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Full text of "Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach herbartischen Grundsätzen"

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Das zweite 




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Theorie und Praxis 



des 



Yolkssclmliiiiterriclits 



nach Herbartischen Grundsätzen 



Bearbeitet 



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von 



Dr. W. Bein 









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A. Pickel t "»d £• Scheller 

Seminarlehrer in Eisenach Seminarlehrer in Eisenacb 



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Das zweite Schuljahr 



Leipzig 

Verlag von Heinrich Bredt 

1907 



Das zweite Schuljahr 



Ein theoretisch - praktischer Lehrgang 

für Lehrer und Lehrerinnen 



sowie zum Gebrauch in Seminaren 



Bearbeit 



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M mm THE 'PROPERTY Of 

'"" , THE LIBRARY 

Dr. w. ÄeittUriiVERSlTY'ÖF IWaWH- 



Professor an der Universität Jena 

A. Pickel t and E. Scheller 

Seminarlehrer in Eisenach Seminarlehrer in Eisenach 



Fünfte Auflage 



Leipzig 

Verlag von Heinrich Bredt 

1907 



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Vorwort 



Die y^acht Schuljahre** bieten eine spezielle Methodik des Volksschnl- 
nnterrichts dar. Zuerst entstanden in den Jahren 1878 — 85 am Seminar 
zu Eisenach, geprüft an der Praxis der Übungsschale dort und in Jena, 
fassend auf den pädagogischen Grandsätzen Kerbarts und Zillers, 
ziehen sie aach das in ihr Bereich, was seit Oomenias, Pestalozzi 
und den neueren Didaktiketn wertvolles fdr die Theorie des Unterrichts 
erarbeitet worden ist. 

Ihr Hauptziel war und. ist, den Unterricht zu einem wahrhaft er- 
ziehenden zu gestalten. Dieses 2<iel 9uphen sie dadurch zu erreichen, 
dass sie 

1. den Unterricht nach der Idee des kulturgeschichtlichen 
Fortschritts in unserer nationalen Eutwickelung aufbaaen; 

2. dass sie die einzelnen Lehr^cher nach der Idee^ der Konzen- 
tration zu einem einheitlichen Organismus verbinden; und 

3. dass sie die Unterrichtsstoffe nach der Idee eines psychologischen 
Lehrverfahrens, wie es in der Theorie der formalen Stufen 
niedergelegt ist, zum geistigen und gemütvollen Besitz der Jugend 
zu machen suchen. 

Alle drei Ideen hängen aufs engste miteinander zasammen: sie bilden 
ein geschlossenes Ganzes. Die Gesamtwirkung eines solchen Ganzen streben 
die „Schuljahre** an. Sie sind der erste umfassende Versuch, den Lehr- 
plan unserer gegliederten Volksschulen nach grundlegenden Prinzipien zu 
gestalten. An vielen Punkten berühren sie sich hierbei mit der bisher 
geübten Praxis, an anderen wieder weichen sie von ihr nicht un- 
erheblich ab. Sie erscheinen demnach als eine Fortbildung der bis- 
herigen Methodik des Volksschulunterrichts unter steter Rücksichtnahme 
auf die empirischen Verhältnisse, aber ohne sich von diesen allein be- 
stimmen zu lassen. 

Denn sie versuchen ein Ideal des Volksschulunterrichts zu zeichnen, 
von dessen Verwirklichung eine Hebung des Unterrichts, und damit auch 
der Erziehung erhofft wird. Dass die in den ^Schuljahren'^ enthaltenen 
Vorschläge nicht jenseits der Möglichkeit ibrer Verwirklichung liegen, 
dass sie keine anausführbaren Forderungen enthalten, dafür bürgt der 
Hinweis auf ihre Ausführung in der Praxis der Eisen acher und Jenenser 
Übangsschnle and auf die daselbst geroachten Erfahrungen. 

Die Verfasser legen ihre Arbeit ihren Berufsgenossen, den deutschen 
Lehrern, vor. Sie wünschen, dass man ihre Vorschläge rücksicbtlich ihres 
Wertes, wie rücksichtlich ihrer Ausführbarkeit einer strengen Prüfung 



JJ 9^ 



VI Vorwort 

unterziehen, aber nicht ohne eine solche verwerfen möge. Der einzelne 
Lehrer aber, dem seine Schularbeit am Herzen liegt, dem neae Vorschläge 
für die Unterrichtsarbeit anf dem sicheren Grande eines einheitlichen Ge- 
dankengebändes nicht anwillkommen sind, möge selbst an der Hand der 
Praxis antersachen, wie weit die „ Schaljahre ^ seine Arbeit za fördern 
imstande sind. 

Immer aber wollen diese, wie sie aas dem Ganzen gearbeitet sind, 
aach als Ganzes bearteilt sein. Einzelne Vorschläge, einzelne Verknüpf- 
angen innerhalb der Lehrstoffe, einzelne Präparations-Entwürfe mögen 
dabei mangelhaft and der Verbesserang bedürftig erscheinen, aber all 
diese Mängel im einzelnen genügen noch lange nicht, die grandlegenden 
Ideen amzastürzen, welche aas den beiden Grand- V^issenschaften der 
Pädagogik, aas Ethik and Psychologie, heraasgeflossen sind. 

Allerdings verhehlen sich die Verfasser dabei nicht, dass eine voll- 
ständige Darchführang des Lehrplansystems, wie es in den Schaljahren 
vorgelegt worden ist, erst dann eintreten kann, wenn die daza nötigen 
Lehrmittel beschafft sein werden. Za ihnen gehört in erster 
Linie das Lesebach, das, entgegen der encyklopädischen Anordnang, 
dem Unterricht der einzelnen Schaljahre in konzentrierender Weise dienen 
soll. Es ist ein ganz wesentliches Hilfsmittel für die Verbindung der 
Lehrfächer and damit auch für die Herstellang eines einheitlichen, ge- 
schlossenen Gedankenkreises. Ja, man kann geradezu sagen, dass ohne 
ein Lesebuch, wie es die Schuljahre im Sinne haben, diese selbst in der 
Praxis nur zum Teil durchführbar sind. 

Deshalb haben sich die Verfasser auch bemüht, diesem Mangel ab- 
zuhelfen, diese Lücke auszufüllen. Bisher sind im engen Anschluss an 
die „Schuljahre^ bei Bredt in Leipzig erschienen: 

1. Lesebuch für das 2. Schuljahr. (Märchen und Robinson.) 

2. Lesebuch für das 3. Schuljahr. (Thüringer Sagen, Thüringer 
Land, Volk und Eind.) 

3. Nibelungen und Gudrun. Lesebuch für das 4. Schuljahr. 

4. Ausgewählte Gedichte für den Geschichtsunterricht. Weitere 
Bände sind in Vorbereitung. 

An der neuen Auflage des vorliegenden Bandes sind ausser den 
Herausgebern beteiligt : 

1. Herr H. Landmann, Institutslehrer in Wenigenjena, 

2. „ Seminardirektor Helm in Schwabach, 

3. y, Lehrer Löwe in Altenburg, 

4. „ Eektor Schubert in Altenburg, 

5. „ Rektor Blauert in Allstedt, S. W., 

6. y, Seminarlehrer Fack in Weimar. 

Jena und Eisenach, Juni 1907 

Die Yerfasser 



Inhalt 



Seite 

A. Historisch-humanistische Fächer (S. 1 — 137) 

I. Gesinnongsunterricht 1 — 43 

II. KuDstunterricht 44 — 83 

1. Zeichnen and Modellieren 44 

2. Singen 57 

3 Bildbetrachtong 71 

4. Tomen 76 

III. Sprachunterricht 84—137 

1. Deutsch (Lesen und Schreiben) 84 

2. Schönschreiben 102 

B. Naturkundliche Fächer (S. 138—199) 

L Naturkunde 138—179 

IL Bechnen 180—199 



„Es kann wohl ohne Übertreibung gesagt 
werden, dass dem Bobinson Crusoe die Jugend 
aller zivilisierten Völker mehr glückliche Stun- 
den verdankt, als irgend einem Buch, das je- 
mals geschrieben worden ist Dieses Glück 
genoss ich in vollen Zügen.** 

Carl Schurz 
(Lebenserinnerungen, Berlin 1906) 



A. Historisch-faumanistische Fächer 



I. Der Gesinnungsunterricht 

Literatur : Z i 1 1 e r , Jahrbuch des Vereins für wissensch. Pädagogik« 
VI, S. 105 f. D e r s. , Eine Skizze der pädagog. Beform-Bestrebangen usw. 
Zeitschrift für exakte Philos., IV. Bd., S. 14f Zilier-Bergner, )late- 
rialien zur spez. Pädagog. Dresden 1886. Willmann, P&dagog. Vorträge. 
2. Aufl. Leipzig 1886. Biedermann, Der Geschichtsunterricht in der 
Schule. Braunschweig 1869. Kirchmann, Geschichte der Arbeit und 
Kultur. 2. Aus^. Leipzig 1857. Graberg, Die Erziehung in Schule 
und Werkstätte im Zusammenhang mit der Geschichte der Arbeit. Zürich, 

0. Füssli. Zillig, Der Geschichtsunterricht in der elementaren Erziehunss* 
schule. Jahrbuch des Vereins für wissensch. Pädagogik, XIV. Bd., S. 108 f. 
Grabs, Bemerkungen zum 2. Schuljahr. Evang. Schulblatt, 1885 u. 1886. 
K r ü g e 1 , Bobinson. Weimar. Kirchen- u. Schulblatt, 1889, 2 und 3. Fuchs, 
Bobinson als Stoff eines erziehenden Unterrichts. Jena 1893. Land- 
mann, Über die unterrichtl. Verwendung der Bobinsonerz. im zweiten 
Schuljahre. V. Heft. Aus dem päd. Üniversitäts- Seminar zu Jena. Langen- 
salza 1894. D e r s. , Art. Bobinson in Beins Enzyklopädie, 2. Aufl. VI. Bd. 
Ch. Mac Murry, Special Method for history and litterature. Blopming- 

' ton, Jll. 1893. Just, Praxis der Erziehungsschule. 111,75, 121 f. Heydner, 
Beiträge zur Kenntnis des kindl. Seelenlebens. Leipzig 1894. Fr. Mc 
Murry, The educational value of Bobinson Crusoe. The Public School 
Journal, Blooraington, January 1895. Hiemesch,, Die Bobinsonerzählung 
usw. Leipzig, 1907. 

Altmüller, Übersetzung des Bobinson. Hildburghausen 1869. 
Kupp er s und Arndt, Bobinson. Eine Erzählung für Kinder von 8—10 
Jahren. Duisburg 1881. Beim er, Bobinson Krusoe. Für die Jugend 
und die Zwecke der Schale bearbeitet. Leipzig 1880. Grab n er, Bobinson 
Krusoe. 22. Aufl. Leipzig 1893. Lida B. Mc Murry, Bobinson Crusoe 
for boys and girls. Bloomington, JH. 1894. Märchen und Bobinson- 
Lesebuch, 6. Aufl. Leipzig, Bredt. Ullrich, Bobinson u. Bobinsönaden. 
Beins Enzyklopädie. 2. Aufl. VI. Bd. Langensalza, Beyer u. Mann. 

I. Die Auswahl des Stoffes 

.Prur Jeder die Sache nach allen Seiten ; 
Mög keiner das Nene, weil neu, bestreiten, 
Mög keiner das Alte, weil alt, verachten!*' 

1. ForderiiDgy die Bobinson-ErKählnng als Unterriehtsstoff In den Lehr- 

plan des zweiten SehuUakres einznateUen 

Die hergebrachte Volksschulpraxis hat für das zweite Schuljahr 
ebenso wie für das erste eine Reihe biblischer Geschichten als Stoif fttr 

Rein, Prof., Schaljahr IL 1 



2 Das zweite Sohuljahr 

den BeligioDs-Unterricht bestimmt. Wir haben uns gegen eine solche 
Yerfrühnng in unserem ersten Band: „Das erste Schuljahr^ 7. Anfl. ent- 
schieden aasgesprochen mit Zosammenstellong der Gründe, die ans nötigen^, 
die biblischen Erzählangen erst vom fdnften Schaljahr ab anterrichtlich 
zxk bearbeiten. Damit dies nun in der wirksamsten Weise geschehen 
könne, haben wir einen Vor karsas aafgestellt, dessen Stoff im ersten 
Schaljahre in einer Aaswahl Grimmscher M&rchen besteht, die im kind- 
lichen Gedankenkreis sich anschmiegend die geeigneste Qaelle zar Weckang 
des religiösen Gefühls and des sittlichen Urteils in diesem Alter sein 
and die Fäden fortspinnen können, die im Haus- and im Kindergarten*) 
angeknüpft worden sind. Sie bilden den Mittelpankt des gesamten Unter- 
richts im ersten Schaljahr; von hier aas laafen die mannigfachsten Be- 
ziehangen zar Natarkande, dann aach zam ersten Lesen and Schreiben 
hinüber. So wird die Einheit des Unterriohtsplanes hergestellt; damit 
ist die Einheit des Gedankenkreises gewährleistet. Von den Märchen 
gehen alle Gedanken aas, za den Märchen kehren alle zarück; das ge- 
samte Interesse wird in ihnen konzentriert.**) 

Von welcher Bedeatang dies ist, kann nnr der ermessen, der von 
der Wahrheit der Grandiagen des erziehenden Unterrichts überzeagt and 
darchdrangen ist. Unser Unterricht steht and fällt mit dem Erzählang- 
stoff, der, den Mittelpankt des gesamten Interesses bildend, den Zögling 
ganz and voll beschäftigt, ihn za religiös-sittlichen Gefühlen in der 
Sphäre anregt, die seinem Standpankte angemessen ist. Wir, die wir 
mit dem erziehenden Unterricht Ernst machen wollen, sehen ans daher 
genötigt, aach für das zweite Scha^ahr einen konzentrierenden Erzählang- 
stoff za sacken, welcher der Aaffassangsfähigkeit des Kindes entspricht 
and zagleich dem Gedanken des kaltargeschichtlichen Aaf baaes des Lehr- 
planes gerecht wird. 

Professor Ziller fand diesen Stoff im Robinson. Die pädago- 
gischen Überlegangen, die ihn daza geführt haben, weisen in ihren all- 
gemeinsten Umrissen aaf Herbart zarück. Dieser hat die Grandzüge- 
der Lehre von dem knltarhistorischen Anfbaa als Mittelpankt des fort- 
schreitenden erziehlichen Unterrichts gegeben, and zwar für die Gymna- 
sialbildang, insofern er die literarische Folge mit Homers Odyssee be- 
ginnt, ein Gedanke, dem namentlich aach Will manu nachgegangen 
ist. Der erzieherischen Tätigkeit Herbarts lag die Gymnasialreihe näher 
als die, welche für die Volksschale aafzastellen ist. Aber in der Haapt- 



♦) Wir treten für die Errichtung von Volkskindergärten ein, um 
vor allem auch den Gedanken einer allgemeinen Volksschule mit sechs- 
jährigem Kursus als Grundschule für alle weiteren Schulgattungen zur 
Verwirklichung zu verhelfen. Denn die in den Volkskindergärten er- 
zogenen Kinder werden den Kindern aus den sogenannten besseren Stän- 
den annähernd die Wage halten, so dass vom psychologischen Standpunkt 
ans dann ein gemeinsamer Unterricht für alle Kinder des Volkes möglich: 
wird. Vergl. Rein, Deutsche Schalerziehung. München, Lehmann 1907. 

**) Über die Pflege des christlichen Sinnes in den ersten Schuljahren 
durch die Schulfeiern u. Andachten siehe das „erste Schuljahres 7. Aufl.,. 
Einleitung. Ferner: Bergner, Materialien zur spez. Pädagogik. Dres- 
den 1886. 



Bobinson 3 

Sache fassen die Lehrpläne beider Schnlgattnngen auf denselben grund- 
legenden Ideen. Diese nötigen uns, die religiösen Anknüpfungspunkte 
sowie die sittlichen Elemente in einer fortlaufenden Reihe klassischer 
Erzählungen zu suchen, deren Aufbau sich naturgemäss nach der 
geschichtlichen Entwicklung richtet. 

In den Berichten Herbarts an Herrn von Steiger und in der 
„Ästhetischen Darstellung der Welt zum Zwecke der Erziehung'' finden 
wir die ersten Ansätze zu der Aufstellung der erziehenden Erzählstoffe. 
Ausgehend von der Überzeugung, dass die Idee Gottes als das Höchste 
schon unter den frühesten Gedanken, an welchen die Persönlichkeit des 
werdenden Menschen hängt, sich seinen Platz befestigen solle, weist 
Her hart zugleich auf die Gefahr hin, dass bei fortdauerndem Hinheften 
des Geistes auf den einen Punkt, der als das Höchste femer nicht mehr 
erhöht werden kann, die Idee verunstaltet, ja zum Gemeinen und Lang- 
weiligen herabgezogen werden könne. ^Fast sollte man,^ sagt er, „die 
Idee weniger wach erhalten, um sie zu der Zeit unverdorben vorzufinden, 
da der Mensch zur Haltung in den Stürmen des Lebens ihrer bedarf.*' 
Aber es sei ein Mittel vorhanden — und zwar sei es das einzige — die 
Idee langsam zu nähren, zu verstärken, auszubilden und ihr eine unauf- 
hörlich steigende Verehrung zu sichern, dies nämlich, sie fortdauernd 
durch Gegensatz zu bestimmen. 

Weiter legt er dar, dass der Unterricht i. a. zwei getrennte, aber 
stets gleichzeitig fortlaufende Beihen von unten auf jenem höchsten festen 
Punkt entgegen zu führen hat, um endlich beide in ihm zu verknüpfen. 
Man kann diese Beihen durch die Namen Erkenntnis und Teilnahme 
unterscheiden. Die Beihe der Erkenntnis ^Uigt natürlich an bei den 
Übungen zur Schärfung und ersten Verarbeitung der Anschauung und der 
nächsten Erfahrungen, kurz beim ABC der Sinne. Etwas schwerer dürfte 
es sein, den Anfangspunkt der Beihe für die fortschreitende Teilnahme 
gut anzugeben und den angegebenen zu rechtfertigen. Die genauere 
Betrachtung entdeckte aber bald, dass dieser Punkt nicht in der jetzigen 
Wirklichkeit liegen könne. Die Sphäre der Kinder sei zu eng und zu 
bald durchlaufen ; die Sphäre der Erwachsenen bei kultivierten Menschen 
zu hoch und zu sehr durch Verhältnisse bestimmt, die man dem kleinen . 
Knaben nicht begreiflich machen wolle, wenn man auch könnte. 

Führt man ihn aber, so meint Herbart, in die Anfänge unserer 
Kultur, so ist man sicher, dem Interesse des Knaben Begebenheiten und 
Personen darzubieten, deren er sich ganz bemächtigen, von wo aus er 
zu unendlich mannigfaltigen, eignen Beflexionen über Menschheit und 
Gesellschaft und über die Abhängigkeit beider von einer höheren Macht 
übergehen kann. Den Jugendunterricht in der Beligion drückt die all- 
gemeine Schwierigkeit, dass der Knabe sich nur nach Massgabe seiner 
beschränkten Empfindungs- und Erkenntnissphäre in die religiös-sittlichen 
Ideen versetzen kann, die den Erwachsenen bewegen. Wenn er der 
Männlichkeit, den Gefühlen und Geschäften derselben sich nähert, wenn 
die Kombinationen der anwachsenden Erkenntnisse sich immer rascher 
vermehren, so kann auch der Unterricht in der Beligion sich beschleunigen. 
Hingegen der Anfang darf nur sehr langsam gehen und muss sich ganz 

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Iteatüekkeit haw^ftritC) 

Ia dea rittum Beridit aa Hena t. Steiger ipri^t siek Herkart 
ia ikaückcr WeiK, av die Büdaai: dca Bttüekea üiteik nekr b eUaea d, 
dakia aai, das der gaaze üaterriekt der jiagaea Kaakea aa swei 
aekea eiaaadcx fartlaafeade Ha^tftdoi gekaipft aeia maaee, eiaea ür 
dea VeiaCaad. dea aaderea ür die Enpfiadaag aad die Eiaküdaa|:akralt. 
Dea Versta&d ikea ediwere Aastreagaai^ea , das Hers aker wird aai 
kcstea darek aüaiäkli^es Unkerleitai ia aUerlei Enpiadaagi» aad darek 
ene zmUm^ dea Kiadesalter aa geaiea seae, lüt dea Jakrea immet miki 
hm^JkdtgVt Sittealekre ^^dnldei, die dem Verstaad aie Sekwierickeit 
flUMekea sissi, daaut sie gerade G^akl aad Gewokakeit werde, die airgead 
akkreekea darf, well das sittlieke Gefflü bestkadii: Naknmir aad iauaer 
ketsere Xakraaj^ Terlaa^ die siek ia eiaer groas^a fortlaafeadea Reilie 
T<!» allerlei iateressaatea Bildera darstdloi nuus, welehe darek die Be- 
traektaagea, za d^iea «e eialadea, darek dea Beifül aad Tadel, dea sie 
aaf siek zieken, dea joagea (jeist yeranlaasea, sieb eelkst Maxiaiea aa 
biidea aad fest eiazaprägea aad siek lo som künftig^i systeaiaüaekea 
W/rtrage der Horal, weleke dieselben aar Uatern aad fester besomaiea 
Wfßd^ Torzabereiten. Und am diesen Weg der Qiarakterbildang za fiadea, 
so fragt Herbart, was köna^ wir Besseres tan, als den Sparen der 
aMrraiisebea Mdaag des Mensekoigesebleckts selbst naehgehen? 

ZlUer bat diese Gedanken anfgenoaunea and fortgebildet Er bai 
die Reibe der Erzäklongstoffe for die Volkscknlbildnng festgesetzt aad 
ist aaeb in ibre anterriehtllche Behandlung eingetreten. Er bat die be- 
stianaeaden Gesiebt^ankte for sie an^gestellt. Seine AnseinanderBetzmg 
gekt iai wesentlieken dakin: Der gemeinsame Mittelpunkt alles Unter- 
riebts mass doreb den sittlieb-religidien Zweck gebildet werden. Weaa 
ein soleber Sebwerpoakt aicht vorhanden iit, löst sieb der ünterrickt 
aaf ia Masten Ton EenntnisKn, in Sonunen von Fertigkeiten aad 6a- 
w5bnongen^ die unter siek unvollkommen zasammenkängen. Es feklt 
dem ünterriekt lowobl wie dem Zögling an Konz^tration. Niemals 
aber wird dann der dtUieh-religiöse Zweck erreicht werden könn^ den 
der ünterriekt nachstrebt £• ist dies nur dadurch möglich, dass flor 
jede Unterricbtstufe, f&r jede Schnlklasse ein Gedankenganzes, ein Ge- 
sinnungstoff, als konzentrierender Mittelpunkt hingestellt wird, um 
den sich die übrigen Fächer peripherisch herumlegen und von dem 
ans nach allen Seiten hin verbindende Fäden auslaufen, wodurch die 
verschiedenen Teile des kindlichen Gedankenkreises fortwährend geeint 
und zusammengehalten werden. Auf diese Weise hört der Unterricht 
auf, ein loses Aggregat einzelner Lehrfächer zu sein. An die Stelle 



*) 8. Herbart, Allg. Pädagogik. Bach II. Kap. HI. Bein, Stimmen 
zur Beform des Beligionsanterrichts. 2 Hefte. Langensalza, Beyer u. Mann. 



Bobinson 5 

der bunten Lehrpläne, die auf Klarheit und auf Interesse notwendig: 
hemmend wirken, tritt eine Einrichtung, wodurch der gleichzeitig zu 
behandelnde Stoff der verschiedenen Fächer so geordnet und bearbeitet 
wird, dass stets ein innerlicher Zusammenhang und eine wechselseitige 
Beziehung unter denselben streng festgehalten wird und deutlich zu er- 
kennen ist. 

Die Auswahl aber und der Fortschritt der konzentrierenden Mittel- 
punkte ist so einzurichten, dass sie teils der Entwicklung und Fortbildung 
des kindlichen Geistes und namentlich den Apperzeptionstufen, die darin 
nach psychologischen Gesetzen aufeinander folgen müssen, entsprechen, 
teils den der Entwicklung des einzelnen im grossen korrespondierenden 
Fortschritt in der Entwicklung der Geschichte der Menschheit aufzeigen, 
soweit sie uns durch klassische, der Jugend zugängliche Dar- 
stellungen bekannt ist, und zwar in allen für unsere gegenwärtige 
Kulturstufe nachweisbar bedeutsamen Hauptperioden. 

Verbindet man diese beiden mit anderen feststehenden pädagogischen 
Gesichtspunkten, so lässt sich daraus ableiten, dass für das erste Schuljahr 
das epische Märchen*), für das zweite die Erzählung des Robinson 
einen geeigneten Mittelpunkt bilden kann. Das Phantasiegebild des Robinson 
erinnert an jene vorgeschichtliche Zeit, wo der Mensch zuerst 
mühsam ringend und anfangs nicht unterstützt durch eine gesellschaftliche 
Verbindung sich über die äussere Natur erhob, um sie beherrschen und 
für seine Zwecke benutzen zu können; an jene Zeit, wo mit den grössten 
Anstrengungen die allereinfachsten und notwendigsten Erfahrungen und 
Erfindungen gemacht wurden, deren Bedeutung durch die Gewohnheit 
eines sicheren Gebrauches so leicht verdunkelt wird, aber ohne die es 
dem menschlichen Geiste doch nicht möglich geworden wäre, einen ruhigen 
Blick auf die gesellschaftlichen Ideen zu richten, deren Verwirklichung 
ihm für seine geschichtliche Entwicklung obliegt. Ist einmal dieser 
Standpunkt erreicht, so ist dem Zögling ein chronologisches Aufsteigen 
von der ältesten Geschichte Palästinas und Deutschlands an bis zur 
Geschichte der Gegenwart möglich. Es gilt, alle in der Entwicklung 
unseres Volkes hervorragenden Momente, die in den allgemeinsten Zügen 
zugleich der Entwicklung des Zöglings selbst entsprechen, zu durch- 
laufen, soweit sie ein Dichter oder Geschichtschreiber in klassischer 
Weise beschrieben hat. Bei jedem Hauptpunkt mnss die Überzeugung 
lebendig werden, dass hier unser Volk nicht stehen bleiben konnte. Es 
gilt, dem Zögling den Gesamtgewinn unserer Bildung von ihren ersten 
geschichtlichen Keimen an zu überliefern. Dabei kommt es darauf an, 
die Zöglinge mit der ganzen Fülle menschlicher Gesinnungsverhältnisse 
in allen Verschiedenheiten und Modifikationen bekannt zu machen und 
sie zu veranlassen, dass für alle Fälle des wirklichen Lebens, in die sie 
sich dabei mit Hilfe der Phantasie hineinzuversetzen haben, ihr eignes 
Urteil sich entscheide, wie es den ethischen Ideen oder dem religiösen 
Gesamtideal der Persönlichkeit gemäss ist. 

Es gilt aber auch, sie so viel als möglich mit dem theoretischen 



*) Vergl. das „erste Schuljahr", 7. Aufl. 



6 Das zweite Sohuljahr 

Wissen von den natürlichen Bedingron^en des sittlichen Handelns za be- 
waffiien. Ein solcher Unterricht ist jedem Zögfling notwendig. Um ihn 
ins Werk setzen zu können, empfiehlt es sich, in den Mittelpunkt des 
zweiten Schuljahres die Erzählung von Robinson zu stellen, sie nicht 
bloss als Jagendlektüre zu benutzen, sondern im Schulunterricht zu ver- 
werten. 

2. Die Bedeutung der Bobinson-Erzfthlung als Jngendlektfire 

Über die Bedeutung der Robinson-Erz&hlung als Jugendlektüre 
ist seit Rousseau kaum noch jemand im Zweifel. Die Stelle im Emil, 
wo er die Yorznglichkeit des Defoeschen Buches mit mancher Überspannt- 
heit zwar, aber auch mit viel innerer Wahrheit rühmend auseinander 
legt, bat für die Pädagogik grosse Bedeutung gewonnen. „Dies Buch — 
Robinson — wird das erste sein, schreibt Rousseau, welches mein 
Emil lesen wird; es wird lange seine ganze Bibliothek ausmachen und es 
wird stets einen ansehnlichen Platz darin behaupten. Es wird der Text 
sein, welchem alle unsere naturkundlichen Besprechungen nur zur 
Erläuterung dienen, es wird bei unseren Fortschritten je nach dem Stand 
unserer Einsicht zum Prüfstein dienen, und so lange unser Geschmack 
nicht verdorben ist, wird uns das Lesen desselben allezeit vergnügen. 
Robinson auf einer Insel, allein, ohne Beistand von seines gleichen, ohne 
alle künstlichen Werkzeuge, aber doch für seinen Unterhalt, für seine 
Erhaltung sorgend und sich sogar eine Art von Wohlsein verschaffend, 
ist ein Gegenstand, der für jedes Alter interessant ist und den man 
insbesondere den Kindern anziehend zu machen tausenderlei Mittel hat. 
Aaf diese Weise verwandeln wir die wüste Insel, die wir anfangs nur 
vergleichsweise annahmen, zur wirklichen Insel. Dieser Zustand ist — 
ich gebe es zu — nicht der Znstand des gesellschaftlichen Menschen; 
wahrscheinlich wird es auch nicht der Znstand Emils werden, aber nach 
ihm soll er alle anderen beurteilen. Das sicherste Mittel, sich über Vor- 
urteile zu erheben und sein Urteil den wahren Verhältnissen der Dinge 
gemäss zu gestalten, ist, sich an die Stelle eines isolierten Menschen zu 
setzen und von allem so zu urteilen, wie dieser Mensch in Rücksicht 
auf seinen eigenen Nutzen davon urteilen muss. Dieser Roman, gesäubert 
von allem hinzugefügten Wust, beginnend mit dem Schiffbruch Robinsons 
in der Nähe seiner Insel*) und endigend mit der Ankunft des Schiffes, 
das ihn von derselben hinwegbringt, wird während der ganzen Periode, 
von welcher hier die Rede ist**), zugleich Emils Unterhaltung und 
Unterricht ausmachen. Ich will, dass ihm der Kopf davon schwindeln, 
dass er sich unaufhörlich mit seinem Schlosse, mit seinen Pflanzungen, 
mit seinen Ziegen beschäftige, dass er bis ins einzelne nicht aus Büchern, 
sondern an den Sachen selbst alles lerne, was in einem solchen 



*) Die Erziehungsschale darf auf die Ju^endgeschichte Robinsons 
nicht verzichten wegen der ethisch-religiösen Momente, die mit der Dar- 
stellung seiner Geschichte verbunden sind, wohl aber müssen die Irr- 
fahrten nach Afrika und Südamerika aus naheliegenden Gründen in Weg- 
fall kommen. 

'^*) Emil vom zwölften bis fünfzehnten Lebensjahr. 



Bobinson 7 

Walle zu wissen nötig ist, dass er sich selbst als einen Robinson betrachte. 
Ich wünsche, dass er sich beunruhige wegen der Massregeln, die zu er* 
greifen sein möchten, wenn dies oder jenes zn mangeln anfinge, dass er 
das Tan seines Helden prüfe and nntersache, ob derselbe nichts anter- 
lassen habe and ob er nichts hätte besser machen können, dass er dessen 
.Fehler aufmerksam anmerke und daran lerne, in einem gleichen Falle 
nicht auch in dieselben zu verfallen.^ 

Rousseau führt sodann seine Ideen über Robinson noch weiter 
aus. Wir werden Gelegenheit finden, auf dieselben zurückzukommen. 
Wie überhaupt sein Emil, so hat namentlich die begeisterte Lobrede 
auf den Roman des Defoe in Deutschland an vielen Orten gezündet und 
.gleiche Begeisterung geweckt, während sie an den französischen ünter- 
richtsanstalten fast wirkungslos vorüberging. 

Im Philanthröpium zu Dessau hat sich Basedow mit Wolke 
-und Campe seiner bemächtigt. Campe übersetzte den Emil und be- 
arbeitete den Robinson für die deutsche Jugend. Er verfolgte bei der 
Abfassung des Buches verschiedene Zwecke: 1. er wollte unterhalten; 
2. er wollte an den Faden der Erzählung so viele Grundkenntnisse aller 
Art knüpfen, als es nur immer geschehen könnte, zumal diejenigen Vor- 
hegriffe von Dingen aus dem häuslichen Leben, ans der Natur und aus 
dem weitläufigen Kreise der gemeinen menschlichen Wirksamkeit, ohne 
welche alle anderen Unterrichtsarten einem Gebäude gleichen, das keine 
Grundlagen hat; 3. er wollte manche nicht unerhebliche Vorkenntnis, 
besonders aus der Naturgeschichte, mitnehmen; 4. die wichtigste Absicht 
des Verfassers war, die Umstände und Begebenheiten so zu stellen, dass 
•recht viele Gelegenheiten zu sittlichen, dem Verstände und dem Herzen 
der Kinder angemessenen Anmerkungen und recht viele natürliche An- 
lässe zu frommen, gottesfürchtigen und tugendhaften Empfindungen daraus 
erwüchsen. Schon in der siebenten Auflage konnte der Verfasser rühmen, 
dass dasselbe von Cadix bis Moskau und Konstantinopel in alle europäischen 
Sprachen, sogar in die russische, die neugriechische und die altböhmische 
vübersetzt sei. Bis zum Jahre 1890 erschien die 112 te rechtmässige 
Ausgabe. Dieser Erfolg ist sicherlich nicht auf Rechnung der Sal- 
•badereien zn setzen, mit denen der gute Campe die eigentliche Erzählung 
verquickte, ohne jedoch den beabsichtigten Zweck zu erreichen, da es wohl 
kaum ein Kind gegeben hat, das jene Campeschen Belehrungen nicht gern 
überschlagen hätte. Vielmehr machte sich auch hier die unverwüstliche 
LebensfüUe, die hinreissende Anziehungskraft des ursprünglichen Robinson 
geltend. 

„Wer dächte nicht mit innigem Entzücken, schreibt Hettner*), 
an jene Tage und Stunden, in denen sein märchenlustiges Kindergemüt 
•zum ersten Male von der Geschichte und den seltsamen Abenteuern 
Jtobinsons' hörte? Es überkommt uns in dieser Erinnerung unwillkürlich 
wieder ein Stück Jugendleben. Jenes Gefühl taucht in uns auf, von dem 
der Dichter sagt: 



*) Hettner, Literat urgesch. des 18. Jahrhunderts. I. S. 281—305* 
JBraunschweig 1856. (Vortrag. Berlin 1864.) 



8 Das zweite Schuljahr 

„Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit, 
Klin^ ein Lied mir immerdar. 
wie liegt so weit, o wie liegt so weit, 
Was mein einst war!** 

Ohne Zweifel; unser Bobinson ist ein klassisches Bach. Aber e» 
ist nicht nur das klassische Buch der Kindheit, sondern eine der wenigen 
Dichtungen, welche auf die späteren wie auf die früheren Tage des 
Menschenlebens mit gleichem Zauber fortwirken ; ist es doch ein weltliche» 
Buch der Bücher, neben der Bibel wahrscheinlich das verbreitetste und 
gelesenste Erzeugnis der gesamten Weltliteratur. Dies muss seine be- 
sondere Ursache haben. Wir suchen die unverwüstliche Lebenskraft dea 
Buches nicht nur in dem Unterhaltendem, sondern vorzüglich in dem 
Sinnbildlichen desselben. Es ist keine Frage : Den Erlebnissen Robinson» 
kommt eine tiefere symbolische Bedeutung zu. Sein Leben auf der ein- 
samen Insel ist in gewissem Sinne das Leben der Menschheit, die mit 
kärglicher -Ausstattung in das Dasein auf Erden gleichsam ausgesetzt, 
aus erfindungsreichem Sinne im Laufe der Geschichte die missliche Lage^ 
darin sie sich bei erwachendem Bewusstsein findet, mit unendlicher Müh- 
sal zu leidlichem Behagen gestaltet.'*') 

Denselben Gedanken hat Hettner in dem schon erwähnten Vor- 
trage ausgeführt. Nachdem er über die Form der Erzählung, über die 
ganz ungewöhnliche Feinheit und Naturwahrheit der psychologischen 
Charakterzeichnung, über die bewundernswürdige Kunst, der Erzählung 
den Stempel der Wahrheit aufzudrücken, auseinander gelegt, fährt er fort : 
„Und nun der Inhalt: — Eine einsame, wüste Insel, darauf ein einsamer, 
armer, verschlagener Matrose ! Man sollte meinen, es sei kanm möglich, 
eine spannende Handlung, geschweige denn gar eine nur einigermassen 
beMedigende geistige Bedeutung aus einem so dürftigen Stoffe heranszu- 
spinnen. Aber wie unter einem Zauberstabe gewinnt hier alles Leben 
und Bewegung. Die Not des täglichen Bedürfnisses führt unsern Kobinson 
von Erfindung zu Erfindung; das Gefühl seiner Hilflosigkeit und die 
Freude und der Dank, wenn irgend ein unvorhergesehenes Ereignis diese 
Hilflosigkeit verringert und mildert, erwecken in seinem öden Innern die 
zarten Begungen religiösen Gottvertrauens; das Hinzutreten seines treuen 
Genossen Freitag und späterhin der anderen Matrosen, die von den eng- 
lischen und spanischen Schiffen kommen, und die damit verbundene 
Notwendigkeit, auf neue Erwerbsquellen zu denken und durch Gesetze 
und Strafen alle Spaltangen und Störnisse des kleinen Gemeinwesens zu 
unterdrücken und unschädlich zu machen, entfalten das erste Entstehen, 
Wachsen und 'Dasein des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft. 
Wir sehen, wie der Mensch mit innerer Notwendigkeit 
^tufe um Stufe aus dem ersten rohen Naturzustand zur 
Bildung und Zivilisation kömmt. Kurz, es entrollt sich ein Bild 
vor uns, so gross und gewaltig, dass wir hier noch einmal die allmähliche 
und naturwüchsige Entwicklung des Menschengeschlechts klar überschauen. 



*) S. Altmüller, Vorrede zur Übersetzung des Robinson. Hild- 
burghausen 1869. K. Lamprecht, Deutsche Gesch. Berlin 1893. 



Robinson 9 

Der Robinson ist, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, eine Art von Philo- 
sophie der Geschichte. Und gerade in dieser Hinsicht ist es ein gar nicht 
genug zu bewundernder Meistergriff unseres bewunderungswürdigen Dichter- 
werks, dass die Persönlichkeit Robinsons sich durch keine besondere 
Eigentümlichkeit oder durch besonders hevorstechende Fähigkeiten aus- 
zeichnet, dass Robinson, so zu sagen, ein ganz gewöhnlicher Durchschnitts-^ 
mensch ist. Was dieser Robinson denkt und fühlt, was er erfindet, ein- 
richtet, tut und handelt, das würde jeder andere Mensch in seiner Lage 
auch denken, fühlen, erfinden, einrichten, tun und handeln. Hätte Robin- 
son irgend eine entschiedene Liebhaberei für Naturgegenstände oder eine 
ausgesprochene Anlage für mechanische Fertigkeiten, so wäre, wie der 
englische Kritiker Goleridge einmal sehr fein bemerkt, das Buch vielleicht 
um einige anziehende Verwickelungen, und Schilderungen reicher, Robinson 
aber hätte aufgehört, dass zu sein, was er ist, nämlich das Beispiel und 
das Spiegelbild der ganzen Menschheit«^ — 

Auch Bogumil Goltz widmet in seinem „Buche der Kindheit '^ 
einen besonderen Abschnitt dem Robinson. Wie hätte er auch von der 
Kindheit schreiben können, ohne des Robinson zu gedenken? „0 Robin- 
son,'' ruft er in Begeisterung ans, „du Wnndermensch, du Heros der 
Kindiieit! ... Robinson, du Buch der Bücher, du heilige Schrift in 
Kinderherzen geschrieben, du echte Kinderbibel für alle Zeiten, in denen 
es Kinder geben wird. ... möchtest du ewig im Kinderkalender 
stehen und immerdar in den Kinderherzen erstehn!^ 

Noch ist der Robinson das Buch unserer Kinder, wenn auch tausend 
andere Jugendschriften ihm den Rang abzulaufen suchen. Das wird kaum 
bestritten; wohl aber wird man die Frage aufwerfen: sollte die Er- 
zählung von Robinson, die als Jugendlektüre unerreicht ist, auch als 
Unterrichtsgegenstand, und zwar als Gesinnnngs- und Konzen- 
trationstoff für das zweite Schuljahr geeignet sein? 

3. Die Bedeutung der Robinson-Erzählung als Gesinnung- und Konzen-^ 

trationstoff des zweiten Schuljahres 

Ehe wir diese Frage beantworten und die Bedeutung der Robinson- 
Erzählung nach der genannten Seite hin würdigen, sei es uns gestattet, 
die Blicke vorerst auf andere Erzählungen zu lenken. Es wäre ja möglich^ 
dass man etwas vorschlagen könnte, das von vornherein so viele Vor- 
züge eines Gesinnungstoffes auf sich vereinigte, dass man von allem 
weiteren Suchen abstehen könnte. 

In erster Linie würden uns wohl die biblischen Geschichten 
entgegen gebracht werden. Aber diese haben wir nach den Auseinander- 
setzungen im „ersten Schuljahr*' für die Unterstufe der Volkschule nicht 
geeignet gefunden. Sie treten erst vom fünften Schuljahr ab in 
den Lehrplan.'*') Welcher Stoff bleibt aber dann noch übrig? Sollen 
wir zu den Erzählungen greifen, welche moderner Fabrik entstammend 



•) Grab 8, Schles. Schulzeitung, 1883, Nr. 38 u. 39; Pädagog. Studien. 
1858. 1. Heft. S. unser „drittes Schuljahr**. 4. Aufl. 



10 I)as zweite Schuljahr 

4en bösen Fritz und die g^ute Anna, oder die Bnbenstreiche von Max 
und Moritz schildern? Sollen wir die wässerigen, durch und durch un- 
gesunden sogen, moralischen Erzählungen „für die fleissige Jugend^ vor- 
ziehen, mit welchen die Basedowsche Richtung und ihre Nachfolgerschaft 
wie eine wahre Sündflut uns noch heutigen Tages zu überschwemmen 
4roht? Derartige Fabrikate können wir nicht brauchen, uns ist die 
Warnung Jean Pauls zu gut im Gedächtnis: „Sargt nicht jedes Wesen, 
4a8 ihr auftreten lasst, in eine Kanzel ein, aus welcher dasselbe die 
Kinder anpredigt, eine abmattende Sucht nach Moralien, mit welchen die 
meisten gedruckten Kindergeschichten anstecken und plagen, und wodurch 
sie gerade auf dem Wege nach dem Höchsten dieses verfehlen, wie etwa 
Karl XII. von Schweden gewöhnlich sein Schachspiel verlor, weil er immer 
mit dem König ausrückte. Jede gute Erzählung, sowie gute Dichtung, 
umgibt sich von selber mit Lehren.^ 

Auch Herbart'*') wendet sich mit vernichtender Kritik gegen 
<lie sogenannten kindlichen Erzählungen, welche schon durch die aus- 
gesprochene Absicht zu bilden verderblich wirken. „Stellt Kindern," sagt 
«r, „das Schlechte dar, deutlich, nur nicht als Gegenstand der Begierde; 
sie werden finden, dass es schlecht ist. Unterbrecht eine Erzählung 
-durch moralisches Raisonnement; sie werden finden, dass ihr langweilig 
«rzählt. Stellt lauter Gutes dar; sie werden finden, dass es einförmig 
ist, und der blosse Beiz der Abwechslung wird ihnen das Schlechte will- 
kommen machen. Aber gebt ihnen eine interessante Erzählung, reich an 
Begebenheiten, Verhältnissen, Charakteren; es sei darin strenge, psycho- 
logische Wahrheit und nicht jenseits der Gefühle und Einsichten der 
Kinder; es sei darin kein Streben, das Schlimmste oder das Beste zu 
zeichnen; nur habe ein leiser, selbst noch schlummernder Takt dafür ge- 
sorgt, dass das Interesse der Handlung sich von dem Schlechteren ab 
und zum Guten, zum Billigen, zum Rechten hinüberneige; ihr werdet 
sehen, wie die kindliche Aufmerksamkeit darin wurzelt, wie sie noch 
tiefer hinter die Wahrheit kommen, und alle Seiten der Sache hervor- 
zuwenden sucht, wie der mannigfaltige Stoff ein mannigfaltiges Urteil 
anregt, wie der Reiz der Abwechslung in das Vorziehen des Bessern 
«ndigt, ja, wie der Knabe, der sich im sittlichen Urteil vielleicht ein 
paar kleine Stufen höher fühlt als der Held oder der Schreiber, mit 
innerem Wohlgefühl sich hinstemmen wird auf seinen Funkt, um sich zu 
behaupten gegen eine Roheit, die er schon unter sich fühlt. Noch eine 
Eigenschaft muss diese Erzählung haben, wenn sie dauernd und nach- 
drücklich wirken soll, sie muss das stärkste und reinste Gepräge männ- 
licher Grösse an sich tragen. Denn der Knabe unterscheidet, so gut 
wie wir, das Gemeine und Flache von dem Würdevollen; ja dieser Unter- 
schied liegt ihm mehr als uns am Herzen; denn er fühlt sich ungern 
klein, er möchte ein Mann sein! Solche Männer nun, deren der Knabe 
einer sein möchte, stellt ihm dar. Die findet ihr gewiss nicht in der 
^ähe, denn dem Männerideal des Knaben entspricht nichts, was unter 
dem Einfluss unserer heutigen Kultur erwachsen ist Ihr findet es 



*) Vorrede zur allgemeinen Pädagogik. 



Bobinson 11 

«uch nicht in enrer Einblildnngskraft, denn sie ist voll pädagfogischer 
Wünsche und voll eurer Er&hrangen, Kenntnisse nnd eigenen Angelegen- 
heiten.^ 

Unser Blick wird also auf eine Erzählung gelenkt, die sich ethisch 
«0 verwerten lässt, dass entgegengesetzt dem moralisierenden Salbadern 
das sittliche Urteil aus der Wärme und Teilnahme für den Helden der 
Erzählung mit Klarheit und voller Bestimmtheit sich einstellt. Wir 
suchen nach einer Erzählung, die gleichmässig Erkenntnis und Teilnahme 
in einer dem Alter des Zöglings angemessenen Sphäre zu pflegen und zu 
fördern geeignet ist, die den Gedankenkreis so erfüllt, dass das Interesse 
auf das Höchste gespannt wird und die tiefgreifensten Anregungen im 
Gemüte des Kindes zurückbleiben. 

Kaum eine Erzählung wird nun diesen Forderungen in so reichem 
Masse genügen können, wie die von Robinson. Denn welche Erzählung 
wäre im stände, die Teilnahme an dem Schicksal des Helden mit 
gleicher Stärke in der Seele des Kindes zu erregen? Von Anbeginn 
gewinnen wir ihn lieb, wenn wir auch das Verhalten seinen Eltern gegen- 
über nicht billigen. Wir durchleben mit ihm die Angst und Not des 
Schiffbruchs, wir landen mit ihm auf dem fremden unwirtlichen Eiland, 
wir begleiten ihn dort auf seinen Wanderungen und Unternehmungen, 
wir sinnen mit ihm über die Mittel und Wege, wie für Wohnung, Lebens- 
unterhalt und persönliche Sicherheit zu sorgen sei, wir teilen den Schreck 
über die mannigfachen Vorfälle, die ihn bedrohen, und die Freude über 
all das Gute, das ihm unverhofft bis zu seiner endlichen Erlösung wider- 
fährt.*) Hierbei findet das sittliche Urteil zahlreiche Gelegenheiten 
zu klaren und bestimmten Entscheidungen sowohl über das faktisch Ge- 
schehene als auch über das , was an seiner Stelle hätte geschehen 
können'*'*) Auch verfolgen wir die Spuren des keimenden religiösen 
Bedürfnisses, des Abhängigkeitsgefühls von einem höheren Wesen, unter 
dessen Schutz der einsame Bewohner sich sicher glaubt, all den Schreck- 
nissen gegenüber, die Natur und Menschen ihm bereiten können. In der 
Bobinsonerzählung haben wir die konkreteste Verkörperung einer Seelen- 
geschichte, die von Leichtsinn und Eigenwillen zur Sünde, von der Sünde 
zur Strafe, von der Strafe zur Beue und von hier zur sittlichen Besserung, 
zur religiösen Demütigung, zum Vertrauen auf die Gnade und Hilfe Gottes 
und so zum inneren Frieden fortschreitet. Die Erzählung ist ein Abbild 
des Gleichnisses vom verlorenen Sohn und eine Vorbereitung auf das- 
selbe, zwar nicht in biblischer Form, doch durchdrungen von christlichem 
Geist. 

Welche Fülle von Belehrungen aber für die Seite der Erkennt- 
nis aus unserer Erzählung dem Kinde zufliessen kann, dies bedarf wohl 
kaum der Erwähnung. Auch hat Bousseau gerade diese Gedankenreihe 
▼on mannigfachen Gesichtspunkten aus beleuchtet. Nach allen Seiten hin 
wird der Kreis der Kenntnisse erweitert in geographischer, naturkund- 



*) Heinecke, Die Bildung des Mitgefühls. Pädag. Stadien. 1883. 
3. Heft. 

**) S. Ackermann, Päd. Fragen. 2. Heft. Nr. 2. Dresden 1886. 



12 Bas zweite Schuljahr 

licher, technologischer und kulturhistorischer Hinsicht Indem die Robinson- 
erzählung in hervorragender Weise den Interessen der Teilnahme: dem 
sympathetischen, dem sozialen und religiösen Interesse, wie den Inter«- 
essen der Erkenntnis: dem empirischen und spekulativen dient, wird sie 
zugleich zu einer vortrefflichen Propädeutik für Religion, Naturkunde 
und Geschichte. 

Doch ist immer noch ein Einwand zu beseitigen. Man könnte sagen, 
dass der Robinson als Stoff für das zweite Schuljahr verfrüht seL 
Ursprünglich ein Roman, der für Erwachsene bestimmt ist, hat er in 
seinen Bearbeitungen in das Knabenalter herabsteigen müssen. Wir nun 
wollen ihn noch weiter herunterrücken im Dienste des Unterrichts^ 
ohne ihn dadurch aus der Privatlektüre unserer Jugend zu verdrängen. 
Denn es ist von hoher Bedeutung, dass jeder klassische Stoff, der als 
Erzählungstoff dem Unterrichte gedient hat, auf einer höheren Stufe ala 
Privatlektüre wiederkehrt. Wenn wir also den Robinson für das zweite 
Schuljahr bestimmen, so kommt es nur darauf an, ihn für diese Stufe 
in angemessener zweckentsprechender Weise zu bearbeiten. Ohne Zweifel 
mnss uns hierbei das Original des Daniel Defoe massgebend sein, wie- 
wohl wir im Hinblick auf die Stellung des Robinsonstoffes in unserem 
Lehrplan vor weitgehenden ÄnderuDgen nicht zurückschrecken. Wir 
waren allerdings früher der Meinung, dass wir der Bearbeitung Rousseaus, 
Gampes und Gräbners nicht folgen dürften, die Robinson von allem ent- 
blösst auf die Insel kommen und ihn erst später Werkzeuge und Gerät- 
schaften in einem gestrandeten Schiffe finden lässt. Zu einer so weit- 
gehenden Umarbeitung des Originals konnten wir uns früher nicht ent- 
schliessen, weil wir annahmen, es sei der Apperzeptionskraft der von 
der modernen Kultur umgebenen Kinder zu viel zugemutet, aufzufassen^ 
wie ein Mensch ohne alle Hilfsmittel, ganz von vorn beginnend, sich 
nach und nach die Natur zu unterjochen vermag. Aber erneute Be- 
obachtungen und mehrfache Prüfung in der Praxis der Übuugsschule zu 
Jena haben uns davon überzeugt, dass der Lehrplan die Bearbeitung 
des Stoffes in Rousseauschem Sinn fordert und dass die Kinder sehr 
wohl imstande sind, in diese Auffassung sich zu versetzen und sie zu 
verstehen. 

Wenn wir uns also im ganzen auch dem Original anschliessen, so 
tritt doch die Notwendigkeit an uns heran, dasselbe einer durchgreifenden 
Bearbeitung zu unterwerfen, um den Erzählungstoff für das zweite 
Schuljahr daraus gewinnen zu können. Vor allem gilt es, den Stoff 
zusammenzudrängen; denn in solcher Ausführlichkeit, wie Defoe erzählt, 
können wir nicht darstellen ; auch geht vieles über den Horizont unserer 
Kinder hinaus. Da heisst es also, sich zu beschränken und gut auszu- 
wählen. Wir haben sogleich am Anfang die Fahrten Robinsons nach 
Guinea, seine Pflanzerzeit in Brasilien weggelassen. Denn ebenso wie 
seine späteren Schicksale nach dem Aufenthalt auf der Insel uns nicht 
interessieren können, ebensowenig die Ereignisse vor seinem Schiffbruch. 
Robinson auf der Insel, auf sich allein angewiesen, für sich allein tätig — 
das ist das Thema unseres zweiten Schuljahres, wie weiter unten nach- 
gewiesen werden soll. Auch hier wird man manche Abweichung vom 



Robinsoii 13 

Original, manche Zasammenziehongen und andere Anordnung gewahren, 
4ie wir im einzelnen nicht aufführen wollen.*) 

Eine weitere Frage wäre nun die nach dem Znsammenhang 
zwischen der Kobinsonerzählnng, dem Stoff des zweiten, and 
4en Märchen, dem Stoff des ersten Schuljahres. Auf den ersten 
Blick hin ist kein Zusammenhang zu bemerken; von der Welt der 
Härchen mit ihren erdichteten Gestalten scheint ein grosser Sprung zu 
«ein zu der realen Welt des Robinson, in der alles auf gesetzmässige, 
jiatumotwendige Weise vor sich geht. Das Gemeinsame zwischen beiden 
Stoffen möge jedoch darin gefunden werden, dass auch im Robinson noch 
4ie Phantasietätigkeit der Kinder eine Hauptrolle spielt, wie die Er- 
jsählung ja auch ein Phantasiegebilde ist, wenn auch nicht eines, das, 
wie die Märchen, aus der Kindheit des Volkes selbst stammt. Auf der 
anderen Seite liegt der Fortschritt über die Märchen hinaus darin, dass 
im Robinson die objektive Welt mit grösserer Deutlichkeit und Schärfe 
heraustritt, als dies in den Märchen der Fall ist. „Wenn nämlich das 
Kind auf der Stufe, wo ihm die Märchen kongenial sind, alle Aussen- 
dinge als seinesgleichen betrachtet und behandelt und daher die Wirk- 
lichkeit lediglich nach seinen Phantasien und Wünschen gestaltet, so 
kommt doch bald die Zeit, wo die zunehmende Erkenntnis des Wirk- 
lichen diese willkürliche Behandlung nicht mehr gestattet, wo alle 
Aussenwelt als ein Nicht-Ich, als eine von dem Ich und seinen Wünschen 
unabhängige Objektivität dem Kinde gegenübertritt. Trotzdem aber 
gibt das Ich seine alles gestaltende Kraft nicht auf, es modifiziert 
dieselbe nur, indem es allmählich einsieht, dass es sich zur Berherrschuog 
und Bewältigung der Aussendinge nach deren Natur richten müsse. 
Daraus entspringt dann das lebhafte Berdürfnis nach Erkenntnis der 
Natur und der Trieb, sie vermittelst dieser Erkenntnis den eigenen 
Zwecken dienstbar zu machen. Diese Wandlung tritt in jeder Kindes- 
entwicklung ein und im grossen und ganzen greift der Robinsonstoff richtig 
in diese Phase der Einzelentwicklung ein und fördert auch umgekehrt 
das faktische und praktische Eintreten dieser Stufe." (Staude, kultur- 
historische Stufen. Päd. Studien, 1880, 2. Heft.) 

Indem also der Robinsonunterricht ein Bild der Entwicklung von 
den Anfängen unserer Kultur darstellt, weckt er zugleich den Sinn für 
objektive, d. h. tatsächliche Betrachtung und Auffassung der umgebenden 
Welt Er wird dadurch, wie schon oben angedeutet, zur Propädeutik 
für die Geschichte. 

„Und diese Propädeutik ist eben deswegen so geeignet, weil jener 
Fortschritt nicht dargestellt und verfolgt wird an dem höchsten Kultur- 
produkt, an der religiös-sittlichen Weltanschauung, deren Verständnis und 
Aneignung nur durch Vertiefung in ihre einzelnen Stufen gewonnen 
wird, sondern in der dem Kinde greifbarsten und fasslichsten Gestalt, 
an der Überwältigung und Dienstbarmachung der Natur, an der Riesen- 



*) Der Text, welcher dem Leseunterricht zugewiesen ist, ist in 
unserem Lesebuch für das zweite Schuljahr gesehen. Die Verfasser 
haben sich dabei bemüht, dem Standpunkt der Kinder gerecht zu werden. 



14 Das zweite Schuljahr 

arbeit, welche vorgeschichtliche nnd geschichtliche Menschengeschlechter 
zum Zwecke ihrer menschenwürdigen Existenz geleistet und den Kindern 
der Gegenwart znm behaglichen Gennss überliefert haben. Dieser ge- 
waltige Fortschritt, diese unzähligen Knlturleistungen werden in der 
Bobinsonerzählung konzentriert und gleichsam in einen Brennpunkt ver- 
einigt, und wenn nur diese Seite derselben vom Unterricht gebührend 
gewürdigt wird, dann wird die gedankenlose Stumpfheit und gefühllose 
Hoheit, mit der so viele Zeitgenossen die alltäglich gewordenen Errungen* 
Schäften, Erfindungen und Wohltaten der kulturgeschichtlichen Arbeit 
gebrauchen und missachten, von den Kindern fernbleiben, und dafür wird 
geschaffen werden freudiges Staunen, dankbare Hinnahme und Teilnahme 
und bewusste Versenkung in das Warum? und Woher? aller in die 
Gegenwart hineinragenden geistigen nnd materiellen Denkmale der Ver- 
gangenheit.'' (Staude a. a. 0.) 

