarten. Für mehr
*) Von einer guten Schrift fordert man auch Konsequenz und
einen bestimmten Charakter, was man gewohnlich eine ^ausge-
schriebene Hand** nennt. Die wird nicht gelehrt, sondern erworben. Man
begegnet wohl auch der Forderung, alle Schüler einer Schale oder eines
Landes sollten dieselbe Handschrift haben. Ob man dabei wohl daran
gedacht hat, dass es einen „Charakter der Handschrift" gibt, der stets
individuell ist? Wollen doch manche aus der Handschrift den Charakter
eines Menschen überhaupt beurteilen können! Die beregte Forderung
dürfte auf einem Missverständnis beruhen: Man hat gehört von „Gleich-
mästtigkeit der Handschrift**, das ist „Konsequenz" and hat gemeint, da-
runter sei „Gleichmässigkeit (Uniformität) der Handschriften** zu ver-
stehen. Dass man in einer Schule einen einheitlichen Duktus verlangt,
ist selbstverständlich; dass man einen solchen wohl auch für ein ganzes
Land fordert, ist erklärlich, da die Lehrer und auch viele Schüler öfter
die Schalen wechseln.
**) Im allgemeinen kann man Die tl eins (Wegweiser S. 20) For-
derungen zustimmen : „Der Schreibanterricht befähige die Schüler in einer
den Anforderungen der Pädagogik und Didaktik streng entsprechenden,
also in einer wahrhaft erziehenden und bildenden Weise dahin, dass sie
die herkömmlichen und gebräuchlichen, in ihren Elementen geistig klar
anfgefassten Schriftzeichen für den Gedankenausdruck, einzeln und ver-
bunden kennen und verstehen, und in deutlichen, gefälligen und ange-
nehmen Formen geläufig, sicher und schnell versichtlichen lernen, und
zwar mit stets gegenwärtiger Vorstellung und klarem Bewusstsein des
die Schriftzeichen erfüllenden Inhalts.**
106 I^Äs zweite Schuljahr
als zwei — deutsche Kurrent- uod lateinische Kursivschrift nebst den
Ziffern — wird die Volksschule nur bei Ausnahmeverhältnissen Zeit
haben. Es würde für sie schon eine Schriftart genügen, wenn in
Deutschland nicht zwei allgemein gebräuchlich wären. Welcher von
beiden die Volksschule vorläufig noch den Vorzug zu geben hat, ist
zweifellos, da die grosse Mehrzahl des Volkes sich noch der deutschen
Kurrent bedient. (Welcher „Duktus" derselben der schönste sei, wird
wohl so lange unentschieden bleiben, als der Geschmack noch verschieden
ist. „Die Gosky-Henzesche deutsche Preis -National -Handschrift"
ist ebenso wenig als solche anerkannt worden, als andere „National-
Handschriften".) Wenn man aber berücksichtigt, dass durch den Schreib-
unterricht der Schönheitssinn der Schüler gebildet werden soll, so ver-
dient ganz besondere Berücksichtigung die lateinische (englische) Kursiv-
schrift, „bei welcher bekanntlich das Oval vorherrscht, und die deshalb
in bezug auf ihre wirklich schönen Formen, auf ihre Abrundung und
Geschmeidigkeit der Schriftzüge und ihrer besonderen Eignung zu Ver-
zierungen, Titeln usw. wegen, unsere Schrift und die aller Nationen
übertrifft."*)
*) Die Frage, welcher Schriftart der Vorzug zu geben sei, ist sehr
lebhaft erörtert worden. Sowohl die deutsche als die lateinische haben
beredte Verteidiger aufzuweisen. Die Verteidiger der deutschen Schrift
behaupten: ,,Die deutsche Kurrentschrift ist Nationalschrift, in der sich
der Typus unserer Nation abspiegelt. Ihr Charakter ist Festigkeit, Be-
stimmtheit, Schärfe und Deutlichkeit; nicht ein grossartiger Handel und
Wandel hat sie bedingt, gebildet und geformt, sondern vielmehr das tiefe
Studium der Wissenschaften und Künste." — Dagegen sagt Jakob Grimm
(Deutsche Grammatik, Einleitung S. 26): „Es geschieht ohne vernünftigen
Grund, dass man diese verdorbene Schrift, wie sie zur Zeit der erfundenen
Druckerei sich gerade gebildet hatte, eine gotische oder deutsche nennt. Die
Goten waren längst ausgestorben, und ausser in deutschen Handschriften
und Drucken herrschte die scharfeckige Buchstaben form ebenso in allen
lateinischen, französischen, italienischen, slavischen. Nachdem die meisten
übrigen Nationen in Europa zu der edleren und gefälligeren Gestalt der
Schrift zurückgekehrt sind, hat sich unter uns, zum Teil auch nocli den
Dänen, Schweden, Finnen, Lithauern, Wenden und Böhmen jenes verzerrte
Alphabet für die Schrift und den Druck einheimischer Sprache im Gegen-
satz zur lateinischen behauptet: es könnte mit gleichem Fug z. B. das
böhmische wie das deutsche heissen und darf durchaus nicht für eine or-
ganische Modifikation der lateinischen Schrift zum Behuf der deutschen
Sprache gelten. — Nicht genug, dass diese Schrift das Auge beleidigt,
Schreiben und Druck mühsamer macht, sie hindert auch die Verbreitung
unserer Literatur im Auslande.*' — Es ist sehr möglich, dass die lateinische
Schrift schliesslich die deutsche wieder verdrängt. Viele wissenschaft-
liche Werke werden bereits mit lateinischen Lettern gedruckt, und fast
jedes Schriftstück des vielschreibenden Kaufmannstandes sei^t zwischen
der deutschen Kurrent auch lateinische Charaktere, die sich hei dem regen
Verkehr mit Engländern und Franzosen allmählich eingeschlichen haben.
Im Jahre 1860 wurden nur 21^4% aller Erzeugnisse des deutschen Bach-
handels in Antiqua gedruckt, im Jahre 1898 aber 40^*70 • (W. Schubert,
Neue Bahnen 1906. Dezemberheft.) „Drei Genien sind vereinigt uns das
Bessere zu bringen : der Genius der pädagogischen Wissenschaft, aer Genius
der kalligraphischen Kunst und endlich der klugäugige Genius des prak-
tischen Lebens^ (Hirsche, Rhein-Blätter 1872, S. 147.)
Das Schönschreiben 107
4. Insofern die Bachstabenformen der eigentliche Gegenstand des
SchöDSchreibanterrichts sind, ist der Stoff für mehrere Schuljahre teilweise
derselbe, nar wird man in jedem Schuljahr vollkommenere Formen ver-
langen. Ausser den Buchstabenformeu ist aber auch noch ein anderer
Schreibstoff in Erwägung zu ziehen; denn die Buchstaben werden ja
nicht nur einzeln geübt, sondern auch mit andern zusammengestellt.
Sinnlose Buchstabenverbindungen wird man dabei möglichst vermeiden.
Je weiter der Unterricht fortschreitet, desto mehr Übungswörter stehen
zur Verfügung. Welchen Gebieten soll dann der Übungsstoff entlehnt
werden? Manchem Schreiblehrer macht diese Frage wenig Kummer: er
meint, die „genetische" oder alphabetische Folge der Buchstaben sei
allein zu berücksichtigen; heute wird geschrieben: „Morgenstunde hat
Gold im Munde", morgen: „Nürnberg ist eine Stadt in Bayern". Wir
meinen, dass die Konzentrationsidee auch hier leitend sein kann und soll.
Zweckmässig wird man also den Schreibstoff, und zwar immer für eine
längere Zeit, einem andern, gleichzeitig behandelten Unterrichtsgegenstand
entnehmen. Das nächste Anrecht auf Berücksichtigung hat wohl der
Sprachunterricht. Der Schönschreibunterricht wird deshalb Rücksicht
nehmen auf das Lautieren, Buchstabieren und Lesen, auf die Rechtschreib-,
Zeichensetzungs-, Wort-, Satz- und Aufsatzlehre.*) Alle diese verwandten
Lehrgegenstände kann er unterstützen, fördern und ergänzen. In höhern
Klassen eignen sich als Schreibstoff besonders die sogenannten Geschäfts-
aufsätze, die eine bestimmte Form verlangen (Briefe, Quittungen, Rech-
nungen). Ausserdem können in den letzten Schuljahren auch die Rein-
Bchrif ten der deutschen Arbeiten zugleich die Übungen im Schönschreiben sein.
Wenn auf diese Weise der Schreibunterricht den andern Unterricht
unterstützt, so kann und muss er von diesem denselben Dienst
verlangen; sonst ist er zum grossen Teil zwecklos.**) W^o
*) Es ist durchaus nicht nötig, dass der einzuübende Buchstabe der
Anfangsbuchstabe der zu schreibenden Wörter oder Sätze ist; er soll
nur eine hervorragende Stelle in denselben einnehmen. Nicht nach
den Anfangsbuchstaben sollen die Wörtergruppen gebildet werden, sondern
nach ihren orthographischen Eigentümlichkeiten oder ihrem Inhalt. (Ver-
gleiche „Deutscher Unterricht", dritte bis fünfte formale ünterrichtsstufe.)
£3 ist femer auch nicht nötig, das Wort „genetisch" strengstens zu nehmen,
besonders nicht in spätem Schuljahren, wenn das Alphabet in den vor-
hergehenden schon ein- oder mehreremale durchgenommen worden ist;
man hat sonst für die ersten Buchstabenfamilien äusserst wenig, für die
letzten überflüssig viel Schreibstoff zur Verfügung.
**) Vergleiche hierzu den sehr beherzigenswerten Artikel imEvang.
Schulblatt (1882 Seite 371). Dort heisst es: „Acht Jahre lang besuchen
die Kinder die Schule und fast vom ersten Tage an wird im Durchschnitt
täglich wenigstens eine Stunde geschrieben, macht in acht Jahren rund
2000 Standen! Und welches ist das Resultat? Man besehe einmal die
Leistungen genau, aber nicht bloss die trügerischen Scheinleistungen,
nicht bloss das, was in die Schönschreib- und Aufsatzhefte gezeichnet
zu werden pflegt, sondern auch das, was der Schüler für sich schreibt,
das, was aussernalb des Lobes und Tadels, ausserhalb der Kontrolle des
Lehrers steht, das, was keine Parade mitzumachen braucht; ja, man sehe
daraufhin nur einmal seine eigene Handtrchrift an. — Welches ist nun
aber die Ursache solcher geringen Resultate der ungeheuren Übungen?
108 I^as zweite Schuljahr
mehrere Lehrer in einer Klasse beschäftigt sind, wird das leider nicht
immer berücksichtigt! Die Forderung mnss aber lauten: Alle schrift-
lichen Arbeiten (selbst das schriftliclie Bechnen) sind auch der
Beurteilung nach der kalligraphischen Seite hin unter-
worfen. „In Schulen wo ein besonderer Schreiblehrer für alle Klassen
angestellt ist, müsste daher demselben das vollste Becht der Einsichtnahme,
Beurteilung und Korrektur aller Hefte zustehen, wenn anders das in den
untern Klassen mühsam Erworbene nicht in den obern wieder gänzlich
verloren gehen soll.**
5. Verteilung des Unterrichtsstoffs auf acht Schul-
jahre:
I. Schuljahr. Die Schreibübungen schliessen sich an die Lese-
übuDgen an. Besondere Stunden für das Schönschreiben gibt es noch
nicht.
IL Schuljahr. Beginn der Schreibübungen mit Feder und Tinte.
Das kleine und grosse deutsche Alphabet.*) (Wöchentlich zwei Standen.)
Wörter möglichst der 4. Stufe des deutschen Unterrichts entnommen.
IIL Schuljahr. Das kleine und grosse deutsche Alphabet. Ziffern.
(Wöchentlich zwei Stunden.) Wörtergruppen aus dem deutschen Unter-
richt. (Hauptziel für das 2. und 3. Schuljahr : Übung im Gebrauch von
Feder und Tinte, saubere Führung der Schreibhefte.)
IV. Schuljahr. Das kleine und grosse deutsche Alphabet. (Wöchent-
lich zwei Standen.) Wörtergruppen und kleine Sätze. Fehlerhaft oder
schlecht geschriebene Buchstaben werden nochmals gründlich gelehrt und
geübt wie im dritten Schuljahr. — Die ersten Familien* des englischen
Alphabets. Ziffern.
V. Schuljahr. Das deutsche Alphabet wie im vierten Schu^abr.
Das englische Alphabet. (Wöchentlich zwei Stunden, deutsche und eng-
lische Schrift wechseln ab.)
VI. Schuljahr. Übungen in beiden Schriftarten abwechselnd.
Wörtergruppen, Sätze. Dabei, so oft nötig, Wiederholung der Buchstaben-
elemente und Verbesserung ^schlecht geschriebener Buchstaben. (Wöchent-
lich zwei Stunden.)
Ist vielleicht das Schreiben eine so überaus schwere Kunst? Oder kommt
vielleicht das Ästhetich -Geometrische der Formen und Züge nicht ge-
nügend zur Anschauung und Übung? — Die Ursachen des Übels liegen
zunächst darin, dass man Wissen und Handeln, Kenntnis der richtigen
und guten Formen und beständiges Schreiben diesen erkannten idealen
Formen gemäss nicht stets und überall in Einklang zu bringen bestrebt
ist, darin, dass man zweierlei Schreibunterricht betreibt, oder doch
wenigstens zweierlei Schreiben duldet: ein Schönschreiben nach idealen,
mustergiltigen Formen und ein Schlechtschreiben, Kladdeachreibeu oder
doch wenigstens ein nachlässig-gleichgiltiges Schreiben, das bald
mehr, bald weniger jedem ästhetischen Ideal Hohn spricht; darin, dass
wir in der Schönschreibstande oft kaum wissen, wie wir die Buchstaben
beschnörkeln und ausputzen lassen wollen und bei dem Schreiben in das
Aufsatzheft, in das Diarium und auf die Schiefertafel wenig oder gar
kein achtgeben auf die Formrichtigkeit der Buchstaben.**
*) Kleine und grosse Buchstaben derselben Familie werden zusammen
geübt; das grosse Alphabet also nicht erst nach Beendigung des kleinen.
Das Schönschreiben 109
VII. und VIU. Schuljahr. Grössere Sätze. (Inhalt längere Zeit
hindurch einem ünterrichtsgeg anstand entnommen.) Reinschriften, Brief-
aofschriften und andere Postsachen, Geschäftsaufsätze. (Lassen die Ver-
h<niflse es wünschenswert erscheinen, so können die bessern Schreiber
noch eine andere Schriftart, z. B. die Bundschrift erlernen.)
2. Die Bearbeitung des Stoffs
Wie andere Unterrichtsfächer, hat auch der Schreibunterricht eine
grössere Anzahl sogenannter „Methoden^ aufzuweisen. So fuhrt C. Hey,
(„Geschichte der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts", heraus-
gegeben von G. Kehr, B. 2) folgende Methoden auf: das mechanische
Verfahren, die genetische Methode, die Linearmethode, die Carstairsche
Methode, die Taktschreibmethode, die stigmographische, die Oliviersche,
die Denzelsche, die Grasersche, die Lehmannsche, die' Demetersche, die
Überadeh-Methode, die Schmittsche, Wiedemannsche, Bunzelsche oder pantachy-
kalligraphische Methode. Er hat damit aber nur die bekanntesten genannt;
denn noch viele andere Schreiblehrer haben ihr Verfahren als eine be-
sondere „Methode^ angesehen und manchmal recht marktschreierisch bekannt
gegeben. Uns interessieren hauptsächlich nur das mechanische und
das genetische Verfahren, weil jenes den Schreibunterricht der
alten, dieses den der neuern Zeit charakterisiert. Das mechanische Ver-
fahren bestand in einem stummen Vor- und Nachmachen. Nachdem die
Schreibhefte ausgeteilt waren, malten die Schüler nach Vorschriften, die
entweder auf Papierstreifen oder gleich ins Heft gedruckt, im glücklichsten
Falle an die Wandtafel geschrieben waren, die Buchstaben oder Wörter
naeb, so gut sie eben konnten. Von einer Zerlegung, Beschreibung und
Auffassung der Buchstabenformen war dabei keine Rede. Der Unterricht
war meist Einzelunterricht; der eine Schüler schrieb schnell, der andere
langsam, der eine weitläufig, der andere eng, der eine dies, der andere
jenes. Die Arbeit des Lehreres bestand hauptsächlich im Überwachen
des Ansteilens der Hefte und der Vorschriften, vielleicht auch im An-
schreiben der letztern, in allgemeinen Ermahnungen, wie: „gebt euch
rechte Mühe! Seht die Vorschrift genau an! Schreibt recht langsam!"
Hatte ein Schüler eine Seite voll geschrieben, so zeigte er sie dem Lehrer,
der sein Urteil darüber abgab, vielleicht auch einige falsch geschriebene
Buchstaben verbesserte. Den Schreibanfängern musste wohl auch „die
Hand^ geführt werden. Die Schreibstunde wurde vielfach als willkommene
Erbolongsstonde angesehen, eine Auffassung, der man bei Laien auch
noch heute begegnet. Kellner durfte deshalb sagen (Aphorismen 62):
„Es gibt keinen trostloseren Unterricht in unsern Volksschulen, als den
nach dem gewöhnlichen Mechanismus erteilten Unterricht im Schön-
ichreiben.'
Dieser Zustand des Schreibunterrichts kann als überwunden be-
zeichnet werden; die Schreiblehrer huldigen jetzt wohl alle der ^genetischen
Methode^. Sie ist durchaus nicht eine Entdeckung der Neuzeit; denn
als Vater derselben wird kein Geringerer als Albrecht Dürer
(Vnderweysung der messung mit dem zirkel und dem richtscheyt.
110 I^as zweite Schuljahr
Nürnberg. 1538) aDgegeben. Das Wesen dieser „Methode" besteht in
folgendem : Alle Schriftzeichen werden in ihre Elemente (Grandzüge) zer-
legt, diese gelangen erst einzeln, dann auch in ihren Zasammensetzungen
znr Einübung. Die Reihenfolge wird bestimmt darch die Einfachheit nnd
„Ableitung'^ der Buchstaben. Hauptsache ist die klare Erkenntnis
der Schriftelemente, sie bietet dem Schreibunterricht die natur-
gemässe, sichere Grundlage. ^Bevor der Schüler einen Buch-
staben schreibt, soll er eine vollkommen klare Vor-
stellung von demselben haben, die. gewonnen wird durch gründ-
liche Anschauung und scharfe Auffassung der Elemente."
Der Grundgedanke der „genetischen Methode" ist ohne Zweifel
richtig. Ein Eingehen auf die Elemente — hier also auf die Schrift-
elemente — kann bei keinem methodischen Unterricht entbehrt werden.
Der Schreiblehrer muss mit denselben selbstverständlich vollkommen ver-
traut sein. Wir geben hier zunächst eine Übersicht derselben und
schliessen uns bei ihrer Benennung meist der weit verbreiteten Schrift
von Dietlein (s. Literatur) an.
A« Die Grundzüge nnd Bachstabenformen
Sowohl beim kleinen als beim grossen Alphabet der Schreibschrift
treten vier Elemente — Grundzüge — auf, die für die Schrift wesent-
lich sind, nämlich: Grundstrich, Eeilstrich, Oval rechts und Oval links
(beim kleinen Alphabet); Oval rechts und Oval links, F-Zug und U-Zug
(beim grossen Alphabet). (Die einfache Antiqua kommt mit zwei Ele-
menten aus : dem Grundstrich oder Stab und dem Halboval.) Die Grund-
züge sind aber nicht geometrisch konstruiert und nicht in allen Buch-
staben von gleicher Grösse und gleicher Form; auch stehen sie in der
gebräuchlichen Schrift nicht unvermittelt nebeneinander, sondern sind
durch weitere Züge (Anstriche, A,ufstriche) miteinander verbunden.
Ferner tritt in der Schrift noch der Punkt auf, welcher das i auszeichnet.
(Auch den Schleifenpunkt kann man noch besonders nennen).
Vom geometrischen Gesichtspunkt könnte man alle Schriftelemente,
die wir in der Volksschule unbedenklich sämtlich „Grundzüge" nennen,
in drei Gruppen bringen:
1. Punkte.
2. Gerade und fast gerade Linien.
a) Die wagerechte Linie.
b) Schräge Linien.
aa) Aufstriche: 1. Der kurze Aufstrich. (In der eng-
lischen Eurrent viel steiler als in der deutschen. In jener
kommt noch dazu der Aufstrich mit angehängtem Punkt:
c-Ans trieb, und mit angehängtem Häkchen: ^-An-
strich.)
2. Der lange Aufstrich (Anstrich), der beim Schreiben
nach links oder rechts gebogen wird.
bb) Abstriche: 1. Der kurze Abstrich (Grundstrich).
2. Der lange Abstrich (nur in der englichen Kurrent).
Das Schönschreiben Hl
3. Der zugespitzte Abstrich (verkehrte Keilstrich).
4. Der verstärkte Abstrich (Keilstrich).
5. Der linke und rechte Schleifenstrich.
6. Der feine Abstrich (nur Verbindungslinie im z
des englichen Alphabets).
3. Gebogene Linien (Teile des Ovals).
a) Teile des einfachen (schrägstehenden) Ovals.
aa) Das Oval ist von oben nach unten in zwei gleiche Teile
geschieden: linker und rechter Seitenbogen oder
Halboval links und rechts. (Manche Schreiblehrer lassen
durch Verbindung mit einem Anstrich die linke und rechte
Schleife, und durch Zusammenziehung derselben den
linken und rechten Schleifenpunkt entstehen. Die meisten
Handschriften haben aber eine viel flachere Schleife.
bb) Das Oval ist wagrecht in zwei gleiche Teile geschieden:
oberer und unterer Halbbogen. (Durch Ansetzen
eines Aufstriches mit einer Verbindungslinie entsteht der
obere und untere Schleifenpunkt, der aber, wie
bereits erwähnt, auch von den Seitenbogen abgeleitet
werden kann. (W^elclie Ableitung den Schülern vorzu-
führen ist, ergibt sich aus den für die Schule massgebenden
Musterformen.)
b) Teile des zusammengesetzten Ovals.
aa) Zwei aneinander stossende Ovale beginnen und endigen
in gleicher Höhe. Geht man aus dem ersten (rechts
herum) in das zweite über, so entsteht die Schlangen-
linie (U-Zng); geht man aus dem zweiten (links herum)
in die erste über, so erhält man die Flammenlinie
(F-Zug).
bb) Das zweite Oval steht höher als das erste. (Man stellt
das zweite rechts so an das erste, dass es bis zum obern
Drittel oder Viertel desselben herunterreicht.) Geht man
aus dem untern in das obere (rechts herum), so entsteht
die tiefe Wellenlinie (oder kurze Schlangenlinie).
Legt man zwei flache Ovale aufeinander, so erhält man
beim Obergang aus dem einen in das andere die flache
Wellenlinie.
Ausdrücklich sei bemerkt: die Form der Grundzüge ergibt
sich aus den Buchstaben in Musteralphabeten; nicht aber
werden die Buchstaben nach den angenommenen, geome-
trisch bestimmten und beschriebenen Elementen umge-
formt. Ein mit geometrischer Genauigkeit konstruiertes Alphabet macht
den Eindruck eines gekünstelten und kann auch nicht als historisch be-
rechtigt nachgewiesen werden. (AVir verwerfen deshalb auch das Ein-
zwängen aller Buchstaben in ein Quadratnetz, wie es z. B. Z schule
dorcbgeffihrt hat, uud wie es auch in neuern Schreibheften noch manch-
mal auftaucht.)
Zu den einzelnen Grundzügen sei noch folgendes bemerkt:
112 Das zweite Schuljahr
1. Der Punkt. Er soll stets mit einem Drnck der richtig ge-
haltenen Feder ausgeführt werden; (dabei nicht „ringeln!^) Seine Stelle
ist ein Drittel der Orundstrichslänge genau über dem Grundstrich. Ge-
setzt wird er erst nach Vollendung des Buchstabens bezw. Wortes.
2. Der kurze Aufstrich. Er wird von manchen Schreiblehrern
mit dem Handgelenk ausgeführt. Die Hand ermüdet aber weniger, wenn
er (ebenso der lange) mit Fin gerbe wegung ausgeführt wird. Es ist
darauf zu achten , dass er im deutschen Kurrent immer eine gerade
Linie ist ; im englischen wird er steiler und erhält eine leise Einbiegung
nach rechts.
3. Der lange Aufstrich. Er steht viel steiler als der kurze
und erhält eine leise Einbiegung nach innen oder nach aussen.
4. Der kurze Abstrich oder Grundstrich. Er ist in der
deutschen Kurrent durchweg gerade* und von gleicher Stärke, muss des-
halb mit ganz gleichmässigem Druck ausgeführt werden; mit dem Aufstrich
muss er oben und unten einen spitzen Winkel bilden und darf nie in
demselben herabgehen. (Leider sind das für viele Schüler schon recht
schwere Anforderungen. Unsere Musterschriften halten aber noch daran
fest.) Anders erscheint er in der englischen Kurrent. Hier geht er
bis über die Hälfte wieder im Aufstrich herab ; ausserdem erhält er einen
gebogenen Fuss (beim i und u) oder einen gebogenen Ansatz (beim n, m,
r usw.), oder auch einen solchen Fuss und Ansatz zugleich (beim p, v usw.).
Dadurch wird er einem halben Seitenbogen oder der Schlangenlinie so
ähnlich, dass er von Einigen (z. B. von Dietlein) von dem Oval abge-
leitet wird. Die Umbiegnngen besitzen aber nicht die Breite und Bun-
dung derselben. Der kurze Abstrich in seiner verschiedenen Gestalt
charakterisiert die beiden genannten Schriftarten. In der englischen
Schrift ist besonders noch darauf zu sehen, dass er oben nicht umge-
bogen oder spitz wird und im Ansatz keine zu grosse Rundung erhält^
wodurch er einem Seitenbogen oder untern Halbbogen ähnlich wird. (Um
diese Fehler zu vermeiden, lässt man bei der Einübung nach dem Auf-
strich absetzen — was in der deutschen Kurrent nicht erlaubt ist —
oben mit gehörigem Fingerdruck gleich wieder einsetzen und die Grund-
striche in Verbindung, eng an einander gestellt und genau im Abstrich
herabgehend, üben.)
5. Der lange Abstrich. Er kommt nur in der englischen
Kurrent und zwar ohne und mit gebogenem untern Ansatz vor (in den
Bubstaben t, 1, b, q, d usw.). Da dieser Zug der Flüchtigkeit der
Schrift wenig günstig ist und der Schreibschrift auch den Eindruck der
Leichtigkeit nimmt, so haben ihn viele Kalligraphen (bis auf die Buch-
staben d und t) beseitigt und durch eine schmale linke Schleife oder
einen verstärkten Abstrich ersetzt (1, b, h, q, p).
6. Der zugespitzte Abstrich. Für Anfänger ist er gewöhnlich
«twas schwer ; wenn sie aber gelernt haben, die Feder schnell vom
Blatte abzuziehen, so wird die Zuspitzung gelingen.
7. Der verstärkte Abstrich. (Keilstrich.) Derselbe kommt
vor kurz, halblang und ganz lang. Oben fängt er ganz fein an und
«ndet mit Grundstrichbreite — nicht breiter.
Das Schönschreiben 113
8. Von dem yorstehend genannten Strich leiten einige Schreiblehrer
direkt den rechten Schleifenstrich ab (und, um konsequent zu
sein, wohl auch den linken). Der dadarch geschaffene Dnktas, an manchen
Orten unter dem Namen „Keilschrift** bekannt, erhält etwas recht Steifes
und Eckiges. Wir leiten die Schleifenstriche ab von einem doppelt
zugespitzten Abstrich, der eine leise Biegung nach links oder rechts
erhält. (Man teile ihn zunächst in zwei Hälften, die man unter einander
schreibt.)
Die Schleifen dürfen weder zu schlank noch zu voll sein; bei
der linken (obem) ist besonders darauf zu achten, dass der Schleifen-
strich nicht zu viel Eundung erhält. (Schreibregel: Schleifenstrich nahe
am Aufisitrich herab I Wo der Aufstrich den Schleifenstrich zu durch-
schneiden hat, wird im Liniennetz durch die untere und obere Grund-
linie angegeben.) (Die Schleifenpnnkte läset man bei der Einübung zu-
nächst als wirkliche kleine Schleifen erscheinen; die Füllung erfolgt bei
der richtigen Grösse schon von selbst.)
9. Der feine Abstrich. Da er streng genommen kein Grund-
zug, sondern nur eine Verbindungslinie (beim z und Z) ist, flüchtig und
fein geschrieben wird, darf er beim Taktschreiben nicht betont werden.
Alle Abstriche sind durch Finger-, nicht durch Armbewegnng her-
zustellen. (Dabei darf nicht zwei- oder mehrmal gestrichen werden.
Beim Schreiben in ein Liniennetz sind die Abstriche, so oft es möglich
ist, an die Bichtungslinien zu stellen.)
10. Der rechte und linke Seitenbogen. Der linke tritt in
zweifacher Gestalt auf: als grosser (0) und kleiner (o); der rechte in
dreifacher Gestalt: als grosser (@), kleiner (t)) und halbgrosser (!, m).
Die Bogen erfordern sehr viel Übung, nicht allein damit die Form über-
haupt eine gute wird, sondern weil es den Schülern gewöhnlich schwer
fällt, den Druck richtig zu verteilen und die Biegungen rein und schwach
auszuziehen. (Der linke Seitenbogen wird anfangs gewöhnlich oben oder
unten stark und mit einer kreisrunden, statt ovalen Biegung geschrieben.
Beim kleinen Seitenbogen muss man am Aufstriche bis zur Hälfte zurück-
gehen, darf aber nicht erst da mit dem Druck beginnen. Beim ! und
^ wird der Seitenbogen häufig zu weit nach rechts gezogen.)
Hierher gehören auch die Vorschwünge oder Anschwünge,
von welchen in der Volksschule ein sehr massiger Gebrauch zu machen
ist. Viele Kalligraphen geben ihnen eine andere Lage als den Haupt-
zägen ; leichter auszuführen sind sie zwar in gleicher Lage mit den Haupt-
zügen, werden dann aber häufig so stark wie Seitenbogen geschrieben.
(Im deutschen Alphabet ist nur bei den Buchstaben @, S, $ und ^ ein
Anschwung angezeigt.)
IL Der untere Halbbogen. Er kommt in manchen Mustern
vor beim u, i, t, x, %, ®, ©, ^, S, Si r (und s). Wenn er niciit iu
den langen Aufstrich übergeht, sollen seine beiden Schenkel gleiche Höbe
haben; beim u hat der linke Teil gleiche Lage mit dem ersten Grund-
strich, der rechte darf nicht weiter als der zweite Grundstrich reichen.
In andern Mustern ist statt des untern Halbbogens ein kleiner linker
Seitenbogen (z. B. beim u) oder der linke Schleifenpunkt (z. B. beim t)
Das zweite Schuljahr. ^
114 Das zweite Schuljahr
angewandt. (Manche Schreiblehrer gebrauchen auch einen kurzen Ab-
strich mit angehängtem Aufstrich ; uns will dieser Haken nicht gefallen.)
12. Die Schlangenlinie. Sie wird häufig zu sehr gebogen und
erhält den Druck zu weit unten. (Man übe sie zuerst in zwei Hälften,
damit der Druck gleichmässig verteilt wird.)
13. Die Flammenlinie (Schönheitslinie). Sie setzt Formensinn
und Gewandtheit in Händgelenk und Fingerbewegungen voraus. Stellt
man sie an eine Eichtun gslinie, so muss sie dieselbe so durchschneiden,
dass rechts und links gleiche Teile liegen. Von Anfängern im Schreiben
wird sie bald zu wenig, bald zu stark gebogen, zu steil gestellt und
an der unrechten Stelle verstärkt. (Man übe sie ebenfalls in zwei Hälften.)
14. Die tiefe Wellenlinie (3), X usw.). Sie wird auch als
kurze Schlangenlinie angesehen, darf aber dann nicht zu lang
werden. Hauptsächlich wird gegen die richtige Lage derselben gefehlt.
(Wir stellen sie in der Volksschule zur Schlangenlinie, damit sie nicht
mit der flachen Wellenlinie verwechselt wird.)
15. Die flache Wellenlinie (K, S, 93). Sie wird ganz ohne
Druck mit der rechten Spitze der Feder geschrieben. Man hat darauf
zu achten, dass dabei die Feder nicht gedreht wird und die Welle sich
nur wenig über die Grundlinie erhebt.
Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass diese Grundzüge
nicht auf einmal und systematisch dem Schüler zu bieten sind, sondern
nach und nach (aber wenn nötig alljährlich), wie es der eben zu be-
handelnde Buchstabe fordert.
* B. Die Bachstabengruppen
Ordnen wir die Buchstaben nach ihren wesentlichen Grundzügen,
so erhalten wir folgende Gruppen oder Familien:
a) Das deutsche Alphabet:
I. Gruppe des Grundstrichs: x, n, m, e, ü, u.
IL Gruppe des Keilstrichs: t, f, f.
III. Gruppe des linken Schleifenstrichs: I, b, (£.
IV. Gruppe des rechten Schleifenstrichs: j, ^, d), §, r.
V. Gruppe des linken Seitenbogens: D, D, 2t, 31, c, o, ö, a, ä, q, ®,
Qf ^ h (P).
VI. Gruppe des rechten Seitenbogens: @, §, SS, S23, l), tt), St i, 5/ %
VII. Gruppe der Schlangenlinie (mit Einschluss der Tiefwellenlinie): U,
% % c, ®, 2, ©t, a (i).
VIII. Gruppe der Flammenlinie (mit Einschluss der flachen Wellenlinie):
3, e, s, S3, s, (p) %
b) Das englische (lateinische) Alphabet:
I. Gruppe des Grundstrichs:
a) mit gebogenem Fuss: i, u, ü, t, f, j, (1, b);
b) mit gebogenem Ansatz: n, m, v, w, r, (h, p, z, y).
Das Schönschreiben 115
IL Qmppe des linken Seitenbogens : C, 0, c, e, o, a. d, q, g, E, G, *A,
(N, M).
III. Gruppe des rechten Seitenbogens: X, x.
IV. Gruppe der Schlangenlinie : ü, Y, Z, (z, y, h, p, k), Q, V, W, (v, w).
y. Gruppe der Flammenlinie : S, s, I, T, F, P, L, B, R, A, D, H, K,
(V, W, N, M).
Je nach der Wahl einiger Formen, ergibt sich eine etwas andere
2aerteilung.
Bemerkungen über einige Formen:
Es ist von Wichtigkeit» bei der Besprechung und Einübung eines
Buchstabens besonders die Teile desselben zu berücksichtigen, die am
häufigsten falsch ausgeführt werden. Deshalb folgen einige Bemerkungen
über einige Buchstaben.
1. Das kleine deutsche Alphabet
a) i, 11, m, e, ü, u.
Der Punkt über dem i steht oft nicht genau in der Richtung des
ijrrundstrichs, hat auch nicht die richtige Entfernung (ein Drittel der
Grandstrichhöhe) von demselben. Das ist auch von den Strichen beim ü
and dem Bogen beim u zu bemerken ; ausserdem steht beim ü der erste
zugespitzte Abstrich häufig nicht über dem ersten Grundstrich. Das n
wird oft zu breit gezogen (Regel: so breit als hoch), und beim m haben
die drei Grundstriche nicht gleiche Entfernung voneinander."') Das e
fällt bald zu schmal, bald zu breit aus (Regel : ein Drittel der Grund-
«trichlänge = dem Abstand der beiden Grundstriche). Den zweiten
Grundstrich kleiner als den ersten zu machen, liegt kein Grund vor.
b) t, f, f, I, b, j, ^, ä), r.
Der linke Schleifenpunkt beim t und f darf nicht auf der Linie auf-
stehen (wenn in Doppellinien geschrieben wird, hat er genau zwischen
den beiden Grundlinien seinen Platz) und darf nicht links über den Auf-
strich hinausreichen. Der Schleifenstrich erhält leicht den Druck zu
weit unten und zu starke Biegung. Die obere Schleife wird gewöhn-
lich zu flach geschrieben, bei der untern zieht man unten leicht zu weit
nach links. Die Durchscbnittspunkte aller Schleifen werden von den
beiden Doppellinien angegeben. Das c erhält beim ä) die Form eines i
ohne Punkt. (Man schreibe z. B. beim fd^ das c mit einem linken Seiten-
bogen, um den Grund dieser Abänderung des c einzusehen. Beim d kann
es in beiden Formen auftreten, ohne dass es den Parallelismus stört.)
Becht häufig wird das c zu nahe an das ^ gerückt. Der erste Ab-
strich des r ist ein halber Schleifenstrich; man halte auf gleichlaufende
Striche und kräftigen Schleifen punkt und Bogen.
♦) Die Strich-Entfernungen werden immer mit der Höhe des Grund-
strichs gemessen. Z. B. n: Der Abstand der beiden Grundstriche ==
Grundstrichshbhe.
Hg Das zweite Schuljahr
c) b, c, 0, 0, ä, q, 9, j, (p).
Am b wird der Kopf vielmals zu lang und flach, wohl aa^.h eckig.
Die VerläDgemng des Kopfes zum Zweck der VerhinduDg mit dem nach-
folgenden Bachstahen ist in Volksschulen nicht zn empfehlen; es ent-
steht gewöhnlich eine Missgestalt, die Ähnlichkeit mit einem c( hat ; (nnr
bt geht an).
Bei den Bachstahen o, Q usw. halte man fest darauf, dass der linke
Schleifenpunkt recht kräftig geschrieben wird, weil er sonst in der Schnell-
schrift gewöhnlich ganz verschwindet; auch muss beim o, q und g die
letzte Bälfte des Buchstabens genau die Höhe der ersten Hälfte er-
reichen. Das p findet man vielfach in diese Gruppe eingereiht. Es ge-
hört zu den schwerem Formen und hat sich deshsdb viele Umänderungen
gefallen lassen müssen. Die von Herzsprung eingeführte und auch
in die Henze-Goskysche „Nationationlschrift'^ übergegangene Form
(nach welcher das p mit rechtem Seitenbogen beginnt) will vielen Schreib*
lehrem nicht gefallen. Wir haben auch nicht gefunden, dass sie leichter
sei, als die mit linkem Seitenbogen. Bei dieser muss die rechte Schleife
aus dem rechten Seitenbogen (oder noch besser von der Flammenlinie}
abgeleitet werden, sonst wird sie zu steif. (Wir stellen das p deshalh
in die nächste Gruppe ein.) Die Verbindungslinie zum Abstrich der
Schleife muss den linken Seitenbogen unten durchschneiden noch vor
der Stelle, wo er aufwärts umgebogen ist. Das gilt auch
beim ;, bei dem noch zu beachten ist, dass alle drei Bogen parallel
laufen müssen.
d) t §, \), tt), t|, ä,-(p), 6.