In ähnlicher Weise setzt Zillig auseinander: 

„Wie der Mensch der Urperiode zu seinen wenigen mechanischen 
Verrichtungen Muscheln, Knochen, Pflanzenteile ohne vorherige Bear- 
beitung, so wie die Natur sie Ihm bot, benutzte; wie er weiterhin Pfeil 
und Lanzenspitzen, Messer und Gerätschatten zur Bearbeitung de» 
Bodens, zur Herstellung der Wohnung oder Grabstätte, ja schon ein- 
zelnen Zierrat in freilich oft mühevoller Weise aus Stein fertigte, bis er 
endlich in den Metallen ein Mittel zur Befriedigung mannigfaltigster Be- 
dürfnisse und in dieser Verwendbarkeit wiederum einen Anreiz zu immer 
neuen Erfindungen empfing; mit welcher Überlegung und Umsicht bei 
Schafftmg einer bergenden und schützenden Wohnung zu verfahren war^ 
wenn das Bedürftiis nach sicherer Ruhe, die Notwendigkeit, sich gegen 
Feinde in tierischer und menschlicher Gestalt zu verteidigen, dazu nOtigte ; 
wie viel Anstrengung und Schweiss es kostete, der Natur die Nahrung 
abzugewinnen, und mit welchem Aufwand von Kraft, Mut und schlauer 
Berechnung sich der Mensch die Herrschaft über die Tiere sichern 
musste, indem er die einen zu bekämpfen, die andern seinem Unterhalt 
dienstbar zu machen hatte; wie der Mensch sich hauptsächlich dadurch 
über den tierischen Standpunkt erhob, dass er nicht alles, was ihm der 
Augenblick bot, auch verbrauchte, sich den Überfluss vielmehr für die 
Zukunft aufbewahrte, dass er . sich Zwecke setzte, über das, was er 
später nötig haben werde, im voraus sorglich nachdenkend, dass er für 
jene Zwecke sich die Mittel berechnete und mit Anstrengung aller 
Kräfte bereitete; wie dabei namentlich das Feuer zum mächtigen Hebel 
seiner Entwicklung sich gestaltete, usw. — Dies alles finden wir in der 
Geschichte Robinsons in konkreter, für die lünder fasslicher Weise dar- 
gestellt/ *) 



•) Zillig, XIV. Jahrb., S. 108 f. Erläuterungen zum XIV. Jahr- 
buch. Leipzig 1882, Veit and Comp. Vergl. Wohlrabe, Ober Gewisseir 
und Gkwissensbildang, Programm des Weimar. Seminars 1883, S. 53 f. 
Evangel. Schalblatt von Dörpfeld: Erinnerung an das Zillersche 
Seminar in Leipzig, 4. Heft 1883. Th. Wiget, Weim. Kirchen- and 
Schalblatt, 1880 Nr. 1. Ders., Praxis der Schweiz. Volks- and Mittel- 
schule, 1881 Nr. 1. Beyer, Die Natorkunde im erz. Unterricht. Bei na 



• Robinson 15- 

Bekanntlich forderte anch Biedermann in seinem Schriftchen 
^Der Geschichtsunterricht in der Schule^ zan&chst einen knltnr^ 
geschichtlichen Anschauungsunterricht. Derselbe solle an 
die Dinge der Umgebung anknüpfen und diese zu Ausgangspunkten für 
eine rückblickende Betrachtung machen. Man würde also z. B. deii 
Schüler von der Anschauung der gegenwärtigen Kleidung, Nahrung, 
'Wohnung, häuslichen Einrichtungen und anderen Erscheinungen des ihU' 
umgebenden Kulturlebens hinüberleiten zu der Anschauung eben dieser 
Vorkommnisse in einem früheren Zeiträume usw. Die wichtigsten Er- 
gebnisse eines solchen kulturgeschichtlichen Anschauungsunterrichts seien^ 
folgende: 1. Die Übung und Schärfung des Beobachtungs- und Ver- 
gleichungssinnes bei den Schülern. 2. Die Anleitung und Gewöhnung 
derselben, auch an den alltäglichen Vorkommnissen nicht stumpf und 
gleichgültig vorüberzugehen. 3. Die erste Weckung des Bewusstsein» 
von einem Fortschreiten, einer Vervollkommnung der Menschheit durch 
eigene Tätigkeit, durch Arbeit, durch gegenseitige Hilfleistungen usw. 

Gewiss sehr richtig. Aber unstreitig wird das Interesse für kultur- 
geschichtliche Tatsachen und Aufgaben nachhaltiger und wärmer werden,, 
wenn es mit der Teilnahme für die Schicksale einer bestimmten Persön- 
lichkeit verknüpft ist. Der Biedermannsche Anschauungsunterricht muss^ 
notwendigerweise etwas Nüchternes und Langweiliges in seiner Abstrakt- 
heit bekommen — eine Befürchtung, die man für die Robinsonerzählung 
nicht zu hegen braucht. Hier wird das Interesse an der Person des^ 
Einsiedlers in den Kindern ein unmittelbares Leben gewinnen und sa 
stark werden; dass es auch auf die übrigen Unterrichtsgegenstände, auf 
die kulturhistorischen Betrachtungen wie auf die naturkundlichen in der 
erfolgreichsten Weise einwirkt. 

Der durchschlagende Grund, der für Einführung der Robinson- 
Erzählung in das zweite Schuljahr spricht, ist also dieser: Er repräsen- 
tiert die vorhistorische Zeit, die allen Kulturvölkern gemeinsam ist. Er 
versetzt die Schüler in die Kulturanfönge, in denen der Mensch sich über 
die Natur erhebt und sie zu beherrschen beginnt. Er erweckt im Schüler 
die Vorahnung von historisch Gewordenem, leitet also die erste Pflege 
und Weckung des historischen Sinnes ein und bereitet in zweckmässiger 
Weise das Verständnis vor für die folgende Patriarchenzeit. So reiht 
sich die Robinson-Erzählung in den historischen Rahmen vortrefflich ein,, 
indem sie zugleich die Kluft überbrückt, die in der Kinderseele zwischen 
der reinen Phantasiewelt und der objektiven Welt besteht. Durch ihn 
geht dem Schüler die Erkenntnis der Beziehungen zwischen Natur- und 
Menschenleben auf, die Bewältigung von Naturdingen und Naturverhält- 
nissen durch den Willen des Menschen, indem zugleich eine Klärung und 
Erweiterung der Raum- und Zeitvorstellungen eintritt. 

Ein gleicher Fortschritt über die Märchen hinaus geschieht in 
religiös-sittlicher Beziehung. Wenn der Vorkursus, der die zwei ersten 
Schuljahre umfasst, auch durchaus den Standpunkt der Naturreligion ein- 



pädagog. Stadien, 2. Heft 1883 und Leipzig 1885. Beyer, Die Natur» 
Wissenschaften in der Erziehungsschule. Leipzig 1886. 



IQ Das zweite Schuljahr 

nimmt, so findet doch im zweiten Schuljahr eine Erweiterung nnd Ver- 
tiefung der religiös-ästhetischen Bildungselemente statt, so dass von hier 
aus d^ Übergang zur Sagenstufe ein unmerklicher wird. So stellt die 
Robinsonerzählung nicht nur als Kultur- sondern auch als Gesinnung- 
«toff durch Weiterbildung der im Märchen-Unterricht erarbeiteten sittliqh- 
religiösen Gebilde eine sichere Fortführung der Fundamente für die 
Charakterbildung her.'*') 

Endlich Jkönnte noch ein Bedenken erhoben werden, ob nämlich bei 
4er Wahl der B.obinsonerzählung für das zweite Schuljahr die Natur 
oder das Gemüt des Mädchens in eben dem Masse berücksichtigt sei, 
als die des Knaben, nnd ob nicht für Mädchen biblische Geschichten 
doch vorzuziehen seien. Dieses Bedenken erscheint uns nicht gerecht- 
fertigt. Denn es scheiden sich auf dieser Altersstufe die Geschlechter 
keineswegs so scharf, dass der Lehrplan darauf Bezug nehmen müsst«. 
Auch zeigen die Mädchen für die Hobinsonerzählung ein gleich leb- 
haftes Interesse. Überdies werden in den biblischen Geschichten auch 
vorwiegend männliche Charaktere betrachtet, so dass sie in dieser Be- 
ziehung keine besonderen Vorzüge für die Mädchenerziehung besitz^. 

Zum Schluss weisen wir noch darauf hin, dass die Robinsoner- 
zählung zugleich als Konzentrationstoff dient. Folgende Fächer 
sind — ebenso wie im ersten Schuljahre — zu berücksichtigen: Zeichnen, 
Modellieren und Singen, Deutsch (Lesen und Schreiben), Natur- 
kunde, Rechnen. Unter der Bezeichnung „Naturkunde" fassen ydr zu- 
gleich das Geographische, Technologische und Kulturhistorische zusamnien. 
Sämtliche Fächer schliessen sich der Erzählung teils direkt, teils indirekt 
an, so dass hierdurch ein organisches Ineinandergreifen der Lehrfächer 
entsteht. Die Konzentrationsidee, wie wir sie im ersten Schuljahr durch- 
geführt haben, kommt in gleicher Weise auch hier zur Anwendung. Die 
Naturkunde erhält vom Gesinnungsunterricht direkte Weisungen, ebenso 
das Singen, das zugleich dem Schulleben zu dienen hat. Das Zeichnen 
schliesst sich teils den Erzählungen unmittelbar, teils mittelbar durch die 
Naturkunde an. Ebenso auch das Rechnen, das die nötigen Ausga^Qgs- 
punkte ebenfalls in den behandelten Sachgebieten findet. 

So hängt hier alles von dem Mittelpunkt, dem Gesinnungstoff, ab. 
Und insofern ist die Frage, welcher Stoff dieses sei, für jedes Schul- 
jahr die wichtigste. Denn sie ist zugleich Kern- und Angelpiuikt 
der Konzentrationsfrage, wie wir in den einleitenden Kapiteln des „ersten 
Schuljahres" auseinander gesetzt haben. Die Theorie des Lehrplaiys, 
dessen erstes und hauptsächlichstes Stück die Auswahl und Aufeinander- 
folge des Gesinnungstoffes bildet, setzt für das zweite Schuljahr die 
Robinsonerzählung ein. An Robinson ist das herrschende Interesse ge- 
fesselt; aus ihm müssen sich alle die religiös-sittlichen Antriebe ergeben, 
welche bestimmend auf die Geistesbildung unserer Zöglinge einwirken. 
Er bildet aber auch den Ausgangspunkt für alle übrigen Besprechungen) 



'*') Eine ausführliche Darlegung dieser Gedanken wolle man im 
V. Heft ^Aus dem päd. Universitäts-Seminar zu Jena" in der Arbeit 4es 
Herrn H. Landmann nachlesen. (Langensalza, Beyer und Mann.) 



Bobinson 17 

<iie es nicht aaf die Pflege der Teilnahme, sondern vielmehr auf das 
Wachsen der Erkenntnis abgesehen haben.*) 

Auf solche Weise suchen wir die Idee des erziehenden Unterrichts 
in unseren Schulen zu verwirklichen. Mit ihr hängt auf das engste die 
Wahl unseres Gesinungstofles zusammen, von ihr ist unsere gesamte 
pädagogische Überlegung durchdrungen. Sie kann falsch sein; niemand 
^ber wird den Verfassern den Vorwurf machen können, von der her- 
rgebrachten Volksschulpraxis ohne tiefer gehende Beweggründe sich ent- 
fernt zu haben: 



2. Die Erzählung 

Vergl. „Lesebuch für das zweite Schuljahr", (Märchen u. 
B,obinsoD) 6. Aufl. Leipzig, H. Bredt, Seite 117 ff. 



3. Die Behandlung des Stoffes 

Die allgemeinen Grundzüge für die Behandlung des Stoffes 
«ind im „ersten Schuljahr" 7. Aufl. 111 — 163 dargelegt. Im besondern 
sei hier bemerkt: Nach der Theorie unseres Lehrplanes werden dem 
Kinde Unterrichtstoffe angeboten, die seiner Entwicklungsstufe, d. i. seiner 
Auffassungskraft, entsprechen. Damit ist in psycholigischem Sinnß die 
MögUchkeit gegeben, dass die Kinder im Unterricht rege Selbsttätigkeit 



*) Was Dr. Fröhlich gegen die Robinsonerzählung vorgebracht hat^ 
(Die wissensch. Pädagogik, Wien, 3. Aufl. S. 184 f.) ist durch P. Zillig 
widerlegt worden. (Pädag. Stud. 1884, 2. Heft S. 33-37) Ferner wurde 
im Rhein. Schulmann ((Neuwied 1885, Seite 361 ff.) eine kritische Be- 
^sprechung des Konzentrationsstoffes für das 2. Schuljahr veröffentlicht. 
Diese war jedoch keineswegs geeignet, unsere Überzeugung auch nur im 
mindesten zu erschüttern. Vergl. den Aufsatz von Grabs, Erziehungs- 
schule 1885, Nr. 12, Seite 148, ferner den Streit Wiget-Kuoni in der 
^Schweizer. Lehrerzeitung 1883, Nr. 30 n. 81, und Beilage zu Nr. 35. Ferner 
,Rhein-Schulmann 1885, Nr. 11 und 1886. 2: Emme, Ist die Robinson- 
erzählung der geeignete Lehrstoff für das 2. Schuljahr? — Die Einwände 
aber, welche aus der Mitte der herb artischen Richtung gegen die Ver- 
wendung der Robinsonerzählung als Qesinnungstoff des zweiten Schul- 
jahres erhoben wurden, sind in der Arbeit von H. Landmann (V. Seminar- 
neft, Jena) eingehend besprochen worden. Hartmann, Die Auswahl des 
Volksschuliehrstoffes. Sachs. Schulztg. Jahrg. 1887 Nr. 14—18. Lange, 
Über Apperzeption. 4. Aufl. S. 160. will mann, Päd. Vorträge. 2. Aufl. 
Anhang: Anmerkung 17. Die Kritik, die bisher an den Robinsonstoff 

felegt wurde, ist durchaus theoretischer Natur. Bis jetzt hat noch niemand, 
er Gelegenheit hatte, den Wert der Erzählung für das 2. Schuljahr prak- 
tisch zu erproben, gegen sie sich ausgesprochen. Alle, die praktisch 
diesen Stoff durchgeführt haben, wurden von seiner Brauchbarkeit und 
Oüte überzeugt. Mit Recht schreiben daher die „Oberrheinischen Blätter 
für erziehenden Unterricht" (Fr. Krönlein, Freibujg i. Br.) Nr. 11, 1894: 
<„Mir ist es unbegreiflich, dass Schulmänner, die niemals solche Stoffe 
unterrichtlich behandelt haben, theoretisch an dem Stoffe Kritik üben.*^ 
Vergl. Ackermann (Päd. Fragen, 2. R., 2.): n^it Robinson lässt sich 
wohl etwas anfangen, vorausgesetzt, da?3 der Lehrer etwas damit anzu- 
fangen weiss." 

Pm iweite Schuljahr. 2 



lg Das zweite Schuljahr 

entfalten nnd prodoktive Arbeit leisten können. Das ist von grond» 
legender Bedeutung ffir die Eniehong, da prodoktive Tätigkeit echte 
Erziehung am besten fördert. 

Wo das Kind an wertvollen Stoffen selbsttätig roitsehaffen kann, da 
gedeiht es am besten nach Intellekt, Gemfit und Willen, da entsteht 
lebendiges und dauerndes vielseitiges Interesse, da wächst die Seele 
harmonisch aus. Diese Einsicht sollte heutzutage zum psychologisch- 
pädagogischen Abc jedes regelrecht vor- und durchgebildeten Erziehers 
gerechnet werden können. 

Der hohe erziehliche Wert produktiver Tätigkeit drängt deshalb zu 
der Pflicht, im Unterricht die Bahn zur Selbstbetätigung zu beschreiten, 
welche die Lehrplantheorie in der Auswahl, Aufeinderfolge und Inbeziehnng- 
Setzung der Unterrichtstoffe geebnet hat: es muss die unterrichtliche 
Behandlung so gestaltet sein, dass produktive Arbeit geleistet werden 
kann und geleistet wird. 

Wohl bei keinem Unterrichtstoffe stösst dabei die Unterrichtskunst 
auf geringere Schwierigkeiten als hier. Die Kinder bringen dem Bobin- 
sonstoff, wenigstens von da an. wo des Helden Zukunft rätselhaft und 
damit spannend wird, ein ausserordentlich reges Interesse entgegen. Da 
arbeiten die kleinen Geister, lebhaft im Intellekt nnd Gemüt angeregt, 
am Auf- und Ausbau der Handlang; da zeigen die leicht ablenkbaren 
Naturen Sammlung, die schwerfälligen und trägen gesteigerte Lebendig- 
keit, und nur die tiefstehende geistige Minderwertigkeit beharrt in ihrer 
Teilnahmlosigkeit. 

Wir besitzen für die Unterstufe keinen zweiten Stoff, an dem der 
Lehrer so unzweideutig erfährt, dass der Kindesgeist weit mehr pro- 
duktiv-selbsttätig als rezeptiv sein will Lass nns doch schaffen, bitten 
die Kinder in der Bobinsonstnnde durch Worte oder Gebärden, und es 
gehören entweder der ganze Frevel einer bürokratischen oder einer 
nervösegoistisch ausgeübten Schulregierung oder ein bis zum Stumpfsinn 
reichender langweiliger Unterrichtsbetrieb dazu, das sich zeigende auf- 
strebende geistige Leben nicht zu erkennen nnd niederzutreten. 

Der erziehliche Erfolg der Eobinson-Behandlong ist in erster Linie 
daran gebunden, dass sich die Kinder in ihrem natürlichen Schaffens- 
drange und in ihrer Schaffensfreude ausleben dürfeo. Damit soll nicht 
völliger Ungebundenheit und Zügellosigkeit das Wort geredet sein. Das 
Kind soll sich nur in seinem Schaffensdrange von keinem anders wollenden 
Willen, der sich ihm unverständlich aufdrängt, eingeengt fühlen; nach 
eigenen Sorgen und Einfällen, nach eigenem Nachdenken, Prüfen, Ab- 
wägen , Wählen, Bevorzugen, Verwerfen usw. soll es sich die Welt des 
Eobinson, diese echte Kinderwelt, auf- und ausbauen können. In die 
Schranken ist es nur da zu verweisen, wo es in seinem Denken und Tun 
auf Abwege zu gerben droht ; nur da ist ihm zu helfen, wo es Hinder- 
nisse nicht zu überwinden vermag. Alles Eingreifen hat jedoch durch 
leise Winke in Form von Einwänden, Vorschlägen^ Hichtigstellnngen, 
Anspornungen usw. zu geschehen, um die Gedanken- und die Gemüts- 
bewegungen richtig einzustellen und zu leiten. 



Robinson 19 

Solche Arbeit ist nur von einer Erzieherpersönlichkeit, die voll von 
Liebe zu den Kindern und voll von Begeisterung und Verständnis für 
die Berufsarbeit ist, zu leisten. Die „Persönlichkeit^ reicht aber nicht 
aus, um die Lehr- und Erziehungskunst vorbildlich auszuüben. Durch 
die heute so viel gerühmte „Intuition'' wird die volle Ausnutzung eines 
Unterrichtstoffes im Sinne des gesamten Erziehungsplanes nicht ohne 
weiteres verbürgt. Dazu führt nur die harte Arbeit theoretisch-päda- 
gogischer Vor- und Durchbildung im allgemeinen und Unterrichtsübung 
auf dem Grunde psychologisch-methodischer Durchdenkung und Gestaltung 
der Stoffe im besondern. In dieser Hinsicht fallen echte Künstler in 
Unterricht und Erziehung ebensowenig vom Himmel wie in der Musik, 
Malerei, Plastik usw.: überall steht vor dem Künstlertum harte, zähe 
Arbeit der Ausbildung. 

Die Unterrichtsarbeit muss also auf eingehende methodische Vor- 
bereitung gegründet sein, und dabei wäre für die Behandluog des Robin- 
sonstoffes besonders auf folgende Punkte zu achten. 

1. Während der ganzen Behandlung muss der Lehrer die Haupt- 
aufgaben im Auge behalten, die der Stoff erfüllen soll. Es sind ihrer 
drei: 

a) Weiterbildung der religiös-sittlichen Gefühlsweise und Urteilskraft. 

b) Anregung und Ausgestaltung des Gedankens vom historischen 
Werden und Vergehen in einer der kindlichen Fassungskraft 
entsprechenden Art und Weise. 

c) Erweiterung und Klärung der Erkenntnis von Naturdingen und 
Naturgeschehen, soweit die Erzählung unmittelbar und unge- 
zwungen dazu veranlasst. 

Unter diesen Gesichtspunkten hat die ganze Arbeit zu geschehen, 
und es ergibt sich daraus von selbst, dass die eine Stoffpartie mehr 
diesem, die andere mehr jenem Zwecke zu dienen geeignet ist. Damit 
sind zugleich Hinweise für eine rechte Einteilung des Stoffes in Behand- 
lungsabschnitte oder „methodische Einheiten'' gegeben. 

Das Lesebuch bietet den Robinsonstoff in 32 Hauptabschnitten dar. 
Weder diese noch die Unterabschnitte sind aber als „methodische Ein- 
heiten^ aufzufassen. Die Abgrenzung der „methodischen Einheiten^ hat 
vielmehr der Lehrer nach seinen Überlegungen zu treffen. Darin liegt 
seine Freiheit und kann seine individuelle Gestaltungskraft zur Geltung 
kommen gegenüber der Gebundenheit an das psychologische Lehrver- 
fahren, nach dem innerhalb jeder Einheit gearbeitet werden muss. 

Die Abgrenzung der „methodischen Einheit" hat von dem begriff- 
lichen Material aus zu geschehen, das man an der Hand des Stoffes als 
relativ selbständiges Glied des gesamten Arbeitsplanes betrachtet, weil 
es einer gesonderten Besprechung durch alle Stufen des Lernprozesses 
bedarf. Steht diese Abgrenzung fest, so handelt es sich um die Frage, 
wie das Unterrichtstück am fruchtbarsten methodisch zu bearbeiten ist. 
In seiner Präparationsarbeit hat also der Lehrer das psychologische Lehr- 
verfahren zunächst rückläufig zu verfolgen, wenn er zu kiinstlerischer 
Gestaltung des Stoffes nach den Seiten der Abgrenzung in „methodische 



20 T>%» xwcite SebnlJAhr 

EimhmUM* 8a<i 4er iHnksab^tng kosmen wfll. Ei gut aaek kitf fibr 
dk» LeWer (kr Sau: Zaent das Ziel «ad daan der Wtg. 

Daa Letetaeh eatlOlt ferner eiae Aaawahl poedaeber Bei^aiMaCe, 
die aaf die HaapUte^aitte dea Textes Terteilt worden siadi, so dasa 
§^ikMk im lakaltsrerzet^haiise der koozeatriereiide Charakter dea Ba^es 
deatlsek berrortritt. Mit dieser koazestriereaden Verteflaa^ aoll aker keiaer 
aawaad^Varea Bekaadlmii^ Vorsehab geleistet, gtadkw^gt eiae wolAt 
iett^tie^ worden sein. Anregang soll der Konzentrationsraraaek geben, 
wie flMa stttiieh-reliipdse Gedanken and allerlei GematsatiniBaagan, die 
der Erzftblst4Hf erzeni^ ia passenden Gediebten aasklingen, lasaMfa 
ÜMsen and festbalten lassen kann. DeM Ldirer stebt es also dnndbaas 
frei, Ton der gegebenen Sammlang Gediebte aaszosebalten oder andere 
eiDzafdbren. 

2 Als wiebtigste Stufe im Lemprozess hat unter allen ümslladen 
die der Ansebaaimg za gelten. Die Ansebaanng ist grundlegend and 
mnss deshalb f6r Intellekt und Gemüt klar und wahr ausfallen, damit 
daraus alle den Lemprozess abschliessende Arbeit leicht und sacbinhalt- 
lieh herrorwäebst Wo das nicht geschieht, droht der Untorieht ver- 
balistisch zu werden. • 

Wie ist nun die AnscbauuDgstufe im Bobinsonstoff lebendig, klar, 
wahr, dem produktiven Arbeitstriebe entgegenkommend und ihn eriialtend 
und fdrdemd zu gestalten? Einige Winke darfiber: 

a) ZuDäehst ist es nötig, dass die Behandlung von Anfang an nber- 
all klare heimatliche Vorstellungen benutzt Dem Inselleben musa 
z. B, ein heimatlicher Schauplatz zugrunde gelegt werden, der 
die rerschiedenen Erlebnisse Robinsons und seine ganze Insel- 
welt Torzusplegeln gestattet, lian darf aber den Kindern einen 
solchen Schauplatz nicht etwa bloss schildern, vielmehr auskund- 
schaften mnss man ihn mit den Schfilem, oft dort weilen und 
die Handlungen dahin verlegen. Wie Bobinson müssen die Kinder 
hier zielbewusst herumstreifen und ihre Phantasie von hier aus 
in die Ferne schweifen lassen, oder umgekehrt das Phantasie- 
bild in die gegebenen realen Verhältnisse eintragen. Bobinson 
mnss da draussen im Spiel, d. h. für das Kind in lebendiger 
Wirklichkeit, erlebt werden. Dann regt sich das geistige 
Leben in den Kindern, wenn sie dem nat&rlichen Triebe folgen 
dürfen und können, ihre Vorstellungen in die Wirklichkeit um- 
zusetzen; dann werden die Vorstellungen vollwertig in intel- 
lektueller und gemfitlicher Hinsicht; dann kommt es zu inn^m 
Erlebnissen, aus denen wahre Gefühle und Stimmungen hervor- 
gehen. Damit sind wesentliche Bedingungen zur Entstehung 
klarer und wahrer Anschauung, auch mit besonderer Bncksieht 
auf das Gefühlsleben, gekennzeichnet. 

b) Dem Trieb zum Handeln muss auch im Unterricht zwischen den 
vier Schalwänden nach Möglichkeit Bechnung getragen werden. 
Es ist dort reichlich davon Gebrauch zu machen, den Phantasie- 
bildern durch Modellieren in Plastilina oder Ton greifbare Ge- 
stalt zu geben. 



Eobinson 21 

Robinsons heisses Bemühen, sich in seiner Lage zn verbessern, 
and seine Erfolge darin müssen die Kinder sodann durch eigenes 
Ton kennen and schätzen lernen. Deshalb gilt es für sie, za 
Sachen and zu versachen, sich anzastrengen and ausdanernd za 
mühen, am z. B. Pfeil, Bogen, Spiess asw. aas and mit den 
natargegebenen Mitteln anzufertigen. Durchforschet darum die 
Natur nach brauchbarem Material und übt euer Können daran, 
heisst es dabei. In diesem zielbewussten Forschen und im ziel- 
bewussten Üben des Könnens liegen wesentliche Merkmale klarer 
und wahrer Anschauung mit besonderer Rücksicht auf die Er- 
kenntnis der objektiven Welt. 

Wer in der Lage ist, schien Unterricht so zu gestalten, dem 
wird es am rechten Erfolg nicht fehlen. Es werden ihn dann 
vielleicht auch Interesse, Schaffensfreude und wachsendes Können 
der Kinder auf die unseres Er achtens bildendste Unterrichsform, 
die „entwickelnd dar steinende^ hindrängen. 

3. Über die Synthese im Geschichtsunterricht, sowie über den ^ent- 
wickelnd darstellenden Unterricht^ siehe das 1. Schuljahr, 7. Auflage, 
Seite 139 ff; XVII. Jahrb. d. V. f. w. Päd., S. 178 f. und den be- 
treffenden Artikel von 0. Foltz in Reins Encyklopädie, 2. Aufl., Langen- 
salza. Beyer & Mann. Der „entwickelnd darstellende Unterricht" regt 
die produktiven Kräfte am intensivsten zum Schaffen an. Er ist in vollem 
Sinne des Wortes konkret aufbauende Unterrichtsform, bei der sich die 
Kinder mit Hilfe des Lehrers die Erzählung stückweise selbst erarbeiten. 
Es findet dabei entschieden ein lebhafterer Gedankenfluss und eine leb- 
haftere Gefnhlserregung statt, als da, wo die Schüler sich vorherrschend 
rezeptiv verhalten müssen. 

Die Anwendung des „entwickelnd darstellenden Unterrichts^^ setzt kon- 
kretes Vorstellungsmaterial voraus, und es kommt darauf an, dieses so 
zu verwerten, dass dadurch im unterhaltenden Zwiegespräch ein neuer 
Stoffabschnitt erarbeitet wird. Das Unbekannte des Stoffes muss also mit 
Hilfe von Bekanntem im Intellekt und Gefühl ergriffen oder assoziiert 
werden können. 

Daraus folgt, dass nicht alle Stoffpartien „entwickelnd darstellend** 
behandelt werden können und sollen. Es ist Sache des Lehrers, die ge- 
eigneten Abschnitte dafür auszuwählen. Ferner ist damit gesagt, dass 
die Darbietung des Neuen auch durch die Erzählung des Lehrers zu ge- 
schehen hat. Die mustergültige Erzählung hat ihre volle Berechtigung 
und wir unterschätzen ihren Wert nicht. Trotzdem sind wir überzeugt, 
dass bei ihrer ausschliesslichen oder sehr überwiegenden Anwendung man 
weder der Klarheit und Wahrheit in der Anschauung, noch dem 
Schaffensdrange der Kinder gerecht zu werden vermag, und dass man 
nach der erzählenden Darbietung den Lemprozess sehr oft nicht nutz- 
bringend abzuschliessen vermag. 

4. Dass mit dem Wiedererzählen von selten der Kinder der Unter- 
richtsprozess nicht abgeschlossen und vollendet ist, soll noch besonders her- 
vorgehoben werden. Es handelt sich noch darum, die Kinder in den erarbei- 
teten Stoff zu vertiefen und auch einige religiös-ethische Sätze aus dem 



22 ^&s zweite Schuljahr 

konkreten Material ahzaleiten. Die Vertiefung geschieht aach am besten 
in der Form der Unterhaltung.*) Man hat sich aber zn hüten, in das 
so beliebte „Abfragen*^ zu geraten und Religiöses and Ethisches den 
Schalem entlocken zu wollen, was in ihnen weder Kraft noch Gestalt 
anf der Anschanangsstufe gewonnen hat. Der Lehrer mass erkennen and 
festhalten, was sich an religiösen and ethischen Gefühlen and Urteilen 
auf der Anschaaangsstafe geregt hat. Darauf hat sich die Vertiefung zu 
richten und Zusammenfassung der Urteile zu bewirken. 

5. Die religiös-sittlichen Sätze werden, wo es geht, in einem Bibel- 
spruch, in einem Sprichwort oder in einem sonst leicht fassbaren klassi- 
schen Diktum zusammengefasst. An geeigneten Stellen müssen sie wieder- 
holt und geordnet werden. Dabei ist auch auf das religiös-sittliche 
Material aus dem ersten Schuljahr Rücksicht zn nehmen. Die Wieder- 
holungen sind aber nicht als Gedächtnisübungen anzusehen, sondern es 
ist auf das Bekannte unter neuen oder veränderten Gesichtspunkten zu- 
rückzugreifen, so dass auch hier, wo es sich um Zusammenfassungen und 
Zusammenstellungen handelt, nach Möglichkeit immanent wiederholt wird. 

6. Im Folgenden geben wir in kurzen Umrissen religiös-sittliche und 
kulturgeschichtliche Betrachtungen an, die im Anschluss an die einzelnen 
Abschnitte der Robinsonerzählung sich zur unterrichtlichen Durcharbeitung 
darbieten. Auswahl hieraus und Bearbeitung sind dem Lehrer überlassen, 
da wir in den „Schuljahren" nur Anhaltspunkte für seine Präparationen 
zu geben beabsichtigen, um eigenem Nachdenken und freier Selbsttätig- 
keit nicht vorzugreifen. Unter demselben Gesichtspunkte sind aach die 
beiden Präparationen zu betrachten und zu beurteilen. Für die Vor- 
bereitung ist dem Lehrer auch das Präparationswerk von A. Fuchs, Jena 
Verlag Haake, zu empfehlen. 

Übersieht des Stoffes 

1. Robinson als Schulknabe: Es werden die Faulheit, der 
Leichtsinn und Ungehorsam das Knaben gerügt, der, anstatt zu arbeiten 
am Hafen spazieren geht. Hervorgehoben wird ferner, dass Robinson 
die Heimat nicht liebt, das Brot nicht achtet, keine Ordnung hält and 
die Weihnachtsgeschenke nicht recht einschätzt. Dagegen sind auch die 
Ansätze zum Guten zu beachten, Robinson ist wissbegierig, die elterlichen 
Vorhaltungen gehen ihm zu Herzen, er gibt sich Mühe, das Gute zu tun, 
verachtet z. B. das Brot nach der Zurechtweisung nicht wieder. Sein 
grösster Fehler ist seine Willensschwäche, den Versuchungen zu wider- 
stehen. Das alles ergibt sich aus dem Vergleich mit den Geschwistern 
und Spielgefährten in anschaulicher Weise. Poesie: 1 — 4.**) 

2. Robinsons Ferien: Der Vater gibt sich alle Mühe, Robinson 
zu bessern. Umsonst. Robinson ist empfänglich für alles Neue, was er 
während des Landaufenthaltes wahrnimmt. Er fängt auch allerhand 
Arbeiten mit Eifer an, aber es fehlt ihm an Stetigkeit darin. Bald 



*) Für diese Unterhaltungen kann die Robinsonaasgabe von Campe 
dem Lehrer mancherlei Winke ^eben. 

**) Die Nammern beziehen sich auf das Lesebuch. Teilweise sind die 
Gedichte im- naturkundlichen Unterrichte zu verwenden. 



Bobinson 23 

verUert er überall die Lust wie die kleinen Kinder. Die guten Bei* 
spiele der Kameraden nnd die wohlmeinenden Worte der Eltern fruchten 
nichts; Robinson wird den Gedanken an eine Eeise in die weite 
Welt nicht los. Wie leichtsinnig ist er doch dabei, da er gar nicht 
überlegt, wie es ihm in der fremden Welt, die er gar nicht kennt, er- 
gehen kann 1 Wie wenig nachhaltig spürt er von der elterlichen Liebe, 
die es so gut mit ihm meint! Poesie: 1, 2, 5. 

3. Bobinson als Lehrling: Bobinson ist ein ganz anderer Lehr- 
ling als seine gleichaltrigen Kameraden. Nur kurze Zeit arbeitet er, 
dann empfindet er gar nichts mehr vom Ernst der Arbeit. Er denkt 
nicht über seine Zukunft nach, ist blind dafür. Die Bitten, Mahnungen 
und Warnungen von Vater und Mutter gehen nicht tief bei ihm und 
sind bald wieder vergessen. Die Gedanken an den Hafen und eine See-, 
reise nehmen ihn ganz gefangen und lassen ihn alle seine Pflichten ver- 
gessen. Er wird ein Müssiggänger. Ungehorsam und Lieblosigkeit gegen 
die Eltern treten immer deutlicher bei ihm hervor. 

Müssigung ist aller Laster Anfang. Ihr Kinder, seid gehorsam euem 
Eltern in allen Dingen. 4. Gebot. Poesie: 6. 

4. Bobinsons heimliches Fortgehens Auch der Tod der 
Brüder ändert Bobinson nur oberflächlich. Zwar folgt er den Eltern 
mehr, doch der Gedanke an das Meer behält die Macht über ihn. Da- 
ran ändert auch alles weitere Bitten und Flehen der Mutter nichts. 
Bobinson spricht nicht wieder von seinem Wunsche, denn, glaubt er viel- 
leicht, die Eltern gönnen mir nichts. Wie unrecht! Nun fügt es sich 
gar, dass er ohne Abschiedsgruss Vater und Mutter heimlich und bös- 
willig verlässt. Wie hartherzig 1 — Wenn dich die bösen Buben locken, 
80 folge ihnen nicht. Ehre Vater und Mutter und verlass sie nicht. 
Poesie: 7 und 8. 

5) Bobinsons Seereise: Das weite Meer, das unermesslich hphe 
und weite Himmelszelt mit seinem Farbenspiel nnd seinen unzähligen 
Sternen erwecken in Bobinson eine Gottesahnung, und mit dieser kehrt 
das Bewusstsein über sein Unrecht gegen Vater und Mutter bei ihm ein. 
Wir freuen uns, dass sich das Gewissen bei ihm so zu regen beginnt 
und ihn zu dem Entschlüsse treibt, zu den Eltern zurückzukehren. Um 
so schärfer tadeln wir dann, ^ass er die Ausführung seines Vorsatzes 
wieder vergisst und seine Beue nur von kurzer Dauer ist. „Wir müssen 
bei uusern guten Vorsätzen bleiben und sie nicht vergessen^. Poesie: 
11—12. 

6. DerSchiffbruch: Not lehrt beten, sagt ein bekanntes Sprich- 
wort. Bei Bobinson scheint das zunächst nicht zuzutreffen, denn Wind 
und Wellen, Blitz und Donner, der ihm vor Augen stehende Tod führen 
ihn nicht zu Gott. Um so ergreifender wirkt es, wie ihn der milde 
Glanz des Abendsterns zu Gott emporzieht. Gott als ein Wesen, das 
Lust am Verderben haben könnte, bleibt Bobinsons Innerm fremd, 
aber der Gott der Liebe offenbart sich ihm und führt ihn durch die 
Liebe zum Bewusstsein der göttlichen Allmacht, dass er beten kann: 
„Hilf mir Gott und sieh nicht an, was ich Böses getan habe*'. Poesie: 
13—15. 



24 I^i» zweite Sdnü jekr 

7. Die Rettmag: Betatoii nX ein ^idball des eapörtea MeeresL 
Was kam wdmt Kraft ia der Kaast des Schwinmens dagegca Ua ? V<» 
dea Wellea wird er fufri gmme n, aad lie, von d^ea er tielMriieb de» 
T#d erwartete, werdea seiae Better. Das erkennt er, nachdem er die 
h€tiumBg wieder gewofanen hat. Zugleich erkennt er aber dahinter die 
Wirkeade Haad des gitigen Gottes, nnd innig dankt er anf dea Kakeft 
den hiBBlii^en Vater fir die wanderbare Bettang. Poesie: 16 — 17. 

8 Die Insel: Das Gefihl des Alleinseins im fremden Lande, die 
Farcht tot wildea Tieren, vor dem Tod ans Honger nnd Dorst, lenkoi 
EobiasoBS Blick iauaer m^r za dem, der Wolken, Lnft nnd Winden 
gOi Wege, Laof aad Bahn ... So sacht nnd findet er seinen 
Gott im Abend' nad Morgeabittgebet nnd noch mehr im Dank for die 
Gftte, die ihm cotdl geworden ist Da lernt er sprechen: «Nie bist do^ 
Hükäster, Ton ans fem*^ . . . „Bafe mich an in der Not'' . . . ,,Wenn 
di« Not am grötsten, ist Gottes Hilfe am nächsten''. Poesie: 18-19. 

9. nnd 10. Bobinson sorgt für eine Wohnung und richtet 
sich ein; Es beginnen Sorge nnd Kampf um die Erhaltnng des Lebens. 
Die Sorge spricht: Wo werde ich wohnen? Was werde ich essen nnd 
trinken, nnd womit soll ich mich kleiden? Diese Fragen beherrschen 
KobinsoDS ganzes Denken nnd Tan. Nach irdischen Dingen beisst es 
trachten, fleissig sein von morgens bis abends und a) Wohnang suchen 
nnd einrichten, b) nach Nahmogsmitteln forschen, c) sich die not- 
wendigsten Kleidungsstücke verschaffen, d) mit der Zeit rechnen zu 
lernen. 

Begreiflieh ist es da, dass Bobinson vor lanter Sorgen nnd Bingen 
am seine Lebenshaltnng den vergisst, der ihm bis jetz geholfen hat. 
Begreiflich, aber trotzdem unrecht. 

Erfreulich ist es umsomehr, dass Bobinson, nachdem sich des Tages 
Last und Mühen verringert haben, wieder an Gott denkt nnd die Sonn- 
tagsfeier mit Lob und Dank für alles Gute einrichtet. 

Besondere Beachtung verdienen auch die Tugenden des Fieisses nnd 
der Beharrlichkeit, die Bobinson im Nachdenken und Arbeiten zur Er- 
reichung seiner Ziele entwickelt. Wie führt Beharrlichkeit, an der e» 
ihm früher fast ganz fehlte, zum Ziel! — ,,Bis hierher hat der Herr 
geholfen, er wird auch weiter helfen" . . . „Lobe den Herrn und ver» 
giss nicht, was er dir Gutes getan hat'^ ! — „Auf einen Hieb föllt kein 
Baum" . . . Poesie: 20—24. 

11. Bobinson sieht sich auf der Insel um: Not und W^iss- 
begierde treiben Bobinson dazu, sich auf der Insel weiter umzusehen. 
Mit Gott fängt er seine Unternehmungen an. 

Nun lernt er ein fremdes Land kennen, das seine Einbildungskraft 
zu Hause so sehr gefangen gehalten hat. Dabei kommt er zur ruhigen 
Überlegung und sieht ein, wie töricht er war. Er weint, aber er ver- 
zweifelt nicht, sondern rafft sich auf und handelt als Kraftmensch, den 
man achten und als Vorbild betrachten muss, nach dem Wort: „Arbeiten 
und nicht verzweifeln". So erreicht er viel. Poesie: 27 — 28. 

12. Folgen der Beise: Die Beise hat ihm Erfahrungen gebracht,, 
die ihn nachdenklich machen. Durch Schaden wird er klug. Er musa 



Robinson 25 

sieb den Verbältnissen anzupassen versacben, mit den zugebenen Mitteln 
reebnen. 

Damit beginnt der Gedanke der Entwicklang anscbanlicb za wirken. 
Diesen Entwicklongsgedanken, das bistoriscbe Werden, die Schüler abnen 
za lassen, gebort von nan an mit zn den Hanptaafgaben des Unterrieb ts. 
Die Aufgabe wird nicbt dadarcb gelöst, dass man von Zeit za Zeit sagt : 
Sebt, so bat sieb allmäblicb alles entwickelt. Solcbe Hinweise sind 
Pbrasen für die Kinder. Sie braacben plastisch anscbaaliche Entwick- 
lang ibres Helden ; sie müssen diese Entwicklung selbst mit darcbmacben. 
So entsteht die Ahnung vom Werden der Dinge anf und aus sachlichem 
Untergrund und hört auf, blosse Verbalassoziation zu sein. 

Robinson erkennt im Schatten ein Orientierungs mittel. Er mus» 
Fasse und Kopf gegen die erkannten Unbilden zu schützen suchen. — 
Wünschen bringt den Menschen nicbt weiter, sondern Nachdenken und 
Tun. — Vorbedenken und Nachbedenken fordert. Poesie: 29. 

13. Robinson alsJäjger: Der Trieb zur Verbesserung seiner 
Ernährung und das Vorbandensein von Jagdtieren erwecken den Ge- 
danken, Jäger zu werden. Robinson ist der Mann, neue Gedanken gleich 
in die Tat umzusetzen. Doch wieviel Nachdenken, Energie, Beharrlich- 
keit gehört dazu, ans Ziel zu kommen. Und die Erreichung des Zieles 
bringt neue Aufgaben mit sich. — Feuer zu erbalten, gelingt ihm nicht, 
darum muss er das Fleisch auf andere Weise essbar zu machen ver- 
suchen. Viel Fleisch verdirbt ihm. Das bringt Antrieb zum Bauen eines 
Kellers, und im Anscbluss hieran stellt sich ganz natürlich der Wunsch 
nach Bequemlichkeit ein und führt zur Herstellung von Tisch und Stuhl. 
— Es gelingt Robinson, alle Aufgaben mit den ihm von der Natur dar- 
gebotenen Mitteln zu lösen. Seine Erkenntnis der Natur wird immer 
reicher, so dass er ausrufen kann : „Herr, wie sind deine Werke so gross 
und viel. Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll 
deiner Güter.« Poesie: 30. 31, 36. 

14. Robinson will ein Hirt werden: Eine Ziege erhält Robin- 
son und damit einen lebenden Geführten. Welche Freude erwächst ihm 
daraus, aber auch wieviel neue Sorge 1 Sein Freund bedarf des Schatzes. 
Die Höhle muss darum mit einem Hofe umgeben werden. Neues AVerk- 
zeug muss dazu ersonnen und hergestellt werden. Alles gelingt, und 
sicher fühlt sich Robinson im geschützen Heim. Er kann Lebensmittel- 
vorrat aufspeichern und dadurch Zeit für den Umgang mit seinem Kame- 
raden gewinnen. Sinnig und innig gestaltet sich dieser Umgang. Durch 
Fieiss, Nachdenken und Ausdauer kann ich viel erreichen, ich darf nur 
nicbt die Lust und den Mut verlieren. Der gute Mensch ist freundlich 
mit den Tieren. Poesie: 37—38. 

15. Robinson sorgt für den Winter: Die Zeitvorstellang 
fängt ihre besondere Rolle in Robinsons Leben zu spielen an. Der Winter, 
der ihm früher viele Freuden brachte, steht jetzt als Schreckgespenst 
vor seiner Seele und bringt ihm neue und grosse Lebenssorgen. Die 
fübren aber zu neuen Fortschritten: warme Kleidung und Wintervorrat 
werden geschaffen. „Spare in der Zeit, so hast da in der Not.** AVir 
wollen ordentlich und anständig gekleidet geben. Poesie: 39 — 4L 



26 ^^9 zweite Schal jähr 

16. Robinson wird krank: Jetzt, wo ein heftiges Fieber Ro- 
binson plagt, gedenkt er seiner Eltern, denn dass der Matterliebe zarte 
Sorgen fehlen, bringt ihn wieder mehr zar rechten Wertschätznng der 
Eltern. Die Elternliebe kommt zam Darchbrach and lässt ihn bittere 
Rene empfinden. Er betet inbrünstig za Gott and gesteht, wie schweres 
Unrecht er seinen Eltern zugefügt hat. Er bittet .sie am Verzeihung 
und bereitet sich* zum Tode vor. Gott hilft ihm auch diesmal und lässt 
ihn gesunden. Sein erstes ist nun, dass er Gott dankt — „Danket dem 
Herrn^ . . . „Barmherzig und gnädig ist der Herr*' . . . nHerr, der du 
mir das Leben, auch diesen Tag gegeben^ . . . 

„Vergiss nicht, wie sauer du deiner Mutter geworden bist. Wer 
hat das Kind am liebsten?^ . . . „Wer nährte mich an treuer Brust? 
Wer trug und küsste mich vor Lust? usw.** . . . 

17. Die Ernten: Gott zeigt sich Robinson als der Geber alles 
Guten und schenkt ihm Gerstenkörner. Um aber daraus Brot zu ge- 
wiunen, ist viel Nachdenken und Mühen nötig. Dabei erfährt Robinson, 
was das Wort bedeutet: ^Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein 
Brot essen. ^ — „Alle gute und alle vollkommene Gabe** . . . „Aller 
Augen warten auf dich** . . . Poesie 53 — 56. 

18. Das Feuer: Wieder erhält er eine gute Gabe von oben, die in 
seinem Leben eine vollständige Umwälzung hervorruft. Was doch die 
eine Himmelsgabe vermag ! Sie schafft Rat und Hilfe an allen Enden. Sie 
stellt neue Aufgaben und macht sie lösbar. „Wohltätig wirkt des Feuers 
Macht.** Poesie: 57. 

19. Robinson als Töpfer: Zum Feuer gehören nur noch Töpfe, 
um kochen und ein heimatliches Gericht bereiten zu können. In dem 
Gedanken steckt Antrieb zu neuem Schaffen. Nachdenken und Versuche 
führen wieder zum^ Ziel. — „Übung macht den Meister.^ „Probieren 
geht über Studieren.** Poesie: 58 — 59. 

20. Sonntagsfeier: Unermüdlich hat Robinson an seinen Töpfen 
gearbeitet. Jetzt kocht es zum erstemal darin. Wie wird das herr- 
lich munden, wie am Sonntag zu Hause! Sonntag? Wie lange habeich 
über der vielen Arbeit nicht an den Sonntag gedacht! Es ist unrecht, 
Gottes Feiertag vergessen zu haben! So ruht Robinson aus und eilt zu 
seinem Kalender. Dieser zeigt für den nächsten Tag einen Feiertag an, 
den nun Robinson in innigem Verkehr mit seinem Gott verlebt. 

„Mein erst Gefühl sei Preis und Dank.** — „Wach auf, mein Herz, 
und singe**. — ^Ach bleib mit deiner Treu**. — „In allen meinen 
Taten**. — „Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge be- 
schicken** — Kalender und Sonn- und Festtage im Jahre. Poesie: 62 — 63. 

21. Robinson als Bäcker: Ganz natürlich vervollkommnet und 
verschönt sich Robiusons Lebensweise. Freilich überall erfährt er die 
Wahrheit von seines Vaters Wort: Ohne Fleiss erblüht dir nirgends 
Glück auf Erden. Kann ihm volles Glück überhaupt auf der Insel er- 
blühen? Nimmer, denn sein Herz weilt je länger je mehr zu Hause bei 
Vater und Mutter. Am Geburtstag der Mutter kommt es ihm ganz und 
gar zum Bewusstsein, wo sein Glück wohnt. 

„0 lieb, so lang du lieben kannst!** Poesie: 65, 66; 69—72. 



Robinson 27 

22. Robinson baut sich einen Kahn: Das Heimweh bringt 
ihn ZQ dem Unternehmen. Er hat aber das Werk nicht recht bedacht 
und erreicht sein Ziel deshalb nicht ganz. ^Vorgetan and nachbedacht 
hat manchen in gross Leid gebracht Poesie: 73 — 75. 

23. Eine nene Entdeckung: Seine Angst über die Fassspar, 
die er im Sande findet, ist gross, doch natürlich and begreiflich. Eben- 
so gerechtfertigt ist sein Entsetzen, das ihn ergreift, als er die Über- 
reste von Menschen findet, welche die Menschenfresser am Strande zurück- 
gelassen haben. Ergreifend ist sein Dank, dass ihn Gott behütet hat 
and seine Bitte am Bewahrung vor einem so schrecklichen Ende. 

Mut und Tatkraft, die er bei der Bettung des Wilden zeigt, packen 
uns. Wie kommt Robinson, der erst so grosse Angst zeigt, dazu? Es 
gilt einen Menschen zu retten, wenn auch einen wilden. Der Wilde ist 
ein Mensch und darum Robinsons Nächster. „Du sollst deinen Nächsten 
lieben wie dich selbst. '^ „Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt." 
Durfte Robinson die Wilden töten? Notwehr? Der gerettete Wilde 
zeigt sich sehr dankbar und gehorcht Robinson. „Seid barmherzig, wie 
euer himmlischer Vater auch barmherzig ist.^ Gebote 1 und 5. Poesie 76. 

24. Robinson als Lehrer: Robinsons Belehrung: Gott liebt die 
Menschen, wie ein Vater seine Kinder liebt. Er weiss alles und erhält 
die ganze Welt. Einen bösen Gott gibt es nicht. Es gibt nur einen 
Gott, und das ist ein lieber, guter Gott. Er sorgt für uns und be- 
schützt tins. — Immanente Wiederholung religiös-ethischer Sätze! Poesie 
77—78. 

25. Weihnachten in der Fremde: Robinson belehrt Freitag 
über die Bedeutung des Weihnachtsfestes. Poesie 81 — 86. 

Zweckmässig lässt sich im Anschluss daran ein Kursus einschieben 
über die in der spätem Anmerkung gewünschte Wiederholung und Er- 
weiterung der Erzählungen aus dem Leben Jesu. Man wird es auch so 
einzurichten versuchen, dass dieser Kursus in die Weihnachtszeit fällt. 

Besonders sei auch hier hervorgehoben, dass die Entwicklung der 
Kultur der Menschheit in den Belehrungen, die Robinson dem Freitag 
angedeihen lässt, klar hervortreten. Im Unterricht mass darauf Gewicht 
gelegt werden. 

26. Ein Schiff: Menschen schweben in Todesgefahr. Da ist 
Robinson hilf bereit zur Rettung. Freitag auch. Ihre Hände sind zu 
kurz zam Helfen. Der Untergang aller Schiffsinsassen versetzt Robinson 
in tiefe Trauer. — Poesie: 87. 

27. Die Schätze des Schiffes. I Vergl. die 2. Präparation 

28. Der Wert der Güter. / und die Poesie: 88—89. 

29. Der Kampf gegen die Wilden: Robinson und Freitag 
sind gnte Genossen. Freitag gehorcht pünktlich. Mutig gehen sie in 
die Gefahr und retten die Gefangenen. Freitag erlebt eine grosse Freude, 
indem er seinen Vater findet. Die kindliche Liebe, die er zeigt, findet 
lebhafte Zostimmung, ebenso Robinsons Sorge für die Geretteten. 

„Seid barmherzig gegen eure Feinde.'' — „Liebe Vater und Mutter 
mit ganzem Herzen.*' „Liebes Kind, pflege deines Vaters im Alter und 
betrübe ihn ja nicht.'' Poesie 90. 



28 ^As zweite Schuljahr 

30. Ein anerwartetes Ereignis: Der Spanier und Freitags 
Vater fahren in Freitags Vaterland. Robinsons Sorge erstreckt sich 
immer weiter. Nan will er auch den andern weissen Männern helfen. 
Das ist gut von ihm. „Da sollst deinen Nächsten lieben, wie dich 
selbst.** 

Nach langer Prüfung sendet Gott dem Robinson Errettung. ^Wer 
nur den lieben Gott lässt walten usw.^ ^Befiehl du deine Wege usw.*' 
Poesie: 91—93. 

81. Der Abschied: Robinson wird die Trennung von der Insel, 
von allem, was er dort geschaffen hat, schwer. Sein Abschied von 
Freitag. Die grosse Treue desselben findet entschiedenen Beifall. „Sei 
getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.*' 
Poesie: 96. 

32. Die Heimat: Das Wiedersehn. Gottes Fügung. „Der Herr 
behütet alle, die ihn lieben. ** „Meine Gedanken sind nicht eure Ge- 
danken usw.^ „Barmherzig und gnädig ist der Herr usw.^ Poesie: 
97—101. 

Anmerkung. 

In der Zeit vor Weihnachten findet eine Wiederholung und Er- 
weiterung der Erzählungen von der Jugend Jesu statt, nicht in streng 
unterrichtlicher, sondern mehr in erbaulicher Weise. Es werden die 
Gedichte des Lesebuchs : Das Christkind, Weihnachtslied, Vom Himmel 
hoch da komm ich her, Stille Nacht, du fröhliche (Lesebuch II, Nr. 
83 — 88) herangezogen, besprochen und gelernt. 

ZusammenstelluDg 

Am Ende des Schuljahres wird eine Zusammenstellung des ge- 
wonnenen ethisch-religiösen Materials erfolgen können, etwa nach folgenden 
Gesichtspunkten : 

1. Gott und der Mensch. 

2. Der Mensch und die Schöpfung. 

3. Die Menschen unter einander. 

4. Der Mensch und die Tiere. 

5. Von dem Segen der Arbeit. (S. Präparationen v. Fuchs, 
S. 107 f.) 

Die im ersten Schuljahr gelernten Sätze werden bei passender Ge- 
legenheit herangezogen und mit den neu gewonnenen verknüpft. Eine 
schriftliche Feststellung der ethisch-religiösen Sätze kann dann im 3. Schul- 
jahr in Angriff genommen werden. Das ist der Anfang für den all- 
mählich zu gewinnenden Schal-Katechismus. 

Zwei Lehrbeispiele 

1. Beipiel 

(Erzählender Unterricht) 
Der erste Abschnitt ija Lesebuch ist überschrieben: „Eobinson als 
Schulknabe''. Das religiös- ethische Material, das darin enthalten ist, 
lässt sich in folgenden Sätzen aussprechen: 



Bobinson 29 

1. Ein fleissiger Schüler gefällt, ein fauler missfällt; sei darum 
fleissig. 

2. Ein braves Kind gehorcht seinen Eltern und macht ihnen 
Freude. 

3. Sei stark gegen die Versuchung und lass dich nicht verfuhren. 

4. Halte, was du dir vorgenommen und was du versprochen hast. 
Ein Mann, ein Wort. 

5. Achte das Brot, denn es ist Gottesgabe. 

6. Sei bescheiden und zufrieden in deinen Wünschen. 

7. In der Heimat ist es schön. Lerne sie kennen, dann wirst du 
sie lieben. 

Dieses Material erscheint wertvoll und* geeignet, den Abschnitt 
„Eobinson als Schulknabe*' als „methodische Einheit^ zu betrachten. 
Der Erzählstoff ist aber umfangreich und muss deshalb in Unterabteilungen 
zerlegt werden. Jede dieser Unterabteilungen wird nach den beiden 
ersten formalen Stufen durchgearbeitet. Ist dies geschehen, dann beendet 
die dritte, vierte und fünfte Stufe den Lernprozess für die Einheit. Es 
würde sich demnach die Präparation für diese erste Einheit etwa so ge- 
stalten : 

I. Stück 

Ziel: Ein Schulknabe betrübt Vater und Mutter. (Oder: Er macht 
Vater und Mutter Sorgen und Herzleid.) 

I. Stufe: Der ist ganz anders als Buben sein müssen. Wie denn? 
Er ist böse und ärgert Vater und Mutter. Da müssen wir doch fragen ! 
Was hat er getan? Wie hat er die Eltern geärgert? Davon will ich 
euch später erzählen Vielleicht habt ihr noch etwas anderes zu fragen ! 
Wie heisst der Knabe? Wo wohnt er? Ich will euch sagen, er lebt 
nicht mehr. Schon vor vielen Jahren ist er gestorben. Er hiess . 
Eobinson, und wo er gewohnt hat, das soll euch ein Flösser, der auf 
unserer Saale fährt, erzählen. 

Der Flösser sagt: Die Saale trägt mich auf meinem Floss immer 
weiter. Da komme ich an vielen Städten vorbei, an Jena, Naumburg 
und Halle. Wenn ich von Halle an noch einen oder zwei Tage fahre, 
hört die Saale auf und fliesst in einen viel breiteren Fluss. Das geschieht 
ebenso wie im Paradies, wo die Leutra aufhört, indem sie in die Saale 
fliesst. 

Nun schwimmt mein Floss auf dem breiten Flusse weiter. Der 
heisst die Elbe. Darauf gibts noch mehr zu sehen. Da fahren Kähne, 
die sind so lang wie unser Seminargarten, und Dampfschiffe fahren auch 
darauf. 

Immer weiter reise ich mit der Elbe, die immer breiter wird. Zu- 
letzt wird sie so breit, dass ich nicht mehr darüber schauen kann. 
Skizze vom Weg anzeichnen! Hier komme ich zu einer grossen Stadt, 
die heisst Hamburg. Wer weiss, was von Hamburg kommt? 

Im Paradies sind Kähne am Ufer festgebunden. Bei Hamburg aber 
liegen auf der Elbe grosse Dampfer und Segelschiffe. Die sind am Ufer 
oder auch auf dem Elbgmnde festgemacht, dass sie nicht wegschwimmen. 



30 ^<^8 zweite Schu^ahr 

Bild vom Hafen vorzeigen nnd die Eünder sich darüber kurz aosspreehen 
lassen 1 

Der Ort, wo so viele Schiffe stehen, wohin sie kommen nnd von wo 
sie wieder wegfahren, heisst Hafen. Im Hafen gibt es viel zn sehen. 
Sprich darüber! Möchtest da dort gerne zuschauen? 

In der Hafenstadt Hamburg wohnte Robinson, von dem ich euch 
nun erzählen will. Was denn? 

Erinnerung an das Ziel: Wie er Vater und Mutter betrübt.**) 

II. Stufe: Erzählung des Lehrers nach dem Lesebuchtexte: 

Bobinson lief lieber draussen umher, statt in der Schule zu lernen«. 
Am liebsten spielte er an der Elbe. Er sah zu, wie die Schiffe an- 
kamen. Die waren so gross wie zweistöckige Häuser. Er wollte sehen, 
wie sie ausgeladen werden, und wie die Leute aussteigen. Denn sein 
Vater hatte ihm erzählt: „Die Schiffe kommen weit her aus fremden 
Ländern. Dort leben wilde Tiere und braune Menschen. Die Nüsse 
sind dort so gross wie Köpfe und die Bäume so hoch wie Türme.* 
Manchmal sah Bobinson auch Schiffe fortfahren. Dann dachte er: „Ach, 
wenn ich doch auch einmal mitfahren könnte, weit fort von hier in ein 
fremdes Land! 

Überschrift: Bobinson geht gern in den Hafen. — (Die Kinder 
müssen gewöhnt werden, selbst Überschriften anzugeben.) 

Einprägung. Wenn der Lehrer das Stückchen ein oder zweimal 
erzählt hat, richtet er an die ganze Klasse die Frage: Wer kann es 
wieder erzählen? Einer der sich meldenden Schüler wird dazu aufge- 
fordert. Der Lehrer lässt ihn ruhig aussprechen, ohne ihn zu unter- 
brechen. Dann folgt, wenn nötig, die Frage an die ganze Klasse, was 
hat er vergessen? oder was hat er falsch erzählt? Die Erzählung wird 
nun ergänzt oder berichtigt. Nun erzählt derselbe Schüler, welcher 
die erste unvollkommene Darstellung gegeben hatte, das Stück noch ein- 
mal. Dann folgen andere. Bei dem Erzählen ist der individuelle Aus- 
druck höchst willkommen, Ausdrücke aus der Volkssprache sind gestattet, 
nur grobe grammatische Verstösse werden zurückgewiesen, oder von den 
Schülern verbessert. 

Zeigt sich bei dem Wiedererzählen der Kinder irgend eine Unklar- 
heit, irgend ein Missverständnis, so muss dasselbe sofort beseitigt und 
aufgeklärt werden und zwar durch eine Unterredung mit den £[indem. 
Dieselbe wird immer da den besten Erfolg erzielen, wo ein Bedürfnis 
dazu von selten der Schüler hervortritt. 

Das leidige Abfragen der Erzählung und Zerpflücken des Stoffes 
muss ganz unterbleiben. 

II. Stück 

I. Stufe: Das war aber doch nicht schlimm, dass Bobinson in den 
Hafen ging. Wieso denn? Er konnte dort viel sehen. Was denn? 
Da kamen Schiffe an und fuhren weg. Manche wurden ausgeladen. 



*) Der Anfang der Geschichte erheischt eine ausführliche Vorbereitung 
als spätere Einheiten. 



Bobinson 31 

Aach Menschen fahren weg, weinten and winkten mit den Tüchern. 
Andere kamen von der Reise and warden frendig empfangen. Die 
Kinder müssen ihre Qedanken zasammenhängend änsseru. 

Aber Robinson versäamte aach viel ! Er machte seine Schalarbeiten 
nicht. Er kam nicht zar rechten Zeit nach Hanse. Das ging nicht. 
Das darften Vater nnd Matter nicht leiden. Sie massten ihm das vor- 
halten. Hört) wie sie es getan haben. 

IL Stnfe: Erzählang: 

Oft kam er erst spät nach Hanse, wenn es schon dnnkel wnrde. 
Dann sah die Matter nach der Uhr nnd sagte zn ihm mit ihrer sanften 
Stimme: „Aber Robinson! Wie lange bist da wieder draassen gewesen! 
Sieh deine beiden Brüder an, Erich nnd Radolf! Wie fleissig haben die 
wieder gelernt nnd gearbeitet! Sie haben ihre dentschen Aufsätze ge- 
schrieben, gerechnet, gelesen nnd ihr Englisch gelernt. Und aach dein 
Schwesterlein Hildegard! Nimm doch endlich ein Bnch zar Hand!*' Und 
wenn schon die Lampen brannten, kam der Vater aas dem Geschäft. 
Dann hörte er, wie Robinson wieder seine Schalarbeiten nicht fertig 
gemacht hatte. Da trat er zu ihm ans Bett nnd sprach mit ernster 
Stimme: „Wenn da es so weiter treibst, Robinson, dann kann nichts 
Rechtes ans dir werden. Robinson, bessere dich!^ 

Dem Robinson kamen die Tränen in die Angen und er nahm sich 
vor, anders zn werden. Er blieb aach die ganze Woche za Hause und 
lernte. 

Aber die nächste Woche war goldiger Sonnenschein. Der schaute 
so hell ins Fenster und lockte ihn von seinem Stuhle auf, und bald war 
er im Freien, „^ie muss heute der Seespiegel funkeln und glitzern!^ 
so dachte Robinson. Er stand wieder bei den Schiffen und hatte alles 
vergessen. 

Überschrift: Wie Vater und Mutter Robinson warnen. 

Einprägung. Dieselbe erfolgt in derselben Weise, wie bei dem 
1. Stück. Es wird sodann das 1. und 2. Stück verbunden. 

m. Stück 

L Stufe: Einmal besuchte den Robinson sein kleiner Vetter PauL 
Der kam vom Dorfe, wo es nicht so viel zu sehen gibt wie in der Stadt. 
Robinson führte ihn herum und zeigte und erzählte ihm viel. Sprich 
darüber! Die Kinder lassen Robinson erzählen, was sie zu erzählen 
wissen : immanente Wiederholung. Sie flechten vielleicht auch Neues ein. 

Von Paul müsst ihr auch etwas sagen können! Sie erzählen, dass 
er sich wundert, erstaunt ist, sich freut usw. Vielleicht wird auch gesagt^ 
dass es Paul auch gut in Hamburg gefiel. 

Nun will ich euch erzählen, wie es gewesen ist. 

Erzählung: Einmal bekamen Robinsons Eltern Besuch. Da kam 
Paul, ein kleiner Vetter von Robinson, ein rechter Bauernjunge, herein 
in die Stadt. Robinson zeigte ihm alles, das Haus, die Stadt und den 
Hafen. Wie staunte der Junge über alles, über die grossen Häuser- 
reihen, über die Form der Kirche, über die prächtigen Wagen und die 
vielen, vielen Leute! 



32 I^as zweite Schuljahr 

Aber noch mehr sperrte er den Mand auf, als er den Hafen sah 
mit den vielen grossen Schiffen. „Die Mastbänme machen ja einen ganzen 
Wald!" sagte er. 

Robinson erzählte ihm von den grossen Eeisen, die die Schiffe 
machen, und sagte: „Ich möchte einmal fortfahren auf einem solchen 
Schiffe. Hättest du nicht auch Lust, Paul?** „Nein/ antwortete der 
Bauemknabe treuherzig. „Das möchte ich gewiss nicht. Ich will in 
meinem Dorfe bleiben. Ich will in meinem Vaterhause bleiben. Am 
plätschernden Bache draussen, wos Mühlenrad sich dreht, wo die Apfel- 
bäume so herrlich blähen, wo meine lieben Eltern wohnen, da will ich 
bleiben. Wie schön ist's da draussen! Ach, ich werde froh sein, wenn 
ich wieder dort bin!^ Bobinson guckte ihn ganz verwundert an. Er 
konnte nicht verstehen, warum Paul sein Dorf so sehr liebte, und Pa«l 
verstand es nicht, warum Robinson von Hamburg fort wollte auf das 
weite Meer und in ein fernes Land.'*') 

Einprägung: In derselben Weise. 

Überschrift: Wie den Robinson sein Vetter Paul besucht. 

IV. und V. Stück 

Sie werden ebenso behandelt und unter den Überschriften zusammen- 
gefasst: 

IV. Wie Robinson das Brot verachtet. 

V. Wie Robinson Weihnachten unzufrieden ist. 

Danach folgen die den Lernprozess abschliessenden Stufen. 

IIb. Wodurch betrübt Robinson seine Eltern? 

Er ist nicht fleissig, sondern läuft in den Hafen, ehe er seine 
Schularbeiten gemacht hat. Die Eltern mahnen und warnen ihn, meinen 
es gut mit ihm, aber er vergisst ihre Worte bald. Er verspricht, sich 
zu bessern, aber er hält sein Wort nicht. Er ist ungehorsam. Robinson 
kann sich auch nicht bezwingen. Er muss immer gleich das tun, wozu 
ihm die Lust kommt. 

Robinson ist auch unzufrieden und unbescheiden. Er hat viel zu 
Weihnachten bekommen, aber es ist ihm noch nicht genug. 

Mit dem Brot geht er schlecht um und verachtet die Gottesgabe. 
Er macht sich auch wenig aus seiner Heimat, in der es so viel zu sehen 
gibt und in der Vater und Mutter wohnen.**) 

lU. So sind nicht alle Kinder. Die Brüder Erich und Rudolf und 
sein Vetter Paul sind ganz anders! Erich und Rudolf sind fleissig, ge- 
horsam, halten ihr Wort, werfen das Brot nicht weg und sind bescheiden. 
Paul ist auch so, und er ist auch gern zu Hause, wo Vater und Mutter 
wohnen. Er liebt seine Heimat. 



*) Wir haben die Darbietung wöirtlich nach dem Lesebuch gegeben, 
um an dieser Stelle eine Probe aus demselben zu zeigen. Es versteht sich 
von selbst, dass der Lehrer frei und individuell zu erzählen hat. 

**) Es ist Sache des Lehrers, wieviel und was er von dem Material 
brauchen will und kann. 



BobiQSpn 33 

Es gibt manche Kind^, die laacben es so ähnlich wie Robinson. 
Die meisten sind aber wie Erich, Eadolf und Paal. Pas sind die guten 
Kinder. 

IV. Wir wollen uns darum merken: 

1. Ein gutes, braves Kind ist fleissig, gehorsam und bescheiden. 

2. Es hält sein Wort. 

3. Es achtet das Brot als eine Gottesgabe. 

4. Es folgt nicht Jeder Lnst. 

5. Es ist gern in seiner Heimat 

y. Was tost da, wenn die Schale aas ist? Wenn du aber keine 
Lost hast? Die Matter schickt dich in die Stadt zam Bäcker, wie musst 
da dich da verhalten? 

Da hast versprochen, fleissig za sein, was hast da zu ton? Dein 
Freand rnft: Komm mit zam Spiel! Da hast aber deine Arbeiten noch 
nicht fertig! Wir wollen Gedichte lesen. Sagt mir, was ihr dabei denkt. 
Gedichte: „Versachaag", „Der Fanle", „Mein Vaterhaas".*) 

2. Unterriehts-Beispiel 

(Ent wickelnd-darstell ender Unterricht) 

Vorbemerkung: Die folgende Präparation will den darch die Anf- 
ßndang des Schiffes herbeigeführten Wendepunkt in Eobinsons und Frei- 
tags Leben auf der Insel teilweise behandeln« Es bildet dieses Stiick 
aas dem Leben Robinsons eine „methodische Einheit''. Der Gründe, die 
hier zur Ausfuhrung dieser Einheit führen, sind drei. Erstens ist die 
Einheit reich an gesinnungbildenden Momenten, und es kann aus der 
Behandlung erkannt werden, wie die religiös- ethische Gefühls- und Denk- 
weise der Schüler durch den Bobinsonstoff geweckt, beeinflusst und ge- 
fordert wird. Zum andern kehren die Ereignisse und Handlungen dieser 
Einheit den kulturellen Gesichtspunkt deutlich hervor und zeigen, wie 
durch den Bobinsonstoff in dem Schüler das Interesse für historisch Ge- 
wordenes angebahnt und gefordert werden kann. Hier ist sehr klar der 
auf die Historie vorbereitende Charakter des Bobinsonstoffes ausgeprägt.**) 
Drittens endlich lässt sich an diesem Stoffe das Wesen des entwickelnd- 
darstellenden Unterrichts, soweit es überhaupt durch eine Unterrichts- 
akizze dargelegt werden kann, gut' erkennen. Der Leser der Präpara- 
tion vermag sich aus dem von den Schülern dargebotenen Vorstellungs- 
schatze durch Bückschlüsse und Vorblicke ein Bild von dem Gedanken- 
gewebe der Kinder und somit von der Gesamtwirkung der Bobinsoner- 
s&hlnng auf die Schüler zu machen. Er wird auf diese Weise vor einem 
absprechenden Urteile über die Möglichkeit der Schülerleistungen bewahrt, 
er wird begreifen, dass der Zögling nur leitender Anregungen durch den 
Lehrer bedarf, um die Geschichte in einer annehmbaren Weise zu konstruieren. 

Die Anlage der Präparation geht von folgenden Voraussetzungen aus. 



*) Vergl. Lesebach, 6. Aufl. Leipzig, Bredt. 
**) Verel. Biedermann, Der Geschichtsunterricht nach kultur- 
geschichtlicher Methode. 

Dm sweite Schuljahr. 3 



34 l^As zweite Schuljahr 

In der Geschichte ist ein Höhepunkt erreicht. Für die Kinder 
hahen Bohinson und Freitag in den äussern Einrichtungen eine Kultur- 
stufe erklommen, die obne moderne Knlturmittel nicht überstiegen werden 
kann. In dem Leben auf der Insel macht sich infolge der Buhe eine 
grosse Eintönigkeit geltend, die namentlich schwer auf Bohinson lastet. 
Er vermisst den Segen seines Lebens in der Heimat wieder sehr bitter, '*') 
seine Gedanken weilen ohne ünterlass im Vaterlande, und bei Jeder Ge- 
legenheit erzählt er Freitag wehmütig von dem verlornen Gute. Dabei 
tritt in gleicher Stärke mit dem Heimweh das feste Gottyertrauen auf 
eine endliche Erlösung an den Tag. — Freitag hat auch starke Sehn- 
sucht nach dem Vaterlande. 

Diese Gemütsstimmung benutzen wir zum Ausgangspunkte und zur 
Durchdringung der nun folgenden Einheit von der Auffindung des Schiffes, 
und es gestaltet sich der Verlauf der nnterrichtlichen Behandlung etwa so. 

Übersicht 

I. Teil 

(Im Vordergrund steht die Beeinflussung des Gemüts) 

Ziel: Wir erzählen, wie Bohinson zuerst noch trauriger, dann aber 
mit Freitag*'*') glücklich und reich wird. (Beich im Herzen, reich an 
äussern Gütern.***) 

1. Ein Schiff in Stnrmesnot und dessen versuchte Bettung. 

2. Fand und Besuch des Schiffes. 

3. Die Dinge, die Bohinson findet. 

4. Was er mit Freitag auf die Insel schafft und wie sie Gott 
danken. 

II. Teil 

(Im Vordergrunde steht die ScLärfung des Bewosstseins für das Geworden- 
sein und Werden der Dinge durch Gegenüberstellung des Einst und 

Jetzt) 

Ziel: Wir wollen sehen, wie jetzt für Bohinson und Freitag das 
Leben angenehmer wird.f) (Wert und Segen der Kulurgüter.) 
1. Wert der Schusswaffen u. Streich- 



hölzer. 

2. Wert der Bücher und des Schreib- 
materials. 

3. Wert verschiedener Gerätschaf- 
ten und Werkzeuge. 

4. Wert des Geldes. 



Auswahl und Beihenfolge der zu 
besprechenden Dinge hat sich nach 
* dem vorhandenen Interesse und dem 
dadurch bedingten Gang der Er- 
zählung zu richten. 



*) Vergessen hat er das Vaterhaus nie, aber die Gedanken daran 
waren durch Freitag in den Hintergrund gedrängt worden. 

**) Bohinson ist und bleibt die Hauptperson. Freitag wird deshalb 
eine so bevorzugte Stellung eingeräumt, weil er in seinem Denken, Fühlen 
und Handeln vielfach in Gegensatz zu Bohinson tritt und so in religiös- 
ethischer und kultureller Hinsicht aufklärend und vertiefend wirkt. 

***) Die Herausarbeitung dieses Gegensatzes liegt im Plane. In das 
Ziel kann der Gegensatz wegen seines abstrakten Charakters nicht auf- 
genommen werden. 

t) Dem Standpunkte der Klasse entsprechend, müssen die Ziele 
vielleicht einfacher lauten. 



Kobinson 



35 



Ausfnhrang.*) 

Ziel: Wie Robinson noch trauriger wird.** 

I. und II. Stufe. 

1. Robinson war seit einiger Zeit 
recht unglücklich, besonders war er 
es heute am letzten Tage im Jahre. 
Warum ? 



) 



Erzähle, weshalb nicht! 



Seht, so war es am Tage. Abends 
nun? 



Robinson rief oft aus: Könnte 
ich doch in einem Buche lesen! 

Oft erzählten sich dann die Freunde 
von der Heimat. Dabei waren sie 
gewiss traurig? 



Er hatte Heimweh und wünschte^ 
er wäre zu Hause bei Mutter und 
Vater. Auf der Insel gefiel es ihm 
gar nicht mehr. 

Er hatte in der Höhle, auf dem 
Hofe und im Garten alles so schön 
gemacht, dass es nicht besser mehr 
ging. Nun musste er jeden Tag 
dasselbe tun, und das wurde ihm 
langweilig.***) 

Abends gefiel es ihm erst recht 
nicht. Er konnte nichts Ordent- 
liches arbeiten, denn sein Licht 
brannte nicht sehr hell. 

Robinson und Freitag wurdea 
dann so traurig, dass sie zu weinen 
anfingen. Wenn doch ein Schiff 
käme und mich mit nach Hamburg 
nehme, rief er . . . manchmal be- 
trübt. 



*) Die Präparation will ein Bild aus der Praxis geben, soweit es 
aus der Erinnerung möglich ist. Die methodische Einheit umfasst im 
Lesebuch die Abschnitte 26, 27 und 28. 

**) Das Hauptziel umfasst die ganze Einheit, darum tritt es als 
Doppelziel auf. Ein Stundenziel muss einfach sein. 

***) Diese zutreffende Antwort brachten mehrere Schüler zugleich» 
und sie fand den Beifall der übrigen Zöglinge. Bei dieser Gelegenheit 
«ei auch bemerkt, dass da, wo dem Leser Antworten unerwartet kommen 
und als ein Unding erscheinen, die Erklärung dafür in erster Linie mit 
in der Lehrplanfraee gesucht werden muss. Die Anwendung des ent- 
wickelnd-darstellenden Unterrichts setzt zusammenhängende Stoffe voraus. 
AVer noch nicht zusammenhängende einheitliche Stofite mit den Kindern 
behandeln konnte, sondern durch den Lehrplan dazu verdammt war, für 
«ich selbst und mit den Kindern nach Schmetterlingsart an tausenderlei 
Dingen herumzunippen, der wird manches Dargebotene unbegreiflich finden. 
Zur Beruhigung vielleicht persönlicher Gereiztheit, mehr aber noch zur 
Beunruhigung seines pädagogischen Gewissens, soll einem solchen Leser 
gesagt sein, dass er an seiner Schule infolge des Lehrplans mit dem ent- 
wickelnd-darstellenden Unterricht wenig oder gar nichts anfangen kann, 
iveil bei allem Vielwissen die Schtller nicht diejenige Art und dasjenige 
Mass von Interesse und geistiger Schulung besitzen, wodurch eine so 
selbsttätige Arbeit möglich wird. In einer Schule, wo ein Lehrplan ohne 
geistigen Mittelpunkt besteht, haftet dem Schlilergeiste derselbe Mangel 
an. „Tausend Kräfte** werden rege gemacht, aber sie können sich nicht 
in „munterm Bunde** zu gemeinsamer höherer Arbeit vereinigen. Eng 
gefasste katechetische Fragen können wohl sicher und treffend beant- 
wortet werden, höhere Durchschnittsleistungen gibt es aber nicht. 

3* 



3« 



Das swtito SckuljaKr 



Dann aber dachte er wieder an 
Gott und wurde mutig. 

Dann sang er auch ein Lied ! . . . 



Freitag hatte auch Heimweh. 

Robinson sollte noch trauriger 
werden. Was nur geschehen mag ! 
Dmkt euch jetzt die beiden Freunde 
abends so traurig in der Höhle 
sitzen! 

Draussen ist es sto<^finstere Nacht. 
Ein furchtbarer Sturm hat sich er- 
hoben und wühlt das Meer so sehr 
auf^ dass hohe Wellen fast bis zur 
Hdhle gelangen. Robinson und 
Freitag können nicht schlafen. Ro- 
binson erzählt etwas! 

Robinson denkt vielleicht auch 
an Leute, die jetzt in Not sind? 



Dann sagt er noch : Freitag, wir 
wollen den lieben Gott bitten, dass 
er die Menschen, die auf dem Meere 
in Gefahr sind, behütet. Danach 
waren beide ganz still. Robinson 
liefen die Tränen über die Wangen. 

Plötzlich ertönten einige Kanonen- 
schüsse vom Meere herüber 1 Er- 
zähle, was Robinson sofort denkt 
und — tut! 

Ob Robinson nicht selbst helfen 
will so gut er kann? 



Hörte es wohl niemand? 



Ja» er sagte, der liebe Gott wird 
mir schon helfen. 

Wer nur den lieben Gott liast 
walten . . . Befiehl du deine Wege . . . 
Hoff, du arme Seele, hoff . - .*y 



Er erzählt Freitag vom Schiff- 
bruch. Siehst du, sagt er zu Frei- 
tag, so schreckliches Wettor war 
auch damaU, aU ich auf die Insel 
geworfen wurde. Alle Menschen, 
die mit mir auf dem Schiff waren,, 
sind im Meer ertrunken, mich allein 
hat der liebe Gott errettet. 

Ach, rief Robinson, wenn nur 
jetzt kein Schiff auf dem Meere ist,, 
sonst geht es auch unter, und aller 
Leute darauf ertrinken. 



Als Robinson die Kanonenschüsse^ 
hörte, rief er: Da ist ein Schiff in 
Not! Die Matrosen schiessen, damit 
andere Schiffe kommen und helfen. 

Robinson wollte nun gleich selbst 
helfen. Er dachte, wenn die Ma- 
trosen wüssten, dass hier eine Insel 
wäre, so könnten sie vielleicht her- 
überkommen (steuern). Darum sprang 
er gleich mit Freitag vor die Höhle,, 
und beide schrieen, so laut sie nur 
konnten. 

Der Sturm brauste so arg und 
das Schiff war so weit, dasa 
niemand auf dem Schiffe etwa&. 
hören konnte. 



*) Es kommt darauf an, welches Lied gelernt ist. 



Bobmaon 



87 



Da g^edachte Robinson, ein Zeichen 
zu geben, dass die Matrosen sehen 
konnten in der dnnkeln Nacht: 

Freitag sollte dabei helfen! 



Das Schiff bemerkte anch das 
Feaer nnd antwortete durch einen 
Eanonenschnss. Ob sich da Robin- 
8on freute und warum? 

Das Schiff kam auch wirklich 
der Insel näher. Robinson hörte 
es. 

Das Schreien ging Robinson sehr 
zu Herzer, aber er war doch mehr 
freudig als traurig und dankte Gott 
schon für die nahende Rettung. 
Freitag verstand alles nicht recht. 
— Plötzlich sollte alle Freude um- 
sonst gewesen sein. Robinson ver- 
nahm ein furchtbares Krachen vom 
Schiffe herüber. Er hörte lante Hilfe- 
rufe, die immer schwächer wurden, 
zuletzt war alles still. Jetzt ahnte 
er etwas Schreckliches 

Rettungsboot!*) . . . 



• • 



Robinson rief noch lange laut. 
Warum? 

Es war aber alles vergeblich. 
Die Nacht war schauerlich, nnd 
Robinson und Freitag gingen end- 
lich wieder in die Höhle. Schlaf? 

Er weinte nicht bloss über die 
Leute, sondern? . . . 



Da wollte Robinson ein Feuer 
auf dem Felsen anzünden, das sie 
auf dem Schiffe sehen konnten. 

Freitag musste trockenes Gras 
aus dem Stalle holen. Robiuson 
selbst nahm Kohlen aus dem Ofen 
uhd tmg sie auf den Felsen. Bald 
brannte das Feuer und leuchtete 
weit ins Iteer hinaus. 

Da freute sich Robinson sehr, 
denn er dachte, nun werden die 
Leute gerettet, ich bekomme Ge- 
sellschaft und kann mit dem Schiff 
fortfahren. 

Er konnte auf einmal das Jammer- 
geschrei der Reisenden hören, das 
auch immer stärker wurde. 



Da rief Robinson: Das Schiff ist 
vor einen Felsen gefahren und zer- 
brochen (geborsten — zersehellt). 
Es ist leck geworden. Das Wasser 
dringt ein, es sinkt unter, und alle 
Menschen ertrinken! 

Er wollte mit Freitag in das 
Boot steigen nnd sehen, ob sie je- 
mand retten könnten. Die Wellea 
gingen aber so hoch und es war 
so dunkel, dass das nicht ging. 

Er dachte, vielleicht ist jemand 
so wie ich auf die Insel geworfen 
worden, der kann es hören. 

Sie konnten aber die ganze Nacht 
nicht schlafen. Robtiison dachte 
immer an die unglücklichen Menschen 
und weinte über sie. 

Er weinte auch darüber, dass 
er nicht gerettet worden war. 



*) Ei ist selbstverständlich, dass im unterrichte vielleicht auch 
andere und bestimmtere Hilfen gegeben werden müssen. 



S8 ^As zweite Schuljahr 

Vielleicht lief er öfters noch Das tat er auch und rief nach 

hinaus. Menschen, aber niemand hörte. 

So verlief die ganze Nacht. 

Überschrift: Wie Eobinson ein Schiff vor dem Untergange 
retten will. 

Zusammenfassung*): Eobinson und Freitag waren nicht mehr 
fröhlich auf der Insel. Sie hatten beide Heimweh und wänschsten sich 
nach Hause. In der Höhle, auf dem Hofe und im Garten hatte Eobinson 
alles so schön in Ordnung gebracht, dass es gar nicht besser mehr ging. 
Nun musste er jeden Tag dasselbe tun, und das wurde ihm langweilig. 
Abends sass er traurig in der Höhle. Eobinson rief dann sehr oft: 
„Ach, hätte ich doch ein Buch zum Lesen! Eobinson und Freitag er- 
zählten sich auch oft von der Heimat und wurden dabei traurig bis zum 
Weinen. Eobinson wurde aber wieder mutig, wenn er an Gott dachte. 
Er sagte dann : Der liebe Gott wird mich doch noch erretten . . . Auch 
sang er: Wer nur den lieben Gott lässt walten usw. . . . 

Eines Abends sassen Eobinson und Freitag wieder traurig zusammen 
in der Höhle. Ein furchtbarer Sturm wühlte das Meer auf, so dass die 
Wellen fast bis an die Höhlen kamen. Eobinson erzählte jetzt Freitag 
alles von dem Sturme, den er auf dem Schiffe erlebt hatte. Zuletzt 
sprach er zu Freitag: Wir wollen Gott bitten, dass er die Menschen 
hehüten mag, die auf dem Meere in Gefahr sind. 

Plötzlich ertönten einige Kanonenschüsse vom Meere herüber. Eo- 
hinson wusste sofort, dass diese von einem Schiffe kamen. Er sagte zu 
Freitag: da ist ein Schiff in Not. Die Matrosen schiessen, damit andere 
Schiffe kommen und ihnen helfen. Eobinson wollte auch selbst helfen, 
80 gut er konnte. Er dachte, wenn die Matrosen wüssten, dass hier 
eine Insel wäre, so könnten sie vielleicht herübersteuem. Darum sprang 
er gleich mit Freitag vor die Höhle, und beide riefen so laut sie konnten. 
Der Sturm brausste aber so arg und das Schiff war noch so weit, dass 
niemand auf dem Schiffe etwas hören konnte. Da wollte Eobinson dem 
Schiffe durch ein Feuer ein Zeichen geben. Freitag musste rasch 
trockenes Gras auf den Felsen tragen, Eobinson brachte Kohlen herbei, 
und bald leuchtete das Feuer weit ins Meer hinaus. Das Schiff verstand 
auch das Zeichen und kam der Insel näher. Eobinson freute sich schon 
darüber, dass die Menschen gerettet würden und dass er mit dem Schiff 
bald fortfahren könnte. Er dankte Gott schon für die Eettung. Auf 
einmal hörte er ein furchtbares Krachen vom Schiff herüber. Die Eei- 
senden schrieen um Hilfe, bald aber war-^Ues still. Jetzt wusste Eo- 
binson, dass das Schiff an einem Felsen zerschellt war. Er wollte mit 
Freitag noch ertrinkende Menschen retten, aber das ging nicht. Er rief 
lange laut, um vielleicht jemand am Ufer zu finden, aber alles war ver- 



*) Kann man keine gute Zusammenfassung von den Schülern er- 
warten, dann hat das Vorbild des Lehrers voranzugehen; die Erfahrung 
lehrt aber, dass selbst lange Zusammenfassungen vollständig zufrieden- 
stellend ausfallen, wenn nur der Unterricht lebendiges Interesse hervor- 
zubringen vermochte. 



Bobinson 



39 



geblich. Da ging Bobinson mit Freitag traurig in die Höhle. Er 
weinte über die angläcklichen Menschen and konnte die ganze Xacht 
nicht ffftbl^ftii Oftmals lief er noch vor die Höhle and rief, aber nie- 
mand hörte. 



2. Nach nnd nach kam der Morgen 
heran. Der Starm hörte anf, nnd 
es wnrde etwas hell. Erzahle, was 
Bubinson sofort tat! 

Es war aber noch nicht hell ge- 
nng. 

Da sachten sie! 



Es wnrde non heller and sie 
kehrten wieder am. Als sie ein 
Stück gegangen waren, sah Bobin- 
son nicht weit von der Insel einen 
danklen Gegenstand aas dem Meere 
schaaen. Zuerst konnte er nicht 
genan erkennen, was es war. End- 
lich aber wnrde es ihm klar . . . 

Das hatte der Starm zaletzt aaf 
eine Sandbank*) geworfen. Aber 
wie sah es ans! 

Erzähle, was Bobinson dachte nnd 
tat! 



Aaf dem Wege schaate Bobinson 
ganz starr nach dem Schiffe nnd 
ihm schlag das Herz hoch, wenn 
er daran dachte, dass er im Schiffe 
noch Menschen finden könnte. End- 
lich langten sie an der Sandbank 
an. — Nichts regte sich im Schiffe. 
Bobinson wollte nnn hinein . . . 

Das ging nicht so leicht! 



Bobinson ging mit Freitag an 
das Meer nnd schaate nach dem 
Schiff. 

Sie konnten nichts sehen. 

Da gingen sie am Meere hin nnd 
sachten nach Menschen. Bobinson 
schrie wieder, aber niemand hörte. 
Sie fanden niemand. 

Es war das Schiff. 



Es lag aaf der Seite, die Mast- 
bäame waren abgebrochen and die 
Tane hingen an der Seite herab. Kein 
Mensch iiess sich aber daranf sehen. 

Bobinson dachte, vielleicht ist 
doch noch jemand lebendig im Schiff; 
ich will rasch hinüberfahren. Frei- 
tag mnsste nnn schnell das Boot 
derbeischaffen nnd beide fahren aaf 
has Schiff los. 

Die Tür war aber oben aaf dem 
Schiffe, and Bobinson mnsste des- 
halb hinaufsteigen. 



Das Schiff war hoch, and [Bobin- 
son konnte ohne Leiter nicht hin- 
auf kommen. 



*) Die Kinder wissen, dass in der Saale die Flösse oft auf Sand- 
bänke geraten. Mit Vorteil ist auch ein passendes Bild vorzuzeigen. 



40 



Das zweite Schuljahr 



Da kam ihm zum Glück ein Tan 
za Hilfe . . . 



Und Freitag band das Boot fest und 
folgte ihm nach. Gib an, was 
Eobinson nun weiter beginnt! 



Zam Glfick hing nach der einen 
Seite ein Tan vom Schiffe herab; 
an diesem kletterte Robinson auf 
das Schiff. 

Robinson öffnete nun die Tttr und 
ging in das Schiff. Er suchte zu- 
erst nadi Menschen in allen Kajüten, 
er klopfte an allen Türen, er rief 
auch laut, aber alles blieb still. 

Da merkte er, dass alle Menschen 
ertrunken waren und weinte bitter- 
lich darüber. 



NuQ wusste er etwas . . . 

Er klagte laut über den Tod der 
vielen Menschen. Freitag stand da- 
bei und wusste nicht, was er über 
das grosse Schiff und über seinen 
Herrn sagen sollte.*) 

Überschrift: Wie Robinson das verunglückte Schiff besacht und 
über den Tod der ertrunkenen Menschen klagt. 

Zusammenfassung: Als der Morgen kam, hörte der Sturm auf. 
Robinson ging mit Freitag sehr früh an das Meer und schaute sich 
nach dem Schiffe um. Es war aber noch sehr düster und nichts zu 
sehen. Da gingen sie am Meere hin und suchten nach verunglückten 
Menschen. Robinson rief überall laut, aber es hörte niemand. Als es 
heller wurde, kehrten sie wieder um. Als sie ein Stückchen gegangen 
waren, sah Robinson etwas Dunkles aus dem Meere schauen. Es war 
das Schiff. Das hatte der Sturm auf eine Sandbank geworfen. Da lag 
es auf der Seite, die Mastbänme waren abgebrochen und die Taue hingen 
an den Seiten herab. 

Robinson dachte, vielleicht lebt noch jemand im Schiffe. Freitag 
musste das Boot schnell herbeiholen und nun fuhren sie nach dem Schiffe. 
Als sie dort ankamen, wollte Robinson in das Schiff gehen. Zum 
Glück hing ein Tan herab, an dem Robinson auf das Schiff klettern 
konnte. Als er oben war, kam Freitag auch. Robinson suchte nun 
zuerst nach Meiischen in allen Esgüten. Er ^ud aber auf dem ganzen 
Schiffe keine Seele. Darüber weinte er bitterlich. — Frdtag stand 
dabei und wusste nicht, was er über das grosse Schiff und über seinen 
Herrn sagen sollte.**) 

Ziel: Wie Robinson nun mit Freitag glücklich und reich wird. 



*) In diesem Abschnitte drängen die Kinder oft dazu, gleich von 
den' Dingen auf dem Schiffe zu erzählen. Dieses Drängen lässt - sich 
durch den Hinweis auf das Ziel beseitigen. Es wird gesagt, dass davon 
erst die Rede sein kann, wenn es sich um Robinsons und Freitags Glück 
handelt. 

♦*) Haben wir erzählt, was wir zuerst wollten? Ja, Robinson ist noch 
trauriger geworden. Diese Frage ist hier zweckmässig. Sie erinnert den 
Schüler, dass ein Teil des Zieles erreicht ist. I^un das zweite Stondenziel. 



Robinson 



41 



3. Robinson berubigte sich bald 
wieder und dachte wie damals, als 
er nicht nach dem fernen Lande 
kam. . . . 

Und nun wurde er sehr glücklich. 
Er jauchzte auf vor Freude. Worüber 
denn? 



Zu Freitag sprach er jetzt wie 
ein Kind zu Bruder und Schwester 
am Weihnachtsfeste! 



Was Robinson nur alles fand? 
Zuerst kam er in die Kajüten *), 
wo die Reisenden gewesen waren. 



Auch Bücher, worin die Reisenden 
gelesen hatten, waren da. 

Am meisten freute er sich über 
ein dickes Buch. Das war die 
Bibel, aus welcher ihm die Mutter 
früher Geschichten erzählt hatte. 

Einige Reisende hatten auch ge- 
schrieben, und es lag noch Papier 
da. Daneben lagen Federhalter mit 
Federn und auch Tinte fand Ro- 
binson. An der Decke hingen auch 
Lampen. 

Jetzt kam Robinson in die Kajüte, 
wo die Matrosen gewohnt hatten. 
Da sah es ganz anders aus. 

Die Matrosen hatten auch eine 
W^erkstatt wie wir in der Schule. 



Was Gott tut, das ist wohl- 
getan. . . . 



Er freute sich über die Sachen, 
die ganz so aussahen wie zu Hause. 
Er dachte, du kannst dir die Sachen 
mitnehmen, die du auf der Insel 
notwendig gebrauchen kannst. 

Freitag, sagte Robinson, sieh dir 
doch die herrlichen Sachen an!**) 
Und Freitag stand dabei . . . 
und machte grosse Angen und ein 
verblüfftes***) Gesicht, denn er 
kannte die ganzen Sachen nicht. 

Da standen Reisekoffer unter den 
Bänken; es hingen Kleider (Über- 
zieher) an den Haken in der Wand. 
Auch Fernrohre, womit die Reisenden 
viel sehen wollten, waren dabei. 

Darüber freute sich Robinson sehr. 



Da hingen Gewehre und Säbel. 
... In den Patronentaschen steckten 
Patronen, f ) 

. . . Darin fand Robinson Sägen, 
Hobel, Meissel, Bohrer, Hämmer, 
Zangen, Nägel, Schrauben, Beile 
(Äxte) und Spaten. 



*) Der Ausdruck ist bekannt; es kann auch ein anderer gebraucht 
werden. 

**) Ein Kind fuhr einmal fort: die uns der liebe Gott beschert 
hat. Es war ein gemütvoll angelegter Knabe. 
♦♦♦) Aus der Praxis. 
t) Die Vorstellung von Vorderladern ist nur selten noch anzutreffen. 
In den Patronen sind teils Kugeln, teils enthalten sie Schrot. 



42 I^AB zweite Schuljahr 

Endlich kam Robinson in die Hier waren Teller, Schüsseln^ 

Küche. Flaschen, Eimer, Messer, Gabeln,. 

Reibeisen — 

Und etwas, worüber sich Robinson Ja, nun brauchte Robinson keine 

am meisten freute: Streichhölzer. Angst mehr zu haben, dass ihm das 

Feuer ausging. 

Neben der Küche war auch noch Da lagen Säcke voll Mehl, Reis, 

eine Vorratskammer. Graupen und vieles andere. 

Überschrift: Was Robinson im Schiffe fand. 
Zusammenfassung. 

4. (Der Stoff ist nach dem vorigen Abschnitte vorhanden. Die 
Kinder haben zu wählen. Dabei ist dafür zu sorgen, dass die Dinge 
nicht fehlen , die zur Befriedigung geistiger und leiblicher Bedürf- 
nisse von Robinson am meisten vermisst wurden. — Deshalb nur An- 
deutungen.*) 

Was mögen Robinson und Freitag auf die Insel gebracht haben? 
Robinson wählte klug aus. Freitag nicht, denn er kannte die Dinge 
nicht. Wählt auch so aus wie Robinson! Dabei Angabe des Grundes 
und der Gemütsstimmung. — Freitag steigt auf einer Strickleiter ins 
Boot und schafft die Dinge nach der Insel. Bald tut Eile not, denn der 
Sturm erhebt sich wieder. — Robinson findet zuletzt den Hund noch.**) 
Grosse Freude. In der Aufregung und Angst wird der Hund vergessen. 
Anhänglichkeit desselben. 

Alles ist glücklich am Lande, als der Sturm losbricht. Robinson 
nun voll. Freude, Freitag mit ihm. Dankgebet in der Kapelle. 

Überschrift: Was Robinson und Freitag auf die Insel schaffen^ 
und wie sie Gott für alles danken. 

Zusammenfassung: — Danach Frage: Haben wir nun auch 
erzählt, wie Robinson und Freitag glücklich werden? 

Vertiefung.***) 

Abstraktionsziel: Wir wollen versuchen, Robinson und Freitag 
ins Herz zu schauen. 

Da denken wir an die Geschichte, als sie in der Nacht das Schiff 
bemerkten. 

A. Robinsons Verhalten gegenüber der Not der Menschen. 
Robinson tun die Leute leid. — Er will helfen. 1 Teilnahme.! 

Erruft. \^ ,^ , ,« Hilfsbereit- Nächsten- 

t:, .. , - « } Er versucht zu helfen. } , - ? i. u 

Er zündet Feuer an. j | schaft. | liebe. 

Er bittet Gott um Errettung der Menschen, j Fürbitte, j 



*) Vergl. unser Lesebuch für das zweite Schuljahr. 
**) Derselbe spielt nicht eine so grosse Rolle wie früher, wo er 
Robinsons einziger Geführte war. 

♦*♦) Von hier an auch nur Andeutungen. 



Robinson 43 

B. Eobinsons Verhalten gegenüber dem Tode der Menschen. 
Er weint über die Verunglückten. — Mitleid. 

Er murrt nicht gegen Gott. 1 ^ .. u i. »i. 
Wie tröstet er sich? ) »ottergebenheit. 

C. Freitags Verhalten. 

Er hilft mit. Er klagt mit. An Gott denkt er nicht, weil er ihn 
noch nicht gut kennt. Er freut sich mit Robinson. — Mitleid, Mit- 
freude. 

m. Stufe: Das Sterntalermädchen lernt Leute in Not kennen. Es 
ist mitleidig und hilfbereit. Es hilft wirklich. Es vertraut auf Gott. 
Es klagt nicht, weil ihm die Eltern gestorben sind. 

Das fleissige Mädchen klagt nicht über seine Not. Verlässt sich 
auf Gott. Frau Holle nimmt sich des Kindes in der Not an. 

lY. Stufe: Menschen in Not muss man bedauern, ihnen helfen, für 
sie beten. — Was Gott tut, das ist wohlgetan. 

V. Stufe: Was tust du, wenn du Kinder in Not siehst, wenn die 
Eltern krank sind, wenn die Eltern sterben? Wie denkst du über das 
Verhalten der Bohne? Lesebuch f. d. 2. Schulj. Gedicht No. 20, 
Str. 3—4. 

III. Teil 

Ziel: Das Leben wird nun angenehmer. 

Es kommt darauf an, Bekanntes von einst und jetzt vergleichsweise 
gegenüberzustellen und dabei auf den Segen der erhaltenen Güter hin- 
zuweisen. Dieser Segen gehört vom Zeitpunkte des Schififsfundes an mit 
zum Hauptthema der Geschichte. Hier muss daher vor allem der Dinge 
gedacht werden, die im Leben auf der Insel eine vollständige Umwälzung 
hervorrufen. 



IL Kunstunterricht 

1. Zeichnen und Modellieren 

Im Kunstunterricht ist der stafenweise Fortschritt ebenso notwendig 
wie auf allen anderen ünterrichtsgebieten. Er zeigt sich nicht bloss 
in den neaen Stoffen, welche der Gesinnungsnnterricht eines Schaljahres 
an die Hand gibt, sondern anch in der znnehmenden Fertigkeit, die Dinge 
der Umgebung nach Form nnd Farbe aufzufassen und so gut als möglich 
wiederzugeben. Wir treten damit dem Irrtum entgegen, es käme in den- 
jenigen Klassen, welchen das malende Zeichnen zugewiesen ist, nur da- 
rauf an, dass überhaupt etwas zum Gesinnungsunterricht Gehörendes ge- 
malt werde. Das malende Zeichnen soll die Kinder in der rechten Weise 
auf das exakte vorbereiten. — Um die zeichnerische Fertigkeit möglichst 
rasch zu entwickeln, hat man neuerdings den Beginn des exakten Zeichnens 
bereits in das zweite, ja sogar in das erste Schuljahr verlegt. Diesen 
Versuchen gegenüber betonen wir : das Zeichnen im 2. Schuljahr ist noch 
durchaus „malendes Zeichnen^. (S. das 1. Schuljahr, 7. Aufl., Seite 268 ff. 
und die dort angegebene Literatur.) Es schliesst sich an die von Robinson 
und Heimat reichlich gebotenen Gegenstä,nde an, denen das Kind durch 
nähere Beschäftigung besonderes Interesse entgegen bringt. Manche von 
ihnen können auch in Ton und Sand modelliert werden, wie überhaupt 
die Hand- und Gartenarbeit der Kinder durch die Hobinson-Erzählung 
vortreffliche Anregungen erhalten. Dadurch fände auch eine wertvolle 
Weiterführung der im „ Kindergarten ** begonnenen Arbeiten statt, die 
nur zu häufig von der Schule gänzlich ignoriert werden, weii man die 
rechte Wertschätzung des Zeichnens und der Handarbeit noch nicht ge- 
funden hat. (S. Rein, Encyklopäd. Handbuch der Pädagogik: Er- 
ziehung zur Arbeit. Langensalza, Beyer & Mann.) 



Wie im ersten Schuljahre, so werden auch hier die Gegenstände 
mit Bleistift schematisch oder im Schattenriss dargestellt Neu ist die 
ergiebige Anwendung der Farbe. Gewöhnlich wird die Zeichnung mit 
Bleistift im Umriss entworfen und dann mit Buntstift ausgemalt, während 
CS bei gewissen Bildern sich empfiehlt, alles sofort mit Buntstift auszu- 
führen. Man lässt auf lose Blätter zeichnen, und zwar auf Zeichen- 
papier. Zu Versuchen kann jedes ungeleimte Papier benutzt werden. 
Die Schüler sollen nicht Gummi gebrauchen. 



Zeichnen and Modellieren 4& 

1« Robinsons erste Wasserfahrt 

(Robinson im Boot rudernd] 

Wir werden in den folgenden Einheiten nicht besonders darauf hin» 
weisen, dass der zu zeichnende Gegenstand möglichst im vorausgehenden 
naturkundlichen Unterri<3ht angeschaut oder dargestellt und seine zweck- 
entsprechend« Einrichtung und sein Gebrauch dabei eingesehen werde. 
So nur waltet ein innerer Zusammenhang zwischen Zeichnen und Natur- 
kunde. Werden die Kinder bei der Betrachtung des Gegenstandes auf 
die zeichnerische Aufgabe hingewiesen, so fühlen sie sich zum genauen 
Sehen veranlasst. 

Anschauung: Boot 1. auf dem Lande, 2. auf dem Wasser, 3. be- 
lastetes Boot auf dem Wasser — Ruder — Spielzeug: ein aus Baum- 
rinde geschnitztes Boot. 

Vorübungen 1. Ruder. Gerade Ldnien der Ruderstange! 

2. Kahn auf dem Wasser, mit wenigen flotten Strichen ausgeführt. 

3. Robinson im Kahn sitzend. Auch hier muss der Entwurf in 
wenige Minuten fertig sein, denn es handelt sich nur um Feststellung 
des Grössenverhältnisses zwischen der Länge des Bootes und der Höhe 
des im Fahrzeuge Sitzenden. 

Zeichnen des Bildes. Man lässt an der linken Seite des Zeichen- 
bogens angeben, in welcher Höhe die Wagerechte für den Wasserspiegel 
zu ziehen ist. Im übrigen wird aber nichts vorgeschrieben; jedes Kind 
führt die ganze Zeichnung nach eigenem Geschmack aus. Zum Schlüsse 
lassen wir die Farben für das Ausmalen angeben. Letzteres wird zu 
Hause vollendet. Wir dürfen so annehmen, dass die Kinder bei diesem 
angenehmsten Teile der Arbeit sich nicht helfen lassen. Namensunter- 
schrift. Die ganz verschieden ausgeführten Bilder werden nebeneinander 
gelegt und von den Schülern besichtigt. Dies darf nicht versäumt 
werden. 

Wer nach weiterer Betätigung verlangt, male: Wie Robinson beim 
Rudern ins Wasser Mit. 

In einer Mädchenschule wurde zu Anfang dieses Schuljahres folgendes 
Bild gemalt: Robinson, am Steuer sitzend, lenkt ein Segelboot. Zur 
Anschauung diente das Modell eines Segelbootes. Das vom Wind geblähte 
Segel wurde an der Wandtafel vorgezeichuet. Alle Bilder fielen genügend 
aus, während einige durch geschickte Darstellung aller Grössen Verhältnisse 
überraschten. 

2. Die Flagge, das Abzeichen des Schiffes 

In dieser Einheit wird auf sorgfältige Ausführung der geraden 
Linien gesehen. Wer sich keine Mühe gibt, darf nicht ausmalen, sondern 
wiederholt die Linearzeichnung. 

1. Die Flagge der deutschen Handelsschiffe. 

Das Seitenverhältnis des Rechtecks erkennen die Kinder ans der 
Wandtafelzeichnung: Höhe 2, Breite 3 Teile. Sie treffen das Ver- 
hältnis (natürlich freihändig!) besser, wenn wir ihnen dasselbe gar nicht 
weiter erklären. Die drei gleichbreiten Querstreifen werden so hergestellt: 
Zeichenbogen gedreht, dass die kürzere senkrechte Seite zur Wagerechten 



46 ^^8 zweite Schuljahr 

wird. In jeder Hand einen Bleistift, die Spitzen hin und her gerückt 
bis 3 gleiche Teile entstehen. Dieselbe Teilung auf der unteren kürzeren 
Seite. Verbindungslinien als Senkrechte gezogen. Farben: unterster 
Streifen rot, oberster schwarz. 

Häusliche Beschäftigung: verschiedenfarbige Flaggen ans 
buntem Papier anfertigen. Die Ausstellung in der Klasse regt den 
Farbensinn an. 

Übung: Wiederholung der ersten Linearzeichnung , deren Aus- 
malung dem häuslichen Fleisse überlassen bleibt. Hauptsache: schöne 
Farbendreiklänge. 

Wer aber nur von Schiffen geführte Flaggen malen lassen will, dem 
seien empfohlen: 1. Teilungslinien wie bei der deutschen Handelsflagge, 
die Farben sind bei der gehissten Flagge von unten nach oben gesehen: 
niederländische Handelsflagge: blau-weiss-rot ; russische: rot-blau-weiss ; 
spanische Eriegsflagge: rot-gelb rot. 2. Das Rechteck durch zwei Senk- 
rechte in 3 gleichbreite Felder geteilt, Farben von links nach rechts: 
französische Handels- und Eriegsflagge : blau-weissrot ; belgische : schwarz- 
gelb-rot. 

2. Signalflaggen. 

Das Rechteck ist nur wenig breiter als hoch. Unter jede Flagge 
wird der lateinische Druckbuchstabe gemalt. Nach dem technischen 
Fortschritt geordnet: 

1. Das ganze Rechteck gelb (Q) 

2. Durch senkrechte Mittellinie halbiert (Farben von links nach 
rechts gesehen): weiss-rot (H); gelb-blau (K) 

3. Rechteck durch senk- und wagerechte Mittellinie in 4 Felder 
geschieden, oberes linkes und unteres rechtes blau, die beiden anderen 
gelb (L) 

4. Schachbrettmuster (weiss und blau), das oberste linke der 16 
Felder ist blau: N 

5. 3 gleichbreite senkrechte Streifen: rot-weiss-blau (T) 

6. kleines blaues Rechteck in der Mitte der weissen Flagge (S); 
weisses Rechteck in der blauen Flagge (P) 

7. in der Mitte der blauen Flagge ein weisses Rechteck und in 
diesem ein rotes (W) 

8. rote Flagge mit gelbem Ereuz, das die Mitten der Seiten ver- 
bindet (R) 

9. weisse Flagge mit rotem Ereuz, das die Ecken des Rechtecks 
verbindet (Y); blaue Flagge mit eben solchem weissem Ereuz (H) 

10. rotes Rechteck mit schwalbenschwanzförmigem Ausschnitt (B) 
Wimpel: gleichschenkliges Dreieck, bedeutend länger als die Drei- 
ecke. Beim Zeichnen wird zuerst die senkrecht stehende Grundlinie und 
die wagerechte Höhenlinie des Dreiecks gezogen. G: Wimpel durch 
Senkrechte geteilt, linker Teil gelb, die lange Spitze blau; G: weisser 
Wimpel mit roter Scheibe; D: blauer "Wimpel mit weisser Scheibe; F: 
roter Wimpel mit weisser Scheibe. 

Die Enaben geben sich diesen Arbeiten mit Eifer hin, sobald sie 
den Zweck der Flaggen kennen. 



Zeichnen und Modellieren 47 

In Mädchenschalen begnngt man sich mit dem Zeichnen der 
deatschen Handelsflagge nnd lässt dann einige Flaggen mit schönen Farben- 
dreiklängen ausfahren. 

Dann wird ein einfarbiger Wimpel gezeichnet. Dieses Dreieck wird 
zu. einer Zierkante verwendet, in der aufrecht stehende und auf die 
Spitze gestellte Dreiecke abwechseln. Ausfübrung: zwei lange Wagerechte; 
der entstandene Streifen durch Senkrechte in gleiche Abteilungen ge- 
schieden ; jede Senkrechte ist die Höhenlinie eines gleichschenkligen Drei- 
ecks. Die Dreiecke werden verschieden gefärbt; oberer und unterer Ein- 
fassungsstreifen erhalten gleiche Farbe. 

Auch der Anker lässt sich zu einer Zierkante verwenden. Man 
wähle die Form des Ankers, die in einigen Marineflaggen geführt wird. 
Die farbige Ausstattung kann sehr mannigfaltig sein. 

3. Untergang des Rettungsbootes 
Freie farbige Illustration: hohe Wogen — ein Teil des sinkenden 
Bootes sichtbar — Eobinsons Kopf über Wasser. 

4. Felsige Küste der Insel 

1. Die nachstehend beschriebenen Vorübungen sind für den tech- 
nischen Fortschritt unentbehrlich. Ein grosser farbiger Bruchstein mit 
scharfen Kanten wird als Gegenstand des Nachzeichnens auf den Tisch 
gelegt. Von der dahinter stehenden schwarzen Wandtafel hebt er sich 
deutlich ab. Der Lehrer fährt mit einem Stabe am Umriss herum, lässt 
die Eckpunkte nach Höhe und Entfernung vergleichen und ihre Lage 
feststellen und dann die Umrisslinie zeichnen. Der Schüler muss auf seinem 
Platze still sitzen, den Kopf ruhig halten und darf nicht mehr von den 
Seiten zeichnen wollen, als er auf einen Blick vom ganzen Steine 
sehen kann. 

Der Stein war so gelegt, dass jeder Schüler eine Licht- und eine 
Schattenfläche sehen kann. Nun wird die Grenzlinie zwischen Licht- und 
Schattenfläche im Bilde eingetragen, die Schattenfläche mit Bleistift schraf- 
fiert und darauf der ganze Stein mit einer Farbe überzogen. Es kann 
aber auch der ganze Stein zuerst mit der Farbe der Lichtseite und dann 
auf der Schattenseite noch mit einer oder zwei andern Farben übermalt 
werden. Durch Mischung der Farben, z. B. Violett und Grün zart über- 
einander gestrichen, werden wirksame Töne geschaffen. 

Häusliche Beschäftigung: Der Schüler suche sich einen scharf- 
kantigen faustgrossen Bruchstein und zeichne (male) ihn zu Hause in 
natürlicher Grösse. Die Bemerkungen des Lehrers über Mängel der Schul- 
zeichnung wird mancher daheim beachten. 

Das Zeichnen unregelmässiger Formen, wie des Bruchsteins, fördert 
das Auffassen und Darstellen des Körperlichen; ausserdem ist die Dar- 
stellung von Steinen bei vielen Illustrationen wünschenswert. 

2. Farbige Illustration nach Wandtafelzeichnung. Im Vorder- 
grunde kleinere Steinblöcke, dahinter FeLsen. Ausmalen: Wellen der 
Brandung hellblau mit gi unlieben und bräunlichen Schatten — die Stein- 
blöcke mit heller Lichtseite und kräftigem Schatten, die weiter zurück- 



48 ^AB zweiU Schuljahr 

stehenden Felsen in verschiedenem Grau (zartes Übermalen mehrerer 
Farben). 

Wenn die Kinder die aasgestellten eigenen Bilder betrachtet haben, 
zeige man ihnen ein künstlerisch ausgeführtes farbiges Bild ähnlichen 
Inhalts. Ihr Interesse wird sehr rege sein. 

5« Maiskolben 

Er wird nur gezeichnet, wenn er in der Naturkunde betrachtet 
wurde. Wir lassen ihn ohne die am Grunde sitzenden Blattscheiden dar- 
stellen, möglichst gross: zuerst die länglich runde Umrisslinie; von den 
in der Richtung der Spindel laufenden Riefen zuerst die mittlere und dann 
beiderseits so viel (vielleicht zwei), als der Kolben dem Beschauer zeigt. 
Dann werden mit kurzen Querstrichen die Körner in jeder Zeile einge- 
zeichnet: im unteren Teile die grösseren, am Gipfel die kleinsten. Natür- 
liche Färbung. 

6. Der Baum, auf dem Robinson sehlief 

Anschauung: Baum des Schulgartens oder der nächsten Umge- 
bung. Man lasse nicht etwa ein Bild wie das in Gräbners Robinson- 
ausgabe als Vorlage benutzen. Die kindliche Phantasie muss aus selbst 
erworbenen Anschauungen ein Bild schaffen. — Wie werden wir den 
Baum zeichnen? Unten ist der Stamm stark. Von der Stelle an, wo 
die untersten Äste abgehen, ist er etwas schwächer. Wie teilt sich der 
Stamm am Wipfel? Die einzelnen Abteilungen des Stammes, von unten 
nach dem Wipfel zu betrachtet, werden ihrer Stärke nach aufgefasst. 
Ein unterer Ast wird genau besehen: Wie stark ist er da, wo er vom 
Stamme ausgeht? „Hier streckt der Ast Zweige aus, da ist er schon 
etwas schwächer. Hier gehen wieder Zweige ab, da ist er noch 
schwächer usw." 

Zeichnung: Stamm, Äste und ein paar Zweige (ohne Laub) werden 
mit Bleistift zart entworfen. Ausmalen: Das Laub verdeckt an vielen 
Stellen Äste und Stamm, darum wird das Laub zuerst gemalt. Mit Grün- 
stift werden nicht einzelne Blätter, sondern grössere Massen des Laubes 
(das Bild stellt den Baum in weiter Feme stehend dar) in unregelmässigen 
Flächen aufgetragen. Die sichtbar bleibenden Teile der Äste und des 
Stammes werden leicht mit Braunstift überstrichen. Gras am Fnsse des 
Stammes. Über die Ausführung gebe man nicht zu viel Vorschriften. 
Einige Kinder sind ängstlich und streichen zu langsam, viele aber malen 
zu flott und müssen zu ruhiger Ausführung angebalten werden. 

Wer den Robinson auf einem Ast ruhend darstellen will, mag zu 
Hause noch einmal den Baum zeichnen, dann Robinson; das Ausmalen 
beginnt wieder mit dem grünen Laube. 

7. Robinsons Höhle 

Eine Wagerechte, die den Fnss der Felsenwand bezeichnet. Auf der 
Mitte dieser Linie die nicht zu grosse, zackige Öffnung der Höhle. Seit- 
wärts der grosse Stein, den Robinson abends vor den Eingang wälzt. 



Zeichnen and Modellieren 49 

Ausmalen: Auf dem Boden der Höhle liegt ein Haufen Gras. Der 
übrige Teil der Höhle schwarz ausgemalt. Dann wird der links liegende 
Stein (s. 4. £inheit) gemalt — dann rechts neben dem Höhleneingang 
«in ansehnlicher Strauch — die Felsenwand lilagrau — der Boden des 
Vordergrundes gelb und darauf hier und da etwas Lila oder Hellbraun. 

8. Robinsons Hut 

Für den technischen Fortschritt wertvolle Übungen: der Reifen. 

Anschauung. In der Naturkunde war vielleicht ein Reifen aus 
Buten geflochten worden, als Gegenstand fürs Zeichnen wird aber den 
Kindern ein glatter, ungefähr 50 cm Durchmesser haltender, hellfarbiger 
Seifen gezeigt. Er wird an einer Stelle mit einem biegsamen Steingel 
«mwickelt. Diese Umwicklung bietet einen Anhalt beim Betrachten der 
{perspektivischen Ansichten des Kreises. Der Reifen wird vor die schwarze 
Wandtafel gehalten, von der er sich deutlich abhebt. Die Kinder sehen 
-den vollen Kreis, dann den verkürzten, das Langrund (Ellipse), der in 
*€iner Ansicht sogar als gerader Streifen erscheint. 

Zeichnen: 

1. Auf Packpapier einen ungefähr 10 cm grossen Kreis freihändig 
^kusfähren. Die Hand wird nicht aufgelegt, sie führt den weichen SUft 
ziemlich geschwind mehrmals auf der gesuchten Kreisbahn herum. Einer 
«ngeschickten Hand bringen wir die Empfindungen der Kreisbewegung 
dadurch bei, dass wir eme starke, auf den Papierbogen gezweckte Papp- 
:<eheibe vielmals umfahren lassen. 