Beim f wird der rechte Seitenbogen sehr häufig zu hoch angesetzt ;.
auch erhält er sehr häufig oft den Druck zu weit oben und geht zu
weit nach rechts. (Regel: in der Mitte ansetzen und bis dreiviertel in
die Höhe gehen.) Seine Entfernung vom verstärkten Abstrich beträgt
nur Grnndstrichhöhe. Bei t) und tt) findet man häufig den halben Schleifen-
strich oder zugespitzten Abstrich mit dem Grundstrich verwechselt, auch
trifft der rechte Seitenbogen vielfach nicht genau in den Schleifenpunkt.
Das } wird oft darch die schlechte Ausführung des ersten Bogens ver-
unstaltet; auch einen Buckel im untern Teil findet man nicht selten.
Dieser wird vermieden, wenn oberer und unterer Bogen an eine Bich-
tungslinie gelegt werden. Schiebt man zwischen ersten und zweitei^
Bogen einen feinen Schleif enpnnkt ein, so wird die richtige Form leichter.
Das ^ gehört zu den schwierigsten Formen, deshalb ist auch viel an
ihm herumgestaltet worden. Die Einen sehen es als eine Zasammen-
ziehung von f und ^, die Andern von f und j an. Die erste Ansicht
führt zu ebenso falsche Meinungen über seine Bedeutung als die zweite ;
denn ^ steht ja nicht immer für ff. Wir halten als Form für das % die
Zusammensetzung aus f und einem richtigen 5 empfehlenswert, weil die
andere gebräuchliche Form von jungem Schülern selten richtig ausge-
führt wird.
Das Schönschreiben 117
2. Das grosse deutsche Alphabet
a) D, D, 21, % D, ®, §, e.
Auf richtige EinübuDg des linken Seitenbogens kommt sehr viel an.
Man lasse deshalb aasgiebig das ganze 0?al üben. Die Form des hier-
her gehörigen O (mit verstärktem Abstrich statt der Tiefwellenlinie) kann
sich gerade keiner besondern Schönheit rühmen, wir ziehen die andere
vor. In vielen Mustern wird das (£ mit linkem Seitenbogen geschrieben ;
der Druck im Hanptzng wird dann leicht zu hoch gelegt, wodurch der
Bachstabe zu starke Krümmung erhält. Die Form mit langem Schleifen-
Btrich (statt mit Seitenbogen) gelingt leichter.
b) ©, 9^ a», », SB, % % 8, ae.
Bei dieser Oruppe gibt es reichlich Gelegenheit, das Auge für den
Parallelismus zu schärfen. Vielen Schülern will das Tl nicht gelingen,
weil sie die richtige Entfernung des letzten Haupt zugs vom vorhergehenden
nicht finden. Die öfter angegebene Regel: alle drei Striche haben gleiche
Entfernung, veranlasst bei strenger Befolgung eine Entstellung des 3K.
Beim ^ gelangt manchmal der rechte Seitenbogen nicht in die gleiche
Höhe mit dem eisten Teil; auch kommen die beim ! angemerkten Fehler
vor. Vom 3 gilt das vom ) Gesagte, doch darf hier der Schleifenpunkt
nicht auf die Linie fallen, sondern muss eine halbe Grundstrichslänge
höher stehen.
c) U, % D, 3), S, a (i).
Hierzu ist das Nötige bei den Grundzügen bereits angegeben worden.
Besondere Aufmei ksamkeit erfordert das §R., bei welchem der kleine rechte
Seitenbogen leicht so gross wird als die Schlangenlinie; diese wird auch
^fter nicht parallel dem ersten Hauptzug und zu weit nach rechts ge-
legt. Die richtige Form gelingt eher, weiiu man (wie beim z) einen
kleinen Schleifenpunkt einschiebt.
d) g, % e, S, 93, S.
Die Flammenlinie muss sehr viel geübt werden. % und ^ werden
onten zu wenig ausgeschweift (erhalten zu wenig Fuss), der Strich durch das
S ist oft nicht wagrecht. Bei @^, 2 und ^8 wird anfangs gewöhnlich
die flache Wellenlinie in eine tiefe Wellenlinie verwandelt. Das ^ ge-
lingt nur nach und nach, es ist meist links und rechts von der Flammen-
linie fehlerhaft; gewöhnlich liegt das daran, dass die Rundung von der
Flammenlinie aufwärts gleich unten zu gross oder zu klein genommen
wird und der Aufstrich dann gerade bleibt bis zum Durchschnitt der
Flammenlinie. Der rechte Seitenbogen darf kein oberer Halbbogen werden.
(Man lasse das ^ in ein Volloval schreiben oder aus einem solchen her-
stellen.)
3. Das kleine lateinische Alphabet
a) i, u, ö, t, f, j, 1, b.
Das t wird in manchen Musteralphabeten eine halbe Grundstrich-
länge kürzer als die andern Hochbuchstaben geschrieben; notwendig ist
118 Das zweite Schuljahr
diese Ansnahme dorchaos nicht. Das f leitet man jetzt meist vom deutschen
f ab. Lässt man die Buchstaben 1 und b mit langem Abstrich schreiben,
so ist ganz besonders darauf zu achten, dass der Aufstrich recht steil
und der Abstrich oben nicht spitz wird. Eine jetzt häufig zu findende
Form ist der deutschen ähnlich, nur etwas schlanker.
b) n, m, V, w, r, h, p (z, y).
Die Schüler setzen hier beim zweiten Aufstrich gern mit der Feder
ab, was nur beim p stattfinden darf; auch entfernt sich der zweite Auf-
strich leicht zu weit oben oder bereits zu weit unten vom Abstrich.
(Regel: Beginn der Entfernung beim zweiten Drittel des kurzen Ab-
strichs.) Beim z wird der feine Abstrich häufig zu stark oder als ver-
stärkter Abstrich geschrieben. (Man zeige dem Schüler wie das z früher
geschrieben wurde : oberer Zog, unterer Zug, dann erst die Verbindungs*
linie.) — Zu bemerken ist noch, dass bei z und y nicht der Abstrich
mit gebogenem Ansatz und Fuss, sondern die kurze Schlangenlinie auf-
tritt. Deshalb lässt man vorher das grosse Z und Y schreiben.
c) c, e, 0, a, d, q, g.
Das hier auftretende knrze Oval kann auf mehrfache Weise darge-
gestellt werden. Am gebräuchlichsten sind wohl folgende zwei: a) Auf-
strich, oben umgebogen (beim c dann Punkt, beim e Häkchen), abgesetzt,
in der Mitte des Aufstrichs zum linken Seitenbogen wieder eingesetzt;
b) kurzer Aufstrich (nur von halber Höhe der Grundbuchstaben) abge-
setzt, in der Mitte der rechten Seite eingesetzt, Aufstrich linker Seiten-
bogen.
Das unter a) angegebene Verfahren ist der Schnellschrift nicht günstig.
Wer es einhält, halte darauf, dass der Punkt beim c mit einem Druck
gemacht wird und nicht oben in die Biegung, sondern in die rechte Seite
des Ovals kommt. Bei der andern Verfahrungsweise wird gewöhnlich
der kleine Aufstrich nicht steil genug gestellt.
d) k, X, s.
Beim k ist an das deutsche §R zu erinnern. Das ist ein ziemlich
schwerer Buchstabe, der meist zu steif oder zu krumm ausfällt; deshalb
lasse man anfangs bei der Einübung nach dem Aufstrich absetzen.
4. Das grosse lateinische Aiphabet
a) C, 0, Q, E, G, A (N, M).
Wählt man für das C die aus zwei sich schneidenden Ovalen be-
stehende Form, so erhält es leicht die Gestalt eines deutschen E; die
Durchschneidung muss in der Mitte stattfinden. und Q werden oft
mit einem Aufstrich begonnen, was nicht gut aussieht. Wählt man die
Form mit zwei linken Seitenbogen, so achte man darauf, dass der zweite
(kleinere) genau die Eichtung des ersten erhält und das Oval oben ge-
schlossen wird. Beim E wird die obere Hälfte vielfach zu gross ge-
macht und die untere zu weit nach rechts oder links gestellt. Beim A
(und allen Buchstaben mit dem linken Vorschwung) wird der Vorschwang
Das Schönschreiben 119
gern zu steil gestellt; man lasse deshalb vorher horizontal liegende Ovale
üben. Aach der Aufstrich fällt bald zn gerade, bald zu gebogen aus.
(In vielen Alphabeten sind N und M mit verstärktem Abstrich statt mit
der Flammenlinie geschrieben ; deshalb fügen wir sie hier an. Die Form
ist nicht unschön und leichter als die andere. Der Abstrich hat beim
N dann dieselbe Lage wie beim M, während man bei Anwendung der
Flammenlinie etwas von der Richtung abweichen muss, wenn das N nicht
auffallend schmale Form erhalten soll.)
b) X.
Hier bietet die Verbindungslinie der beiden Hauptteile die grössten
Schwierigkeiten; sie kehrt auch beim H und K wieder. Man lasse sie
(als steife Wellenlinie) fleissig allein üben. Sie muss den ersten Haupt-
zag der betreffenden Buchstaben in der Mitte durchschneiden, der zweite
kann ein wenig höher getroffen werden.
c) U, Y, Z (V, W).
Schreibt man V und W in der hierher gehörigen Form, so ist be-
sonders die Bichtung und Biegung des letzten Aufstrichs zu beachten,
damit im Ganzen ein Oval erkannt werden kann.
d) S, I, T, F, B, R, L, D, H, K (V, W, N, M).
Bei Ausführung der Wellenlinie über T und F wird die Feder von
manchen Schülern gedreht, wodurch falscher Druck in die Linie kommt.
P, B und E werden oft verunstaltet durch die Haube. Sieht man in ihr
zwei verbundene rechte Seitenbogen, so müssen diese gleiche Höhe über
der Ginndlinie haben.
Das D gilt als Prüfstein über die Schreibgewandtheit des Schülers.
Gewöhnlich geht die Verbindungslinie zu bald in die Höhe, oder sie ent-
fernt sich zu weit von der Flammenlinie. Beide Fehler haben in einer
falschen Beurteilung der Wellenlinie ihren Grund. Der Buchstabe muss
sich fast ganz in ein Oval einschliessen lassen.
Das K ist in mehreren Formen gebräuchlich. Wird es in einem
Zug geschrieben, so ist die Lage der steifen Wellenlinie viel zu üben,
damit die zweite Flammenlinie und die Schlangenlinie die richtigen Ver-
hältnisse erhalten können.
Die Ziffern und Interpunktionszeichen bestehen aus den-
selben Grundzügen wie die Buchstaben und werden in den Schreibstunden
den betreffenden Gruppen eingeordnet.
ۥ Die methodischen Einheiten
1. Den Schreibstoff gliedern wir ebenso wie den andern Unterrichts-
stoff in methodische Einheiten. Diese sind uns hier in den
einzelnen Buchstaben gegeben. Man hat sich zwar gegen diese
Auffassung gewandt; es wird sich aber zeigen, dass bei gründlicher Be-
handlung eines Buchstabens sämtliche fünf (formale) Stufen auftreten.
Eigentlich sind schon die Grundzüge als methodische Einheiten anzu-
sehen; da wir aber aus denselben die Buchstaben nicht willkürlich zu-
120 ^&9 zweite Schuljahr
sammeDstellen, sie vielmehr auB den Buchstaben heransnehmen, so reihen
wir die Behandlnng der Grundzäge der des Bachstabens ein.*") Der mehr als
hundert Formen umfassende Unterrichtsstoff verlangt zur leichtem und
sichern Übersicht und Beherrschung eine Gruppierung. Von Zeit zu Zeit
bilden wir deshalb grössere methodische Einheiten: die oben
genannten Buchstabenfamilien. (In den oberen Klassen, wo der
Schreibkursus zweckmässig alljährlich einmal wiederholt wird, aber nur
eine geringe Stundenzahl beanspruchen kann, wird man die Wieder-
holung gleich nach diesen grössern Einheiten anlegen. Der übrige
für diese Klassen genannte Schreibstoff, z. B. die Beinschrift eines Auf-
satzes, wird selbstverständlich nicht in Form von methodischen Einheiten
behandelt.)
2. Die unterrichtliche Behandlung eines Buchstabens geschieht nun
wie folgt:
Als Ziel wird entweder der einzuübende Buchstabe oder eine Wörter-
gruppe genannt. (Bnchstabenkenntnis wird vorausgesetzt.)
Die erste Stufe erinnert an verwandte Buchstaben, welche be-
reits eingeübt sind, an Zeichnungen, in welchen der neue Grundzng ent-
halten ist (vergl. „Erstes Schuljahr" S. 188) oder an die Form des
Buchstabens im allgemeinen, soweit sie dem Schüler aus dem ersten
Schreibunterricht gegenwärtig ist.
Auf der zweiten Stufe wird der Buchstabe angeschrieben und in
seine Teile zerlegt. Diese werden beschrieben und einzeln eingeübt, so-
weit sie neu sind. Dann folgt die Zusammenstellung zum Buchstaben und
Beschreibung desselben.
Auf der dritten Stufe wird der Buchstabe mit andern (derselben
oder auch einer andern Gruppe angehörigen) Buchstaben verglichen.
Daraus ergibt sich für
die vierte Stufe das Charakteristische des Buchstabens (die
wesentlichen Grundzäge und die eigentümliche Verbindung
derselben).
Auf der fünften Stufe wird der Buchstabe eingeübt, schliesslich
aus dem Kopfe geschrieben und in Wörtern und Sätzen angewandt.
Zu den einzelnen Stufen bemerken wir noch folgendes:
Zu Stufe I. Aus dem ersten Schreib- und Leseunterricht ist den
Schülern die Form der Buchstaben im allgemeinen bekannt, auch die
Hauptteile derselben haben sie unter entsprechenden Bezeichnungen kennen
gelernt; aber über die Beschaffenheit derselben im einzelnen werden sie
nur mehr oder minder mangelhafte Vorstellungen haben. Das wird man
den Schülern zum Bewusstsein bringen, damit in ihnen das Verlangen
nach einer nochmaligen Darbietung entsteht. Auf der ersten Stufe dürfen
die Schüler für die Bestandteile der Buchstaben noch die Bezeichnungen
*) Wir stellen also z. B. als Ziel nicht auf: richtige Darstellung des
linken Seitenbogens, sondern richtige Darstellung des 0. Um aber den
Hauptteil dieses Buchstabens richtig ausführen zu können, ist nötig die
Betrachtung und Beschreibang desselben (2. Stufe), die Vergleichnng mit
dt^m Grundstrich (3. Stufe), die Hervorhebung des Charakteristischen (4.
Stufe) und die methodische Übung (5. Stufe).
Das Schönschreiben 121
gebraachen, welche im ersten Unterricht angewandt wardeni auch Ver-
gleiehangen besonders mit Dingen, die gezeichnet wurden, sind gestattet.
Da innerhalb der einzelen Bachstabengrnppen die Bachstaben ,, gene-
tisch^ geordnet sind, jeder dem ersten folgende Bachstabe also schon
bekannte und geübte Zage enthält, so wird man aaf die vorangegangenen
verwandten Buchstaben Bezag nehmen. An nicht verwandte kann man
erinnern beim Übergang zu einer neuen Gruppe. Durch beides wird die
Aufmerksamkeit für das Neue an dem im Ziel genannten Buchstaben
erregt.
Zu Stufe II — V. Der Buchstabe wird hier in solcher Grösse an
die Wandtafel geschrieben, dass auch die entfernt sitzenden
Schüler alle Einzelheiten erkennen können. Das Anschreiben muss sicher
und vorbildlich (musterhaft) geschehen, wie alles, was der Lehrer tut.
Mehrmaliges Streichen mit der Kreide, Wegwischen und Verbessern ein-
zelner Teile soll dabei nicht vorkommen. (Der Schüler soll ja auch frei
in einem Zug schreiben.) Deshalb hat der weniger gewandte Lehrer
den Buchstaben vor der S^hreibstunde gehörig zu üben. Ein Hinweis
auf eine lithographierte Wandtafel statt des Anschreibens ist nicht
statthaft; es kommt darauf an, dass der Schüler den Buchstaben ent-
stehen sieht, weshalb beim Anschreiben auch entschieden Klassen-
aufinerksamkeit zu verlangen ist. Blosses Anschauen des Buchstabens
verhilft aber noch nicht zu einer klaren Vorstellung von demselben (man
versuche z. B. die Druckbuchstaben g oder i aus dem Kopfe zu schreiben),
er muss deshalb verdeutlicht werden. Das geschieht, indem wir ihn
in seine Elemente zerlegen.*) Diese werden einzeln unter den Buch-
staben geschrieben. Tritt hierbei ein neuer Grundzug auf, so wird dieser
wieder allein und wenn nötig, in vergrössertem Massstab angeschrieben,
dann wird er genau beschrieben, benannt und eingeübt bis
zur Fertigkeit. (Diese ist so lange noch nicht vorhanden, als das
Vorgestellte nur mangelhaft in die Wirklichkeit übersetzt werden kann,
bald gelingend, bald misslingend, oder wenn die Tätigkeit nur langsam
vor sich geht. — Übung macht den Meister.) Die Einübung geschieht
znnftchst in grossen Formen: Luftschreiben, wobei die Schüler die
Federspitze auf den Zug an der Wandtafel richten und ihn in Gedanken
überfahren, dann im Heft. Um die Form in grösserm Masstab ausführen
zu können, wird ein sogenanntes Probebuch empfohlen, dessen Seiten
nicht liniiert sind. Hier kann man die Züge in verschiedener Grösse
und in verschiedenen Verbindungen ausführen. (Man schreibe z. B. auch
senkrecht untereinander.) Wo es geht, geschehen die Übungen ohne Ab-
setzen nach dem einzelnen Zuge; denn es muss gleich in den ersten
Schaljahren darauf Bedacht genommen werden, dass die Handschrift
„geläufig^ wird. Schliesslich werden die Züge in gewöhnlicher Grösse
geschrieben.**) Durch diese Übungen „kommen sie in die Muskeln",
•) Herbart (Psychologie II, § 139): „Verdeutlichen heisst aus-
einandersetzen, welcher Ausdruck ao wörtlich als möglich zu
nehmen ist.**
♦♦) Bei Kaufleuten, deren Schrift sehr häufig durch einen gewissen
Schwung besticht, kann man oft beobachten, wie sie Buchstaben oder
122 I^as zweite Schuljahr
d. h. es wird ein Zusammenhang zwischen Vorstellung und Muskel-
empfindung begründet. Als Hilfsmittel hierbei sind von verschiedenen
Schreiblehrern dieselben Veranstaltungen empfohlen worden, die wir bei
der Einübung der Buchstaben erwähnen werden. Ein Mass für die
Grundzüge brauchen wir nicht, da sie in ein Verhältnis zueinander noch
nicht treten, (höchstens könnte die Richtungslinie einige Dienste leisten).
Dass ein neuer Zug nicht immer gleich gelingt, ist eine bekannte Er-
fahrung. Der Lehrer hat deshalb öfter nachzusehen, wo noch Mängel
vorhanden sind, und die Ursachen derselben zu erforschen. Sie haben
meist ihren Grund in der mangelhaften Auffassung des Vorbilds, in der
unklaren innern Vorstellung desselben, oder in der Ungeschicklichkeit der
Hand. Je nach der Ursache werden die Mittel zur Abhilfe verschiedene
sein. Hauptsache ist: Fehler nicht zur Gewohnheit werden
lassen, sondern sofort auf Abstellung derselben mit Ausdauer halten.
Die Verbesserung ist meist Elassenarbeit.
Nach genügender Sicherheit in der Darstellung des neuen Grund-
zugs, wird er mit einem bekannten verbunden, damit Gewandtheit in den
Verbindungen erzeugt werde.
Mit Richtigsclireibung der Grundzüge ist sehr viel für die richtige
Darstellung des Buchstabens gewonnen. Dieser wird jetzt aus seinen
Elementen wieder zusammengesetzt, dann folgt eine (mündliche) Be-
schreibung desselben, wobei die Schüler anzugeben haben, aus
welchen Teilen der Buchstabe besteht, wie gross jeder
dieser Teile im Verhältnis zum andern ist, welche Ent-
fernung, Höhe, Richtung usw. er hat, und auf welche
Weise die einzelnen Teile zum Ganzen verbunden sind.
Die Beschreibung erfolgt zuerst bei unmittelbarer Anschauung des Buch-
stabens, dann ohne dieselbe. Hierbei führt der Lehrer an der Tafel
gleich aus, was die Schüler aogeben, „sie sehen auf die Weise ihre
fehlerhafte oder ungenügende Angabe gleich verkörpert und werden bald
das Rechte finden." Bei der Beschreibung wird der Lehrer sein Augen-
merk darauf zu richten haben, dass von den Teilen des Buchstabens, die
erfahrungsgemäss gewöhnlich falsch geschrieben werden, besonders klare
Vorstellungen entstehen. Nur hüte er sich dabei, die falschen Formen,
die er zur Veranschaulichung nötig hat, zu eben solcher Klarheit zu
bringen wie die richtigen; sonst könnte der Schüler leicht das Falsche
mit dem Richtigen verwechseln. (Falsche Formen werden gleich wieder
weggewicht, nachdem die Fehler gezeigt worden sind.)
Zur Erzeugung der Klarheit ist es sehr häufig empfehlenswert, den
Buchstaben mit andern zusammenzustellen. Aus der Vergleichung ersieht
der Schüler, wodurch sich der Buchstabe von andern (oder von gewissen
Euchstabenverbindungen) unterscheidet, welche Züge der Buchstabe unter
allen ümstänäen haben muss, und welche Verbindungen ihm eigentümlich
sind. Dies Eigentümliche wird immer klar herausgehoben. (IV. Stufe.)
Züge mit dem Arm in der Luft ausführen, ehe sie auf dem Papier an-
setzen. — Manche Schreiblehrer lassen umgekehrt alle Züge anfangs sehr
klein üben. Die Schrift erhält dadurch allerdings eine gewisse Zierlich-
keit. Ob aber das Erlernte auf die Dauer hält?
Das Schönschreiben 123
3. Zar Veranschaulich der Verhältnisse im Buchstaben bedient man
sich zweckmässig eines Liniensystems. Namhafte Schreiblehrer haben
ein solches zwar vollständig verworfen ; kleinen Schülern leistet es jedoch
bei Beurteilung der Verhältnisse immerhin Dienste. Einer verwirrenden
Überfülle von Hilfslinien re.den wir aber nicht das Wort. (Zschille
z. B. empfiehlt ein Netz, das nicht bloss aus acht horizontalen, punktierten
oder gezogenen Linien, sondern auch aus so viel schrägen Linien be-
stehen soll, als Grundstriche auf das Blatt geschrieben werden können.)
In ein quadratisches Netz passen nicht alle Buchstaben; auch wird bei
Benutzung eines solchen dem kleinen Schreibschüler nicht weniger zu-
gemutet als ohne diese „Hilfe" ; denn er soll sich die Quadrate während
des Schreibens wieder teilen, damit er den Strich an die richtige Stelle
bringt. Dass auch der freie Zug der Hand, ohne welchen schliesslich
doch kein wirkliches Schönschreiben gedacht werden kann, zu sehr durch
enge Netze gehemmt wird, muss wohl auch zugestanden werden. Ausserdem
ist vom gesundlichen Standpunkte aus alles Papier, das den Eindruck des
Gegitterten macht, zu verwerfen. Besonders anstrengend für das Auge
ist es, wenn die Gitterung durch das Blatt nur hindurch scheint (wie
beim Heckmann'schen Linienblatt). Ein Netz von vier wagrechten
Linien (obere und untere Grundlinie, Hoch- und Tieflinie) und
einigen Eichtungslinien genügt vollständig.
In dieses Liniennetz werden die Buchstaben bei der Einübung
(wo es irgend angeht in Verbindung) geschrieben. Der Lehrer bestimmt
zugleich, bei welcher Richtungslinie der erste Abstrich eines jeden Buch-
stabens beginnt. Dadurch wird das zu enge und zu weitläufige Schreiben
verhindert und die Schlilerhefte werden gleichmässig beschrieben, was
beim Taktschreiben unbedingtes Erfordernis ist. Notwendig ist, dass
der Lehrer auf seiner Wandtafel dasselbe Linien syst em hat, das in den
Schreibheften zu finden ist.*) Grundstriche wird man möglichst oft mit
den Richtungslinien zusammenfallen lassen, Bogen neben dieselben
stellen. Von grössern Schülern kann man auch Buchstaben und Bach-
stabenverbindungen im Probebuch üben lassen; die Sicherheit der Hand
wird dadurch nicht unwesentlich befövdeit.
Von andern Hilfen, die man dem Schüler bei Einübung der Buch-
Stäben zukommen lässt, erwähnen wir das Hand führen und Über-
ziehen oder Nachziehen. Ersteres kann als veraltet angesehen
werden und wird nur noch angewandt, wenn alles nicht helfen will.
Es kann nicht dazu dienen, „einen Zntammenhang zwischen Vorstellung
und Muskelempfindung zu begründen"; denn die Muskeln werden dabei
von der Hand des Führenden festgehalten. Eher scheint das Über-
ziehen oder Nachziehen seinem Zweck zu entsprechen, weshalb auch eine
Menge Vorschläge hierzu gemacht worden sind. Locke und Rattich
Hessen roto Buchstaben mit schwarzer Tinte überziehen, andere wählten
*) Die Herstellung des Liniensystems auf den "Wandtafeln oder dem
Schreibpapier darf man nicht dem Gutdünken eines beliebigen Anstreich«?r3
oder Druckers überlasäen. Es ist unbedingt nötiir, dabei die genauesten
Angaben zu machen und die Sache zu kontrollieren. Wir haben schon
viele Wandtafeln gesehen, die falsch iiniiert waren ; ebenso Sohreibpa\)i('r'
124 I^as zweite Schuljahr
blau oder giüa statt rot, zeichneten die Buchstaben nur durch rote
Punkte vor usw. Die jungen Römer zogen die in Wachstafeln einge-
grabenen Buchstaben mit dem Griffel nach, in neuerer Zeit wurden
Metallplatten empfohlen. Her hart (ABC der Anschauung S. 79) will
Hornplatten, die zugleich zur Schriftkorrektur dienen sollen. Unseres
Wissens werden alle diese Mittel nur wenig angewandt (doch rühmt man
die damit in Frankreich erzielten Ezfolge). Jedenfalls hat man keine
Bürgschaft dafür, dass bei diesem rein mechanischen Tun die Schüler
eine klare Vorstellung vom Buchstaben haben; die Muskelempfindungen
werden also auch nicht mit einer solchen in Verbindung treten« Fordert
man auf jeder Stufe vom Schüler nur das, was er leisten kann, so wird
das Gelingen das Misslingen überwiegen, und nur selten wird ein weiteres
Hilfsmittel als das Liniensystem nötig sein.
4. Welche Verbesserungen nötig sind, muss dem Lehrer sehr
bald bekannt werden, damit nicht erst falsche Formen sich festsetzen.
Kleinere Fehler, die vielleicht nur bei dem einen und andern Schüler
vorkommen, werden kurzer Hand abgemacht. Das sind aber die seitnern
Fälle, die meisten Fehler finden sich bei mehrern Schülern; die Ver-
besserung ist deshalb eine gemeinschaftliche. Das Wesen
der Verbesserung ist aber dies: Der Schüler muss durch die
Verbesserung zu klarer Erkenntnis seines Fehlers ge-
langen und mit derselben Klarheit das Richtige an Stelle
des Falschen setzen können. Ein allgemeines Urteil über die
Schritt (gut, nicht gut usw.) hilft gar nichts, wie auch allgemeine
Mahnungen (seht die Vorschrift besser an, schreibt schöner!) vergeblich
sind. Die bemerkte fehlerhafte Form schreibt der Lehrer an die Wand-
tafel, die Schüler finden den Fehler auf und geben die richtige Schreibung
an. Der Lehrer verbessert den falschen Zug an der Tafel, indem er
den richtigen darauf legt (was den Fehler besser erkennen lässt, als
wenn Richtiges und Falsches bloss nebeneinander gestellt werden)
und löscht dann das Falsche weg. Nun wird der verbesserte Buchstabe
nochmals geschrieben und, wenn nötig, wieder verbessert, bis er billigen
Anforderungen entspricht. Anfangs darf man die Forderungen nicht zu
hoch spannen; sie gehen erst nach und nach immer mehr ins Einzelne,
„die Beschreibungen werden genauer, der Lehrer, um ein Gleichnis zu
gebrauchen, muss die Vorstellungen seiner Schüler bearbeiten wie der
Steinbildhauer den Marmorblock, an dem er auch erst die hervor-
ragendsten Punkte der Statue nach allen Seiten hin markiert und so die
in die Augen fallendsten Verhältnisse derselben an ihm richtig darstellt,
ehe er das Einzelne herausarbeitet.^ — Hauptgiundsatz muss sein: „Die
Forderung, die auf jeder Stufe an den Schüler gemacht
wird, muss genau seiner Leistungsfähigkeit entsprechen,
damit das Geleistete immer relativ vollkommen sei.^
(Hesse.)
Trotz aller Verbesserung werden in jeder Klasse einige Schüler
vorkommen, die im Schreiben nicht genügen. Für den Fortschritt im
allgemeinen sind diese nicht massgebend ; denn man soll die schlechtesten
Schüler zwar stets besonders berücksichtigen, aber nicht eine ganze
Das Schönschreiben 125
Klasse durch sie anfhalten. Kann ihnen nicht einzeln nachgeholfen
werden, so kommen sie in eine besondere Abteilang, die den Schreib-
knrsns noch einmal durchmacht, während die andern Schüler mit an-
gewandtem Schreiben beschäftigt sind.
5 An die Übang des einzelnen Bachstabens wird gewöhnlich als
weitere Übung und ebenfalls nach Vorschrift die Ver-
wendung desselben in Wörtern und Sätzen angeschlossen. Das ist nicht
genügend. Das Ziel kann erst dann als erreicht angesehen werden,
wenn der Schüler den Buchstaben vollständig unabhängig darstellen
und anwenden kann. Es muss deshalb verlangt werden, dass der Buch-
stabe auch aus dem Kopfe ebensogut geschrieben wird als nach Vor-
schrift. Auch bei seiner Verwendung in Wörtern oder Sätzen ist nicht
durchaus eine Vorschrift nötig; denn er wird (wenigstens in den ersten
Kursen) nur mit solchen Buchstaben zusammengestellt, die bereits geübt
sind. Will man der Eecbtschreibung wegen, oder um za zeigen, wie
die Buchstaben und Wörter auf der Zeile verteilt werden sollen, die
Anwendung vorschreiben, so geschehe das an der Wandtafel oder (in
obern Klassen) auf Papierstreifen, die mit dem Schülerbuch überein-
stimmen. Unzweckmässig sind die Hefte, in welchen auf
jeder Seite die erste Zeile als Vorschrift vorgedruckt
ist, nach der nun die ganze Seite beschrieben werden
soll. Es fällt dem Schüler gewöhnlich gar nicht ein, die Vorschrift
mehr als einmal anzusehen; er richtet sich bequemer nach der unmittelbar
vorhergehenden Zeile. Deshalb, und weil die Aufmerksamkeit nachlässt,
werden die nachfolgenden Zeilen auch gewöhnlich immer schlechter, und
ein in der dritten oder vierten Zeile gemachter Rechtschreibfehler geht
durch die ganze Seite. Sollen Vorschriften überhaupt einen Zweck haben,
so muss der Schüler gezwungen sein, sie anzuschauen. Sie dürfen deshalb
nicht so kurz sein, dass sie ohne weiteres gemerkt werden. Auch die
vielmalige Wiederholung einer Vorschrift ist zwecklos. Beim ersten An-
blick sieht eine Seite im Schreibheft zwar hübsch aus, wenn eine ein-
zeilige Vorschrift fein symmetrisch darauf verteilt ist; man prüfe aber
nur die Schrift der letzten Hälfte! Eine Vorschrift darf mehrere Zeilen^
vielleicht bis zu einer halben Seite einnehmen.
Zum Schluss erinnern wir noch an eins: Das Schreiben ist haupt-
sächlich nicht ein Wissen, sondern ein Können. Die Belehrung über
einen Buchstaben ist zwar notwendig, die Übung desselben aber
die Hauptsache; deshalb hat diese in jederSchreibstunde
den grössten Zeitteil zu erhalten.
Anhang
a) Schnellschönschreiben und Taktschreiben
Vielfach begegnet man der Ansicht, dass die Schnellschrift eines
Schülers (d. i. die Schrift, welche er im gewöhnlichen Leben anwendet)
um so besser ausfalle, je weiter es derselbe in der Kalligraphie gebracht
habe. Das ist aber durchaus nicht immer der Fall, besonders wenn die
Schüler nur angehalten wurden, ja recht langsam zu schreiben, wobei
126 ^*s zweite Schuljahr
sich leicht ein Buchstabenmalen oder Buchstabenzeichnen einstellt. (Die
Handschriften von Lithographen und Malern sind manchmal gar nicht
musterhaft.) Nun schreibt zwar auch ein Schreiblehrer in einem Briefe
anders, als wenn er Vorschriften schreibt, aber eine sogenannte doppelte
Hand darf auf keinen Fall zur Eegel werden. Denn dann wäre der
Schönschreibunterricht zum guten Teil Zeitverschwendung. Es mnss ver-
laugt werden, dass derselbe den Schüler befähigt, auch schnell richtig
und schön schreiben zu können, wie man auch im Lesen ein fliessendes
und gutes als Ergebnis der Leseübungen verlangt. Wir meinen nun
nicht, dass man für Schuellschön schreiben besondere Stunden ansetzen soll,
sondern es muss sich aus dem Schreibunterricht nach und nach ergeben.*)
Man halte nur darauf, dass alle Schreibübungen derselben Klasse in
demselben Tempo ausgeführt werden, das man in der Schönscbreibstunde
auwendiet ! Also nicht in dem einen Heft schnell, in dem andern langsam
schreiben lassen ! Wann ein schnelleres Tempo eintreten oder wie schnell
dieses sein soll, lässt sich ohne weiteres nicht bestimmen ; im allgemeinen
kann man nur sagen, nicht zu früh, damit die Handschrift nicht ver-
dorben werde. Denn leicht stellen sich zwei Fehler ein: einzelne Züge
werden vernachlässigt, andere erhalten ungebührliche Ausdehnung.
Um diese Fehler nicht aufkommen zu lassen, gibt es ein sicheres
Mittel: das Taktschreiben.**) Vielfach sieht man in demselben nur
ein Mittel, um gute Disziplin und gleichmässigen Fortschritt der ganzen
Klasse zu erzielen ; der vorher angedeutete Zweck ist aber viel wichtiger.
Die Möglichkeit seiner Erreichung gründet sich auf den Satz, „dass eine
Reihe widerstandsfähiger ist, wenn sie mit einer andern Eeihe ver-
flochten wird." Im Schreiben müssen also die Vorstellungen von den
Buchstaben kompliziert werden mit andern, disparaten. Dazu eignen sich
sehr gut die Zahlen. Deshalb wird bei der Einübung eines Buchstabens
gezählt, und zwar kann man dabei jeden Strich mit einer Zahl ver-
binden oder nur jeden Abstrich (wesentlichen Teil des Buchstabens).
Das Letztere halten wir für das Richtigere. (Aufstriche vrerden
also nicht gezählt!) Assoziiert man nämlich Jeden Auf- und jeden
Abstrich mit einem Gliede der Zahlreihe, so ist zu bemerken, dass beim
langsamen Schreiben die Assoziation ganz überflüssig ist und beim
schnellen Schreiben der Zahlreihe eine Schnelligkeit zugemutet wird,
der sie nicht fähig ist. Wird dagegen nur der Abstrich mit einem
Gliede der Zahlreihe assoziiert, so bleibt sie deutlich, auch wenn ziemlich
schnell geschrieben wird. Die Aufstriche kommen unter allen Umständen
zur Darstellung auch wenn sie nicht gezählt werden, da sie die not-
wendige Verbindung der Abstriche bilden. — Manche Schreiblehrer
*) „Die Tendenz der abgesonderten Schön schreibübun gen ist auf das
rein praktische Bedürfnis zu beschränken, d. h. man lehre statt Kalli-
graphie ein möglichst schnelles Schreiben von Formen, die, wenn
auch keinen schönen, so doch wenigstens einen angenehmen Eindruck
auf ein gebildetes Auge machen; man lehre ein Schreiben, wie es ge-
braucht werden kann und auch gebraucht werden wird.** Evangel.
Schulblatt S. 372.
**) Vergl. Neff, Taktschreibemethode nach Schreuer.
Das Schönsclireiben 127
lassen nur 1 , 2,1, 2 usf. zählen , ohne nach Anfang und Ende des
Bachstabens zu fragen. Möglichst einfach ist diese Zählweise, aber nach
dem Gesagten auch möglichst unvollkommen. Auch andere Taktweisen,
wie auf, ab, oder (beim m) eins m, eins m, eins m, können wir für
unsern Zweck nicht gebrauchen. Beginnen wir jeden Buchstaben mit
der Eins, so erreichen wir dasselbe, was die letzterwähnte Zählweise
will: die einzelnen Bachstaben werden voneinander getrennt, während sie
sonst oft zusammenfliessen. Das Wort „mein" wird z. B. „taktiert" :
auf (damit der erste Aufstrich von allen Schülern gleichzeitig ausgeführt
wird), eins, zwei, drei (m), eins, zwei (e), eins (i), eins, zwei (n), Punkt.
Soll die Zahlreihe aber eine Kontrolle über die Buchstabenteile
ausüben, so muss die Zahl mit ihrem entsprechenden Buchstaben voll-
kommen fest assoziiert sein. Deshalb wird ein Buchstabe so lange
geübt, bis sich erwarten lässt, dass mit seiner Gestalt auch seine Zahl
reproduziert wird. So lange die Assoziation noch nicht eine vollkommene
ist, treibe man durchaus nicht zu grösserer Schnelligkeit; der Übergang
sei sehr allmählich, sonst leidet die Sicherheit. Bei der Ausführung lässt
man von jedem Worte angeben, wie dabei gezählt wird, und fährt
damit so lange fort, bis der Schüler die Art und Weise des Zählens
mit grösster Schnelligkeit angeben kann. Schliesslich wird das Zählen
überflüssig. Wie der angehende Musikschüler anfangs den Takt sich
laut angibt, während er später alles taktmässig spielt, ohne auch nur
an Takt zu denken, so ergeht es auch dem geschulten Schreibschüler.
In der Volksschule wird man mit einem massigen Tempo zufrieden sein.
Kann man nicht Gruppen von gleichstehenden Schülern bilden, so sind
für das Tempo die schwächern Schüler massgebend. (Strahlender ff
in Berlin brachte seine Schüler bis zu 220 Taktteilen in der Minute.
Das Zählen Hess er von dem für die Musik erfundenen Metronom be-
sorgen.)
Die andern Vorteile, die das Taktschreiben bietet, wollen wir nicht
unterschätzen. Sein Einfluss auf die Disziplin im Schreibunterricht, auf die
Belebung desselben, auf den gleichmässigen Fortschritt der Schüler usw.
ist ein mächtiger — aber nur, wenn es mit grösster Konsequenz ge-
handhabt, wenn der Lehrer unerbittlich darauf sieht, dass jeder Befehl
aufs genaueste befolgt wird. (Wer sich das nicht zutraut, mag das Takt-
schreiben unterlassen; denn es wird bei lockerer Handhabung nur Ver-
wirrung in den Unterricht bringen.) Im Takt geschieht während der
Schreibstunde alles: Austeilen, Aufschlagen der Hefte, Anfassen der
Feder, Eintauchen, Ansetzen, Schreiben, Absetzen, Haltung des Körpers.
„Gesetz und Ordnung durchdringen alle, auch die unscheinbarsten Ver-
richtungen beim Taktschreiben." Das Tempo bestimmt stets der Lehrer;
anfangs zählt er selbst, dann zählen bessere Schüler, ganze Bänke und
Abteilungen usw. Auch durch leises Klopfen kann der Takt angegeben
werden, während die Schüler leise oder in Gedanken zählen. In Schreien,
Leiern oder Singen darf das Zählen nie ausarten. Dass man über die
Taktteile erst klar geworden ist (Luftschreiben, mehrmaliges Vorzählen
von verschiedenen Schülern), bevor in das Heft geschrieben wird, ver-
steht sich wohl von selbst. Dann darf aber kein Schüler während des
228 ^^^ zweite Schaljahr
Schreibens eines Wortes absetzen, etwa am die Feder einzntanken; er
schreibt rahi^ ohne Tinte weiter. Das nnvollendete Wort wird nach
Beendigang der ganzen Zeile geschrieben.
b) Zar Technik des Schreibnnterrichts
Die Technik des Schreibanterrichts hat es zn tan mit den Schreib-
materialien, der Haitang, den Bewegangen beim Schreiben a. dgl.
Gates Schreibmaterial ist dem Schüler ebenso notwendig, als dem
Handwerker gates Handwerkszeag.
1. Das Papier ist jetzt überall in genügender Güte sehr billig za
haben. Der Lehrer hat daranf za halten, dass es nicht darchschlägt,
and dass die Hefte gleiches Format and sonstige gleiche Einrieb tangen
haben. Am zweckmässigsten würde er sie selbst besorgen, wenn das
nicht, besonders in Städten, zn allerlei Unzaträglichkeiten and An-
feindangen von Seiten der Geschäftsleate führte. Aber mit Bachbindern
oder Händlern, welche das Gewünschte liefern und den Schülern namhaft
gemacht werden wollen, darf sich der Lehrer in Verbindang setzen.
Sollte es die Konkurrenz nicht schon tan, so darf er auch bei Fest-
stellung des Preises ein Wörtchen mit reden. (Unter allen umständen
halte er sich aber von jedem „Geschäftchen" rein.)
2. Was vom Papier, gilt auch von den Stahlfedern, die den
Gänsekiel vollständig aus dem Felde geschlagen haben. Die Wahl
derselben darf den Schülern nicht ganz frei gegeben werden ; denn diese
bringen meist za harte und za spitze. Besonders leiden die sogenannten
„Schalfedern" häufig an diesen Fehlern. Eine einzige Sorte passt aber
nicht für alle Schüler und ist auch nicht nötig ; die Auswahl unter gnten
Federn ist ja eine sehr grosse.
3. Die Tinte muss leicht fliessen, schnell trocknen und gleich aus
der Feder heraus schwarz erscheinen. Die Tintengefässe sind im Pult'
befestigt und werden nur von je zwei Schülern benutzt. Jedes Gefäss
soll seinen eignen Verschluss haben, damit die Tinte nicht verdirbt und
die Schulbücher vor Beschmutzung gesichert sind. Wird Unfug mit der
Tinte getrieben, so ist streng einzuschreiten. Die kleinern Tintenflecke
in den Heften (ohne die es in den untern Klassen nicht abgeht) sind
wegzuradieren ; kann das nicht mehr geschehen, so wird das beschmutzte
Blatt sorgfältig herausgeschnitten. (Bei manchem Schüler darf das Blatt
auch zerrissen werden, wenn man die Überzeugung hat, dass dadurch
auf ihn bessernd gewirkt wird.) Sauber innen und aussen sollen die
Schreibhefte immer sein, sie sind „das Gesicht der Schule". -
4. Für zweckmässige Schulschreibtische geschieht in neuerer
Zeit viel. Sie dürfen nicht zu eng aneinander gerückt sein, damit das
Schreibheft genügend hinaufgerückt werden kann, und damit es dem
Lehrer möglich ist, zu jedem Schüler zu gelangen, ohne die andern zu
stossen und zu drängen.
5. Von nicht geringer Wichtigkeit ist die Haltung beim Schreiben.
Manche Lehrer scheinen zwar zu meinen, darauf komme gar nichts oder
wenigstens nicht viel an ; denn während ihres Unterrichts sitzt ein Schüler
Das Schönschreiben 129
gerade, der andere krumm, der eine liegt auf der Seite, der andei^ scheint
auch mit der Nase zn schreiben, dieser hält die Feder mit gestreckten
Fingern, jener mit gekrümmten usw. Aus solchen WahrnehmuDgen
kann man sofort auf die Energie des Lehrers und die ganze Schulzucht
schliessen. Die Haltung des ganzen Körpers muss beim Sitzen eine
natürliche sein, eine Krümmung des Eückgrads darf weder nach aussen
noch nach einer Seite hin stattfinden; der Oberkörper darf sich etwas
vorwärts neigen, doch nie die Tischkante berühren. Der linke Arm
bildet die Stütze des Körpers und liegt so auf dem Tisch, dass seine
Hand das Heft festhalten kann. Der rechte Arm liegt zwischen Hand-
gelenk und Ellbogen leise auf, sodass er beim Fortrücken nicht genötigt
ist, sich zu erheben. Dies geschieht nur beim Schreiben grosser Schrift-
züge, zu deren Ausführung die Handbewegung nicht ausreicht. Der Ober-
arm hängt frei and natürlich am Körper herab und muss am Ellbogen-
gelenk leise Fühlung mit dem Körper haben. Die Lage des Hefts muss
sich immer nach dem rechten Arm richten, nie umgekehrt. (Die Schüler
sind geneigt, nach jeder Zeile den Arm etwas zurückzuziehen, statt das
Papier aufwärts zif- schieben.) Die Beine werden nicht übereinander ge-
schlagen; die Füsse sind nebeneinander gestellt. Bemerkt der Lehrer
eine Beugung des Eückgrats, so hat er zu beurteilen, ob das aus Nach-
lässigkeit oder Ermüdung der Eückeumuskeln geschieht. In letzterm
Falle (welcher besonders bei kleinern Schülern öfter eintritt), ist den
Schülern genügende Erholung (Anlehnung) zu gewähren.
6. Das Handgelenk, der Ballen und die Handwurzel
müssen unter allen Umständen stets frei sein, d. h. sie dürfen nie fest
aufs Papier gelegt werden; die Hand stützt sich nur auf die Spitze der
Feder und den vierten und fünften Finger. Diese Finger werden etwas
gegen die innere Fläche der Hand gebogen, so dass die Nägel beider
(oder auch nur der Nagel des kleinen) das Papier berühren. Sie dürfen
beim Schreiben nie ruhen und festliegen, sondern müssen bei der Finger-
bewegung eine gerade Linie ziehen, bei der Hand- und Armbewegung
den zu schreibenden Buchstaben aber mitschreiben.'*')
Die Hand darf nicht auf ihrer hohen Kante stehen, sondern muss,
nach links gewendet, ihre ganze Breite zeigen; die hohle Hand muss
dem Papier zugewandt sein; der Schüler darf nicht in die Höhlung
derselben von oben hineinsehen können.
Die Spitze des Federhalters ist nach der rechten Schulter
gerichtet und darf nicht aus dieser Richtung gehen. Angefasst wird
der Halter mit den drei ersten Fingern der rechten Hand; Zeigefinger
und Mittelfinger liegen dabei sanft aneinander; sie bewegen sich stets
gemeinsam, wie ein Körper. Der Daumen berührt mit der rechten
Seite seines Endgliedes ganz nahe dem Nagel die Feder und drückt
sie zwischen die Spalte der beiden aneinander liegenden Finger; er er-
hält eine etwas grössere Krümmung als jene Finger, die nur unbedeutend
gewölbt sind. (Durch Ausstrecken werden Aufstriche, durch Zusammen-
ziehen Abstriche gebildet.) Am Zeigefinger reicht der Federhalter bis
*) Vergl. hierzu: Lobsien, Ober Schreiben und Schreibübungen.
Das zweite Schuljahr. 9
]^30 ^^B zweite Schaljahr
zur Mitte des ersten Gliedes hinanf; er darf also nicht im Handwinkel
(hinter dem Knöchel) liegen.
An diese Haltung muss der Schüler gleich von dem
Tage an gewöhnt werden, an welchem er znm ersten
Male den Griffel in die Hand bekommt. Eine richtige
Haltung ist sicher leichter (weil natürlicher) als eine falsche. Erschwert
wird sie durch unzweckmässige Subsellien, zu kurze Griffel und Über-
anstrengung. Der Elementarlehrer hat darauf besonders zu achten ; denn
er ist für eine richtige Haltung in erster Linie verantwortlich. So lange
sie nicht „zur zweiten Natur" geworden ist, hat der Lehrer die Haltung
immer wieder zu zeigen und förmlich einzuexerzieren. Findet er bei
Schülern, die bereits schreiben, falsche Körper- und Federhaltung vor,
so hat er diese erst gründlich auszurotten und deshalb die ersten Schreib-
stunden lediglich darauf zu verwenden.*) Ein Lehrer aber, welcher er-
klärt, er könne eine richtige Haltung nicht durchsetzen, hat sich damit
sein urteil gesprochen. Ist er nicht der alleinige Lehrer einer Klasse,
80 muss ganz entschieden verlangt werden, dass alle Lehrer, die etwas
schreiben lassen, auch auf richtige Haltung sehen. * Der Schreiblehrer
allein erzwingt in seinen paar Stunden die richtige Haltung nicht.
Zur Erlangung und Beförderung der notwendigen Beweglichkeit,
Freiheit und Kraft der Schreibglieder sind, besonders von Garstair s
und seinen Nachfolgern, besondere Übungen veranstaltet worden. Sie
eignen sich allerdings mehr für Erwachsene, die ihre schlechte Handschrift
verbessern wollen, als für Kinder, die erst das Schreiben zu erlernen haben ;
doch ist auch bei ihnen eine massige Anwendung geeigneter Übungen
ganz förderlich. Di et lein empfiehlt a) Reine Fingerbewegungen mit
feststehender Hand. (Beugt! streckt! oder auf! ab!) b) Beine Finger-
bewegungen mit steter Fortbewegung des Arms und der Hand. (Bei den
Aufstrichen gehen Arm und Hand fort, doch darf im* Handgelenk keine
Bewegung stattfinden; bei den Abstrichen ruht die Hand. Taktiert wird:
fort! ab!) c) Das stete Verbinden der Buchstaben zur Bildung der Arm-
fortbewegung. (Wagrechte und senkrecht absteigende Verbindungsweise
der Buchstaben.) d) Das Grossschreiben der einzuübenden Buchstaben.
e) Das Üben der Grundzüge. (Das Weitere muss in Dietleins „Weg-
weiser^, dem wir in unserm Schreibunterricht vielfach gefolgt sind, nach-
gesehen werden.)
Um eine gute Haltung der Schreibschüler, d. i. eine solche, bei
welcher die Querachse des aufrechten Bumpfs und der beiden Augen
parallel mit dem Tischrand steht, leicht zu erzielen, ist man in neuerer
Zeit wieder vielfach zu der altern Schriftrichtung, zur sog. Steil-
Bchrift zurückgekehrt. Beim Schreiben liegt dann das Heft nicht
*) Der berühmte englische Schreiblehrer Carstairs gebrauchte ein
äusserliches Zwangsmittel, die Ligatur, d. i. eine Fesselung der schreiben-
den Hand, resp. der drei ersten Schreibfinger, mittelst eines Bandes. Der
vierte und fünfte Finger wurden durch ein anderes Band gefesselt Und
unter die Hand gezogen. Zu Anfang des Unterrichts liess er auch noch
den Oberkörper an die Stuhllehne festbinden, um eine gerade Haltung
des Körpers zu erzielen.
Das Schönschreiben 131
recht 8 vom Rumpf, sondern mitten vor demselben nnd parallel mit dem
Tischrand (gerade Mittenlage). Man rühmt der senkrechten Steilschrift
„gesundheitliche und pädagogische" Vorzüge nach."**)
A. Gesundheitliche: 1. Steilschrift verhindert und bessert die Kurz-
Bichtigkeit. Zwangloses Sehen iat nur möglich bei gerader Mittenlage
des Hefts und bei senkrechten Grundstrichen.
2. Bei gerader Mittenlage des Hefts stehen beide Augen in gleich-
M^iter Entfernung von der Schrift; die Grundlinie der Augen (die
Verbindungslinie der beiden Augenmittelpunkte) steht parallel zu den
Zeilen.
3. Stellschrift ist die Voraussetzung für die normale Einstellung der
Wirbelsäule; sie verhindert die Verengerung des Rumpfraumes und somit
schädliche Druckwirkungen auf die Eingeweide; sie sichert die Freiheit
der Atembewegungen und die Möglichkeit einer ausgibigen Entfaltung
der Längen.
4. Die Schreibband befindet sich in naturgemässer Lage. Abnorme
Ermüdung der Hand oder des Arms tritt nicht ein. Steilschrift ist ein
Mittel gegen Schreibkrampf.
B. Pädagogische: 1. Dauernd gute Haltung wird bei schräg-
tMshreibenden Kindern auch durch die beste Disziplin nicht erreicht. Bei
fiteilschreibenden sind Mahnungen zur Geradebaltung sehr selten geboten.
Man hat nur nötig, die Ursache ungenügender Sitzweise zu monieren.
2. An «Steilschrif t gewöhnte Kinder bewahren auch daheim den
^raden Sitz.
3. Beim Rechenunterricht werden die Ziffern der Steilschreiber all-
zeit ihrem Werte nach an die richtige Stelle geschrieben.
4. Die Steilschriftformen sind für den ersten Unterricht leichter als
die schrägen.
5. Die nach den Regeln der Steilschrift Schreibenden können
mfihelos das Abweichen der Feder von der vorgezeichneten Linie über-
wachen.
6. Die korrekte Haltung steilschreibender Kinder macht aiif jeden
Besucher der Klasse den besten Eindruck.
7. Senkrechte Schriftzüge sind durchsichtiger, deutlicher und leser-
licher als schräge.
8. Die Steilschrift spart an Raum, da sie eine Kürzung der Buch-
staben gestattet.
9. Infolge der natürlichen Heft-, wie Körper-, Arm- und Feder-
faaltnng sind die Schreibhefte besser rein zu halten.
10. Das andauernde Geradesitzen der Schüler, wie die Einfachheit
4er Formen erleichtert die Beaufsichtigung und Verbesserung seitens des
Lehrers. Aus der Schriftlage kann der Lehrer erkennen, ob das Kind
CQ Hause eine schlechte Haltung einnahm.
Gegen die Einführung der sog. Steiischrift werden hauptsächlich
folgende Gründe geltend gemacht: 1. Zur Kurzsichtigkeit und Ver-
*) S. Bückert, Über Wesen nnd Ziele der senkrechten Steilschrift.
•Seite 5 u, f.
9*
132 I>a« zweite Schuljahr
krümmoDg: der Wirbelsäale hat der Schreibanterricht höchstens zam
kleinen Teil heigetragen. Dorfkinder, die in der Schule viel mehr
schreiben als Stadtkinder (Stille Beschäftigung !) zeigen beide Fehler nicht
oder nor in sehr geringem Grade. Die Hauptschuld trägt das stunden-
und tagelange Bücken bei Handarbeiten, schlechte Sitze und schlechte
Beleuchtung.
2. Die Steilschrift kann nur langsam ausgeführt werden (s. Eond-
schrift!) und entspricht nicht der natürlichen Bewegung d^r
Hand und des Arms. „Die einfachste Bewegung, um auf einer
Zeile fort zu schreiben, besteht in der Rückwärtsbeugung (Streckung)
der Hand; da dies nur wenig ausgibt, folgt ihr alsbald eine Eotation
des Arms im Schnltergelenke ; der auf der Tischkante aufliegende Teil
des Vorderarms bildet dabei einen festen Punkt, den Mittelpunkt einer
kreisförmigen Bewegung der Hand mit der Federspitze. Wenn man
versucht, auf diese Art mit aufrechter Schrift die Zeilen parallel zur
Querachse des Körpers, zu schreiben, findet man, dass man bergan schreibt.
Um auf der Zeile zu bleiben, muss man den Ellbogen in demselben Masse
nach hinten und rechts ziehen, als man auf der Zeile vorschreitet £s
geschieht dies durch eine Eeiiie kleiner, ruckweiser Bewegungen des Ell-
bogens nach rechts.*)
Anders bei der schrägen Schrift, wenn sie unter den oben genannten
Bedingungen geschrieben wird. Da fällt die Richtung der schräg auf-
steigenden Zeilen ungefähr mit der Tangente des Kreisbogens zusammen,
welchen die Federspitze beschreibt, wenn der Arm im Schultergelenk
nach aussen gerollt wird. Es fällt daher die zurückziehende Bewegung
des Arms weg, und es bleibt nur noch die Rotation im Schultergelenk.
Von dieser genügt ein sehr geringes Mass, da durch den langen Hebel-
arm, welchen der Vorderarm darstellt, die Exkursionen sehr ausgiebig
ausfallen. Damit diese Bewegungen gut ausgeführt werden können, ist
eine leichte Neigung der Tischplatte erforderlich." (Dr. Fuchs, Ursachen
und Verhütung der Blindheit. S. 58 und 59.)
Fär uns steht vorläufig folgendes fest: „Mit Rücksicht auf die Gesund-
erhaltung des Schülers ist zu fordern, dass derselbe so sitze, dass Kopf
und Körper gerade aufgerichtet und dem Tischrand parallel sind. Eine
solche Haltung kann beim Schreiben offenbar nur dann eingehalten werden»
wenn so geschrieben wird, dass die Grundstriche senkrecht
zum Rande des Tisches stehen. In der überwiegenden Mehrzahl
visieren die Augen während des Schreibens auf die Grundstriche, d. h.
sie folgen bei der Ausführung dieser Striche beständig der Spitze der
Feder. Bei den Haarstrichen wird bloss der zu erreichende Endpunkt fixiert
*) Man überzeugt sich leicht von der Richtigkeit des Gesagten»,
wenn man (mit Bleistift) eine Reihe Zeilen abwechselnd mit aufrechter
und mit schräger Schrift beschreibt, am besten mit denselben Worten.
So oft man gezwungen ist, den Vorderarm durch einen Ruck zu ver-
schieben, notiere mau die Unterbrechung durch einen senkrechten Strich
an der betreffenden Stelle der Zeile: man wird sehen, wie viel mehr
solcher Striche die aufrecht geschriebenen Zeilen tragen als die schräg;,
geschriebenen, besonders wenn man etwas längere Zeilen wählt.
Das Schönschreiben 133
Das Visieren anf die Grnndstricbe geschieht nun dermassen, dass
der Schreibende die Grandlinie seiner Augen (d. h. die Verbindungslinie
der beiden Angendrehpunkte) senkrecht anf die Richtung der Grundstriche
stellt; er fuhrt die Grundstriche also entlang dem vertikalen Meridiane
seines binokularen Gesichtsfelds,
Aus dem Gesagten folgt, dass die Haltung des Kopfs (und dadurch
die des Körpers) unmittelbar abhängig ist von der Lage des Grund-
strichs, und falls derselbe eine bestimmte Neigung zur Linie hat, von
der Lage des Hefts.
Die verlangte senkrechte Stellung der Grundstriche zum Rande des
Tisches, kann auf zweierlei Weise erreicht werden:
1. Durch senkrechte Schrift. Bei dieser liegt das Heft
gerade vor dem Körper in der Mittellinie desselben, die Zeilen sind
parallel dem Tischrande, die Grundstriche senkrecht zu den
Zeilen.
2. Die schräge Schrift gestattet eine aufrechte Kopf- und
Körperhaltung, wenn sie unter folgenden Bedingungen ausgeführt wird:
Das Heft liege vor der Mitte des Körpers, so dass die
Zeilen von links unten nach rechts oben in einer Neigung von 30 — 40 ^
bergan steigen. Die richtige Neigung ist dann vorhanden, wenn die
ausgeführten Grundstriche senkrecht zum Tischrande stehen.
Wenn man ein auf diese Weise beschriebenes Blatt dann gerade vor
sich hinlegt, steht die Schrift schräg, d. h. die Grundstriche bilden mit
der Zeile einen Winkel von ungefähr 50^. Schräge Schrift ist also
nichts anders als aufrechte Schrift, geschrieben bei schrägliegendem
Hefte.
Unter allen andern Bedingungen muss die schräge Schrift not-
wendigerweise eine schiefe Kopf- und Körperhaltung nach sich ziehen.
Dies ist z. B. in allen jenen (zahlreichen) Schulen der Fall, wo vom
Schüler verlangt wird, dass er bei schräger Schrift „dass Heft gerade
vor sich hinlege**. (Dr. Fuchs a. a. 0.)
Die Tatsache, dass die sog. Steilschrift nicht der natürlichen Be-
wegung der Hand und des Armes entspricht, sobald längere Zeilen
geschrieben werden sollen, dass dann vielmehr „die Hand in sich selbst
verkürzt und der Unterarm ruckweise fortbewegt werden muss", ist ein
sehr starkes Hindernis für ihre allgemeine Einführung. Man kann das
Hindernis nicht ableugnen; denn die Verfechter der Steilschrift verlangen
selbst, dass man beim Schreiben einer Zeile dreimal mit dem Arm fort-
rücken solle. Um das beim Schnellschreiben sehr störende Fortrjicken
CQ umgehen, schlägt man vor, die Zeilen kleiner — etwa wie auf kleines
Briefbogenformat — zu nehmen, ein Vorschlag, der wieder andere Nach-
teile im Gefolge hat.
Seit man viel und schnell schreibt, hat sich die schiefstehende
Schrift Bahn gebrochen. Im Mittelalter schrieb man nicht schnell,
sondern malte Buchstaben für Buchstaben, da war deren senkrechte
Stellung die richtige. Vielleicht muss man zur Jetztzeit doch an dem Mittel-
weg: schräge Schrift bei schiefer Mittenlage des Hefts, festhalten.
Auf einen Punkt sei noch hingewiesen: Schlechte Haltung ist viel-
134 ^A'S zweite Schuljahr
fach eine ErmädangserBcheinang. Man mache sich deshalb endlich von
dem Vomrteil frei, der Schreibnnterricht strenge die Kinder sehr wenig
an nnd sei deshalb anf die letzten Schulstunden zu verlegen. Kann es
wnnder nehmen, wenn die ermüdeten Schüler sich dann nicht mehr stramm
aufrecht halten wollen? Wir meinen, dass „Erzählstnnden^ nach den
Schreibstunden angezeigter wären als vor denselben.
Zum Schluss noch einige Worte über Probeschriften.
Wie in andern Lehrgegenständen von Zeit zu Zeit eine Prüfung
nötig ist, so auch im Schreibunterricht. Sie ist wichtig für Lehrer und
Schüler ; beide haben in den Probeschriften ein Dokument für die gemachten
Fortschritte. Nur müssen es auch wirkliche Probeschriften sein, die unter
denselben umständen und in derselben Zeit, in der für gewöhnlich eine
Seite geschrieben wird, ausgeführt sind. Man wird mit Anfertigung der-
selben aach nicht warten bis zum jährlichen öffentlichen Examen, wie es
vielfach geschieht. Wir teilen vollständig die Ansicht von Hey (a. a.
0. S. 118): „Es mögen am Schiasse eines jeden Vierteljahres Probe-
schriften angefertigt werden, die dem Lehrer nnd den Schülern zur Kon-
trolle der Leistungen dienen. Am besten geschieht dies wohl in einem
besondern Hefte, das nicht zu schwach sein darf (und mit der jeweiligen
Liniatur verseben ist), um wo möglich mit dem Schüler die Klassen zu
durchwandern nnd so ein übersichtliches Bild des stufenweisen Fort-
schreitens in der Schreibfertigkeit zu bieten. Solche Hefte, die natürlich
sehr sauber gehalten werden müssen, sind von dem Lehrer im Klassen-
schranke aufzubewahren und bei Eevision oder öffentlichen Prüfungen
vorzulegen.'*
3. Ein Unterrichtsbeispiel
Ziel: Wir wollen heute das a und Wörter mit dem n
schreiben.*)
Gebt solche Wörter an!
Welche Wörter habt ihr in der letzten Schreibstnnde geschrieben?
(Es sind Wörter mit 0.)
Warum habe ich wohl nach den Wörtern mit o gefragt?
Sagt, aus welchen Teilen das o besteht!
Könnt ihr auch die Teile (Grandzüge) des a schon nennen?
Könnt ihr auch schon sagen, wie ein richtiges a aussehen mnss?
(Es wird manchem Schüler zweifelhaft sein, ob der letzte Grundzug
ein linker Seitenbogen oder ein Abstrich ist. Ebenso wird nicht genau
angegeben werden, wie sich derselbe zur ersten Hälfte des Buchstabena
verhält.)
Das müssen wir also noch genauer kennen lernen.
*) Es sind die im deutschen Unterricht systematisierten Wörter ge-
meint. Nötig ist nichtj dass dieselben unmittelbar vorher behandelt worden
sind, wenn die Schüler ein orthographisches Systemheft haben. Nach
diesem wird sich der Schreiblehrer überhaupt bei der Auswahl des Schreib-
stoffs für die 5. Stufe vorwiegend richten.
Das Schönschreiben 135
2. Stufe. Der Lehrer schreibt das a an die Wandtafel.
Gebt die Teile (Grundzüge) vom a an l (Der Lehrer schreibt sie, so
ime sie genannt werden, unter den Buchstaben.)
Ist ein Teil dabei, den ihr noch nicht geübt habt?
Wir haben also nur die Verbindung der Teile näher
zu betrachten. Etwas davon kennt ihr auch schon ! (Die Verbindung
vom ersten Seitenbogen und linken Schleifenpunkt ist dieselbe wie
beim o.)
Wir wollen die beiden Teile*) des a schreiben (auch ins Schreib-
heft), damit ich sehe, ob ihr sie richtig schreibt (o und linker Seiten-
bogen werden getrennt neben einander gescb rieben).
Der Buchstabe wird jetzt, wenn der Lehrer zwei Wandtafeln zur
Verfügung hat, ins Liniennetz geschrieben (oder der Lehrer zieht die
beiden Grundlinien an denselben).
Wie hoch ist der zweite Seitenbogen?
Welche Lage hat er?
Wie hoch reicht der Nachstrich vom Schleifenpunkt?
Wie ist der zweite Seitenbogen mit dem Schleifenpunkt verbunden ?
Er darf den Nachstrich des Schleifen punkts nicht gleich an der
obem Grundlinie, sondern erst in gleicher Höhe mit dem Schleifenpunkt
verlassen, sonst wird das a zu breit. (Die falsche Form wird ange-
schrieben, aber sofort wieder weggewischt.) Merkt noch: Der zweite
Seitenbogen darf auch nicht zu nahe an den Aufstrich zum Schleifen-
pnnkt herankommen oder gar mit ihm zasammenfliessen. Wie weit steht
der zweite Seitenbogen vom Aufstrich des o entfernt?
Nun schreibt das a mit dem Zeigefinger in der Luft, wie ich es
mit dem Stab überfahre!
• Schreibt auch mit dem Federhalter in die Luft!
Jetzt gebt an, wie beim Schreiben des a zu verfahren ist! (Wenn
ich das a schreiben will, so verfahre ich zunächst wie beim o ; den Nach-
strich des linken Schleifenpunkts ziehe ich bis zur obern Grundlinie und
füge noch einen linken Seitenbogen an. Dabei gehe ich im Nachstrich
des Schleifenpunkts zurück bis in gleiche Höhe mit dem Schleifenpunkt,
gebe dem zweiten Seitenbogen dieselbe Lage wie dem ersten und sehe
darauf, dass ich nicht zu nahe an den Aufstrich des Schleifenpunkts
komme. — Diese Beschreibung erfolgt erst von den bessern Schülern,
dann von den schwächern ; erst bei unmittelbarer Anschauung, dann ohne
dieselbe.)
3. Stufe. Welche (von den bereits geübten) Buchstaben haben auch
einen linken Seitenbogen? (£), SÜ^ c, o.)
Wodurch unterscheiden sie sich vom a?
Wie viel Taktteile hat das c? das o? das ^? das a?
Mit welchen Buchstabenverbindungen (die ebenfalls geschrieben
*) Alle Elemente des Buchstabens werden nicht einzeln geübt. Die
bereits verbanden geübten, hier also: kurzer Aufstrich, linker Seitenbogen,
linker Schleifenpunkt, bilden einen Teil des neuen Buchstabens. Nur
wenn sich Unklarheiten herausstellen, geht man bis zu den letzten Ele-
menten zurück.
136 ^^^ zweite Schuljahr
worden sind) könnte das o verwechselt werden? (oc, oi.) Vergleicht
auch om und an; o% od), a[)\
4. Stufe. Nun geht die Hauptteile vom a an und heschreibt
es kurz.
(Die Hauptteile des a [Taktteile, Grundztige] sind: linker Seiten-
bogen, linker Schleifenpunkt und linker Seitenbogen. Deshalb zählen wir
beim Schreiben des a 1, 2, 3. Die beiden Seitenbogen und der Schleifen-
punkt müssen gleiche Höhe haben; der nach rechts gebogene Aufstrich
und der zweite Seitenbogen dürfen sich nicht berühren.
Man darf nicht schreiben n wie 0c, an nicht wie 0||t, (tff nicht
wie oä^,)
5. Stufe. Nun wollen wir das a schreiben. (An die Wandtafel
wird eine ganze Zeile q geschrieben.)
Schreibsitz ! Nehmt die Federn !
Arm vor! Wir schreiben erst wieder in die Luft!
Ich zähle. Schreibt mit mir a! (Luftschreiben! Der Lehrer tiber-
fährt dabei mit dem Zeigestabe die Buchstaben, die Schüler haben die
Federspitze auf dieselben gerichtet. — Gezählt wird beim a: auf, 1, 2, 3,
1, 2, 3 usw. Das Wörtchen „auf" oder „fort" wird nur beim ersten
Buchstaben einer Verbindung oder eines Wortes gesagt.)
Arm ab!
Federn weg!
Schlagt die Hefte auf!
Wohin ist das a im Heft zu schreiben ? (Zwischen die beiden Grund*
linien.)
Wie viele a kommen auf die Linie? (Zwischen je zwei Eichtungs-
linien ein Buchstabe. Das a steht nicht an der Richtungslinie.)
Nehmt die Federn!
Taucht ein!
Schreibt die erste Zeile a! (Ohne Zählen.) (Wer fertig ist, legt die
Feder hin, Hände zusammen. Der Lehrer geht rasch durch die Bänke
und mustert die Schrift. Sind Fehler vorhanden, so wird zunächst der
schwerste korrigiert. Ein Schüler hat z. B. einen Abstrich statt des
linken Seitenbogens geschrieben) : Achtung I Ein Schüler hat das a so
geschrieben. (Falsche Form wird angeschrieben.)
Was ist falsch?
Wie muss es sein? (Falsche Eorm wird verbessert.)
N. (der Schüler, welcher den Fehler gemacht hatte) gibt noch ein«
mal an, aus welchen Teilen das a besteht.
Welcher Strich kommt dabei gar nicht vor? (Der verbesserte Bach«
fitabe wird weggewischt.)
Schreibt die zweite Zeile!
Es wird nachgesehen, ob die Schüler, welche den ersten Fehler ge-
macht hatten, denselben in der zweiten Zeile vermieden haben. Dann
wird ein zweiter Fehler verbessert.
Sobald die Form der Buchstaben die richtige ist, folgt
Taktschreiben. Sitzt richtig!
Nehmt die Federn !
Das Schönschreiben 137
Taucht ein!
Setzt an !
Ich zähle: auf 1, 2, 3 ; auf 1, 2, 3 und so fort. (Statt der Be-
fehle mit Worten gebraucht man auch bestimmte Zeichen.)
Nun schreiben wir eine Zeile miteinander verbundene 'a ! (Auf
1, 2, 3, 1, 2, 3, 1, 2, 3 . . .)
Einzelne Schüler zählen.
Die Schüler einer Bank (Abteilung) zählen.
(Während des Taktschreibens behält der Lehrer seinen Stand am
Tischei damit er alle Schüler sehen ksmn. Sobald Schüler ausser Takt
schreiben, wird Halt! gerufen.) — Nachdem einige Zeilen geschrieben
sind, wird eine Pause gemacht, während welcher der Lehrer die Hefte
rasch durchsieht.
Ist einige Fertigkeit im Schreiben des a erzielt worden, so folgen
Verbindungen des a mit bereits geübten Buchstaben, z. B. an, am, man,
samt, satt, dann usw. (Bei spätem Wiederholungskursen ist mehr Frei-
heit in der Auswahl der Wörter gestattet.)
Diese Wörtchen können auch aus dem Kopfe geschrieben werden ;
dann sind sie vorher zu buchstabieren, auch wenn sie schon im deutschen
Unterricht behandelt, bezüglich systematisiert worden sind. Für das
Taktschreiben ist die Zählweise anzugeben. Welchen* Baum ein Wort
einnehmen soll, wird ebenfalls bestimmt. Bei kleinern Schülern schreibt
man sie erst an die Wandtafel, damit besonders die Entfernungen der
Buchstaben von einander gesehen werden.
B. Naturkundliche Fächer
I. Naturkunde
Literatur : S i g i s m u n d , Die Familie als Schale der Natut. Leipzig^
Keil 1857. ~ Ziller-Bergner. M aterialien zur speziellen Pädagogik.
Des Leipziger Seminarbucha 3. Aufl. 1886. — Stoy, Über Heimatkunde.
— Bartholomäi, Heimatkunde der Märchenstufe. Jahrbuch d. Vereina
f. w. P. 5 und 7. — Derselbe, Materialien für den Unterricht in der
Heimatkunde. Allg. Schulzeitung 1876. — P i n g e r , Heimatkunde. —
Muthesius, Über die Stellung der Heimatkunde im Lehrplan. Weimar
1890. — Beyer, Die Naturwissenschaften in der Erziehungsschale.
Leipzig, Reichardts Verlag 1885. — Derselbe, Die Naturwissenschaften^
in der Erziehungsschule. In Reins Päd. Studien, 2. Heft 1883. — Winzer^
Ist die Heimatkunde ein selbständiger Unterrichtsgegenstand? In Reins
pädag. Studien, 2. Heft 1883. — Junge, Der Dorfteich, Kiel 1885. —
Fuchs, Robinson als Stoff eines erziehenden Unterrichts. Jena 1893. —
Derselbe, Die Grossstadt und ihr Verkehr. Kulturkundliche und ethische-
Anschauungsstoffe. Warneck-Berlin. — Männel, Versuch eines Lehr-
planes für den naturkundlichen Unterricht. In Rein, Aus dem pädag^
Universitäts-Seminar zu Jena, zweites Heft. Langensalza 1890. —
Scholz, Heimatkunde in Reins päd. Enzyklopädie. — Derselbe, Heiniat-
kunde und Heimatleben. In Rein, Deutsche Erziehung, München, Leh-
mann 1907. — Henkler, Der Lehrplan für den Unterricht in der Natur-
kunde. Leipzig, Teubner 1906. — Scharrelmann, Herzhafter Unter-
richt, Hamburg 1902 bei Janssen. — Derselbe, Fröhliche Kinder.
Hamburg 1907. Janssen. — Gansberg, Plauder stunden, Schilderungen
für den ersten Unterricht, Leipzig bei Hofmann 1902. — Derselbe, Kind
und Umwelt, in Das Buch vom Kinde von Adele Schreiber, Leipzig 1907,.
Teubner. — Vosgerau, Kind und Natur, ebendaselbst. — Kerschen-
steiner, Produktive Arbeit und ihr Erziehungswert, ebendaselbst. —
Tögel, Didaktik und Wirklichkeit, Dresden 1907. Bleyl und Kaemmerer.
— Rein, Päd. Enzyklopädie: Die Artikel über Naturkunde, Handarbeit^
Schulgarten. — Rein, Erstes Schuljahr: Die zum Artikel Naturkunde
angegebene Literatur.
I. Aufgabe und Bedeutung der Naturkunde
Die Naturkunde ist uns im zweiten ebenso wie im ersten Schul-
jahre „allgemeine Heimatkunde". Diese Bezeichnung möchten wir, weil
sie die Sache besser trifft, für „die Naturkunde der Heimat^ gesetzt
wissen. Zur allgemeinen Heimatkunde rechnen wir Naturgeschich tliches^
Naturkuude 139
Physikalisches, Geographisches, Geschichtliches, Astrouomisches, Toohuo«
logisches, kurz gesagt: Natur- und Knlturkundliches.