2. Dann werden kleinere Kreise von ungefähr 5 cm Durchmesser 
Versucht und endlich auf einem Zeichenbogen gut ausgeführt. Hierbei 
•-«oll der weiche Stift die Kreisbahn nur einmal, aber auch geschwind 
.zurücklegen. Nachgebessert mrd nicht. 

3. Ebenso wird der verkürzte Kreis, das Langrund geübt. 
Farbige Illustration: 1. Robinsons tütenförmiger Hut; 2. ein 

■aus einer roten und grünen Rute geflochtener Reifen. 

Anwendungen des Langrunds und der gebogenen Linien: Malen von 
Strohhüten mit verschieden gefärbten Bändern. 

9. RobinsoB pflfiekt Nüsse 

1. Kokosnuss. Anschauung: Nuss, von der Hülle umgeben. Hell- 
grau gemalt, dunkelgrau oder bräunlich schattiert. 

2. Kokospalme. Anschauung: Zimmerpalme mit fiederartig zer- 
teilten Blättern. Zeichnen: 

1. mit Grünstift: aufbrecht gehaltenes gefiedertes Palm blatt, ziem- 
lich gross. Daneben Robinsons Figur im Schattenriss, die nur ein 
Drittel der Blatthöhe einnimmt. Die Kinder zeichnen die Figur erst 
schematisch: Senkrechte fürs Rückgrat, 2 Striche für die Beine, Quer- 
strich für die Schultern, Armstriche, auf den kurzen Halsstrich eine Ei- 
form. Der Kopf wird nun schwarz ausgemalt, dann werden die Striche 
des Rumpfes und der Gliedmassen verbreitert. 

2. Zimmerpalme mit einigen natürlich gebogenen Zweigen (Fieder** 
»hlättem), sofort mit Grünstift aasgführt. 

Dm zweito Schuljahr. 4 



50 ^^^ zweite Schuljahr 

3. Palmbanm mit Kokosnüssen, ohne Bleistiftvorzeichnnng^ 
farbig ausgeführt. Schwacher hellbranner Stamm, den die Kinder ohne 
Geheiss etwas gebogen darstellen. Krone mit grossen Palmzweigen 
(reichlich ein Drittel der Stammlänge): grün. Am Fnsse der Palme 
steht Bobinson und greift mit einer Hand an den Stamm. Wenn der 
Stamm 15 cm hoch wäre, dürfte die Fignr nnr 15 mm sein. Den 
Kindern sagen wir dieses Verhältnis nicht, sondern lassen sie mit der 
Bleistiftspitze den Scheitelpunkt der Fignr angeben und rücken den 
Stift nötigenfalls weiter herunter. Robinson wird im Schattenriss wie 
vorhin beschrieben dargestellt. — Aus der Krone hängen 'ein paar kurze 
Äste mit rötlichen Nässen herab. Dass diese so gross wie Köpfe sind^ 
mögen die Kinder beim Malen bedenken. 

4. Robinson wirft eine Nuss herab. Palmbaum ^e vorhin 
gemalt. Robinson umklammert unter der Krone den Stamm, reckt eine 
Hand aus, mit der er die herabfalleilde Nuss geworfen hat. unten 
liegen einige Nüsse. Anschauung für die Figur: Knabe an der Kletter- 
stange.*) 

10. Robinson fertigt^inen Sehirm 
Die Vorübungen waren in der Hauptsache von der 8. Einheit ge- 
leistet Auf einem Zeichenbogen werden drei Bilder entworfen, die den 
Fortschritt von Robinsons Arbeit darstellen (S. Lehmensick, Märchen- 
nnd Robinson-Lesebuch: „Folgen der Reise^ 3. Abschnitt)« 

1. Bild: Der Stock, an dessen Spitze die Stiele der langen herab- 
hängenden Blätter festgebunden sind. Ausführung: Senkrechte mit Blei- 
stift gezogen — mit Grünstift die herabhängenden Blätter — hellrote 
Umwickelung an der Spitze — sichtbarer Teil des Stockes braun. 

2. Bild. Der grosse Reifen um den Stock gehalten (Anschauung 
wie in Nr. 8). Mit Bleistift: Senkrechte, wagerechtes Langrund (den 
vorderen Teil des Reifens sehen (!) die Kinder tiefer liegen als den 
hinteren Teil). Mit Buntstift: alles wie beim vorigen Bilde. Soweit 
der Reifen nicht von herabhängenden Blättern verdeckt ist, wird er rot 
überzogen. 

8. Bild: Die Blätter sind am Reifen befestigt. Ausführung mit 
Bleistift wie vorhin. Da die Blätter auf dem Reifen befestigt werden^ 
ist dieser nicht sichtbar, wohl aber folgt der Rand des Schirmdachea 
dem Langrund. Farbe wie im vorigen Bilde. 

11. Pfeil und Bogen 

Anschauungsmittel in der bei Knaben beliebten Ausführung. 

1. Bogen: Halbkreis (gelb) mit straffer Sehne (braun). 

2. Pfeil: Stab mit Steinspitze und angebundenen Federn. 



*) Lehrer, die sich mit solchem malenden Zeichnen noch nicht befasst- 
haben, zweifeln vielleicht an der Ausführbarkeit des Vorgeschlagenen. 
Die Kinder zweifeln nicht an ihrem Können und malen mit Freuden. 
Und die fertigen Bilder sind wirklich wert, aufmerksam betrachtet zu 
werden. Man lasse Kinder eines späteren Schuljahres, die so etwas noch 
nicht versucht hatten, es malen und man wird finden, dass diese es kaum. 
l)esser bringen. 



Zeichnen und Modellieren 51 

3. Bogen mit aufgelegtem Pfeil. Sehne geradlinig. 

4. Der anf den Bogen gelegte Pfeil ist zurückgezogen. Ver- 
llnderte Form des Halbkreises (Anschauung!) — Pfeil möglichst von 
gleicher Lilnge wie im vorigen Bilde. — Sehne in Winkelform. 

12. Robinson sitzt an seinem Steintiseh 

Die farbige Illustration mögen die Kinder zu Hause fertigen nach 
der Darstellung des Lesebuches: „Robinson als Jäger ^ (6. Abschnitt). 

13. Robinsons Ziege 

Wenn die Kinder auch bereits im ersten Schuljahre die Ziege be- 
traehtet und zu zeichnen versucht haben, so müssen sie doch hier von 
neuem die lebende Ziege anschauen. Bilder (vielleicht im Schattenriss) : 

1. Kopf der Ziege von vorn gesehen. 

2. Derselbe von der Seite gesehen. 

3. Ganze Ziege in Seitenansicht. Auf Probeblatt versucht jedes 
Kind die Ziege aus dem Gedächtnis zu malen ohne irgend welche An- 
weisung des Lehrers. Wem der Versuch gelungen ist, der male das 
Bild auf den Zeichenbogen. Den Ungeschickten wird die Entstehung 
des Bildes an der Wandtafel gezeigt. Lage und Grösse aller Körper- 
teile werden nach dem Kopfe bestimmt, der darum zuerst zu zeichnen ist. 

14* Pflanze, mit der Robinson seinen Hof einzäunte 

Entweder wird die einheimische Distel mit den purpurroten 
Blütenköpfen nach vorangegangener Anschauung ohne weiteres mit Bunt- 
stift gemalt oder die Fackeldistel. Letztere kann nur nach dem 
Gegenstande gemalt werden. Die stachelige Opuntia vulgaris wird häufig 
im Zimmer gezogen. 

15. Robinson fertigt sich Kleider 

1. Jacke. Zeichnen nach dem Gegenstand. Die Mädchen können 
zu Hanse den Schnitt für eine Puppenjacke herstellen, wenn sie nicht 
schon derartige Schnitte besitzen und da lieber nach diesen eine Puppen- 
jacke zuschneiden und nähen. 

a) Rückseite der ausgebreitet hingelegten Jacke, farbig ausgemalt; 

b) Vorderseite einer ausgebreiteten zugeknöpften Jacke, vielleicht 
blau mit „goldenen" Knöpfen. 

2. Freie Illustration: Robinson in seiner zottigen Pelz- 
kleidung. 

Eine hübsche Übungsform für Mädchen : kleine kugelige Knöpfe (mit 
gelber Öse) in verschiedenen Farben. 

16« Landschaft vor dem Herb8treg:en 

Nach der Schilderung des Lesebuches: „Robinson sorgt für den 
Winter** (6. Abschnitt). Wiese und alle Gewächse nur mit Gelb, Rot 
und braun gemalt; Bäume und Sträucher baben wenig Laub. 

4* 



52 1^218 zweite Schaljahr 

17. Landschaft naeh d«m Herbstrefen 

Lesehach: „Rohinson wird krank" (5. Abschnitt). Dieselbe Grup- 
pierung wie im vorigen Bilde, aber im Fruhlingsschmuck. Auf der 
Wiese werden zuerst die gelben, roten und blauen Blumen gemalt, dann 
der Basen. 

18. Die Gerste 

Anschauung: Gerstenhalm mit Ähre: 

1. Bleistiftzeichnung: aufrecht stehende Gerstenähre. Senkrechte 
für die Spindel, Körner angesetzt, Grannen von den Körnern aus nach 
oben gestrichen. j^J 

2. Dieselbe mit Grün- oder Gelbstift, wie es der Gregenstand fordert. 

3. Gersten halm mit Ähre. Biegung des Halmes durch die schwere 
Ähre bewirkt. IB^^ 

Freie Illostration] : Vögel besuchen Bobinsons Gerstenfeld« 

19. Robinson ein Korbmacher 

1. Weide. Anschauung: Korbweide am Bache. Zeichnen: 

a) Weidenzweig mit Blättern. Vorübung: einzelne Blätter mit 
Bleistift in freiem Zuge ohne Hilfslinie dargestellt. Der beblätterte 
Weidenzweig wird sofort farbig ausgeführt. 

b) Weide nach dem Gedächtnis. 

2. Aus Weidenruten geflochtener Korb. Bleistiftzeichnung nach 
dem Gegenstande, leicht mit Braunstift überzogen. 

3 Weidenkorb mit Grünfutter. 

20. Der brennende Baum 

Farbige Illustration. Über das Zeichnen des Baumes Tgl. die 6. 
Einheit. 

21. Robinson als Töpfer 

1. Versuche, kleine Schüsseln und Töpfchen aus Ton zu fonnen. 
Das geformte Gefäss wird gezeichnet. — Verwertung des Langmnds, 
vgl. 8. und 10. Einheit. 

2. Grosser einhenkeliger Topf mit glattem Bande (also ohne Ge- 
fässlippe) als Gegenstand des Nachzeichnens. 

3. Zu Hause zeichnen und malen die Kinder ein Töpfchen, das sie 
beim Spielen (Puppenküche!) oder zum Trinken oft in die Hand nahmen. 
Das Gefäss bringen sie alsdann in die Schule, damit die Zeichnung mit 
dem Gegenstande verglichen und geprüft werde. 

4. Topf zum Ausgiessen schräg gehalten. Venuch auf Probeblatt. 
Die meisten Kinder werden nicht das Langrund in die richtige Lage 
zur Gefäss wand gesetzt haben. Damm folgendes zur Anschauung. 
1. Der Topf steht auf dem Tische: Langrund wagerecht, Gefässwände 
senkrecht. 2. Die Kinder sehen in die kreisrunde Öffhung des liegenden 
Topfes. Ein Stab wird als Längsachse in den Topf gehalten. 3. Das 
Lageaverhältnis zwischen Mittellinie und Topftrand wird wie in der 10. 



Z^chnen und Modellieren 53 

Einheit deutlich gemacht: Stab senkrecht, Keifen wagerecht. Dann wird 
der Stab, und mit ihm der Reifen,' geneigt. 4. Schematische Darstellnng 
an der Wandtafel: a) senkrechtes Kreuz ohne Oberarm (T), Umrisslinien 
des Topfes vom Lehrer rasch dazu gezeichnet; b) das Erenz nach links, 
c) nach rechts geneigt, mit hinzugefügten ümrisslinlen. 

Die Kinder zeichnen ein nach rechts oben ansteigendes Lang- 
mnd. Nun soll die senkrechte Mittellinie angegeben werden: Zeichen- 
bttgen so gedreht, dass das Langrnnd wagerecht liegt — senkrechte 
Mittellinie gezogen nnd nach dieser die übrigen ümrisslinien. 

Farbige Illustration: Die drei am Feuer stehenden Töpfe 
nach der Beschreibung des Lesebuches (2. Abschnitt). 

22. Der Papagei 

!• Die Kinder malen den Papagei, wie sie sich ihn nach der Be- 
schreibung des Lesebuches („llobinson als Bäcker^, 2. Abschnitt) vor- 
stellen. 

2. Ein Papagei (im Notfalle ein grosses Bild) angeschaut. Zeichnen : 

a) Kopf, von der Seite gesehen: Kreis — dicker hakiger Schnabel 
— Auge. Die Zeichnung wird auf dem Blatte wiederholt und die beste 
Form ausgemalt. 

b) Auf einem Aste sitzender Papagei: Mit Bleistift: Ast von links 
nach rechts wenig aufsteigend. Die Fasse sind nicht sichtbar. Lang- 
rund für den Körper; Kopf aufgesetzt; langer Schwanz. Ausmalen 
nach den Angaben des Lesebuches. 

28. Robinson baut sich einen Kahn 

Farbige Illustration : Bobinson sitzt in seinem Kahn auf dem Lande 
und schaut hinaus auf das Meer. 

24. Eine Fnssspnr im Sande 

1. Zu Hause betrachten die Kinder die Stapfe ihres eigenen Fusses 
ind zeichnen beide Fusssohlen im Umriss, indem sie den Fuss aufs 
Papier setzen und mit Bleistift umfahren. Beide Umrisse werden schwarz 
ausgemalt. 

2. Betrachten der Bilder, d. h. jedes Kind betrachtet die 
Bilder seiner eigenen Fusssohlen: a) grösste Länge und grösste Breite 
der Sohle, Endpiuikte mit beiden Zeigefingern berührt; b) Breite der 
Sohle unterm Ballen und unter der Ferse; c) Breite der Zehen: Wie 
breit sind die beiden grossen Zehen zusammen im Vergleich zur Ge- 
samtbreite der drei andern? Welche Zehe ist die schmälste? d) Lange 
der Zehen. 

3. Zeichnen der Fusssohlen in starker Verkleinerung (Schattenriss). 

4. Welche Form muss die Schuhsohle haben, wenn der Fuss be- 
quem auftreten soll? 

*" Weitere Übungsformen: 

5. Seitenansicht des Fusses. 

6. Ein Schuh. 



54 ^fts zweite Schuljahr 

25. Die Wilden tanzen um ein Feuer 

Die Figuren werden höchstens 3 cm gross und zuerst schematisch 
entworfen (s. 9. Einheit) und dann schwarz ausgemalt. Den roten 
Feuerschein nicht vergessen ! 

26. Der Flüchtling liegt vor Robinson auf den Knien 

Schattenbild. Der Flüchtling hat Eobinsons rechten Fuss noch 
nicht ergriffen. Robinsons rechte Hand hält die auf die Erde gestellte 
Keule, in der linken hält er Bogen und Pfeile. 

27. Abfahrt der Wilden 

In weiter Ferne sieht man auf dem blauen Meere die Wilden in 
fünf Booten fahren (Schattenbild). 

2S. Freitag will mit der Keule auf den Topf losschlagen 

1. Die Kinder versuchen die bildliche Darstellung nach der Er- 
zählung des Lesebuches ^Robinson als Lehrer **, 5. Abschnitt. 

2. Das misslungene Bild stellt den Kindern die Aufgabe, einen zum 
Schlage ausholenden Menschen genau anzuschauen. Ein Schüler hält mit 
beiden Händen einen starken Stock: Stellung der Füsse, Richtung des 
Oberkörpers und Kopfes, Haltung der Arme, Lage des Stabes. Die 
Figur wird mehrmals mit schematischen Strichen geübt, bis endlich die 
Zeichnung halbwegs befriedigt."') Alsdann wird sie zum Schattenbild er- 
weitert 

3. Wiederholung des ersten Versuches: zuerst wird Freitag ge- 
zeichnet, dann in passender Entfernung von ihm der am Feuer stehende 
Kochtopf. 

29. . Freitag sehiesst Fische 

Anschauung: ein Kind zielt mit dem auf den Bogen gelegten, zu- 
rückgezogenen Pfeile nach einem Punkte des Fussbodens. Die Figur 
des Schützen wird versucht und gezeichnet. 

Bild: Freitag steht am Bache und zielt nach dem Wasser. Robin? 
son steht hinter ihm, mit der Rechten den Schirm, mit der Linken seine 
Waffen haltend. 

30. Weihnachten in der Fremde 

I.Robinson denkt an den Weihnachtsbaum im Eltern- 
hause. Die Kinder malen den Weihnachtsbaum, den sie in der Er- 
innerung haben. 



*) Derartige Zeichnungen entsprechen auf dieser St\^e nur entfernt 
der wirklichen Gestalt. Sie werden aber bei andern lUnstrationen, auch 
in den folgenden Jahren, wieder geübt, und so lernen die Kinder allmählioh 
die menschliche Fi^ur mit dem Auge des Zeichners betrachten und das 
Bild einer Gestalt im Gedächtnis festhalten. Das verständige Schauen 
nötigt zu besserem Darstellen. 



Zeichnen und Modellieren 55 

2. Bild: Der Weihnachtsbaum, den Robinson für f^reitag 
geschmückt hat. Darstellung nach dem Lesebache „Weihnachten 
in der Fremde**, 5. Abschnitt. Nachdem das Orangenbäumchen mit 
Früchten and Lichtern in Bleistift entworfen ist, wird so gemalt: 
Flammen der Lichter (hellblaa, rote Spitze) — die goldgelben Früchte 
— das dunkelgrüne Laub, die weissen Lichter werden ausgespart — 
der braune Blumentopf. 

31. Das Leachtfeaer auf dem Felsen 

nach der Schilderung des Lesebuches „Ein Schiff" , 2. Abschnitt. Auf 
dem violettgrauen Felsen ein mächtiges Feuer; alles übrige schwarz. 

32. Das Wrack 

nach dem 4. Abschnitt dei selben Schilderung gezeichnet. 

33. Die Schätze des Sehiffes 

Nachdem der ganze Bericht des Lesebuches durchgearbeitet worden 
ist, malen die Kinder ein Bild von den am Ufer aufgestapelten Schätzen. 
Die Darstellung des einzelnen und die Gruppierung bleibt der Phantasie 
des Kindes überlassen. Die Bilder werden sehr verschieden ausfallen 
and in mehrfacher Hinsicht den Lehrer interessieren. 

84. Robinson und Freitag schalTeu die Sachen naeh der HShJe 

Darstellung nach der Erzählung des Lesebuchs „Der Wert der 
Güter**, 2. Abschnitt. 

Die Kinder werden an ihre Erfahrungen erinnert: Freitag und 
Bobinson schreiten aus und zeigen in der Haltung des Oberkörpers und 
der Arme die anstrengende Tätigkeit. — An die Lehne einer Bank 
wird ein Seil geschleift, das ein Schüler über die linke Schulter nimmt, 
während er mit der rechten Hand einen Stab (die Deichsel) hält; so 
stellt er Freitag, den Wagen ziehend, vor. Ein anderer Schüler stemmt 
gegen das Ende der Bank and veranschaulicht den den Wagen schiebenden 
Bobinson. Die Darstellung wird von anderen wiederholt, damit jeder 
die Haltung des Ziehenden und Schiebenden sehen und dann annähernd 
im Bilde wiedergeben kann. 

35. Hilfe bei der Arbeit 

1» Bild: Werkzeug der beiden Zimmerleute. Zeichnungen 
zum ö. Abschnitt derselben Erzählung, z. B. Säge — Axt — Hammer 
— Zange. 

2. Bild. Erntearbeit. Bobinson mäht mit einem Säbel die 
Gerste. Freitag schafft das Getreide mit dem Wagen fort. 

36. Angenehmes Leben im Hause 

Z. B. Ausstattung des Mittagstisches durch Schüssel, Teller, Messer 
Gabeln, Löffel. Für den Abend: die Lampe mit Tülle und Docht. 
Zeichnen nach dem Gegenstande (die ftüher gebrauchte BüböUampe). 



56 ^A> zweite Scbuljabr 

37. Robinson nnd Freitag tragren den Geretteten znr Höhle 

Illustration nach den letzten Abschnitten der Erzählung n^c'' 
Kampf mit den Wilden''. 

38. Die Fahrt in Freitags Yaterland 

Illustration zum 3. Abschnitte der Erzählung ^Ein unerwartete» 
Ereignis''. Der Spanier und Freitags Vater rudern fort, Robinson und 
Freitag stehen am Ufer und winken ihnen den Abschiedsgruss nach. 

39. Das Schiir des Kapitäns 

1. Nachdem das Modell eines Segelschiffes betrachtet worden ist^ 
wird dasselbe aus dem Gedächtnis gezeichnet : Rumpf, drei Masten, Segel 
usw.; beim Ausmalen werde die rote Flagge nicht vergessen. 

Bild: Küste der Insel, in deren Nähe das englische Handelsschiff 
ankert. Die Kinder sagen, wie sie sich das Bild der Küste denken. 
Der Lehrer gibt die nötigen Abänderungen und Hinweise und zeichnet 
das Bild gross und deutlich an die Tafel. Die Kinder zeichnen mit 
Bleistift nach und malen dann aus. Dann wird das in der Nähe der 
Küste ankernde Segelschiff gemalt. Auch dieses zeichnet der Lehrer in 
das Bild der Wandtafel ein, damit das rechte Grössenverhältnis getroffen 
werde. 

40. Der Abschied 

Farbige Illustration zum Schlüsse der gleichnamigen Erzählung. 

Am rechten oder linken Rande des Zeichenbogens ist der hinterste 
Teil des abfahrenden Schiffes sichtbar; hier stehen Robinson und Freitag 
und schauen nach der fernen Insel. Die Zeichnung wird vom Lehrer 
an der Wandtafel ausgeführt. Einige Übungen mögen vorausgehen, da- 
mit die Kinder sich über dieses letzte Bild der Robinsongeschichte freuen 
können. 



Es ist kaum nötig zu bemerken, dass der Lehrer bei beschi^nkter 
Zeit unter den vorgeschlagenen Stoffen auswähle. Nicht wenige der 
Illustrationen können die Kinder zu Hause ausführen. 



Singen 



57 



2. Singen*) 

L Die theoretische Grundlage «ehe im L Schuljahr, 7. Auf). 

11. Unterrichtsskizzen 

1. Frfihlingslied 

(Auch zu BobinsoD, Lesebuch Nr. 14.) 



Mnnter. 



Volksweise. 



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AI - le Vö - gel Bind schon da, al - le Vö-gei, al - le! 



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Welch ein Sin-gen, Mu - si-ziern, Pfeifen, Zwitschern, Ti-re-lieni! 



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Fräh-ling will nun ein-marschiem, kommt mit Sang und Schalle. 

Ho£Einann v. Fallersleben. 



Ib**) 



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Ein jun-ges Lämmchen weiss wie Schnee mi- 
la jo- 




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lauf Ga - lopp, 
la — 



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ü - her Stock und jo 



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II. Zeilenweisfs Darbieten und Einüben der Melodie, doch so, dass 
immer dem Vorsingen und Nachsingen das Vor- und Nachsprechen der 
Tezteszeilen im Bhythmus der Melodie vorausgeht.. 



*) S. die Arbeit von Löwe im XX VI. Jahrbuch des Vereins f. w. 
P&d. Dresden 1894. 

**) Anmerkung. Durch die auf I b vorzunehmenden Obungen 
sollen die Schüler an aus früheren Liedern bekannte melodische und rhyth* 
mische Figuren erinnert werden. Alle diese analytischen Übungen werden 
vom Lehrer immer erst vorgesungen und vorgespielt und dann erst von 
den Schülern zu Gehör gebracht Sie haben lediglich den Zweck, für die 
Erfassung und für die Wiedergabe des neuen Liedes vorzubereiten. 



58 



Das zweite Schuljahr 



III. Vergleichnng der melodischen Figuren der ersten Zeile mit 
denen der letzten Zeile, dann der beiden Hälften der zweiten Zeile. 

IV. Die erste und die letzte Zeile lauten gleich; die erste und 
zweite Hälfte der mittleren Zeile lauten ebenfalls überein. 

V. Zusammenstellung der Textesworte aus verschiedenen Strophen, 
auf welche die gleichen Töne und Tonfolgen zu singen sind. 

Zu Robinsons Abschied. Lesebuch Nr. 1 und 2. 



2. Lieb .Heimatland, ade 



Massig bewegt. 
V 



Volkslied. 



^1 J J J J l^^ l J J J J Ij:^ 



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A - de, du mein lieb Hei-mat-land, lieb Hei-matland, a - de! 1 
Es geht jetzt fort zum fremden Strand, lieb Hei-matland, a - de! J 

cresc* 



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Und 80 sing ich denn mit fro • hem Mut, wie man 

" " ' ' J: J\ j- i' 



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sin-get, wenn man wandere tat, lieb Hei-mat-land, a - da! 



Ib. 



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AI - le Vö-gel jo 
la mi 



mit auB-ge-lass-ner Freu-de 
la 



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jJ' ji j' j' i j^ a 



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jo 

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II. Darbietung durch Vorsingen und Vorspielen in zwei Abschnitten. 
Die Einübung beginnt mit dem Nachsprechen des vorgesungenen Tezt- 
abschnittes in dem Rhythmus des Liedes; besonderer Nachdruck ist auf 
jene Silben zu legen, die mit Ys ^oten versehen sind. 

m. Der Lehrer singt mit starker Akzentuierung des guten Takt- 
teiles die erste Zeile. Die Schüler haben während des Singens darauf zu 



singen 



59 



achten, ob man leichter 1, 2, oder 1, 2, 3 zum Singen zählen kann. 
Nachdem sie ihrer Beobachtung Ausdruck gegeben haben, wird die Zeile 
▼om Lehrer noch einmal gesungen, die Kinder zählen* laut und schlagen 
immer auf 1 leicbt mit der Hand auf die Bank. So wird jede Zeile 
behandelt. Der Auftakt bleibt ausser Betracht. 

^ lY. Zu dem Lied: „Lieb Heimatland, ade!" kann man immer eins, 
zwei zählen. Die Töne auf 1 sind stärker wie die Töne auf 2. 

V. Wie ist es bei anderen Liedern? — bei „Aus dem Himmel ferne ** 



— „Fuchs, du hast die Gans gestohlen' 



Ein junges Lämmchen weiss 



wie Schnee** usw. Eine Abteilung, oder ein einzelner Schüler singt, 
andere zählen. Auf eins wird die Hand abwärts, auf zwei aufwärts 
bewegt Wie ist es bei „Winter ade?'^ 

Zu Robinson, Lesebuch Nr. 3, 5 und auch 14. 



3* Noch lässt der Herr mich leben 



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Noch läset der Herr mich le-ben; mit firöh-li-chem 6e - müt eil 



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icli, ihn zu er - he - ben; er hört mein trü - hes Lied.* 



Die Melodie ist den Schülern schon vom 1. Schuljahr her bekannt; 
es ist die Melodie, die zu dem Liede „Ach bleib mit Deiner Gnade^ 
gesungen wurde. Es kann also von ihr ohne besondere Vorübungen 
Gebrauch gemacht werden. Später, wenn die Melodie von Teschner zu 
„Valet will ich Dir geben ^ eingeübt ist, kann der vorstehende Lieder- 
text auch dieser Melodie untergelegt werden. 



4. Abendgebet 

(Auch zu Robinson, Lesebuch Nr. 4 und 5.) 

Volksweise. 




Mü-de bin ich, geh lur Buh, ■ohliesne meine Äug-lein zu; 




Va*ter, las« die An -gen dein 



fi-ber meinem Bet-te sein! 

Luise HenseL 



60 



Das zweite Schuljahr 



Ib. 



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sollt mir wahr - haf - tig nicht hin - (1er - lieh sein. 

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mi. 



4^jjiJ JAiN^^ii^^^J'J'^'jir'r 




an der ganzen grossen Zahl la 
la jo. 



II. Darbietnng des ganzen Liedes durch Vorsingen desselben. 
Rhythmisiertes Vor- und Nachsprechen des Textes nnd zwar der ganzen 
Strophe. Zeilenweises Einüben der Melodie. 

III. Anf welche Silben sind zwei Töne zu singen? Welche 
Stellung haben Mund und Znnge beim Singen der Silben ^Rnh'^ nnd 
^zn"? Bei welchem Selbstlanter hat der Mund eine ähnliehe Form? 
Wie ist die Mnndstellnng beim Singen der Silben „geh'**, „recht**, „sende** 
usw.? Bei welchem anderen Selbstlanter ist die Stellung des Mundes 
eine ganz ähnliche? Wie ist sie bei a, o, ai, ei? Beim Sprechen 
welcher Mitlauter werden die Lippen ganz geschlossen? Bei iii(iide) 
und B(ette). 

IV. Die Lippen werden nur geschlossen bei den Mitlantem m, h, p. 
Bei allen Selbst- und Doppellautern bleibt der Mund geöffnet. 

V. Zusammenhängende Wiedergabe der bis jetzt gewonnenen Ge- 
setze über die Tonbildnng und über die Aussprache. 

Zu Robinson, Lesebuch Nr. 6, 7, 10 und 14. 



5, Wach anf, mein Herz und singe 



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1. Wach' auf, mein Herz und sin - ge dem Schöpfer al - 1er Din-ge, dem 

2. Sprich Ja zu mei - nen Taten, hilf selbst das be - ste ra-ten, den 



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1 



l. Ge - ber al - Icr Gü - ter, dem from-men Men-8chen*hü - ter. 
'2. An-fang, Mitt* und Kn - de, ach Herr, zum be - i«t*>n wen - de! 

Pänl Gerhardt. 



Singen 



61 




^ i ^U i J\^l^ J=J\M^ tntjJ ]^^ 



Klipp klapp 
1» la — 



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al-le YÖ-ffel ro 

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n. Zeilenweises Darbieten, rhythmisiertes Sprechen des Textes nnd 
Einftboi. 

UL Vergleichnng einzelner Silben in bezog auf die Daaer ihrer Töne. 

IV. In dem Lied: „Wach anf, mein Herz^ kommen Töne vor, 
die einen Schlag, die zwei Schläge nnd die drei Schl&ge lafg währen. 

V. Wie vielerlei Töne (der Dauer nach) kommen in dem Liede 
▼or: J^och lässt der Herr mich leben ^? 

Zn: Robinson wird krank. Lesebuch Nr. 9. 



6. Kommt ein Tegel geflogen 



Volksweise. 




Kommt ein Vo - gel ge - flo-gen, setst sich nie -der auf meinen 

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^* r r. c 1"^ 




FuBB, hat ein Brief-chen im Schnabel^ brin-get freund -li-chen GruM. 



Ib. 



fifjALH^lf. ^^gir' iJ^H j^ ^ 




4^ 



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r-m j J- r I r r J m 



n. Vorsingen, Vorspielen, Einfiben in zwei Abschnitten, 
ni. und lY. Die Einordnung des neuen Liedes in die verschiedenen 
Liedergruppen erfolgt später. 



62 



Das zweite Schuljahr 



7. Mein erst Gefühl sei Preis nnd Dank*) 
(Röhinson wird wieder gesund. Lesehach Nr. 9.) 



1540. 




Mein erat Gefflhl sei Preis und Dank; er-he-be Gott, o See - lel Der 

/TN 




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Herr hört dei-nen Lob -ge* sang; lob -sing ihm, mei*ne See 



Ib 



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(fa • ri fa - ra fa - rum) 



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10 



(her auf je -des Kind) 
la 10 

— Ift 



mi. 



II. Vorsingen des ganzen Liedes dnrch den Lehrer. Zeilenweises 
Sprechen des Textes mit dem Rhythmus der Melodie. Es ist hierbei 
besonders darauf zu achten, dass die Silben „mein^, ,,er", »der'', „lob** 
leicht und kurz gesprochen werden, die erste Silbe des Wortes „Seele'' 
aber die doppelte Zeit der anderen Silben zugeteilt erhält. Das rhyth- 
misierte Sprechen des Textes kann auch dem Einüben der einzelnen Zeilen 
in der Weise vorausgehen, dass immer bloss die Zeile vorher gesprochen 
wird, die zur Einübung kommt. Bei Melodieen, deren einzelne Zeilen, 
wie in dem vorstehenden Liede, die gleiche taktische Gliederung 
haben, kann das rhythmisierte Sprechen des ganzen Textes dem Ein- 
üben vorausgeschickt werden. Zeilenweises Einüben der Melodie. 

III. Vergleichen der einzelnen Töne der letzten Zeile in bezug auf 
ihre Tonhöhe. Der erste Ton ist der höchste, der letzte der tieftte 
Ton. Der 2. Ton ist etwas tiefer als der 1., der 3. etwas tiefer als 
der 2., der 4. etwas tiefer als der 3. usf. Der erste und der letzte 
Ton lauten sehr ähnlich; wenn sie zusammen erklingen, könnte man 
meinen, es wäre ein Ton. — Zur Bestätigung dessen Singen der Ton- 
leiter in abwärtsgehender Eichtung, gleichzeitigen Singen des ersten und 



*) Dieses Lied ist in den Choralbüchern meist, einer andern Melodie 
untergelegt. In ihrer ursprünglichen rhythmisch (^n Gestalt aber, an der 
hier aus den im L Schuljahr angeführten Gründen festgehalten werden 
soll, ist diese Melodie für das 2. Schuljahr nicht geeignet, weshalb vor- 
stehende Melodie gewählt wurde. 



Singen 



63 



letzten Tones durch verschiedene Ahteilnngen nnd durch einzelne Schüler ; 
Spielen des ersten und letzten Tones unmittelbar nacheinander, dann 
gleichzeitig. 

IV. Diese Tonreihe nennt man Tonleiter. Der 1. und der 8. 
Ton derselben klingen sehr ähnlich, jeder der Tonleiter-Töne ist um etwas 
tiefer, als der ihm vorhergehende Ton. 

y. Singen der Tonleiter in abwärtsgehender Eichtung von ^, ^ 
und _c^ ausgehend. Aufsuchen solcher Stellen früher gelernter Lieder^ 
die aus Teilen der abwärtsgehenden Tonleiter bestehen, so: „her auf 
jedes Kind** ^ — „bei uns Herr Jesu^ — „sonst wird dich der Jäger 
holen mit dem Schiessgewehr** — „hinderlich sein'' — „Pferdchen lauf 
i^alopp** — 9} hopp, hopp, hopp, hopp, hopp." — 



8, Wnosch 
Zu Robinson, Lesebuch Nr. 10. 



Volkslied» 



ihi J J I r' nif r rir-f; f i r r r \ M 



1. Wenn ich ein VOglein ^^r und auch zwei Flüglein hätt', flog ich zu dir; 

2. Bin ich gleich weit von dir, träum ich doch stets von dir, bin nicht al - lein ; 

3. Ein-sam dann wei-ne ich, nen - ne im Seufzen dich, doch du bleibst fem 



f^Mr'J'J j i ji ig 



j l l ^UJjj' l l 




1. weile a-ber nichtkann sein, weile a-ber nicht kann sein, bleib ich all- hier. 

2. wach ich vom Schla-fe auf, wach ich vom Schla-fe auf, bin nicht al - lein. 
8. Mut*ter, o Mut-ter mein, Mut-ter, o Mut-ter mein, bleib nicht mehr fern. 



Ib 




und haben wir solches, so hats kei-ne Not la. 
\a- 




Es klappert die Müh-le am rau-schen-den ßach 




II. Darbietung des Liedes in zwei Abschnitten. Rhythmisiertes 
Sprechen des Textes und Einüben der Melodie nach Zeilen. 



64 



Das zweite Schuljahr 



III. Während der Lehrer oder einzelne Schüler die erste Zeile vor- 
singen, haben die beim Singen nicht beteiligten Schüler darauf za achten, 
ob man 1, 2 oder 1, 2, 3 zählen i^aun, in welcher Weise starke und 
schwache Töne mit einander abwechseln. In gleicher' Weise verfährt 
man mit den folgenden Zeilen. Nach jeder Zeile wird konstatiert, dass 
auf einen starken Ton zwei schwache Töne folgen und dass man 1, 
2, 3 zählen kann. 

IV. In dem Liede „Wenn ich ein Vöglein wär'^ folgen immer auf 
einen starken Ton zwei schwache Töne. Man kann 1, 2, 3 zählen. 

V. Wie ist die Zeiteinteilung bei den Liedern: „Es klappert die 
Mühle^, ,,Wach auf, mein Herz^, „Kommt ein Vogel geflogen^, „Weisst 
du wie viel Sternlein stehen **? Bei welchen Liedern kann man nicht 

1, 2, 3, sondern 1, 2 zählen? 



Zu Lesebuch Nr. 11 und 16. 
9. Schfitzenlied 



Frisch. 



B. Ans. Weber. 



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Mit dem Pfeil, dem Bo - gen, durch Ge - birg und Thal 



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kommt der Schütz ge - zo - gen, früh am Mor • gen - strahl. 

B«i der Wiederholung pp. 



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la la la etc. 



Ib 




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klipp, klapp, klipp, klapp, klipp, klapp er mah-let uns Kom 



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II. Vorsingen des Liedes in zwei Abschnitten. Bhythmitisiertes 
Sprechen des Textes mit besonderer Beachtung der durdi die Zäsuren 
der Melodie gebotenen Verlängerungen der Silben ^Bogea^, „xogen^i 
^Tal*" und »Strahl**. Zeilenweises Einüben. 



Singen 



65 



ni. Es wechseln lange und kurze Töne wie bei „Wach auf, mein 
Herz** nnd bei „in Polen brummt^. Wie bei diesen Liedern kann ma9 
auch bei dem nengelernten Lied 1, 2, 3 zählen, eventaell Vorspielen der 
«rsten Zeilen in folgender Weise: 




Wechselweises Singen und Zählen. 

Bei welchen Liedern haben wir auch 1, 2, 3 gezählt? Hand- 
bewegnngen: ab, links, auf — statt des Zählens nnd in Verbindung 
mit demselben, während der Lehrer singt oder spielt. 

IV« Man kann solche Lieder Dreischlaglieder oder Dreier* 
lieder nennen. 

V. Welche Lieder gehören zu den Dreischlagliedern, welche nicht? 

Von den ersteren werden einige gesungen und zwar so, dass eine 
Abteilung singt, während die andere leise zählt und die dritte die 
taktischen Handbewegungen macht. 

Zu Bobinson, Lesebuch Nr. 12, 14, 20 und 25« 



10. Gott, ich danke dir*) 



Albert. 




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J I J_ J lOJ-iMda 



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Gott, ich dan - ke dir von Uer*zen, dass du mich in die-ser Nacht 1 
Yor Gefahr, Angst, Not und Schmei'zen hast be - hü - tet und be-wacht,j 



fo P * I g J I 4^a 



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daM des bö - sen Fein - des Liit mein nicht mäch • tig wor - den isl 

Albert. 

I b. 



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(dem from*men etc.) 



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n. Zeilen weises Vorsingen und Vorspielen; rhythmisiertes Sprechen 
nnd Einüben der Melodie ebenfalls Zeile um Zeile. 



*) Zweite Strophe des Liedes: „Gott des Himmels und der Erd«^. 

Daa xweite SchuUahr. ^ 



66 



Das zweite Schuljahr 



III. Die Tondauer der guten Silben ist zu vergleichen mit der 
Tondauer der akzentlosen Silben. Bei welchem früher gelernten Liede 
findet das Gleiche statt? Durch Vergleichung ist weiter festzustellen, 
auf welche der akzentuierten Silben nur ein Ton, auf welche derselben 
zwei Töne zu singen sind. Endlich ist auch noch zu bestimmen, ob 
man T, % % oder T^ ^ zählen kann. Um dies den Schülern zu er- 
leichtern, sind die einzelnen Zeilen so zu spielen: 



y j j J I r r n j j j i T"n^ 



IV. Die guten Silben haben entweder einen langen Ton, oder 
zwei kurze Töne; die. schlechten (oder leichten) Silben haben immer einen 

kurzen Ton. Man kann bei diesem Liede 1; 2, 3 zählen. Es gehört 
zu den Dreischlagliedern. 

V. Singen des Liedes durch eine Abteilung, während die andere 
die Taktteile durch Handbewegungen : ab, links, auf andeutet. 

Bei welchen anderen Liedern konnten wir 1, 2, 3 zählen? 



11. Das Bttblein auf dem Eis*) 



Gh. H. Hohmann. 




ü j' I J'ii' p Mf ^ 




(! M r ^ H 



6e - fro-ren hat es heu - er noch gar kein fe-stes Eis; BQb- 




rT-T \ i : ni' j' i J'i j vj g 



lein geht auf den Wei - her und spricht so zu sich leis: Ich 

ri7. 




rTT i j' j' J' J' I j' ji 



will es ein-mal wa-gen; das Eis, es muss doch tra-gen! Wer weiss? 

Fr. Gull, 

I b 



i 



y j' J'f, rlriip p p JiJi i j' J-f, p i r r 

Im-mer im Gki-lopp hopp etc. la 




Ü J' I J' J' p p l f ^ 



X 



guckt mit etc. 
la 




*) Ich würde dieses Lied fortgelassen haben, wenn ich die Kritik 
Böttchers im 4. Heft der Studien, Jahrgang 1885, S. 46, soweit sie den 



Oüllschen Text betrifft, für richtig erachten könnte. 



H. 



Singen 67 

n. Darbietung, rhythmisiertes Sprechen und Einüben in drei Ab- 
schnitten. 

III. Der Lehrer spielt mit starker Betonung des 1. und 3. Achtels 
<lie 1. Zeile vor. Die Schüler geben an, ob auf einen stärkeren Ton 
4mmer ein schwächerer Ton folgt, oder ob einem stärkeren Tone immer 
«wei akzentlose Töne sich anschliessen. Nachdem dies festgestellt ist, 
"wird die Zeile wieder gesungen, wobei die Schüler durch Auf- und Nieder- 
schlag die Taktglieder markieren. Die übrigen Zeilen werden unter dem- 
«elben Gesichtspunkt vergleichend mit der ersten Zeile zusammen gestellt. 

Bei jeder Zeile wird konstatiert, dass man 1 2 zählen kann. 

Wie ist der Wechsel zwischen starken und schwachen Tönen in 
«nderen Liedern, in: „Ade, du mein lieb Heimatland^, „Alle Vögel sind 
«ehon da^, „Mein erst Gefühl sei Preis und Dank^ usw.? Wie zählt, 
wie taktiert man in allen diesen Liedern? 

lY. Man heisst solche Lieder Zweischlaglieder oder Zweier- 
lieder. 

y. Woran erkennt man die Zweischlag-, woran die Dreischlaglieder? 
Nennen einzelner Lieder; Einordnung derselben in eine dieser Gruppen 
durch die Schüler. Znsammenstellung der gelernten Lieder nach diesen 
swei Gruppen. 

Für den Weihnachtskreis auch zu Bobinson, Lesebuch Nr. 23: 



12. „Tom Himmel hoch da komm ich her^ 

Die Melodie hierzu ist bereits zu dem Liede „Mein erst Gefühl sei 
Preis und Dank^ eingeübt worden. 



13« ffXUe Jahre wieder^ 

nach der Melodie zu „Aus dem Himmel ferne*'. (Nr. 1 im ersten Schul« 
jähre.) 

m. Stufe zu Nr. 12 und Nr. 13. 

Der Lehrer singt und spielt folgende Stelle: 




kommt das Chri - stni - kind 



Zahl der Töne. Der erste ist der tiefste, der letzte der höchste 
Ton. Der zweite ist etwas höher, als der erste, der dritte etwas höher, 
4tl8 der zweite usf. 

6* 



68 



Das zweite Sohuljalir 



Ebenso wird folgende Stelle ans dem Liede: „Vom Himmel hoch 
da komm ich her^ behandelt. 



^m 



^ 



I 



da komm loh her 

Bestimmung des Gemeinsamen and des unterscheidenden beider Stellen^ 
Die zweite Stelle hat höhere Töne als die erste; oder sie ist höher als 
die erste. Beide bestehen aas 4 Tönen. Der erste ist bei beiden der 
niedrigste Ton usf. w. o. 

Nun werden beide Figaren unmittelbar nach einander auf la gesangen 
und dann gespielt, doch so, dass die Schüler den Beginn der 2. Figar 
deutlich merken. Hierauf wird festgestellt, dass auch der 1. Ton d^r 
2. Stelle nur um etwas höher ist als der letzte Ton der 1. Stelle^ 
Ebenso werden der 1. und der letzte Ton der ganzen Beihe gleichzeitig 
angesungen und gespielt. 

IV. Der 1. und der 8. Ton lauten sehr SJinlich. Jeder Ton ist 
um etwas höher als der vorhergehende; der vorhergehende ist immer 
etwas tiefer als der folgende Ton. Diese acht Töne bilden die aufwärts 
gehende (oder steigende) Tonleiter. 

V. Singen der Tonleiter in auf- und abwärts gehender Richtung^ 
zunächst in D-dur, dann aber auch in C-dur, Es-dur und E-dur. 

In welchen der gelernten Lieder kommen Teile der Tonleiter vor? 

Zu Bobinson Lesebuch Nr. 10, 27 und 29. 



14. Lang, lang ist's her 



Volkslied 



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r r r p Mf F p J t 




^ 



0, wie 80 schön und herz-in-nig einst klang, lang ist es her, 



I 



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I' j' f ff r I f r f^ ^ 



* 



lang ist es her. Mut-ter, o Mut-ter, dein lieb - li • eher Sang, 

* 



y j'J'f. pif i i r> r f. J i J ii J' J--. r i f f 



lang, ach gar lang ist es her! Nimmer ver-gess ich die se*li-ge Zeit, 




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r ff ^ J M J L rr- rfi 



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da . du Yoll Treu-e dein Herz mir ge- weiht; ach, die-ses Glückes ge* 



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denk ich noch heut, lang, ach gar lang ist es her. 



Singen 



69 



Ib 



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n. Zeilenweises Darbieten, rhythmisches Sprechen des Textes 
und Einüben. Wie kann man zählen? Wie viel Töne sind gewöhnlich 
auf den 1. Schlag — auf den 2. Schlag zu singen? 

m. Bei welchem Liede sind auch öfter auf einen Schlag zwei Töne 
zu singen? (Kommt ein Vogel geflogen.) Auf den wievielsten Schlag 
bei diesem, bei jenem Lied? 

Bei welchen Liedern kommt nur ein Ton auf zwei Schläge? (Gott 
ich danke dir — Wach auf mein Herz — Mit dem Pfeil, dem Bogen.) 

IV. Es können kommen zwei Töne auf einen Schlag nnd zwei 
Schläge auf einen Ton. 

y. Nenne andere Lieder, in denen 2 Töne auf einen Schlag zu 
singen sind — dann solche, in denen Töne vorkommen, die 2 Schläge 
lang währen! 



15. Winters Abschied 
(Anch zu Robinson Nr. 12.) 



Volksweise. 



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Win-ter, a - de ! Scheiden tut weh. A-ber dein Schneiden macht, 



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dass mir das Her - ze lacht. Win-ter, a - de! Scheiden tut weh. 

HofiPmann v. Fallersleben. 

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70 ^fts zweite Schuljahr 

n. Vorsingen und Vorspielen der ganzen Melodie. Rhythmisierte» 
Sprechen der ganzen Strophe. Zeilenweises Einüben der Melodie. 

m. Vergleichang des neu gelernten Liedes in bezag auf die Takt* 
Ordnung mit: „Gott ich danke dir" — „Wach auf mein Herz" — 
„Wenn ich ein Vöglein war" — „Es klappert die Mühle" usw. Ver- 
gleichung der im 2. Schuljahre geübten Lieder in bezng auf ihren Text* 
Inhalt. 

lY. Das Lied: „Winter, ade" gehört zu den Dreischlagliedern. Wir 
haben gelernt : zwei Winterlieder, zwei Weihnachtslieder, ein Morgenlied, 
ein Abendlied, ein Schützenlied, ein Abschiedslied, ein Frühlingslied und 
ein Wunschlied. 

Y. Einordnen der neuen Lieder in die Liedergruppen des Vorjahres 
und der im 1. Schuljahre angeeigneten Lieder in die Liedergruppen des 
2. Schuljahres. Kursorische Hepetition der verschiedenen Lieder. 



Zusammenstellung der für das zweite Schuljahr behandelten Lieder 

1. Alle Vögel sind schon da. 

2. Ade, du mein lieb Heimatland. 

3. Noch lüsst der Herr mich leben. 

4. Müde bin ich, geh zur Ruh'. 

5. Wach auf, mein Herz, und singe. 

6. Kommt ein Vogel geflogen. 

7. Mein erst Gefühl sei Preis und Dank. 

8. Wenn ich ein Vöglein war. 

9. Mit dem Pfeil, dem Bogen. 

10. Gott, ich danke dir von Herzen. 

11. Das Büblein auf dem Eis. 

12. Vom Himmel hoch da komm ich her. 

13. Alle Jahre wieder. 

14. Lang, lang ist's her. 

15. Winter, ade. 



Mit dem 2. Schuljahre schliesst das Singen nach dem Gehöre» 
Im 3. Schuljahre beginnt das Singen nach Noten und damit die 
eigentliche Einführung in die Elemente der musikalischen Theorie. 

Schwab ach 

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J. Helm 



Bildbetrachtung 71 



3. Bildbetrachtung 

Literatur und theoretische Begründung: Siehe das I. Schuljahr, 
7. Aufl. 1903, S. 246 fi. und im VII. Schuljahr, 3. Aufl. 1906, S. 179 ff. 

I. Auswahl und Anordnung des Stoffes 

Schon frühzeitig erwacht im Kinde die Freude an der Kunst. Mit 
dieser Tatsache müssen wir auch in der Schule rechnen und solche Freude 
pflegen. Das geschieht hinsichtlich der produktiven Seite durch Model- 
lieren und Zeichnen (s. diesen Abschnitt). Aber auch die Anleitung zum re- 
zeptieren künstlerischen Empfinden muss leise angebahnt werden. Wir wählen 
dafür solche Kunstwerke, für die wir beim Kinde Apperceptionen voraus- 
setzen oder schaffen könneu. Die Umwelt des Kindes, seine Spiele und 
Beschäftigungen, die Jahreszeiten, das Leben der Tiere, mit denen es 
noch immer (vgl. Märchen) in freundschaftlichstem Verhältnis steht, die 
Erzählstoffe der Schule suchen wir ihnen auch in künstlerischer Aus- 
prägung vorzuführen. Nur was das Kind an sich selbst erlebt oder in 
der Natur gesehen hat, ist ihm im Bilde sofort verständlich, kann es in 
Illusionen versetzen. Die Bilder müssen, wie Konrad Lange richtig dar- 
gelegt hat, gross und deutlich sein und dürfen nicht zu viel verwirrende 
Einzelheiten enthalten. Zu vermeiden wären allzu komplizierte Ver- 
kürzungen und zu genaue Detaillierung, zu wünschen sind mehr fiächen- 
hafte Darstellungen, Klarheit der Silhouette, Deutlichkeit des mimischen 
Ausdrucks, Abkürzung der Einzelheiten, Bevorzugung friesartiger Komposi- 
tionen. Auch mit der Schattierung macht man mit Kindern recht eigen- 
artige Erfahrungen; sie halten eine stark schattierte Gesichtshälfte für 
schmutzig. Dagegen wollen Kinder im Alter von über 5 Jahren gern 
farbige Bilder, aber solche mit lebhaften ungebrochenen Farben. Mit 
feineren Farbenunterschieden und den durch das Licht bedingten Farbenver- 
änderungen wissen sie nichts anzufangen, daher haben gute neuere 
Bilderbücher vorzugsweise einfache Lokalfarben angewendet. (Vgl. 
Gertrud Caspari, Kinderhumor für Auge und Ohr.) 

Wir sind in der Schule von dem abhängig, was der Kunstmarkt 
bis jetzt hervorgebracht hat. Er hat vorzugsweise für die Erwachsenen 
gearbeitet. Doch sind schon einige den Forderungen eines besonderen 
Kinderstils nachkommende Veröffentlichungen zu verzeichnen, wie die 
Kinderfriese von Breitkopf und Härtel, einige Blätter aus den Kinder- 
serien desselben Kunstverlags, verschiedene Kinderfriese und Kinder- 
serien von Walther und Gertrud Caspari aus E. Voigtländers Verlag in 
Leipzig. Auch die Künstlersteinzeichnnngen von Voigtländer und von 
Teubner kommen den Forderungen Konrad Langes insofern vielfach nach, 
als sie klar und deutlich das Wesentliche hervorheben und flächenhafte 
Darstellung erstreben. 

Wir schliessen die Bilder an die Jahreszeiten, die Spiele, die 
beobachteten Tiere und die Erzählstoffe des 2. Schuljahres an. Das ist 
die natürliche Anordnung. Der Robinsonstoff steht im Mittelpunkt der 



72 ^M zweite Schuljahr 

ganzen Jahresarbeit. Wie er für die Handarbeit, die durchaos auch im 
Dienste der künstlerischen Erziehung steht, weil sie das Formgefühl an- 
bahnt, für die Naturkunde und für das Zeichnen die gegebenen An- 
knüpfungspunkte bildet, so auch für die Betrachtung von Bildern. Wie die 
Situationen und Gemütsstimmungen in den poetischen Begleitstoffen (s. 
das Mürchen- und Robinsonlesebuch, herausgeg. von den Verfassern der 
Schuljahre, 6. Aufl. Leipzig, Bredt, 1907) fortklingen, so kann auch 
die bildende Kunst hinzutreten, um die Kraft der Illusion zu fördern, 
um die Gefühle zu vertiefen, um angeschlagene Gedankenreihen fortzu- 
führen. 

Die Einheiten, wie sie oben im Abschnitt Gesinnungsunterricht und 
in unserm Lesebuch angegeben sind, können beispielsweise Anlass zum 
Zeigen folgender Bilder geben: 

A. Daheim: 

1. Bobinson als Schulknabe am Hafen : 

Kalimorgen, Hamburger Hafen. Künstlersteinzeichnung von 
B. G. Teubner, Leipzig. 

2. Robinsons Ferien: 

Kalimorgen, Niederdentsche Dorfstrasse. Künstlerstein- 
zeichnung von R. Voigtländer, Leipzig, oder 

Albert Haueisen, Pfälzischer Bauernhof, ebendaselbst. 

B. Fem vom Vaterhäuser 

7. Rettung: 

E. Liebermann, Zeichnung im Lesebuch (herausgeg. v. d. 
Verf. der Schuljahre) S. 137. 

13. Robinson als Jäger (Gedicht Nr. 31 Der Jäger und Nr. 32 
Jägerleben) : 

Matthäus Schiest, Hirschjagd, Deutsche Wandfriese von 
Breitkopf und Härtel, Leipzig, Nr. 8. 

14. Robinson als Hirt: 

Hans V. Volkmann, Frühling auf der Weide, Kleine 
Wandbilder, Nr. 205, B. G. Teubner, Leipzig. 

15. Robinson sorgt für den Winter (Gedicht Nr. 43: Winterszeit, 
Nr. 44: Schneemann): 

Karl Biese, Einsamer Hof, Kleine Wandbilder, Nr. 208, 
B. G. Teubner, Leipzig. 

Engelhart, Wanderer im Winter, Neue Künstlerstein- 
zeichnung, Wien, k. k. Staatsdruckerei. 
17. Die Ernte (Gedicht Nr. 53: Saatzeit, Nr. 54: Lied vom 
Samenkorn, Nr. 55: Das Samenkorn, Nr. 56: Die Ernte): 

H. Eichrodt, Der Säemann, Künstlersteinzeichnung, B. G. 
Teubner, Leipzig. 

W. Georgi, Pflügender Bauer, und W. Georgi, Die 
Ernte, Künstlersteinzeichnungen, B. G. Teubner, Leipzig. 

H. V. Volkmann, Wogendes Kornfeld, ebendaselbst. 

H. V. Volkmann, Emtesegen, Künstlersteinzeichnung, 
Voigtländer, Leipzig. 



Bildbetraclitang 73 

23. Eine neae EntdeekuDg: 

Ernst Liebermann, Holzschnitt S. 196 im Märchen* 
Robinsonlesebnch, heransgeg. v. d. Verf. der Schaljahre. 

25. Weihnachten in der Fremde (Weihnachtsgedichte Nr. 81, 82, 
83, 84, 86): 

Erich Enithan, Stille Nacht, heilige Nacht, Künstler- 
steinzeichnang, Leipzig, B. G. Teabner. 

Franz Hein, Knecht Koprecht, Kinderserie der Kunst- 
blätter von Breitkopf und Härtel, Leipzig. 

Wilhelm Steinhausen, Vom Himmel hoch da komm ich 
her. Neue Flugblätter zu deutschen Volksliedern, Breitkopf und 
Härtel, Leipzig. 

Kunz Meyer, Tannenbaum, Neue Flugblätter zu deut- 
schen Volksliedern, Breitkopf und Härtel, Leipzig. 

26. Robinsons Abschied von der Insel: 

Ernst Liebermann, Holzschnitt S. 235 im Lesebuch 
(Robinson betend). 

II. Unterrichtliche Behandlung des Stoffes 

Über die methodischen Fragen der Bildbetrachtung ist ausführlich 
im 1. Schuljahr (7. Auflage, Leipzig, Bredt, 1903) und im 7. Schuljahr 
(8. Auflage, Leipzig, Bredt, 1906) gesprochen worden. Man vergleiche 
die Ausführungen daselbst. 

Für das zweite Schuljahr wären noch einige besondere Bemerkungen 
anzufügen. In so frühem Alter sind die dargebotenen Bilder in erster 
Linie Anschauungsbilder, aber wir wählen nur künstlerische aus. Die 
Kinder haben ihre Freude daran, ihnen Bekanntes auf dem Bilde wieder- 
zuerkennen. Das ist gewiss eine wichtige vorästhetische Arbeit Die 
Kinder sind an genaues Sehen zu gewöhnen; allem flüchtigen Darüber- 
hinhuschen ist zu wehren. Gerade weil nur das Bild im Kulminations- 
punkt des Interesse an das Kind herangebracht wird, weil die Seele 
schon eingestellt ist, wird das Wiedererkennen des Dargestellten, das 
Erfassen des Inhalts nicht viele Schwierigkeiten machen. Aber die Formen- 
sprache der Kunst will erst gelernt sein. Deshalb soll das Kind 
fragen, was es nicht verstanden hat. In ungezwungener intimer Unter- 
haltung wird auf Einzelheiten aufmerksam gemacht und Falsches be- 
richtigt. Das Kind soll sich liebevoll versenken lernen, und gern wieder 
zu früher gesehenen Bildern zurückkehren. Damit ist für diese Stufe 
genug getan. Hier sind eigentliche ästhetische Fragen, z. B. nach dem, 
was der Künstler gewollt und wie er seine Absicht erreicht hat, durch- 
aus unangebracht und verfrüht. 