Der alte Anschauungsunterricht und die rein geographische Heimat-
konde werden in den Begriff der „allgemeinen Heimatkunde** eiuhezogen
und nicht als seihständige Unterrichtsfächer anerkannt. Die Gründe
dafür siehe: Scholz, Artikel Heimatkunde, in Beins Päd. Enzyklopädie und
Rein: „Erstes Schuljahr«, 7. Aufl. S. 352 f.*)
Im allgemeinen fällt der Naturkunde im zweiten Schuljahre auch
die im „Ersten Schuljahr'* formulierte Aufgabe zu, die durch die tägliche
Erfahrung an den Dingen der äusseren Natur und Kultur sich von selbst
ansammelnden, heimatlichen Sinnesvorstellungen durch wohlgeordnete unter-
♦) Vergl. Tögel, Didaktik und Wirklichkeit. Bleyl und Kaeunnerer,
Dresden S. 108 f. Es muss befremden, dass der Verfaäser gegnn die
Stellnngnahme Zillers und seiner Schüler polemisiert, da sich seine An-
schauangen mit denen der Zillerschen 8chule in den wesontlicIiHten
Punkten: der Bedeutung der Heimat und deren Verwertung für die goisti^o
Entwicklang der Jugend und somit des Volkes, geradezu decken. Ho-
tonten Ziller und seine Schüler ursprünglich auch schärfer die prinzipiollu
Bedeutung der heimatkundlichen Voröteliungen als Grundlage für all»
Fächer auf allen Altersstufen, so taten sie das im Gegensatz asu dnr
einseitigen Auffassung der Heimatkunde als Fach, als geogranhiHuhuH
Fach nämlich. Denn das war die Heimatkunde bis dahin tatMächlich, ein
Vorhof der Geographie. Die gelegentlichen Hinweise, wie z. B. der auf
einen Satz Fingers, können daran nichts ändern.
Dass der erste Unterricht nur heimatlichen Charakter tragen kann,
wie es vom Verfasser gefordert wird, spricht z. B. der Artikel „Heimat-
kunde^ in Reins Enzyklopädie ganz klar aus. „Ein anderer aU heimat-
kundlicher Unterricht ist bei Beginn der Schulzeit den Kinde» pHycho-
logisch nicht denkbar*^, heisst es dort. E? wird dieser ernte Unterricht
^allgemeine Heimatkunde* genannt zur Unterscheidung z. B, von der
besondem „ geographischen Heimatkunde^, die ah geschloM^ieneH Kach auf-
tritt. Ob man die allgemeine Heimatkunde auch ein „Fach^ nennt, dürfte
an der Sache nichts ändern.
Wichtig dagegen ist, dass Tögel '^S. 116j von einem neiien G«»i< lität-
punkte aus, von dem der „WirklicLkeii" im kindlichen Seelenleben, zur
vollen Anerkennung der Zillerschen AaffasHung gelangt, wonucli di<4
Heimatkunde die ganze Schuizeit über Unterricht^prinzit/ bleiben mnan,
Dass Tögel von andern Erwägungen au« und a-jcb, wie e« »cbeint, ohne
die in dem genannten Artikel der KnzykJojyädie vertretene An»jcbauung
gekannt zu haben, — die reichen Liieraturangaben n<rnneij den Artikel
nicht — zu demselben Ergebniis kommt- «pricht entschieden inr *ii*i ^üfAt-
tigkeit der Zillerschen AuffaösuLg.
Gesichtspunkte für die Ausvtahl d*;? ungemein rei':bballi;.^en Ht/yJües
des ^HeimatucterricLts- ^dec AuJsdmck p-äj^t T6gel neu> w«-rlen vom
Verfasser leider nicht genannt, nnd doc!j kommt >o viel auf iie*e an.
Vielleicht liegen hier DlfiereLzpuiiit*,e vor: do';b J&hut nicb da» ni';bt olutt
weiteres festste llen.
Nicht zu ereeben itt a^-I. o'-, de/ Äuiidr';';k ^iif/.is.'4rk*jn'lir duM;b
„HeimatODterncht' ersetzt vi-erJ«^^ to^.V Bei'ie neoen *riuitih'i*it wyr'itfU
Verwirrung schaffen- Der erkt^tre :tt zu fett e.n;^eb'w;^<./' ^nd wifi tu d*r
breiten Praxis weiter alt jeii. i$eogi*pK-it'.^e Uf.ss.it\tiuti'i*s aufj^ett^nt
werden.
Daher ziehen wir vor. der. »:rt\*:Lt ^!:A*:fi '.*.;.* a.»-, .*.,i^«;//;e./,«; He^nfc*.
künde*' zu bezeicLren. L*rr i.<:-,e /-^t'::-j',>c ^Hei// fe»'^/^*«-//;'':/.'' jr* t-zj
sprechend und verdiei.: Bev: l • •: :, '/ , ?. ', %*l 'J . f.u. '. f. .'- a^ ♦. , . vh *: A '. j< • eij/ •. fj/^
gegeben worden i^t.
140 ^ÄS zweite Schuljahr
richtliche BeohachtüDgen zn vermehreD, sowie durch denkanregend
Fragen zu ordnen, zu berichtigen nnd zu klären.*)
Das Unterschiedliche und die Forderungen für das erste Schul
jähr Ergänzende ist nicht in wesentlich grösserer Stofifmcnge zu snchei
sondern in erweiterter Betrachtungsweise, wie sie der Natur der Sach
als stoffeinheitlicher, heimatlicher Vorstellungsmassen mehr entspricht nn<
der Entwicklungsstufe des Kindes angemessen ist. Das Hanptgewich
ist dabei immer auf Anbahnung nnd Bildung klarer Anschauungen z
legen ; denn die Anschauung ist nicht bloss das Fundament aller Erkennt
nis, sie liefert sicher auch das beste Fundamentstück für die Entwicklnnj
gesunden Gemüts- und Willenslebens.
Vollkommene Anschauung besteht in sinnlich- allseitig scharfer nni
vergleichender Beobachtung und Erfassung der Dinge und Geschehniss(
Sie führt zu vollwertigen Vorstellungen und Vorstellungsverbindungei
Vollwertigkeit der Vorstellungen ist aber bedingt durch sachlich
Klarheit; lebhafte Gefnhlsbetonung und den Trieb zur Umsetzung de
Vorstellungen in Handlungen, und diese Eigenschaften haften Vorzugs
weise an den heimatlichen Vorstellungen.
Die Heimat bietet den frischen, reizbegehrlichen Sinnen des Kinde
die Dinge und Erscheinungen der Welt am unmittelbarsten dar, weil si
die natürlichen Beziehungen und Zusammenhänge in voller Totalitä
zeigte und dazu gestattet die Heimat dem Kinde, seinem natürliche]
Drange nachzugehen und sich mit und in den Dingen und Erscheinungei
auszuleben. Dadurch sammelt es Erfahrungen echter Wirklichkeit, au
denen Erkenntnisse höherer Art entstehen, die sich ihrerseits zu dei
ersten grundlegenden Innern Überzeugungen verdichten. Es ist daru
zugleich ein Anfangsglied für richtiges ethisches Empfinden und Urteile]
gegeben, denn in dem Streben nach Klarheit der Vorstellungen und nacl
dem Grunde der Erscheinungen und Geschehnisse steckt eine Wurzel ffi
Wahrheitsliebe, Gewissenhaftigkeit und Überzeugungstreue.
So liefern die heimatlichen Vorstellungsmassen den festen Grun<
für intellektuelles und teilweises ethisches Wachstum.
Dasselbe gilt für das Gemüts- und Willcnsleben.
Es ist bekannt, dass lebhafte Jugendeindrücke, gute nnd böse Er
lebnisse, gemütliche llegungen aller Art erzeugen, die als konstituierend«
Elemente der Gemütsbildung und Gemütsrichtung anzusprechen sind un<
die das ganze Leben hindurch vorzuhalten vermögen, weil sie mit einen
fest umrissenen heimatlichen Schauplatze assoziiert sind.*'"*')
Der Wille endlich erhält vorzugsweise Anregung und Stärkung
durch die natürliche Selbstbetätigung innerhalb der heimatlichen Vorstel
lungsmassen. In Arbeit und Spiel erobert das Kind anscjiauliche unc
leichter oder schwerer erreichbare Ziele, auf die sein Interesse und Be
gehren sich von selbst richtet oder darauf eingestellt wird. Da lern'
es Beharrlichkeit üben, die zum Ziele führt, und so werden klare Am
*) S. 350.
**) Vergl. Scholz, Heimatkunde und Heimatleben, in Rein, Deutsch«
Erziehung, Bd. 1. München Lehmann 1907.
Naturkunde 141
schauoDg uiid Erkenntnis auch zam Weckangs- und Förderrungsmittel
der Willensenergie and Willensansdaaer.
£s ist somit der Vorstellungskreis der Heimat, den wir in der
allgemeinen Heimatkunde bearbeiten, von grundlegender Bedeutung für
den Auf- und Ausbau des gesamten Geisteslebens und besonders auch für
die Charakterbildung.
II. Auswahl und Anordnung des naturkundlichen StofTes
Mehrere Gesichtspunkte und Rücksichtnahmen kommen dabei in
Betracht.
1. In erster Linie massgebend ist uns der Konzentrationsgedauke^
so dass die oberste Weisung zur Stofauswahl der Gesinnungsstoff gibt.
Das geschieht im Einklänge mit der Psychologie. Denn: Das Kind, das
sich mit ganzer Seele in die Yorstellungswelt des Eobinsonstofifes vertieft,
hat das Streben nach echtem Wirklichkeitsempfinden und sacht deshalb
Anregungen, die es vom Erzählstoffe erhält, weiter zu verfolgen durch
Umsetzung in Handlungen. Normal- aktive Veranlagung begnügt sich
nicht mit Phantasiegebilden an sich und hier mit Phantasiebildern über
Robinson, der durch ernstes Nachdenken und harte Arbeit eine Fort-
schrittsstufe nach der andern erreicht; aktive Veranlagung will vielmehr
den Trieb nach vollem Wirklichkeitsempfinden durch Nachahmung vom
Tun und Treiben des Robinsonhelden befriedigen.
Offenbar kann diese Nachahmung nur auf dem Boden der Heimat
und mit den Mitteln geschehen, wie sie heimatliche Natur und Kultur
darbieten. Es treibt darum der Gesinnungsstoff das Kind mit lebendigem
und vielseitigem Interesse unmittelbar in die heimatliche Natur und das
ganze Heimatleben hinein; und es wäre gewiss eine pädagogisch-psycho*
logische Kurzsichtigkeit, dieses Interesse nicht aufzugreifen und für den
Unterricht nutzbar zu machen.
Von diesem Interesse aus übernimmt der Konzentrationsgedanke die
erste Führerrolle und wirkt regulierend und normierend auf die Stoff-
auswahl ein. Durch ihn erfolgt die erste Durchsiebung der vorhandenen
grossen Stoffmenge und lässt Material übrig, das sich dem Gedanken-
kreise des Gesinnnngsstoffes eng anlehnt. Man erreicht damit eine ge-
wisse Geschlossenheit der Vorstellungsmassen und arbeitet so auf die
Einheitlichkeit des kindlichen Gedankenkreises hin. Einheit des Gedanken-
kreises gehört aber zu den Hauptwesenszügen des erziehenden Unter-
richts, sie bedingt Einheit des Bewusstseins und wertvolle Charakter-
eigenschaften.
Drei wertvolle Führerdienste, welche die Konzentration somit bei
der Stoffauswahl leistet, sind nicht zu verkennen:
a) Sie bewahrt davor, den obersten Erziehungszweck aus dem Auge
zu verlieren, indem sie den Aufbau eines einheitlichen Ge<^
dankenkreises fordert und fördern hilft.
b) Sie führt zu Stoffen, denen das Kind lebendiges, vom Gesinnungs-
stoff angefachtes Interesse entgegenbringt.
c) Sie erleichtert also in psychologisch-sachlicher Weise die Ent^
Scheidung über das Was und Wieviel des Lehrstoffes.
142 ^As zweite Schuljahr
2. Man darf aber den Konzentrationsgedanken nicht so eng fassen,
dass er im naturkundlichen Unterrichte als allein herrschende Norm der
Stofauswahl zu gelten hätte. Es hiesse doch das wichtige didaktische
Prinzip veräusserlichen, wollte man für dasselbe bis in die Einzelheiten
der Stoffauswahl und Behandlung absolutes Bestimmungsrecht bean«
spruchen. Die Naturkunde wurde dadurch in eine „erdrückende Ab-
hängigkeit vom Gesinnungsunterricht** kommen und damit vor allem un-
gerechtfertigt starke Ausschaltung wichtiger Bildungselemente und frischer
Bildungskraft erfahren. Die Konzentration richtet sich immer auf inner-
lich verwandte und zusammenhängende Vorstellungs- und Gedanken-
massen. Niemals darf sie so aufgefasst werden, dass man z. B.
«agen kann : Hase^ Pferd und Kuh haben im naturkundlichen Unterrichte
nichts zu suchen, weil der Bobinsonstofif nicht von ihnen handelt. Im
Sinne innerer Konzentration handelt er wohl von diesen Tieren, einerlei
dabei, ob sie mit Namen genannt werden oder nicht. Es ist doch so,
dass es Robinson z. B. mit Jagd-, Schlacht-, Milch- und Zugtieren zu tun hat,
und seine ganze Lebensgestaltong ist von einer bestimmten Zeit an in
hohem Masse von diesen abhängig. Werden damit nicht Beziehungs-
punkte zu des Kindes heimatlichen Verhältnissen geradezu handgreiflich
gegeben, und richtet sich die kindliche Ideenassoziation nicht unaufhalt-
sam, den Assoziationsgesetzen folgend, auf die Jagd-, Schlacht-, Milch-
und Zugtiere der Heimat? Sicher ist es so, und darin liegt ein Wink
für ein Stück gesunder Konzentration. Wir folgen dem Wink und ver-
leiben dem Stoffplan auch Naturobjekte ein, auf welche sich die vom
Gesinnungsstoffe angeregte Ideenassoziation naturnotwendig richten muss.
8) Wenn wir das Kind im Anschluss an den Robinsonstoff durch
Ausflüge in die Natur, durch Besuche von Werkstätten, durch Hand-
fertigkeitsunterricht usw. in die echte Wirklichkeit heimatlichen Natur-
und Menschenlebens tiefer einzuführen versuchen, so können wir auch
an manchen Dingen und Erscheinungen nicht vorübergehen, die ebenfalls
dem kindlichen Interesse nahe liegen, aber mit dem Robinsonstoff nur losen
oder gar keinen Znsammenhang aufweisen. Wir besitzen auch hier ein
psychologisches Recht, solche Dinge in massigem Umfange in den Unter-
richt hereinzuziehen, denn was an anschaulichen Heimatstoffen dem kind-
lichen Interesse und Verständnis entspricht, das liegt, wie auch Ziller*
ausführt, der Konzentration nahe.
Ausserdem darf man nicht verkennen, dass bei passender Gelegen-
heit gemachte Beobachtungen und gegebene Belehrungen den Geist sehr
günstig beeinflussen. Was der Unmittelbarkeit des Augenblicks entstammt,
^eht meist mit grosser Leichtigkeit in Intellekt, Gemüt und Willen ein.
4. Nicht unwesentlich wirkt auch der lokal-individuelle Charakter des
heimatlichen Natur- und Menschenlebens auf die Stoffauswahl ein. Ein
naturkundlicher Stoffplan für Jena mit seinem vielgestaltigen Landschafts-
bilde und dem davon abhängenden Kulturleben muss ein anderes Gesicht
haben, als z. B. ein Plan für eine Schule in der Mitte des Thftringer
Waldes. Der Konzentrationsgedanke lässt sich aber dort wie hier durch-
führen und behält innerhalb des individuellen Rahmens der Heimat seine
volle Geltung.
Naturkunde. 143
5. Endlich können wir auch die unterricbtliche Betrachtungsweise
der Lehr- und Lernstoffe nicht ausschliesslich nach den vom Gesinnnngs-
Stoff kommenden Gesichtspunkten einrichten und durchfuhren. Es gibt
ein sachliches Interesse, das von den Lehrobjekten selbst ausgeht.
Dieses verlangt angemessene Berücksichtigung, und wir müssen deshalb
gewisse Stoffe vielseitiger ausnutzen, als der Gesinnungsunterricht dazu
direkte Anregung gibt.
6. Für die Anordnung des Stoffes sind keine besondern Erwägungen
und Weisungen nötig. Hier sind die Bichtlinien in der Aufeinander-
folge der gesinnungsstofilichen Abschnitte oder methodischen Einheiten
und in dem von den Jahreszeiten abhängigen Natur- und Menschenleben
gegeben. (Eolissionen , die dabei leicht eintreten, lassen sich nicht
generell beseitigen. Sie müssen nach Zeit- und lokalindividuellen Ver*
hältnissen auszugleichen versucht werden.)
Bemerken wollen wir nur, dass naturwissenschaftliche Systeme so
gut wie keine Bolle spielen können weder bei der Auswahl noch bei
der Anordnung des Stoffes. Das System zerreisst die Wirklichkeit des
Lebens und kann deshalb dem noch in der vollen sinnlichen Anschauung
wurzelnden Kindesgeiste der untern Schuljahre weiter nichts bringen,
als langweilende Belästigung durch öden Verbalismus.
III. Obersicht des StofTes
Die Darchsicht der 32 Abschnitte unserer Bobinsonerzählung stösst
auf einen grossen Beichtum von natur- und kulturkundlichen und geo*
graphischen Stoffen im engeren Sinne. Es gilt nun, sich an der Hand
der Bichtlinien, die wir vorangehend für die Stoffauswahl fixiert haben,
auf das unterrichtlicb zu bewältigende Nächstliegende und Wichtigste
zu beschränken. Das wird in dem zu erblicken sein, was die Heimat
am besten und deutlichsten dem Eindesgeiste zuftihren kann. Stellen
wir es in einer Gruppenübersicht zusammen.*)
1. Zunächst wenden wir unsere Aufmerksamkeit den Gewässern der
Heimat, der Saale, Leutra und Mühllache, zu. Denn wenn wir im Ge-
sinnnngsnnterricht von der Elbe, von dem Meere usw. reden, fussen wir
auf den in der Heimat gewonnenen Anschauungen. Die Saale muss die
Begriffe Ufer, Hafen, Halbinsel, Insel vorbereiten, die darauf
befindlichen Kähne müssen assoziative Vorstellungen zur Besprechung des
Schiffes, welches uns nur im Modell und in Bildern vorliegt, liefern. Diese
Stoffe würden die erste Gruppe des naturkundlichen Stoffes bilden. Sie
würden der Bobinsonerzählung voraufgehen, damit diese bei dem Bericht
über den Hafen, das Schiff Bobinsons usw. den nötigen und anschaulichen
Untergrund in der Seele des Kindes vorfindet
2. Bei unsern Spaziergängen nehmen wir zugleich Bücksicht auf
Ebene, Tal, Berg, Fels und Abhang — denn diese Dinge kehren
auf der Bobinson-Insel wieder.
3. Im Wald sehen wir das Fällen und Behauen der Bäume. Diese
Betrachtung führt uns zur Flösserei auf der Saale und auf den Zimmer-
*) Als Heimat ist dabei Jena mit nächster Umgebung angenommen.
144 '^*8 zweite Schuljahr
platz. Letzterer mnss öfters besucht werden. Eobinsons erste und
hauptsächlichste Tätigkeit ist die eines Zimmermanns, da es gilt, sich
eine Wohnung zu bereiten und gegen etwaige Anfälle zu schützen.
4. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Beschaffung der Nahrung.
Wir müssen daher die Bebauung des Feldes beobachten, das Säen
und Ernten des Getreides.
5. Daran schliesst sich die Zubereitung desselben in der Mühle
und bei dem Bäcker.
6. Mitten hinein in ein anderes, für unsere naturkundlichen Elementar-»
Studien reiches Gebiet leiten uns die Bemühungen Robinsons, sich Körbe
zu flechten, Netze zu knüpfen, Tongeschirre zubereiten, Kleider
und Schuhe zu fertigen; denn von hier führt der Weg unmittelbar in
die Werkstätten des Korbflechters, Töpfers, Schneiders, Webers, Schuh-
machers und anderer Handwerker. Von Wichtigkeit dabei ist, dass sich
das Kind nach dem Eobinson an die Anfänge unseres Kulturlebens zurück
versetzt sieht, wo ihm die menschlichen Bedürfnisse vor Augen treten, und
wo es die ersten unvollkommenen Versuche, die Bedürfnisse zu befriedigen,
gewahrt, sich selbst in ausgiebiger Weise nachahmend tätig daran betei-
ligend. Von da wendet sich der Blick, die ganze Reihe einer viel-
hundertjährigen Entwickelnng überspringend und das Ende mit dem An-
fang zusammenhaltend, der Betrachtung unserer Handwerke*) zu, die in
diesem Eobinsonlichte mit ganz andern Augen angeschaut werden, als
wenn nach gewöhnlicher, rein willkürlicher Anordnung unter vielem andern
auch an diese Stoffe einmal die Reihe kommt.
7. Eine fruchtbare Gedankenbegwegiing wird ferner durch den
Geldfund auf dem Schiffe angeregt. Allein auf seiner Insel und in
den einfachsten Naturzustand zurück gedrängt, haben die blanken Taler
für Robinson nicht einmal den Wert einiger alter Nägel, eines Hammers,
eines Messers. Er kann nichts mit ihnen anfangen, sie sind ihm völlig
nutzlos. Wie anders, wo der Mensch im Verkehr mit Menschen steht,
eine Teilung der Arbeit erfolgt, ein allgemeines Tauschmittel zum unab-
weislichen Bedürfnis geworden ist. Hier entkeimen die ersten elemen-
taren volkswirtschaftlichen Grundbegriffe.
8. Robinsons Jagdgänge und Kämpfe führen zur Betrachtung
der Waffen und Jagdtiere, der seinigen, der unsrigen, der Fischfang gibt
Veranlassung, uns mit Fischen der Saale, ihrem Fang und ihrer Bedeu-
tung als Erwerbsquelle zu beschäftigen.
9. Seine Bemühungen, sich warme Speisen zu bereiten, die langen
Nächte durch Lampenlicht sich abzukürzen, führen auf Feuer und Licht
10. Sein Bedürfnis, die Tage und W^ochen zu merken, auf die Ein-
teilung der Zeit, des Jahres in Monate, Wochen, Tage — Kalender;
des Tages in Stunden — Uhr.
11. Die Baumfrüchte, die Witterun gs Verhältnisse auf Robinsons
Insel leiten unwillkürlich den Blick zurück auf die entsprehenden Ver-
hältnisse und Objekte der Heimat, immer von wertvollen Vergleichungen
begleitet und gehoben.
*) Vergl. die ünterrichtakizzen.
Naturkunde 145
12. Ans der Pflege seiner Ziegen sehen wir unsere Viehzucht
erwachsen usw.
Aus diesen kurzen Bemerkungen ist ersichtlich, welche reiche An-
regung von der Eobinsonerzählung für die Dinge der Umgebung aus-
geht, und man bat Not, die Überfälle des herandrängenden Stoffes auf
ein Mass zurück zu führen, das in einem Jahre zu bearbeiten ist.
Wie wir die Aufgabe im Einzelnen zu lösen versuchen, wird
der Schluss unseres Kapitels zeigen.
IV. Behandlung des StofTes
Die allgemeine Heimatkunde nmfasst das wichtige Gebiet , das
unserer unmittelbaren Wahrnehmung und unserer aktiven Betätigung zu-
gänglich ist. Da wir diesem Gebiet den gesamten Reichtum an lebei^s-
voUen Sinnes vor Stellungen entnehmen, auf denen unser Vorstellungs-
leben und damit auch unser Gefühls- und Willensleben ruht, so muss in
der allgemeinen Heimatkunde danach gestrebt werden, das Kind bei jeder
Unterrichtseinheit in ein Stück lebendig wirkender Wirklichkeit der
Heimat zu verpflanzen. Dem Grade entsprechend, in welchem dieses
Einpflanzen gelingt, fliesst aus den naturkundlichen Betrachtungen allen
Interessen der Erkenntnis und Teilnahme Nahrung zu. Nur durch
echten Wirklichkeitsunterricht vermag die Naturkunde die ihr lehrplan-
mässig gestellte Aufgabe des erziehenden Unterrichts zu erfüllen.
Die Kardinalfrage für die unterrichtliche Behandlung ist darum
diese: Wie gelingt es, das Kind in den Zustand lebendigen Wirklich-
keitsempfindens zu bringen und ihm einen Wirklichkeitsgehalt zu über-
mitteln, der seiner Auffassungskraft genehm ist?
Jeder Versuch, diese Frage in psychologisch- pädagogischer Richtung
zu lösen, hat, im besondern auf den untern Unterrichtsstufen, von der
kindlichen Geistesverfassung auszugehen. Folgende hervorstehende Wesens-
züge aus dem Verhältnis der kindlichen Perzeption zur ganzen Ideen-
asBoziation sind von grandlegender und richtunggebender Bedeutung:
1. Das Kind hängt mit allen Sinnen und allem Denken am Leben-
digen, d. i. am Geschehen, an Bewegung und Veränderung. Alles, was
recht sinnenfälliges Leben zeigt, interessiert und wird scharf beobachtet,
mags der orgaoischen oder anorganischen Welt entstammen. Tote oder
tot scheinende Gegenstände erregen die Aufmerksamkeit nur insofern,
als sie einer phantasiemässigen Betrachtung und Behandlung zugänglich
sind, durch welche ihnen Leben eingehaucht wird. Die Phantasie jspielt
fast noch dieselbe Rolle wie im ersten Schuljahr.*)
2. Die Lebewesen und Lebenserscheinungen werden nicht als iso-
liert dastehend ins Auge gefasst, sondern in dem Zusammenhange, in
dem sie mit andern Lebewesen und Lebenserscheinungen innerhalb einer
natürlichen Lebensgemeinschaft stehen, welch letztere das Kind aus Er-
fahrung nach verschiedenen Seiten hin schon kennt.
Die Betrachtungsweise innerhalb der natürlichen Zusammenhänge
schliesst ein höheres Denken ein, in dem die Fragen nach dem
*) Vergl. Erstes Schuljahr, 7. Auflage S. 359 f.
Das zweite Schuljahr. 10
146 ^&s zweite Schaljahr
Wozu, Warum und Weil eine hervorragende Rolle spielen. Das Kind
denkt und handelt beziehentlich in einfachen teleologischen und l^ausalen
Zusammenhängen.
Der Hauptbeziehungspunkt ist dabei das Naturgebiet des mensch-
lichen Handelns, d. h. das Menschenleben nach der Seite vielseitiger
Arbeit. Von dorther erhält die Betrachtungsweise der Natur durch das
Kind ihr charakteristisches Gepräge, d« h. das Kind fragt überall nach
dem Nutzen der Dinge: Phantasie und Nützlichkeitsprinzip regieren
im zweiten Schuljahre die Naturanffassung. *)
3. Dem beziehentlichen Anschauen und Denken sind starke Aktions-
impulse eigen. Das Kind ist motorisch veranlagt und strebt darum überall
selbsttätig zu sein durch Nachahmung von Natur- und Kulturgeschehen.
Es geht handelnd Zwecken, Hervorbringung von Wirkungen, Erforschung
von Ursachen usw. nach.
4. Einer reinen Naturbeschreibung ist das Kind seiner Anlage nach
abhold, denn die Beschreibung ist ihm beziehungsleer, tot. Es folgt ihr
darum mit Lust nur in der Verbindung mit dem Tun in der Wirklich-
keit oder in der Phantasie.
5. Aus gleichem Grunde ist das Kind auch ästhetisierender Natur-
betrachtungen wenig zugänglich. Es steht noch nicht auf dem Stand-
punkte verweilenden ästhetischen Geniessens; es will auf irgend eine
Weise Ästhetik treiben, höchstens solche in Bewegungen schauen oder
im Rhythmus hören.
6. Am wenigsten ist dem Kinde abstrakte Systematisierung genehm.
Sie klingt als unverständliche Sprache an das Ohr, denn die sachliche
Unterlage des Systems entgeht seinen Sinnen als ^twas, das nicht in der
Wirklichkeit für seinen Geist liegt, und ausserdem ist ein wissenschaft-
liches Interesse noch gar nicht vorhanden. Zwingt man trotzdem dem
Kinde Systematisches auf, so gewöhnt es sich ein blasses, unfruchtbares
Denken an und wird damit zum oberflächlichen Schwätzer. Selbstver-
ständlich weisen wir nur ein Systematisieren ab, das in einem von der
Wissenschaft geborgten Kleide auftritt und die Naturbetrachtung zu
beherrschen droht. Dagegen werden Zusammenstellungen nach in der
Anschauung gegebenen biologischen und morphologischen Gesichtspunkten
von uns ausgiebig vorgenommen. Solche Gruppierungen sind kein Ver-
balismus, sie entsprechen vielmehr der wachsenden Erkenntnis des Kindes,
fördern die Klärung und Vertiefung der Naturanschauungen und führen
durch die Auffassung von Einheitlichkeiten in der Natur zur wachsenden
Erkenntnis der Einheit der Natur, natürlich zunächst nur in den ersten
Anfängen.
Auf der Grundlage der gekennzeichneten Geistesverfassung mnsa die
Behandlung des Stoffes ruhen, und in der allgemeinen Heimatkunde kann
am vollkommensten danach unterrichtet werden, denn dieses naturkund-
liche Gebiet gestattet wie kein anderes, dem Kinde echte Wirklichkeit
darzubieten. In dieser Wirklichkeit lebt das Kind ausserhalb der
*) Vergl. K i r 8 1 e , Natur- und Heimatkunde im ersten Scha\jahr.
Praxis der Erziehungsschule 1905. Heft 8 u. 4.
Naturkunde 147
Unterrichtszeit, wenn es sich, seinem natürlichen Drange folgend, frei
bewegen darf. Der Unterricht darf es nicht ans diesem natürlichen
Wirklichkeitsboden reissen, er mnss es vielmehr planmässig tiefer in die
heimatliche ^atnr und Kultur einführen. Dazu führt das psychologische
Unterrichtsverfahren im engeren Sinne.
Hier ist zu fordern:
Jede Unterrichtseinheit hat ihren Ausgangspunkt vom Gesinnungs-
stoffe zu nehmen. Diese Anknüpfung entspricht der Psychologie, denn
beim Aufbau der Robinsonerzählnng arbeiten die Schüler mit heimat-
lichen Vorstellnngen, die ihrer Erfahrung entstammen. Es ist natürlich,
dass ihr Interesse, sobald man an Robinsons Denken und Tun anschliesst,
angeregt und für die weitere Behandlung richtig eingestellt wird. Die
Anknüpfung an den Gesinnungsstoff schafft von vornherein Leben im
Unterrichte, sie treibt zu vergleichendem Beobachten und Denken und
grenzt dafür dem Kinde vor allem auch eine engere heimatliche Lebens-
gemeinschaft ab, innerhalb welcher seine Geistestätigkeit festgehalten
wird. Dadurch wird eine Arbeit eingeleitet und geleistet, die von der
konzentrierenden Kraft des Gesinnungsstoffes und gleichzeitig von der
aus dem Naturgebiet stammenden beherrscht wird. Das ist ungemein
günstig für die Entwickelang der Selbsttätigkeit, denn man hat vom vor-
handenen analytischen Materiale aus nur neue richtunggebende Fragen auf-
zuwerfen oder Aufgaben zu stellen, um die Kinder zum Beobachten, Sachen,
Versuchen, Grübeln usw. anzuregen und so zu produktiver Arbeitsleistang,
der vorzüglichsten Bildungsquellen, anzuspornen und hinzuführen.
Dazu heisst es aber reichlich mannigfaltige Gelegenheit schaffen,
wodurch die schöpferischen Kräfte, die in jedem normalen Kinde liegen,
zur Entfaltung kommen können. Zu solchen Gelegenheiten sind vorzugs-
weise zu rechnen: Unterrichtsausflüge, Einrichtung eines Betätigungsfeldes
im Schulgarten, Handarbeit, Zeichnen, Singen und Sagen, Benutzung von
üodellen und Bildern.
I. Unterrichtsaasfläge
Ihr oberster Zweck ist, das Kind mit allen Sinnen in die unmittel-
bare Wahrnehmung hineinzustellen, es unmittelbares Natur- und Kultur-
Geschehen erleben zu lassen. Wie Robinson seine Insel, so müssen die
Schüler unter Führung des Lehrers Feld, Wald, Berg und Tal, die
ganze Gegend, auf welcher sich der Unterricht aufbaut, durchstreifen. Mit
«igenen Augen müssen sie sehen, wie auf dem Acker gepflügt, geeggt,
gewalzt, gehackt, gegraben, gesät, geemtet wird, welche Werkzeuge zu
den Arbeiten verwandt werden, und welche Einrichtung die Werkzeuge
haben. Sie müssen die Zugtiere in der Dienstarbeit für den Menschen
und andemteils des Menschen Fürsorge gegen seine treuen Gehilfen
kennen, verstehen und schätzen lernen. Dazu darf ihnen Leben und
Nutzen der Weide und Stalltiere nicht vorenthalten werden. Die
Milchwirtschaft sollen sie nicht bloss anschauen, sondern selbst aus
«inigen Litern Milch Sahne, Butter und Käse herzustellen versuchen.
.Auch Jagdtiere nach ihrem scheuen Wesen und den Jäger auf der Jagd
10*
148 öa» zweite Schuljahr
mit dem Hunde za beobachten, bereitet den Kindern nicht allein Frende^
sondern bringt ihnen anch über die Lebensweise nnd mancherlei geistige
Eigenschaften and Fähigkeiten der Tiere Aufechlnss nnd damit ein Stück
Wirklichkeit auf einem Gebiete, das meist einer zu abenteoerlichen Phanta-
siebehandlang anterliegt.
Handelt es sich am die Schaffang der Wohnong, so suchen wir
den Hausbau von den Eohstoffen an, wo und wie sie die Natur dar-
bietet, bis zur Vollendung zu verfolgen. Holzschlag im Walde, Stein-
bruch und auch Ziegelfabrik sind zu besuchen. Dann wenden wir uns
zu den Bauplätzen der Zimmerleute und Maurer, um zu sehen, wie und
womit sie die Rohstoffe bearbeiten. Ebenso besuchen wir Schneider- und
Schumacherwerkstätten, um uns Einsiebt über die Entstehung unserer
Kleidung zu verschaffen. Femer wird der Besuch auch auf eine Mühle,
Bäckerei, Töpferei und Korbflechterei ausgedehnt. Kurz, es soll kein
Weg versäumt werden, der uns im Rahmen unseres Stofi^lanes ein Stück
wirkliches Leben aus dem Natur- und Kulturleben nahe bringen kann.
Allerdings ist dabei nicht das Gewicht auf das Vielerlei der Ausflugs-
ziele zu legen. Viel wichtiger ist es, einen Ausflug zu wiederholen,
denn ein Verpflanzen in em Stück Heimatland in der Weise, dass der
Geist zusammenhängende Vorstellungsmassen daraus einsaugt, kommt nur
durch öfteres Verweilen bei vielseitiger Betrachtung und Betätigung zustande.
Unter unsern örtlichen Verhältnissen stellen wir für das zweite
Schuljahr folgende Schulausflüge auf.*)
1. Gänge an der Saale hin vom Welir am Bisrectaen bis zum Basenmttlilenwehr
Anschauungsmaterial: Hafen, Boote mit Rudern nnd Steuer,
ruhend und im Gebrauch. Windbewegung auf dem Wasserspiegel — ^ Wolken-
bewegung. — Ufer, Rasenmühlinsel, Halbinsel, Flussarm, Bucht, Lentra-
mündung, Wehr, Schleusse. — Fliessen des Wassers nach seinen Arbeits-
leistungen : Geschwindigkeit des Wasserlaufes, gemessen durch Nachgehen
der Flösse oder einiger Papierschnitzel. — Müblenbetrieb, Flösserei, Kies-
bank mit allerhand durch die Schleifarbeit der Saale entstandenen glatten
nnd mannigfaltig geformten Flusssteineu. — An-, Auf- und Abschwemmarbeit
der Saale bei Hochwasser. ^— Abkühlung des Saaltales und Befenchtung
der Wiesen am Abend und Morgen durch die Saalnebel. — Fischerei
durch Angel- und Netzfang — Rotauge und Aal als Vertreter der
Saalflsche — Fischfütterung an der Schützenbrücke — Fischbrut an
der Mündung des Ziegenhainer Baches — Schwimmbewegung der Fische
— Ufergebüsch und darauf Eisvogel als Fischräuber. — Badeanstalt,
Schwimmen der Menschen nach Frosohart, Schwimmen eines Hundes,
Bad und Gesundheit. — Saalspiegel, Malarbeit der Saale durch Spiegel-
bilder der Uferbäume, Häuser, Berge, wie Jenzig, Hausberg, Kern-
berge usw. Trübes Wasser nach starkem Platzregen usw. — Saale im
Winter, Eisbrücke, Vergnügungen auf dem Eise, Eisgang.
*) Der Plc^n ist nicht von Klasse zu Klasse biQdend, er bedeutet ^ur
ein Beispiel. Eine Reihe Beobachtungen sind nur bei guter Gelejgenheit
zu machen. Es soll auch nicht verkannt werden, dass manche Arbeiten
dem Verständnis noch fem liegen, so dass man mit Bedacht auswählen muss«
Naturkunde 149
2* GäDge an den Tenfelsfelsen, Robinsons Wohnort
Anschauungmaterial: Felsen mit Höhle, Felsenspalten und
Felsenkeller. — Quelle mit Nagearbeit des Wassers, Teich- und Bach-
bildong, Klarheit und Temperatur des Wassers, an verschiedenen Stellen,
durch das Handgefühl und Thermometer gemessen. — Die Höhle als
Wohnort, gelegentlich Zigeuner, oder Obdachlose in der Höhle, Fleder-
mänse darin. — Tierleben am Felsen: Eaninchenhöhlen, Brutlöcher für
Bachstelzen, Botschwänzchen und Zaunkönig, — Amseln und Laubsänger
als Singvögel. Schwarzdornhecken als undurchdringliches Gestrüpp und
Schlupfwinkel für mancherlei Tiere; durch den Würger an den Domen
aufgespiesste Käfer, um Vorrat zu sammeln, — Wiese und Acker vor
dem Felsen, die Wiese als Grasmeer — Maulwurfshaufen — Maulwürfe
bei Hochwasser.
3. Gänge anf die Eernberge oberhalb des Tenfelsfelsen
Aufstieg durch vom Wasser ausgewaschenen Hohlweg — ßegen-
wasserwirkungen im Verhältnis zum Gefäll. Fuss, Abhang und
Gipfel des Berges, Horizontalweg und Zickzackweg am Bergabhange —
Verwitterungserscheinungen. Wald mit Jelängerjelieber als Schling-
pflanzengewächs, Waldbäume und Waldblumen, Moosdecke und Regen;
der Wald als Jagdgebiet, Ameisenleben. — Blick vom Gipfel: Land-
schaftsbild und Himmelsrichtungen — Steinbruch auf dem Plateau.
4. Gänge anf den Galgenberg
Anschauungsmaterial: Der Galgenberg gestattet allseitige
Orientierung, und wir treiben hier hauptsächlich geographisch-heimat-
kundliche Orientierung, indem wir das Landschaftsbild mit Sand, Plastilina
and zeichnerisch darstellen lassen. Die Übungen sind fruchtbar, weil sie
den Kindern erst die Augen für die Landschaft öffnen.
W^ir betonen aber besonders, dass die Orientierungsübnngen nur im
Bereich der sinnlichen Anschauung getrieben werden sollen. Das Ab-
strahieren und Schematisieren, z. B. über Himmelsrichtungen, den ver-
jüngten Massstab usw., ist im zweiten Schuljahre in grösserem Umfange
noch nicht am Platze. Diese Arbeit gehört erst in das vierte Schuljahr.
5. Gang anf den Hansberg
Anschauungsmaterial: Bergform wie ein Sarg, Bergrücken,
Kamm, Bergsattel, Nordabhang bewaldet, Südabbang kahl als Wirkung
von Wind, Regen, Sonne. — Weinbau, Sonnen- tmd Schattenpflanzen.
Bargen, Fnchsturm, Musik det Bergheimchen. Wiedernm Orientierung
wie auf dem Galgenberge.
6. Gänge anf den Landgrafen and nach Cospeda
Anschauungsmaterial: Bergplatte mit Ackerfeld und Dörfern.
— Landwirtschaftliche Arbeiten, Geräte dazu, Dienstleistung der Tiere
dabei. Mäuseleben und Mäusefrass — Krähen hinter dem Pfluge.
Krähenheere auf den jungen Saatfeldern. (Im Winter die Krähen anf
den städtischen Kehrichtauffuhrplätzen.) — Windmühle — weshalb hier ?
Besuch eines Bauernhofes: Tiere im Stallleben, Federvieh — An-
lage des Bauernhofes.
150 ^^^ zweite Schuljahr
7. Gänge durch das Lentratal und den Mfinchenrodaer Grund auf den Forst
AnschanaDgsmaterial: Enges Seitental des Saaltales mit
Land- und Eisenbahnstrasse nach der Höhe der Bergplatte. — Rascher
Lauf der Lentra, gemessen durch Mitgehen: Im Winter schlaft sie,
im Frühling springt sie und im Sommer ist sie krank und matt. —
Forellen. — Üppiger Pflanzenwnchs an den Leutraufern, besonders auf-
fällig Pflanzen mit schirmgrossen Blättern — Promenadenwege — viele
Spaziergänger — weshalb hier?
Der Mtinchenrodaer Grund wieder ein Seitental d^ Mtihltals, noch
enger als dieses, mit kleinem Bach, daran viele Binsen. — Grund des
Baches oft felsig. In manchen weiherartigen Erweiterungen Wasser-
käfer und Salamander. — An felsiger Stelle ein Steinbruch.
Aufstieg zum Forst. Laub- und Nadelwald: Eichen, Buchen, Fichten,
Kiefern — Bauholz und Brennholz — Schnee- und Windbruch —
Blumen — Tiere.
8. Gänge in die Stadt
Hier kommen in Betracht: Strassen, Plätze, öfifentliche Gebäude wie
Post, Bahnhöfe, Universität, Volkshaus, Schalen, Gericht . . . Einige
Denkmäler. — Werkstätten der verschiedenen Handwerke, Bauplätze usw»
Das angeführte Material ist nur eine Zusammenstellung zur Aus-
wahl. Es kann und soll nicht alles berücksichtigt werden, wie anderer-
seits auch unerwähnte Stoffe hinzukommen können. Das Material zeigt,
dass die ünterrichtsausflüge nicht sklavisch dem Robinsonstoffe folgen,
sondern dass vieles, was die Gunst des Augenblickes bietet, beobachtet
wird. Nichts Wichtiges und dem Kinde Interessantes soll ihm entgehen,
wenn es auch nicht gerade zum nächstfolgenden Unterrichte gehört.
Die Ausflüge werden nicht bloss dem gegenwärtigen sondern auch dem
zukünftigen Unterricht dienstbar gemacht. Immerhin ist dabei selbst-
verständlich , dass sie planvoll ausgewählt und durchgeführt werden
müssen.*) Der Hauptzweck darf nie aus dem Auge verloren gehen.
Der Lehrer mnss die Zöglinge so leiten, dass sie, ohne es zu merken
oder es als Zwang empfinden, in erster Linie ihre Aufmerksamkeit dem
zuwenden, was dem wohldurchdachten Plane zu dienen hat. Eine solche
Leitung stellt erhöhte Anforderungen an die Persönlichkeit des Lehrers,
seine pädagogische Bildung und methodische Schulung im engeren Sinne.
Den Beobachtungen, die auf den Ausflügen gemacht werden, gesellen
sich die Beobachtungen im Schulgarten zu. Ist dieser recht eingerichtet,
so bietet er eine Fülle wertvollen Beobachtungsmateriales dar. Da das-
selbe täglich an das Kind herantritt, so hilft es dessen Vorstellnngskreis
in hohem Masse erweitern und klären.
II. Betätigungsfeld Im Schulgarten
Wie Eobinson auf seiner Insel nicht bei Wahrnehmungen durch den
Augenschein stehen bleiben konnte, sondern seine Kräfte Leibes und der
♦) Vergl. Aus dem Päd. Universitäts- Seminar IX. Hefb S. 163 f. 1898
— Langensalza, Beyer u. Mann.
Naturkunde 151
Seele anstrengen mnsste, nm das Natnrgebiet seiner Umgebung zar Selbst-
erhaltnng anszanntzen, so müssen die Schüler Bobinson in seinem Denken,
Ton und Treiben nachzuahmen versuchen.
Diese Nachahmungsarbeit ist ungemein wichtig. Durch sie lernea
Kinder die Wirklichkeit erst von der rechten Seite kennen. Deshalb muss
für die Kinder ein Betätigungsfeld geschaffen werden, auf dem sie die Lust
zum Nachahmen befriedigen können. Wir geben den Zöglingen dieses
Feld im Schulgarten. Angeregt durch den Erzähistoff bauen sie sich
hier eine Hütte und statten sie mit den naturgegebenen Mitteln aus wie
Bobinson. Ebenso versuchen sie sich im Korbflechten, Netzknüpfen, Topf-
formen, in der Herstellung von Hut, Schirm, Kleidern, Pfeil, Bogen,
Spiess usw. Am lehrreichsten werden die Arbeiten sein, wenn die Roh-
materialien dazu auch aus der Natur gesammelt werden wie es Bobinson
tun musste. Die Kiesbank liefere passende Steine für Spiess, Pfeil, Stein-
messer, Steinbeil und Muscheln zur Herstellung von Löffeln ; grosse Blätter
vom Leutraufer helfen Hut und Schirm anfertigen, und Binsen und
Weidenruten aus dem Müncbenrodaer Grunde dienen der Ausführung von
Flechtarbeiten usw.
Auf Gartenbeeten, den Robinsonbeeten, werden Mais und Kartoffeln,
Gerste und Hafer, Bohnen und Erbsen usw. gebaut. Jeder Schüler hat
sich dabei zu betätigen und vor allem auch die spätere Pflege nicht zu
versäumen.
Vielfach werden die Arbeiten unter Zeitkontrolle gestellt nach Uhr
und Kalender, um die Zeit schätzen und werten zu lehren.
Wenn die Kinder so durch Grübeln, Versuchen, Misslingen und
abermaliges Probieren die mancherlei entgegenstehenden Schwierigkeiten
überwunden haben, so treten sie mit erhöhtem Verständnis auf den Bau-
platz, in die Werkstatt und widmen sich mit verdoppeltem Interesse der
Beobachtung und der darauf folgenden Besprechung der betreffenden
heimatlichen Stoffe.
Was indessen hier geleistet wird, geschieht meist durch gemeinsame
Arbeit. Viele ziehen an einem Strange, um ans Ziel zu kommen. So
viel Anregung für den einzelnen Schüler auch in dieser gemeinsamen
Arbeit liegt, es ist klar, dass dabei das individuell Schöpferische nach
der Seite der kindlichen Einfälle und das individuelle Können in der
Ausführung seiner Ideen nicht genügend zur Entfaltung kommen können.
Individuelles Ausleben gestattet besser eine Handbetätigung, bei der sich
jedes Kind nach seinen Ideen und nach dem Mass seines Könnens ein
Abbild seines Phantasiebildes zu schaffen vermag.
Im Schulgarten erhält darum j^des Kind noch ein Beet zur mög-
lichst freien Verfügung. Hier kann es säen, pflanzen und pflegen, was
ihm von Eltern, Verwandten und Bekannten zur Verfügung gestellt wird,
oder was es selbst in der Natur gesammelt hat.
Vor allem aber kann es sich auch frei betätigen in
III, Modellier- uud Naturgabenarbeiten
Literatur: Enderlin, Erziehung durch Arbeit. Mannheim. —
Hertel, der Unterricht im Formen als intensivster Anschanungeunter-
152 I^as zweite Schuljahr
rieht im Geiste Pestalozzis und Fröbels. Gera 1900. — G r o o 8 , Die
Spiele des Menschen. Jena, Fischer 1899. — Kalb, Der Unterricht in
den Handarbeiten für Knaben im Alter von 6—10 Jahren. Gera 1889. —
Barth und Niederley, Des Kindes erstes Besch&ftigungsbuch. Vel-
hagen und Ciasing. — Folgende Artikel aus Adele Schreiber: Das Buch
vom Kinde. Leipzig-Teubner 1907. Ament, Spi«l und Kunsttrieb des
Kindes. Beinmann, Das Kind als Plastiker. — Kerschensteiner,
Produktive Arbeit und ihr Erziehungswert. — P a b s t , Handarbeit der
Knaben. Breest, Das Kind als Zeichner. Droescher, Spiel und Be-
schäftigung im frtlhen Kindesalter. — Götze, Zeichnen und Modellieren,
In Hein, Deutsche Schul erciehung, Lehmann, Mtlnchen 1907. — Köhler,
Die Naturholzarbeit als Volkskunst. Leipzig. Frankenstein und Wagner.
— Die Artikel über Handarbeit und Zeichnen in Rein, Päd. Encyklo-
pädie — Langensalza.
Die Handarbeit ist uns von grosser Bedeutung für die Grundlegung
des gesamten Geisteslebens, „da wichtige konstituierende Elemente des
Geistes nur der körperlichen Arbeit ihren Ursprang verdanken.**
Prof. Hueppe schreibt über- die Bedeutung, welche die Hand unter
den Entwickelnngsfaktoren des Geistes einnimmt:
„Entwickelangsgeschichtlich hat sie sich durch den aufrechten Stand
und Gang des Menschen aus der Kletterhand des Menschenafifen entwickelt,
und sie ist nicht bloss zum Arbeitsorgan, sondern vor allem zum Sinnes-
organ und Sinneswerkzeug geworden. Damit ist sie zugleich das wert-
vollste und unentbehrlichste Organ zur Entwickelang der Hirnrinde. Was
im Intellekt zur Entwickelang kommen soll, bedarf der Auflösung durch
die Sinnesorgane und zwar in der Reihenfolge: Hand, Ange, Ohr. Was
Gehör und Auge allein wegen zu schwach motorischer Impulse auf die
Ent Wickelung der Hirnrinde, des Denkorgans, nicht vermochten, wurde
durch das kräftige motorische Sinnesorgan der Hand infolge der innigen
kausalen Durchdringung von Körper und Geist angebahnt, die Vergrösse-
rung der Hirnrinde überhaupt und damit die Voraussetzung jeder geistigen
Entwickelang. Aus diesem Grande ist der Handfertigkeitsunterricht keine
Spielerei, tiber die die Gelehrten vornahm hinweggehen dürfen, er ist
keine Vorbereitang für das Handwerk, sondern er ist „ein Tarnen am
Werkzeug,^ ein unerlässliches Mittel zur Geistesgymnastik.
Dabei lernt das Kind noch zwei wichtige Dinge, die das ganze
Leben vorhalten und jeder Tätigkeit zu Gute kommen ; es lernt aufbauen
und sich beherrschen und wahr sein.
Und für den Charakter lernt das Kind wissen, dass es etwas kann
und bekommt damit ein gewisses Selbstvertrauen, und das macht es ruhig
und übe]:legt, wenn neue Aufgaben an es herantreten, und es sucht sich
selbst neue Aufgaben, es denkt und erfindet."*)
Darin ist unsere Stellung zur Handarbeitsfrage kurz und bündig
zusammengefasst.
Die Herbart-Zillersche Pädagogik hat schon von der Theorie der
kulturhistorischen Stufen ans die Handbeschäftigungen als wichtig für
jede gesunde Geistes- und Charakterentwickelung gewertet. Die Kultur*
entwickelang der Menschheit weist ja so klar auf die körperliche Arbeit
als dem ursprünglichsten und gewaltigsten Förderer der Geisteskultur
*) Zeitschrift für Sozialwissenschaft Bd. TU, Heft 9 u. 10 1905.
Naturkunde 153
hin, das8 dieser Hinweis von Männern wie Herbart und Ziller nicht
leicht für die Erziehnng tibersehen oder übergangen werden konnte.
Von Vertretern- der Herbart- Zillerschen und in etwas anderer Eicli-
tiing von denen der Fröbelschen Pädagogik sind fruchtbare Anregungen
und Versuche, die Handbeschäftignngen in den Dienst der Erziehung zu
stellen, gekommen. Allein die hohe Bedeutung der Hand für die Geistes-
bildung wissenschaftlich exakt erkannt und beleuchtet und damit den
Handarbeitsunterricht als notwendiges Bildungsmittel nachgewiesen zu
haben, ist ein Verdienst naturwissenschaftlicher Forschang, der Physiologie
und physiologischen Psychologie.
Danach ist uns die Handarbeit ein durchaus unentbehrliches Unter-
richtsfach.
Im zweiten Schuljahr legen wir darum neben den besprochenen
Arbeiten anf dem Betätigungsfelde noch auf Modellieren nnd Naturgaben-
arbeit Gewicht.
Es geschieht in folgenden Eichtungen:
1. Die Kinder erhalten Gelegenheit, ihr Vorstellungsmaterial vom
Gesinnnngsstofif her mit Hilfe von Plastilina oder Ton ohne jede Weisung,
also vollständig frei, zu verkörpern. Es werden dabei meist Darstellungen
von Episoden ans Robinsons Leben gebracht, und man erkennt dabei
überraschend deutlich die ganze Auffassungsart, Lücken in der Auffassung
and auch den Grad des Könnens in der Darstellung.
2. Es werden einzelne Gegenstände ans dem Eobinsonstoffe in
exakterer Darstellung behandelt. Dabei müssen den Kindern gute Vor-
bilder und passende Hilfen gegeben werden.
3. Es wird auf Ausflügen oder noch mehr im Anschlass daran
modelliert. Dabei kommen in Betracht das heimatliche Landschaftsbild,
einzelne Formen daraus, dann naturkandliche Objekte in der Totalität
oder nur Teile daran.
Im Modellieren erreichen wir, dass das Interesse gehoben und er-
halten, die Sinnestätigkeit geschärft, die Phantasie angeregt und doch
an der Eealität festgehalten, die Willensenergie und Willensausdauer ge-
stärkt, der Formensinn und das ästhetische Empfinden gefördert werden.
Vgl. Erstes Schuljahr, 7. Aufl., S. 268 f.
Naturgabenarbeit
Was wir darunter verstehen, ist dieses: Wir suchen Naturgegen-
ttftnde ans dem organischen nnd anorganischen Naturreiche auf, die ent-
weder in der gegebenen Naturform oder bei sehr leicht durchzuführender
Zustntzung mit oder ohne Werkzeug der Verwirklichung einer Idee im
Spiel dienen können oder sonst angemessen zu verwenden und zu bear-
beiten sind. Es sei dabei erinnert an die Binsen, das Schilf, den Wege-
rich, den Bast znm Flechten von Netzen, ganzen Stühlen, Stnhlsitzen
und Körbchen; an Muscheln zur Anfertigung von Löffeln; an Stein- und
Knochenformen, die sich als Messer, Hammer, Beil, Spiess, Pfeil, Spaten
in Anwendung bringen lassen; an Steine znm Handmühlengebrauch; an
154 ^&s zweite Schuljahr
Kiefern- oder Korkahornrinde , die sich zum Bau von kleinen Kähnen
und Schiffen eignen; an verschiedene Kürbisse, aus denen sich Laternen
und Gefässe herrichten lassen; an die Schuppen der Fichtenzapfen und
an allerhand kleine Muscheln und Schneckenhäuschen, die zu mancherlei
niedlichen Verzierungen zusammenstellbar sind ; an die Stengelglieder des
Holunders, bei denen sich das Mark leicht durchstossen lässt, sodass
Eohre zu Knall- und Spritzbtichsen und Wasserleitungsröhren entstehen;
die Markzylinder geben sodann Lichtchen für die Kürbislateirnen und die
gespaltenen Röhren eignen sich zu Dach- und Wasserrinnen oder Krippen;
an Korke, Federspulen und Federn, die leicht zu «iner kleinen Wind-
mühle, resp. einem Windmotor zusammenzustellen sind; an Strohhalme,
die sich ebenso verwenden lassen; an die vielgestaltige Verwendung der
Nussschalen, z. B. zu Fahr- oder Wiegewagen; an Arbeiten mit Erbsen
nach der W^eise Fröbels und an Arbeiten, wie sie Barth und Niederley
unter der Überschrift „Beschäftigungen nach den Jahreszeiten" im Ab-
schnitt VIII ihres Buches „Des Kindes erstes Beschäftigungsbach"
(Velhagen & Klasing) angeben.
Man kann einwenden, dass solche Beschäftigungen Spielerei wären
und mit dem Wesen ernster Arbeit nichts zu tun hätten. Allein ein
solcher Finwand kann doch nur von einer Seite kommen, wo man die
hohe Bedeutung des Spiels, das Kinderarbeit auf dem Boden innerer
Wirklichkeit ist, für die geistige Entwickelung verkennt und speziell
auch das belehrende Moment der Beschäftigung mit Naturgaben nicht
recht zu erkennen und zu werten vermag.
Man bedenke, was solche Arbeiten zu bedeuten haben:
1. Sie führen in die technologische Seite der Naturkunde hinein.
Das Kind versucht Naturgegebenes bestimmten Zwecken dienlich zu
machen. Es gibt sich dabei mit der Stellung und Lösung von kleinen
Problemen ab, wobei produktive Arbeit geleistet wird.
2. Durch solche Arbeit werden eine ganze Anzahl von Naturgegen*
ständen nicht bloss äusserlich sondern vor allem auch nach mancherlei
Eigenschaften erforscht, und so erfährt die Anschauung wesentliche
Klärung und Erweiterung.
3. Dazu kommt, dass von Naturdingen, mit denen das Kind etwas
anfangen kann und etwas damit augefangen hat, lebhafte assoziative
Kraft ausgeht, die interesseerweckend und erkenntnisfördernd auf andere
Naturgebiete und Naturdinge übergreift und so immer in ein anderes
Stück heimatlicher Naturkunde hineinführt.
4. Auch spricht durch solche Arbeit die ästhetische Seite der Natur
das Kind auf die natürlichste Weise an. Es lernt Naturformen schärfer
auffassen und zweckmässig einordnen, d. h. mit nach ästhetischem Empfinden
2u handeln beginnen.
Die spielende Beschäftigung mit Naturgaben ist mithin eine Be-
tätigung, die das Hineinwachsen des Kindes in die heimatliche Natur
und Kultur vielseitig fördert.
Naturkunde 155
IV. Zeichnen*)
Der naturkundliche Unterricht kann zur Schärfang der Beobachtung
imd Klärung der Vorstellung auch das Zeichnen nicht entbehren. Es
bat die Vorzüge^ dass man das Zeichenmaterial immer bei der Hand
haben und ausserdem in viel kürzerer Zeit einen Gegenstand skizzieren
als modellieren kann. Das Skizzieren ist freilich wiederum schwerer als
das Modellieren, denn die Zeichnung hat es immer mit einem Abziehen
der cbarakteristisphen Linien vom Körper zu tun. Wo aber die Zeich-
nung verstanden und geleistet wird, da ist wieder die grössere Klarheit
in der Auffassung vorauszusetzen. Der Schüler muss darum oft ver-
anlasst werden, das in der Natur Gesehene zeichnerisch darzustellen. Es
muss aber von der echten Natur und nicht etwa von der Wandtafel-
skizze abgezeichnet werden, denn durch das Nachzeichnenkönnen erhält
man keine Gewähr dafür, dass die sachlichen Grundvorstellungen der
Skizze dem Kinde klar sind. Auf Klarheit der Vorstellungen, die nun
einmal die Grundlage aller höheren Geistestätigkeit sind, kommt aber
alles an. Sind darum die selbständigen Leistungen zunächst recht un-
vollkommen, so lasse man sich dadurch die Geduld nicht ausgehen und
raube dem Kinde durch üble Kritik nicht den Mut zum Zeichnen. Es kommt
im Gegenteil viel darauf an, den Schülern Mut zum Zeichnen zu ver-
schaffen, auch dann, wenn z. B. ihre Leistungen mit dem eigenen vor-
geschrittenen ästhetischen Empfinden in Konflikt geraten.
Man lasse Zeichnen und Modellieren sich in die Hand arbeiten,
dann wird jedes Kind die Lust zum Schauen, Beobachten und Darstellen
nicht verlieren und rascher und tiefer an Erkenntnis zunehmen, als man
oft denkt.
V. Sagen nnd Singen
„Für immer ist die Natur durch das Werk der Kunst verklärt."
Wird darum an Stellen, wo der Unterricht Gefühle und Stimmungen
hervorruft, der Stimmungsgehalt in einem passenden Gedichte oder Ge-
sänge zum Ausdruck gebracht, so strömt dadurch in die Seele des Kindes
noch ein neuer „Abglanz vom Zauber der Natur ein" und wird dort
festgehalten. Gedicht und Lied, die vom Kinde geliebt werden, treiben
es dann mit hin zur Heimatliebe.
Wenn nun der geistige Staudpunkt sechsjähriger Inzipienten uns in
nnserm ersten Schuljahre vorzugsweise auf die Stoffe der volkstümlichen
Kinderpoesieen hinwies, so gestattet das weiter zurückgelegte TiCbens-
jahr, sowie der Bildongserfolg eines einjährigen Unterrichts, nunmehr auch
an die einfachsten Gebilde der Kunstpoesie heranzutreten. Und mit Freuden
öffnen wir den Kleinen jetzt den reichen Garten voll duftigster Blüten, wie
sie Hey, Gull, Hoffmann von Faliersleben, Dieffenbach, Blüthgen, Trojan
u. A. für dieses und die nächstfolgenden Kinderjahre geschaffen haben.
Es stellen sich so auch im zweiten Schuljahre die poetischen Stoffe
in den Dienst des Gesinnungunterrichts und der Naturkunde dergestalt,
♦) Vergl. Artikel Zeichnen unter Kunstunterricht.
156 ^&s zweite Schuljahr
dass von diesen her die Ausgangspunkte zu den poetischen Lieblingen
der Kinderwelt genommen werden, und dass durch dieselben die Kon-
zentrationsstoffe selbst wieder in neuer Beleuchtung erscheinen. Nur
auf diese Weise wird ein Gedankenkreis geschaffen, so innig verbunden,
so von allseitigem Interesse durchzogen, so kräftig, dass er die un-
gUnstigen Gegenwirkungen aus Erfahrung und Umgang zu überwinden
vermag.
Was von der Poesie auf dieser Stufe Oberhaupt, gilt insbesondere
auch von den sanglichen Liederstoffen. Auch sie gehen nicht ihren eigenen
Weg: Das Lied hat hier wie im ersten Schuljahre einzig noch die Auf-
gabe, die Gesamtwirknng des Unterrichts nach Stärke und Dauer zu
erhöhen. Dazu ist dasselbe in vorzüglichem Masse geeignet. Es ver-
dichtet die Empfindung, verwebt sie vielfältig mit den verschiedensten
Teilen des Gedankenkreises, gibt ihnen Haltbarkeit und Dauer. Frei-
willig ordnet sich daher das Lied den beiden Hauptfächern des Unter-
richts unter, ohne jedoch in sklavische Abhängigkeit von dem einen oder
andern zu geraten. Siehe „ Singen **.
Tl. Modelle und Abbildungen
Wenn der Schwerpunkt der naturkundlichen Beobachtungen unbe-
dingt im Freien, innerhalb der natürlichen Lebensgemeinschaft gesucht
werden muss, so können Modelle und Bilder als Mittel zur Klärung der
Vorstellungen doch nicht entbehrt werden. Der Unterricht im Freien
hat oft mit Aufmerksamkeitsstörungen und Ablenkungen zu rechnen, und
es lässt sich deshalb die vom Lernprozess geforderte Verarbeitung des
Beobachtungsmateriales in der Schulstube exakter und für alle Schüler
gleichmässig nutzbringender durchführen als draussen. Hier kann man
alle Kinder bei der Stange halten, es stehen Wandtafel und Hefte zum
Zeichnen, ModeUe und Bilder zum Anschauen zur Verfügung.
Während wir also die Schüler das naturkundliche Vorstellungs-
material auf den Ausflügen, im Schulgarten und in den freien Beschäf-
tigungen sammeln lassen, führen wir die Durcharbeitung* derselben vor-
herrschend im Klassenunterricht aus. Hier sind dann überall da, wo
Unklarheiten zu Tage treten, die Modelle und Bilder mit Nutzen zu ver-
wenden. Gute Modelle und Bilder lassen das Kind manches deutlicher
erkennen und prägen das Erkannte dem Gedächtnis tiefer ein. Es muss
also auch hier eins ins andere greifen, um das Ganze zum Gelingen zu
bringen.
Unklarheiten können auf allen Stufen des Lernprozesses auftreten
und darum auch die Bilder und Modelle überall herangezogen werden.
Man darf aber nie vergessen, dass sie nur Hilfs- und Unterstützungs-
mittel sind und niemals als Ersatz für die lebensvolle Anschauung ge-
braucht werden dürfen.*)
*) Auswahl und Anschaffung guter Bilder und Modelle werden dem
Lehrer durch die Lehrmittelhandlungen mit ihren illustrierten Katalogen
sehr leicht gemacht. Wir verweisen auf das Müller - Fröbel - Haus in
Dresden und die Schneidersche Lehrmittelhandlung in Leipzig.
Naturkunde 157
TU. Durcharbeitung der ^methodischen Einheiten^
Ans den vorangehenden Erörterungen nnd Forderungen geht deutlich
hervor, dass wir im Unterricht allen Nachdruck auf vollwertige An-
schannngen legen, wie sie der „objektiven Wirklichkeit*' im Natur- und
Menschenleben und der ^subjektiven Wirklichkeit^ in der kindlichen
Auffassungsweise entstammen. W^ir benutzen alle hier in Betracht
kommenden Mittel, die zur Sinnen- und Denkschärfung, zur Gemütsver-
edlong nnd Willensstärkung beitragen können.
Das geschieht alles in vollem Einklänge mit den Forderungen der
Durcharbeitung nach den formalen Stufen. Sie sind das psychologische
Lehrverfahren, an dem wir überall festhalten, wo es sich stofflich um
eine „methodische Einheit" handelt.
Till. Jahresplan*)
Übersicht der bearbeiteten „methodischen Ein-
heiten"
A. Geographisches.
1. Die Saale bei Jena.
2. Die Quelle am Teufelsfelsen.
3. Der Leutrabach als Nebenflass der Saale.
4. Der Hausberg und die Eemberge.
5. Das Landschaftsbild vom Galgenberge aus.
6. Zeiteinteilung, Witterung und Jahreszeiten.
B. Naturkundliches
1. Die Wiese als Teppich. Maulwurf und Star als Wiesenpolizei.
2. Dar Wald als Baumstadt. Eiche, Buche und Kiefer.
3. Waldstadtbewohner. Fuchs, Reh, Schnecke, Ameise.
4. Unsere Getreidepflanzen.
5. Unsere Flechtstoffe: Weide, Stroh, Bast, Rohr, Binsen, Wegerich»
6. Fische in der Saale und Leutra.
7. Feuer und Licht.
8. Gips, Sand, Ton, Porzellan, Glas.
9. Kupfer, Nickel, Silber, Gold, Eisen.
10. Einige Stubenvögel.
C« Die Natur im Dienste des Menschen.
a) Wie der Mensch für seine Wohnung sorgt.
1. Hausbau. Holzschlag und Holzhauer. Steinbruch und Maurer.
Zimmerplatz und Zimmermann.
^ Der Stoff ist reichlich bemessen, den Verhältnissen entsprechend
ansEuw&hlen.
158 ^^^ zweite Schuljahr
b) Wie der Mensch für seine Nabrang sorgt.
2. Feldbau. Maus und Krähe.
3. Müller und Mühle. Mehlwurm.
4. Bäcker und Brotbereitung. Heimchen.
5. Fischer und Fischfang. Rotauge und Aal.
6. Jäger und Jagd. Hase und Bebhuhn.
7. Viehzucht Kuh, Pferd, Schaf. Schwein.
8. Der Hund.
c) Wie der Mensch für seine Kleider sorgt.
9. Der Sehneider.
10. Der Schuhmacher.
d) Wie der Mensch für seine Bequemlichkeit sorgt.
11. Der Schreiner (Tischler).
12. Der Korbflechter.
13. Der Töpfer.
e) Der Verkehr der Menschen miteinander.
14. Landstrassen und Feldwege.
15. Post und Eisenbahn.
16. Wasserstrassen. Schifffahrt, Seereisen.
17. Das Geld. Kauf und Handel.
IX. Unterrlchtskizzen
1. Die Saale bei Jena
(Zu Kapitel 1 der Bobinsonerzählung : Robinson als Schalknabe)
Ziel: Wir wollen uns die Saale genau anschauen.
1. Stufe: Ihr habt schon mancherlei gesehen: Sie fliesst durch das
^Paradies **, trägt Kähne und Flösse, treibt Mühlen usw« Es gibt noch
mehr zu sehen. Wir wollen suchen.
II. Stufe: 1. Auszug. Durch die Grietgasse bis zur Ostschule.
Umbiegen in die Paradiesgasse. Weg über die Eisenbahn zur Schützen-
brücke. Promenadenweg an der Saale. — Wer zeichnet den Weg an?
2. Umschau."^) a) Die Saale ist breit. Messen über die Schützen-
brücke. Es sind 60 Schritte.
b) Sie fliesst langsam. Messen durch Nachgehen eines schwim-
menden Gegenstandes. Sie fliesst langsamer als wir gehen.
c) Kähne und Flösse. Die Kähne werden stromauf- und strom-
abwärts gerudert. Steuer. Die Flösse fliessen nur stromabwärts. Viele
Stämme. Woher? Wohin?
d) Die Kiesbank. Woher? Wie kommt sie hierher? Strudel!
Steine glatt. Wie kommt das? Seht, wie hier die Wellen vom Wehr
her kleine Steinchen und Sand über grössere Steine fortgesetzt hin- und
herreiben.
*) Sie erfolgt an mehreren Tagen.
Naturkunde 159
e) Die Mühle: Rascher Lauf auf das Mühlrad. Kraft. Arbeit
der Saale.
f) Schwemmboden und Feuchtigkeit auf den Wiesen:
Woher? Hochwasser. Nebel morgens und abends.
g) Wasserspiegel: Himmel, Berge, Bäume, Häuser im Spiegel,
h) Die Badeanstalt: Schwimmen gesund und ein Vergnügen.
III. u. I V. S t u f e : Die Saale arbeitet wie Menschen. Sie ist ein :
a) Dienstmann, denn sie trägt Kähne und Flösse und treibt
Mühlen ;
b) Schleifer, denn sie schleift Steine rund und glatt,
c) Baumeister, denn sie baut Kiesinseln und Kiesbänke. Eis-
brüchen im Winter,
d) Gärtner, denn sie düngt und giesst die Wiesen,
e) Maler, denn sie malt die Bäume, Häuser, Berge und den
Himmel ab,
f) Arzt, denn sie macht gesund, stark, und vergnügt durch die
Bäder und das Rudern. (Im Winter durch den Eislauf.)
V. Stufe: Ist die Saale eine Wasserstrasse? Weshalb kommt
das Flössholz nicht mit der Bahn, die an der Saale hinführt? Warum
sehen es die Leute gern, wenn die Saale die Wiesen überschwemmt?
Wann und warum wird die Saale gefährlich? Warum sind die Wehre
gebaut? Der Kahn schwimmt auch stromaufwärts; wie wird das möglich?
Was liefert die Saale zum Hausbau?
Modellieren: Flussbett mit Wehr und Schützenbrücke. Kahn
mit Ruderer. Floss.
2. Die Leutra
(Robinson in den Ferien)
Ziel; Ob die Leutra ebensoviel kann wie die Saale.
1. Stufe: Nein, sie kann keine Kähne und Flösse tragen. Man
kann auch nicht darin schwimmen. Mühlen kann sie aber doch treiben.
IL Stufe: 1. Weg bis zur Mündung im Paradies.
Zeichnung.
a) Die Saale verschluckt das Leati*awasser. Die Leutra mündet in
die Saale.
b) Kiesbank vor der Mündung. Woher Steine und Sand? Gegen-
strömendes Wasser. Hier die Sinkstoffe.
2. Weg die Leutra aufwärts.
a) Bach flach und schmal. Man kann oft darüber springen. In
der Häckelstrasse Bett tief. Wie kommt das?
b) Lauf durch einen Kanal zwischen den Kliniken und der Bahn-
hofsstrasse. Wozu der Kanal? Platzgewinnnng.
c) Lauf im MtthltaL Rasch und springend über steinigen Grund unter
Brücken und Stegen bin. Ölmühle und Paraschkenmühle. Ableitung in
ein Bett durch die Stadt. (Marktmtthle.)
d) Wasser kalt und klar. Forellen und Baehstelzen. Beobachtung
derselben. Warum hier?
150 Das zweite Schuljahr
e) Ufer schattig and kühl. Promenadenwege kühl und schlängehid
wie der Bachlauf. Lommerweg schön und erfrischend. Spaziergänger
— Erholung — Erquickung.
III. u. IV. Stufe: Die Leutra arbeitet auch für uns. Sie treibt aber
nur Mühlen. Die Mühlen sind kleiner als die an der Saale. Die Leutra hat
schattige Wege an ihren Ufern. Viele gehen dort spazieren, um sich zu er-
quicken. Das Wasser ist klar und kalt. Die Leutra ist einNebenflass der Saale.
V. Stufe: Wie kommt es, dass die Leutra schneller fliesst als
die Saale? Weshalb wird das Leutrawasser im Sommer nicht so warm
wie das Saalwasser? Erkläre, warum es in der Saale keine Forellen
gibt! Warum sagt man, die Leutra mündet in die Saale? Wie machen
es die Leute, wenn sie das Wasser ableiten? Warum ist das gescheit?
Was bedeutet die Leutra für die Saale?
Modellieren: Mündungsgebiet. Ableitungsgebiet. Mtihltal mit
Leutra.
Sagen: Du Bächlein, silberhell und klar . . . Die Bachstelze von
Dieffenbach.
3. Die Quelle am Teufelsfelsen
(Robinson in den Ferien. — Robinsons Quelle.)
Ziel: Die Quelle, ein Reisender unter der Ertle.
1. Stufe: Robinson fand eine Quelle . . . Bei den Teufelslöchern
ist auch eine Quelle. Das Wasser kommt aus Löchern im Felsen. Es
läuft in Steinrinnen. Es ist klar und hell. Es läuft in einem Kanal
unter der Landstrasse weg. Dann fliesst es als kleiner Bach in die Saale.
IL Stufe: 1. Oebt den Weg an! Zuerst wieder bis an die
Schützenbrücke, darüber weg, am Schiesshaus vorbei und die Wöllnitzer'
Strasse hinauf. Zeichnet den Weg mit dem Stock in den Sand der
Landstrasse. Wer kann die Wegrichtungen angeben?
2. a) Schaut die Quelle an! Das Wasser kommt aus '4 Löchern.
Es fliesst über einen grossen Stein in kleinen Rinnen. Es ist ganz klar.
b) Hört! Es plätschert, murmelt und gurgelt.
c) Haltet die Hand hinein! Es ist kalt. Miss mit dem Thermo«»
meter! 8 ^
d) Ich höre, was das Quell wasser von seiner Reise erzählt: Ich
bin Regenwasser gewesen und auf die Äcker und in den Wald über und
hinter dem Felsen dort gefallen. Dann bin ich in die Erde gekrochen.
Es zpg mich gewaltig nach unten. Immer tiefer kam ich. Mit einem
Male kam ich an die Erdschicht, die hier herausschaut. Seht sie euch
an! Die Erdschicht liess mich nicht durch. Sie war aber schräg nach
dem Saaltal geneigt. Viele Regentropfen, meine Kameraden, drückten so
gewaltig nach, wie die Leute auf dem Vogelschiessen vorwärts drängen.
So kamen alle immer tiefisr herab. — Wir drängten manches weiche
Erdkörnchen beiseite, bis wir hier heraussprudeln konnten. Viele Regen-
tropfen stecken noch in der Erde. Sie kommen alle mit der Zeit. Tttg
und Nacht müssen sie laufen. Doch sie werden nicht alle, dena vom
Himmel kommen immer neue hinzu.
Wohin geht nun die Reise? Sagt es selbst!
Naturkunde Igl
III. u. IV. Stufe. Das Quell wasser ist Regenwasser. Es dringt
in die Erde ein und kriecht ins Tal, bis es ans Tageslicht sprudelt. Die
Quelle läuft jahraus, jahrein. Das Quellwasser ist klar und kühl. Es
reist nun in die Saale und dann ins — Meer.
V. Stufe. Zeige, wie das Wasser nagen kann! Wie lange hat
es dazu gebraucht. Erkläre : Steter Tropfen höhlt einen Stein aus. Wo
ist das noch zu sehen? Warum ist Qnellwasser gesund? Wann ist es
ongesnnd. Erzählung: Die Quelle von Chr. von Schmidt.
4. Der Kaufmann
(Robinson als Lehrling)
Ziel: Was Robinson lernen mnsste als Lehrling.
I. Stufe: Ihr seid schon beim Kaufmann gewesen. Reis, Kaffee,
Zucker, Graupen gekauft. Der Kaufmann wiegt die Waren. Wie? Was
misst er mit dem Litermass? Zeichne eine Wage, eine Tüte, ein Litermass.