Aber ein Weiteres kann auch schon im 2. Schuljahr zur Vorbereitung 
des ästhetischen Empfindens getan werden. Auf Schulgängen in die Natur 
hinaus ist das Beobachten eifrig zu pflegen. Die Natur ist der unver- 
siegliche Born, in dem alle Kunst immer wieder sich verjüngt, aus dem 
sie schöpft und gestaltet. Wir dürfen nicht die Natur durch Bilder er- 
setzen wollen. Bevor ein Winterbild angeschaut wird, sind die Kinder 
in eine Winterlandschaft hinauszuführen. Schon im Oedanken an das 



74 ^As zweite Schuljahr 

zu zeigende Bild macht sie der Lehrer auf die Schneepolster and Schnee- 
häahehen auf Zinnen, Mauern und Dächern aufmerksam, er zeigt, wie 
die Äste sich unter der Schneelast bis zum Boden herabb^'ngen, wie der 
Schnee an der einen Seite aller Stämme haften geblieben ist. Da seht, 
wo der Hase gelaufen ist usw. Man wird staunen, wie gern die Kinder 
4as alles auf dem Bilde wiederaufsuchen, was sie vorher gesehen. 
Immer heisst es: „Gerade wie dranssen im Kammerforst !^ Die Emte- 
bilder sollen nicht davon abhalten, das wirkliche Ernteleben zu beobachten, 
das wäre verkehrt. Aber sie vertiefen und befestigen das vorher An- 
geschaute und lehren vorher Geschautes im Bilde wiederzuerkennen. 
Ein Unterrichtsbeispiel würde also folgen dermassen verlaufen: 

a) Im Hinblick auf die 2. Einheit „Robinsons Ferien" erfolgt für 
die Stadtkinder ein Gang aufs nächste Dorf. Ein Bauernhof wird be- 
sucht, die Tiere beobachtet, die Häuser, ihre Fenster, ihr Anstrich, ihre 
Dächer betrachtet. Der Unterschied der Strassen wird bemerkt usw. 
(Weiteres wird in der Naturkunde besprochen.) 

b) Der Abschnitt: „Robinsons Ferien" wird im Unterrieht erzählt. 

c) Wir wollen nun das Bild eines Dorfes aus Robinsons Heimat 
anschauen, wie es ein Maler gemalt hat. Das Bild wird lange ruhig 
betrachtet. Dann dürfen die Kinder erzählen, was sie alles entdecken. 
Da weiss jeder etwas Neues. Das grosse Hans gehörte gewiss Robinsons 
Verwandten usw. Es entsteht mit Hilfe der Kinder eine Beschreibung, 
wie sie etwa Käte Kautzsch in ihren „Versuchen in der Betrachtung 
farbiger Wandbilder mit Kindern" gegeben hat.*) „Wie fröhlich schaut 
die Strasse aus ! So viel bunte Farbe, so viel freundliches Leben überall ! 
Die roten Ziegelhäuschen stehen keck und lustig gegen den blauen 
Himmel, gegen die weissen Wolken, gegen das grüne Gras und die 
Büsche, und wie würdig und liebevoll die alten stolzen Ulmen dem 
Treiben der Menschen und Tiere auf der Strasse zuschauen. Sie sind 
schon zum Teil herbstlich gefärbt und haben viel von ihrem Schmuck 
dem Kinde zum Spielzeug opfern müssen. Da liegen die welken, braunen 
Blätter nun achtlos auf dem Wege, und das Hühnervolk sucht sich 
zwischen ihnen seine Würmchen und Körnchen. Der Herr Hahn scheint 
recht übermütig und herrscherfroh. Er hat das Picken nicht mehr nötig, 
ist auf den Rand des Ackerwagens geflogen und kräht über seine ge- 
schäftigen Weiblein hinweg, dass es eine Art hat. Was hat die Frau da 
in ihrem Wägelchen? Viele Kannen, vielleicht war Milch darin, die sie 
verkaufte, nun ist sie heimgefahren und schwätzt noch unterwegs mit 
ihren Freunden, die da vor der Tür ihres Häuschens stehen. Sie freut 
sich mit den Eltern an dem Kinde, das die Mutter auf dem Arme trägt. 
Und da kommt noch ein so kleines Wurm in rotem Röckchen die Strasse 
daher. Stolz an der Hand der Mutter, die es zu ihren Einkäufen mit 
sich nahm. Kommt aber mal mit hinüber die kleine Stiege hinauf zu 
der höher gelegenen Strasse; da ist noch eine dritte Mutter zu sehen, 



*) Solche Versuche sollen nicht etwa sklavisch kopiert werden, aber 
sie können den in solchen Bildbetrachtungen ungeübten Lehrer anleiten, 
wie er es ähnlich gestalten kann. 



Bildbetrachtung 75 

ein Kind, das gern schon Mütterchen sein will und eine Puppe als Baby 
auf dem Arm trägt. Zu ihren Füssen sitzt die kleine Freundin; wir 
sehen nor ihren Rücken, vielleicht hat sie auch iht Puppenkind bei sich. 
Die zwei sind so eifrig, dass sie den Bauer noch gar nicht sehen, der 
da auf sie zukommt. Vielleicht der Vater. Die Sense trägt er über 
die Schulter, die Jacke am Arme, sie wurde ihm zu heiss bei der Arbeit. 
Schwerfällig geht er ; er ist wohl schon alt ; und was die Leute alle für 
plumpe Schuhe tragen I Dicke, grosse Schuhe, die den Fuss nicht ein- 
engen und fest sind gegen Steine und Nässe. Sehr viel können 

uns all die kleinen Figürchen auf dem Bilde erzählen, und die Häuser, 
zwischen denen wir sie stehen sehen, sind zwar still und unbeweglich, aber 
wieviel plaudern sie aus von dem, was in ihnen und um sie hervorgeht 1 
Ihr denkt vielleicht: sie sehen ja alle ganz gleich aus! Doch nicht so 
ganz! Seht nur genauer hin: da gleich das erste Haus rechts — wir 
sehen nur ein Stück davon — , es ist mit einem dicken Strohdach ge- 
deckt und hat nach der Strasse zu keine Fenster. Das ist wohl ein 
Stall- und Wirtschaftsgebäude. Es gehört zu dem freundlichen Haus 
daneben, und zwischen ihnen ist eine Wageneinfahrt. Das zeigt uns 
der Prellstein an der Ecke des ersten Hauses. Der mag schon viele 
Stösse erlitten haben, hat schon eine muldenartige Vertiefung in der 
Mitte; alt sind auch die Balken des Stallhauses. Sie zeigen Risse und 
moosige Flechten. Der Wagen, der da steht, der soll vielleicht heute 
noch ins Feld, um Korn oder Heu in die Scheuer zu tragen. In dem 
Wohnhaus aber leben die Eltern mit dem Kinde. Die Frau hält etwas 
auf ihr Haus. Schöne weissblaue Gardinen hat sie aufgesteckt, und zwei 
rote Nelkenstöcke blühen an dem einen Fenster. Es scheinen ganz wohl- 
habende Leute zu sein, ihr Haus hat noch im zweiten Stockwerk ein 
Fenster, das einen Wohnraum kündet, und es ist mit Ziegeln gedeckt; 
oben gibt's noch einen spitz zulaufenden Bodenraum, der nur ein kleines 
rundes Guckloch nach aussen hat. So wie dies, kann euch ein jedes 
Häuschen etwas Neues berichten^ usw. So mnss man die Kinder, 
natürlich in Gesprächsform, anleiten, sich lange eingehend und liebevoll 
mit allen Einzelheiten eines Bildes zu beschäftigen. Entsprechend der 
Eigenart der kleineren Kinder lokalisieren wir den Robinsonferien- 
aufenthalt (s. Lesebuch) in diese Dorfstrasse hinein. 



76 ^&8 zweite Schuljahr 



4. Tarnen 

Literatur t'i') J. G F. GutsMuths Spiele zur Übung und Erholung 
des Körpers und Geistes. 8. Aufl. Hof. Lion. 6M. A. Netsch, Spiel- 
buch ftir Mädchen. Hannover 1899. Meyer. 2,50 M. Trapp-Pinzke, 
Das Bewegungsspiel. 8. Aufl. Langensalza, Beyer u. Söhne. 1,60 M. 
Lehrerkollegium zu Schlettaa, 100 Schulspiele nach Altersstufen 
der Kinder. Dresden 1901. Huhle. 1,35 M. Maria Kühn, Macht aut 
das Tor! Alte deutsche Kinderlieder, Reime, Scherze und Singspiele. 
10. Tausend. Düsseldorf, Langewiesche. 1,80 M. 

I. Ziel und Aufgabe*) 
2. Auswahl und Anordnung 

unser Standpunkt, dass das Tomen ein organisches Glied des 
'Erziehungsganzen sei, verlangt eine Anknüpfung der Übungen an den 
Gedankenkreis des Zöglings, wo das nur immer möglich ist, und ein 
Anknüpfen der übrigen Unterrichtsfächer an das Turnen durch Ziel- 
stellongen und Hinweise, wo immer angängig. 

Bei der Auswahl der Übangen ist demnach Rücksicht zn nehmen 
sowohl auf die psychische, als auch auf die physische Entwicke- 
longsstufe der 7 — 8jährigen Kinder. Diese stellt sich uns folgendermassen 
dar : **) 

psychisch: physisch:***) 

Reiche Phantasie. Lebhafter Schnelligkeitsnbnngen zur För- 

Tätigkeitsdrang ; Interesse für rege dernngder AtmnngonddesBlatkreis- 
Handlung; Freiheit der Willens- laofs; Verteilung der Anstrengung 
betätigung. auf grosse Muskelmassen; Ver- 

meidung der Anstrengung einzehier 
Körperteile; Gegengewicht gegem 
Sitzzwang und Schulluft. 

Dieser Eigenart entspricht am besten das Bewegnngsspiel im 
Freien, wenn möglich auch im Anschluss an die Märchen, Tierfabeln 
und den Robinson im Unterrichte. Im Bewegungsspiele, welches 
möglichst allen Kindern gleichzeitig Gelegenheit zur Betätigung und auch 
jedem die Möglichkeit passender (selbstgewählter) Ruhepausen bieten 
muss, erhält das Kind einen „Unterricht im Vergnügen ** und bemerkt 
von den Absichten des Erziehers, der die Spiele natürlich so auswählt, 
dass sie psychisch und physisch fördernd wirken, nichts. 

Die unvermeidlichen Ordnungsübungen, sowie einige sich aufdrängende 
Freiübungen und volkstümliche Übungen tragen Spielcharakter. 



*) Siehe: L Schuljahr, 7. Aufl., S. 311 und 318. 
**) a. a. 0. S. 315. 
***) Dr. med. F. A. Schmidt, Unser Körper, Leipzig, Voigtländer. 



Turnen 77 

Präft man diese Auswahl an der Hand der Theorie der kultur- 
historischen Stufeu, so ergibt sich Übereinstimmung: 

Genetische Entwickelung: unser Lehrplan: 

Alle Naturvölker treiben auf der Fortführung der Bewegungs- 

ersten Entwickelungsstufe phantasie- spiele des Eindergartens und des 
Tolle Tänze und Spiele mit Gesang 1. Schu^ahres.*) Neue Laufspiele 
nach einfachem Rhythmus bei ihren im Anschluss an -die Erzählstoffe 
Festen und ihrer Unterhaltung. (z. B. Bobinson), ebenso einfache 

Freiübungen zur Veranschaulichung 
von Vorgängen und volkstümliche 
Übungen. Ordnungsübungen bei Auf- 
stellung zu den Spielen und Aas^ 
fiügen. 

Wie überhaupt in der Volksschule, darf besonders auf dieser Stufe 
das Turnen nicht blosse Technik sein, sondern die Grundlage für den 
Turnunterricht müssen Sachen bilden, die auch das Vorstellungsleben, 
das Gefühl und den Willen des Kindes beschäftigen und anregen. Das 
ist nur möglich, wenn das Turnen 

1. als Veranschaulichungsmittel benutzt wird, um Hand- 
lungen auch handelnd von den Schülern darstellen zu lassen (Robinson: 
Tanz der Wilden um das Feuer; Wettlauf zwischen dem Gefangenen 
und dem Verfolger; die Jagd; Schiessen mit Bogen und Pfeil; kleiner 
Schreitreigen nach dem Liede „Der Schütz^; Ziel werfen u. a.); wenn es 

2. im Spiel kulturgeschichtliche Kenntnisse vermittelt, d. h. 
solche Spiele pflegt und erhält, die auf uralten Volkssitten, Gebräuchen 
und mythologischen Vorstellungen nnsrer Vorfahren beruhen und daher 
als ein bleibendes Denkmal alter Zeiten der Nachwelt erhalten zu werden 
verdienen. Hierbei sollen auch die auf gleicher Grundlage beruhenden 
Abzählreime nicht vergessen werden.**) 

(Das Erlösen der Erdgöttin ans der Macht des Winters: „Das 
Königstöchterlein ^ ; „Prinzessin erlösen^ ; „die ummauerte Königstochter" ;: 
„die Domröschenballade*', zugleich eine Erinnerung an die Schicksals- 
göttinnen. Elfen: „Nix in der Grube**. Kobolde: „Vom Butzemann**. 
Herd begiessen: „Bauer, baue Kessel**. Regenbogenbrücke nach Wal- 
halla: „Brücke bauen**. Frau Holle: 

Ringel, Ringel, Reihe! 

Sind der Kinder dreie, 

Sitzen auf dem Holderbusch, 

Schreien alle: husch, husch, husch!) 

Wenn auch das Kind auf dieser Stufe zum vollen Verständnis für den 
Zusammenhang zwischen dem Spiel und seiner kulturgeschichtlichen Grund- 
lage nicht geführt werden kann, so ist es doch schon ein Gewinn, wenn 
es die Handlungen des Spieles nachahmend so aufnimmt, wie sie sich 
bieten, da dadurch die konkrete Grundlage zu einem späteren Verständnia 



♦) a. a. 0. S. 319. 
**) Böhme, Kinderlied u. Kinderspiel. 



78 ^A9 zweite Schuljahr 

für das Weben der Volksseele in der Vergangenheit gegeben wird. Die 
Tatsache, dass sich diese Spiele überhaupt durch die Jahrhunderte er- 
halten haben, ist der beste Beweis für ihre Güte. 

3. ist es vorteilhaft, wenn sich der Turnunterricht das durch andere 
Unterrichtsstoffe angeregte und gesteigerte Interesse zu nutze macht. 
(Jagdspiele im Anschluss an Eobinsons Jagdabenteuer; Handwerkerspiel; 
Robinson und Freitag: Nachahmungsspiele u. a.). 

Alles in Allem: wenn das Turnen charakterbildend wirken 
will, darf es keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne die Kinder 
zum Handeln anzuhalten. 

3. Die Spiele 

Um zu zeigen, wie leicht die Spiele mit zusammenhängenden Ge- 
dankenmassen in Verbindung gebracht werden können, sind die Spiele 
nach den oben bezeichneten Gesichtspunkten geordnet. 

See und Schiff: Wogendes Meer G. M. 255*) N. 22**) 

Fischzug r, 279 „11 

Holland — Seeland. ... „279 „13 

Seüziehen „219 „52 

Das Schiff „150 

Klettern am Tau, Mast, Leiter. 
Gehen auf dem Schwebebaum. 
Nix in der Grube . . . . „ 232 

Jagd: Die Jagd G.M. 294N. 46 

Blinde Jagd «327 

Jäger und Hühnchen (Häschen) . . „ 245 

Häschen im Busch „60 

Zielball (Scheiben) „ 58 

Ziegenspiel „ 69 

Ballschiessen „ 68 

Boj^enschiessen „211 

Mückchen, Sperling, Habicht, Jäger Seh. 26***) 

Die Wilden: Schwarzer Mann G.M. 276 N. 28 Seh. 7 

Gänsemarsch (Tanz ums Feuer) „ 251 
Wettlauf 

Der Butzemann M. a. d. T. 186 t) 

Abzählreim „ 171 (Siehe 

unten unter „Brücke bauen''.) 

Handwerke (Nachahmespiele): 

Wollt ihr wissen, wie der Bauer G.M. 248 N. 116 Seh. 13 M.a.d.T.226 
Handwerk erraten . . . . „ 351 „ 38 

Kleiderwaschen „ 250 

Adam hatte 7 Söhne, . . „ 246 „ 113 

'^) Seitenzahl in GutsMuths Spielbuch. 7. Aufl. 
**) Seitenzahl in Net seh, Spielbuch für Mädchen. 
*♦*) Seitenzahl in „100 Schulspiele". 
t) Seitenzahl in „Macht auf das Tor!" 



79 

Bei den NaeliftluM^klca at^t der bfridnig^smbe da Kmdor and 
dar Ldffcr eim weitet G^äet oHn. (Beii^ei: Zei^ea^aehe Ewiaehen 
BoIhbmmi «id Freitag:; PaatomiMcn.) Hiertor gfkSat aadi ein in der 
goldnen Ane geq^ieltet Nndiakse^d: 2 PtateieB. Die graeaere stellt 
rieh som Empbrnge der Handweifar aas dem Mobrenlande ail Dieee 
kommen and spreckea: 

„Wir kommen aas dem Mi^irailaad, 
Die Sonne kat ans sehwars getamnt, 
Wir sind die editen Mokren 
Und kabea sdiwarse Okren.* 

Frage: .Was fir ein Handwerk Irdbt ikr?* 
Mokren: „Eün reekt sdiönes!'' 
.Zeigt's mal ha!« 

Nan folgt die pantomimisdie DarsteUoagy and nack dem Erraten 
tritt eine Anzakl andrer Mokr^ aaf. 

Jakreszeiten: Domroeeken . . . . lLa.d.T.229 N. 161 

Des Königs Töekteriein. „ 219 G.M. 234 Sek 10 

. 224 
Bingel, Ringel, Heike! . . 232 

Abziklvers . 171 : 

„Dorek Feld and Wald 
Das Hom ersckallt. 
Fraa Holda kommt, kaka! 
Ikr Sekätzeken, das bist da!" 

Brücke baaen G. IL 251 

Abzäklvers M.a.d.T. 171: 

Es gekt ein M&nncben aber die Brack', 
Hat ein Säckeken aaf dem Back\ 
Scklägt es wider den Pfosten, 
Pfosten krackt, Männcken lackt: 
Tipp, tipp, tapp — da bist ab! 

4. Spielreigen im Anschluss an Lieder 

Eine ganze Anzakl Lieder dieser Stafe*) eignen sieb za darstellenden 
Handlangen, die vom Lekrer leickt in eine entsprechende Ordnang ge- 
braekt werden können. Einige Beispiele: 

1. Dan Sehfitzenlied (Mit dem Pfeil, dem Bogen). Melodie von Anselm 
Web« 1804. 
Elemente: GFehen and freadiges Schwingen der Waffen (Str. 1 a. 2), 

Schnss (Str. 3). 
Aafttellang: KreiB in Flankenreike, linke Seite nack innen. 
Text: 4X4 Schritte = 16 Zeiten. 
Kehrreim: La la la 4 X 4 Schritte = 16 Zeiten. 

*) Von der Auswahl aaf Seite 70: Nr. 1, 2, 6, 9, 11 a. 15. 



80 



Das zweite Schuljahr 



1. Str. Der Bogen ruht senkrecht auf der linken Schalter, so dass 
der Bogen vor, die Sehne hinter der Schalter liegt and die linke 
Hand das antere Ende fasst; der Pfeil wird wagrecht in der 
rechten Hand getragen. 

1. — 16. Zeit: Vorwärtsgehen im Takt (ohne Gleichtritt!); in der 
1. a. 9. Zeit schwingen beide Arme wagrecht, in der 5. and 
13. Zeit gehen die Hände zorttck. 

17. — 32. Zeit: In der 1. and 9. Zeit Springen in den Seitgrätsch- 
stand, in der 5. and 13. zarück in die Gnmdstellang. Arm- 
bewegangen wie vorher. Beim Senken der 1. Hand in der 
29. Zeit gleitet der Bogen herab und wird von der 1. Hand 
in der Mitte gefasst. 

2. Str. 1.— 16. Zeit: Wie 1. Str. 

17.— 32. „ Wie 1. Str. 

3. Str. 1. — 16. Zeit: Wie 1. Str., aber die Arme schwingen seit- 

wärts hoch. 

17. — 32. Zeit: Springen in den Seitgrätschstand, aber mit Vi I^^^' 
huDg, das Gesicht nach aassen and so stehen bis zam Schlass. 
In der 21. Zeit wird der Pfeil aaf die Sehne gesetzt, in der 
2ö. Zeit die Sehne gespannt and der Pfeil schräg hoch nach 
vorn gerichtet, and in der 29. Zeit der Pfeil abgeschossen. 

Hieraaf Wettlaaf der Schützen nach ihren Pfeilen. 



2. Einladung ins Freie 



Munter. 



E. Richter. 



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1. Kommt AI - le her - aus, her - aus aus dem Haus ! hin - aus zu den 



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Ler-chen, den Mei-sen und Stör-chen, zum Eu-kuk hin - aus, her- 



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aus aus dem Haus ! 

2. Heraus aus dem Haus ! Juchheisa ! hinaus zur Wiese, zum Bache : 
He, Brüderchen lache! Sturm laufen wir dann den Hügel hinan! 

3. Den Hügel hinan! und wer ihn gewann, den führen im Glänze, 
gekrönt mit dem Kranze, mit geschmücktem Strauss, wir singend nach Haus! 

Geisheim. 

Elemente: a) Heraas aas dem Haas: 2 Stimreihen stehen einander gegen- 
über and heben ihre gestreckten Arme schräg hoch nach vom, dasa 
sich die Fingerspitzen berühren, eine Flankenreihe steht anter diesem 
Dach and zieht heraas. 






Turnen 



81 



b) Stormlaufen. 

c) Heimkehr des Siegers: 2 Knaben führen den 3. zwischen sich, 
mit ihren äusseren Händen seine Hände fassend, ihre inneren Hände 
über seinen Kopf gefasst. 

Aufstellung: ) ^ ( Die Beihen dürfen nicht mehr als 10 Kinder 

) ^--^ ( zählen; sind mehr als 30 Kinder vorhanden, so 

) >^ ( baut man lieber mehrere Häuser. Ist die Kinder- 

) ^^ ( zahl nicht durch 3 teilbar, so stellt sich ein 

) '^ ( Überzähliger stets hinter die mittelste Eeihe, 

) '^ ( zwei Überzählige stellen sich stets ans Ende 

) ^^ ( der äusseren Reihen. 

) w ( 12 Takte mit je 3 Schritten = 36 Zeiten. 
3. 1. 2. Reihe. 

1* Str. 1. — 12. Zeit: Reihe 1 geht 12 Sehr, gerade aus heraus aus 
dem Haus. Dann, 13. — 26. Zeit, läuft sie im Sturmschritt rechts 
herum um das Haus und stellt sich als Stirnreihe neben Reihe 2, 
die links um macht. Auf diese Weise ist die Aufstellung wieder 
hergestellt. 

2. Str. Reihe 2 führt dasselbe aus wie Reihe 1 in der 1. Str., aber 
links herum um das Haus, und bleibt als Flankenreihe stehen; 
Reihe 1 macht links um. Die 3 Nachbarn fassen sich wie oben 
unter c beschrieben ist. 

3. Str. Vorwärts gehen, im Kreise herum oder vom Platz hinweg. 



3. Der Schmetterling 



Schnell. 



R. SchuinaDD. 



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P=t2: 



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1. O Schmet-ter-ling sprich, was flie-hestdu mich? O 



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Schmet-ter-ling sprich, was Äie-hest da mich ? Wa - 



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mm doch so ei - lig, wa - rum doch so ei - Hg, jetzt 



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fern und dann nah, jetzt fern und dann nah. 

2. Jetzt fern und dann nah, jetzt hier and dann da — jetzt fern and 
dann nah, jetzt hier und dann da, — ich will dich nicht haschen, ich 
will dich nicht haschen, ich tu dir kein Leid, ich tu dir kein Leid. 

Daa zweite Schuljahr. ^ 



82 D&s zweite Schuljahr 

3. Ich tu dir kein Leid: o bleib^ allezeit! O bleib allezeit, o bleib 
allezeit! IJnd war ich ein Blümchen, und war ich ein Blümchen, so 
sprach ich zu dir, so sprach ich zu dir. 

4. So sprach ich zu dir : Komm, komm doch zu mir ! So sprach ich 
zu dir : Komm, komm doch zu mir ! Ich schenk dir mein Herzchen, ich 
schenk dir mein Herzchen, n^^® gut bin ich dir!^: Wie gut bin ich dir! 

Hoffmann v. Fallersleben. 

Elemente: Fliehen und haschen, fern und nah sein; hier und da sein; 

„wie gut bin ich dir!**: Handfassen und herum wirbeln. 
Aufstellung : Die Kinder sind in zwei gleichgrosse Abteilungen eingeteilt, 
die „Kinder** und die „Schmetterlinge*^. 

Die „Kinder** stehen mit dem Gesichte nach aussen auf einer 
Kreislinie so weit von einander entfernt, dass sie sich bei seitge- 
hobenen Händen eben noch berühren. Am Anfang des Beigens steht 
rechts von jedem „Kind** der zu ihm gehörige „Schmetterling**. (Bei 
Kinderfesten können die Schmetterlinge mit Flügeln ausgerüstet sein, 
die ans Draht gebogen, mit Gaze überzogen und bemalt sind und an 
2 Gummischnüren über die Schultern gezogen werden.) 
16 Takte mit je 3 Schritten = 48 Zeiten. 
Der ganze Eeigen wird mit kurzen Laufschritten ausgeführt. 

1. Str. Schmetterling (Seh.): 8 Takte: vorwärts laufen, drehen und 
zurücklaufen ; 8 Takte : dasselbe wiederholen, aber am Schlnss dem 
Kinde gegenübertreten, Gesicht gegen Gesicht = 48 Zeiten. 
Kind (K.): winkt am Anfang jedes 2. Taktes. 

2. Str. Seh. : 4 Takte rückw. laufen, dann 4 Takte vorw. 1 2 mal = 

K. : 4 „ vorw. „ „ 4 „ rückw.J 48 Z. 

Am Schlnss steht der Seh. wieder neben seinem K. 

3. Str. Seh.: 8 Takte: das Kind rechts umkreisen = 48 Z. 

K.: dreht sich am Ort links herum. Am Schlnss stehen beide 
Gesicht gegen Gesicht. 

^' -^ ' > In Gegenstellung beide Hände fassen. 

Beide 8 Takte links herum wirbeln mit Galopphüpfen 1 aq 7 

8 „ rechts „ » » » J 

Bei grosser Schülerzahl kann auch ein dritter Kreis aussen hemm 
stehen, der die Blumen darstellt, die von den Schmetterlingen um- 
kreist werden, erst links und rechts herum. 

4* Winters Abschied*) 
Elemente: Abschiedszeichen, auch spöttische; lustiges Wandern. 

a und c = 4 Takte Kehrreim, b = 4 Takte Text = 12 Takte 
mit je 3 Schritten = 36 Zeiten. 
Aufstellung: Kreis. 

1. Str.: a u. c: Stehen und Abschied winken. 

b: Handefassen und gehen linksherum im Kreise. 

2. f, SL und c: Bübchen schaben. 

b: Wie 1. Str., aber rechts henun. 

3. „ a u. c: Lange Nase machen. 

b: Hüpfen links hemm im Kreise. 

♦) Siehe Seite 69. 



Turnen 83 

5. Einige methodische Bemerkungen 

Die vorliegende Aaswahlreihe soll eine Stoffsammlung zur Auswahl 
sein, nicht aber ein Lehrplan, der durchgearbeitet werden mtisste. Denn 
besonders in der Volksschule hat das \yort Geltung: ^^Nicht Vielerleii 
aber viel spielen!^ Nicht besondere Stunden, aber die Gelegenheiten 
(Zwischenstunden, Lehr- und Spaziergänge, Singstunden u. a.) ausnützen! 

Das Spiel ist eine Art kindlicher Poesie. „Es liegt ein tiefer Sinn 
im kindlichen Spiel^ (Schiller). Es kann daher nicht gedeihen unter 
4er Leitung eines kaltsinnigen Pedanten oder eines Schulhandwerkers, 
sondern nur unter einem nicht aufdringlichen, nur leise fühlbaren Einflnss 
eines warmherzigen Einderfreundes, der das Kunststück versteht, sich 
überflüssig zu machen. Je mehr die Kinder meinen, alles selbst gewollt 
zu haben, was sie taten, je weniger sie die leitende Hand des Lehrers, 
die sie sicher führt, fühlen, desto mehr wird der Unterricht das sdn, 
was er sein sollte, ein „Unterricht im Vergnügen^, „Arbeit im Gewände 
jugendlicher Freude.^ (GutsMuths.) 



6* 



. Sprachunterricht 

1. Deutsch (Lesen und Schreiben) 

I. Die Auswahl des Stoffs 

Eine ausführliche Abhandlong über den deutschen Spcachunterricht 
enthält das „Dritte Schuljahr^. Ausserdem verweisen wir noch auf den 
Artikel „Muttersprache, Unterricht in der ^ (von Fr. Lehmensick) 
in der Encyklopädie d. Pädg. von Prof. W. Rein. 2. Aufl. Bd. IV. 

An beiden genannten Stellen finden sich auch die Litteratur- 
angaben. Wir können deshalb im „Zweiten Schuljahr" gleich mit der 
praktischen Gestaltung des deutschen Unterrichts beginnen. 

Von den verschiedenen Aufgaben des deutschen Unterrichts stehen 
im zweiten Schuljahr im Vordergrund Förderung der Lesefertig- 
keit, so dass am Schlnss dieses Schuljahrs die sog. mechanischen 
Schwierigkeiten zum grössten Teil überwunden sind, Gewöhnung an 
klare mündliche Darstellung in einfachen Sätzen und an Eich- 
tigschreibung der Schreibübungswörter. (Die zuletzt ge- 
nannte Aulgabe drückt man vielleicht zweckmässig auch negativ aus: 
„Verhinderung der Falschschreibung.") An eigentliches Aufsatzechreiben 
denken wir noch nicht. (Man müsste denn die recht anregenden Übungen,, 
wie sie z. B. G. Boscher in „Neue Bahnen", Leipzig, 18. Jahr- 
gang 3. Heft angibt, schon dazu rechnen.) 

2. Die Bearbeitung des Stoffs 

1. Das Lesen."*") Das zweite Schuljahr hat die Aufgabe, zunächst 
das Wortlesen (ohne Beschränkung) zu üben und zu fliessendem, ton- 
richtigem Satzlesen überzuleiten. Beim Wortlesen wird verlangt,, 
dass der Blick gleich das ganze W^ort übersieht,'''*) während beim Satz- 
lesen immer schon einige nachfolgende Worte erf asst sein müssen, wenn^ 



'*') Vergl. hierzu: A. Pickel, Anweisung zum elementaren Lese- und 
Schreibunterricht (von Seite 53 an). Dresden, Bleyl & Kämmerer. 

**) Dabei stellen wir uns nicht jeden Buchstaben in allen seinen Teilen^ 
klar vor, sondern nur in seiner Gesamtform andeutungsweise. Auch nicht- 
alle Buchstaben eines Worts erfassen wir wirklich „gleichzeitig", wir 
„übersehen" nur drei bis vier Zeichen. 



Lesen and Schreiben 85 

das vorhergehende noch ausgesprochen wird. Das Wortlesen betont zwar 
die Silben richtig, setzt aber alle Wörter eines Satzes gleichwertig ; das 
Satzlesen hebt Einiges als besonders wichtig hervor, setzt also ein Urteil 
voraus. Es kann nicht eher erfolgen, bis die erlangte Fertigkeit im 
Wortlesen den Blick znm schnellen Durchlaufen der Zeilen freigemacht 
hat; deshalb darf man es nicht zu fräh verlangen. Auch erzeugt man 
sonst leicht „Stockerer", welche die bekanntern Werter zwar rasch 
hinter einander lesen, bei jedem schwierigem Wort aber halten und 
dann einen neuen Anlauf nehmen. Selbst das Wortlesen darf man 
nicht voreilig erzwingen wollen. Wenn das lautierendeLesen noch 
Schwierigkeiten macht, verlegen sich die Schüler leicht aufs Erraten der 
Wörter. Also behutsamer Fortschritt! Zum lautierenden Lesen muss 
noch so oft zurückgegriffen werden, als ein schweres Wort es nötig macht. 

Jeder Satz ist zunächst tüchtig wortweise einzuüben. Für den An- 
fang ist das Lautieren noch das alleinige Lehrverfahren, später tritt 
das Buchstabieren ein. Zur Erleichterung werden dabei die schwerern 
Wörtern zerlegt. Silben weises Lesen eines Wortes kann man nicht ohne 
Weiteres verlangen ; denn der Schüler weiss ja noch nicht, wie weit eine 
Silbe reicht. Man gibt ihm deshalb an, bis zu welchem Buchstaben 
er lesen soll, z. B. bei „Bohnensuppe" : Lies bis zum h; — Boh- — , von 
da bis zum n ! — nen- — , beide Silben ! — Bohnen- — , vom s bis zum 
ersten p! — sup- — , vom zweiten p bis zum Schluss! — pe! — , die 
beiden letzten Silben zusammen! — suppe — , das ganze Wort! — 
Btphnensuppe — . Viele Lesebücher für die Unterstufe bringen die Wörter 
gleich in Silben getrennt (Bohnensuppe z. B. ist gesetzt: Boh nen sup pe.) 
Das Lesen wird dadurch allerdings zunächst erleichtert, aber es artet 
leicht in Silbenlesen aus; auch werden die Wortbilder verunstaltet. Wird 
ein Lesestück richtig vorbereitet, so ist die erwähnte Hilfe nicht nötig. 

Von der grossen Schrift der Lesemaschine zu der kleinen des Lese- 
buchs ist ein ziemlicher Sprung. Dazu kommen die vielen Zeilen unter 
einander und die geringe Übung im Zeigen und Fortrücken auf solchen 
Linien. Das alles macht die Schüler leicht verwirrt. Deshalb schiebt 
man zwischen Lesemaschine und Lesebuch als zweckmässigen Übergang 
Lesetafeln ein,"*") deren Schrift die Mitte zwischen derjenigen der 
Lesemaschine und der des Lesebuchs hält. Sie gestatten ohne Mühe einen 
tüchtigen Gesamtunterricht und Übung im Mitzeigen und Nachlesen. Im 
Lesebuch wird die zu lesende Zeile durch das Lesebrettchen oder 
ein Blatt Papier, das zu lesende Wort durch den Zeigestift isoliert. 

Die unterrichtliche Behandlung eines Lesestücks 
erfolgt nach den bekannten formalen Stufen. Es soll aber nicht jedes 
Letestück als methodische Einheit angesehen und nach sämtlichen 
Stufen durchgearbeitet werden, weil sonst die Leseübung zu gering sein 
würde.**) Viele Lesestücke werden deshalb auf der zweiten Stufe mit 



*) Solche sind bei Klinkhardt in Leipzig erschienen. 
**) Die Erfahrung hat gelehrt, dass viele Obung nötig ist, wenn wirk- 
lich etwas Ordentliches im Lesen und Schreiben erreicht werden soll. 
Deshalb gebe man den Übungen genügend Raum auf den Stundenplänen. 



gg Das zweite Schuljahr 

dem Lesen (und vielleicht der Inhaltsangabe) abgeschlossen oder erst bei 
einem spätem weiter verwendet. 

Die Vorbereitung eines Lesestücks ist eine zweifache. Sie er- 
streckt sich zunächst auf den sachlichen Inhalt. Interesse für denselben 
soll schon durch die Zielangabe erweckt werden. Bei der nun folgenden 
Vorbesj^rechung darf nicht der ganze Inhalt des Lesestücks verraten 
werden. Voraussichtlich ist in dem Lesestück auch manches dem Schüler 
unverständlich oder unklar und erklärt sich aus dem Zusammenhange 
beim Lesen nicht von selbst. Entweder sind es einzelne Ausdrücke oder 
Satzkonstruktionen; diese sollen, wo es ohne Zwang und Künstelei ge- 
schehen kann, vor dem Lesen zur Klarheit gebracht sein. Vielfach 
wird die Erklärung da eingeschobeUi wo sie sich eben nötig macht, 
oder sie wird am Schluss eines Abschnitts gegeben. Dadurch werden 
die Schüler genötigt, zunächst Unverständliches zu lesen, und dann wird 
die Gedankenreihe oft unterbrochen. Für den Lehrer ist das Einschieben 
allerdings leichter als eine gute Vorbereitung, die nicht aus einzelnen 
zusammenhangslosen Stücken bestehen darf, sondern ein abgerundetes 
Ganze bilden soll. Das lässt sich oft nur schwer bewerkstelligen und 
erfordert viele Überlegung, wenn man nicht künsteln will. Eine gelungene 
Vorbereitung lohnt aber immer den darauf verwandten Fleiss. Die 
nötigen Erklärungen müssen möglichst kurz gefasst werden und dürfen 
sich nur auf das zum Verständnis Notwendige erstrecken, damit die Lese- 
stunde nicht etwa in eine Geographie- oder Naturgeschichtsstunde aus- 
artet.*) Lesestücke, die viele Erklärungen erfordern, sind als missratene 
oder als nicht auf diese Stufe gehörige anzusehen. 

Zweitens erstreckt sich auf der Elementarstufe des Lesens die Vor- 
bereitung auf das Technische des Lesens (und des daran zu schliessenden 
Schreibens). Auch diese Vorbereitung erfordert grosse Sorgfalt und sollte 
meist schriftlich geschehen. (Nur unerfahrene oder oberflächliche Lehrer 
werden sich auf augenblickliche Eingebungen oder ihren „praktischen 
Blick ^ verlassen.) Hierbei (wir haben die ersten Leseübungen im zweiten 
Schuljahr im Auge) wird folgendes zu beachten sein. Eine Anzahl von 
Wörtern des zu behandelnden Lesestücks ist dem Schüler aus dem Frühem 
bekannt. Diese Wörter werden zunächst ausgesondert und treten, so- 
weit es nötig erscheint, in Form der Wiederholung auf. Nur wo sich 
Mängel ergeben, werden sie wieder in ihre Elemente zerlegt.**") Von 
neuen Wörtern sind meist Lautgruppen (Elementarsilben) bekannt; mit 



*) Fr. Otto: „Die Förderung, welche ein Lesestück dem Schüler 
bringen soll, darf nicht darin gefunden werden, dass dasselbe eine sach- 
liche Erläuterung erheischt, die eine Partie des Bealunterriohts ersetzt 
oder vertritt. Dem Bekannten fehlt das Förderliche nicht, wenn es nur 
in einer verklärten Auffassung zur Anschauung vorgehalten wird.*' 

**) Ziller (Jahrb. 1871, S. 148): „Die AniSyse lenkt ihrer Natur ge- 
mäss in die Bahn zurück, die der Zögling bei Abneigung des Stoffs ge- 
gangen ist. Nur darf sie nicht zu den einfachsten Elementen zurück- 
kehren, wofern daraus schon Zusammensetzungen gebildet und diese in 
eine systematische Form gebracht worden sind. Denn ein Wissen, das 
zustande gekommen ist, darf nicht eher wieder in seine Elemente auf- 
gelöst werden, als bis sich Mängel der Aneignung ergeben haben. ^ 



Lesen und Schreiben 87 

diesen verfahren wir ähnlich. Die Normalwörter gewähren uns dabei 
wesentliche Hilfe, weshalb wir auf sie immer zurückgreifen. Sollten 
ganz neue 'Verbindungen vorkommen, so werden diese wie früher ein- 
geübt.'*') Bei schwierigem Wörtern, besonders bei mehrsilbigen, em- 
pfiehlt es sich, dieselben an der Lesemaschine anzustellen. (Das Lese- 
buch für die Elementarstufe wird darauf Rücksicht nehmen, dass die 
schweren Wörter in einem Stück sich nicht häufen.) 

Als zweite Stufe folgt nun das Lesen des vorbereiteten kleinen 
Lesestücks oder Abschnitts. Es wird so lange eingeübt, bis auch die 
schwachem Schüler das Stück geläufig lesen können. Das technische 
Geschick des Lehrers muss sich hier ebenso entfalten, wie bei den ersten 
Leseübungen, damit die Aufmerksamkeit erhalten bleibt und eine inten- 
sive Leseübung stattfindet. Dabei ist folgendes zu beachten : Die Schüler 
sitzen in guter Haltung vor dem aufgeschlagenen Buche und zeigen auf 
das zu lesende Wort; fortgerückt wird nur auf ein bestimmtes Zeichen, 
wie auch nur auf ein solches das Wort ausgesprochen wird. Die Pausen 
zwischen den einzelnen Wörtern sind anfangs länger, dann kürzer und 
feilen schliesslich beim Satzlesen ganz weg. Gelesen wird in der Regel 
erst von Einzelnen, dann im Chor, bei Ermüdung in mannigfachem 
Wechsel ; die schwächern Schüler lesen am häufigsten. Der Lehrer liest 
auch musterhaft vor. Sätze sitzen bald im Gedächtnis, dann wird häufig 
nicht mehr auf die Wörter gesehen; deshalb werden die Wörter noch 
ausser der Reihe gelesen (z. B. das erste, das vierte, das vorletzte usw.). 
Rückwärtslesen ist nur als Ausnahme zulässig. Stockt ein Schüler bei 
einem Wort, so darf es ihm nicht vorgesagt werden; er muss 
lautieren, leise oder laut. Auf das genaue Mitzeigen und Nachlesen ist 
streng zu halten. Zum Einzellesen werden zuerst die befähigten Schüler 
aufgefordert, dann die schwächern. Man wird sich bei diesen noch einige 
Zeit mit dem Wortlesen begnügen dürfen. Jeder Abschnitt wird erst 
Satz für Satz eingeübt; der vorhergangene Satz wird dann immer zum 
nachfolgenden zugezogen, bis schliesslich der ganze Abschnitt fliessend 
gelesen werden kann. Später können kleine Abschnitte gleich bis zu 
Ende gelesen werden. An das Satzleseu schliessen sich Belehrungen über 
die Satzzeichen an. Die richtige Betonung ergibt sich ans dem 
Verständnis; als Hilfe dient eine kurze Frage nach dem hervorzuhebenden 
Wort. (Das musterhafte Vorlesen des Lehrers nicht zu vergessen ! Wo 
es seine Stelle hat, ergibt sich aus der Eigenart des Lesestücks.) Werden 
Sätze oder ganze Abschnitte im Chor gelesen, so hat der Lehrer zu 
leiten wie beim Chorsprechen ; sonst wird durch Chorlesen leicht die Be- 
tonung geschädigt. (Man achte sorgfältig darauf, dass sich nicht ein 
sog. „Schulten^ einschleicht!) 

Auf das „Einlesen'' erfolgt nun ein näheres Eingehen auf den Inhalt 
des Gelesenen. Sog. „Kernfragen^' weisen auf die Hauptsache hin. Durch 



*) Sind in der Normal wörterreihe des ersten Schuljahrs nicht alle 
Baohstaben des Alphabets enthalten, so wird man die fehlenden in der 
Vorbereitung nach und nach auftreten lassen. Will man statt dessen die 
Normalwörterreihe vergrösser n, so achte man darauf, dass die Übersicht 
nicht verloren geht. 



gg Das zweite Schuljahr 



andere Fragen überzeugt sich der Lehrer, ob alles richtig verstanden 
ist. Das stellt sich auch heraus, wenn der Lehrer die Schüler veran- 
lasst, sich über das Gelesene ausführlich zu äussern. (Dabei hüte sich 
der Lehrer vor dem vielen „Hineinreden*'! ,,Die rechte Erklärung ge- 
schieht nicht über die Köpfe hinweg, nicht in die Köpfe hinein, sondern 
ans den Köpfen der Schüler heraus'^ Lehmensick, Muttersprache.) 
(Fragen und Inhaltsangaben sind auch am Platz, wenn Frmüdung im 
Lesen eintritt; sie müssen aber kurz sein.) Von Zeit zu Zeit werden 
die eingelesenen Lesestücke wiederholt. Geeignete Stücke werden aucb 
„auswendig gelernt ** und gut hergesagt. 

Das Leseziel des zweiten Jahrkurses kann als erreicht angesehen 
werden, wenn die Schüler die kleinen Lesestücke ihres Lesebuchs und 
andere für diesebe Stufe berechnete Stücke auch ohne vorherige Ein- 
übung nach einem ein- oder mehrmaligen stillen Durchlesen langsam, 
aber geläufig und mit Ausdruck lesen können.*) 

2. Das Schreiben. Unter „Schreiben^ sind hier die sämt- 
lichen schriftlichen Übungen mit ihren Vorbereitungen zum Zweck dee 
Sprachunterrichts zu verstehen.""*') Als Aufgabe des zweiten Schuljahrs 
sehen wir an: Erwerbung eines sprachlich (mündlich und schriftlich) 
richtigen Ausdrucks im Umfang des behandelten Stoffs, mit Be- 
schränkung auf die Grundformen des einfachen Satzes. 

Die Übungen schliessen sich zum Teil an das Lesen, zum Teil auch 
an den Sachunterricht an. Was aus der (theoretischen) Sprachlehre vor- 
kommt, wird nicht um seiner selbst willen herbeigezogen, sondern ist 
Hilfsmittel für die schriftliche Darstellung. Dahin gehören: Silbenab- 
teiluDg, Ableitung und Umlautung, Dingwort, Dehnung und Schärf ung, 
einige Satzzeichen. Die schriftlichen Übungen bestehen im Abschreiben, 
Schreiben nach Diktat, Aufschreiben von Memoriertem und Aufschreiben 
von selbst gebildeten Sätzen. Im ersten Halbjahr werden die Übungen 
vorzugsweise Arbeiten nach Mustern (Ab- und Aufschreiben kleiner Lese- 
stücke) sein, im zweiten Halbjahr gesellen sich zu ihnen Niederschriften 
von selbst gebildeten Sätzen. 

Den schriftlichen Übungen hat stets eine auf die Rechtschreibung 
gerichtete Vorbereitung vorauszugehen, da wir nun einmal nicht um die 
(für viele Menschen recht schwierige) Eechtschreibung hemmkommen.*'*'*] 

'*') Im Anschluss an die nSchuljahre** sind auch Lesebücher er- 
schienen: 1. Märchen- und Robinson-Lesebuch. 2. Thüringer Sagen, 
Thtlringer Land, Volk jand Kind. 3. Nibelungen und Gudrun. 

**) Im Laufe des zweiten Schuljahres beginnt auch das Schreiben 
mit Feder und Tinte, was für die Kinder keine so einfache Sache 
ist, und ein besonderer Schönschreibunterricht, der es mit den richtigen 
Formen der Buchstaben zu tun hat. (Siehe letzten Abschnitt dieses 
Bandes.) 

**'*') Welches Verfahren ist das beste zur Sicherung der Bechtschrei- 
bung? Als Mittel der Einprägung kommen in Betracht: Sehen, Hören, 
Schreiben, Sprechen, Buchstabieren. Durch gegen 6000 sorgfältige physio' 
]oo;isch-psychologische Untersuchungen hat Dr. Lay in Karlsruhe die 
Fehlerzahl festgestellt, die bei Anwendung jedes der Mittel im Durch- 



Lesen und Schreiben 89 

Alle noch nicht geschriebenen Wörter, sowie die schwierigem Wörter 
überhaupt, von denen anzunehmen ist, dass ihre Schreibweise nicht sicher 
ist, werden herausgehoben nnd an die Wandtafel geschrieben. Hier 
sind sie genau anzuschauen, zu lautieren (später zu buchstabieren), dann 
abzuschreiben. Zur weitern Befestigung folgt Lautieren aus dem Kopf 
und Anschreiben an die Wandtafel, Aufschreiben ohne Hilfe (aus dem 
Gedächtnis oder nach Diktat) und Verbesserung. Geübt wird bis zur 
▼ollstftndigen Sicherheit. Ein grosses Gewicht ist hierbei auf das Sehen 
zu legen. Denn beim Kinde ist die Rechtschreibung hauptsächlich nicht 
Ergebnis der Überlegung, sondern Sache der Übung und der dadurch 
bedingten Gewohnheit. Es soll kein falsches Wortbild sehen. Hat es 
f&r ein Wort zwei verschiedene Wortbilder angeschaut, so können später 
auch wieder zwei ins Bewusstsein treten: ein richtiges und ein falsches, 
nnd es hängt vom Zufall ab, welches eintritt oder gewählt wird. Des- 
halb dürfen Wörter auch nur ausnahmsweise zum Zweck der Verbesse- 
rung falsch an die Tafel geschrieben werden ; nach geschehener Verbesse- 
rung sind sie sofort wieder wegzuwischen. Die Anschauung allein tut's 
jedoch auch nicht. Wo ein ersichtlicher Grund für die Schreibweise 
eines Wortes vorhanden ist, da wird er auch angegeben; wo einfache 
Begeln die Rechtschreibung wesentlich unterstützen können, da sollen sie 
auch herangezogen und angewandt werden. (Z. B. Dingwörter mit 
grossem Anfangsbuchstaben.) 

Da unsere Sprache für denselben Laut verschiedene Bezeichnungen 
hat (z. B.: V, v, F, f; i, ie, ieh), so reicht das Lautieren zur genauen 
Bezeichnung der Schreibweise bald nicht mehr aus. Eine Zeit lang kann 
man sich noch mit den Normal Wörtern behelfen (es wird gesagt: F wie 
bei Falke, V wie bei Vogel, ie wie in Ziege usw.), was aber schliesslich 
doch zu umständlich ist. Deshalb muss nun das Buchstabieren ein- 
treten und bei Besprechung der Rechtschreibung bald alleiniges Mittel zur 
Verständigung werden. Das Buchstabieren wird am leichtesten und 
raschesten an bekanntem Wortmaterial, an den Normal Wörtern gelernt, 
die deshsdb nochmals, jetzt buchstabierend durchlaufen werden. 
Der neue Gesichtspunkt verleiht der Sache neuen Reiz. So lange das 






schnitt auf jeden Schüler kamen. Er hat dabei Sprechen nicht als selbst- 
stindige Tätigkeit geprüft, sondern laut und leise mit dem Hören und 
Sehen verbinden lassen. 

1. (Nur Klangbild : Diktat) 3,04 rund 12 Fehler. 

2. Sehen ohne Sprechbewegung (Schriftbild: Lesen) 1,22 „ 5 
H. Bachstabieren (laut, SprechbeweguDg) .... 1,02 „ 4 
4. Abschreiben (still, Schrei bbewegung) 

a) von Druckschrift 0,54 „ 2 „ 

b) von Schreibschrift 0,26 „ 1 „ 

(Lehmensick, Muttersprache.) 

Die Lehrer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Hessen viel 
ibflchreiben. „Kein Tag ohne Linie !^ Wie wir uns noch erinnern können, 
w&ren die Erfolge im Rechtschreiben nicht schlecht. Jetzt ist „wissen- 
■chifUüch bewiesen*^, dass man die Abschreibübungen nicht unterschätzen 
soll Freilich soll man sich dabei auch bewusst sein, dass, wer richtig 
Abschreibt oder richtig nach Diktat schreibt, noch nicht bewiesen hat, dass 
^ auch bei freier Darstellung richtig schreiben kann. 



90 ^&s zweite Schuljahr 

Lautieren noch znm Lesen schwieriger Wörter nötig ist, mnss scharf eine 
Vermengnng von Lautieren nnd Buchstabieren vermieden werden. (Wei- 
teres über das Buchstabieren in Pickel, Anweisung, S. 65 bis 67; 
Lehrproben ebendaselbst S. 68 — 71.) 

Der Stoff für Hechtschreibung und Sprachlehre strömt jetzt so 
reichlich zu, dass er nicht mehr bewältigt werden kann, wenn er nicht 
geordnet und in systematischer Form Eigentum des Schülers wird. Da- 
her ist die vollständige stufengemässe Durcharbeitung einzelner Sprach- 
stücke geboten. 

Auf der dritten Stufe werden die Wörter zusammengestellt und 
verglichen, sowohl die aus dem vorliegenden Stuck, als auch die dazu 
in Beziehung stehenden aus frühem Abschnitten. Aus dem sich dabei 
findenden Gleichartigen und Entgegengesetzten ergeben sich nach und 
nach Klassen mit bestimmten Merkmalen, z. B. Wörter mit besondern 
Buchstaben: V (Vogel, Vater, Vetter); ss (Fluss, muss); ng (Gesang, 
fing). Gedehnte Wörter: und zwar solche, in denen die Dehnung 
bezeichnet ist durch ein h (Kahn, Sohn, Jahr); durch Verdoppelung des 
Grundlauts, (Beet, Boot); durch ie (Ziege, viel, lieb); gar nicht bezeichnet 
(Fuss, Herd, mal, war). Geschärfte Wörter (ähnlich wie vorher). 

Die Aufstellung solcher Wortklassen, die zweckmässig nach einem 
Normalwort benannt werden, ist sehr wichtig. Ohne solche erhält das 
Gedächtnis nicht die nötige Stütze und versagt schliesslich den Dienst. 

Auf der vierten Stufe werden die Wörter nach ihren charakte- 
ristischen Merkmalen zusammengestellt, bezüglich in die Klassen ein- 
geordnet. 

Zweckmässig schreiben die Schüler diese Beihen in ein Heft, das 
„Wörterbuch für Rechtschreibung^. Ist eine Regel für die Recht- 
schreibung oder ein Satz aus der Sprachlehre zu entwickeln, so geschieht 
das ebenfalls nach der bekannten Weise. Auf der vierten Stufe wird 
die Regel oder der Satz in knappen, klaren Worten ausgesprochen und 
eingeprägt und mit einem Muster belegt. 

Nun soll der Schüler noch beweisen, dass er die Sache nicht nur 
richtig aufgenommen hat, sondern auch anwenden kann. Es folgen da- 
her auf der fünften Stufe kleine Diktate, in denen das durchge- 
arbeitete Wortmaterial in neuen Verbindungen wieder auftritt. Diese 
Übungen werden so lange fortgesetzt, bis vöUige Sicherheit in der Recht- 
schreibung erreicht ist. Als häusliche Aufgaben können öfter die be- 
kannten Wortreihen (z. B. die Wörter mit Id, nn, tt, usw.) aufge- 
schrieben werden. Freiere Arbeiten als Hausaufgaben sind nur mit 
Vorsicht, ganze Aufsätze noch gar nicht zu verlangen. — Alles Ge- 
schriebene wird gelesen und durchgesehen; die Verbesserungen erfolgen 
gemeinschaftlich. (Schon während des Schreibens kann der Lehrer et- 
waige Fehler sich notieren. Die sog. Klassenfehler ergeben sich 
sofort und sind gründlich zu beseitigen.) 

Alle Lesestücke vollständig schriftlich durchzuarbeiten würde bei 
der knappen Zahl der Schulstunden unmöglich sein. Der Lehrer hat 
daher gleicli zu Anfang des Schuljahres eine Auswahl von Lesestoffen 
zu treffen, die sich für die schriftlichen Übungen vorzugsweise eignen. 



Lesen und Schreiben 91 

Darnach kann er einen Lehrplan fär das Schuljahr entwerfen. Die aus 
dem Sachnnterricht und der eigenen Erfahrung zu entnehmenden Stoffe 
kann man kaum mit einiger Sicherheit im voraus bestimmen. 

3. Lehrproben 

1. Kind und Eltern 

(No. 1 des „ersten Lesebuchs^^) 

„Ich bin ein Kind. 

Ich habe einen Vater und eine Mutter. 

Vater und Mutter sind meine Eltern. 

Meine Eltern geben mir zu essen und zu trinken. 

Meine Eltern geben mir auch Kleider und Schuhe. 

Sie lassen mich in einem Bett schlafen. 

Meine Eltern haben mich lieb. 

Ich habe meine Eltern auch lieb.^ 

a) Das Lesen 

Ziel: Von jetzt an lest ihr in eurem neuen Lesebuch. Darin steht 
zuerst etwas von euch und euren Eltern. 

1. Stufe. Was wird wohl von euch und euren Eltern im Lese- 
buch stehen? (Meine Eltern haben mich lieb. Meine Eltern geben mir 
zu essen und zu trinken. Meine Eltern geben mir Kleidung usw. Ich 
habe meine Eltern lieb. Ich gehorche ihnen usw.) Ob ihr richtig ge- 
raten habt| werden wir sehen. Welche Wörter mnssten dann in dem 
Lesestfick vorkommen? Könnt ihr diese schon lesen? Wir woUen sehen. 
Lest, was hier steht (an der Lesemaschine)! 

Bekannte Wörter: 

a) ein, eine, einen einem. 

b) Mein, mein, meine, meinen, meinem. („Mein^ steht ja zwei- 
mal da!) 

c) in. Ich, ich, mich, mir, bin auch. (Ich, ich!) 

d) und, zu, Mutter, eine Mutter, meine Mutter. 

(Spiter, wenn kein Zweifel mehr besteht, dass solche Wörter im 
Leseboeh sofort gelesen werden könneu, bleiben sie in der Vorbereitung 
weg. Braucht man sie zu sprachlichen Zwecken, so bringt man sie auch 
dann noch in die Vorbereitung.) 

Über ToUst&ndige Sicherheit im Lesen könnten Zweifel bestehen bei 

e) Kind, sind, ein Kind, mein Kind. 

f) Kinder, Kleider, Vater. Die Kinder, die Kleider, der Vater. 

g) Schuhe. Die Schuhe, meine Schuhe, 
h) trinken, schlafen, lassen. 

i) Die Kinder schlaf eu, die Kind r essen, 
k) Ueb. 

Von diesen Wörtern wird man noch einige an der Lesemaschine 
lesen lusscn, dann kann das Lesen des Lesestücks beginnen. 



92 I^as zweite Schuljahr 

Nehmen wir aber an, die Wörter, Vater, Kleider nnd schlafen 
kämen einigen Schälern fremdartig vor, weil das V nicht häufig ist, 
Kl nnd schl nicht genügend geäbt worden sind , so hätten wir noch 
folgende Übungen anzustellen: 

Wo haben wir diesen Buchstaben (V) kennen gelernt? Bei „Vogel" 
(Normalwort). Wie lautet er also? V. 

Lest! Vo, Vö, Va, Vi, Vog, Vög. 

V darf man nicht verwechseln mit B. (In der Deutschen Schrift!) 

Lest! Vo, Bo: Vogel, Bogen; Va, Ba: Vater, Bad (Bader?); Vi, 
Bi: Violine, Bier; Vögel, Bögen. 

Auch das kleine v kennt ihr (bei „Larve"). 

Lest! ve, va, ver, ev av, stav: Larve, Eva, Gustav, brav. 

Ähnlich würden Kl und schl einzuüben sein. 

Neu erscheint vielleicht auch die Aussprache doß grossen E = Ä 
(in Eltern) und das b =» w. Die Bnchstabenformen sind kekannt und 
auch ihr sonstiger Laut. Das kleine e ist fast wie ä lautend, schon 
längst angewandt worden in den Silben er, em, en, el, es. An diese 
können wir anknüpfen: m-e «== me (in Blume), e-m = em (meinem), 
n-e = ne (in Biene), e-n = en (Ofen), r-e = re (in Schere), e-r = 
er (Bauer), 1-e = le (in Eule), e-1 = el (Esel), s-e = se (in Rose), 
e-s = es (schönes), t-e = te (in Flöte), e-t = et (betet), e klingt 
also bald wie eh, bald wie ä (aber nicht so breit und offen). 

Lautiert nun leise folgende Wörter: Eva, Emma, Eltern; Erde, 
Ernte; Esel, Ente. 

Lest diese Wörter! Wie sprecht ihr das E in denselben aus? (Wie 
Ä und wie Eh.) 

In welchen lautet es Eh, in welchen Ä? 

Nun lautiert und lest noch folgende Wörter: Beet, Bett, Gebet, 
gebet, essen, Vetter. 

Habt ihr jedesmal gleich gewusst, ob ihr e oder ä lautieren solltet? 
Wenn wnsstet ihr aber, wie ihr e aussprechen solltet? (Wenn wir das 
Wort durchlautiert hatten.) 