II. Stufe: Der Lehrling mass acht geben:
a) Genau hinhören, was die Leute wünschen, freundlich sein, richtig
wiegen und messen, sauber verpacken.
b) Er muss wissen, was die Waren kosten, richtig rechnen und
anszahlen.
c) Manchmal mnss er Waren verschicken und neue Waren kommen
lassen. Wie? Woher?
d) Wie benutzt der Kaufmann Post, Eisenbahn und Schiffahrt?
III. u. IV. Stufe: Der Kaufmann mnss freundlich, fieissig, ehrlich
und redlich sein, wenn sein Geschäft gehen soll.
V. Stufe: Wie geht es einem schlechten Kanfmanne? Welche Ge-
schäfte kennst du? Was bringt die Post, die Eisenbahn? Nenne Dinge,
die mit den Schiffen über das Meer kommen. Wie arbeiten Post und
Eisenbahn zusammen?
5. Das Schiff
(Robinsons Seefahrt)
Ziel: Ein Bild von einem grossen Schiffe wollen wir betrachten.
I. Stufe: Die Schiffe sind sehr gross. Sie fahren über das Meer.
Es gibt Dampf- und Segelschiffe. Die Schiffe haben auch ein Steuer.
IL Stufe:
a) Es hat eine Kabnform. Oben ist es aber zu. Deck.
b) Es ist so lang wie die Kaserne, innen sind auch Kammern wie
in der Kaserne. Hier ist das Schiff offen. (Durchschnitt.) Zähle die
Kammern in einer Reihe. Es sind mehr als 20. Wieviel sind überein-
ander? Grösse von kleinen Schlafkammern. Kajüten. Es gehen mehr
Menschen hinein als in unsere Kaserne. Dreimal so viele?
c) Die Kajüten sind unter dem Wasser. Nur die oberen haben
kleine, runde Fenster, öffnen?
d) Auf dem Deck: Mastbäume, Taue, Segel.
e) An Bord, Anker, Steuer, Rettnngskähne.
f) Kapitän, Steuermann, Matrosen, Reisende.
g) Wie der Wind das Schiff treibt. Dampfschiff mit Dampf-
maschinen und Schiffpschranbe am Kiel.
Das zweite RchuUahr. 11
162 ^fts zweite Schuljahr
III. n. IV. Stufe: Das Schiff ist ein sehr grosses, schwimmendes
Haus. Wind und Dampf treiben es fort. Das Meer trägt es so leicht
wie eine Nussschale. Mit den Wellen steigt es auf und ab. Das Schiff
kann sehr viel (grosse Lasten) über das Meer tragen.
V. Stufe: Wenn der Wind dass Schiff auf die Seite legt, so richtet
es sich wieder auf. Wie geht das zu? Versuche es mit Steinen an
deinem Schiffchen. Das Schiff schaukelt wie der Kahn, aber die Matrosen
stehen fest. Wie machen sie es, dass sie nicht so leicht hinfallen? Es
geht starker Wind, was machen die Matrosen mit den Segeln ? Wie bei
schwachem Wind? Begründung. Fahren Dampf- oder Segelschiffe sicherer?
Sprich deine Meinung darüber aus
Modellieren: Anker, Schiff.
6« Hausbau
(Robinson richtet sich ein)
Ziel: Wie ein Haus gebaut wird.
I. Stufe: Erfahrungsmaterial.
n. Stufe: a) Steinbruch, Steinhauer und Maurer. Besuch der
Stätten. Steinbrecher; Arbeiten: Sprengen, Abfahren, Behauen zu Quadern;
Werkzeuge; Vorsicht.
Zeichnen: Spitzhammer, Winkelmass, Setzwage.
b) Holzschlag, Zimmerplatz. Holzhauer, Zimmerleute, Ar-
beiten, Balken, Pfosten, Riegel mit Zapfen, vierkantig zugehauen. Werk-
zeuge, Beschreibung und Gebrauch derselben.
Zeichnen: Beil, Säge, zngehauner Balken mit Zapfen.
c) Aufbau. Grundmauern, Aufrichten des Gebälkes, gerade und
schräge Pfeiler mit Zapfen, Querbalken, die vier Seiten des Hauses, die
Stockwerke, der Daclistuhl. Modell eines Hauses und Aufbau desselben.
(Baumaterialien ; Löhne : Abgabe an den Recbenunterricht.)
Zeichnen: Einfacher Grundriss des Hauses (z. B. unseres Schul-
hauses). — Vorderseite eines Hauses mit Tür, Fenster, Dach.
d) Wände und Dach: Lehm, Kalkstein, Kalkbrennen, Mörtel, Back-
steine, Maurer, Arbeiten, Werkzeuge; Handlanger.
Dach, wozu? Womit gedeckt? Ziegeln, verschiedene Form der-
selben; warum so gestaltet? Wie gelegt? Eigener Versuch, einen Ziegel
ans Ton zu formen. Ziegel brennerei. Besuch derselben. Versuch im
Decken mit Ziegeln. — Schieferdach (Anschauung). — Strohdach, Vor-
züge, Nachteile.
Zeichnen: Hans und Zelt nebeneinander. Bauen eines Hauses aus
den Steinen des Baukastens und Zeichnen des Gebildes.
e) Innere Räume des Hauses. Stube, Kammer, Küche, Keller,
Boden; Zweck und Ausstattung derselben. Was Robinson vom Schiffe
in seine Hütte trug? Welche Werkzeuge und Geräte wir im Hause
haben?
Zeichnen: Ofen, Schrank, Sofa.
III. u. IV. Stufe: Das Haus schützt uns gegen Wind und Wetter.
Es muss fest gebaut sein. Es steht sicher, wenn es auf festem Grunde
ruht und „im Lote^ steht. Gemeinsame Arbeit gehört zum Haasbaa.
Naturkunde 163
V. Stufe: Warum darf das Hans nicht auf lockern Sand gebaut
^werden? Wie bauen die Leute, wenn das Haus auf den Saalwiesen
feststehen soll? Wenn mitten in der Stadt ein Haus umgebaut wird,
da stützen die Bauleute das Nachbarbaus. Wie erklärt sich das? Er-
kläre : Einigkeit macht stark. Welche Häuser müssen die dicksten
Mauern haben, weshalb? Nenne Häuser der Stadt, die dir gefallen. Die
Schwalbe ist ein Maurer, der Specht ein Zimmermann. Wieso? Sagen:
Das neue Haus ist aufgericht. (Uhiand.) Der kleine Zimmermann. (Sturm.)
Bätsei: Sitzt ein Männchen auf dem Dach
Schmaucht ein Pfeifchen Rauchtabak.
7. Der Korbflechter
(Robinson flicht sich Körbe)
Besuch einer Korbflechterwerkstätte. Wie ein Korb geflochten
wird? Weiden, woher? Wie behandelt? Korbgestell. Das Flechten
selbst. Was sonst noch geflochten wird ? Was man ausser den Weiden
noch zum Flechten benutzt? Rohr, Stroh, Bast, Schilf, Binsen.
Zeichnen: Korb.
8. Der Tischler
(Robinson als Tischler)
Besuch einer Tischler werkstätte. Stoffe, die der Tischler verar-
arbeitet. Werkzeuge. Tätigkeiten. Gegenstände, die verfertigt werden.
Preise derselben. (Abgabe an das Rechnen.)
9. Schneider
(Robinson als Schneider)
a) Schneider: W^erkstätte; Stofte, die er verarbeitet; Nähmaschine;
Tätigkeiten desselben ; Werkzeuge ; Kleidungsstücke, welche er anfertigt.
Was dieselben kosten (Rechen Stoffe).
b) Weber: Rohstoffe, welche er verarbeitet; Webstuhl; das Weben
selbst; Stoffe, welche er webt. Wie dieselben noch weiter bearbeitet
werden.
10. Schuhmacher
(Benutzung der Ziegenfeile)
Besuch der W^erkstätte. Nähmaschine. Die Stoffe, die der Schuh-
macher verarbeitet. Seine Tätigkeiten. Werkzeuge. Die Erzeugnisse
der Arbeit. (Preise derselben: Rechenstoffe.)
Modellieren und Zeichnen: Schuh, Stiefel.
11. Die grosse Waldameise
(Robinson richtet sich ein)
Ziel: Die Ameisen als Baumeister.
Anschauung: Ameisenhngel im Walde. Leben am, im und um
den Hügel. Ameisenstrassen.
11*
164 Bas zweite Schuljahr
Betrachtang: a) Das Hans sieht aas wie die Hänser der
Schwarzen in Afrika.*) Es sind keine Ziegel darauf. Das Begenwasser
läuft aber doch ab, denn das Dach ist gewölbt.
b) Strassenbaner: Glatte Landstrassen. Sie fuhren in den Wald,
ins Gebüsch, auf Bäume. Hin- und herlaufen der Ameisen.
c) Zimmerleute: Herbeischleppen von Fichtennadeln, Holzstnck-
chen, Grashalmen. Die geben die Balken im Hause. Stärke der kleinen
Tiere. Werkzeuge. Helferdienste.
d) Maurer: Herbeischleppen kleiner Steinchen. Maurerarbeit im
Hügel. Speichel als Mörtel.
e) Einrichtung des Hauses: Zellen, Vorratskammern, Wohn-
zimmer, Kinderstaben. Puppen.**)
f) Nahrung: Fleisch toter Tiere, Baumsaft. — Winter? Ameisen
fleissig, emsig. Gehe hin zur Ameise, du Faoler, und lerne von ihr.
Einigkeit macht stark. Beharrlichkeit fuhrt zum Ziel.
12. Der Wald
(Bobinson sieht sich auf der Insel um)
Ziel: Der Wald als Baumstadt.
I. Stufe: a) Erzählt wie Bobinson den Wald fand.
b) Wie es in Jena aussieht: grosse, kleine, breite, schmale Häuser^
Strassen, Plätze, Bewohner, Mnsik, Polizei.
II Stufe: Anschauen der Waldstadt, Hören, Blechen, Tiefatmen.
a) Häuser? Die vielen Bäume. Eichen und Buchen die grössten.
Fichten und Kiefern die schlankesten. Birken die frisch gestrichenen.
Schornsteine? Blitzableiter? Strauchwerk.
b) Strassen? Die Waldwege. Pflaster weich, es ist Gras, Laub
und Moos. Blumen gestreut wie zur Hochzeit.
c) Bewohner? In den Häusern wohnen Eichhörnchen, Kuckuck,
Specht, Amsel, Drossel, Botkehlchen, Banpen, Maikäfer. In den Strassen :
Hasen, Kaninchen, Bebe. Füchse, Käfer, Schnecken, Ameisen, Eidechsen.
d) Stadtpolizei? Förster, Specht, Kuckuck, Amsel, Drossel . ..
Wieso ?
e) Konzert? Den ganzen Tag. Wer?
III. u. IV. Stufe: Der Wald ist eine Banmstadt. Dort ist immer
frische Luft. Die Stadt ist gesund. Dort kann man lustig singen wie
die Vögel. Im Walde spielt es sich fein. Es wohnen viele Tiere im
Walde. Hasen, Bebe und Füchse halten sich im Gebüsch und Dickicht
versteckt. Nur selten sieht man sie.
V. Stufe: Weshalb gehen viele im Walde spazieren? Warum bleibt
es im Walde kühl? Aber in der Nacht? Wie verhältst du dich bei
Gewitter im Walde? Welche Plätze darf man nicht betreten? Welche
Blumen kennst du? Wer ist der Baumeister der Waldstadt.
Sagen: Im Walde möcht' ich leben. Waldkonzert. (Dieffenbach.)
Wer hat dich, du schöner Wald . . .
'*') Die Anschauung stammt von Bildern, die jetzt reichlich vor die
Augen und in die Hände der Kinder kommen.
**) Vergl. Beichelt, Aus Heimat u. Fremde. Dresden. Meinhold 1904.
Naturkunde 165
13. Eletae und Flehte
Ziel: Zwei Bäume, die das beste Bauholz liefern.
Stoff: a) Eiche besonders dicker Stamm mit rissiger Borke, wächst
langsam, Holz gelb, fest und schwer, zu Schwellen, Trägem, Säulen,
Mühlradwellen und Möbeln verwendet. Haltbarkeit gross, fault nicht
leicht. Sehr geschätzt, teuer.
b) Fichte sehr langer Stamm, Rinde rot, Bottanne genannt, wächst
schnell, Jahrestriebe, Holz weiss, harzig, nicht so fest wie Eichenholz.
Bau- und Möbelholz. Brennholz.
Wer bekommt Eichenkränze? Warum? Flösse aus Eichenstämmen
^ibt es nicht. Erkläre das. Eichenmöbel werden nicht glatt poliert.
Warum nicht? Wie ist das beim Fichtenholz? Fichte im Winter. Wen
speisen Fichte und Eiche? Welche Spielsachen erhältst du von ihnen?
(Zapfen — Eicheln, Eichelnäpfchen, Pfeifen.)
Singen: 0, Tannenbaum . . .
14. Rundschau auf die heimatliehe Landschaft yom Galgenberg aus
(Robinson hält ümschaa von einem Berge ans)
Stoff: Eernberge, Hausberg, Jenzig, Gleissberg im Osten, wo die
Sonne aufgeht. Forst und Tatzend im Westen, wo die Sonne untergeht
— Leuchtenburg weit im Süden. Landgrafen im Norden. Täler
zwischen den Bergen. Strassen und Wege. Eisenbahnen, Stadt und
Dörfer. Felder und Wälder. Modellieren des Bildes nach der Natur mit
Plastilina auf einem Brett. Zeichnung auf der Schiefertafel.
15. Die Wiese
Ziel: Wir wollen unsere Saal wiesen genau betrachten.
I. Stufe: Robinson fand auch Grasplätze. Wie sahen sie aus?
Welche Tiere waren dort?
II. Stufe: a) Zuerst grüner Grund unter Erlen und Weiden.
b) Später viele Blüten: gelbe Dotterblumen, rosa und weisses Wiesen-
schaumkraut, blauer Wiesensalbei und Storchschnabel, gelbe Hahnenfüsse,
rote Archis und Nelken, weisse Schirmblüten von Kerbel und Möhre, un-
zählige Grashalme. Boden weich. An manchen Stellen sumpfig. Schilf.
Zirpen der Grillen. Quaken der Frösche. Schmetterlinge. Blumen.
Hummeln.
III. n. IV. Stufe: Die Wiese ist ein schöner Teppich. Es wird
getanzt darauf. Frösche, Grillen und Hummeln sind die Musikanten, die
Schmetterlinge sind die Tänzer. Da tanzen Pfaunauge, Fachs, Bläuling
und Schwalbenschwanz lustig zur Musik. Sie ist auch eine Fatter-
kammer für die Hanstiere. Der erste Grasschnitt heisst Heu, der zweite
Grummet. Kühe und Pferde fressen Heu und Grummet gem. Die Kuh
gibt viel Milch davon.
V. Stufe: Warum ist die Wiese ein feiner Spielplatz? Ist unser
Sportplatz an rechter Stelle angelangt? Wo gibt es Bergwiesen? Warum
gedeiht das Gras besonders gut im Saaltal?
166 ^&s zweite Schuljahr
16* Star und Amsel
Ziel: Zwei Wieseupolizisteii.
I. Stnfe: Was unsere Stadtpolizisten zu tun haben. Tag und
Nacht wachen. Auch Hnhe und Ordnung halten. Diebe festnehmen.
Wer etwas zerstrört, wird auch bestraft. Ob Star und Amsel nicht
auch Ähnliches tun? Der Star sitzt vor seinem Kasten und plappert.
Wenn er Junge hat, füttert er sie fleissig. Die Amsel singt von der
Baum- oder Dachspitze herab sehr fleissig, morgens und abends.
II. Stufe: Gang auf die Wiese, a) Der Star spaziert durch das
Gras. Er ist aufmerksam. Jetzt bückt er sich schnell und fasst etwaa
mit dem Schnabel. Es ist ein Wurm, eine Raupe oder eine — Schnecke.
Er spaziert weiter, schnappt bald wieder einen Käfer oder Wurm. Der
Schnabel wird voll. Jetzt fliegt er weg. Wohin? Da kommt er schon
wieder. Dieselbe Arbeit. Futtern der Jungen am Starkasten beobachten i
b) Die Amsel hüpft im Grase umher. Auch aufmerksam. Auf ein-
mal arbeitet sie schnell mit dem Schnabel im Gras herum. Erde fliegt
empor. Bald hält sie einen Wurm im Schnabel. Weiterhüpfen. Sachen.
Fangen. Schnabel voll Würmer und Raupen. Wegfliegen. Wieder-
kommen usw.
III. u. IV. Stufe: Im Gras auf der Wiese halten sich Würmer,
Baupen und Käfer auf, die wollen das Gras fressen. Es gibt Regen-
würmer, Tausendfüsse, grüne, bunte und Haarraupen. Das sind Feinde
der Wiese, 2terstörer oder Verderber. Star und Amsel vertilgen sie.
Star und Amsel sind Wiesenpolizisten. Die Amsel hat eine schwarze
Uniform mit gelbem Säbel. Des Staren Uniform glänzt bläulich und es.
sind graue Punkte darauf. Sie wachen nur am Tage, nachts schlafen
sie. Die Wachtstuben sind die Nester. Dorthin werden die Wiesen-
diebe gebracht nnd alle verzehrt. Die Wiesenpolizisten singen.
V. Stuf e: Gib an, worin der Nutzen der Wiesenpolizisten besteht.
Wir wollen eine Rechnung darüber machen, 6 Junge fressen täglich
300 Ranpen und Schnecken usw. Wie machen es die Leute, damit immer
mehr Stare kommen ? Wie nützen sie im Garten ? Wie steht es im
Winter mit den beiden? Wie lohnt man der Amsel im Winter ihre
Dienste? Stargesellschaften? Reise?
Modellieren: Starkasten mit Star.
17. Jäger und Jagd*)
(Robinson als Jäger)
Stoff:
a) Robinsons Ausrüstung.
b) Wie unsere Jäger aussehen: Jagdanzug, Jagdtasche, Flinte.
c) W^omit sie schiessen: Patronen, Pulver, Schrot
d) Was sie schiessen: Hasen, Kaninchen, Rebhühner, Enten, Schnepfen»
Füchse und Rehe.
e) Wie sie jagen: Suche mit dem Hunde, Anstand, Treibjagd.
f) Jagdzeiten.
g) Nutzen der erlegten Tiere. Wildbrethändler, Braten.
*) Nur noch kurze Hinweise.
Naturkunde 167
Singen and Sagen: Mit dem Pfeil, dem Bogen. — Im Wald
und aaf der Heide.
Modellieren nnd Zeichnen: Flinte, Jagdtasche, Jagdstock,
Jägersmann.
18. Der Hase
Ziel: Warum der Hase so furchtsam ist.
Beobabtung im Freien nnd Bild.
Stoff: a) Menschen, Hunde, Wölfe, Luchse,
Katzen, Marder, Wiesel, Füchse,
Adler, Uhu, Raben, Krähen,
Jeder Habicht den wir sehen,
Elstern auch nicht zu vergessen.
Alles, alles will ihn fressen.
b) Die vielen Feinde könoen ihn aber doch nicht vertilgen, denn
a) Er hält sich versteckt.
b) Er hat eine Schutzfarbe.
c) Er hört sehr gut.
d) Er läuft sehr schnell.
c) Kaninchen als Stallhase. Vergleich. An ihm sehen, wie der
Hase frisst, läuft, hoppelt, spielt, schläft. . . .
Betrachtung des Gebisses.
d) Der Hase erzählt seine Lebensgeschichte. Löfifel — Läufe —
Lichter — Blume? Hasenlieder von Dieffenbach. Hasenspiele. Osterhase!
Rätsel: Kannst du mir sagen, wer das ist, der immer mit zwei
Löffeln frisst?
Modellieren: Hase. Schattenbilder an der Wand.
19. Fischer und Fischfang
(Robinson als Fischer)
Beobachtung des Fischfanges an der Saale und Besuch einer Fisch-
handlung. Forelle, Karpfen, Aal, Weissfisch. Vergleichende Beschreibung.
Die Fische der heimatlichen Gewässer: Lebensweise. Wie die Fische
gefangen werden? (Mit der Hand, der Angel, dem Netz.) Beschreibung
und Anwendung der Fangwerkzeuge. Wie andere Tiere gefangen
werden? Wozu die Fische gefangen werden? Wie sie schmecken? See-
fische, Hering.
Modellieren und Zeichnen: Angel, einen Fisch in einfacher
Form.
Sagen: Fischlein, Fischlein, du armer Wicht . . .
(20. Kuh, Pferd, Schaf, Schwein)
Robinson will Viehzüchter werden
Besuch eines Bauernhofes. Stallungen der Tiere. Fnttervorrichtnngen.
Fütterung. Wie fressen nnd saufen die Tiere? Wie Kühe und Schafe
kanen, ohne zu fressen. Wiederkäuer.
Kuh nnd Pferd im Dienste des Menschen.
Schafe auf der Weide. Schwein beim Wühlen nnd in der Sohle.
163 DtL% zweite Schuljahr
Eigener Ventbek, aos Milch Butter and Else sa bereiten.
Behandlung der Tiere nach „SchmdL*^
21. ZeiteiBteUnng
(Erster Jahrestag auf der Insel)
a) Das Jahr und seine Einteilung: Zwölf Monate, Namen mid
Reihenfolge derselben; Wodien, Tage, die sieben Wochentage. Kalender;
Einrichtung desselben; ein Schnlkalender an einer Wandtafel oder anf
einer Pappe. (Abgabe an den Rechenonterricht.)
bj Der Tag and seine Einteilung: Vormittag, Mittag, Nach-
mittag, Abend, Nacht; 24 Stunden. Uhr, Räderuhr, Beobachtungoi über
den Sonnenlauf. Schattenmessungen, Sonnenuhr, Anfertigung einer Sonnen-
uhr auf dem Schulplatze. (Abgabe an den Rechenunterricht)
Rät sei: Welche Uhr hat keine Räder?
Sagen: Gott im Himmel hat gesprochen.
Bingen: Uhrlieder.
Zeichnen: Wanduhr.
22. Witterung und Jahresseiten
(Jahreszeiten auf RobiDdons InaeL Robinson sorgt for den Winter)
Witterung und Jahreszeiten auf Robinsons Insel und bei
uns. Zusammenfassung der Jahresbeobachtnngen : täglicher und jährlicher
Sonnenlauf; Tag- und Nachtlängen; Kälte, Wärme, Schnee, Eis, Regen,
Hagel, Gewitter. Unsere vier Jahreszeiten, und wie sie sich von ein-
ander unterscheiden. Thermometer, Wärme- und Kältegrade. (Abgabe
ans Rechnen.)
Sagen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind des guten
Gottes Kinder.
23. Arzt, Apotheke, Krankenhans
(Robinson wird krank)
Anzeichen vom Krank werden: Frost, Fieber, Mattigkeit, Kopf-
schmerzen, Erbrechen, Temperaturmessung. Bettruhe.
Arzt: Untersuchung, Verordnungen, Rezepte, Arznei, Apotheke.
Krankenhaus, wenn die Krankheiten ansteckend sind wie Scharlach,
Diphtheritis, Typhus. Dort gute Pflege, denn: darauf eingerichtet, Arzt
immer da, verständige Pfleger und Pflegerinnen, barmherzige Schwestern.
Genesung. Vorsicht nach der Krankheit.
Gesundheitsregeln.
24. Saat und Ernte (Feldbau)
(Wie Robinson sät und erntet)
Vorbereitung des Bodens durch Düngen, Pflügen, Eggen. Acker-
geräte. Aussaat; Wachstum; Reife. Getreidearten.
Vergleichende Beschreibung derselben. Ernte; Emtearbeiten ; Ernte-
arbeiter; Werkzeuge. (Stoffe fürs Rechnen.)
Sagen: Wer merkts am Samenkorn, so klein.
Modellieren und Zeichnen: Wagen, Sense, Dreschflegel, Egge,
Pflttg>
♦) Vgl. Erstes Schuljahr.
Naturkunde lg9
25. Die Maus als Bauernfeind
Anschauung: Viele Löcher, Erde wie ein Sieh, Mänsewege. Huschen-
der Lauf darauf, Wühlarheit, Mäusefrass, Schaden. Mäusefallen auf den
Äckern, Vergiftung. Anfgrahen einer Erdwohnung. Nest und Junge.
Starke Vermehrung. Mäusejahre.
Betrachtung einer Feldmaus. Vergleich mit der Hausmaus. Gehiss
vergleichen mit dem des Hasen.
26. Die Krähe als Bauernfrennd
Anschauung: Gang hinter dem Pfluge her. Auflesen von Enger-
lingen und Wärmern. Haschen der Mäuse.
Fliegende Katze. Fangwerkzeuge: Krallen und dicker Schnahel.
Nutzen. — Schaden der Saatkrähenheere auf juugen Saatfeldern. Ziehen
am Morgen und Aheod. Nestkolonien.
Betrachtung der Krähe io der Gefangenschaft oder nach einem Bild.
27. Feuer und Lieht
(Robinson sorgt für Beleuchtung seiner Wohnung)
a) Feuer, Feuerzeuge, Brennstoffe, Flamme, Licht und Wärme;
Kochen der Speisen, Erwärmen der Stuben. Russ, Kohle, Asche, Herd,
Ofen, Schornstein, Schornsteinfeger. Blasebalg.
b) Licht. Lampen. Beschreibung unserer Lampen. Leuchtstoffe,
Öl, Petroleum, Gas, Elektrizität. Leuchtkraft der Leuchtstoffe. Es ist
gut, dass wir Licht anmachen können. Warum? — Gefahr. Vorsicht.
Laterne.
Modellieren und Zeichnen: Herd, Ofen, Leuchter mit Talg-
licht, Öllampe, Schirmlampe. Znsammenstellung von Tisch und Licht.
Rätsel: Ich wohne zwar in jedem Haus,
Doch seh ich fast immer anders aus.
Obwohl mich niemand entbehren kann,
Sieht man mich kaum im Sommer an,
Lässt stehen mich in der Ecke dort
Mit leerem Magen immerfort.
Kaum aber bricht der Winter ein,
So ruft man gleich die Magd herein.
Die stopft mir voll den hohlen Magen;
Dann sammeln um mich mit Behagen
Sich Herren und Frauen und die Kinder,
Die drängen gern zu mir sich hinter
Und reiben die Hände und streicheln mich auch
Und horchen, wie's knistert in meinem Bauch.
(Scherer.)
28. Der Töpfer
(Robinson als Töpfer)
Eigene Versuche, einen Topf aus Ton zu formen und im Feuer zu
härten. Besuch einer Töpferei. W^erkstätte: Zubereitung des Tones;
Formen der Geschirre; Brennen derselben; Glasur: Verzierungen. Was
170 ^c^s zweite Schuljahr
für Geschirre gefertigt werden : Töpfe, Teiler, Tassen, Schüsseln. Preise
derselben; zerbrechlich. Geschirre ans Porzellan, Steingut, Glas. Ver-
gleichnngen.
Modellieren und Zeichnen: Tasse, Topf. Gedeckter Tisch»
29. Mttller und Mtthle
(Robinson als Müller)
Wie Robinson sich aus Gerstenkörnern Mehl bereitet? Wie es bei
uns geschieht? Gang nach der Mühle und Betrachtung der Einrichtung.
Der Mehlwurm. Besprechung des Geschehenen in der Schule unter Ver-
deutlichung durch Zeichnungen. Wasser-, Wind-, Handmühlen. Mehl-
früchte. Was sonst noch gemahlen wird? Kaffee, Sand, Gyps. Ge-
treide- und Brotpreise. (Abgabe ans Rechnen.)
Sagen: Es klappert die Mühle.
Modellieren und Zeichnen: Windmühle, Kaffeemühle.
30. Bäcker und Brotbereitnug
(RobiDson als Bäcker)
Gang zum Bäcker. Mehl, Teig, Backtrog, Sauerteig (Hefe). Ein-
sänern. Auswirken. Backofen. Ofenschüssel. Backen. Farbe, Geschmack
des Brotes. Aussehen. Was sonst noch gebacken wird? Wie? Ver-
gleichungren. Werkzeuge im Backhaus. Das Heimchen als Backhaus-
musikant. Wer bei euch im Hause auch bäckt? Was? Wie? Waa
das Backwerk kostet? (Abgabe an den Rechenanterricht.)
Sagen: Lieber Gott, du gibst zu essen.
Zeichnen: Backofen. Brotschieber. Semmel. Bretzel.
31. Schule und Kirche
(RobiDson als Lehrer)
Besuch eines Gottesdienstes. Unsere Erbauungsstunden.
32. Das Geld
(GeldfuDd Robinsons)
Zeigen und Besprechen der Markmünzen; Kupfer-, Nickel-, Silber-
und Goldmünzen. Vergleichende Beschreibung derselben. Werttabelle.
Sachgebiete fürs Rechnen im Zahlraum von 1 — 100. Papiergeld. Wie
man auf ehrliche W^ise zu Gelde kommt? Was man dafür kaufen
kann? Was einzelne Dinge kosten? Reiche and Arme. (Abgabe an
das Rechnen.) Vergl. Lehrbeispiel.
33. Winter, Weihnachten
(Robinson feiert WeihDachten)
Schnee, Eis, Kälte, kurze Tage, lange Nächte. Winterfreuden anf
dem Schnee und Eis. Winterleiden bei Menschen nnd Tieren. Daa
W^intervierteljahr , Anzahl der Tage, Wochen desselben (Abgabe ana
Rechnen).
Sagen: Winterzeit, kalte Zeit. Gefroren hat es heuer.
Modellieren und Zeichnen: Schlitten, Ghristbaum, Spielsachen.
Singen: Alle Jahre wieder. Vom Himmel hoch.
Sagen: Dn lieber, frommer, heiiger Christ.
Naturkunde 171
34. Winters Abschied
(Im Anschluss an die Jahreszeit und den Schulschluss)
Osterfest.
Singen und Sagen: Winter ade, Scheiden tut weh.
X. Lehrbeispiele
1. Die Saale bei Jena*)
Ziel: Wir wollen an die Saale gehen und sie uns genau betrachten.
I. Stufe: Ihr habt schon mancherlei davon gesehen: Sie fliesst durch
das Paradies. Es schwimmen Flösse und Kähne darauf. In der Rasen-
nnd Brnckenmühle dreht die Saale die Mühlräder. Manchmal über-
schwemmt sie den Steinweg und Wenigenjena und reisst Brücken und
Häuser um. Einmal, 1890 ist die Saale sehr hoch gewesen. Im Paradies
zeigen es die Wassermarken an. Da hat sie Brücken und Häuser ein-
gerissen. Die Camsdorfer Brücke hat sie aber nicht einreissen können.
Die ist aus grossen Quadersteinen gebaut und steht sehr fest.
Nun wollen wir hingehen. Es gibt noch viel zu sehen und zu lernen.
II. Stufe: a) Der Auszug: Von der Schule gehen wir durch
die Grietgasse bis zur Ostschule. Dort biegen wir rechts um in die
Paradiesgasse, die bis zur Schützenbrücke im Paradies führt. Wer
zeichnet den Weg mit dem Stock hier in den Sand weg!
b) Die Umschau:
1. Der Strom
Die Saale ist sehr breit. Wir wollen messen. Wie kann es geschehen ?
Wir messen sie über die Schätzenbrücke weg. Es sind 60 Schritte. Sie
fliesst langsam. Da kommt Wasserschaum geschwommen. Geht ihm
nach! Er schwimmt nicht schneller, als wir im Schritt gehen. Warum
kommt das Wasser nicht zu uns auf den Promenadenweg? Es kann
nicht über die Ufer. Es fliesst in einer tiefen Mulde, die heisst Bett.
Die Saale schläft aber nicht in ihrem Bette, sondern sie läuft darin
immer weiter. Wie sind die Ufer ? Tretet auf die Schützenbrücke und
schaut dorthin wo die Flösse mit dem Saalwasser fliessen. Hebt die
rechte Hand hoch. Sie zeigt auf das rechte Saalnfer. Jetzt die linke
Hand hoch! Sie zeigt auf das linke Ufer. Auf welchem Ufer stehen
das Schützenhaus, die Paradieswirtschaft? Wo fährt die Eisenbahn?
Wo sind die Saal wiesen? Schaut jetzt dahin, woher die Flösse kommen!
Wo fährt jetzt die Eisenbahn? Mehr Übungen! Wie findet man das
rechte und linke Ufer? Wie sieht das Wasser aus? Grund sehen?
Seht ihr euch selbst? Was noch? Himmel, Bäume, Berge, fliegende
Schwalben. Jetzt wollen wir Steine in die Saale werfen. Wie wird es
mit den Bildern? Dort fliesst die Saale rascher. Bilder?
Zusammenfassung.
•) 8 — 4 Gänge sind gedacht.
172 I^fts zweite Schuljahr
2. Kähne and Flösse
a) Kähne: Hier sind sie alle festgehnnden. Das ist der Hafen.
(Bahnhof.) Seht den Kahn an! Vorn and hinten ist er spitz, in der
Mitte breit. Hinten ist ein Steaer. Es kann nach links and rechts
gedreht werden. Das sind die Rader. Die sehen aas wie Schaafeln.
Da rädert ein Mann los. Wie macht er es mit den Hadern? Wie fährt
der Kahn darchs Wasser? Er schneidet darch. Jetzt rädert er nicht
mehr. Was seht ihr?
Zasammenfassang :
b) Flösse: Wohin schwimmen sie? Wie sind die Stämme zusammen-
gekettet? Zählt die Stämme! Bader? Es sind keine da. Der Mann
hat eine lange Stange. Damit sticht er in den Grand der Saale and
treibt das Floss anter sich weg. Wann mass er die Stange heraas-
ziehen? Wohin läuft er, wenn er wieder einstechen will? Warum?
Steaer? Es ist eins da, aber es ist vorn angebracht und ist wie ein
langes Ruder Beobachtet, wie der Flösser steuert!
Zusammenfassung.
3. Auf der Kiesbank
Gang zur Kiesbank. Wo ist sie? Unterhalb des Raäenmühlenwehrs.
Wie kommt sie hierher? Angeschwemmt durch die Saale. Was wir
sehen: Steine und feinen Sand. Beschaut die Steine genauer! Alle sind
glatt. Manche sehen aus wie ein Ei oder eine Kugel, andere gleichen
einem Hammer, einem Messer, einem Spiess. Ecken? Fast keiner hat
Ecken. Wie kommt das? Hier sieht man es: die Wellen schlagen
immer ein Stück über die Kiesbank und treiben kleine Steinchen und
Sand über die grösseren Steine. Da geschieht etwas, wie an einem
Schiefer oder Bleistiften! Die nutzen sich ab und die Steine reiben sich
ab. Alle Ecken gehen weg. Die meisten Steine liegen aber doch still?
Wanderung auf dem Grunde bis hierher. Lebensgeschichte der glatten
Steine !
Zusammenfassung.
4. Am Mühlrad
Wie das Wasser hier schiesst! Wie kommt das? Es ?st eine Schleusse
gebaut. Darüber staut sich das Wasser und nun schiesst es rasch den
schrägen Weg ab. Ist es nötig, dass es so rasch laufen muss? Ja,
da hat das Wasser mehr Kraft. Es schiesst vor das Mühlrad und dreht
es um. Seht, wie es sich dreht! Hört, wie es in der Mühle rasselt!
Da gibts schwere Arbeit zu tun.
5. Auf der Wiese
Was hier in den Büschen hängt und wie sich die Büsche neigen !
Das kommt von der Überschwemmung!
Was die Saale hierher geschwemmt hat! Es ist feine, gelbe Lehm-
erde. Woher mag die kommen? Erzählung darüber. Was sagt der
Wiesenbesitzer wohl über die Erde? Düngung!
Naturkunde 173
Wie die Schuhe nass werden, und es hat doch nicht geregnet.
Seht die Grashalme an! Laater Wasserperichen sind darauf. Woher?
Die Luft ist noch neblig über der Wiese, am Berge nicht. Der Nebel
kommt von der Saale. Was macht die also. (Abendnebel !) Was sagt
der Wiesenbesitzer dazu?
Zusammenfassung.
6. An der Badeanstalt
Einrichtung! Springen, Tauchen, Schwimmen. Wie schwimmt man?
Gesundheit.
Zusammenfassung.
III. Stufe: Ob die Saale nicht vieles wie ein Mensch macht?
a) Sie trägt wie ein Dienstmann. Sie trägt Kähne und Flösse auf
ihrem Rücken. Der Dienstmann trägt die Koffer bergauf, bergab.
Die Saale kann nur bergab forttragen. Sie kann aber viel schwerer
tragen. Steine und Sand schafft sie auch fort. Sie treibt auch mit
grosser Kraft die Mühlräder.
b) Am Rasenmühlen wehr und vor der Camsdorfer Brücke hat sie Kies-
inseln und Kiesbänke aufgebaut.
Sie arbeitet auch wie ein Baumeister.
c) Die Steine schleift sie überall rund. Sie ist ein Schleifer.
d) Sie malt wie ein Maler, aber rascher. Sie malt aber alles umgekehrt.
e) Sie düngt und begiesst die Wiesen wie ein Gärtner den Garten.
f) Sie erhält die Menschen gesund wie ein Arzt. Der Arzt sagt auch:
Badet, in der Saale und lauft Schlittschuhe darauf das ist gesand.
IV. Stufe. Die Saale ist ein Dienstmann denn sie trägt Kähne
und Flösse und treibt Mühlen. Sie ist ein Baumeister und baut Kies-
inseln und Kiesbänke. Sie reisst auch ein. Sie ist ein Schleifer, denn . . .
Sie ist ein Gärtner, denn ... Sie ist ein Maler, denn ... Sie ist ein
Arzt, denn ...
V. Stufe: Ist die Saale eine Wasserstrasse? Weshalb kommt das
Flossholz nicht mit der Bahn, die an der Saale hinführt? Sie ist ein
billiger Dienstmann. Wieso? Welche Leute sehen es gern, wenn die
Saale das Tal überschwemmt? Grund dafür. Wann sehen sie es nur
gern? Wann und warum wird die Saale gefährlich? Wie heissen im
Saalliede die Saalufer? Welchen Zweck haben die Wehre? Wie kann
ein Kahn auch stromaufwärts schwimmen? Was liefert die Saale für
den Hausbau, den Strassenbau, die Küche? Wo ist es an der Saale be-
sonders schön? W^ann ist es besonders angenehm dort? Ist es gesund
Saalwasser zu trinken und warum nicht? Baut die Saale in unsern Sand-
haufen. Modelliert sie mit der Schützen brücke.
Wer kann ein Lied von der Saale singen?
2. Das Rotauge ein Saalfisch
Ziel: Wir wollen einen Saalüsch genauer betrachten.
I. Stufe: Unter der Schützenbrücke schwimmen viele Fische herum.
Sie warten auf Brotstückchen, die ihnen die Menschen zuwerten. Wenn
ein Stückchen Brot in die Saale fällt, kommen eine Menge Fische ge-
174 ^&s zweite Schu^'ahr
schwömmen und schnappen danach. Sie sind aber sehen dabei and haschen,
wenn sie einmal danach geschnappt haben, in die Tiefe. Dann kommen
sie wieder. Sie schwimmen sehr gewandt and bleiben immer anter dem
Wasser. Nor manchmal springt einer ein wenig hoch über das Wasser.
II. Stnfe: Hier ist ein Saaifisch im Glase. Schaat ihn genan an!
1. Wie er aassieht.
a) Die Angen. Sie haben einen rotgelben Kranz. Der Fisch
heisst darnm Rotauge. Er kann die Angen nicht schliessen.
b) Das Kleid. Es sind Schnppen. Sie liegen wie die Dach-
ziegel übereinander. Anf dem Rücken sind sie blangraa,
nach den Seiten werden sie heller and kleiner. Am Banche
sind keine Schnppen mehr deutlich za sehen. Der Banch
ist weiss.
c) Die Flossen. Der Fisch hat keine Beine. Dafür hat er Flossen.
Wo? Wie viele? Welche ist die grösste? Zeichne sie an!
Schaat die Flossen gegen das Licht an. Es sind Strahlen
darin. Das sind die Finger and Zehen. Bewegung der
Flossen.
Zasammenfassung.
2. Waram der Fisch im Wasser leben kann.
a) Achtet auf das Maul. Er macht es immer auf und zu. Ob
er das Wasser in den Leib schluckt? Hinter den Angen
sind zwei Deckel, Klappen, da kommt es wieder heraus.
b) Der Fisch ertrinkt darum nicht. Er kann aus dem Wasser
Luft atmen.
Zusammenfassung.
3. Wie der Fisch schwimmt.
Er schlägt mit der Schwanzflosse gegen das Wasser. Die Schwanz-
flösse ist sein Ruder. Die andern Flossen helfen mit. Nach
welcher Seite schwimmt der Fisch, wenn er mit dem Schwanz
nach rechts, nach links schlägt? Steuert er auch? Womit
und wie?
4. Warum der Fisch gut schwimmen kann.
a) Sein Körper ist zusammengedrückt, nicht wie eine Walze.
Dazu nach vorn und hinten dünn. Darum kann er gut durch
das Wasser. Versuche mit der flachen und hohen Hand.
b) Hier ist ein toter Fisch, dem wir den Leib aufschneiden wollen.
Da kommt ja ein merkwürdiges Ding zum Vorschein. Eine
Blase ist es. Zeichne sie an. Die macht den Fisch leicht,
denn eine Blase schwimmt. Der Fisch hat den Schwimmgürtel
im Leibe, wir legen ihn um den Leib.
Zusammenfassung.
III. Stufe: Ist der Fisch nicht ein Taucherboot ? *) Ja, denn sein
Körper ist ähnlich geformt. Er schwimmt auch immer unter dem
Wasser. Vergleiche den Fisch mit einem Kahn. Wodurch unterscheiden
4sich beide. Vergleicht das Schwimmen des Fisches mit dem der Ente.
*) Das Taucherboot ist ein verbreitetes Spielschiffchen.
Naturkunde 175
IV. Stufe: Der Fisch kann im Wasser atmen. Er hat eine
Schwimmblase im Leibe, die ihn im Wasser trägt. Der Fisch ist ein
lebendiges Taucherboot.
V. Stufe: Nenne andere Fische, die wir beim Fischhändler sahen.
Welcher ist wie eine Schlange geformt? Welche schmecken gut? Kann
der Fisch schreien? Wo sind die Saalfische im Winter? Warum
schlafen sie? Was weisst du über die Nahrung der Saalfische? Wie
fängt man die Fische? Warum darf nicht jedermann angeln?
Modellieren: Der Fisch.
3. Die Kuh als guter Wirt*)
Ziel: Die Kuh ist ein guter Wirt für Kinder und erwachsene
Menschen.
I. Stufe: Robinson hatte auch gute Wirte: Das waren seine Ziegen.
Sie gaben ihm Milch. Die schmeckte Robinson gut und machte ihn satt
und stark. Von den Ziegen erhielt er auch Fleisch und Kleider. Robin-
son pflegte seine Freunde und Wirte auch recht gut. Wie denn ? Nun
nnsern guten Wirt betrachten.
II. Stufe: Nach den Beobachtungen im Bauemstall und Bauern-
haus und eigenem Versuch:
1. Wo die Milch herkommt.
Die Bauersfrau setzt sich auf einen Schemel, nimmt einen Eimer zwischen
die Knie und melkt die Milch hinein. Sie melkt an den Strichen des
Enters. In jeder Hand hat sie einen Strich und drückt die Milch im
Takt heraus. Die eine Kuh gibt mehr Milch als die andere. Die Kühe
halten still, wenn sie gemolken werden.
2. Was die Frau mit der Milch macht.
a) Die frisch gemolkene Milch giesst sie durch ein Tuch (Seih-
tuch) oder feines Sieb in ein anderes Gefäss. Sie seiht die Milch,
damit sie ganz rein wird.
b) Die Milch kommt in die Milchstube und wird dort in Schüsseln
hingesetzt, damit sie sauer wird. Die Kaffeemilch und die Kinder-
milch wird gekocht.
c) Von der sauren Milch wird der Rahm oder die Sahne abgeschöpft.
Daraus rührt oder leiert die Frau Butter und bekommt dabei Butter-
milch.
d) Aus der Sauermilch wird „Matz^ und Molke. Die Molke kann
man trinken, und aus dem Matz wird Käse gemacht.
Zusammenfassung.
3. Wie uns die Kuh Fleisch gibt.
Im Schlachthaus wird sie geschlachtet. Der Fleischer verkauft dann
ihr Fleisch. Es heisst Rindfleisch und wird gebraten und gekocht. Das
FeU heisst Talg.
4. Die Kuh gibt uns noch mehr, doch darüber wollen wir ein ander
mal sprechen.
*) Nur der Nutzen durch Milch und Fleisch soll ins Auge gefaast
werden.
176 J^a-s zweite Schuljahr
m. Stufe. Wieso ist die Enh ein guter Wirt? Sie gibt uns:
Milch, Butter, Käse und Fleisch. Wie müssen die Bauersleute dafür bezahlen?
Durch gutes Futter, gute Streuh und gute Pflege. B«inhaltung.
IV. Stufe. Die Kuh ist unser Wirt und Freund. Milch, Butter,
Käse und Rindfleisch sind gute Nahrungsmittel. Für Kinder sind Milch,
Butter und Käse am gesundesten. Kleine Kinder nähren sich nur
von Milch.
V. Stufe. Wann gibt die Kuh viele und gute Milch? Wie hält
ein tüchtiger Bauersmann seine Kühe? Welches Futter gibt die beste
Milch? Was weisst Du von der Molkerei zu erzählen? Was verkaufen
die Milchwagen in der Stadt? Preise der Milch? Wie kommt es, das
Magermilch billiger ist als Vollmilch ? Welche Milch können kleine Kinder
nicht vertragen ? Wie muss die Mutter die Milchflaschen halten ? Weshalb?
Sagen: Muh, muh, muh !
So ruft im Stall die Kuh.
Sie gibt uns Milch und Butter,
Wir geben ihr das Futter.
Muh, muh, muh!
So ruft im Stall die Kuh.
4. Das Kochsalz
Ziel: Wir wollen von unserm Salz sprechen.
1. Stufe: Erzählt, wie Robinson Salz erhielt, wozu er es brauchte
und was es ihm nützte.
IL Stufe: 1. Wozu wir das Salz brauchen.
a) Die Mutter salzt die Suppen und Gemüse damit. Auch in den
Kuchen tut sie etwas Salz.
b) Wir streuen Salz auf das Schmalzbrot, essen es zu Eiern und
Fleisch. In der Butter ist auch Salz.
c) Der Fleischer salzt die Wurst, den Speck und Schinken. Er
verkauft Salzknocben und Pökelfleisch. Beides hält sich im Salz-
wasser. Die Heringe sind eingesalzene Fische.
Zusammenfasnng.
2. Warum wird gesalzen.
a) Die Speisen schmecken besser.
b) Fleisch und Fische faulen nicht.
3. Woher das Salz kommt.
a) Versuch: Salz im Wasser auflössen und das Wasser wieder
verdunsten lassen.
b) Erzählung vom Quell- und Steinsalz.
III. Stufe: Das Salz ist ein Gewürz. Vergleiche Salz und Pfeffer,
Salz und Zucker.
IV. Stufe: Das Salz ist ein Gewürz es macht viele Speisen schmack-
haft und verdaulich. Es bewahrt Fleisch und Fische vor dem Verfaulen.
Man darf nicht zu viel Salz essen.
V. Stufe: Wie tauen die Leute aufgefrorene Deckel der Kanalisation
auf? Was für Salz nehmen sie dazu? Zu welchen Nahrungsmitteln
schmeckt Salz nicht? Was sind Soleier? Was weisst du von Solbädern^?
Naturkunde 177
5. Das Geld*)
Ziel. Wir wollen das Geld kennen lernen, für welches wir die
Sachen kaufen, die wir brauchen.
L Stufe. Auf dem gescheiterten Schiffe fand Robinson auch ein
ganzes Säckchen voll blanker Taler, viele hundert Stück. Darüber hat
er sich wohl recht gefreut? Es fehlte ihm ja so Vielerlei, nun konnte er
dch anschaffen, was sein Herz begehrte? Er konnte sich ein neues
schönes Haus bauen lassen? Ach, es waren ja keine Zimmerleute auf
der Insel. Er konnte sich schöne Kleider kaufen? Ja, wo war ein
Schneider, der sie ihm hätte machen können? Er konnte sich Brot,
Kuchen, Fleisch, Wurst, Zucker, Chokolade dafür holen? Aber wo war ein
Bäcker, ein Metzger, ein Chokoladengeschäft auf seiner Insel? Was
hat er nun von dem vielen Geld? Was kann er damit anfangen? Gar
nichts ; es war ja niemand da, bei dem er etwas dafür hätte kaufen können.
Er nahm das Geld mit, aber gefreut hat er sich nicht darüber. Die
Messer und Gabeln, der Hammer und das Beil waren ihm viel lieber,
als der Haufen Geld.
Wenn er's uns hätte schenken können, uns hätte es genützt. Was
hätten wir uns dafür kaufen können? Gibt's bei uns nicht auch Geld?
Wiederholung des Ziels.
II. Stufe, a) Anschauen und Besprechen unser Münzen: der
Pfennig, das Zweipfennigstück, das Fünf- und Zehnpfennigstück, das
Fünfzigpfennigstück, die Mark, die Doppelmark, das Fünftnarkstück , das
Zehn- das Zwanzigmarkstück; Form, Grösse, Gepräge auf beiden Seiten;
Stoff, aus dem es geprägt sind: Kupfer, Nickel, Silber, Gold; Wert der
einzelnen Stücke.
b) Papiergeld: der Fünf-, Zwanzig-, Hundertmarkschein. Beschreibung
derselben.
III. Stufe: a) Das Geld als Tauschmittel. Bequemlichkeit.
b) Wie kommt man auf ehrliche Weise zu Gelde?
c) Was kann man sich alles dafür kaufen?
IV. Stufe, a) Sagt jetzt alle unsere Geldstücke in geordneter Reihe
von dem , was am wenigsten, bis zu dem, was am meisten gilt ! (Der
Pfennig, das Zwei-, Fünf-, Zehn-, Fünfzigpfennigstück, die Mark, das
Zwei-, Fünf-, Zehn-, und Zwanzigmarkstück.)
b) Die Kupfer-, Nickel-, Silber-, und Goldmünzen.
V. Stufe, a) Nennt die Münzen der Reihe nach rückwärts vom
Zwanzigmarkstück an.
b) Wie viele einzelne Pfennige, Fünipfennigstücke, Zehnpfennigstücke
bekommt man für eine Mark? Wie viel Zwei-, Fünfmarkstücke für ein
Zehn-, Zwanzigmarkstück? usw.
Was man für einen Pfennig, für zwei, fünf, zehn, fünfzig Pfennige,
für eine Mark bekommt? (Einen Stift, einen Bogen Papier usw.). Was
einzelne Dinge (ein Paar Handschuhe, ein Paar Schuhe, ein Bleistift,
ein Pfund Zucker usw.) kosten?
Abgabe dieses Stoffes an den Rechnenunterricht.
*) Fast unverändert aus der alten Auflage.
Dm sweite Schuljahr. 12
178 ^^9 zweite Schuljahr
6. Die Getreidearten *)
(Im Anschluss an Bohinsons Getreidehau , nach vorausgegangener An-
schauung im Freien)
Ziel. Wir wollen die Gewächse besprechen, die wir gestern auf
dem Felde gesehen haben; welche also? Korn, Weizen, Gerste und
Hafer.
I. Stufe. Auf welchen Feldern sind wir gewesen? Wege dahin,
Himmelsgegenden. Anf jenem haben wir Eorn und Weizen, auf diesem
Hafer und Gerste gesehen. Als wir zum erstenmal aufs Feld kamen,
sahen das Eorn und der Weizen aus wie Gras. Im Sommer ist es* gross
gewachsen und gelb geworden.
II. Stufe, a) Vergleichende Besprechung der vier Ge-
treidearten: Das Eorn so hoch wie ein Mann, grösser als Weizen und
Gerste. Wie folgen sie der Grösse nach aufeinander? — Bei dem Eorn,
dem Weizen, der Gerste sass oben auf dem Stengel (Halm) eine Ähre,
beim Hafer nicht, dieser hat eine Rispe. Die Ähren haben noch Haare
(Grannen); dieselben sind beim Weizen kürzer, bei der Gerste länger aU
bei dem Eorn.
b) Besprechung der einzelnen Arten. Das Eorn: Stengel lang,
hohl, Enoten, mit Blättchen wie Gras. Ähre, Eörner in Blättchen
(Tütchen) steckend, an den Tütchen die Haare; dieselben kratzen, wenn
man rückwärts mit dem Finger über sie hinstreicht. Wurzel in der
Erde, hält den Halm fest, dass ihn der Wind nicht umblasen kann« —
Zusammenfassung. .
Nach denselben Gesichtspunkten werden auch die drei andern Ge-
treidearten im einzelnen betrachtet und besprochen.
c) Wie ist das Getreide auf den Acker gekommen? Der Acker ge-
düngt, geackert, geeggt; Saat, Herbstsaat, Frühjahrssaat; Wintergetreide,
Sommergetreide: Zeit der Reife. Ernte.
III. Stufe, a) Welche Getreidepflanzen haben eine Ähre? welche
eine Rispe? Was haben sie alle für einen Stengel (Halm)? (Hohl, mit
Enoten.) Welche Gewächse kennt ihr von unsern Spaziergängen her,
die auch einen solchen Stengel (Halm) haben, wie Eorn und Weizen?
(Grashalme an den Zäunen:) Haben dieselben auch Ähren mit Eörnem ?
Die Grashalme aber nicht so dick, die Eörner nicht so gross und
schwer, wie bei Eorn und Weizen. Was für einen Stengel hat aber der
Flachs ? Nicht hohl, keine Enoten, oben keine Ähre, sondern kleine Äst-
chen und Knoten daran, b) Wie bringt man die Eörner aus der Ähre?
Wie heissen die Getreidehalme, wenn die Eörner ausgedroschen sind?
Was für Stroh gibt es? (Eorn-, Weizen-, Gersten- und Haferstroh.)
Vorzeigen. Was wird mit den Eörnem gemacht ? Wozu gebraucht man
das Stroh?
IV. Stufe. 1. Eorn, Weizen, Gerste und Hafer sind grasartige Ge-
wächse. 2. Sie haben eine Wurzel, einen hohlen, knotigen Stengel und
oben am Stengel eine Ähre oder eine Rispe. 3. In den Ähren und Rispen
stecken die Eörner. 4. Die Eörner geben uns das Mehl zu unserer
^) Fast unverändert aus der alten Auflage.
Naturkunde 179
I^ahniDg. 5. Es ist gut, das der liebe Gott das Getreide wachsen lässt.
„Der Herr l&sset Gras wachsen für das Vieh und Saat zu
J^ntz des Menschen.
V. Stufe. Welche Getreidearten säte Rohinson? Welche werden
bei uns angebaut? Welche Getreidepflanzen kennt ihr? Woran sieht
man, das sie grasartige Gewächse sind? (Anfangs wie Gras, Stengel,
Ähre, KiJmer.) Wie werden sie der Reihe nach reif? Warum ist es sehr
gut, das der liebe Gott Korn, Weizen, Gerste und Hafer wachsen lässt?
Getreideernte, Erntearbeiten.
Schlussbemerkung: Die Skizzen und Beispiele sollen vorzugs-
weise Anregung für eine fruchtbare Auswahl und Bearbeitung des Stoffes
^eben. Es ist selbstverständlich, dass anderswo auch andere Stoffe ausge-
wählt und nach anderen Gesichtspunkten durchgearbeitet werden können.
Es muss sogar geschehen, weil die heimatlichen Verhältnisse und die
Lehrerpersönlichkeit dazu drängen.
Die Skizzen und Beispiele werden darum am besten ihren Zweck
«rfttllen, wenn der Lehrer durch sie zur Überlegung angeregt und zu
I>e88erer Lösung der Probleme hingeführt wird.
12*
II. Rechnen
Zur Literatur des Reebenunterrichts : a) H. Stoy, Zur Geschichte
ded Bechenunterrichts. iDaugural- Dissertation. Jena Fromann. 1876.
M. C a n t o r , Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. I und. IL
Leipzig. B. G. Teubner, 1880 u. 1892. E. Jan icke u. G. Schur ig, Ge-
schichte des Unterrichts in den mathematischen Lehrfächern in der Volks-
schule. (Bd. III von der Geschichte der Methodik des deutschen Volksschul-
unterrichtes, herausgeg. v. 0. Kehr.) Gotha, £. -F. Thienemann. 1888. W.
Adam, Geschichte des Rechnens und des Bechenunterrichts. Quedlinburg,
Chr. F. Viewegs Buchhandlang. 1892. B. Hartmann, Der Bechenunterricht
in der deutschen Volksschule vom Standpunkte des erziehenden Unter-
richts. 1893^ [1888^]. Leipzig und Frankfurt a. M., Kesselringsche Hof-
buchhandlung. I. § 1 — 9. F. Steinweiler, Kurzer Abriss der Ge-
schichte des Bechenunterrichts, sowie Beschreibung der wichtigsten
Lehrmittel für denselben. Leipzig, F. Hirt. 1894. A. Költzsch, Das
deutsche Volksschulrechnen nach seiner geschichtlichen Entwickelung
von der frühesten Vorzeit bis zur Gegenwart in Einzel- und Gruppen-
bildern. Leipzig, G. Merseburger. 1894. H. G r o s s e , Historische Bechen-
bücher des 16. und 17. Jahrhunderts und die Entwicklung ihrer Grund-
gedanken bis zur Neuzeit u. s. f. Leipzig, Diirrsche Buchhandlung. 190L
H. Walsemann, J. H. Pestalozzis Bechenmethode. Historisch- kritisch
dargestellt und auf Grund experimenteller Nachprüifung fär die Unter-
richtspraxis erneuert. Hamburg, A. Lef^vre Nfg., Kruse u. Freiherr. 190L
E. S c h m 1 d , Zur Psychologie des elementaren Bechenunterrichts, zugleich
eineWürdigung der rechenmethodischen Bestrebungen Pestalozzis. Dresden,
Bleyl u. Kämmerer. 1906. b) Tillich, Allgemeines Lehrbuch der
Arithmetik. 1806. Göpfert, Der Bechenunterricht in den drei ersten
Schuljahren. 1877. Bräutigam, Methodik des Bechenunterrichts auf
den ersten Stufen mit Hilfe von Tillichs Bechenkasten. Wien, Pichlers
Witwe u. Sohn. 1878. W. Tanck, Das Bechnen auf der Unterstufe
nebst einem Beitrag zur Entstehung der ZahlbegrifPe. Meldorf, Bremer.
1884. B. Knilling, Zur Beform des Bechenunterrichts in den Volks-
schulen. I. und IL München, Ackermann. 1884 und 1886. F.Heiland,.
Das Bechnen in der Volksschule. (In dem Werke: Der Unterricht der
Volksschule nach Lehrstoff, Lehrmitteln, Lehrverfahren und Lehrziel,^
herausgeg. v. H. Banitzsch. Weimar, Böhlau. 1888. S. 206—219.) J. T.
Teupser, Das Bechnen im zweiten Schuljahre. Jahrbuch des Vereins
f. wissenschaftliche Pädagogik. Dresden, Bleyl u. Kämmerer. XXI, S. 27
bis 75. 1889. XXIII, S. 54—77. 189 1. Derselbe, Der pädagogische Wert
der Bechenaufgaben. Ebenda. XXXI, S. 203— 221. 1899. B.Schröter,.
Die Methodik des Bechenunterrichts für die oberen Klassen der Seminare^
und für Volksschullehrer. Wittenberg, Herrosös Verlag. 1892*. 0.
Hausmann, Enthaltensein oder Messen? Jahrbuch d. V. f. wissensch.
Päd. XXV, S. 266— 269. 1893. W. Steuer, Methodik des Bechenunter-
richts. Breslau. M. Woy wod. 1893 ^ K. Muthesius, Ober die Stellung
des Bechenunterrichts im Lehrplan der Volke schule. Im 10. Bericht über
das Schullehrersem inar zu Weimar, herausgeg. v. H. Banitzsch. 1893.
S. 3—59. Auch gesondert erschienen : Leipzig, Siegismund u. Volkening«
Bechnen Igl
1894. F. Heiland und K. Muthesius, Bechenbuch für Volksschulen.
L Ausgabe für Lehrer. Weimar, Bohl au. 1895. K. Muthesius, Einige
Bemerkungen über den sprachlichen Ausdruck im Bechenunterrichte.
Kirchen- und Schulblatt in Verbindung, herausgeg. v. Hesse u. Leidenfrost.
Weimar, Böhlau. 1895, S. 273—277 und 294—297. M. Pack, Zählen und
Bechnen. Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik, herausgeg. von O.
Flügel und W. Bein. Langensalza, Beyer u. Söhne. 1895. Jahrg. II, S.
196—213, 262—275, 346—351. (Diese Arbeit wird voraussichtlich nächstens
als Sonderabdruck erscheinen. In ihr ist auch ein grosser Teil der
Literatur über den ZahlbegrifiP und seine Entstehung verzeichnet.) 0.
Atmanspacher, Die Grandfagen unserer Herrschaft über die Zahlen.
Leipzig, Dürrsche Buchhandlung. 1897. B. Hartmann, Der Bechen-
Unterricht in der Volksschule u. s. f. (Vgl. a!) H. Bäther, Theorie
und Praris des Bechenunterrichts. I. Breslau, E. Morgenstern. 1899'.
L. F. Göbelbecker, Das rechenunterrichtliche Sachprinzip in seiner
historischen Entwicklung dargestellt und vom Standpunkte der neueren
Psychologie und einheitlich organisierten Volkserziehung beleuchtet.
Wiesbaden, 0. Nemnich. 1901. K. H. Hiemisch, Präparationen für den
Bechenunterricht in der Volkssckule. Langensalza, Beyer u. Söhne. 1902.
Weit, Bais, Heininger u. Zluhan, Das Sachrechnen nach seiner
geschichtlichen Entwicklung, seiner psychologischen Begründung und
seiner methodischen Gestaltung. Cannstatt, G. Hopf. 1904. Oberg,
Wie kann die Volksschule eine möglichst grosse Bechenfertigkeit erzielen ?
(Päd. Abhandlungen, herausgeg. von Bartholomäus. VIII, 8.) Bielefeld,
Helmichs Verlagsbuchhandlung. 0. Baewert, Das Prinzip der Selbst-
tätigkeit im Bechenunterrichte meiner Kleinen. (Päd. Abhandlungen,
herausgeg. v. Bartholomäus.) Ebenda. C. Ziegler, Der Bechenunter-
richt im Lichte des sozialpädagogischen Prinzips und der Konzentration.
(Päd. Abhandlungen, Heft 60.) Ebenda. Vergleiche ferner die Aufgaben-
sammlungen von Brennert u. Kaselitz (Berlin, Nicolaische Verlagsbuch-
handlung), A. Büttner u. Genossen (Leipzig, Dürrsche Buchhandlung),
B. Hartmann (Leipzig und Frankfurt a. M., Kesselrin^sche Verlags-
buchhandlung), F. Heiland und K. Muthesius (Weimar, Böhlau),
Hell ermann u. Krämer (Berlin, Oehmigkes Verlag), K. H: Hiemisch
und M. Teutsch (Kronstadt, H. Zeidner), A. Költzsch (Leipzig, 0.
Merseburger), C. Mittenzwey, (Leipzig und Berlin, J. Klinkhardt), B.
Schröter (Wittenberg, HerrosSs Verlag) u. v. a.
I. Bedeutung des Rechenunterrichts
Vergleiche S. 399 bis 400 in der siebenten Auflage [1903] des ersten
Schuljahres!
2. Zur Auswahl und Anordnung des Stoffes
(Welche fachwissenschaftlichen Einsichten sind im zweiten
Schuljahre zu gewinnen? In welcher Beihenfolge sind sie
zu gewinnen?)
1. Die fachwiBsenschaftlichen Einsichten, um die es sich handelt,
mögen zunächst angedeutet sein:
1. Aufbau der Zahlen 11 — 100 aus Zehnern (Z) n. Einern (E)
a) 1 Z = 10 E, 2 Z = 20 E . . . 10 Z. = 100 E.
10 E = 1 Z, 20 E = 2 Z . . . 100 E = 10 Z.
b) 4 Z + 3 E = 43.
43 = 4 Z + 3 E.
Ig2 Das zweite Schuljahr
2. Z + E; z.B. 20 + 4.
3. ZE — E; z. B. 25— 5.
4. ZE — Z; z.B. 25-20.
5. Z Ej + E^ ; z. B. 21 + 7.
El + Eg < 10.
6. Z El — Ej ; z. B. 26—5.
7. ZE^ +E2; z.B. 21 + 9.
Ej + E2 = 10.
8. Z— E; z.B. 30— 9.
9. ZE, +E2; z.B. 24 + 9.
El + E2 > 10.
10. Z E, — E^ ; z. B. 33—9.
El <C Ej.
11. Zj E + Z2; z.B. 21 + 40.
Zi + Zjj < 10 z.
12. Zj E — Za; z. B. 54 — 20.
13. Zi Ei + Z2 E2 ; z. B. 43 + 16.
Zi + Zg < 10 Z.
El + E2 < 10,
14. \ El — Z2 E2 ; z. B. 46—25.
Zi > z..
Ei>E,.
15. \ El + Zg Esj ; z. B, 46 + 18.
Zi + Z2 < 9 Z.
El + E. > 10.
16. Zi El — Z, E2 ; z. B. 41 — 29.
Z] — Z2 mindestenB :=: 1 Z.
El <C E2.
17. Zehnerreihe (Maltiplikation und Division).
18. Fünferreihe (Maltiplikation und Division).
19. Zweierreihe (Maltiplikation and Division).
20. Viererreihe (Maltiplikation and Division).
21. Achterreihe (Maltiplikation and Division).
22. Dreierreihe (Maltiplikation and Division).
23. Sechserreihe (Maltiplikation and Division).
24. Neanerreihe (Maltiplikation und Division).
25. Siehenerrreihe (Maltiplikation and Division).
2. Die Beihenfolge dieser Aafgahengrnppen ist nicht onah&nderlich.
Denkbar sind folgende Abänderangen: Qrappe 1, 2, 8, 11, 12, 5, 6, 13^
14 asw. Oder: Qrappe 1 — 7, 11 — 14 asw. Die Anfgaben beliebig an-
zuordnen, das ist freilich nicht möglich. Die Qrappe 13 setzt die Qrappen
Bechnen lg3
1, 2f 5 und 11 voraus, die Gruppe 14 die Gruppen 1, 2, 3; 6 und 12,
die Gruppe 15 die Gruppen 1, 2, 3, 7, 9 und 11 usw.
3. Ist es notwendig, die Aufgabengruppen la und Ib zu trennen?
Hören wir, was Ziller geltend macht: „Im ersten Schuljahre ist in
dem Zahlenraume von 1-10, d.i. mit der Fnndamentalreihe der Zahlen,
von der die meisten Reihen abgeleitet sind, gerechnet worden; und die
Betrachtung des neuen Zahlenraumes muss aus Bücksicht auf die Bildung
des Interesses mit dem Umriss des Ganzen, d. i. mit der Beihe der reinen
Zehner, beginnen; also mit den Zehnern, die nicht zugleich mit einem
Einer verbunden sind. Mit andern Worten: in der Sjmthese der ersten
methodischen Einheit muss der Knabe zählen lernen 10, 20, 30 bis zu
100, und das ist wirklich für denjenigen, der. 1, 2, 3 bis 10 zählen
gelernt hat, der nächste Schritt, der getan werden muss; denn an die
Fertigkeit des Zählens von 1 — 10 schliesst sich jetzt unmittelbar der
Gedanke an: die reinen Zehner schreiten gerade so fort wie die
Einer. ***) Dazu an anderer Stelle: „Das Zählen über 10 hinaus ist auf
einmal bis 100 zu lehren unter Hinweis zuerst darauf, dass die Zehner,
dann darauf, dass die Zahlen von einem Zehner zum andern ebenso
fortschreiten wie die Einer. Das ist des Umrisses wegen notwendig.''**)
„Des Umrisses wegen.*' Weshalb aber ist mit dem Umriss des Ganzen
zu beginnen? Ziller argumentiert, wie ich denke so: Der Schüler ge-
winnt für die Bechenoperationen Interesse, die er versteht. Das Ver-
stehen ist gesichert, wenn er natürlich fortschreiten darf. Natürlich ist
es, von der Beihe 1, 2, 3 10 fortzuschreiten zu der Beihe 10,
20, 30 100. Ist diese Argumentation einwandfrei? Überlegen
wir : Die Additions- und Snbtraktionsanfgaben im Zahlenraume 1 — 10 seien
erledigt. Wie soll man dann fortschreiten?
Erste Möglichkeit: Der Schüler eri%hrt: 11 ist die Zahl, die
aus 10 und 1 besteht, 12 ist die Zahl, die aus 11 und 1 besteht, 13
ist die Zahl, die aus 12 und 1 besteht ... 20 ist die Zahl, die aus
19 und 1 besteht . . .
Zweite Möglichkeit: Der Schüler erfährt: 11 ist die Zahl, die
aus 1 Zehner und 1 Einer besteht, 12 ist die Zahl, die aus 1 Zehner
und 2 Einern besteht, 13 ist die Zahl, die aus 1 Zehner und 3 Einern
besteht ... 20 ist die Zahl, die aus 2 Zehnern besteht . . .
Dritte Möglichkeit: Der Schüler erfährt zunächst: 20 ist die
Zahl, die aus 2 Zehnern besteht, 30 ist die Zahl, die aus 3 Zehnern
besteht . . . 100 ist die Zahl, die aus 10 Zehnern besteht. Der Schüler
erfährt dann weiter: 11 ist die Zahl, die ans 1 Zehner und 1 Einer
besteht, 12 ist die Zahl, die ans 1 Zehner und 2 Einern besteht . . .
Welche von diesen Möglichkeiten soll man verwirklichen? Ist der
Schüler im Zahlenraume 1 — 10 zweckmässig unterrichtet, so weiss er,
*) Allgemeine Pädagogik. Zweite, sehr vermehrte und mit An-
merkongen versehene Auflage der Vorlesangen über allgemeine Pädagogik,
herausgeg. von K. Just. Leipzig, H. Matthes. 1884. Seite 303 und 304.
**) ZiUer u. Bergner, Materialien zur speziellen Pädagogik. Dresden,
Bleyl u. Kämmerer. 1886. Seite 222. § 244.
184 ^^9 zweite Schuljahr
dasB man zur vorhergeheBden Zahl 1 hinzuzählen mnss, am die folgende
zu erhalten. Demnach wäre es am natürlichsten, unsere erste Möglich-
keit za verwirklichen. Die Lösungen für zwei Aufgahengrnppen erg&hen
sich von selbst: 10 + 1 = 11 , 11+1 =12, 12 + 1 = 13 . . .
19 + 1 = 20 . . .; 11 — 1 = 10, 12 — 1 = 11, 13 — 1 = 12 . • .
20 — 1 = 19 . . . Wie aber wären die Lösungen für alle übrigen Ad-
ditions- und Snbtraktraktionsaufgaben im Zahlenraum e von 1 — 100 zu
gewinnen ? Da jede Zahl durch die Beziehung zur vorhergehenden defi-
niert ist, so ist die übliche Lösungsweise, die voraussetzt, dass jede Zahl
durch Beziehung auf eine Anzahl von Zehnern definiert ist, ausgeschlossen.
So viel steht damit fest, dass dann ein gut Teil der Aufgaben durch
zeitraubende Zähloperationen gelöst und dass ihre Ergebnisse, eben weil
sie nicht rasch genug zur Verfügung stehen, gemerkt werden müssen.
Welch zeitraubende Lösungsweise! Und welche enorme Belastung des
Gedächtsnisses ! Wie ganz anders, wenn man unsere zweite oder dritte
Möglichkeit verwirklicht, wenn man also jede Zahl durch ihre Beziehung
zu einer Anzahl von Zehnern definiert. Dann ist der Schüler imstande,
mit Hilfe der Addltions- und Subtraktionsergebnisse im Zahlenraume
1 — 10 und mit Hilfe einer Reihe von Denkoperationen alle die geforderten
Lösungen zu gewinnen und nach erlangter Fertigkeit sie jederzeit rasch
wieder zu gewinnen.
Wir sind also genötigt, die Zahlen so auf eine Weise zu definieren,
die dem Schüler nicht am allernächsten liegt. Geschieht das aber, so
ist es dann nicht von Belaug, ob wir unsere zweite oder dritte Möglich-
keit verwirklichen. Beide Weisen führen zum Ziel.
Wie leißht ersichtlich, kann die Aufgabeugruppe 17 mit la ver-
bunden werden.
4. Werfen wir einen Blick auf die Anordnung der kleinen Reihen.
Ob ich die Reihen so oder anders anordne, hängt davon ab, ob ich sie
auf die eine oder andre Weise gewinnen will. Da die Divisionssätze
stets an die entsprechenden Multiplikationssätze angeschlossen werden, so
handelt es sich im Grunde genommen nur um die Gewinnung der Mul-
tiplikationssätze.
Produkte sind Summen aus gleichen Summanden. Da die Addition
in ihrem ganzen Umfange erledigt ist, so kann es nicht die geringsten
Schwierigkeiten verursachen, die Summen aus den gleichen Summanden
zu gewinnen. Wer die Produkte lediglich auf diese Weise gewinnen
will, kann die kleinen Reihen beliebig anordnen.
Das geht freilich nicht mehr, sobald ich bei der Gewinnung der
Produkte die Verwandtschaft der kleinen Reihen benutzen, wenn ich also
die Sätze der Viererreihe au£^ gewissen Sätzen der Zweierreihe und die
der Achterreihe aus gewissen Sätzen der Viererreihe gewinnen will usw.
Beispiele :
Weil 2x4 = 4x2,
2x6 = 4x3,
2x8 = 4x4,
2X5 = 5X2,
Rechnen 185
und weil 2x4 = 8,
2 X 6 = 12,
2 X 8 = 16,
2 X 10 = 20, 80
4x2 = 8,
4 X 3 = 12,
4 X 4 = 16 und
4 X 5 = 20.
Ich habe seit einer Reihe von Jahren beobachtet, dass es jungen
Lehrern durchaus nicht immer gelingt, die Schüler zur Beherrschung der
angedeuteten Beziehungen zu führen. Auch gar mancher ältere Lehrer
durfte es vorziehen, die Multiplikationssätze auf die einfachere Weise zu
gewinnen.
Wer dagegen bei der Gewinnung der Reihen ihre Verwandtschaft
zur Geltung kommen lassen will, muss die Reihen so anordnen, dass die
Viererreihe erledigt ist, wenn die Achterreihe zur Behandlung kommt,
dass die Dreierreihe erledigt ist, wenn die Sechserreibe zur Behandlung
kommt usw.
5. Die Division tritt in zwei Formen auf, als Teilen und Messen.
Teilen heisst, aus dem Produkt und dem Multiplikator den Multiplikanden
suchen. Messen heisst, aus dem Produkt und dem Multiplikanden den
Multiplikator suchen.
Wie soll man die zweite Operation zum Ausdruck bringen? Soll
man von Enthaltensein oder von Messen reden?*) Beim Rechnen handelt
es sich um Tätigkeiten, um Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Poten-
zieren usw. Darum werden wir für die zweite Divisionsform das Wort
wählen, das eine Tätigkeit bezeichnet, wir werden demnach von Messen
reden. Das W^ort Enthaltensein bezeichnet einen Zustand, der Inhalt
des Wortes dürfte also kaum so leicht zu veranschaulichen sein als
das Messen.
Ob es überhaupt nötig ist, in den ersten Schuljahren die zweite
Divisionsform einzuführen ? Sicherlich ist es möglich, alle die Aufgaben,
die man mit Hilfe dieser Divisionsform löst, auch ohne diese zu lösen,
falls man nur im Anschluss an die kleinen Multiplikationsreihen Sätze
von dieser Form bilden lässt:
Zur 8 gehören 2 Vieren,
Zur 12 gehören 3 Vieren,
Zur 16 gehören 4 Vieren . . .
Zur 6 gehören 2 Dreien,
Zur 9 gehören 3 Dreien . . .
Diese Sätze tun besonders dann, wenn es sich nicht bloss um ein-
gekleidete, sondern um wirklich angewandte Aufgaben handelt, recht
gute Dienste.
*) C. Hausmann, Enthalten sein oder Messen ? Jahrbach d. V. f.
wissensch. Päd. XXV, Seite 266—269. 1893.