Das b erföhrt eine ähnliche Behandlung. 

Wieviele und welche von den angegebenen Vorübungen nötig sind, 
wird der Lehrer leicht beurteilen können, wenn er schon „das erste 
Schuljahr" im Lesen unterrichtet hat. Anderseits mnss er die Fertigkeit 
seiner Schüler durch Proben feststellen. 

2. Stufe. Nun lesen wir im Lesebuch. Ich will euch erst einmal 
ein Stück vorlesen (vielleicht die 3 ersten Zeilen), damit ihr hört, wie 
ihr es lernen sollt. 

Ihr lernt nun zuerst jedes Wort für sich lesen. 

Zeigt auf das erste Wort! 

Lautiert nnd lest] 

Das zweite Wort! usw. 

Nun ist die erste Zeile fertig. 

Wir müssen sie aber noch anders lesen lernen. 

Nun wollen wir sehen, ob wir die Wörter gleich (ohne Lautieren) 
lesen können. 



Lesen und Schreiben 93 

Nun wollen wir nicht mehr nach jedem Wort halten. 

Was hast da gelesen? 

Was bist dn? 

Nun lies so, dass ich das gleich höre. 

Ebenso die folgenden Zeilen. ' 

Zam Lautieren greift man auch, sobald die Schüler sich aufs Er- 
raten der Wörter verlegen, oder wenn sie die Sätze auswendig können 
und nicht mehr auf die Wörter sehen. Auf die gute, scharfe Aus- 
sprache wird selbstverständlich immer gehalten; sie soll im zweiten und 
in den folgenden Schuljahren nicht nachlässiger werden als im ersten. 

Nach dem Einlesen des Stücks folgt eine kurze Besprechung des 
Inhalts und eine Wiedergabe. Auch schon einige Umformungen, z. B. 
Was steht von dir im Lesestück? 

Was noch? 

Alles! 

Was steht von deinen Eltern darin? 

Mit einem nochmaligen guten Lesen schliesst die Übung ab. 

b) Das Schreiben 

Ziel: Wir wollen nun auch einiges von dem, was wir gelesen 
haben, schreiben. 

Endziel der folgenden Schreibübung ist: Fehlerfreie Niederschrift 
nach Diktat und aus dem Kopfe. Deshalb hat die Vorbereitung nur 
noch weniges zu bringen. " 

1. Stufe. Ob ihr wohl schon alle Wörter richtig schreiben könnt? 
Wir wollen sehen! Gebt Wörter aus dem Lesestück an, die mit einem 
grossen Anfangsbuchstaben geschrieben werden ! (Kind, Eltern, Bett, leb, 
Meine usw.) 

Warum werden diese mit grossen Anfangsbuchstaben geschrieben? 
(Hauptwörter haben grosse Anfangsbuchstaben. Diese Regel ist bereits 
bei dem Normalwörterstoff aufgetreten). 

Aber „meine** ist dreimal mit dem grossen und zweimal mit dem 
kleinen m geschrieben? 

2. Stufe. Wir wollen einmal nachsehen, wo das Wort „meine" 
mit dem grossen und wo es mit dem kleinen m geschrieben (gedruckt) ist. 

Ich sehe noch ein anderes Wort, das wir anders geschrieben haben. 

3. Stufe. Wo steht ,,meine^ mit dem grossen, wo mit dem 
kleinen m. 

Wo „ich«. 

4. Stufe. Regel: Wenn die Wörter „meine" und „ich" einen 
neuen Satz anfangen (nach einem Punkt stehen), so werden sie mit 
einem grossen Anfangsbuchstaben geschrieben. 

5. Stufe. Nun will ich sehen, ob ihr das Stück richtig schreiben 
könnt Zuerst will ichs euch ganz leicht machen. 

a) Ihr sollt das Lesestück aus dem Lesebuche abschreiben. (Schiefer- 
tafeln! Stift! Lesebuch! Alles taktmässig.) Schaut das erste Wort an! 
(Kind.) Lautiert es. (K-i-n-d = Kind.) Was für ein K? Schreibt 



94 ^^^ zweite Sobaljahr 

das Wort. Das zweite Wort lautet „ond^* Schreibt es! Das dritte 
Wort! Schaat es an! Lautiert! Was für ein E? Was für ein t? 
Schreibt! (Statt dieser Befehle gebraucht man später bestimmte hörbare 
Zeichen, z. B. für Anschauen einmaliges schwaches Klopfen, für Lautieren 
zweimaliges, für Schreibsn dreimaliges. — Nach dem Lautieren wird 
das Wort allemal gut ausgesprochen. Die leichten Wörter werden nicht 
erst lautiert, sondern gleich geschrieben.) Die Satzzeichen sind ebenfalls 
anzugeben. 

Nachdem der Stundenstoff abgeschrieben ist, wird er von den 
Schiefertafeln vorgelesen und vom Lehrer durchgesehen. Später können 
die Schüler die Tafeln umtauschen und die Fehler anstreichen. Im An- 
fang wird der Lehrer gut tun, jeden Fehler selbst anzustreichen, wenn 
die Klasse nicht zu gross ist. Die Verbesserung muss der Schüler immer 
selbst ausführen. Man lässt die falsch geschriebenen Wörter nochmals 
lautieren, wobei sämtliche Schüler das betreffende Wort ansehen; wer es 
falsch geschrieben hat, verbessert es. 

Sollte einmaliges Abschreiben nicht genügen, so kann es noch ein- 
mal erfolgen und zv^ar ohne Zuziehung des Lautierens. Dann wird dem 
Schüler die Aufgabe als eine von der ersten verschiedene erscheinen. 

b) Nun tut das Lesebuch weg. Ich sage jetzt vor, was ihr schreiben 
sollt. (Erstes Diktat.) 

c) Nun will ich aber andere Sätze vorsagen, die nicht im Lesestück 
stehen. (Zweites Diktat.) 

Ich habe Eltern. Ich habe meinen Vater lieb. Ich habe auch 
meine Mutter lieb. Mein Vater hat mich lieb. 

d) Wer von euch kann auch passende Sätze augeben? 

Meine Mutter hat mich auch lieb. Ich esse. Ich trinke. Ich 
schlafe. Meine Eltern essen und trinken auch. Meine Eltern geben 
mir Kleider und Schuhe und ein Bett. 

e) Wer kann Sätze aus dem Lesestück hersagen? 

f) Jedes Kind soll aus dem Kopf die Sätze aufschreiben, die es 
gemerkt hat. 

2« Bruder und Schwester (Sprachliche Behandlang) 

(S. erstes Lesebuch) 

„Ich habe einen Bruder und eine Schwester. 

Mein Bruder heisst Karl. 

Meine Schwester heisst Anna. 

Mein Bruder und meine Schwester sind meine Geschwister. 

Sie spielen mit mir. 

Sie sind gut mit mir. 

Ich habe meine Geschwister lieb.^ 

A. Ziel: Wir wollen das Stück von Bruder und Schwester noch 
einmal lesen ; dann wollen wir sehen, wie man die richtige Schreibweise 
mancher Wörter leicht merkt (Statt des Lautierens soll das Buch- 
stabieren angewandt werden. Die Buchstabennamen lässt man zweck- 
mässig zuerst wieder bei den Normal;9irörtem anwenden. Das Endziel in 



Lesen und Schreiben 95 

dieser Lehrprobe ist: Gewinnung einiger Sätze aus der Sprachlehre und 
Anwendung derselben. Der Lehrstoff ist das konkrete Material) 

1. Stufe. 

a) Lesen des Stücks von einzelnen Schülern und im Chor. 

b) Die Kinder erzählen, was sie gelesen haben. Nach dem Lesen 
fragt der Lehrer: Wer hat das gesagt? Ein kleiner Knabe 
(ein kleines Mädchen). Wie wird der kleine Knabe (das kleine 
Mädchen) genannt? 

c) Wer hat auch einen Bruder, eine Schwester (oder mehrere)? 
Wie helssen sie? 

2. Stufe. 

a) Lest den 1. Satz. Lest ihn noch einmal, aber haltet bei 
jedem Wort etwas ein (der Lehrer klatscht zu jedem Worte). 
Sagt den Satz auswendig und klatscht selbst zu jedem Worte! 
Wieviel Wörter hat der Satz? (7). Wie lautet das 1., 2. 
usw. Wort. 

b) Welche Wörter könnt ihr schon schreiben? Buchstabiert die- 
selben! Welche habt ihr aber noch nicht geschrieben? 
Lautieren und Buchstabieren der neuen Wörter aus dem Buche. 
Bei jedem neuen Worte heisst es : Womit wird das Wort ge- 
schrieben? Bruder mit d wie Kleider, Kind, sind; heisst mit 
SB wie NuBS; Anna mit nn wie Mutter mit tt, lassen mit ss, 
Bettchen mit tt, spielen mit sp, ie (wie sie, lies) usw. 

c) Anschreiben der Sätze von Seiten des Lehrers (unter dem 
Mitbuchstabieren seitens der Kinder) an die Wandtafel und 
Unterstreichen der orthographischen Eigentümlichkeiten der 
Wörter. (Lehmensick empfiehlt die Hervorhebung derselben 
durch Schreiben mit bunter Kreide.) Lesen des Angeschriebenen 
und Abschreiben desselben. 

d) Abschreiben der drei Sätze aus dem Lesebuche (als Haus- 
aufgabe). 

3. Stufe. 

a) Welche Wörter kennen wir nun mit 

d: Bruder, Kleider, Kind, sind; 
t: gut, mit, Vater, Eltern, trinken; 
nn, tt, SS: Anna, Mutter, Bette, lassen; 

ie, SS, sp. usw.? 

b) Seht das erste Wort von jedem Satze an! Was bemerkt ihr? 
In allen 7 Sätzen ist das erste Wort mit einem grossen An- 
fangsbuchstaben geschrieben. Wie ist das bei den Sätzen 
eines vorhergehenden Lesestücks, das wir auch schon geschrie- 
ben haben? Was lernt ihr daraus? (Vergl. auch die 1. 
Lehrprobe.) 

e) Was steht nach jedem Satze in unserm Lesestück? Wie war's 
in einem vorhergehenden? Was sehen wir daraus? 

4. Stufe. 

1. Wortreihen mit d, t, nn, ss, ie, sp. 



96 ^A8 zweite Schuljahr 

2. Wenn ein Satz anfängt, wird ein grosser Anfangsbachstabe 
geschrieben. 

3. Wenn ein Satz zu Ende ist, so wird ein Punkt gesetzt. 

5. Stufe. 

a) Diktat von Wörtern mit d, t, nn usw. 

b) Diktat von kleinen Sätzen, wobei die Schüler die Satzzeichen 
selbständig zu setzen haben. Z. B.: Ich bin ein Kind. Ich 
habe einen Bruder. Ich habe eine Schwester. Mein Bruder 
heisst Karl. Meine Schwester heisst Anna. Bruder und 
Schwester haben mich lieb. Meine Eltern haben mich auch 
lieb. Ich esse. Ich trinke. Meine Geschwister essen und 
trinken auch. 

B. Ziel: Nun sollt ihr noch schreiben lernen, wie ihr heisst (eure 
Namen schreiben lernen) und wie die Namen eurer Schulkameraden ge- 
schrieben werden. 

1. Stufe. Die Schüler geben an, wie die Eander hiessen, die im 
vorbehandelten Abschnitt vorkamen. Hierauf sagen sie der Beihe nach 
ihre eigenen Vor- and Zunamen. (Dabei wird auf deutliche, reine Aus- 
sprache gehalten.) 

2. Stufe. 

a) In Gruppen von je drei, höchstens vier Namen (immer Vor- 
und Zunamen zusammen) werden dieselben lautiert, buchstabiert, 
vom Lehrer (senkrecht untereinander) an die Tafel geschrieben ; 
nach je einem Vor- und Zunamen wird ein Komma, zuletzt 
ein Punkt gesetzt. 

b) Lesen der angeschriebenen Namen von der Wandtafel, Buch- 
stabieren und Schreiben der Namen auf die Schiefertafel; Lesen 
des Aufgeschriebenen. 

c) Schreiben der besprochenen Namen als Hausaufgabe. 

3. Stufe. 

a) Wer hat einen einsilbigen, einen zweisilbigen, einen dreisilbigen 
Namen ? 

b) Wer hat einen Namen der mit k, mit g, ch, nn usw. ge- 
schrieben wird? 

c) Diktieren aller Vornamen (nebst den Zeichen), welche die 
Kinder nun schon schreiben können, mit Hinzunahme derer, 
die im vorher behandelten Lesestück vorgekommen sind. Mit 
was für einem Anfangsbuchstaben werden alle diese Vornamen 
geschrieben? (Mit einem grossen.) 

d) Diktieren der Zunamen (samt der deichen). Lesen des Ge- 
schriebenen; Hinweisung darauf, dass auch jeder Zunamen mit 
einem grossen Anfangsbuchstaben geschrieben wird. 

e) Diktat der Vor- und Zunamen der Kinder, der Sitzreihe der 
Kinder nach. Die Kinder werden darauf aufmerksam gemacht, 
dass allemal, wenn Vor- und Zunamen fertig geschrieben sind, 
ein Komma, zuletzt ein Punkt gesetzt wird. 



Lesen und Schreiben 97 

4. Stufe. 

1. Die Vornamen werden mit einem grossen Anfangsbuchstaben 
geschrieben. 

2. Die Zunamen werden mit einem grossen Anfangsbuchstaben 
geschrieben. 

3. Wenn wir bloss die Vornamen schreiben, so wird nach jedem ein 
Komma gesetzt, zuletzt ein Punkt. Ebenso bei den Zunamen. 

4. Wenn wir Vor- und Zunamen schreiben, so setzen wir erst 
nach dem Zunamen ein Komma, zuletzt einen Punkt. 

5. Stufe. 

a) Aufschreiben der Vornamen der Kinder der Sitzreihe nach, 
aus dem Kopfe, mit den Satzzeichen. 

b) Aufschreiben der Zunamen in gleicher Weise. 

c) Aufschreiben der Kinder nach Vor- und Zunamen der Sitz- 
reihe nach, aus dem Kopfe, mit den Satzzeichen. 

d) Aufschreiben wie mit ihrem Vornamen die Knaben, wie die 
Mädchen heissen. 

Anmerkung. Von jetzt ab sollen die Kinder unter jede schrift- 
liche Arbeit ihren vollen Namen schreiben. 

3. Die Augen 

.,Zwei Augen hab* ich, klar und hell, 
Die drehen sich nach allen Seiten schnell; 
Die sehen alle Blümchen, Baum und Strauch 
Und den hohen Himmel auch. 
Die setzte der liebe Gott mir ein, 
Und was ich sehe, ist alles sein." 

Für die theoretische Sprachlehre wollen wir aus Gedichten nur wenig 
ableiten, damit wir dieselben nicht zu sehr zerpflücken und die Poesie 
nicht zerstören. Auch die Besprechungen und mündlichen Übungen (z. B. 
Inhaltsangaben) beschränken wir auf das Allernötigste. Von vollständigen 
«Umwandlungen in Prosa' sehen wir aber auf den untern Stufen ganz ab. 

Das vorstehende kleine Gedicht sollen die Kinder lesen, dann me- 
niorieren, mit Ausdruck hersagen und aus dem Gedächtnis richtig auf- 
schreiben können. Zu Zwecken der Rechtschreibung heben wir heraus 
a) die Wörter, in welchen das h ausgesprochen wird, und b) die mit 
g nnd ch (Augen, auch) und ht geschriebenen. 

Ziel. Wir wollen von den Augen lesen. 

1. Stufe. Was wird wohl von den Augen gesagt sein? (Mit den 
Augen kann man sehen. Mit den Augen kann man die Blumen sehen. 
Jfit den Augen kann man die Sterne sehen u. dergl.) Wer sagt alles? 
In unserm Lesestück steht noch mehr. 

2. Stufe. 1. Lesen. 

a) Lesen des Gedichts von Seiten des Lehrers. 

b) Hat euch das gefallen? Was hat euch gefallen? Wer hat 
etwas gemerkt? Sagt das alles nacheinander! Klingt das 
so, wie ich vorgelesen habe? 

c) Das Lesestück ist ein Gedicht. 

Du» xweite SchnUahr. 7 



98 ^aß zweite SchuJjahr 

Die Zeilen reimen sich (hell— schnell, Strauch— auch, ein— sein). 

d) Nun lest ihr das Gedicht. 

e) Ich lese das Gedicht noch einmal vor, dann will ich sehen ^ 
wer es ehenso lesen kann. 

f) Wer will sagen, was in jeder Zeile steht? Wer will alle» 
sagen. 

g) Wollen wir das kleine Gedicht nicht auswendig lernen? 
2. Schreiben. 

a) Schreibweise der Wörter Zwei, klar, hell, schnell, alle, kann^ 
liebe, Gott, Himmel, Seiten, Baum. (Die Wörter mit Doppel- 
Konsonanten sind schon systematisiert.) Augen, Blümchen^ 
Strauch, drehen, sehen, hohen, setzte. 

b) Abschreiben des Gedichts mit besonderer Berücksichtigung der 
Satzzeichen. 

c) Aufschreiben aus dem Gedächtnis. 

d) Aufschreiben der Inhaltsangabe. 

4. Strohhalm, Kohle nnd Bohne 

(Nr. 8 der Märchen im Lesebuch für das zweite Schuljahr) 

(1. Hälfte.) „In einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau. Die 
wollte sich eines Tages für den Mittag Bohnensuppe kochen. Sie machte 
also auf ihrem Herd ein Feuer zurecht, nahm eine Hand voll Stroh, 
zündete es an und legte es in den Herd. Dann tat sie Eeisig nnd Holz 
darauf. Als sie nun die Bohnen in den Topf tun wollte, fiel eine au» 
ihren zitternden Händen auf den Boden und legte sich neben einen Stroh- 
halm. Aber die alte Frau hörte sie nicht. Bald danach fiel auch eine^ 
glühende Kohle zu den beiden herab. Doch die alte Frau sah sie nicht. 

Da sprach der Strohhalm : Liebe Freunde, wo kommt ihr her ? Die 
Kohle antwortete: Ich bin aus dem Feuer gesprungen; sonst Wäre ich 
in meinen schwarzen Kleidern zu Asche verbrannt. Die Bohne sagte: 
Ich bin noch so mit heiler Haut davon gekommen; hätte mich die alte 
Frau in den Topf gebracht, ich wäre zu Brei gekocht worden, wie meice 
Kameraden. Und mir, fing der Strohhalm an, wäre es beinah nicht besser 
ergangen. Glücklicherweise bin ich der Alten zwischen den Fingera. 
durchgeschlüpft. Alle meine Brüder hat die Alte ins Feuer geworfen. 
Sechzig hat sie auf einmal ums Leben gebracht. Was fangen wir nun 
aber an? sprach die Kohle. Wir sind zusammen so glücklich dem Tode 
entgangen, sprach die Bohne. Wir woUen'^gute Kameraden bleiben und 
getreulich zusammenhalten. Aber hier könnten wir in ein neues Unglück, 
kommen. Darum wollen wir miteinander in ein fremdes Land ziehen.^ 

Ziel. Wir wollen das Märchen von Strohhalm, Kohle und Bohne 
lesen. 

1. Stufe. Wer kann das Märchen noch erzählen? Manches habt 
ihr vergessen, das hört ihr nachher beim Lesen wieder. Damit ihr im 
Lesebuch gleich ordentlich lesen könnt, wollen wir vorher die grossen 
(schweren) Wörter lesen. Wer hat ein grosses Wort beim Erzählen ge» 
merkt? Wer noch eins? Sprechübungen! Ich habe solche hier (an der- 



Lesen und Schreiben 99 

Lesemaschine) angestellt. Wer kann sie lesen ? (Wir geben eine grössere 
Anzahl, nm zu zeigen, dass es nicht an Stoff zu Sprech- und Lese- 
übungen mangelt. Dass so viele in der Vorbereitung zu einem Lese- 
stück auftreten sollen, ist nicht gemeint.) 

a) Strohhalm, Bohnensuppe; 

b) zünden, zündete, antworten, antwortete, legen, legte, kochen, 
kochte, trippeln, trippelte, arbeiten, arbeitete; 

c) glühen, glühend, glühende, brennen, brennend, brennende, 
kochen, kochend, kochende; 

d) entgangen, entfallen, entzündet, entlaufen; verbrannt, verlaufen, 
verglüht; 

e) gefallen, geworfen, gekocht, gebrannt, gesprungen, gelaufen, 
gefangen ; 

f) Beisig, sechzig, zwanzig, achtzig, neunzig, siebenzig, fünfzig, 
dreissig, vierzig; 

g) zusammen, Kameraden. 

Diese Wörter werden an der Lesemaschine, wo sie auch in Silben 
zerlegt stehen, nach Bedürfnis lautierend oder buchstabierend eingeübt. — 
Man könnte hierbei auch bereits die orthographischen Eigentümlichkeiten 
der Wörter hervorheben, damit die Schüler beim Lesen darauf achten 
sollen. Das ist nicht zweckmässig; denn beim Lesen soll zunächst auf 
den Sinn der Wörter (bezüglich Sätze) geachtet werden; orthograhische 
Interessen dürfen sich nicht störend dazwischen drängen. Die ortho- 
graphische Behandlung folgt deshalb dem Lesen nach. 

2. Stufe. 

1. Lesen. 

a) Leseübung im Lesebuch. Bei dieser zerlegen wir die mit- 
geteilte erste Hälfte des Mädchens in mehrere Abschnitte, die 
einzeln gelesen werden. 

b) Mündliche Wiedergabe der gelesenen Abschnitte. 

c) Hauptinhalt der Abschnitte, herausgehoben durch „ Kernfragen **, 
Bildung einer Überschrift. 

2. Schreiben. 

Der orthographischen Besprechung werden unterworfen — und zwar 
wird buchstabiert — Strohhalm, Kohle, Bohne, Dorfe, wohnte, wollte, 
Bohnensuppe, zündete, legte, Keisig, Holz, kochte, Topf, fiel, wollte, 
glühende, beide, neben, Boden, danach, herab, Freunde, kommt, ihr, her^ 
antwortete, entsprungen, verbrannt, Kameraden, würde, gefallen, Brüder, 
Feuer, sechzig, fangen, zusammen, fremdes, Land, ziehen, alte Frau und 
die Alte. (Diese grosse Zahl ist auf zwei Lektionen zu verteilen, ebenso 
das Abschreiben des vorliegenden Abschnitts.) 

Beim Buchstabieren der Wörter, deren Schreibweise bereits be- 
kannten Regeln folgt, werden diese Regeln immer zu Hilfe genommen. 
(Die Wörter werden erst im Lesebuch angeschaut, dann buchstabiert, 
dann an die Tafel geschrieben, wobei besonders zu merkende Buchstaben 
unterstrichen oder mit gelber Kreide geschrieben werden. Die Schüler 
achreiben die Wörter ab, dann wischt man sie weg, lässt aus dem Kopf 
buchstabieren und aufschreiben, bis keine Fehler mehr vorkommen. 



100 I^as zweite Schuljahr 

Beispiele: Strohhalm. Seht das erste Wort in der Übersehrift an! 
Lest es! Was für ein Wort ist es? Bachstabiert die erste Hälfte! 
Warum wird Stroh mit oh geschrieben? Buchstabiert die zweite Hälfte! 
Wieviel h kommen in das Wort Strohhalm ? Warum? Buchstabiert mir 
das ganze Wort vor, ich will es anschreiben! Auf die zwei h müsst 
ihr besonders merken, ich unterstreiche sie (oder schreibe sie gelb). 

Brüder: Wieviel Silben hat das Wort? Buchstabiert die erste 
Silbe! Warum gross B? Warum ü und nicht i? Die zweite Silbe! 
In welche Beihe gehört „Bruder" ? 

fremdes: Wieviel Silben? Buchstabiert silbenweise! Das ganze 
Wort! In welche Beihe? (Land, Freund, zünden.) 

Nach der orthographischen Behandlung kann folgen: 

a) Abschreiben eines Abschnitts. (Berücksichtigung der Satz- 
zeichen!) Vorlesen des Geschriebenen, Verbesserung. 

b) Silbentrennung. Sagt folgende Wörter silbenweise und 
schreibt sie auch silbenweise (mit Trennungszeichen)! Kohle, 
Bohne, Dorfe usw. (Oder gleich die Aufgabe: Schreibt die 
fünf ersten Sätze Silben weise !) 

c) Schreibt fünf Sätze aus dem Kopfe auf! 

d) Diktieren eines Abschnitts. 

3. Stufe. Vergleichungen : (Zur Auswahl!) 

a) Stroh, Kohle, Bohne werden gedehnt gesprochen, die Dehnung 
wird beim Schreiben durch h bezeichnet. (Hierbei wird auch 
an die oben erwähnten Wortreihen erinnert. Z. B. Stroh 
gehört zu Hahn, Kohle ebenfalls, desgleichen Bohne usw.) 
Suppe, alle, wollen werden geschärft gesprochen, die Sehärfnng 
wird durch doppelten Mitlaut bezeichnet. Sie, fiel, liebe sind 
ebenfalls gedehnt, aber die Dehnung des i ist durch ie be- 
zeichnet. Weitere gedehnte und geschärfte Wörter sind auf- 
zusuchen (wohnte, ihr, nahm, dies, wie, ziehen, voll, gefallen, 
wenn, verbrannt usw.). Dehnung und Schärfung sind nicht 
bezeichnet bei von, in, an, nun, her, herab usw., hat aber 
hätte. 

b) Feuer, Freunde, Reisig, Brei, beide. 

c) wollte, alte, beide, würde, zündete, legte, sagte, antwortete, 
Freunde, werden, Boden, ft^emde. 

d) alt, gekocht, verbrannt, gebracht, bald, fremd, Land, Kamerad, 
Hand, Freund, glühend. 

e) würde, wird, Brüder. 

f) fing, fangen, springen. 

g) Dorf, Torf. 
h) Holz, Hau. 

i) gebracht, kochen, darnach, sprach, legte, pflegte, 
k) Beisig, sechzig, ich. 
1) entsprungen, glühend. 

m) eine Frau, eine Bohne, ein Topf, ein Strohhalm, ein Land, 
n) in einem Dorfe, ins Feuer, in den Topf, in ein fremdes Land, 
auf den Boden, neben einen Strohhalm. 



Lesen und Schreiben 101 

0) die alte Frau, die Alte. (Kann noch nicht verallgemeinert 
werden, weil es noch an Stoff fehlt, wird deshalb für diesen 
Fall gemerkt.) 

4. Stnfe. Stellt zusammen 

a) die gedehnten Wörter! 
Mit h: Stroh, Kohle usw. 
Mit ie: fiel, liebe usw. 

b) die geschärften! 

11: wollte, alle, voll. 
pp: Suppe. 

nn: wenn, verbrannt.. 
mni: zusammen, kommt. 

c) te: wollte, alte, legte. 

d) de: beide, würde, Freunde. 

e) d: Kamerad, Land, Dorf. 
t) Bg: fing, fangen. 

g) ch: kochen, sprach. 

h) g: legte. 

i) ig: Beisig, sechzig, zwanzig. 

k) ent: entgangen. 

1) end: glühend. 

Schreibt die Wörter in das „Wörterbuch^ (soweit sie nicht schon 
darin stehen)! 

m) die Frau, eine Frau, die Bohne, eine Bohne; der Topf, ein 
Topf, der Strohhalm, ein Strohhalm ; das Land, ein Land, das 
Stroh, 
n) wo? in einem Dorfe. 

wohin? in den Topf, auf den Boden, neben einen Stroh- 
halm, in ein fremdes Land, ins (in das) Feuer. 

5. Stufe. 

a) Diktat: Strohhalm, Kohle und Bohne wollten in ein fremdes 
Land ziehen. Die alte Frau hatte Bohnen in den Topf ge- 
schüttet. Viele Bohnen waren in einem Topfe. Auf dem 
Feuer lagen viele Kohlen. Der Strohhalm fiel auf den Boden. 
Auf dem Boden lagen auch die Kohle und Bohne. (Die ge- 
sperrten Worte sollen die Schüler auf die Frage wo ? und wo- 
hin ? selbst angeben.) Das Diktat kann sich auch auf andere 
Ergebnisse — vierte Stufe a bis m — beziehen. 

b) Schreibt die Überschriften auf! 

c) Schreibt zu jeder Überschrift einen Satz! 



102 -Das zweite Schuljahr 



2. Das Schönschreiben 

Literatur: Hesse, K. A. J. Der Schreibunterricht, ein Versuch, 
die Methode dieses Unterrichtsgegenstandes auf Psychologie zu basieren 
und den Einfiuss desselben auf die sittliche und intellektuelle Bildung 
nachzuweisen. Schweidnitz. 1860. — Dietlein, H. K. Wegweiser für 
den Schreibunterricht Leipzig, Klinkhardt. 1876. — Hey, C, Die 
Methodik des Schreibunterrichts. (In Kehr, Geschichte der Methodik. 
2. Band. Gotha. 1878. — Zschille, K. A. Elementar-Schreibschule. 
Leipzig. 1845. — Neff, Taktschreibmethode nach Schreuer. Heidel- 
berg. 1846. — Hertzsprung, P.W. Lehrbuch der Kalligraphie. Berlin. 
1854. — Ruckert, A. J. Die Steilschrift des deutschen und lateinischen 
Alphabets und der Ziffern. Würzburg, Staudinger. 1892. 3 M. — Rück er t, 
Über das Wesen und die Ziele der senkrechten Steilschrift. Würzburg, 
Staudinger. 1893. — Schubert, Dr., über Heftlage und Schriftrichtung. 
Hamburg, Voss. 1890. — Opp ermann, H. W., Über Schreibhaltung, 
Heftlage und Schriftrichtung. (In Pädagog. Blätter für Lehrerbildung 
und Lehrerbildungsanstalten. 1894 No. 3. Gotha, Thienemann.) — Fuchs, 
Dr. E., Die Ursachen und die Verhütung der Blindheit. Wiesbaden. 1885. 
Janke, Körperhaltung und Schriftrichtung. Pädag. Magazin Heft 22. 
Langensalza. 1893. Janke, Schreiben und Schrift. Enzyklopädie der 
Päd. V. Prof. Dr. W. Rein. Band VL Langensalza. Baginsky-Janke, 
Handbuch der Schulhygiene. Stuttgart 1898. L o b s i e n , M., Über Schreiben 
und Schreibübungen. Deutsche Blätter f. e. ü. 34. Jahrg. No. 9 — 17. 
Langensalza 1907. 

I. Die Auswahl des Stoffs 

1. Unter „ Schreiben ** versteht man in der Schale Übangen im 
Anfsatzschreiben, Rechtschreiben und Schönschreiben. Wenn nun schon 
der Betonung des Rechtschreibens in der Volksschule von gewichtiger 
Seite (Raumer, Gesch. der Pädagog. III. S. 117) Bedenken entgegengestellt 
worden sind, so ist es nicht zu verwundern, dass der ünterrieht im 
Schönschreiben noch viel mehr Angriffe erfahren hat, da es derselbe ja 
eigentlich bloss mit den Schriftformen zu ton hat. Wiederholt ist 
ausgesprochen worden, die Volksschule habe nicht die Aufgabe, Kalli- 
graphen zu bilden; bei ihrer sehr beschränkten Zeit habe sie wichtigere 
Dinge zu tun, als schöne Buchstaben malen zu lassen, auch habe die 
Mehrzahl der Schüler später gar keine Gelegenheit, von der mühsam 
erworbenen Fertigkeit Gebrauch zu machen. (Vergl. hierzu Kellner, 
Aphorismen 62.) 

Nun muss allerdings zugegeben werden, dass die Form der Buch- 
staben für den Inhalt des Geschriebenen gleichgiltig ist. (Mancher sehr 
bedeutende Mensch und Schriftsteller hat eine recht schlechte Handschrift 
geschrieben. „ Gelehrte ** und „schwer lesbare^ Handschrift gelten ja in 
manchen Kreisen noch heute als gleichbedeutend.) Die Erzeugnisse der 
Kalligraphen, Firmenschreiber u. dgl. lassen sich mit schriftstellerischen 
Arbeiten überhaupt nicht vergleichen. 

Gleichwohl lässt sich unschwer nachweisen, dass dem Schönschreib- 
unterricht in der Volksschule eine Stelle einzuräumen ist. 



Das Schönschreiben 103 

Das praktische Leben fordert zunächst, dass in der Volksschale 
nicht bloss geschrieben, sondern dass auch klar und deutlich und 
fliessend geschrieben wird. Denn ohne Erfüllung dieser Forderungen 
ist das Schreiben für den Schüler ziemlich wertlos, um ihnen aber ge- 
recht zu werden, genügt es erfahrnngsgemäss nicht, dass die Schüler so 
nebenbei, wenn es gerade gebraucht wird, einige Unterweisungen im 
Schreiben erhalten. Besonderer Unterricht mit vielen Übungen hat 
bis jetzt nicht entbehrt werden können. Wenn das aber der Fall ist, 
«0 handelte man doch töricht, wenn man den Belehrungen und Übungen 
unklare und unschöne Formen zugrunde legen wollte. Zu der Erkenntnis 
>ist man nun doch gekommen, dass die „schönen Formen^ für die Erziehung 
eines Menschen nicht so unwesentlich sind, wie man vielfach gemeint 
hatte. Wir schreiben deshalb auch dem S c h ö n Schreibunterricht einen 
nicht unbedeutenden Wert zu. Denn er weckt und pflegt den 
Sinn für Reinlichkeit, Ordnung und Schönheit und stellt 
an den Schüler die Forderung, seine Arbeit möglichst 
vollkommen, mit Anstrengung aller Kräfte zu tun. 

Das ist aber für die Erziehung eine sehr wichtige Sache und nicht 
erst in der Neuzeit erkannt worden. So schreibt Hesse (s. Literatur): 
^Das Schöne wirkt sittlich, indem es die Omnipotens des Nützlichen 
hindert und grobsinnige Genüsse verachten lehrt.*) Der Geschmack am 
Schönen bedingt aber gewissermassen die Reinlichkeit, und umgekehrt 
bricht der Sinn für Reinlichkeit die Bahn für die sittliche Wirkung des 
Schönen. Je grössere Sorgfalt die Schüler auf ihre Schrift verwandt 
haben, desto grösser wird die Achtsamkeit sein, sie durch Unreinlichkeit 
nicht zu verunstalten. — Wenn man bedenkt, wie oft diese einzige 
Untugend imstande ist, das Glück des ganzen Lebens zu zerstören, wie 
«ie sich selbst auf künftige Generationen fortpflanzt und gleichverderbliche 
Wirkungen äussert, so wird der Lehrer das, was er dafür tun kann, 
gewiss nicht für unwichtig halten.'' 

Ferner stellt sich der Schüler beim Schönschreiben dem Schönen 
nicht bloss beobachtend und empflndend gegenüber, sondern handelnd; 
und zwar ist es eine der ersten Handlungen, die dem Kinde in der 
Schule zugemutet wird. Hierbei wird der Grund gelegt zu Sorgfalt und 
Genauigkeit, zu andauerndem Fleiss, aber auch zu den entgegengesetzten 
Fehlenii die den Menschen für jedes Geschäft unzulänglich und un- 
brauchbar machen. (Es ist eine bekannte Erfahrung, dass eine schöne 
Handschrift ebenso empfehlend wirkt, wie ein ansprechendes Äussere, und 
dass schon „mancher junge Mensch durch dieselbe sein Glück gemacht 
hat.«) 

2. Wenn dem Schönschreibunterricht Förderung des Sinns für das 
Schöne zugesprochen wurde, so musste vorausgesetzt werden, dass man den 
Schriftformen überhaupt Schönheit zuschreiben kann. Worin besteht aber 
diese Schönheit? In dem Sinne, in dem wir von der Schönheit einer 
Statue oder eines Gemäldes sprechen, können wir allerdings die Buch- 



*) Den weitern Nachweis hierfür S. Hesse, der Schreibunterricht. 
§ 40. Der sittliche Wert des Schreibunterrichts. 



104 ^&s zweite Schuljahr 

Stäben nicht schön nennen. Denn einem Buchstaben liegt keine Idee 
oder künstlerische Aufgabe zugrunde, die durch seine Form zum Ausdruck 
gebracht werden soll. Da die Buchstaben aber nicht einzelne Elemente 
(z. B. Punkte) sind, sondern Zusammensetzungen aus geraden oder krummen 
Linien, so sind die Bedingungen des ästhetischen Wohlgefallens und 
Missfallens hinreichend gegeben. (Hierbei woUen wir gleich bemerken: 
je mehr die gebogene Linie vorherrscht, desto schöner werden wir einen 
Buchstaben nennen können. Deshalb gelten die Grossbuchstaben, welchen 
der Schwung und die Wellenlinie in grösserem Masse eigen ist, allgemein 
als die schönsten; und unter den verschiedenen Schriftgattungen der 
Schreibschrift erkennt man ebenso allgemein der sog. englischen 
Schrift den Preis zu.) Den Eindruck des ästhetischen Wohlgefallens 
macht aber die Schrift besonders durch Begelmässigkeit, Symmetrie, 
Gesetzmässigkeit, und durch Vollkommenheit der Ausführung ihrer Teile. 
Diese Eigenschaften schliessen aber schon recht hohe Forderungen 
in sich. Schon zur Regelmässigkeit und Symmetrie gehört viel. Stock - 
mayer (Schmids Encyklopädie VII, S. 748) rechnet dazu folgendes: a) 
Jeder Buchstabe muss vollständig und rein ausgeführt werden; es 
darf kein Teil fehlen, aber es ist auch keine Zutat, z. B. Bogen und 
Schnörkel, zu gestatten, b) Grundstriche und Haarstriche müssen 
sich in der Stärke wohl unterscheiden, c) Die Höhen oder Längen der Buch- 
staben müssen gleichmässig sein oder in richtigem Verhältnis zu ein- 
ander stehen. Ein kurzer Buchstabe muss durchweg so hoch als der 
andere, ein langer ebenso lang als der andere sein. Es sind also alle 
die Vorschriften zu verwerfen, in denen einzelne Grossbuchstaben höher 
sind als die andern. (Auch die geringere Länge des t in der englischen 
Kurrent kann nicht als berechtigt angesehen werden. Über das richtige 
Verhältnis der Höhen ist man etwas verschiedener Ansicht Als fest- 
stehend kann gelten, dass die Länge der Hochbuchstnben der Länge der 
Tiefbuchstaben gleich sein muss. In vielen neueren Alphabeten ist das 
Verhältnis der Grundhöhe zur Gesamthöhe, z. B. das n zum f wie 1 : 7 
in der deutschen , wie 1:5 in der englischen Kurrent angenommen. 
Die sogenannten Steilschrift- Alphabete haben 1 : 4 bis 1 : 5. Es treten 
auch Bestrebungen auf, die 1:2 oder 1 : IV2 vorschlagen, um mehr 
Übereinstimmung mit der Druckschrift herbeizuführen.) d) Die Bjchtung 
der Grundstriche muss durchaus die gleiche sein, e) Die Grundstriche 
der einzelnen Buchstaben müssen immer dieselbe Entfernung haben. 
(Damit ist nicht gemeint, dass die Grundstriche aller Buchstaben in 
der Entfernung übereinstimmen müssen, z. B. n und e, e und a.) f) Die 
Schleifen müssen rein ausgeführt sein, so dass die Striche nicht zu- 
sammenfliessen und die Weite und Länge der Oberschleifen ebenso gross 
ist, als die der Unterschleifen usw. g) Sämtliche Buchstaben eines 
Wortes sollen zusammenhängen. (Bei einigen Buchstaben geht das 
nicht, z. B. beim deutschen x und I.) — Es ist zu beachteUi dass An- 
fang und Ende eines jeden Buchstaben merklich begrenzt sein müssen, 
sonst fehlt die Deutlichkeit, h) Die Bäume zwischen den einzelnen 
Wörtern müssen gleich gross sein (etwa so gross als ein n). i) Die 
Buchstaben der verschiedenen Linien sollen die rechte Ent- 



Das Schönschreiben 105 

fernnng von einander haben. (Die Unterlängen der obern und die 
Oberlängen der untern Linie dürfen weder in einander übergreifen, noch 
zu weit von einander abstehen. Zwischen zwei Zeilen soll man noch 
eine Linie ziehen können, ohne damit die langen Buchstaben zu be- 
rühren.) 

Begelmässigkeit und Symmetrie allein machen aber noch keinen 
schönen Eindruck, es darf dabei nicht die Anmut fehlen. Diese fordert 
aber nicht nui*, dass jeder Zug in möglichster Vollkommenheit ausgeführt 
wird, dass z. B. Licht und Schatten richtig verteilt sind, dass die Über- 
gänge ans dem Starken ins Feine ganz allmählich geschehen, dass die 
Schleifen nicht bauchig oder hager, die Bogenlinien mehr dem Oval als 
dem Kreise entnommen sind, sondern auch, dass jeder Zug mit Frei- 
heit und Sicherheit geschrieben ist.*) 

3. Wie hoch soll nun die Volksschule in Beziehung auf die ge- 
nannten Eigenschaften ihr Ziel stecken? Eine für alle Fälle zutreffende 
Antwort hierauf kann man wohl nicht geben ; es wird bei jeder einzelnen 
Schule die Erwägung anzustellen sein, ob nach Erreichung einer gewissen 
Höhe durch Anstrebung eines noch höheren Ziels im Schreibunterricht 
die Schüler in ihrer Gesamtausbilduug noch wesentlich gefördert werden, 
oder ob dies durch andern Unterricht, dem der Schönschreibunterricht 
die Zeit wegnimmt, nicht noch mehr geschehen könne.*'*') Auf den 
Oberstufen wird der Schreibunterricht sich jedenfalls mit weniger Stunden 
begnügen müssen (in besonders günstigen Verhältnissen ganz wegfallen 
können), als auf den Unterstufen. (Die Lehrpläne weisen ihm hier ge- 
wöhnlich 2 bis 4, oben 2 Stunden an.) Dieselbe Erwägung entscheidet 
auch über die Zahl der zu lehrenden Schriftarten. Für mehr 



*) Von einer guten Schrift fordert man auch Konsequenz und 
einen bestimmten Charakter, was man gewohnlich eine ^ausge- 
schriebene Hand** nennt. Die wird nicht gelehrt, sondern erworben. Man 
begegnet wohl auch der Forderung, alle Schüler einer Schale oder eines 
Landes sollten dieselbe Handschrift haben. Ob man dabei wohl daran 
gedacht hat, dass es einen „Charakter der Handschrift" gibt, der stets 
individuell ist? Wollen doch manche aus der Handschrift den Charakter 
eines Menschen überhaupt beurteilen können! Die beregte Forderung 
dürfte auf einem Missverständnis beruhen: Man hat gehört von „Gleich- 
mästtigkeit der Handschrift**, das ist „Konsequenz" and hat gemeint, da- 
runter sei „Gleichmässigkeit (Uniformität) der Handschriften** zu ver- 
stehen. Dass man in einer Schule einen einheitlichen Duktus verlangt, 
ist selbstverständlich; dass man einen solchen wohl auch für ein ganzes 
Land fordert, ist erklärlich, da die Lehrer und auch viele Schüler öfter 
die Schalen wechseln. 

**) Im allgemeinen kann man Die tl eins (Wegweiser S. 20) For- 
derungen zustimmen : „Der Schreibanterricht befähige die Schüler in einer 
den Anforderungen der Pädagogik und Didaktik streng entsprechenden, 
also in einer wahrhaft erziehenden und bildenden Weise dahin, dass sie 
die herkömmlichen und gebräuchlichen, in ihren Elementen geistig klar 
anfgefassten Schriftzeichen für den Gedankenausdruck, einzeln und ver- 
bunden kennen und verstehen, und in deutlichen, gefälligen und ange- 
nehmen Formen geläufig, sicher und schnell versichtlichen lernen, und 
zwar mit stets gegenwärtiger Vorstellung und klarem Bewusstsein des 
die Schriftzeichen erfüllenden Inhalts.** 



106 I^Äs zweite Schuljahr 

als zwei — deutsche Kurrent- uod lateinische Kursivschrift nebst den 
Ziffern — wird die Volksschule nur bei Ausnahmeverhältnissen Zeit 
haben. Es würde für sie schon eine Schriftart genügen, wenn in 
Deutschland nicht zwei allgemein gebräuchlich wären. Welcher von 
beiden die Volksschule vorläufig noch den Vorzug zu geben hat, ist 
zweifellos, da die grosse Mehrzahl des Volkes sich noch der deutschen 
Kurrent bedient. (Welcher „Duktus" derselben der schönste sei, wird 
wohl so lange unentschieden bleiben, als der Geschmack noch verschieden 
ist. „Die Gosky-Henzesche deutsche Preis -National -Handschrift" 
ist ebenso wenig als solche anerkannt worden, als andere „National- 
Handschriften".) Wenn man aber berücksichtigt, dass durch den Schreib- 
unterricht der Schönheitssinn der Schüler gebildet werden soll, so ver- 
dient ganz besondere Berücksichtigung die lateinische (englische) Kursiv- 
schrift, „bei welcher bekanntlich das Oval vorherrscht, und die deshalb 
in bezug auf ihre wirklich schönen Formen, auf ihre Abrundung und 
Geschmeidigkeit der Schriftzüge und ihrer besonderen Eignung zu Ver- 
zierungen, Titeln usw. wegen, unsere Schrift und die aller Nationen 
übertrifft."*) 



*) Die Frage, welcher Schriftart der Vorzug zu geben sei, ist sehr 
lebhaft erörtert worden. Sowohl die deutsche als die lateinische haben 
beredte Verteidiger aufzuweisen. Die Verteidiger der deutschen Schrift 
behaupten: ,,Die deutsche Kurrentschrift ist Nationalschrift, in der sich 
der Typus unserer Nation abspiegelt. Ihr Charakter ist Festigkeit, Be- 
stimmtheit, Schärfe und Deutlichkeit; nicht ein grossartiger Handel und 
Wandel hat sie bedingt, gebildet und geformt, sondern vielmehr das tiefe 
Studium der Wissenschaften und Künste." — Dagegen sagt Jakob Grimm 
(Deutsche Grammatik, Einleitung S. 26): „Es geschieht ohne vernünftigen 
Grund, dass man diese verdorbene Schrift, wie sie zur Zeit der erfundenen 
Druckerei sich gerade gebildet hatte, eine gotische oder deutsche nennt. Die 
Goten waren längst ausgestorben, und ausser in deutschen Handschriften 
und Drucken herrschte die scharfeckige Buchstaben form ebenso in allen 
lateinischen, französischen, italienischen, slavischen. Nachdem die meisten 
übrigen Nationen in Europa zu der edleren und gefälligeren Gestalt der 
Schrift zurückgekehrt sind, hat sich unter uns, zum Teil auch nocli den 
Dänen, Schweden, Finnen, Lithauern, Wenden und Böhmen jenes verzerrte 
Alphabet für die Schrift und den Druck einheimischer Sprache im Gegen- 
satz zur lateinischen behauptet: es könnte mit gleichem Fug z. B. das 
böhmische wie das deutsche heissen und darf durchaus nicht für eine or- 
ganische Modifikation der lateinischen Schrift zum Behuf der deutschen 
Sprache gelten. — Nicht genug, dass diese Schrift das Auge beleidigt, 
Schreiben und Druck mühsamer macht, sie hindert auch die Verbreitung 
unserer Literatur im Auslande.*' — Es ist sehr möglich, dass die lateinische 
Schrift schliesslich die deutsche wieder verdrängt. Viele wissenschaft- 
liche Werke werden bereits mit lateinischen Lettern gedruckt, und fast 
jedes Schriftstück des vielschreibenden Kaufmannstandes sei^t zwischen 
der deutschen Kurrent auch lateinische Charaktere, die sich hei dem regen 
Verkehr mit Engländern und Franzosen allmählich eingeschlichen haben. 
Im Jahre 1860 wurden nur 21^4% aller Erzeugnisse des deutschen Bach- 
handels in Antiqua gedruckt, im Jahre 1898 aber 40^*70 • (W. Schubert, 
Neue Bahnen 1906. Dezemberheft.) „Drei Genien sind vereinigt uns das 
Bessere zu bringen : der Genius der pädagogischen Wissenschaft, aer Genius 
der kalligraphischen Kunst und endlich der klugäugige Genius des prak- 
tischen Lebens^ (Hirsche, Rhein-Blätter 1872, S. 147.) 



Das Schönschreiben 107 

4. Insofern die Bachstabenformen der eigentliche Gegenstand des 
SchöDSchreibanterrichts sind, ist der Stoff für mehrere Schuljahre teilweise 
derselbe, nar wird man in jedem Schuljahr vollkommenere Formen ver- 
langen. Ausser den Buchstabenformeu ist aber auch noch ein anderer 
Schreibstoff in Erwägung zu ziehen; denn die Buchstaben werden ja 
nicht nur einzeln geübt, sondern auch mit andern zusammengestellt. 
Sinnlose Buchstabenverbindungen wird man dabei möglichst vermeiden. 
Je weiter der Unterricht fortschreitet, desto mehr Übungswörter stehen 
zur Verfügung. Welchen Gebieten soll dann der Übungsstoff entlehnt 
werden? Manchem Schreiblehrer macht diese Frage wenig Kummer: er 
meint, die „genetische" oder alphabetische Folge der Buchstaben sei 
allein zu berücksichtigen; heute wird geschrieben: „Morgenstunde hat 
Gold im Munde", morgen: „Nürnberg ist eine Stadt in Bayern". Wir 
meinen, dass die Konzentrationsidee auch hier leitend sein kann und soll. 
Zweckmässig wird man also den Schreibstoff, und zwar immer für eine 
längere Zeit, einem andern, gleichzeitig behandelten Unterrichtsgegenstand 
entnehmen. Das nächste Anrecht auf Berücksichtigung hat wohl der 
Sprachunterricht. Der Schönschreibunterricht wird deshalb Rücksicht 
nehmen auf das Lautieren, Buchstabieren und Lesen, auf die Rechtschreib-, 
Zeichensetzungs-, Wort-, Satz- und Aufsatzlehre.*) Alle diese verwandten 
Lehrgegenstände kann er unterstützen, fördern und ergänzen. In höhern 
Klassen eignen sich als Schreibstoff besonders die sogenannten Geschäfts- 
aufsätze, die eine bestimmte Form verlangen (Briefe, Quittungen, Rech- 
nungen). Ausserdem können in den letzten Schuljahren auch die Rein- 
Bchrif ten der deutschen Arbeiten zugleich die Übungen im Schönschreiben sein. 

Wenn auf diese Weise der Schreibunterricht den andern Unterricht 
unterstützt, so kann und muss er von diesem denselben Dienst 
verlangen; sonst ist er zum grossen Teil zwecklos.**) W^o 



*) Es ist durchaus nicht nötig, dass der einzuübende Buchstabe der 
Anfangsbuchstabe der zu schreibenden Wörter oder Sätze ist; er soll 
nur eine hervorragende Stelle in denselben einnehmen. Nicht nach 
den Anfangsbuchstaben sollen die Wörtergruppen gebildet werden, sondern 
nach ihren orthographischen Eigentümlichkeiten oder ihrem Inhalt. (Ver- 
gleiche „Deutscher Unterricht", dritte bis fünfte formale ünterrichtsstufe.) 
£3 ist femer auch nicht nötig, das Wort „genetisch" strengstens zu nehmen, 
besonders nicht in spätem Schuljahren, wenn das Alphabet in den vor- 
hergehenden schon ein- oder mehreremale durchgenommen worden ist; 
man hat sonst für die ersten Buchstabenfamilien äusserst wenig, für die 
letzten überflüssig viel Schreibstoff zur Verfügung. 

**) Vergleiche hierzu den sehr beherzigenswerten Artikel imEvang. 
Schulblatt (1882 Seite 371). Dort heisst es: „Acht Jahre lang besuchen 
die Kinder die Schule und fast vom ersten Tage an wird im Durchschnitt 
täglich wenigstens eine Stunde geschrieben, macht in acht Jahren rund 
2000 Standen! Und welches ist das Resultat? Man besehe einmal die 
Leistungen genau, aber nicht bloss die trügerischen Scheinleistungen, 
nicht bloss das, was in die Schönschreib- und Aufsatzhefte gezeichnet 
zu werden pflegt, sondern auch das, was der Schüler für sich schreibt, 
das, was aussernalb des Lobes und Tadels, ausserhalb der Kontrolle des 
Lehrers steht, das, was keine Parade mitzumachen braucht; ja, man sehe 
daraufhin nur einmal seine eigene Handtrchrift an. — Welches ist nun 
aber die Ursache solcher geringen Resultate der ungeheuren Übungen? 



108 I^as zweite Schuljahr 

mehrere Lehrer in einer Klasse beschäftigt sind, wird das leider nicht 
immer berücksichtigt! Die Forderung mnss aber lauten: Alle schrift- 
lichen Arbeiten (selbst das schriftliclie Bechnen) sind auch der 
Beurteilung nach der kalligraphischen Seite hin unter- 
worfen. „In Schulen wo ein besonderer Schreiblehrer für alle Klassen 
angestellt ist, müsste daher demselben das vollste Becht der Einsichtnahme, 
Beurteilung und Korrektur aller Hefte zustehen, wenn anders das in den 
untern Klassen mühsam Erworbene nicht in den obern wieder gänzlich 
verloren gehen soll.** 

5. Verteilung des Unterrichtsstoffs auf acht Schul- 
jahre: 

I. Schuljahr. Die Schreibübungen schliessen sich an die Lese- 
übuDgen an. Besondere Stunden für das Schönschreiben gibt es noch 
nicht. 

IL Schuljahr. Beginn der Schreibübungen mit Feder und Tinte. 
Das kleine und grosse deutsche Alphabet.*) (Wöchentlich zwei Standen.) 
Wörter möglichst der 4. Stufe des deutschen Unterrichts entnommen. 

IIL Schuljahr. Das kleine und grosse deutsche Alphabet. Ziffern. 
(Wöchentlich zwei Stunden.) Wörtergruppen aus dem deutschen Unter- 
richt. (Hauptziel für das 2. und 3. Schuljahr : Übung im Gebrauch von 
Feder und Tinte, saubere Führung der Schreibhefte.) 

IV. Schuljahr. Das kleine und grosse deutsche Alphabet. (Wöchent- 
lich zwei Standen.) Wörtergruppen und kleine Sätze. Fehlerhaft oder 
schlecht geschriebene Buchstaben werden nochmals gründlich gelehrt und 
geübt wie im dritten Schuljahr. — Die ersten Familien* des englischen 
Alphabets. Ziffern. 

V. Schuljahr. Das deutsche Alphabet wie im vierten Schu^abr. 
Das englische Alphabet. (Wöchentlich zwei Stunden, deutsche und eng- 
lische Schrift wechseln ab.) 

VI. Schuljahr. Übungen in beiden Schriftarten abwechselnd. 
Wörtergruppen, Sätze. Dabei, so oft nötig, Wiederholung der Buchstaben- 
elemente und Verbesserung ^schlecht geschriebener Buchstaben. (Wöchent- 
lich zwei Stunden.) 



Ist vielleicht das Schreiben eine so überaus schwere Kunst? Oder kommt 
vielleicht das Ästhetich -Geometrische der Formen und Züge nicht ge- 
nügend zur Anschauung und Übung? — Die Ursachen des Übels liegen 
zunächst darin, dass man Wissen und Handeln, Kenntnis der richtigen 
und guten Formen und beständiges Schreiben diesen erkannten idealen 
Formen gemäss nicht stets und überall in Einklang zu bringen bestrebt 
ist, darin, dass man zweierlei Schreibunterricht betreibt, oder doch 
wenigstens zweierlei Schreiben duldet: ein Schönschreiben nach idealen, 
mustergiltigen Formen und ein Schlechtschreiben, Kladdeachreibeu oder 
doch wenigstens ein nachlässig-gleichgiltiges Schreiben, das bald 
mehr, bald weniger jedem ästhetischen Ideal Hohn spricht; darin, dass 
wir in der Schönschreibstande oft kaum wissen, wie wir die Buchstaben 
beschnörkeln und ausputzen lassen wollen und bei dem Schreiben in das 
Aufsatzheft, in das Diarium und auf die Schiefertafel wenig oder gar 
kein achtgeben auf die Formrichtigkeit der Buchstaben.** 

*) Kleine und grosse Buchstaben derselben Familie werden zusammen 
geübt; das grosse Alphabet also nicht erst nach Beendigung des kleinen. 



Das Schönschreiben 109 

VII. und VIU. Schuljahr. Grössere Sätze. (Inhalt längere Zeit 
hindurch einem ünterrichtsgeg anstand entnommen.) Reinschriften, Brief- 
aofschriften und andere Postsachen, Geschäftsaufsätze. (Lassen die Ver- 
h&ltniflse es wünschenswert erscheinen, so können die bessern Schreiber 
noch eine andere Schriftart, z. B. die Bundschrift erlernen.) 

2. Die Bearbeitung des Stoffs 

Wie andere Unterrichtsfächer, hat auch der Schreibunterricht eine 
grössere Anzahl sogenannter „Methoden^ aufzuweisen. So fuhrt C. Hey, 
(„Geschichte der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts", heraus- 
gegeben von G. Kehr, B. 2) folgende Methoden auf: das mechanische 
Verfahren, die genetische Methode, die Linearmethode, die Carstairsche 
Methode, die Taktschreibmethode, die stigmographische, die Oliviersche, 
die Denzelsche, die Grasersche, die Lehmannsche, die' Demetersche, die 
Überadeh-Methode, die Schmittsche, Wiedemannsche, Bunzelsche oder pantachy- 
kalligraphische Methode. Er hat damit aber nur die bekanntesten genannt; 
denn noch viele andere Schreiblehrer haben ihr Verfahren als eine be- 
sondere „Methode^ angesehen und manchmal recht marktschreierisch bekannt 
gegeben. Uns interessieren hauptsächlich nur das mechanische und 
das genetische Verfahren, weil jenes den Schreibunterricht der 
alten, dieses den der neuern Zeit charakterisiert. Das mechanische Ver- 
fahren bestand in einem stummen Vor- und Nachmachen. Nachdem die 
Schreibhefte ausgeteilt waren, malten die Schüler nach Vorschriften, die 
entweder auf Papierstreifen oder gleich ins Heft gedruckt, im glücklichsten 
Falle an die Wandtafel geschrieben waren, die Buchstaben oder Wörter 
naeb, so gut sie eben konnten. Von einer Zerlegung, Beschreibung und 
Auffassung der Buchstabenformen war dabei keine Rede. Der Unterricht 
war meist Einzelunterricht; der eine Schüler schrieb schnell, der andere 
langsam, der eine weitläufig, der andere eng, der eine dies, der andere 
jenes. Die Arbeit des Lehreres bestand hauptsächlich im Überwachen 
des Ansteilens der Hefte und der Vorschriften, vielleicht auch im An- 
schreiben der letztern, in allgemeinen Ermahnungen, wie: „gebt euch 
rechte Mühe! Seht die Vorschrift genau an! Schreibt recht langsam!" 
Hatte ein Schüler eine Seite voll geschrieben, so zeigte er sie dem Lehrer, 
der sein Urteil darüber abgab, vielleicht auch einige falsch geschriebene 
Buchstaben verbesserte. Den Schreibanfängern musste wohl auch „die 
Hand^ geführt werden. Die Schreibstunde wurde vielfach als willkommene 
Erbolongsstonde angesehen, eine Auffassung, der man bei Laien auch 
noch heute begegnet. Kellner durfte deshalb sagen (Aphorismen 62): 
„Es gibt keinen trostloseren Unterricht in unsern Volksschulen, als den 
nach dem gewöhnlichen Mechanismus erteilten Unterricht im Schön- 
ichreiben.' 

Dieser Zustand des Schreibunterrichts kann als überwunden be- 
zeichnet werden; die Schreiblehrer huldigen jetzt wohl alle der ^genetischen 
Methode^. Sie ist durchaus nicht eine Entdeckung der Neuzeit; denn 
als Vater derselben wird kein Geringerer als Albrecht Dürer 
(Vnderweysung der messung mit dem zirkel und dem richtscheyt. 



110 I^as zweite Schuljahr 

Nürnberg. 1538) aDgegeben. Das Wesen dieser „Methode" besteht in 
folgendem : Alle Schriftzeichen werden in ihre Elemente (Grandzüge) zer- 
legt, diese gelangen erst einzeln, dann auch in ihren Zasammensetzungen 
znr Einübung. Die Reihenfolge wird bestimmt darch die Einfachheit nnd 
„Ableitung'^ der Buchstaben. Hauptsache ist die klare Erkenntnis 
der Schriftelemente, sie bietet dem Schreibunterricht die natur- 
gemässe, sichere Grundlage. ^Bevor der Schüler einen Buch- 
staben schreibt, soll er eine vollkommen klare Vor- 
stellung von demselben haben, die. gewonnen wird durch gründ- 
liche Anschauung und scharfe Auffassung der Elemente." 
Der Grundgedanke der „genetischen Methode" ist ohne Zweifel 
richtig. Ein Eingehen auf die Elemente — hier also auf die Schrift- 
elemente — kann bei keinem methodischen Unterricht entbehrt werden. 
Der Schreiblehrer muss mit denselben selbstverständlich vollkommen ver- 
traut sein. Wir geben hier zunächst eine Übersicht derselben und 
schliessen uns bei ihrer Benennung meist der weit verbreiteten Schrift 
von Dietlein (s. Literatur) an. 

A« Die Grundzüge nnd Bachstabenformen 

Sowohl beim kleinen als beim grossen Alphabet der Schreibschrift 
treten vier Elemente — Grundzüge — auf, die für die Schrift wesent- 
lich sind, nämlich: Grundstrich, Eeilstrich, Oval rechts und Oval links 
(beim kleinen Alphabet); Oval rechts und Oval links, F-Zug und U-Zug 
(beim grossen Alphabet). (Die einfache Antiqua kommt mit zwei Ele- 
menten aus : dem Grundstrich oder Stab und dem Halboval.) Die Grund- 
züge sind aber nicht geometrisch konstruiert und nicht in allen Buch- 
staben von gleicher Grösse und gleicher Form; auch stehen sie in der 
gebräuchlichen Schrift nicht unvermittelt nebeneinander, sondern sind 
durch weitere Züge (Anstriche, A,ufstriche) miteinander verbunden. 
Ferner tritt in der Schrift noch der Punkt auf, welcher das i auszeichnet. 
(Auch den Schleifenpunkt kann man noch besonders nennen). 

Vom geometrischen Gesichtspunkt könnte man alle Schriftelemente, 
die wir in der Volksschule unbedenklich sämtlich „Grundzüge" nennen, 
in drei Gruppen bringen: 

1. Punkte. 

2. Gerade und fast gerade Linien. 

a) Die wagerechte Linie. 

b) Schräge Linien. 

aa) Aufstriche: 1. Der kurze Aufstrich. (In der eng- 
lischen Eurrent viel steiler als in der deutschen. In jener 
kommt noch dazu der Aufstrich mit angehängtem Punkt: 
c-Ans trieb, und mit angehängtem Häkchen: ^-An- 
strich.) 

2. Der lange Aufstrich (Anstrich), der beim Schreiben 
nach links oder rechts gebogen wird. 

bb) Abstriche: 1. Der kurze Abstrich (Grundstrich). 
2. Der lange Abstrich (nur in der englichen Kurrent). 



Das Schönschreiben Hl 

3. Der zugespitzte Abstrich (verkehrte Keilstrich). 

4. Der verstärkte Abstrich (Keilstrich). 

5. Der linke und rechte Schleifenstrich. 

6. Der feine Abstrich (nur Verbindungslinie im z 
des englichen Alphabets). 

3. Gebogene Linien (Teile des Ovals). 

a) Teile des einfachen (schrägstehenden) Ovals. 

aa) Das Oval ist von oben nach unten in zwei gleiche Teile 
geschieden: linker und rechter Seitenbogen oder 
Halboval links und rechts. (Manche Schreiblehrer lassen 
durch Verbindung mit einem Anstrich die linke und rechte 
Schleife, und durch Zusammenziehung derselben den 
linken und rechten Schleifenpunkt entstehen. Die meisten 
Handschriften haben aber eine viel flachere Schleife. 

bb) Das Oval ist wagrecht in zwei gleiche Teile geschieden: 
oberer und unterer Halbbogen. (Durch Ansetzen 
eines Aufstriches mit einer Verbindungslinie entsteht der 
obere und untere Schleifenpunkt, der aber, wie 
bereits erwähnt, auch von den Seitenbogen abgeleitet 
werden kann. (W^elclie Ableitung den Schülern vorzu- 
führen ist, ergibt sich aus den für die Schule massgebenden 
Musterformen.) 

b) Teile des zusammengesetzten Ovals. 

aa) Zwei aneinander stossende Ovale beginnen und endigen 
in gleicher Höhe. Geht man aus dem ersten (rechts 
herum) in das zweite über, so entsteht die Schlangen- 
linie (U-Zng); geht man aus dem zweiten (links herum) 
in die erste über, so erhält man die Flammenlinie 
(F-Zug). 
bb) Das zweite Oval steht höher als das erste. (Man stellt 
das zweite rechts so an das erste, dass es bis zum obern 
Drittel oder Viertel desselben herunterreicht.) Geht man 
aus dem untern in das obere (rechts herum), so entsteht 
die tiefe Wellenlinie (oder kurze Schlangenlinie). 
Legt man zwei flache Ovale aufeinander, so erhält man 
beim Obergang aus dem einen in das andere die flache 
Wellenlinie. 
Ausdrücklich sei bemerkt: die Form der Grundzüge ergibt 
sich aus den Buchstaben in Musteralphabeten; nicht aber 
werden die Buchstaben nach den angenommenen, geome- 
trisch bestimmten und beschriebenen Elementen umge- 
formt. Ein mit geometrischer Genauigkeit konstruiertes Alphabet macht 
den Eindruck eines gekünstelten und kann auch nicht als historisch be- 
rechtigt nachgewiesen werden. (AVir verwerfen deshalb auch das Ein- 
zwängen aller Buchstaben in ein Quadratnetz, wie es z. B. Z schule 
dorcbgeffihrt hat, uud wie es auch in neuern Schreibheften noch manch- 
mal auftaucht.) 

Zu den einzelnen Grundzügen sei noch folgendes bemerkt: 



112 Das zweite Schuljahr 

1. Der Punkt. Er soll stets mit einem Drnck der richtig ge- 
haltenen Feder ausgeführt werden; (dabei nicht „ringeln!^) Seine Stelle 
ist ein Drittel der Orundstrichslänge genau über dem Grundstrich. Ge- 
setzt wird er erst nach Vollendung des Buchstabens bezw. Wortes. 

2. Der kurze Aufstrich. Er wird von manchen Schreiblehrern 
mit dem Handgelenk ausgeführt. Die Hand ermüdet aber weniger, wenn 
er (ebenso der lange) mit Fin gerbe wegung ausgeführt wird. Es ist 
darauf zu achten , dass er im deutschen Kurrent immer eine gerade 
Linie ist ; im englischen wird er steiler und erhält eine leise Einbiegung 
nach rechts. 

3. Der lange Aufstrich. Er steht viel steiler als der kurze 
und erhält eine leise Einbiegung nach innen oder nach aussen. 

4. Der kurze Abstrich oder Grundstrich. Er ist in der 
deutschen Kurrent durchweg gerade* und von gleicher Stärke, muss des- 
halb mit ganz gleichmässigem Druck ausgeführt werden; mit dem Aufstrich 
muss er oben und unten einen spitzen Winkel bilden und darf nie in 
demselben herabgehen. (Leider sind das für viele Schüler schon recht 
schwere Anforderungen. Unsere Musterschriften halten aber noch daran 
fest.) Anders erscheint er in der englischen Kurrent. Hier geht er 
bis über die Hälfte wieder im Aufstrich herab ; ausserdem erhält er einen 
gebogenen Fuss (beim i und u) oder einen gebogenen Ansatz (beim n, m, 
r usw.), oder auch einen solchen Fuss und Ansatz zugleich (beim p, v usw.). 
Dadurch wird er einem halben Seitenbogen oder der Schlangenlinie so 
ähnlich, dass er von Einigen (z. B. von Dietlein) von dem Oval abge- 
leitet wird. Die Umbiegnngen besitzen aber nicht die Breite und Bun- 
dung derselben. Der kurze Abstrich in seiner verschiedenen Gestalt 
charakterisiert die beiden genannten Schriftarten. In der englischen 
Schrift ist besonders noch darauf zu sehen, dass er oben nicht umge- 
bogen oder spitz wird und im Ansatz keine zu grosse Rundung erhält^ 
wodurch er einem Seitenbogen oder untern Halbbogen ähnlich wird. (Um 
diese Fehler zu vermeiden, lässt man bei der Einübung nach dem Auf- 
strich absetzen — was in der deutschen Kurrent nicht erlaubt ist — 
oben mit gehörigem Fingerdruck gleich wieder einsetzen und die Grund- 
striche in Verbindung, eng an einander gestellt und genau im Abstrich 
herabgehend, üben.) 

5. Der lange Abstrich. Er kommt nur in der englischen 
Kurrent und zwar ohne und mit gebogenem untern Ansatz vor (in den 
Bubstaben t, 1, b, q, d usw.). Da dieser Zug der Flüchtigkeit der 
Schrift wenig günstig ist und der Schreibschrift auch den Eindruck der 
Leichtigkeit nimmt, so haben ihn viele Kalligraphen (bis auf die Buch- 
staben d und t) beseitigt und durch eine schmale linke Schleife oder 
einen verstärkten Abstrich ersetzt (1, b, h, q, p). 

6. Der zugespitzte Abstrich. Für Anfänger ist er gewöhnlich 
«twas schwer ; wenn sie aber gelernt haben, die Feder schnell vom 
Blatte abzuziehen, so wird die Zuspitzung gelingen. 

7. Der verstärkte Abstrich. (Keilstrich.) Derselbe kommt 
vor kurz, halblang und ganz lang. Oben fängt er ganz fein an und 
«ndet mit Grundstrichbreite — nicht breiter. 



Das Schönschreiben 113 

8. Von dem yorstehend genannten Strich leiten einige Schreiblehrer 
direkt den rechten Schleifenstrich ab (und, um konsequent zu 
sein, wohl auch den linken). Der dadarch geschaffene Dnktas, an manchen 
Orten unter dem Namen „Keilschrift** bekannt, erhält etwas recht Steifes 
und Eckiges. Wir leiten die Schleifenstriche ab von einem doppelt 
zugespitzten Abstrich, der eine leise Biegung nach links oder rechts 
erhält. (Man teile ihn zunächst in zwei Hälften, die man unter einander 
schreibt.) 

Die Schleifen dürfen weder zu schlank noch zu voll sein; bei 
der linken (obem) ist besonders darauf zu achten, dass der Schleifen- 
strich nicht zu viel Eundung erhält. (Schreibregel: Schleifenstrich nahe 
am Aufisitrich herab I Wo der Aufstrich den Schleifenstrich zu durch- 
schneiden hat, wird im Liniennetz durch die untere und obere Grund- 
linie angegeben.) (Die Schleifenpnnkte läset man bei der Einübung zu- 
nächst als wirkliche kleine Schleifen erscheinen; die Füllung erfolgt bei 
der richtigen Grösse schon von selbst.) 

9. Der feine Abstrich. Da er streng genommen kein Grund- 
zug, sondern nur eine Verbindungslinie (beim z und Z) ist, flüchtig und 
fein geschrieben wird, darf er beim Taktschreiben nicht betont werden. 

Alle Abstriche sind durch Finger-, nicht durch Armbewegnng her- 
zustellen. (Dabei darf nicht zwei- oder mehrmal gestrichen werden. 
Beim Schreiben in ein Liniennetz sind die Abstriche, so oft es möglich 
ist, an die Bichtungslinien zu stellen.) 

10. Der rechte und linke Seitenbogen. Der linke tritt in 
zweifacher Gestalt auf: als grosser (0) und kleiner (o); der rechte in 
dreifacher Gestalt: als grosser (@), kleiner (t)) und halbgrosser (!, m). 
Die Bogen erfordern sehr viel Übung, nicht allein damit die Form über- 
haupt eine gute wird, sondern weil es den Schülern gewöhnlich schwer 
fällt, den Druck richtig zu verteilen und die Biegungen rein und schwach 
auszuziehen. (Der linke Seitenbogen wird anfangs gewöhnlich oben oder 
unten stark und mit einer kreisrunden, statt ovalen Biegung geschrieben. 
Beim kleinen Seitenbogen muss man am Aufstriche bis zur Hälfte zurück- 
gehen, darf aber nicht erst da mit dem Druck beginnen. Beim ! und 
^ wird der Seitenbogen häufig zu weit nach rechts gezogen.) 

Hierher gehören auch die Vorschwünge oder Anschwünge, 
von welchen in der Volksschule ein sehr massiger Gebrauch zu machen 
ist. Viele Kalligraphen geben ihnen eine andere Lage als den Haupt- 
zägen ; leichter auszuführen sind sie zwar in gleicher Lage mit den Haupt- 
zügen, werden dann aber häufig so stark wie Seitenbogen geschrieben. 
(Im deutschen Alphabet ist nur bei den Buchstaben @, S, $ und ^ ein 
Anschwung angezeigt.) 

IL Der untere Halbbogen. Er kommt in manchen Mustern 
vor beim u, i, t, x, %, ®, ©, ^, S, Si r (und s). Wenn er niciit iu 
den langen Aufstrich übergeht, sollen seine beiden Schenkel gleiche Höbe 
haben; beim u hat der linke Teil gleiche Lage mit dem ersten Grund- 
strich, der rechte darf nicht weiter als der zweite Grundstrich reichen. 
In andern Mustern ist statt des untern Halbbogens ein kleiner linker 
Seitenbogen (z. B. beim u) oder der linke Schleifenpunkt (z. B. beim t) 

Das zweite Schuljahr. ^ 



114 Das zweite Schuljahr 

angewandt. (Manche Schreiblehrer gebrauchen auch einen kurzen Ab- 
strich mit angehängtem Aufstrich ; uns will dieser Haken nicht gefallen.) 

12. Die Schlangenlinie. Sie wird häufig zu sehr gebogen und 
erhält den Druck zu weit unten. (Man übe sie zuerst in zwei Hälften, 
damit der Druck gleichmässig verteilt wird.) 

13. Die Flammenlinie (Schönheitslinie). Sie setzt Formensinn 
und Gewandtheit in Händgelenk und Fingerbewegungen voraus. Stellt 
man sie an eine Eichtun gslinie, so muss sie dieselbe so durchschneiden, 
dass rechts und links gleiche Teile liegen. Von Anfängern im Schreiben 
wird sie bald zu wenig, bald zu stark gebogen, zu steil gestellt und 
an der unrechten Stelle verstärkt. (Man übe sie ebenfalls in zwei Hälften.) 

14. Die tiefe Wellenlinie (3), X usw.). Sie wird auch als 
kurze Schlangenlinie angesehen, darf aber dann nicht zu lang 
werden. Hauptsächlich wird gegen die richtige Lage derselben gefehlt. 
(Wir stellen sie in der Volksschule zur Schlangenlinie, damit sie nicht 
mit der flachen Wellenlinie verwechselt wird.) 

15. Die flache Wellenlinie (K, S, 93). Sie wird ganz ohne 
Druck mit der rechten Spitze der Feder geschrieben. Man hat darauf 
zu achten, dass dabei die Feder nicht gedreht wird und die Welle sich 
nur wenig über die Grundlinie erhebt. 

Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass diese Grundzüge 
nicht auf einmal und systematisch dem Schüler zu bieten sind, sondern 
nach und nach (aber wenn nötig alljährlich), wie es der eben zu be- 
handelnde Buchstabe fordert. 

* B. Die Bachstabengruppen 

Ordnen wir die Buchstaben nach ihren wesentlichen Grundzügen, 
so erhalten wir folgende Gruppen oder Familien: 

a) Das deutsche Alphabet: 

I. Gruppe des Grundstrichs: x, n, m, e, ü, u. 

IL Gruppe des Keilstrichs: t, f, f. 

III. Gruppe des linken Schleifenstrichs: I, b, (£. 

IV. Gruppe des rechten Schleifenstrichs: j, ^, d), §, r. 

V. Gruppe des linken Seitenbogens: D, D, 2t, 31, c, o, ö, a, ä, q, ®, 

Qf ^ h (P). 
VI. Gruppe des rechten Seitenbogens: @, §, SS, S23, l), tt), St i, 5/ % 

VII. Gruppe der Schlangenlinie (mit Einschluss der Tiefwellenlinie): U, 

% % c, ®, 2, ©t, a (i). 

VIII. Gruppe der Flammenlinie (mit Einschluss der flachen Wellenlinie): 

3, e, s, S3, s, (p) % 

b) Das englische (lateinische) Alphabet: 

I. Gruppe des Grundstrichs: 

a) mit gebogenem Fuss: i, u, ü, t, f, j, (1, b); 

b) mit gebogenem Ansatz: n, m, v, w, r, (h, p, z, y). 



Das Schönschreiben 115 

IL Qmppe des linken Seitenbogens : C, 0, c, e, o, a. d, q, g, E, G, *A, 
(N, M). 

III. Gruppe des rechten Seitenbogens: X, x. 

IV. Gruppe der Schlangenlinie : ü, Y, Z, (z, y, h, p, k), Q, V, W, (v, w). 
y. Gruppe der Flammenlinie : S, s, I, T, F, P, L, B, R, A, D, H, K, 

(V, W, N, M). 
Je nach der Wahl einiger Formen, ergibt sich eine etwas andere 
2aerteilung. 

Bemerkungen über einige Formen: 

Es ist von Wichtigkeit» bei der Besprechung und Einübung eines 
Buchstabens besonders die Teile desselben zu berücksichtigen, die am 
häufigsten falsch ausgeführt werden. Deshalb folgen einige Bemerkungen 
über einige Buchstaben. 

1. Das kleine deutsche Alphabet 

a) i, 11, m, e, ü, u. 

Der Punkt über dem i steht oft nicht genau in der Richtung des 
ijrrundstrichs, hat auch nicht die richtige Entfernung (ein Drittel der 
Grandstrichhöhe) von demselben. Das ist auch von den Strichen beim ü 
and dem Bogen beim u zu bemerken ; ausserdem steht beim ü der erste 
zugespitzte Abstrich häufig nicht über dem ersten Grundstrich. Das n 
wird oft zu breit gezogen (Regel: so breit als hoch), und beim m haben 
die drei Grundstriche nicht gleiche Entfernung voneinander."') Das e 
fällt bald zu schmal, bald zu breit aus (Regel : ein Drittel der Grund- 
«trichlänge = dem Abstand der beiden Grundstriche). Den zweiten 
Grundstrich kleiner als den ersten zu machen, liegt kein Grund vor. 

b) t, f, f, I, b, j, ^, ä), r. 

Der linke Schleifenpunkt beim t und f darf nicht auf der Linie auf- 
stehen (wenn in Doppellinien geschrieben wird, hat er genau zwischen 
den beiden Grundlinien seinen Platz) und darf nicht links über den Auf- 
strich hinausreichen. Der Schleifenstrich erhält leicht den Druck zu 
weit unten und zu starke Biegung. Die obere Schleife wird gewöhn- 
lich zu flach geschrieben, bei der untern zieht man unten leicht zu weit 
nach links. Die Durchscbnittspunkte aller Schleifen werden von den 
beiden Doppellinien angegeben. Das c erhält beim ä) die Form eines i 
ohne Punkt. (Man schreibe z. B. beim fd^ das c mit einem linken Seiten- 
bogen, um den Grund dieser Abänderung des c einzusehen. Beim d kann 
es in beiden Formen auftreten, ohne dass es den Parallelismus stört.) 
Becht häufig wird das c zu nahe an das ^ gerückt. Der erste Ab- 
strich des r ist ein halber Schleifenstrich; man halte auf gleichlaufende 
Striche und kräftigen Schleifen punkt und Bogen. 



♦) Die Strich-Entfernungen werden immer mit der Höhe des Grund- 
strichs gemessen. Z. B. n: Der Abstand der beiden Grundstriche == 
Grundstrichshbhe. 



Hg Das zweite Schuljahr 

c) b, c, 0, 0, ä, q, 9, j, (p). 

Am b wird der Kopf vielmals zu lang und flach, wohl aa^.h eckig. 
Die VerläDgemng des Kopfes zum Zweck der VerhinduDg mit dem nach- 
folgenden Bachstahen ist in Volksschulen nicht zn empfehlen; es ent- 
steht gewöhnlich eine Missgestalt, die Ähnlichkeit mit einem c( hat ; (nnr 
bt geht an). 

Bei den Bachstahen o, Q usw. halte man fest darauf, dass der linke 
Schleifenpunkt recht kräftig geschrieben wird, weil er sonst in der Schnell- 
schrift gewöhnlich ganz verschwindet; auch muss beim o, q und g die 
letzte Bälfte des Buchstabens genau die Höhe der ersten Hälfte er- 
reichen. Das p findet man vielfach in diese Gruppe eingereiht. Es ge- 
hört zu den schwerem Formen und hat sich deshsdb viele Umänderungen 
gefallen lassen müssen. Die von Herzsprung eingeführte und auch 
in die Henze-Goskysche „Nationationlschrift'^ übergegangene Form 
(nach welcher das p mit rechtem Seitenbogen beginnt) will vielen Schreib* 
lehrem nicht gefallen. Wir haben auch nicht gefunden, dass sie leichter 
sei, als die mit linkem Seitenbogen. Bei dieser muss die rechte Schleife 
aus dem rechten Seitenbogen (oder noch besser von der Flammenlinie} 
abgeleitet werden, sonst wird sie zu steif. (Wir stellen das p deshalh 
in die nächste Gruppe ein.) Die Verbindungslinie zum Abstrich der 
Schleife muss den linken Seitenbogen unten durchschneiden noch vor 
der Stelle, wo er aufwärts umgebogen ist. Das gilt auch 
beim ;, bei dem noch zu beachten ist, dass alle drei Bogen parallel 
laufen müssen. 

d) t §, \), tt), t|, ä,-(p), 6. 

Beim f wird der rechte Seitenbogen sehr häufig zu hoch angesetzt ;. 
auch erhält er sehr häufig oft den Druck zu weit oben und geht zu 
weit nach rechts. (Regel: in der Mitte ansetzen und bis dreiviertel in 
die Höhe gehen.) Seine Entfernung vom verstärkten Abstrich beträgt 
nur Grnndstrichhöhe. Bei t) und tt) findet man häufig den halben Schleifen- 
strich oder zugespitzten Abstrich mit dem Grundstrich verwechselt, auch 
trifft der rechte Seitenbogen vielfach nicht genau in den Schleifenpunkt. 
Das } wird oft darch die schlechte Ausführung des ersten Bogens ver- 
unstaltet; auch einen Buckel im untern Teil findet man nicht selten. 
Dieser wird vermieden, wenn oberer und unterer Bogen an eine Bich- 
tungslinie gelegt werden. Schiebt man zwischen ersten und zweitei^ 
Bogen einen feinen Schleif enpnnkt ein, so wird die richtige Form leichter. 
Das ^ gehört zu den schwierigsten Formen, deshalb ist auch viel an 
ihm herumgestaltet worden. Die Einen sehen es als eine Zasammen- 
ziehung von f und ^, die Andern von f und j an. Die erste Ansicht 
führt zu ebenso falsche Meinungen über seine Bedeutung als die zweite ; 
denn ^ steht ja nicht immer für ff. Wir halten als Form für das % die 
Zusammensetzung aus f und einem richtigen 5 empfehlenswert, weil die 
andere gebräuchliche Form von jungem Schülern selten richtig ausge- 
führt wird. 



Das Schönschreiben 117 

2. Das grosse deutsche Alphabet 

a) D, D, 21, % D, ®, §, e. 

Auf richtige EinübuDg des linken Seitenbogens kommt sehr viel an. 
Man lasse deshalb aasgiebig das ganze 0?al üben. Die Form des hier- 
her gehörigen O (mit verstärktem Abstrich statt der Tiefwellenlinie) kann 
sich gerade keiner besondern Schönheit rühmen, wir ziehen die andere 
vor. In vielen Mustern wird das (£ mit linkem Seitenbogen geschrieben ; 
der Druck im Hanptzng wird dann leicht zu hoch gelegt, wodurch der 
Bachstabe zu starke Krümmung erhält. Die Form mit langem Schleifen- 
Btrich (statt mit Seitenbogen) gelingt leichter. 

b) ©, 9^ a», », SB, % % 8, ae. 

Bei dieser Oruppe gibt es reichlich Gelegenheit, das Auge für den 
Parallelismus zu schärfen. Vielen Schülern will das Tl nicht gelingen, 
weil sie die richtige Entfernung des letzten Haupt zugs vom vorhergehenden 
nicht finden. Die öfter angegebene Regel: alle drei Striche haben gleiche 
Entfernung, veranlasst bei strenger Befolgung eine Entstellung des 3K. 
Beim ^ gelangt manchmal der rechte Seitenbogen nicht in die gleiche 
Höhe mit dem eisten Teil; auch kommen die beim ! angemerkten Fehler 
vor. Vom 3 gilt das vom ) Gesagte, doch darf hier der Schleifenpunkt 
nicht auf die Linie fallen, sondern muss eine halbe Grundstrichslänge 
höher stehen. 

c) U, % D, 3), S, a (i). 

Hierzu ist das Nötige bei den Grundzügen bereits angegeben worden. 
Besondere Aufmei ksamkeit erfordert das §R., bei welchem der kleine rechte 
Seitenbogen leicht so gross wird als die Schlangenlinie; diese wird auch 
^fter nicht parallel dem ersten Hauptzug und zu weit nach rechts ge- 
legt. Die richtige Form gelingt eher, weiiu man (wie beim z) einen 
kleinen Schleifenpunkt einschiebt. 

d) g, % e, S, 93, S. 

Die Flammenlinie muss sehr viel geübt werden. % und ^ werden 
onten zu wenig ausgeschweift (erhalten zu wenig Fuss), der Strich durch das 
S ist oft nicht wagrecht. Bei @^, 2 und ^8 wird anfangs gewöhnlich 
die flache Wellenlinie in eine tiefe Wellenlinie verwandelt. Das ^ ge- 
lingt nur nach und nach, es ist meist links und rechts von der Flammen- 
linie fehlerhaft; gewöhnlich liegt das daran, dass die Rundung von der 
Flammenlinie aufwärts gleich unten zu gross oder zu klein genommen 
wird und der Aufstrich dann gerade bleibt bis zum Durchschnitt der 
Flammenlinie. Der rechte Seitenbogen darf kein oberer Halbbogen werden. 
(Man lasse das ^ in ein Volloval schreiben oder aus einem solchen her- 
stellen.) 

3. Das kleine lateinische Alphabet 
a) i, u, ö, t, f, j, 1, b. 

Das t wird in manchen Musteralphabeten eine halbe Grundstrich- 
länge kürzer als die andern Hochbuchstaben geschrieben; notwendig ist 



118 Das zweite Schuljahr 

diese Ansnahme dorchaos nicht. Das f leitet man jetzt meist vom deutschen 
f ab. Lässt man die Buchstaben 1 und b mit langem Abstrich schreiben, 
so ist ganz besonders darauf zu achten, dass der Aufstrich recht steil 
und der Abstrich oben nicht spitz wird. Eine jetzt häufig zu findende 
Form ist der deutschen ähnlich, nur etwas schlanker. 

b) n, m, V, w, r, h, p (z, y). 

Die Schüler setzen hier beim zweiten Aufstrich gern mit der Feder 
ab, was nur beim p stattfinden darf; auch entfernt sich der zweite Auf- 
strich leicht zu weit oben oder bereits zu weit unten vom Abstrich. 
(Regel: Beginn der Entfernung beim zweiten Drittel des kurzen Ab- 
strichs.) Beim z wird der feine Abstrich häufig zu stark oder als ver- 
stärkter Abstrich geschrieben. (Man zeige dem Schüler wie das z früher 
geschrieben wurde : oberer Zog, unterer Zug, dann erst die Verbindungs* 
linie.) — Zu bemerken ist noch, dass bei z und y nicht der Abstrich 
mit gebogenem Ansatz und Fuss, sondern die kurze Schlangenlinie auf- 
tritt. Deshalb lässt man vorher das grosse Z und Y schreiben. 

c) c, e, 0, a, d, q, g. 

Das hier auftretende knrze Oval kann auf mehrfache Weise darge- 
gestellt werden. Am gebräuchlichsten sind wohl folgende zwei: a) Auf- 
strich, oben umgebogen (beim c dann Punkt, beim e Häkchen), abgesetzt, 
in der Mitte des Aufstrichs zum linken Seitenbogen wieder eingesetzt; 
b) kurzer Aufstrich (nur von halber Höhe der Grundbuchstaben) abge- 
setzt, in der Mitte der rechten Seite eingesetzt, Aufstrich linker Seiten- 
bogen. 

Das unter a) angegebene Verfahren ist der Schnellschrift nicht günstig. 
Wer es einhält, halte darauf, dass der Punkt beim c mit einem Druck 
gemacht wird und nicht oben in die Biegung, sondern in die rechte Seite 
des Ovals kommt. Bei der andern Verfahrungsweise wird gewöhnlich 
der kleine Aufstrich nicht steil genug gestellt. 

d) k, X, s. 

Beim k ist an das deutsche §R zu erinnern. Das ist ein ziemlich 
schwerer Buchstabe, der meist zu steif oder zu krumm ausfällt; deshalb 
lasse man anfangs bei der Einübung nach dem Aufstrich absetzen. 

4. Das grosse lateinische Aiphabet 

a) C, 0, Q, E, G, A (N, M). 

Wählt man für das C die aus zwei sich schneidenden Ovalen be- 
stehende Form, so erhält es leicht die Gestalt eines deutschen E; die 
Durchschneidung muss in der Mitte stattfinden. und Q werden oft 
mit einem Aufstrich begonnen, was nicht gut aussieht. Wählt man die 
Form mit zwei linken Seitenbogen, so achte man darauf, dass der zweite 
(kleinere) genau die Eichtung des ersten erhält und das Oval oben ge- 
schlossen wird. Beim E wird die obere Hälfte vielfach zu gross ge- 
macht und die untere zu weit nach rechts oder links gestellt. Beim A 
(und allen Buchstaben mit dem linken Vorschwung) wird der Vorschwang 



Das Schönschreiben 119 

gern zu steil gestellt; man lasse deshalb vorher horizontal liegende Ovale 
üben. Aach der Aufstrich fällt bald zn gerade, bald zu gebogen aus. 
(In vielen Alphabeten sind N und M mit verstärktem Abstrich statt mit 
der Flammenlinie geschrieben ; deshalb fügen wir sie hier an. Die Form 
ist nicht unschön und leichter als die andere. Der Abstrich hat beim 
N dann dieselbe Lage wie beim M, während man bei Anwendung der 
Flammenlinie etwas von der Richtung abweichen muss, wenn das N nicht 
auffallend schmale Form erhalten soll.) 

b) X. 

Hier bietet die Verbindungslinie der beiden Hauptteile die grössten 
Schwierigkeiten; sie kehrt auch beim H und K wieder. Man lasse sie 
(als steife Wellenlinie) fleissig allein üben. Sie muss den ersten Haupt- 
zag der betreffenden Buchstaben in der Mitte durchschneiden, der zweite 
kann ein wenig höher getroffen werden. 

c) U, Y, Z (V, W). 

Schreibt man V und W in der hierher gehörigen Form, so ist be- 
sonders die Bichtung und Biegung des letzten Aufstrichs zu beachten, 
damit im Ganzen ein Oval erkannt werden kann. 

d) S, I, T, F, B, R, L, D, H, K (V, W, N, M). 

Bei Ausführung der Wellenlinie über T und F wird die Feder von 
manchen Schülern gedreht, wodurch falscher Druck in die Linie kommt. 
P, B und E werden oft verunstaltet durch die Haube. Sieht man in ihr 
zwei verbundene rechte Seitenbogen, so müssen diese gleiche Höhe über 
der Ginndlinie haben. 

Das D gilt als Prüfstein über die Schreibgewandtheit des Schülers. 
Gewöhnlich geht die Verbindungslinie zu bald in die Höhe, oder sie ent- 
fernt sich zu weit von der Flammenlinie. Beide Fehler haben in einer 
falschen Beurteilung der Wellenlinie ihren Grund. Der Buchstabe muss 
sich fast ganz in ein Oval einschliessen lassen. 

Das K ist in mehreren Formen gebräuchlich. Wird es in einem 
Zug geschrieben, so ist die Lage der steifen Wellenlinie viel zu üben, 
damit die zweite Flammenlinie und die Schlangenlinie die richtigen Ver- 
hältnisse erhalten können. 

Die Ziffern und Interpunktionszeichen bestehen aus den- 
selben Grundzügen wie die Buchstaben und werden in den Schreibstunden 
den betreffenden Gruppen eingeordnet. 

ۥ Die methodischen Einheiten 

1. Den Schreibstoff gliedern wir ebenso wie den andern Unterrichts- 
stoff in methodische Einheiten. Diese sind uns hier in den 
einzelnen Buchstaben gegeben. Man hat sich zwar gegen diese 
Auffassung gewandt; es wird sich aber zeigen, dass bei gründlicher Be- 
handlung eines Buchstabens sämtliche fünf (formale) Stufen auftreten. 
Eigentlich sind schon die Grundzüge als methodische Einheiten anzu- 
sehen; da wir aber aus denselben die Buchstaben nicht willkürlich zu- 



120 ^&9 zweite Schuljahr 

sammeDstellen, sie vielmehr auB den Buchstaben heransnehmen, so reihen 
wir die Behandlnng der Grundzäge der des Bachstabens ein.*") Der mehr als 
hundert Formen umfassende Unterrichtsstoff verlangt zur leichtem und 
sichern Übersicht und Beherrschung eine Gruppierung. Von Zeit zu Zeit 
bilden wir deshalb grössere methodische Einheiten: die oben 
genannten Buchstabenfamilien. (In den oberen Klassen, wo der 
Schreibkursus zweckmässig alljährlich einmal wiederholt wird, aber nur 
eine geringe Stundenzahl beanspruchen kann, wird man die Wieder- 
holung gleich nach diesen grössern Einheiten anlegen. Der übrige 
für diese Klassen genannte Schreibstoff, z. B. die Beinschrift eines Auf- 
satzes, wird selbstverständlich nicht in Form von methodischen Einheiten 
behandelt.) 

2. Die unterrichtliche Behandlung eines Buchstabens geschieht nun 
wie folgt: 

Als Ziel wird entweder der einzuübende Buchstabe oder eine Wörter- 
gruppe genannt. (Bnchstabenkenntnis wird vorausgesetzt.) 

Die erste Stufe erinnert an verwandte Buchstaben, welche be- 
reits eingeübt sind, an Zeichnungen, in welchen der neue Grundzng ent- 
halten ist (vergl. „Erstes Schuljahr" S. 188) oder an die Form des 
Buchstabens im allgemeinen, soweit sie dem Schüler aus dem ersten 
Schreibunterricht gegenwärtig ist. 

Auf der zweiten Stufe wird der Buchstabe angeschrieben und in 
seine Teile zerlegt. Diese werden beschrieben und einzeln eingeübt, so- 
weit sie neu sind. Dann folgt die Zusammenstellung zum Buchstaben und 
Beschreibung desselben. 

Auf der dritten Stufe wird der Buchstabe mit andern (derselben 
oder auch einer andern Gruppe angehörigen) Buchstaben verglichen. 
Daraus ergibt sich für 

die vierte Stufe das Charakteristische des Buchstabens (die 
wesentlichen Grundzäge und die eigentümliche Verbindung 
derselben). 

Auf der fünften Stufe wird der Buchstabe eingeübt, schliesslich 
aus dem Kopfe geschrieben und in Wörtern und Sätzen angewandt. 

Zu den einzelnen Stufen bemerken wir noch folgendes: 

Zu Stufe I. Aus dem ersten Schreib- und Leseunterricht ist den 
Schülern die Form der Buchstaben im allgemeinen bekannt, auch die 
Hauptteile derselben haben sie unter entsprechenden Bezeichnungen kennen 
gelernt; aber über die Beschaffenheit derselben im einzelnen werden sie 
nur mehr oder minder mangelhafte Vorstellungen haben. Das wird man 
den Schülern zum Bewusstsein bringen, damit in ihnen das Verlangen 
nach einer nochmaligen Darbietung entsteht. Auf der ersten Stufe dürfen 
die Schüler für die Bestandteile der Buchstaben noch die Bezeichnungen 



*) Wir stellen also z. B. als Ziel nicht auf: richtige Darstellung des 
linken Seitenbogens, sondern richtige Darstellung des 0. Um aber den 
Hauptteil dieses Buchstabens richtig ausführen zu können, ist nötig die 
Betrachtung und Beschreibang desselben (2. Stufe), die Vergleichnng mit 
dt^m Grundstrich (3. Stufe), die Hervorhebung des Charakteristischen (4. 
Stufe) und die methodische Übung (5. Stufe). 



Das Schönschreiben 121 

gebraachen, welche im ersten Unterricht angewandt wardeni auch Ver- 
gleiehangen besonders mit Dingen, die gezeichnet wurden, sind gestattet. 
Da innerhalb der einzelen Bachstabengrnppen die Bachstaben ,, gene- 
tisch^ geordnet sind, jeder dem ersten folgende Bachstabe also schon 
bekannte und geübte Zage enthält, so wird man aaf die vorangegangenen 
verwandten Buchstaben Bezag nehmen. An nicht verwandte kann man 
erinnern beim Übergang zu einer neuen Gruppe. Durch beides wird die 
Aufmerksamkeit für das Neue an dem im Ziel genannten Buchstaben 
erregt. 

Zu Stufe II — V. Der Buchstabe wird hier in solcher Grösse an 
die Wandtafel geschrieben, dass auch die entfernt sitzenden 
Schüler alle Einzelheiten erkennen können. Das Anschreiben muss sicher 
und vorbildlich (musterhaft) geschehen, wie alles, was der Lehrer tut. 
Mehrmaliges Streichen mit der Kreide, Wegwischen und Verbessern ein- 
zelner Teile soll dabei nicht vorkommen. (Der Schüler soll ja auch frei 
in einem Zug schreiben.) Deshalb hat der weniger gewandte Lehrer 
den Buchstaben vor der S^hreibstunde gehörig zu üben. Ein Hinweis 
auf eine lithographierte Wandtafel statt des Anschreibens ist nicht 
statthaft; es kommt darauf an, dass der Schüler den Buchstaben ent- 
stehen sieht, weshalb beim Anschreiben auch entschieden Klassen- 
aufinerksamkeit zu verlangen ist. Blosses Anschauen des Buchstabens 
verhilft aber noch nicht zu einer klaren Vorstellung von demselben (man 
versuche z. B. die Druckbuchstaben g oder i aus dem Kopfe zu schreiben), 
er muss deshalb verdeutlicht werden. Das geschieht, indem wir ihn 
in seine Elemente zerlegen.*) Diese werden einzeln unter den Buch- 
staben geschrieben. Tritt hierbei ein neuer Grundzug auf, so wird dieser 
wieder allein und wenn nötig, in vergrössertem Massstab angeschrieben, 
dann wird er genau beschrieben, benannt und eingeübt bis 
zur Fertigkeit. (Diese ist so lange noch nicht vorhanden, als das 
Vorgestellte nur mangelhaft in die Wirklichkeit übersetzt werden kann, 
bald gelingend, bald misslingend, oder wenn die Tätigkeit nur langsam 
vor sich geht. — Übung macht den Meister.) Die Einübung geschieht 
znnftchst in grossen Formen: Luftschreiben, wobei die Schüler die 
Federspitze auf den Zug an der Wandtafel richten und ihn in Gedanken 
überfahren, dann im Heft. Um die Form in grösserm Masstab ausführen 
zu können, wird ein sogenanntes Probebuch empfohlen, dessen Seiten 
nicht liniiert sind. Hier kann man die Züge in verschiedener Grösse 
und in verschiedenen Verbindungen ausführen. (Man schreibe z. B. auch 
senkrecht untereinander.) Wo es geht, geschehen die Übungen ohne Ab- 
setzen nach dem einzelnen Zuge; denn es muss gleich in den ersten 
Schaljahren darauf Bedacht genommen werden, dass die Handschrift 
„geläufig^ wird. Schliesslich werden die Züge in gewöhnlicher Grösse 
geschrieben.**) Durch diese Übungen „kommen sie in die Muskeln", 



•) Herbart (Psychologie II, § 139): „Verdeutlichen heisst aus- 
einandersetzen, welcher Ausdruck ao wörtlich als möglich zu 
nehmen ist.** 

♦♦) Bei Kaufleuten, deren Schrift sehr häufig durch einen gewissen 
Schwung besticht, kann man oft beobachten, wie sie Buchstaben oder 



122 I^as zweite Schuljahr 

d. h. es wird ein Zusammenhang zwischen Vorstellung und Muskel- 
empfindung begründet. Als Hilfsmittel hierbei sind von verschiedenen 
Schreiblehrern dieselben Veranstaltungen empfohlen worden, die wir bei 
der Einübung der Buchstaben erwähnen werden. Ein Mass für die 
Grundzüge brauchen wir nicht, da sie in ein Verhältnis zueinander noch 
nicht treten, (höchstens könnte die Richtungslinie einige Dienste leisten). 
Dass ein neuer Zug nicht immer gleich gelingt, ist eine bekannte Er- 
fahrung. Der Lehrer hat deshalb öfter nachzusehen, wo noch Mängel 
vorhanden sind, und die Ursachen derselben zu erforschen. Sie haben 
meist ihren Grund in der mangelhaften Auffassung des Vorbilds, in der 
unklaren innern Vorstellung desselben, oder in der Ungeschicklichkeit der 
Hand. Je nach der Ursache werden die Mittel zur Abhilfe verschiedene 
sein. Hauptsache ist: Fehler nicht zur Gewohnheit werden 
lassen, sondern sofort auf Abstellung derselben mit Ausdauer halten. 
Die Verbesserung ist meist Elassenarbeit. 

Nach genügender Sicherheit in der Darstellung des neuen Grund- 
zugs, wird er mit einem bekannten verbunden, damit Gewandtheit in den 
Verbindungen erzeugt werde. 

Mit Richtigsclireibung der Grundzüge ist sehr viel für die richtige 
Darstellung des Buchstabens gewonnen. Dieser wird jetzt aus seinen 
Elementen wieder zusammengesetzt, dann folgt eine (mündliche) Be- 
schreibung desselben, wobei die Schüler anzugeben haben, aus 
welchen Teilen der Buchstabe besteht, wie gross jeder 
dieser Teile im Verhältnis zum andern ist, welche Ent- 
fernung, Höhe, Richtung usw. er hat, und auf welche 
Weise die einzelnen Teile zum Ganzen verbunden sind. 
Die Beschreibung erfolgt zuerst bei unmittelbarer Anschauung des Buch- 
stabens, dann ohne dieselbe. Hierbei führt der Lehrer an der Tafel 
gleich aus, was die Schüler aogeben, „sie sehen auf die Weise ihre 
fehlerhafte oder ungenügende Angabe gleich verkörpert und werden bald 
das Rechte finden." Bei der Beschreibung wird der Lehrer sein Augen- 
merk darauf zu richten haben, dass von den Teilen des Buchstabens, die 
erfahrungsgemäss gewöhnlich falsch geschrieben werden, besonders klare 
Vorstellungen entstehen. Nur hüte er sich dabei, die falschen Formen, 
die er zur Veranschaulichung nötig hat, zu eben solcher Klarheit zu 
bringen wie die richtigen; sonst könnte der Schüler leicht das Falsche 
mit dem Richtigen verwechseln. (Falsche Formen werden gleich wieder 
weggewicht, nachdem die Fehler gezeigt worden sind.) 

Zur Erzeugung der Klarheit ist es sehr häufig empfehlenswert, den 
Buchstaben mit andern zusammenzustellen. Aus der Vergleichung ersieht 
der Schüler, wodurch sich der Buchstabe von andern (oder von gewissen 
Euchstabenverbindungen) unterscheidet, welche Züge der Buchstabe unter 
allen ümstänäen haben muss, und welche Verbindungen ihm eigentümlich 
sind. Dies Eigentümliche wird immer klar herausgehoben. (IV. Stufe.) 

Züge mit dem Arm in der Luft ausführen, ehe sie auf dem Papier an- 
setzen. — Manche Schreiblehrer lassen umgekehrt alle Züge anfangs sehr 
klein üben. Die Schrift erhält dadurch allerdings eine gewisse Zierlich- 
keit. Ob aber das Erlernte auf die Dauer hält? 



Das Schönschreiben 123 

3. Zar Veranschaulich der Verhältnisse im Buchstaben bedient man 
sich zweckmässig eines Liniensystems. Namhafte Schreiblehrer haben 
ein solches zwar vollständig verworfen ; kleinen Schülern leistet es jedoch 
bei Beurteilung der Verhältnisse immerhin Dienste. Einer verwirrenden 
Überfülle von Hilfslinien re.den wir aber nicht das Wort. (Zschille 
z. B. empfiehlt ein Netz, das nicht bloss aus acht horizontalen, punktierten 
oder gezogenen Linien, sondern auch aus so viel schrägen Linien be- 
stehen soll, als Grundstriche auf das Blatt geschrieben werden können.) 
In ein quadratisches Netz passen nicht alle Buchstaben; auch wird bei 
Benutzung eines solchen dem kleinen Schreibschüler nicht weniger zu- 
gemutet als ohne diese „Hilfe" ; denn er soll sich die Quadrate während 
des Schreibens wieder teilen, damit er den Strich an die richtige Stelle 
bringt. Dass auch der freie Zug der Hand, ohne welchen schliesslich 
doch kein wirkliches Schönschreiben gedacht werden kann, zu sehr durch 
enge Netze gehemmt wird, muss wohl auch zugestanden werden. Ausserdem 
ist vom gesundlichen Standpunkte aus alles Papier, das den Eindruck des 
Gegitterten macht, zu verwerfen. Besonders anstrengend für das Auge 
ist es, wenn die Gitterung durch das Blatt nur hindurch scheint (wie 
beim Heckmann'schen Linienblatt). Ein Netz von vier wagrechten 
Linien (obere und untere Grundlinie, Hoch- und Tieflinie) und 
einigen Eichtungslinien genügt vollständig. 

In dieses Liniennetz werden die Buchstaben bei der Einübung 
(wo es irgend angeht in Verbindung) geschrieben. Der Lehrer bestimmt 
zugleich, bei welcher Richtungslinie der erste Abstrich eines jeden Buch- 
stabens beginnt. Dadurch wird das zu enge und zu weitläufige Schreiben 
verhindert und die Schlilerhefte werden gleichmässig beschrieben, was 
beim Taktschreiben unbedingtes Erfordernis ist. Notwendig ist, dass 
der Lehrer auf seiner Wandtafel dasselbe Linien syst em hat, das in den 
Schreibheften zu finden ist.*) Grundstriche wird man möglichst oft mit 
den Richtungslinien zusammenfallen lassen, Bogen neben dieselben 
stellen. Von grössern Schülern kann man auch Buchstaben und Bach- 
stabenverbindungen im Probebuch üben lassen; die Sicherheit der Hand 
wird dadurch nicht unwesentlich befövdeit. 

Von andern Hilfen, die man dem Schüler bei Einübung der Buch- 
Stäben zukommen lässt, erwähnen wir das Hand führen und Über- 
ziehen oder Nachziehen. Ersteres kann als veraltet angesehen 
werden und wird nur noch angewandt, wenn alles nicht helfen will. 
Es kann nicht dazu dienen, „einen Zntammenhang zwischen Vorstellung 
und Muskelempfindung zu begründen"; denn die Muskeln werden dabei 
von der Hand des Führenden festgehalten. Eher scheint das Über- 
ziehen oder Nachziehen seinem Zweck zu entsprechen, weshalb auch eine 
Menge Vorschläge hierzu gemacht worden sind. Locke und Rattich 
Hessen roto Buchstaben mit schwarzer Tinte überziehen, andere wählten 



*) Die Herstellung des Liniensystems auf den "Wandtafeln oder dem 
Schreibpapier darf man nicht dem Gutdünken eines beliebigen Anstreich«?r3 
oder Druckers überlasäen. Es ist unbedingt nötiir, dabei die genauesten 
Angaben zu machen und die Sache zu kontrollieren. Wir haben schon 
viele Wandtafeln gesehen, die falsch iiniiert waren ; ebenso Sohreibpa\)i('r' 



124 I^as zweite Schuljahr 

blau oder giüa statt rot, zeichneten die Buchstaben nur durch rote 
Punkte vor usw. Die jungen Römer zogen die in Wachstafeln einge- 
grabenen Buchstaben mit dem Griffel nach, in neuerer Zeit wurden 
Metallplatten empfohlen. Her hart (ABC der Anschauung S. 79) will 
Hornplatten, die zugleich zur Schriftkorrektur dienen sollen. Unseres 
Wissens werden alle diese Mittel nur wenig angewandt (doch rühmt man 
die damit in Frankreich erzielten Ezfolge). Jedenfalls hat man keine 
Bürgschaft dafür, dass bei diesem rein mechanischen Tun die Schüler 
eine klare Vorstellung vom Buchstaben haben; die Muskelempfindungen 
werden also auch nicht mit einer solchen in Verbindung treten« Fordert 
man auf jeder Stufe vom Schüler nur das, was er leisten kann, so wird 
das Gelingen das Misslingen überwiegen, und nur selten wird ein weiteres 
Hilfsmittel als das Liniensystem nötig sein. 

4. Welche Verbesserungen nötig sind, muss dem Lehrer sehr 
bald bekannt werden, damit nicht erst falsche Formen sich festsetzen. 
Kleinere Fehler, die vielleicht nur bei dem einen und andern Schüler 
vorkommen, werden kurzer Hand abgemacht. Das sind aber die seitnern 
Fälle, die meisten Fehler finden sich bei mehrern Schülern; die Ver- 
besserung ist deshalb eine gemeinschaftliche. Das Wesen 
der Verbesserung ist aber dies: Der Schüler muss durch die 
Verbesserung zu klarer Erkenntnis seines Fehlers ge- 
langen und mit derselben Klarheit das Richtige an Stelle 
des Falschen setzen können. Ein allgemeines Urteil über die 
Schritt (gut, nicht gut usw.) hilft gar nichts, wie auch allgemeine 
Mahnungen (seht die Vorschrift besser an, schreibt schöner!) vergeblich 
sind. Die bemerkte fehlerhafte Form schreibt der Lehrer an die Wand- 
tafel, die Schüler finden den Fehler auf und geben die richtige Schreibung 
an. Der Lehrer verbessert den falschen Zug an der Tafel, indem er 
den richtigen darauf legt (was den Fehler besser erkennen lässt, als 
wenn Richtiges und Falsches bloss nebeneinander gestellt werden) 
und löscht dann das Falsche weg. Nun wird der verbesserte Buchstabe 
nochmals geschrieben und, wenn nötig, wieder verbessert, bis er billigen 
Anforderungen entspricht. Anfangs darf man die Forderungen nicht zu 
hoch spannen; sie gehen erst nach und nach immer mehr ins Einzelne, 
„die Beschreibungen werden genauer, der Lehrer, um ein Gleichnis zu 
gebrauchen, muss die Vorstellungen seiner Schüler bearbeiten wie der 
Steinbildhauer den Marmorblock, an dem er auch erst die hervor- 
ragendsten Punkte der Statue nach allen Seiten hin markiert und so die 
in die Augen fallendsten Verhältnisse derselben an ihm richtig darstellt, 
ehe er das Einzelne herausarbeitet.^ — Hauptgiundsatz muss sein: „Die 
Forderung, die auf jeder Stufe an den Schüler gemacht 
wird, muss genau seiner Leistungsfähigkeit entsprechen, 
damit das Geleistete immer relativ vollkommen sei.^ 
(Hesse.) 

Trotz aller Verbesserung werden in jeder Klasse einige Schüler 
vorkommen, die im Schreiben nicht genügen. Für den Fortschritt im 
allgemeinen sind diese nicht massgebend ; denn man soll die schlechtesten 
Schüler zwar stets besonders berücksichtigen, aber nicht eine ganze 



Das Schönschreiben 125 

Klasse durch sie anfhalten. Kann ihnen nicht einzeln nachgeholfen 
werden, so kommen sie in eine besondere Abteilang, die den Schreib- 
knrsns noch einmal durchmacht, während die andern Schüler mit an- 
gewandtem Schreiben beschäftigt sind. 

5 An die Übang des einzelnen Bachstabens wird gewöhnlich als 
weitere Übung und ebenfalls nach Vorschrift die Ver- 
wendung desselben in Wörtern und Sätzen angeschlossen. Das ist nicht 
genügend. Das Ziel kann erst dann als erreicht angesehen werden, 
wenn der Schüler den Buchstaben vollständig unabhängig darstellen 
und anwenden kann. Es muss deshalb verlangt werden, dass der Buch- 
stabe auch aus dem Kopfe ebensogut geschrieben wird als nach Vor- 
schrift. Auch bei seiner Verwendung in Wörtern oder Sätzen ist nicht 
durchaus eine Vorschrift nötig; denn er wird (wenigstens in den ersten 
Kursen) nur mit solchen Buchstaben zusammengestellt, die bereits geübt 
sind. Will man der Eecbtschreibung wegen, oder um za zeigen, wie 
die Buchstaben und Wörter auf der Zeile verteilt werden sollen, die 
Anwendung vorschreiben, so geschehe das an der Wandtafel oder (in 
obern Klassen) auf Papierstreifen, die mit dem Schülerbuch überein- 
stimmen. Unzweckmässig sind die Hefte, in welchen auf 
jeder Seite die erste Zeile als Vorschrift vorgedruckt 
ist, nach der nun die ganze Seite beschrieben werden 
soll. Es fällt dem Schüler gewöhnlich gar nicht ein, die Vorschrift 
mehr als einmal anzusehen; er richtet sich bequemer nach der unmittelbar 
vorhergehenden Zeile. Deshalb, und weil die Aufmerksamkeit nachlässt, 
werden die nachfolgenden Zeilen auch gewöhnlich immer schlechter, und 
ein in der dritten oder vierten Zeile gemachter Rechtschreibfehler geht 
durch die ganze Seite. Sollen Vorschriften überhaupt einen Zweck haben, 
so muss der Schüler gezwungen sein, sie anzuschauen. Sie dürfen deshalb 
nicht so kurz sein, dass sie ohne weiteres gemerkt werden. Auch die 
vielmalige Wiederholung einer Vorschrift ist zwecklos. Beim ersten An- 
blick sieht eine Seite im Schreibheft zwar hübsch aus, wenn eine ein- 
zeilige Vorschrift fein symmetrisch darauf verteilt ist; man prüfe aber 
nur die Schrift der letzten Hälfte! Eine Vorschrift darf mehrere Zeilen^ 
vielleicht bis zu einer halben Seite einnehmen. 

Zum Schluss erinnern wir noch an eins: Das Schreiben ist haupt- 
sächlich nicht ein Wissen, sondern ein Können. Die Belehrung über 
einen Buchstaben ist zwar notwendig, die Übung desselben aber 
die Hauptsache; deshalb hat diese in jederSchreibstunde 
den grössten Zeitteil zu erhalten. 

Anhang 

a) Schnellschönschreiben und Taktschreiben 

Vielfach begegnet man der Ansicht, dass die Schnellschrift eines 
Schülers (d. i. die Schrift, welche er im gewöhnlichen Leben anwendet) 
um so besser ausfalle, je weiter es derselbe in der Kalligraphie gebracht 
habe. Das ist aber durchaus nicht immer der Fall, besonders wenn die 
Schüler nur angehalten wurden, ja recht langsam zu schreiben, wobei 



126 ^*s zweite Schuljahr 

sich leicht ein Buchstabenmalen oder Buchstabenzeichnen einstellt. (Die 
Handschriften von Lithographen und Malern sind manchmal gar nicht 
musterhaft.) Nun schreibt zwar auch ein Schreiblehrer in einem Briefe 
anders, als wenn er Vorschriften schreibt, aber eine sogenannte doppelte 
Hand darf auf keinen Fall zur Eegel werden. Denn dann wäre der 
Schönschreibunterricht zum guten Teil Zeitverschwendung. Es mnss ver- 
laugt werden, dass derselbe den Schüler befähigt, auch schnell richtig 
und schön schreiben zu können, wie man auch im Lesen ein fliessendes 
und gutes als Ergebnis der Leseübungen verlangt. Wir meinen nun 
nicht, dass man für Schuellschön schreiben besondere Stunden ansetzen soll, 
sondern es muss sich aus dem Schreibunterricht nach und nach ergeben.*) 
Man halte nur darauf, dass alle Schreibübungen derselben Klasse in 
demselben Tempo ausgeführt werden, das man in der Schönscbreibstunde 
auwendiet ! Also nicht in dem einen Heft schnell, in dem andern langsam 
schreiben lassen ! Wann ein schnelleres Tempo eintreten oder wie schnell 
dieses sein soll, lässt sich ohne weiteres nicht bestimmen ; im allgemeinen 
kann man nur sagen, nicht zu früh, damit die Handschrift nicht ver- 
dorben werde. Denn leicht stellen sich zwei Fehler ein: einzelne Züge 
werden vernachlässigt, andere erhalten ungebührliche Ausdehnung. 

Um diese Fehler nicht aufkommen zu lassen, gibt es ein sicheres 
Mittel: das Taktschreiben.**) Vielfach sieht man in demselben nur 
ein Mittel, um gute Disziplin und gleichmässigen Fortschritt der ganzen 
Klasse zu erzielen ; der vorher angedeutete Zweck ist aber viel wichtiger. 
Die Möglichkeit seiner Erreichung gründet sich auf den Satz, „dass eine 
Reihe widerstandsfähiger ist, wenn sie mit einer andern Eeihe ver- 
flochten wird." Im Schreiben müssen also die Vorstellungen von den 
Buchstaben kompliziert werden mit andern, disparaten. Dazu eignen sich 
sehr gut die Zahlen. Deshalb wird bei der Einübung eines Buchstabens 
gezählt, und zwar kann man dabei jeden Strich mit einer Zahl ver- 
binden oder nur jeden Abstrich (wesentlichen Teil des Buchstabens). 
Das Letztere halten wir für das Richtigere. (Aufstriche vrerden 
also nicht gezählt!) Assoziiert man nämlich Jeden Auf- und jeden 
Abstrich mit einem Gliede der Zahlreihe, so ist zu bemerken, dass beim 
langsamen Schreiben die Assoziation ganz überflüssig ist und beim 
schnellen Schreiben der Zahlreihe eine Schnelligkeit zugemutet wird, 
der sie nicht fähig ist. Wird dagegen nur der Abstrich mit einem 
Gliede der Zahlreihe assoziiert, so bleibt sie deutlich, auch wenn ziemlich 
schnell geschrieben wird. Die Aufstriche kommen unter allen Umständen 
zur Darstellung auch wenn sie nicht gezählt werden, da sie die not- 
wendige Verbindung der Abstriche bilden. — Manche Schreiblehrer 



*) „Die Tendenz der abgesonderten Schön schreibübun gen ist auf das 
rein praktische Bedürfnis zu beschränken, d. h. man lehre statt Kalli- 
graphie ein möglichst schnelles Schreiben von Formen, die, wenn 
auch keinen schönen, so doch wenigstens einen angenehmen Eindruck 
auf ein gebildetes Auge machen; man lehre ein Schreiben, wie es ge- 
braucht werden kann und auch gebraucht werden wird.** Evangel. 
Schulblatt S. 372. 