186 i^fts zweite Schaljahr
3. Zur unterrichtlichen Behandlung des Stoffes
1. Die Schale darf das „Sachrechnen'' nicht vernachlässigen.
„Die grösste erlangte Fertigkeit in ansern Schalaufgaben geht nicht
80 weit, wie es sein sollte, ins Leben über. . . . Das Kind lernt wohl rechnen^
aber unser Volk rechnet nicht. Es ist eben etwas, was es mit dem Ver-
lassen der Schulbänke gerne hinter sich lässt und abstreift. Man frage
nach, wie viele unserer Handwerks- und Gewerbsleute bei dem Betrieb
ihres Geschäfts eine rechnende Übersicht und Überlegung eintreten lassen,
wie viele auch nur ein ordentliches Haushaltungsbuch führen, wie wenige
unserer Landleute imstande sind, von den Vorteilen oder Nachteilen ihrea
landwirtschaftlichen Betriebes sich ein klares Bild zu machen, oder ge-
neigt sind, den Wert neuer Eulturarten im Einfluss auf ihren ökono-
mischen Stand denkend, d. h. rechnend zu überschlagen; welche Sehen
bei unseren Gemeinderäten vor der Durchsicht jeder Eechnung besteht^
welche Unbeholfenheit in Beurteilung und Leitung eines Gemeindehaas-
haltes und einer Gemeinderechnung vorhanden ist . . . Gewiss trägt an
allem diesen auch die Schule ihre Schuld infolge einer einseitigen Bich-
tung und schiefen Betreibung des Kechenunterrichtes selbst. Seine Mängel
bestehen darin, dass wir unsere Kinder wohl rechnen, aber zu wenig be-
rechnen lassen . . . Eine Menge von Lebensverhältnissen, in die unsere
Schüler eintreten, und in denen sie sich alltäglich bei der Befriedigung
ihrer Bedürfnisse, bei ihren Berufsarbeiten und im Handel und Wandel
bewegen, bleiben unbeachtet. Es ist noch gar nicht recht ins Auge ge-
fasst, welche reiche Fülle hierher bezüglicher Aufgaben das ganze Leben
der Natur und des sozialen Menschenlebens darbietet . . .** So schrieb
Erziuger*) im Jahre 1854; und selbst heute dürfte der Übelstand noch
nicht ganz beseitigt sein.
2. Dem Sachrechnen dienen eingekleidete und angewandte
Aufgaben.
Eingekleidete Aufgaben:
36 ./^ -f- 38 ./^ = 74 ./^
1 Schock — 6 Stück = 54 Stück u. s. f.
Die eingekleideten Aufgaben beziehen sich auf Sachen; sie lassen
die Eechenoperationen, die zur Lösung fuhren, sehr leicht erkennen.
Eine angewandte Aufgabe.: Ein Buchbinder kauft das Gros Blei-
stifte für 9,60 Jk^ Wie teuer muss er ein Stück verkaufen, wenn er
20% gewinnen will? Bei derartigen Aufgaben ist es eine Haupt-
arbeit, die Eechenoperationen aufzufinden, die zur Lösung der Aufgabe
notwendig sind.
3. Bei dem Worte „Sachen^ denkt man in der Regel nicht an die
Veranschaulichungsmittel , die in dem Bechenunterrichte Verwendong
finden. Derartige Hilfsmittel sind unentbehrlich, sei's, um Zahlen, sei'»
*) Mitgeteilt bei Jänicke a. a. 0. S.,165. Vergl. auch die an der
gleichen Stelle (S. 165 — 168) mitgeteilten Äusserungen von Goltzsch und
Theel, sowie von Salberg!
Becbnen 187
um Kechenoperationen zn „veranBchanlichen*'. Manche Sachen können
nicht in die Schale gebracht werden, andere sind nicht bequem zu hand-
haben oder nicht rasch genug zu überschauen.
Als Verauschaulichungsmittel für den Zahlraum 10 — 100
ist der Tillichsche Rechenkasten besonders zu empfehlen. Doch
lässt sich nicht leugnen, dass man auch mit Hilfe der Russischen
Rechenmaschine zum Ziele gelangen kann.
4. Dem Sachrechnen dienen auch die grundlegenden Auf-
gaben oder die praktischen Ziele.
Sind die praktischen Ziele notwendig? Es muss zugegeben werden,
„dass es allerdings einem methodisch und technisch gebildeten Lehrer, zumal
wenn derselbe mit einer natürlichen Lebendigkeit auch ein kinderfreund-
liches Wesen verbindet, nicht sonderlich schwer fällt, die Schüler auch
für . . . formalistische Zahlübungen zu gewinnen. Das leichte Spiel der
Kräfte, welches durch den Unterricht angeregt werden kann, die Lust
des Könnens und der Reiz des wetteifernden Tuns zieht die Kleinen un-
willkürlich an; sie geben sich gern diesen Beschäftigungen hin und eignen
sich wohl auch eine recht tüchtige Fertigkeit im Bilden und Behandeln
der Zahlen an."*) Wie stark auch formale Probleme anregen, dafür zeugt
folgende Mitteilung. Den Zöglingen des Erziehungsinstituts de TAsp^es
(in Wiesbaden) wurde 1817 kurz vor Beginn einer 14tägigen Ferienzeit
die Aufgabe gestellt, einen Kreis zu finden, der drei Kreise von be-
stimmter Lage und Grösse berühre. „Alle fangen an, zu suchen, gross
und klein, Schüler und Lehrer, keiner findet die Auflösung. So ver-
schwindet der erste Tag, am andern geht es wieder frisch daran. Ver-
gebens! De l'Asp6e sucht seine Leute von neuem zu begeistern; aber
keinem gelingt die Lösung . . . Am 14. Tage hielt er eine begeisternde
Abendandacht, er gedenkt auch der nicht gelösten Aufgabe . . . Was
geschieht? Morgens gegen 3 Uhr kommt ein Zögling unangekleidet an
de l'Asp6es Bett gerannt, ,er habe es gefunden.' De l'Asp^e springt
auf, schlägt Licht, der Knabe entwickelt. Richtig! Auf der Stelle wird
das ganze Haus zusammengetrommelt und der Triumph bekannt ge-
macht ...**)
Also auch Formales kann so bearbeitet werden, dass der Schüler
zu eifriger Mitarbeit angeregt wird. Wieviel mehr aber wird der
Schüler erst angeregt, wenn es der Lehrer versteht, die Unterrichtsarbeit
durch praktische Ziele einzuleiten und zu beleben!
Solche Dienste vermögen allerdings nur gute praktische Ziele zn
leisten, Ziele, die wirklich eine ganze Einheit umspannen, Ziele, die auch
Veranlassung geben, die eine oder andere fachwissenschaftliche Einsicht
zu gewinnen.
Ob sich solche Ziele für alle Einheiten finden lassen? Bis jetzt
scheint man darin, soweit es die unteren Schuljahre betrifft, nicht sehr
glücklich gewesen zn sein.
*) A. Pickel in der vorigen Auflage dieses Schuljahres, S. 88.
**) H. Morf, Zur Biographie Pestalozzis. Ein Beitrag zur Geschichte
der VolkserziehuDg. Wiuterthur, Ziegler. IV S. 312 und 81S. 1889.
188 I^AS zweite Schaljahr
Teapser empfiehlt die folgenden praktischen Ziele:*) Wir wollen
die Leute, die zur Famile Crnsoe gehörten, und die Kinder unserer Klasse
znsammenzäblen. Wieviel Jahre ist Robinson bei seiner Flacht älter
als ihr? Wieviel Standen dauert der Sturm, den Robinson auf seiner
Seereise nach London erlebt? Wir wollen berechnen, wieviel von
unserer Schalstube noch über Wasser gestanden wäre, wenn in ihr das
Wasser ebenso hoch gestanden wäre, wie im Schiff Robinsons. Wir
wollen einen Sterling mit unseren Geldstücken abzählen lernen. Wir
wollen die Zeit der ersten und letzten Seereise Robinsons nach Wochen
berechnen. Ob wir in unserm Schulgarten eine Länge von hundert
Schritten oder von ein paar hundert Schritten abschreiten können, wie
es Robinson tun musste, wenn er zum Wrack wollte? Wie kann man
ein Dutzend Messer am besten abzählen und gleichmässig verteilen?
Wir wollen auch einen Kalender anlegen, wie es Robinson tat. Wir
wollen ausrechnen, ob unser Schulgarten grösser oder kleiner ist als
Robinsons Bauplatz. Wir wollen uns mit dem Meter messen lernen.
Wir wollen berechnen, wieviel Stunden Robinson täglich und wöchentlich
gearbeitet hat. Wir wollen lernen, wie sich ein Schock am besten ab-
zählen lässt. Wie Robinson die Aussaat des zweiten Jahres am besten
berechnen kann. Wir wollen lernen, welche von den beiden Ernten
Robinsons im dritten Jahre am besten war. Wieviel kosten die
Nahrungsmittel Robinsons bei uns ? Wir wollen berechnen, wieviel deine
Kleider wert sind, die du frühmorgens anziehst. Wir wollen berechnen,
auf wieviel Ställe Robinson seine Herde gleichmässig hätte verteilen
können. Wie kann Robinson erfahren, dass das von ihm gefundene
Pulver 60 Pfand beträgt?
Pickel empfiehlt**) folgende: Wir wollen ausrechnen, wieviel Stunden
es von hier bis Bremen sind, wo Robinsons Eltern wohnten. (Zahlgebiet :
10 — 100; Operationen: Zuzählen und Abzählen in der Reihe der reinen
Zehnerzahlen.) Wir wollen ausrechnen, wieviel Wegstunden ein Wanderer
in 4, 5, 8, 10 Tagen zurücklegt, wenn er jeden Tag 10 Stunden weit
geht. (Zahlgebiet: 10 — 100; Operationen: Vervielfachen, Messen and
Teilen innerhalb der Zehnerreihe.) Wir wollen mit dem Alter Robinsons
und mit eurem eigenen rechnen. (Zahlgebiet : 1 — 20 ; Operationen : z. B.
10 -f 5, 5 + 10, 16 — 6, 11 — 10.) Wir wollen Robinsons Seesturm
berechnen. (Zahlgebiet: 1 — 30; Operationen: z. B. 10 -f- 15, 25 — 15.)
Im Anschluss an Robinsons Hausbau : Wir wollen abschreiten und zählen,
wieviel Schritte lang und breit unser Schulhaus ist, und sodann mit
den Schrittzahlen rechnen. (Zahlgebiet: 1 — 40; Operationen: z. B.
16 + 3, 24 + 15, 38 — 4, 36 — 13.) Wir wollen berechnen, wie
lange Robinsons Seereise bis zum Untergange des Schiffes gedauert hat
(Zahlgebiet: 1—50; Operationen: z. B. 40 + 7, 50 — 7.) Im An-
schluss an den Jahrestag Robinsons auf der Insel, an die Geburtstage
der Kinder und an den Anfang des neuen Schuljahres zu Ostern: Wir
*) VergL: Jahrbuch d. V. f. wisseusch. Päd. 1889 und 1891. XXI,
S. 27—75 und XXIII, S. 54-^77.
*^) In der vorigen Auflage dieses Schuljahres.
Rechnen 189
wollen die Wochen zähleOi die zu einem Jahr gehören and mit den
Wochenzahlen wieder weiterrechnen. (Zahlgehiet 1 — 60; Operationen:!
z. B. 8 + 7» 48 + 7, 55 — 7.) Wir wollen ausrechnen, wieviel!
Wochen ihr schon in die Schule gegangen seid. (Zahlgebiet: 1 — 80;
Operationen : z. B. 45 + 27, 73 — 25.) Rechnen mit Pfennigen , diel
zu einer Mark -gehören. (Zahlgebiet: 1 — 100; Operationen: Wieder-\
holung aller Rechenfälle im Gebiet der Gesamtreihe.) Wir wollen aus-
rechnen, wieviel Finger die 5 Kinder auf der ersten Bank haben. (Fünfer-
reihe. Vervielfachen, Messen und Teilen) Wir wollen berechnen, wie-
viel der Landmann, mit dem wir jüngst bei unserem Gang über den
Wochenmarkt sprachen, für seine Kartoffeln gelöst haben wird. (Zweier-
reihe.) Wieviel Geld müssen wir dem Bäcker jungen geben, wenn jeder
von euch (es sind 12 Schüler) zum Frühstück ein Brötchen für 4 Pfennige
erhalten soll. (Viererreihe.) Berechne, wieviel 10 Taler Mark sind!
(Dreierreihe.) Wieviel Pfund werden in einer Familie in 8 Tagen, in
10, in 14 Tagen verzehrt, wenn täglich ein Brot (von 6 Pfund) ver-
zehrt wird? (Sechserreihe.) Wir wollen berechnen 7 wieviel Tage
Schulferien wir in einem Jahre haben. (Siebenerreihe.) Im Anschluss
an Robinsons Tagebuch, an unser Schuitagebuch und an die Schreibbücher
der Kinder: Wir wollen ausrechnen, wieviel Blätter und wieviel Seiten
ein Schreibebuch von 3, 4, 5 .... 10 Bogen hat. (Achterreihe.) Aus-
rechnen, wieviel Getreide ein Landwirt ernten werde, wenn er 10
Scheffel ausgesät hatte. (Neunerreihe)
Ein Teil dieser Ziele dürfte dem Schüler kaum Veranlassung geben,
die eine oder andere scharf umgrenzte Gruppe von Zahloperationen
durchzuführen ; wohl aber dürfte gar manches leicht zu recht zeitraubenden
und obendrein nicht genug fördernden Auseinandersetzungen verleiten.
Ob sich die praktischen Ziele an das eine oder andere Unterrichts-
fach anlehnen, ist nicht von Belang. „Was ... an Individualität und
Heimat sich anschliesst, was dem Zögling von den praktischen Lebens-
verhältnissen zugänglich ist, liegt der Konzentration des Unterrichts
immer nahe."*) (Ziller).
Ist das praktische Ziel gestellt, so empfiehlt es sich, möglichst als-
bald, das entsprechende fachwissenschaftliche abzuleiten. Nur so wird
es unter allen Umständen möglich, die mathematischen Operationen,
nötigenfalls unter Verwendung von Veranschaulichungsmitteln, mit der
erforderlichen Schärfe und Kürze durchzuführen. Aus dem praktischen
Ziele alsbald das fachwissenschaftliche abzuleiten, das ist freilich nur
dann möglich, wenn die Zahloperationen, um die es sich in der Finheit
handelt, wenigstens der Art nach bekannt sind.
5. Zur I. Stufe: Die Vorbereitung hat sich auf die mathematische
und nötigenfalls auch auf die sachliche Seite des Stoffes zu erstrecken.
Die Vorbereitung des Mathematischen stellt all die Einsichten bereit, die
als Elemente in das Neue eingehen oder die Erarbeitung des Neuen in
irgend einer anderen Weise beeinflussen.
*) Vergl. Jahrbuch d. V. f. wissensch. Päd., herausgeg. von T. Ziller.
1881. XIII, 8. 122.
190 Das zweite Schuljahr
6. Zur IL, III. und IV. Stufe: Im ersten Schuljahre ist es not-
wendig, dass die Schüler die Ergebnisse der Aufgaben gewinnen und
dann dauernd merken. Im zweiten Schuljahre begnägt man sich damit,
die Ergebnisse der Additions- und Subtraktionsaufgaben möglichst rasch
gewinnen zu lernen. Um das Gewinnen zu erleichtem, sind die Be-
griffe ^Zehner*' (Z) und „ Einer ^ (E) ausgiebig zu verwerten.
Beispiele :
45 4-3 = 4Z4-5E + 3E
= 4 Z + 8E
= 48.
45 4-8 = 4Z4-5E-f-8E
= 4Z + 5E-f-5E + 3E
= 4Z-flZ + 3E
= 5 Z + 3 E
= 53.
58 — 20 = 5Z + 8E — 2Z
= 5Z — 2Z + 8E
= 3Z4-8 E
= 88.
58 — 3 = 5Z + 8E — 3E
= 5 Z + 5 E
= 55.
Es empfieblt sich, die Zahloperationen möglichst in Gleichungen
darzustellen. Um Bektionsschwierigkeiten zu vermeiden, ist das Zeichen
= stets mit „gleich" (nicht mit „ist gleich" oder „sind gleich") wieder-
zugeben.
Im zweiten Schuljahre sind zu verwenden folgende Zahlgrössen:
Stück, Dutzend, Mandel und Schock; folgende Zeitgrössen: Tag, Woche,
Monat, Jahr, Stunde und Minute; folgende Längenmasse: Meter und
Zentimeter; folgendes Gewicht: Kilogramm, sowie unsere Münzen.
Das begriffliche Material zu gewinnen, ist ein Leichtes. Im Rechen-
unterricht handelt es sich um Beziehungen. (Wer von Zahlvorstellungen
redet, braucht das Wort Vorstellung so, dass es dem Wesen nach voll-
ständig verschiedene psychiscbe Zustände bezeichnet.) Beziehungen sind
nur insofern individuell, als sie mit verschiedenen Objekten oder Vor-
gängen verknüpft sind. Dieses Individuelle abzustreifen, ist meist nioht
schwer. Verbinde ich mit irgend einer Beziehung das Bewusstsein, dass
und inwiefern sie repräsentativen Wert hat (dass und inwiefern sie eine
Gruppe von Beziehungen vertreten kann), so gewinne ich einen hegriff-
lichen Inhalt (einen Begriff, eine Eegel, eine Einsicht, ein Schema, einen
Gedankengang). Um im zweiten Schuljahr die Gewinnung der mathe-
matischen Einsichten zu erleichtern, ist von den begrifflichen Inhalten
^Zehner", „Einer", „den angefangenen Zehner vollmachen", „den letztea
Zehner überschreiten" u. a. ausgiebig Gebrauch zu machen.
Rechnen 191
Der Schäler muss fähig werden, jede Aufgabengrnppe za kenn-
zeichnen. Beispiele : 40 4~ ^^i ^^ "f* ^0 ; also : Zehner mehr Zehner.
40 + 3, 70 -f 5 ; also : Zehner mehr Einer. 63 -f- 7i 62 -f- 8 ; also :
Zehner mehr Einer, die Einer sind so gewählt, dass der angefangene
Zehner „voll" wird.
7. Zur V. Stnfe: Das begriffliche Material ist anzuwenden. So-
bald eine Rechenregel auch nur anf neue Beispiele bezogen wird, liegt
ohne Zweifel eine Anwendung vor. Das neue Beispiel kann dadurch
entstehen, dass man andere Einheiten wählt (erst Wurf eichen u. s. f.,
dann Tage, Stunden u. s. f.), oder dass man begrenzte Änderungen an
den Zahlen selbst vornimmt (erst 46 + 4, 45 + 5 u. s. f., dann 83 -j- 7,
92 -f- 8 ^' 3* ^0 Üblich aber ist es allerdings, von einer angewandten
Aufgabe erst dann zu reden, wenn aus der Aufgabe nicht ohne weiteres
zu ersehen ist, welche Zahloperation zur Lösung führt. Mit Recht
strebt man in neuerer Zeit danach, auf einer und derselben fünften Stnfe
die Aufgaben möglichst um ein Sachgebiet oder wenigstens um einige
Sachgebiete zu gruppieren. (Man vergleiche u. a. die Aufgabensamm-
lungen von Heiland und Muthesius, sowie von Hartmann und Ruhsam.)
So gewinnt man vor allem Zeit für die eigentliche Arbeit im Rechnen.
4. Drei Unterrichtsbeispiele
1. Zur 15. Einheit
Zj El + Zg E2, wobei Z^ -f- Zg < 9 Z und E^ -f- Eg > 10.
I. Ziel:
1. Praktisches Ziel (grundlegende Aufgabe): In N.
wurden die Apfel- und Birnbäume gezählt. A hat in seinem Garten:
16 Apfelbäume und 25 Birnbäume; B in seinem Garten: 27 Apfelbäume
und 36 Birnbäume. (An der Wandtafel stehen die Ziffern 16 und 25,
sowie 27 und 36). Wie viel Obstbäume hat jeder zusammen? Solche
Aufgaben wollen wir rechnen lernen.
2. Fachwissenschaftliches Ziel:
a) Es sind immer zwei Zahlen zusammenzuzählen. Welche im ersten
Falle? Welche im zweiten? 16 + 25; 27 + 36.
b) Sind das wirklich neue Aufgaben?
Wir wollen sie so abändern, dass wir sie rechnen könnten. Erste
Abänderung: 16 -|- 20; 27 + 30: Zehner und Einer mehr Zehner.
Zweite Abänderung: 16 + 5; 27 + 6: Zehner und Einer mehr Einer,
die Einer geben zusammen mehr als einen Zehner. (Damit ist der Blick
für die Eigenart der neuen Aufgaben geschärft.) Nun blicken wir
wieder auf unsere Aufgabe: Zehner und Einer mehr Zehner und Einer,
die Einer geben zusammen mehr als einen Zehner. Nennt noch solche
Aufgaben: 16 + 26, 28 + 37 usw. (Damit derartige Überlegungen in
wenigen Minuten zum Ziele ftthren, müssen die Schüler von vornherein
angehalten werden, jede auftretende Aufgabenpruppe so genau wie mög-
lich zu kennzeichnen. Der Schüler muss eben bewosst vorgehen! Wer
seinen Schülern derartige Überlegungen nicht zutraut, muss etwa so vor-
192 ^&8 zweite Schuljahr
gehen: Zunächst wird Abschnitt a erledigt; dann heisst es einfach: solche
Aufgaben müssen wir also rechnen lernen.)
IL Erste Stufe:
1. Wie mussten wir unsere Aufgaben abändern, damit wir sie
rechnen konnten?
a) 16 + 20; 27 + 30: Zehner und Einer mehr Zehner. Wir
wollen sehen, ob wir solche Aufgaben noch rechnen können.
Erste Gruppe von Übungen:
16 + 20 = 10 + 6 + 20
= 10 + 20 + 6
= 30 + 6
= 36 usw.
Zweite Gruppe: Zerlegungen.
46 = 40 + 6 usw.
Dritte Gruppe:
40 + 20 = 60 usw.
Vierte Gruppe:
16 + 20 = 30 ■+- 6
= 36 usw. Dann kürzer:
16 + 20 = 36 usw.
b) 16 + 5; 27 + 6: Zehner und Einer mehr Einer, die Einer
geben zusammen mehr als einen Zehner. Wir wollen sehen, ob wir auch
diese Aufgaben noch rechnen können.
Ei*ste Gruppe von Übungen:
16 + 5 = 16 + 4+1
= 20 + 1
= 21 usw.
Zweite Gruppe:
5 =: 4 + 1 usw.
Dritte Gruppe:
26 + 4 = 30 usw.
Vierte Gruppe:
30 + 6 = 36 usw.
(Alle diese Übungen können in sehr kurzer Zeit erledigt werden.
Der Lehrer überzeugt sich nur durch einige Fragen davon, dass die
Schüler die Operationen beherrschen.)
IIL Zweite Stufe.
Sehen wir zu, ob wir jetzt unsere neuen Aufgaben lösen können«.
Rechnen 193
1. Denkt daran, dass wir in früheren Fällen Zahlen zerlegt haben!
16 -f 25 = 16 -f- 20 -f- 5. Nehmt die Rechensäolen zu Hilfe!
Wir haben also unsere Aufgabe so abgeändert, dass drei Zahlen zusammen-
zuzählen sind.
2. 16 + 20 + 5 = 36 + 5. Die beiden ersten Zahlen werden
addiert. Es sind nur noch zwei Zahlen zusammenzuzählen.
3. 36 -f~ ^ = ^^' ^^6 beiden übrigbleibenden Zahlen werden zu-
sammengezählt.
4. So wird auch die zweite Aufgabe gelöst Bei der Lösung
werden die einzelnen Schritte scharf markiert.
IV. Dritte und vierte Stufe.
1. Bei jeder Lösung haben wir drei Schritte getan.
Erster Schritt: Die zweite Zahl wird in eine Zehner- und Einerzahl
zerlegt. Dadurch wird die Aufgabe so abgeändert, dass drei Zahlen zu-
sammenzuzählen sind.
Zweiter Schritt : Die beiden ersten Zahlen werden zusammengezählt.
Nun sind wieder zwei Zahlen vorhanden.
Dritter Schritt : Die beiden übrigbleibenden Zahlen werden zusammen-
gezählt
2. Wir wollen sehen, ob wir diese drei Schritte auch bei der Lösung
ähnlicher Aufgaben tun müssen. Ergebnis!
3. Die Übung wird fortgesetzt, bis dem Schüler die Operationen
geläufig sind. Dabei werden auch Aufgaben mit benannten Zahlen be-
rücksichtigt
V. Fünfte Stufe.
1. Wieviel Bäume hat A in seinem Garten? Die Aufgabe 16
Bäume -|- 25 Bäume ist zu lösen. 16 + 25 = 41. A hat also 41
Bäume in seinem Garten.
2. Eine Gemeinde hat auf einem Obstrasen 37 Obstbäume, auf dem
andern 56. Wieviel Obstbäume hat sie auf beiden?
3. Ein Bauer erntet auf einem Kartoffelacker 48 Sack, auf einem
zweiten 39. Wieviel Sack erntet er auf beiden? usw.
2. Zur 18. Einheit
Fünferreihe (Multiplikation).
L Ziel.
Ihr schreibt manchmal eine Postkarte an den Onkel oder an die
Tante oder an die Grossmutter. Die Postkarten kaufen wir auf der Post
Wieviel Geld müssen wir mitnehmen, um 2 oder 3 oder 4
10 Karten auf einmal einzukaufen ? Solche und ähnliche Aufgaben wollen
wir jetzt rechnen.
n. Erste und zweite Stufe.
1. Was eine Postkarte kostet, steht auf der Postkarte selbst Hier
sind Postkarten; seht selbst nach! 5 Pfennige oder einen Fünfer.
Dm zweite SchuJJahr. 13
194 ^fts zweite Scholjalir
2. A soll der Postmann sein, der die Postkarten yerkanft, B soll
die Karten kaufen. A leg:t die erste Karte hin, 6 den ersten Fünfer
daneben. A legt die zweite Karte hin, B den zweiten Fünfer daneben usw.
Knrz: So viel Karten — so viel Fünfer. Verlangt B 2 Karten,
«0 muss er zwei Fünfer bezahlen, verlangt er 3 Karten, so muss er
8 Fünfer bezahlen.
3. Wieviel Pfennige muss er in jedem Falle bezahlen?
2 Fünfer = 6 Pfennige + 5 Pfennige = 10 Pfennige.
3 Fünfer = 5 Pfennige + 5 Pfennige + 5 Pfennige = 15 Pfennige.
= 10 Pfennige -j- 5 Pfennige =16 Pfennige.
Ergebnisse: 2 Fünfer == 10 Pfennige
3 . = 16 «
4 „ = 20 f, usw.
Die Ergebnisse sind einzuprägen.
4. Demnach kosten
2 Postkarten 2 Fünfer oder 10 Pfennige
o „ o „ „ 10 „
4 „ 4 „ „ 20 „ usw.
5. a) B muss jede Karte einzeln bezahlen. Er muss nicht bloss
einmal bezahlen (mit der Hand Geld hinlegen), sondern er muss vielmal
bezahlen. B soll dass Bezahlen hier auf dem Tische noch einmal aus-
führen, und wir wollen zählen, wieviel mal er bezahlt, die Hand bewegt,
um Geld hinzulegen). (B wird veranlasst, jede einzelne Bewegung deutlich
auszuführen). Ergebnisse: jetzt dreimal, nun fünfmal usw. (Die Begriffe
„zweimal, dreimal . . .'^ werden ohne weiteres erfasst, sobald man sie
auf wirkliche Vorgänge bezieht.)
b) Jetzt hat B zweimal bezahlt = der Fünfer liegt zweimal da.
Jetzt hat B dreimal bezahlt = der Fünfer liegt dreimal da usw.
c) Der Fünfer liegt zweimal da; dafür wollen wir kurz sagen:
1 Fünfer zweimal (geschrieben: 5 X 2). Der Fünfer liegt dreimal da;
dafür wollen wir kurz sagen : 1 Fünfer dreimal. (Geschrieben : 5 X 3.) Usw.
6. 2 Fünfer = 10; 5 X 2 = 10
3 Fünfer = 15; 5 X 3 = 15 usw.
7. Die Sätze 5 X 2 = 10, 5 X 3 = 16 ... sind einzuprägen,
8. Umkehrung:
Zu 10 gehören 2 Fünfer
I» 16 f> 3 „
„ 20 „ 4 „ usw.
9. Eine ähnliche Aufgabe wird gelöst: auf einer Schulbank sitzen
5 Schüler; wieviel auf 2, 3 . . . Bänken?
a) Auf 2 Bänken: 6 Schüler zweimal,
„3 ff : 6 ff dreimal usw.
b) 5 Schüler X 2 = 10 Schüler,
5 „ X 3 = 16 „ usw.
c) Zu 10 Schülern gehören die 6 Schüler zweimal,
„15„ „ „5„ dreimal usw.
Beolmen 195
III. Dritte und vierte Stufe.
Ob wir mit anseren Geldstücken oder mit Schülern usw. rechnen,
immer gilt:
5 X 2 = 10
5 X 3 == 15 usw.
Zu 10 gehören 2 Fünfen,
Zu 15 ^ 3 „ usw.
IV. Fünfte Stufe.
1. Ein Federhalter kostet 5 Pfennige. Was kosten 2, 3 ... 10
Federhalter ?
2. Ein Bleistift kostet 5 Pfennige. Was kosten 2, 3 ... 10
Bleistifte?
3. A bekommt von seinem Paten zu Weilmachten jeden Jahres
5 M geschenkt. Wieviel M in 2, 3 . . . Jahren?
3. Zur 1. Einheit
(Bearbeitet von A. Pickel)
Zahlgebiet: 10 — 100 in reinen Zehnern.
Zahloperationen: Zuzählen und Abzählen in der Reihe der
reinen Zehner zahlen.
Sachgebiet: Wegstunden (Meilen)'*^.
I. Grundlegende Aufgabe: Wir wollen ausrechnen, wieviel
Stunden es von hier bis Bremen sind, wo Robinsons Eltern wohnten.
IL Erste Stufe:
a) Wieweit es nach einigen andern Orten ist, wissen wir. Wir
waren ja schon selbst auf der Wartburg, in Fischbach, in Stedtfeld, in
Hörschel, wo die Hörsei in die Werra fliesst, auf der Höhensonne, in
Wilhelmstal usw. und haben uns gemerkt, wieweit es bis zu diesen
Orten war. Wer will es sagen? Von Eisenach auf die Wartburg Ys
Stunde, nach Fischbach auch ^1^ Stunde, nach Stedtfeld 1 Stunde, nach
Hörschel, nach der Höhensonne 1 ^2 Stunde, nach Wilhelmstal 2 Stunden.
Wer weiss noch einen Ort, welcher Y, Stunde, 1 Stunde, 2 Stunden
von Eisenach entfernt liegt? Kennt ihr aber auch schon einen Ort,
welcher 3 Stunden von uns entfernt ist? In welchen anderen Orten
seid ihr schon gewesen, und wie weit ist es bis dorthin? Wieviel
Stunden werden es aber bis nach Bremen sein? Das sollt ihr nun
lernen.
b) Mit den kleinern Zahlen von 1 — 10 habt ihr schon viel ge-
rechnet. Zählt 10 Standen an der Maschine ab! Zählt dieselben auch
rückwärts von 10 — 1 !
*) Da unsem Kindern die Wegstunde als Entfernungsmass bekannter
ist als die Meüe, so legen wir der Einheit die erstere zugrunde.
13*
196 ^&s zweite Schuljahr
Rechnet (im Zahlraum bis 10) : 1 + 2 = 3, 3 + 2 = 5 usw.
2 + 2=4 10 — 2 = 8
4 + 2= 6 8 — 2 = 6
6 + 2=8 6 — 2 = 4
8 + 2 = 10 4 — 2 = 2
Ebenso die Additions- nnd Snbtraktionsreihen mit 3, 4, 5.
III. Zweite Stufe:
Nnn zählen wir an der Kechenmaschine die Stunden ab, die wir zu
dem Wege von hier bis nach Bremen brauchen.
a) Die Kinder zählen an der Maschine 10 Stunden ab.
Dann heisst's: ,,Das sind 10 Stunden.^
Hierauf werden wieder 10 Stunden abgezählt.
„Das sind wieder 10 Stunden."
„10 Stunden und 10 Stunden = 20 Stunden."
Wir müssen aber noch viel weiter zählen.
„Das sind wieder 10 Stunden."
„20 Stunden und 10 Stunden = 30 Stunden."
So wird fortgefahren bis zu dem Satze:
90 Stunden und 10 Stunden sind 100 Stunden. So viel Stunden
sind es bis Bremen.
b) Zählt die Stunden an der Rechenmaschine nochmals so ab, wie
wir es eben getan haben.
c) Durchlaufen der Reihe an der Rechenmaschine vorwärts und
rückwärts in dieser Form:
10 St. mehr 10 St. = 20 St.
20 „ „ 10 „ = 30 „
30 „ „ 10 „ = 40 „
40 „ „ 10 „ = 50 „ . . .
90 „ „ 10 „ = 100 „
100 St. weniger 10 St. = 90 St.
90 „ „ 10 „ = 80 „
80 „ „ 10 „ = 70 „
70 „ „ 10 „ = 60
20 , „ 10 „ = 10
f>
d) Dann kurzes Durchlaufen der Reihe vorwärts und rückwärts im
Anschluss an die Maschine mit und ohne Benennung der Zahlen in
folgender Weise: 10, 20, 30, 40 bis 100; 100, 90, 80, 70 bis 10.
e) Durchlaufen der Reihe an der Rechenmaschine vor- und rückwärts
mit dem Ordnungszahlwort:
Das sind die ersten 10 St. Das sind die zehnten 10 St.
Das sind die zweiten 10 St. Das sind die neunten 10 St.
Das sind die dritten 10 St. ... Das sind die achten 10 St. . . .
Das sind die zehnten 10 St. Das sind die ersten 10 St.
Bechnen 197
f) Schreiben der Zehnerreihe von 10 — 100 vorwärts and rfickwirts
senkrecht ontereinander, sowie Einfibnng der Schreibung dorch Zahldiktate:
10 100
20 90
30 80
40 70
50 60
60 50
bis bis
100 10
lY. Dritte Stufe: Mit den Zehnerzahlen wollen wir noch weiter
reebnen, a) Mündliches Durchlaufen der Reihe in Intervallen von 20,
30, 40 vorwärts, rückwärts, bald mit benannten, bald mit unbenannten
Zahlen.
20 + 20 = 40 100 — 20 = 80
40 + 20 = 60 80 — 20 = 60
60 + 20 = 80 60 — 20 = 40
80 + 20 = 100 40 — 20 = 20
kurz: 20, 40, 60, 80, 100 kurz: 100. 80, 60, 40, 20
10 + 20 = 30 90 — 20 = 70
30 + 20 = 50 70 — 20 = 50
50 + 20 = 70 50 — 20 = 30
70 + 20 = 90 30 — 20 = 10
kurz : 10, 30, 50, 70, 90 kurz : 90, 70, 50, 30, 10.
In gleicher Weise werden auch die übrigen Reihen gebildet.
b) Dieselben Übungen nach jeder Gruppe auch schriftlich.
c) Übungen ausser der Reihe mit Rückbeziehung auf Früheres, in
abstrakten und konkreten Zahlen:
1+2=3 10— 2=8
10 + 20 = 30 100 — 20 = 80
2+3=5 7—4=3
20 + 30 = 50 70 — 40 = 30
4+3=7 8—5=3
40 + 30 = 70 80 — 50 = 30
V. Vierte Stufe: Aus dem Vorhergehenden haben die Schüler
gelernt, dass die Zehner in der Zehnerreihe gerade so fortschreiten wie
die Einer, und dass man die Zehner gerade so zusammenzählen und von-
einander abziehen kann wie die Einer. Auch haben sie die Zehner*
zahlen schreiben gelernt.
Sie sprechen sich nun a) darüber aus und tragen b) die Reihe der
reinen Zehner in ihr Heft ein.
VI. Fünfte Stufe:
a) Wiederholen der Zuzähl- und Abzählreihen ohne Anschauung mit
benannten und unbenannten Zahlen.
198
Das Bweite Schuljahr
b) Übungen ausser der Reihe, z. B.
50 + 30 =
70 -1- 10 =
100 10 =
70 40 =
80 30 =
20 H
1-60 =
30 + 20 —
60 H
-40 =
50 — 20 =
90 50 =
50 + 40 =
70 — 40 — B8W.
10 St. H
h 20 St. n
- 30 St
B-
90 St — 30 St —
20 St
30 St. -
- 40 St -
- 20 St
:=
100 St — 40 St —
30 St.
50St-
- 30 St -
-20 St.
=
80 St. — 10 St —
■50 St
osw.
osw.
30 -1- 40 -
-50H
h 10 — 20 =
70 30
-20H
- 60 + 10 =
60 + 40 -
-50-
- 30 + 40 =
usw.
c) Zahl als Summe und Zahl als Best:
40 = 10 -1- 30
40 = 20 -I- 20
50 = 10 + 40
50 = 20 4- 30
60 = 10 -f 50
60 = 20 + 40
60 = 30 -H 30
nsw.
60 =
70 =
50 =
80 =
40 = 60
40 = 50
50 = 80
50 = 90
30 = 70
30 = 90
60 = 100
nsw.
20 + 20 -1- ?
10 + 30 4- ?
30 + 10 + ?
40 + 10 4- ?
osw.
20
10
30
40
40
60
40
Jede Gruppe dieser Übnngen auch schriftlich.
d) Angewandte Aufgaben:
Ein Uann reist erst 30 Stunden weit, hernach noch 20 Standen;
wieviel Stunden weit ist er gereist?
Jemand hat 70 Stunden weit zu reisen; er hat schon 40 Stunden
zurückgelegt; wieviel Stunden Wegs mnss er nun noch zurScklegen?
Wer erst 20, dann 30 und zuletzt noch 40 Stunden weit gereist
ist, wie weit ist der von seiner Heimat weg?
Nach Kassel, wo N — s Bruder Soldat ist, sind's von uns ans 30 Stunden,
nach Frankfurt a. M., wo U — s Onkel wohnt, sind's 50 Standen, and
Rechnen 199
nach Bremen y wo Bobineona Eltern wohnten, 100 Stunden. Wieviel
Stunden sind'8 nach Frankfurt weiter als nach Kaaeel? Wie Yiel Stonden
gind's Yon hier nach Bremen mehr als von hier nach Frankfurt? als
nach Eaaeel?
Ein Mann will von Eiaenach nach Eaaeel reisen. Er ist schon
20 Stonden weit gereist; wieviel Stunden Wegs hat er nun noch nurüok-
znlegen?
-^
*
Druck von Gott fr. Päts in Naumburg a. S,