**) Vergl. Neff, Taktschreibemethode nach Schreuer. 



Das Schönsclireiben 127 

lassen nur 1 , 2,1, 2 usf. zählen , ohne nach Anfang und Ende des 
Bachstabens zu fragen. Möglichst einfach ist diese Zählweise, aber nach 
dem Gesagten auch möglichst unvollkommen. Auch andere Taktweisen, 
wie auf, ab, oder (beim m) eins m, eins m, eins m, können wir für 
unsern Zweck nicht gebrauchen. Beginnen wir jeden Buchstaben mit 
der Eins, so erreichen wir dasselbe, was die letzterwähnte Zählweise 
will: die einzelnen Bachstaben werden voneinander getrennt, während sie 
sonst oft zusammenfliessen. Das Wort „mein" wird z. B. „taktiert" : 
auf (damit der erste Aufstrich von allen Schülern gleichzeitig ausgeführt 
wird), eins, zwei, drei (m), eins, zwei (e), eins (i), eins, zwei (n), Punkt. 

Soll die Zahlreihe aber eine Kontrolle über die Buchstabenteile 
ausüben, so muss die Zahl mit ihrem entsprechenden Buchstaben voll- 
kommen fest assoziiert sein. Deshalb wird ein Buchstabe so lange 
geübt, bis sich erwarten lässt, dass mit seiner Gestalt auch seine Zahl 
reproduziert wird. So lange die Assoziation noch nicht eine vollkommene 
ist, treibe man durchaus nicht zu grösserer Schnelligkeit; der Übergang 
sei sehr allmählich, sonst leidet die Sicherheit. Bei der Ausführung lässt 
man von jedem Worte angeben, wie dabei gezählt wird, und fährt 
damit so lange fort, bis der Schüler die Art und Weise des Zählens 
mit grösster Schnelligkeit angeben kann. Schliesslich wird das Zählen 
überflüssig. Wie der angehende Musikschüler anfangs den Takt sich 
laut angibt, während er später alles taktmässig spielt, ohne auch nur 
an Takt zu denken, so ergeht es auch dem geschulten Schreibschüler. 
In der Volksschule wird man mit einem massigen Tempo zufrieden sein. 
Kann man nicht Gruppen von gleichstehenden Schülern bilden, so sind 
für das Tempo die schwächern Schüler massgebend. (Strahlender ff 
in Berlin brachte seine Schüler bis zu 220 Taktteilen in der Minute. 
Das Zählen Hess er von dem für die Musik erfundenen Metronom be- 
sorgen.) 

Die andern Vorteile, die das Taktschreiben bietet, wollen wir nicht 
unterschätzen. Sein Einfluss auf die Disziplin im Schreibunterricht, auf die 
Belebung desselben, auf den gleichmässigen Fortschritt der Schüler usw. 
ist ein mächtiger — aber nur, wenn es mit grösster Konsequenz ge- 
handhabt, wenn der Lehrer unerbittlich darauf sieht, dass jeder Befehl 
aufs genaueste befolgt wird. (Wer sich das nicht zutraut, mag das Takt- 
schreiben unterlassen; denn es wird bei lockerer Handhabung nur Ver- 
wirrung in den Unterricht bringen.) Im Takt geschieht während der 
Schreibstunde alles: Austeilen, Aufschlagen der Hefte, Anfassen der 
Feder, Eintauchen, Ansetzen, Schreiben, Absetzen, Haltung des Körpers. 
„Gesetz und Ordnung durchdringen alle, auch die unscheinbarsten Ver- 
richtungen beim Taktschreiben." Das Tempo bestimmt stets der Lehrer; 
anfangs zählt er selbst, dann zählen bessere Schüler, ganze Bänke und 
Abteilungen usw. Auch durch leises Klopfen kann der Takt angegeben 
werden, während die Schüler leise oder in Gedanken zählen. In Schreien, 
Leiern oder Singen darf das Zählen nie ausarten. Dass man über die 
Taktteile erst klar geworden ist (Luftschreiben, mehrmaliges Vorzählen 
von verschiedenen Schülern), bevor in das Heft geschrieben wird, ver- 
steht sich wohl von selbst. Dann darf aber kein Schüler während des 



228 ^^^ zweite Schaljahr 

Schreibens eines Wortes absetzen, etwa am die Feder einzntanken; er 
schreibt rahi^ ohne Tinte weiter. Das nnvollendete Wort wird nach 
Beendigang der ganzen Zeile geschrieben. 

b) Zar Technik des Schreibnnterrichts 

Die Technik des Schreibanterrichts hat es zn tan mit den Schreib- 
materialien, der Haitang, den Bewegangen beim Schreiben a. dgl. 

Gates Schreibmaterial ist dem Schüler ebenso notwendig, als dem 
Handwerker gates Handwerkszeag. 

1. Das Papier ist jetzt überall in genügender Güte sehr billig za 
haben. Der Lehrer hat daranf za halten, dass es nicht darchschlägt, 
and dass die Hefte gleiches Format and sonstige gleiche Einrieb tangen 
haben. Am zweckmässigsten würde er sie selbst besorgen, wenn das 
nicht, besonders in Städten, zn allerlei Unzaträglichkeiten and An- 
feindangen von Seiten der Geschäftsleate führte. Aber mit Bachbindern 
oder Händlern, welche das Gewünschte liefern und den Schülern namhaft 
gemacht werden wollen, darf sich der Lehrer in Verbindang setzen. 
Sollte es die Konkurrenz nicht schon tan, so darf er auch bei Fest- 
stellung des Preises ein Wörtchen mit reden. (Unter allen umständen 
halte er sich aber von jedem „Geschäftchen" rein.) 

2. Was vom Papier, gilt auch von den Stahlfedern, die den 
Gänsekiel vollständig aus dem Felde geschlagen haben. Die Wahl 
derselben darf den Schülern nicht ganz frei gegeben werden ; denn diese 
bringen meist za harte und za spitze. Besonders leiden die sogenannten 
„Schalfedern" häufig an diesen Fehlern. Eine einzige Sorte passt aber 
nicht für alle Schüler und ist auch nicht nötig ; die Auswahl unter gnten 
Federn ist ja eine sehr grosse. 

3. Die Tinte muss leicht fliessen, schnell trocknen und gleich aus 
der Feder heraus schwarz erscheinen. Die Tintengefässe sind im Pult' 
befestigt und werden nur von je zwei Schülern benutzt. Jedes Gefäss 
soll seinen eignen Verschluss haben, damit die Tinte nicht verdirbt und 
die Schulbücher vor Beschmutzung gesichert sind. Wird Unfug mit der 
Tinte getrieben, so ist streng einzuschreiten. Die kleinern Tintenflecke 
in den Heften (ohne die es in den untern Klassen nicht abgeht) sind 
wegzuradieren ; kann das nicht mehr geschehen, so wird das beschmutzte 
Blatt sorgfältig herausgeschnitten. (Bei manchem Schüler darf das Blatt 
auch zerrissen werden, wenn man die Überzeugung hat, dass dadurch 
auf ihn bessernd gewirkt wird.) Sauber innen und aussen sollen die 
Schreibhefte immer sein, sie sind „das Gesicht der Schule". - 

4. Für zweckmässige Schulschreibtische geschieht in neuerer 
Zeit viel. Sie dürfen nicht zu eng aneinander gerückt sein, damit das 
Schreibheft genügend hinaufgerückt werden kann, und damit es dem 
Lehrer möglich ist, zu jedem Schüler zu gelangen, ohne die andern zu 
stossen und zu drängen. 

5. Von nicht geringer Wichtigkeit ist die Haltung beim Schreiben. 
Manche Lehrer scheinen zwar zu meinen, darauf komme gar nichts oder 
wenigstens nicht viel an ; denn während ihres Unterrichts sitzt ein Schüler 



Das Schönschreiben 129 

gerade, der andere krumm, der eine liegt auf der Seite, der andei^ scheint 
auch mit der Nase zn schreiben, dieser hält die Feder mit gestreckten 
Fingern, jener mit gekrümmten usw. Aus solchen WahrnehmuDgen 
kann man sofort auf die Energie des Lehrers und die ganze Schulzucht 
schliessen. Die Haltung des ganzen Körpers muss beim Sitzen eine 
natürliche sein, eine Krümmung des Eückgrads darf weder nach aussen 
noch nach einer Seite hin stattfinden; der Oberkörper darf sich etwas 
vorwärts neigen, doch nie die Tischkante berühren. Der linke Arm 
bildet die Stütze des Körpers und liegt so auf dem Tisch, dass seine 
Hand das Heft festhalten kann. Der rechte Arm liegt zwischen Hand- 
gelenk und Ellbogen leise auf, sodass er beim Fortrücken nicht genötigt 
ist, sich zu erheben. Dies geschieht nur beim Schreiben grosser Schrift- 
züge, zu deren Ausführung die Handbewegung nicht ausreicht. Der Ober- 
arm hängt frei and natürlich am Körper herab und muss am Ellbogen- 
gelenk leise Fühlung mit dem Körper haben. Die Lage des Hefts muss 
sich immer nach dem rechten Arm richten, nie umgekehrt. (Die Schüler 
sind geneigt, nach jeder Zeile den Arm etwas zurückzuziehen, statt das 
Papier aufwärts zif- schieben.) Die Beine werden nicht übereinander ge- 
schlagen; die Füsse sind nebeneinander gestellt. Bemerkt der Lehrer 
eine Beugung des Eückgrats, so hat er zu beurteilen, ob das aus Nach- 
lässigkeit oder Ermüdung der Eückeumuskeln geschieht. In letzterm 
Falle (welcher besonders bei kleinern Schülern öfter eintritt), ist den 
Schülern genügende Erholung (Anlehnung) zu gewähren. 

6. Das Handgelenk, der Ballen und die Handwurzel 
müssen unter allen Umständen stets frei sein, d. h. sie dürfen nie fest 
aufs Papier gelegt werden; die Hand stützt sich nur auf die Spitze der 
Feder und den vierten und fünften Finger. Diese Finger werden etwas 
gegen die innere Fläche der Hand gebogen, so dass die Nägel beider 
(oder auch nur der Nagel des kleinen) das Papier berühren. Sie dürfen 
beim Schreiben nie ruhen und festliegen, sondern müssen bei der Finger- 
bewegung eine gerade Linie ziehen, bei der Hand- und Armbewegung 
den zu schreibenden Buchstaben aber mitschreiben.'*') 

Die Hand darf nicht auf ihrer hohen Kante stehen, sondern muss, 
nach links gewendet, ihre ganze Breite zeigen; die hohle Hand muss 
dem Papier zugewandt sein; der Schüler darf nicht in die Höhlung 
derselben von oben hineinsehen können. 

Die Spitze des Federhalters ist nach der rechten Schulter 
gerichtet und darf nicht aus dieser Richtung gehen. Angefasst wird 
der Halter mit den drei ersten Fingern der rechten Hand; Zeigefinger 
und Mittelfinger liegen dabei sanft aneinander; sie bewegen sich stets 
gemeinsam, wie ein Körper. Der Daumen berührt mit der rechten 
Seite seines Endgliedes ganz nahe dem Nagel die Feder und drückt 
sie zwischen die Spalte der beiden aneinander liegenden Finger; er er- 
hält eine etwas grössere Krümmung als jene Finger, die nur unbedeutend 
gewölbt sind. (Durch Ausstrecken werden Aufstriche, durch Zusammen- 
ziehen Abstriche gebildet.) Am Zeigefinger reicht der Federhalter bis 



*) Vergl. hierzu: Lobsien, Ober Schreiben und Schreibübungen. 

Das zweite Schuljahr. 9 



]^30 ^^B zweite Schaljahr 

zur Mitte des ersten Gliedes hinanf; er darf also nicht im Handwinkel 
(hinter dem Knöchel) liegen. 

An diese Haltung muss der Schüler gleich von dem 
Tage an gewöhnt werden, an welchem er znm ersten 
Male den Griffel in die Hand bekommt. Eine richtige 
Haltung ist sicher leichter (weil natürlicher) als eine falsche. Erschwert 
wird sie durch unzweckmässige Subsellien, zu kurze Griffel und Über- 
anstrengung. Der Elementarlehrer hat darauf besonders zu achten ; denn 
er ist für eine richtige Haltung in erster Linie verantwortlich. So lange 
sie nicht „zur zweiten Natur" geworden ist, hat der Lehrer die Haltung 
immer wieder zu zeigen und förmlich einzuexerzieren. Findet er bei 
Schülern, die bereits schreiben, falsche Körper- und Federhaltung vor, 
so hat er diese erst gründlich auszurotten und deshalb die ersten Schreib- 
stunden lediglich darauf zu verwenden.*) Ein Lehrer aber, welcher er- 
klärt, er könne eine richtige Haltung nicht durchsetzen, hat sich damit 
sein urteil gesprochen. Ist er nicht der alleinige Lehrer einer Klasse, 
80 muss ganz entschieden verlangt werden, dass alle Lehrer, die etwas 
schreiben lassen, auch auf richtige Haltung sehen. * Der Schreiblehrer 
allein erzwingt in seinen paar Stunden die richtige Haltung nicht. 

Zur Erlangung und Beförderung der notwendigen Beweglichkeit, 
Freiheit und Kraft der Schreibglieder sind, besonders von Garstair s 
und seinen Nachfolgern, besondere Übungen veranstaltet worden. Sie 
eignen sich allerdings mehr für Erwachsene, die ihre schlechte Handschrift 
verbessern wollen, als für Kinder, die erst das Schreiben zu erlernen haben ; 
doch ist auch bei ihnen eine massige Anwendung geeigneter Übungen 
ganz förderlich. Di et lein empfiehlt a) Reine Fingerbewegungen mit 
feststehender Hand. (Beugt! streckt! oder auf! ab!) b) Beine Finger- 
bewegungen mit steter Fortbewegung des Arms und der Hand. (Bei den 
Aufstrichen gehen Arm und Hand fort, doch darf im* Handgelenk keine 
Bewegung stattfinden; bei den Abstrichen ruht die Hand. Taktiert wird: 
fort! ab!) c) Das stete Verbinden der Buchstaben zur Bildung der Arm- 
fortbewegung. (Wagrechte und senkrecht absteigende Verbindungsweise 
der Buchstaben.) d) Das Grossschreiben der einzuübenden Buchstaben. 
e) Das Üben der Grundzüge. (Das Weitere muss in Dietleins „Weg- 
weiser^, dem wir in unserm Schreibunterricht vielfach gefolgt sind, nach- 
gesehen werden.) 

Um eine gute Haltung der Schreibschüler, d. i. eine solche, bei 
welcher die Querachse des aufrechten Bumpfs und der beiden Augen 
parallel mit dem Tischrand steht, leicht zu erzielen, ist man in neuerer 
Zeit wieder vielfach zu der altern Schriftrichtung, zur sog. Steil- 
Bchrift zurückgekehrt. Beim Schreiben liegt dann das Heft nicht 



*) Der berühmte englische Schreiblehrer Carstairs gebrauchte ein 
äusserliches Zwangsmittel, die Ligatur, d. i. eine Fesselung der schreiben- 
den Hand, resp. der drei ersten Schreibfinger, mittelst eines Bandes. Der 
vierte und fünfte Finger wurden durch ein anderes Band gefesselt Und 
unter die Hand gezogen. Zu Anfang des Unterrichts liess er auch noch 
den Oberkörper an die Stuhllehne festbinden, um eine gerade Haltung 
des Körpers zu erzielen. 



Das Schönschreiben 131 

recht 8 vom Rumpf, sondern mitten vor demselben nnd parallel mit dem 
Tischrand (gerade Mittenlage). Man rühmt der senkrechten Steilschrift 
„gesundheitliche und pädagogische" Vorzüge nach."**) 

A. Gesundheitliche: 1. Steilschrift verhindert und bessert die Kurz- 
Bichtigkeit. Zwangloses Sehen iat nur möglich bei gerader Mittenlage 
des Hefts und bei senkrechten Grundstrichen. 

2. Bei gerader Mittenlage des Hefts stehen beide Augen in gleich- 
M^iter Entfernung von der Schrift; die Grundlinie der Augen (die 
Verbindungslinie der beiden Augenmittelpunkte) steht parallel zu den 
Zeilen. 

3. Stellschrift ist die Voraussetzung für die normale Einstellung der 
Wirbelsäule; sie verhindert die Verengerung des Rumpfraumes und somit 
schädliche Druckwirkungen auf die Eingeweide; sie sichert die Freiheit 
der Atembewegungen und die Möglichkeit einer ausgibigen Entfaltung 
der Längen. 

4. Die Schreibband befindet sich in naturgemässer Lage. Abnorme 
Ermüdung der Hand oder des Arms tritt nicht ein. Steilschrift ist ein 
Mittel gegen Schreibkrampf. 

B. Pädagogische: 1. Dauernd gute Haltung wird bei schräg- 
tMshreibenden Kindern auch durch die beste Disziplin nicht erreicht. Bei 
fiteilschreibenden sind Mahnungen zur Geradebaltung sehr selten geboten. 
Man hat nur nötig, die Ursache ungenügender Sitzweise zu monieren. 

2. An «Steilschrif t gewöhnte Kinder bewahren auch daheim den 
^raden Sitz. 

3. Beim Rechenunterricht werden die Ziffern der Steilschreiber all- 
zeit ihrem Werte nach an die richtige Stelle geschrieben. 

4. Die Steilschriftformen sind für den ersten Unterricht leichter als 
die schrägen. 

5. Die nach den Regeln der Steilschrift Schreibenden können 
mfihelos das Abweichen der Feder von der vorgezeichneten Linie über- 
wachen. 

6. Die korrekte Haltung steilschreibender Kinder macht aiif jeden 
Besucher der Klasse den besten Eindruck. 

7. Senkrechte Schriftzüge sind durchsichtiger, deutlicher und leser- 
licher als schräge. 

8. Die Steilschrift spart an Raum, da sie eine Kürzung der Buch- 
staben gestattet. 

9. Infolge der natürlichen Heft-, wie Körper-, Arm- und Feder- 
faaltnng sind die Schreibhefte besser rein zu halten. 

10. Das andauernde Geradesitzen der Schüler, wie die Einfachheit 
4er Formen erleichtert die Beaufsichtigung und Verbesserung seitens des 
Lehrers. Aus der Schriftlage kann der Lehrer erkennen, ob das Kind 
CQ Hause eine schlechte Haltung einnahm. 

Gegen die Einführung der sog. Steiischrift werden hauptsächlich 
folgende Gründe geltend gemacht: 1. Zur Kurzsichtigkeit und Ver- 



*) S. Bückert, Über Wesen nnd Ziele der senkrechten Steilschrift. 
•Seite 5 u, f. 

9* 



132 I>a« zweite Schuljahr 

krümmoDg: der Wirbelsäale hat der Schreibanterricht höchstens zam 
kleinen Teil heigetragen. Dorfkinder, die in der Schule viel mehr 
schreiben als Stadtkinder (Stille Beschäftigung !) zeigen beide Fehler nicht 
oder nor in sehr geringem Grade. Die Hauptschuld trägt das stunden- 
und tagelange Bücken bei Handarbeiten, schlechte Sitze und schlechte 
Beleuchtung. 

2. Die Steilschrift kann nur langsam ausgeführt werden (s. Eond- 
schrift!) und entspricht nicht der natürlichen Bewegung d^r 
Hand und des Arms. „Die einfachste Bewegung, um auf einer 
Zeile fort zu schreiben, besteht in der Rückwärtsbeugung (Streckung) 
der Hand; da dies nur wenig ausgibt, folgt ihr alsbald eine Eotation 
des Arms im Schnltergelenke ; der auf der Tischkante aufliegende Teil 
des Vorderarms bildet dabei einen festen Punkt, den Mittelpunkt einer 
kreisförmigen Bewegung der Hand mit der Federspitze. Wenn man 
versucht, auf diese Art mit aufrechter Schrift die Zeilen parallel zur 
Querachse des Körpers, zu schreiben, findet man, dass man bergan schreibt. 
Um auf der Zeile zu bleiben, muss man den Ellbogen in demselben Masse 
nach hinten und rechts ziehen, als man auf der Zeile vorschreitet £s 
geschieht dies durch eine Eeiiie kleiner, ruckweiser Bewegungen des Ell- 
bogens nach rechts.*) 

Anders bei der schrägen Schrift, wenn sie unter den oben genannten 
Bedingungen geschrieben wird. Da fällt die Richtung der schräg auf- 
steigenden Zeilen ungefähr mit der Tangente des Kreisbogens zusammen, 
welchen die Federspitze beschreibt, wenn der Arm im Schultergelenk 
nach aussen gerollt wird. Es fällt daher die zurückziehende Bewegung 
des Arms weg, und es bleibt nur noch die Rotation im Schultergelenk. 
Von dieser genügt ein sehr geringes Mass, da durch den langen Hebel- 
arm, welchen der Vorderarm darstellt, die Exkursionen sehr ausgiebig 
ausfallen. Damit diese Bewegungen gut ausgeführt werden können, ist 
eine leichte Neigung der Tischplatte erforderlich." (Dr. Fuchs, Ursachen 
und Verhütung der Blindheit. S. 58 und 59.) 

Fär uns steht vorläufig folgendes fest: „Mit Rücksicht auf die Gesund- 
erhaltung des Schülers ist zu fordern, dass derselbe so sitze, dass Kopf 
und Körper gerade aufgerichtet und dem Tischrand parallel sind. Eine 
solche Haltung kann beim Schreiben offenbar nur dann eingehalten werden» 
wenn so geschrieben wird, dass die Grundstriche senkrecht 
zum Rande des Tisches stehen. In der überwiegenden Mehrzahl 
visieren die Augen während des Schreibens auf die Grundstriche, d. h. 
sie folgen bei der Ausführung dieser Striche beständig der Spitze der 
Feder. Bei den Haarstrichen wird bloss der zu erreichende Endpunkt fixiert 



*) Man überzeugt sich leicht von der Richtigkeit des Gesagten», 
wenn man (mit Bleistift) eine Reihe Zeilen abwechselnd mit aufrechter 
und mit schräger Schrift beschreibt, am besten mit denselben Worten. 
So oft man gezwungen ist, den Vorderarm durch einen Ruck zu ver- 
schieben, notiere mau die Unterbrechung durch einen senkrechten Strich 
an der betreffenden Stelle der Zeile: man wird sehen, wie viel mehr 
solcher Striche die aufrecht geschriebenen Zeilen tragen als die schräg;, 
geschriebenen, besonders wenn man etwas längere Zeilen wählt. 



Das Schönschreiben 133 

Das Visieren anf die Grnndstricbe geschieht nun dermassen, dass 
der Schreibende die Grandlinie seiner Augen (d. h. die Verbindungslinie 
der beiden Angendrehpunkte) senkrecht anf die Richtung der Grundstriche 
stellt; er fuhrt die Grundstriche also entlang dem vertikalen Meridiane 
seines binokularen Gesichtsfelds, 

Aus dem Gesagten folgt, dass die Haltung des Kopfs (und dadurch 
die des Körpers) unmittelbar abhängig ist von der Lage des Grund- 
strichs, und falls derselbe eine bestimmte Neigung zur Linie hat, von 
der Lage des Hefts. 

Die verlangte senkrechte Stellung der Grundstriche zum Rande des 
Tisches, kann auf zweierlei Weise erreicht werden: 

1. Durch senkrechte Schrift. Bei dieser liegt das Heft 
gerade vor dem Körper in der Mittellinie desselben, die Zeilen sind 
parallel dem Tischrande, die Grundstriche senkrecht zu den 
Zeilen. 

2. Die schräge Schrift gestattet eine aufrechte Kopf- und 
Körperhaltung, wenn sie unter folgenden Bedingungen ausgeführt wird: 

Das Heft liege vor der Mitte des Körpers, so dass die 
Zeilen von links unten nach rechts oben in einer Neigung von 30 — 40 ^ 
bergan steigen. Die richtige Neigung ist dann vorhanden, wenn die 
ausgeführten Grundstriche senkrecht zum Tischrande stehen. 
Wenn man ein auf diese Weise beschriebenes Blatt dann gerade vor 
sich hinlegt, steht die Schrift schräg, d. h. die Grundstriche bilden mit 
der Zeile einen Winkel von ungefähr 50^. Schräge Schrift ist also 
nichts anders als aufrechte Schrift, geschrieben bei schrägliegendem 
Hefte. 

Unter allen andern Bedingungen muss die schräge Schrift not- 
wendigerweise eine schiefe Kopf- und Körperhaltung nach sich ziehen. 
Dies ist z. B. in allen jenen (zahlreichen) Schulen der Fall, wo vom 
Schüler verlangt wird, dass er bei schräger Schrift „dass Heft gerade 
vor sich hinlege**. (Dr. Fuchs a. a. 0.) 

Die Tatsache, dass die sog. Steilschrift nicht der natürlichen Be- 
wegung der Hand und des Armes entspricht, sobald längere Zeilen 
geschrieben werden sollen, dass dann vielmehr „die Hand in sich selbst 
verkürzt und der Unterarm ruckweise fortbewegt werden muss", ist ein 
sehr starkes Hindernis für ihre allgemeine Einführung. Man kann das 
Hindernis nicht ableugnen; denn die Verfechter der Steilschrift verlangen 
selbst, dass man beim Schreiben einer Zeile dreimal mit dem Arm fort- 
rücken solle. Um das beim Schnellschreiben sehr störende Fortrjicken 
CQ umgehen, schlägt man vor, die Zeilen kleiner — etwa wie auf kleines 
Briefbogenformat — zu nehmen, ein Vorschlag, der wieder andere Nach- 
teile im Gefolge hat. 

Seit man viel und schnell schreibt, hat sich die schiefstehende 
Schrift Bahn gebrochen. Im Mittelalter schrieb man nicht schnell, 
sondern malte Buchstaben für Buchstaben, da war deren senkrechte 
Stellung die richtige. Vielleicht muss man zur Jetztzeit doch an dem Mittel- 
weg: schräge Schrift bei schiefer Mittenlage des Hefts, festhalten. 

Auf einen Punkt sei noch hingewiesen: Schlechte Haltung ist viel- 



134 ^A'S zweite Schuljahr 

fach eine ErmädangserBcheinang. Man mache sich deshalb endlich von 
dem Vomrteil frei, der Schreibnnterricht strenge die Kinder sehr wenig 
an nnd sei deshalb anf die letzten Schulstunden zu verlegen. Kann es 
wnnder nehmen, wenn die ermüdeten Schüler sich dann nicht mehr stramm 
aufrecht halten wollen? Wir meinen, dass „Erzählstnnden^ nach den 
Schreibstunden angezeigter wären als vor denselben. 

Zum Schluss noch einige Worte über Probeschriften. 

Wie in andern Lehrgegenständen von Zeit zu Zeit eine Prüfung 
nötig ist, so auch im Schreibunterricht. Sie ist wichtig für Lehrer und 
Schüler ; beide haben in den Probeschriften ein Dokument für die gemachten 
Fortschritte. Nur müssen es auch wirkliche Probeschriften sein, die unter 
denselben umständen und in derselben Zeit, in der für gewöhnlich eine 
Seite geschrieben wird, ausgeführt sind. Man wird mit Anfertigung der- 
selben aach nicht warten bis zum jährlichen öffentlichen Examen, wie es 
vielfach geschieht. Wir teilen vollständig die Ansicht von Hey (a. a. 
0. S. 118): „Es mögen am Schiasse eines jeden Vierteljahres Probe- 
schriften angefertigt werden, die dem Lehrer nnd den Schülern zur Kon- 
trolle der Leistungen dienen. Am besten geschieht dies wohl in einem 
besondern Hefte, das nicht zu schwach sein darf (und mit der jeweiligen 
Liniatur verseben ist), um wo möglich mit dem Schüler die Klassen zu 
durchwandern nnd so ein übersichtliches Bild des stufenweisen Fort- 
schreitens in der Schreibfertigkeit zu bieten. Solche Hefte, die natürlich 
sehr sauber gehalten werden müssen, sind von dem Lehrer im Klassen- 
schranke aufzubewahren und bei Eevision oder öffentlichen Prüfungen 
vorzulegen.'* 

3. Ein Unterrichtsbeispiel 

Ziel: Wir wollen heute das a und Wörter mit dem n 
schreiben.*) 

Gebt solche Wörter an! 

Welche Wörter habt ihr in der letzten Schreibstnnde geschrieben? 
(Es sind Wörter mit 0.) 

Warum habe ich wohl nach den Wörtern mit o gefragt? 

Sagt, aus welchen Teilen das o besteht! 

Könnt ihr auch die Teile (Grandzüge) des a schon nennen? 

Könnt ihr auch schon sagen, wie ein richtiges a aussehen mnss? 

(Es wird manchem Schüler zweifelhaft sein, ob der letzte Grundzug 
ein linker Seitenbogen oder ein Abstrich ist. Ebenso wird nicht genau 
angegeben werden, wie sich derselbe zur ersten Hälfte des Buchstabena 
verhält.) 

Das müssen wir also noch genauer kennen lernen. 



*) Es sind die im deutschen Unterricht systematisierten Wörter ge- 
meint. Nötig ist nichtj dass dieselben unmittelbar vorher behandelt worden 
sind, wenn die Schüler ein orthographisches Systemheft haben. Nach 
diesem wird sich der Schreiblehrer überhaupt bei der Auswahl des Schreib- 
stoffs für die 5. Stufe vorwiegend richten. 



Das Schönschreiben 135 

2. Stufe. Der Lehrer schreibt das a an die Wandtafel. 

Gebt die Teile (Grundzüge) vom a an l (Der Lehrer schreibt sie, so 
ime sie genannt werden, unter den Buchstaben.) 

Ist ein Teil dabei, den ihr noch nicht geübt habt? 

Wir haben also nur die Verbindung der Teile näher 
zu betrachten. Etwas davon kennt ihr auch schon ! (Die Verbindung 
vom ersten Seitenbogen und linken Schleifenpunkt ist dieselbe wie 
beim o.) 

Wir wollen die beiden Teile*) des a schreiben (auch ins Schreib- 
heft), damit ich sehe, ob ihr sie richtig schreibt (o und linker Seiten- 
bogen werden getrennt neben einander gescb rieben). 

Der Buchstabe wird jetzt, wenn der Lehrer zwei Wandtafeln zur 
Verfügung hat, ins Liniennetz geschrieben (oder der Lehrer zieht die 
beiden Grundlinien an denselben). 

Wie hoch ist der zweite Seitenbogen? 

Welche Lage hat er? 

Wie hoch reicht der Nachstrich vom Schleifenpunkt? 

Wie ist der zweite Seitenbogen mit dem Schleifenpunkt verbunden ? 

Er darf den Nachstrich des Schleifen punkts nicht gleich an der 
obem Grundlinie, sondern erst in gleicher Höhe mit dem Schleifenpunkt 
verlassen, sonst wird das a zu breit. (Die falsche Form wird ange- 
schrieben, aber sofort wieder weggewischt.) Merkt noch: Der zweite 
Seitenbogen darf auch nicht zu nahe an den Aufstrich zum Schleifen- 
pnnkt herankommen oder gar mit ihm zasammenfliessen. Wie weit steht 
der zweite Seitenbogen vom Aufstrich des o entfernt? 

Nun schreibt das a mit dem Zeigefinger in der Luft, wie ich es 
mit dem Stab überfahre! 

• Schreibt auch mit dem Federhalter in die Luft! 

Jetzt gebt an, wie beim Schreiben des a zu verfahren ist! (Wenn 
ich das a schreiben will, so verfahre ich zunächst wie beim o ; den Nach- 
strich des linken Schleifenpunkts ziehe ich bis zur obern Grundlinie und 
füge noch einen linken Seitenbogen an. Dabei gehe ich im Nachstrich 
des Schleifenpunkts zurück bis in gleiche Höhe mit dem Schleifenpunkt, 
gebe dem zweiten Seitenbogen dieselbe Lage wie dem ersten und sehe 
darauf, dass ich nicht zu nahe an den Aufstrich des Schleifenpunkts 
komme. — Diese Beschreibung erfolgt erst von den bessern Schülern, 
dann von den schwächern ; erst bei unmittelbarer Anschauung, dann ohne 
dieselbe.) 

3. Stufe. Welche (von den bereits geübten) Buchstaben haben auch 
einen linken Seitenbogen? (£), SÜ^ c, o.) 

Wodurch unterscheiden sie sich vom a? 

Wie viel Taktteile hat das c? das o? das ^? das a? 

Mit welchen Buchstabenverbindungen (die ebenfalls geschrieben 



*) Alle Elemente des Buchstabens werden nicht einzeln geübt. Die 
bereits verbanden geübten, hier also: kurzer Aufstrich, linker Seitenbogen, 
linker Schleifenpunkt, bilden einen Teil des neuen Buchstabens. Nur 
wenn sich Unklarheiten herausstellen, geht man bis zu den letzten Ele- 
menten zurück. 



136 ^^^ zweite Schuljahr 

worden sind) könnte das o verwechselt werden? (oc, oi.) Vergleicht 
auch om und an; o% od), a[)\ 

4. Stufe. Nun geht die Hauptteile vom a an und heschreibt 
es kurz. 

(Die Hauptteile des a [Taktteile, Grundztige] sind: linker Seiten- 
bogen, linker Schleifenpunkt und linker Seitenbogen. Deshalb zählen wir 
beim Schreiben des a 1, 2, 3. Die beiden Seitenbogen und der Schleifen- 
punkt müssen gleiche Höhe haben; der nach rechts gebogene Aufstrich 
und der zweite Seitenbogen dürfen sich nicht berühren. 

Man darf nicht schreiben n wie 0c, an nicht wie 0||t, (tff nicht 
wie oä^,) 

5. Stufe. Nun wollen wir das a schreiben. (An die Wandtafel 
wird eine ganze Zeile q geschrieben.) 

Schreibsitz ! Nehmt die Federn ! 

Arm vor! Wir schreiben erst wieder in die Luft! 

Ich zähle. Schreibt mit mir a! (Luftschreiben! Der Lehrer tiber- 
fährt dabei mit dem Zeigestabe die Buchstaben, die Schüler haben die 
Federspitze auf dieselben gerichtet. — Gezählt wird beim a: auf, 1, 2, 3, 
1, 2, 3 usw. Das Wörtchen „auf" oder „fort" wird nur beim ersten 
Buchstaben einer Verbindung oder eines Wortes gesagt.) 

Arm ab! 

Federn weg! 

Schlagt die Hefte auf! 

Wohin ist das a im Heft zu schreiben ? (Zwischen die beiden Grund* 
linien.) 

Wie viele a kommen auf die Linie? (Zwischen je zwei Eichtungs- 
linien ein Buchstabe. Das a steht nicht an der Richtungslinie.) 

Nehmt die Federn! 

Taucht ein! 

Schreibt die erste Zeile a! (Ohne Zählen.) (Wer fertig ist, legt die 
Feder hin, Hände zusammen. Der Lehrer geht rasch durch die Bänke 
und mustert die Schrift. Sind Fehler vorhanden, so wird zunächst der 
schwerste korrigiert. Ein Schüler hat z. B. einen Abstrich statt des 
linken Seitenbogens geschrieben) : Achtung I Ein Schüler hat das a so 
geschrieben. (Falsche Form wird angeschrieben.) 

Was ist falsch? 

Wie muss es sein? (Falsche Eorm wird verbessert.) 

N. (der Schüler, welcher den Fehler gemacht hatte) gibt noch ein« 
mal an, aus welchen Teilen das a besteht. 

Welcher Strich kommt dabei gar nicht vor? (Der verbesserte Bach« 
fitabe wird weggewischt.) 

Schreibt die zweite Zeile! 

Es wird nachgesehen, ob die Schüler, welche den ersten Fehler ge- 
macht hatten, denselben in der zweiten Zeile vermieden haben. Dann 
wird ein zweiter Fehler verbessert. 

Sobald die Form der Buchstaben die richtige ist, folgt 

Taktschreiben. Sitzt richtig! 

Nehmt die Federn ! 



Das Schönschreiben 137 

Taucht ein! 

Setzt an ! 

Ich zähle: auf 1, 2, 3 ; auf 1, 2, 3 und so fort. (Statt der Be- 
fehle mit Worten gebraucht man auch bestimmte Zeichen.) 

Nun schreiben wir eine Zeile miteinander verbundene 'a ! (Auf 
1, 2, 3, 1, 2, 3, 1, 2, 3 . . .) 

Einzelne Schüler zählen. 

Die Schüler einer Bank (Abteilung) zählen. 

(Während des Taktschreibens behält der Lehrer seinen Stand am 
Tischei damit er alle Schüler sehen ksmn. Sobald Schüler ausser Takt 
schreiben, wird Halt! gerufen.) — Nachdem einige Zeilen geschrieben 
sind, wird eine Pause gemacht, während welcher der Lehrer die Hefte 
rasch durchsieht. 

Ist einige Fertigkeit im Schreiben des a erzielt worden, so folgen 
Verbindungen des a mit bereits geübten Buchstaben, z. B. an, am, man, 
samt, satt, dann usw. (Bei spätem Wiederholungskursen ist mehr Frei- 
heit in der Auswahl der Wörter gestattet.) 

Diese Wörtchen können auch aus dem Kopfe geschrieben werden ; 
dann sind sie vorher zu buchstabieren, auch wenn sie schon im deutschen 
Unterricht behandelt, bezüglich systematisiert worden sind. Für das 
Taktschreiben ist die Zählweise anzugeben. Welchen* Baum ein Wort 
einnehmen soll, wird ebenfalls bestimmt. Bei kleinern Schülern schreibt 
man sie erst an die Wandtafel, damit besonders die Entfernungen der 
Buchstaben von einander gesehen werden. 



B. Naturkundliche Fächer 



I. Naturkunde 

Literatur : S i g i s m u n d , Die Familie als Schale der Natut. Leipzig^ 
Keil 1857. ~ Ziller-Bergner. M aterialien zur speziellen Pädagogik. 
Des Leipziger Seminarbucha 3. Aufl. 1886. — Stoy, Über Heimatkunde. 

— Bartholomäi, Heimatkunde der Märchenstufe. Jahrbuch d. Vereina 
f. w. P. 5 und 7. — Derselbe, Materialien für den Unterricht in der 
Heimatkunde. Allg. Schulzeitung 1876. — P i n g e r , Heimatkunde. — 
Muthesius, Über die Stellung der Heimatkunde im Lehrplan. Weimar 
1890. — Beyer, Die Naturwissenschaften in der Erziehungsschale. 
Leipzig, Reichardts Verlag 1885. — Derselbe, Die Naturwissenschaften^ 
in der Erziehungsschule. In Reins Päd. Studien, 2. Heft 1883. — Winzer^ 
Ist die Heimatkunde ein selbständiger Unterrichtsgegenstand? In Reins 
pädag. Studien, 2. Heft 1883. — Junge, Der Dorfteich, Kiel 1885. — 
Fuchs, Robinson als Stoff eines erziehenden Unterrichts. Jena 1893. — 
Derselbe, Die Grossstadt und ihr Verkehr. Kulturkundliche und ethische- 
Anschauungsstoffe. Warneck-Berlin. — Männel, Versuch eines Lehr- 
planes für den naturkundlichen Unterricht. In Rein, Aus dem pädag^ 
Universitäts-Seminar zu Jena, zweites Heft. Langensalza 1890. — 
Scholz, Heimatkunde in Reins päd. Enzyklopädie. — Derselbe, Heiniat- 
kunde und Heimatleben. In Rein, Deutsche Erziehung, München, Leh- 
mann 1907. — Henkler, Der Lehrplan für den Unterricht in der Natur- 
kunde. Leipzig, Teubner 1906. — Scharrelmann, Herzhafter Unter- 
richt, Hamburg 1902 bei Janssen. — Derselbe, Fröhliche Kinder. 
Hamburg 1907. Janssen. — Gansberg, Plauder stunden, Schilderungen 
für den ersten Unterricht, Leipzig bei Hofmann 1902. — Derselbe, Kind 
und Umwelt, in Das Buch vom Kinde von Adele Schreiber, Leipzig 1907,. 
Teubner. — Vosgerau, Kind und Natur, ebendaselbst. — Kerschen- 
steiner, Produktive Arbeit und ihr Erziehungswert, ebendaselbst. — 
Tögel, Didaktik und Wirklichkeit, Dresden 1907. Bleyl und Kaemmerer. 

— Rein, Päd. Enzyklopädie: Die Artikel über Naturkunde, Handarbeit^ 
Schulgarten. — Rein, Erstes Schuljahr: Die zum Artikel Naturkunde 
angegebene Literatur. 

I. Aufgabe und Bedeutung der Naturkunde 

Die Naturkunde ist uns im zweiten ebenso wie im ersten Schul- 
jahre „allgemeine Heimatkunde". Diese Bezeichnung möchten wir, weil 
sie die Sache besser trifft, für „die Naturkunde der Heimat^ gesetzt 
wissen. Zur allgemeinen Heimatkunde rechnen wir Naturgeschich tliches^ 



Naturkuude 139 

Physikalisches, Geographisches, Geschichtliches, Astrouomisches, Toohuo« 
logisches, kurz gesagt: Natur- und Knlturkundliches. 

Der alte Anschauungsunterricht und die rein geographische Heimat- 
konde werden in den Begriff der „allgemeinen Heimatkunde** eiuhezogen 
und nicht als seihständige Unterrichtsfächer anerkannt. Die Gründe 
dafür siehe: Scholz, Artikel Heimatkunde, in Beins Päd. Enzyklopädie und 
Rein: „Erstes Schuljahr«, 7. Aufl. S. 352 f.*) 

Im allgemeinen fällt der Naturkunde im zweiten Schuljahre auch 
die im „Ersten Schuljahr'* formulierte Aufgabe zu, die durch die tägliche 
Erfahrung an den Dingen der äusseren Natur und Kultur sich von selbst 
ansammelnden, heimatlichen Sinnesvorstellungen durch wohlgeordnete unter- 



♦) Vergl. Tögel, Didaktik und Wirklichkeit. Bleyl und Kaeunnerer, 
Dresden S. 108 f. Es muss befremden, dass der Verfaäser gegnn die 
Stellnngnahme Zillers und seiner Schüler polemisiert, da sich seine An- 
schauangen mit denen der Zillerschen 8chule in den wesontlicIiHten 
Punkten: der Bedeutung der Heimat und deren Verwertung für die goisti^o 
Entwicklang der Jugend und somit des Volkes, geradezu decken. Ho- 
tonten Ziller und seine Schüler ursprünglich auch schärfer die prinzipiollu 
Bedeutung der heimatkundlichen Voröteliungen als Grundlage für all» 
Fächer auf allen Altersstufen, so taten sie das im Gegensatz asu dnr 
einseitigen Auffassung der Heimatkunde als Fach, als geogranhiHuhuH 
Fach nämlich. Denn das war die Heimatkunde bis dahin tatMächlich, ein 
Vorhof der Geographie. Die gelegentlichen Hinweise, wie z. B. der auf 
einen Satz Fingers, können daran nichts ändern. 

Dass der erste Unterricht nur heimatlichen Charakter tragen kann, 
wie es vom Verfasser gefordert wird, spricht z. B. der Artikel „Heimat- 
kunde^ in Reins Enzyklopädie ganz klar aus. „Ein anderer aU heimat- 
kundlicher Unterricht ist bei Beginn der Schulzeit den Kinde» pHycho- 
logisch nicht denkbar*^, heisst es dort. E? wird dieser ernte Unterricht 
^allgemeine Heimatkunde* genannt zur Unterscheidung z. B, von der 
besondem „ geographischen Heimatkunde^, die ah geschloM^ieneH Kach auf- 
tritt. Ob man die allgemeine Heimatkunde auch ein „Fach^ nennt, dürfte 
an der Sache nichts ändern. 

Wichtig dagegen ist, dass Tögel '^S. 116j von einem neiien G«»i< lität- 
punkte aus, von dem der „WirklicLkeii" im kindlichen Seelenleben, zur 
vollen Anerkennung der Zillerschen AaffasHung gelangt, wonucli di<4 
Heimatkunde die ganze Schuizeit über Unterricht^prinzit/ bleiben mnan, 
Dass Tögel von andern Erwägungen au« und a-jcb, wie e« »cbeint, ohne 
die in dem genannten Artikel der KnzykJojyädie vertretene An»jcbauung 
gekannt zu haben, — die reichen Liieraturangaben n<rnneij den Artikel 
nicht — zu demselben Ergebniis kommt- «pricht entschieden inr *ii*i ^üfAt- 
tigkeit der Zillerschen AuffaösuLg. 

Gesichtspunkte für die Ausvtahl d*;? ungemein rei':bballi;.^en Ht/yJües 
des ^HeimatucterricLts- ^dec AuJsdmck p-äj^t T6gel neu> w«-rlen vom 
Verfasser leider nicht genannt, nnd doc!j kommt >o viel auf iie*e an. 
Vielleicht liegen hier DlfiereLzpuiiit*,e vor: do';b J&hut nicb da» ni';bt olutt 
weiteres festste llen. 

Nicht zu ereeben itt a^-I. o'-, de/ Äuiidr';';k ^iif/.is.'4rk*jn'lir duM;b 
„HeimatODterncht' ersetzt vi-erJ«^^ to^.V Bei'ie neoen *riuitih'i*it wyr'itfU 
Verwirrung schaffen- Der erkt^tre :tt zu fett e.n;^eb'w;^<./' ^nd wifi tu d*r 
breiten Praxis weiter alt jeii. i$eogi*pK-it'.^e Uf.ss.it\tiuti'i*s aufj^ett^nt 
werden. 

Daher ziehen wir vor. der. »:rt\*:Lt ^!:A*:fi '.*.;.* a.»-, .*.,i^«;//;e./,«; He^nfc*. 
künde*' zu bezeicLren. L*rr i.<:-,e /-^t'::-j',>c ^Hei// fe»'^/^*«-//;'':/.'' jr* t-zj 
sprechend und verdiei.: Bev: l • •: :, '/ , ?. ', %*l 'J . f.u. '. f. .'- a^ ♦. , . vh *: A '. j< • eij/ •. fj/^ 
gegeben worden i^t. 



140 ^ÄS zweite Schuljahr 

richtliche BeohachtüDgen zn vermehreD, sowie durch denkanregend 
Fragen zu ordnen, zu berichtigen nnd zu klären.*) 

Das Unterschiedliche und die Forderungen für das erste Schul 
jähr Ergänzende ist nicht in wesentlich grösserer Stofifmcnge zu snchei 
sondern in erweiterter Betrachtungsweise, wie sie der Natur der Sach 
als stoffeinheitlicher, heimatlicher Vorstellungsmassen mehr entspricht nn< 
der Entwicklungsstufe des Kindes angemessen ist. Das Hanptgewich 
ist dabei immer auf Anbahnung nnd Bildung klarer Anschauungen z 
legen ; denn die Anschauung ist nicht bloss das Fundament aller Erkennt 
nis, sie liefert sicher auch das beste Fundamentstück für die Entwicklnnj 
gesunden Gemüts- und Willenslebens. 

Vollkommene Anschauung besteht in sinnlich- allseitig scharfer nni 
vergleichender Beobachtung und Erfassung der Dinge und Geschehniss( 
Sie führt zu vollwertigen Vorstellungen und Vorstellungsverbindungei 

Vollwertigkeit der Vorstellungen ist aber bedingt durch sachlich 
Klarheit; lebhafte Gefnhlsbetonung und den Trieb zur Umsetzung de 
Vorstellungen in Handlungen, und diese Eigenschaften haften Vorzugs 
weise an den heimatlichen Vorstellungen. 

Die Heimat bietet den frischen, reizbegehrlichen Sinnen des Kinde 
die Dinge und Erscheinungen der Welt am unmittelbarsten dar, weil si 
die natürlichen Beziehungen und Zusammenhänge in voller Totalitä 
zeigte und dazu gestattet die Heimat dem Kinde, seinem natürliche] 
Drange nachzugehen und sich mit und in den Dingen und Erscheinungei 
auszuleben. Dadurch sammelt es Erfahrungen echter Wirklichkeit, au 
denen Erkenntnisse höherer Art entstehen, die sich ihrerseits zu dei 
ersten grundlegenden Innern Überzeugungen verdichten. Es ist daru 
zugleich ein Anfangsglied für richtiges ethisches Empfinden und Urteile] 
gegeben, denn in dem Streben nach Klarheit der Vorstellungen und nacl 
dem Grunde der Erscheinungen und Geschehnisse steckt eine Wurzel ffi 
Wahrheitsliebe, Gewissenhaftigkeit und Überzeugungstreue. 

So liefern die heimatlichen Vorstellungsmassen den festen Grun< 
für intellektuelles und teilweises ethisches Wachstum. 

Dasselbe gilt für das Gemüts- und Willcnsleben. 

Es ist bekannt, dass lebhafte Jugendeindrücke, gute nnd böse Er 
lebnisse, gemütliche llegungen aller Art erzeugen, die als konstituierend« 
Elemente der Gemütsbildung und Gemütsrichtung anzusprechen sind un< 
die das ganze Leben hindurch vorzuhalten vermögen, weil sie mit einen 
fest umrissenen heimatlichen Schauplatze assoziiert sind.*'"*') 

Der Wille endlich erhält vorzugsweise Anregung und Stärkung 
durch die natürliche Selbstbetätigung innerhalb der heimatlichen Vorstel 
lungsmassen. In Arbeit und Spiel erobert das Kind anscjiauliche unc 
leichter oder schwerer erreichbare Ziele, auf die sein Interesse und Be 
gehren sich von selbst richtet oder darauf eingestellt wird. Da lern' 
es Beharrlichkeit üben, die zum Ziele führt, und so werden klare Am 



*) S. 350. 
**) Vergl. Scholz, Heimatkunde und Heimatleben, in Rein, Deutsch« 
Erziehung, Bd. 1. München Lehmann 1907. 



Naturkunde 141 

schauoDg uiid Erkenntnis auch zam Weckangs- und Förderrungsmittel 
der Willensenergie and Willensansdaaer. 

£s ist somit der Vorstellungskreis der Heimat, den wir in der 
allgemeinen Heimatkunde bearbeiten, von grundlegender Bedeutung für 
den Auf- und Ausbau des gesamten Geisteslebens und besonders auch für 
die Charakterbildung. 

II. Auswahl und Anordnung des naturkundlichen StofTes 

Mehrere Gesichtspunkte und Rücksichtnahmen kommen dabei in 
Betracht. 

1. In erster Linie massgebend ist uns der Konzentrationsgedauke^ 
so dass die oberste Weisung zur Stofauswahl der Gesinnungsstoff gibt. 
Das geschieht im Einklänge mit der Psychologie. Denn: Das Kind, das 
sich mit ganzer Seele in die Yorstellungswelt des Eobinsonstofifes vertieft, 
hat das Streben nach echtem Wirklichkeitsempfinden und sacht deshalb 
Anregungen, die es vom Erzählstoffe erhält, weiter zu verfolgen durch 
Umsetzung in Handlungen. Normal- aktive Veranlagung begnügt sich 
nicht mit Phantasiegebilden an sich und hier mit Phantasiebildern über 
Robinson, der durch ernstes Nachdenken und harte Arbeit eine Fort- 
schrittsstufe nach der andern erreicht; aktive Veranlagung will vielmehr 
den Trieb nach vollem Wirklichkeitsempfinden durch Nachahmung vom 
Tun und Treiben des Robinsonhelden befriedigen. 

Offenbar kann diese Nachahmung nur auf dem Boden der Heimat 
und mit den Mitteln geschehen, wie sie heimatliche Natur und Kultur 
darbieten. Es treibt darum der Gesinnungsstoff das Kind mit lebendigem 
und vielseitigem Interesse unmittelbar in die heimatliche Natur und das 
ganze Heimatleben hinein; und es wäre gewiss eine pädagogisch-psycho* 
logische Kurzsichtigkeit, dieses Interesse nicht aufzugreifen und für den 
Unterricht nutzbar zu machen. 

Von diesem Interesse aus übernimmt der Konzentrationsgedanke die 
erste Führerrolle und wirkt regulierend und normierend auf die Stoff- 
auswahl ein. Durch ihn erfolgt die erste Durchsiebung der vorhandenen 
grossen Stoffmenge und lässt Material übrig, das sich dem Gedanken- 
kreise des Gesinnnngsstoffes eng anlehnt. Man erreicht damit eine ge- 
wisse Geschlossenheit der Vorstellungsmassen und arbeitet so auf die 
Einheitlichkeit des kindlichen Gedankenkreises hin. Einheit des Gedanken- 
kreises gehört aber zu den Hauptwesenszügen des erziehenden Unter- 
richts, sie bedingt Einheit des Bewusstseins und wertvolle Charakter- 
eigenschaften. 

Drei wertvolle Führerdienste, welche die Konzentration somit bei 
der Stoffauswahl leistet, sind nicht zu verkennen: 

a) Sie bewahrt davor, den obersten Erziehungszweck aus dem Auge 
zu verlieren, indem sie den Aufbau eines einheitlichen Ge<^ 
dankenkreises fordert und fördern hilft. 

b) Sie führt zu Stoffen, denen das Kind lebendiges, vom Gesinnungs- 
stoff angefachtes Interesse entgegenbringt. 

c) Sie erleichtert also in psychologisch-sachlicher Weise die Ent^ 
Scheidung über das Was und Wieviel des Lehrstoffes. 



142 ^As zweite Schuljahr 

2. Man darf aber den Konzentrationsgedanken nicht so eng fassen, 
dass er im naturkundlichen Unterrichte als allein herrschende Norm der 
Stofauswahl zu gelten hätte. Es hiesse doch das wichtige didaktische 
Prinzip veräusserlichen, wollte man für dasselbe bis in die Einzelheiten 
der Stoffauswahl und Behandlung absolutes Bestimmungsrecht bean« 
spruchen. Die Naturkunde wurde dadurch in eine „erdrückende Ab- 
hängigkeit vom Gesinnungsunterricht** kommen und damit vor allem un- 
gerechtfertigt starke Ausschaltung wichtiger Bildungselemente und frischer 
Bildungskraft erfahren. Die Konzentration richtet sich immer auf inner- 
lich verwandte und zusammenhängende Vorstellungs- und Gedanken- 
massen. Niemals darf sie so aufgefasst werden, dass man z. B. 
«agen kann : Hase^ Pferd und Kuh haben im naturkundlichen Unterrichte 
nichts zu suchen, weil der Bobinsonstofif nicht von ihnen handelt. Im 
Sinne innerer Konzentration handelt er wohl von diesen Tieren, einerlei 
dabei, ob sie mit Namen genannt werden oder nicht. Es ist doch so, 
dass es Robinson z. B. mit Jagd-, Schlacht-, Milch- und Zugtieren zu tun hat, 
und seine ganze Lebensgestaltong ist von einer bestimmten Zeit an in 
hohem Masse von diesen abhängig. Werden damit nicht Beziehungs- 
punkte zu des Kindes heimatlichen Verhältnissen geradezu handgreiflich 
gegeben, und richtet sich die kindliche Ideenassoziation nicht unaufhalt- 
sam, den Assoziationsgesetzen folgend, auf die Jagd-, Schlacht-, Milch- 
und Zugtiere der Heimat? Sicher ist es so, und darin liegt ein Wink 
für ein Stück gesunder Konzentration. Wir folgen dem Wink und ver- 
leiben dem Stoffplan auch Naturobjekte ein, auf welche sich die vom 
Gesinnungsstoffe angeregte Ideenassoziation naturnotwendig richten muss. 

8) Wenn wir das Kind im Anschluss an den Robinsonstoff durch 
Ausflüge in die Natur, durch Besuche von Werkstätten, durch Hand- 
fertigkeitsunterricht usw. in die echte Wirklichkeit heimatlichen Natur- 
und Menschenlebens tiefer einzuführen versuchen, so können wir auch 
an manchen Dingen und Erscheinungen nicht vorübergehen, die ebenfalls 
dem kindlichen Interesse nahe liegen, aber mit dem Robinsonstoff nur losen 
oder gar keinen Znsammenhang aufweisen. Wir besitzen auch hier ein 
psychologisches Recht, solche Dinge in massigem Umfange in den Unter- 
richt hereinzuziehen, denn was an anschaulichen Heimatstoffen dem kind- 
lichen Interesse und Verständnis entspricht, das liegt, wie auch Ziller* 
ausführt, der Konzentration nahe. 

Ausserdem darf man nicht verkennen, dass bei passender Gelegen- 
heit gemachte Beobachtungen und gegebene Belehrungen den Geist sehr 
günstig beeinflussen. Was der Unmittelbarkeit des Augenblicks entstammt, 
^eht meist mit grosser Leichtigkeit in Intellekt, Gemüt und Willen ein. 

4. Nicht unwesentlich wirkt auch der lokal-individuelle Charakter des 
heimatlichen Natur- und Menschenlebens auf die Stoffauswahl ein. Ein 
naturkundlicher Stoffplan für Jena mit seinem vielgestaltigen Landschafts- 
bilde und dem davon abhängenden Kulturleben muss ein anderes Gesicht 
haben, als z. B. ein Plan für eine Schule in der Mitte des Thftringer 
Waldes. Der Konzentrationsgedanke lässt sich aber dort wie hier durch- 
führen und behält innerhalb des individuellen Rahmens der Heimat seine 
volle Geltung. 



Naturkunde. 143 

5. Endlich können wir auch die unterricbtliche Betrachtungsweise 
der Lehr- und Lernstoffe nicht ausschliesslich nach den vom Gesinnnngs- 
Stoff kommenden Gesichtspunkten einrichten und durchfuhren. Es gibt 
ein sachliches Interesse, das von den Lehrobjekten selbst ausgeht. 
Dieses verlangt angemessene Berücksichtigung, und wir müssen deshalb 
gewisse Stoffe vielseitiger ausnutzen, als der Gesinnungsunterricht dazu 
direkte Anregung gibt. 

6. Für die Anordnung des Stoffes sind keine besondern Erwägungen 
und Weisungen nötig. Hier sind die Bichtlinien in der Aufeinander- 
folge der gesinnungsstofilichen Abschnitte oder methodischen Einheiten 
und in dem von den Jahreszeiten abhängigen Natur- und Menschenleben 
gegeben. (Eolissionen , die dabei leicht eintreten, lassen sich nicht 
generell beseitigen. Sie müssen nach Zeit- und lokalindividuellen Ver* 
hältnissen auszugleichen versucht werden.) 

Bemerken wollen wir nur, dass naturwissenschaftliche Systeme so 
gut wie keine Bolle spielen können weder bei der Auswahl noch bei 
der Anordnung des Stoffes. Das System zerreisst die Wirklichkeit des 
Lebens und kann deshalb dem noch in der vollen sinnlichen Anschauung 
wurzelnden Kindesgeiste der untern Schuljahre weiter nichts bringen, 
als langweilende Belästigung durch öden Verbalismus. 

III. Obersicht des StofTes 

Die Darchsicht der 32 Abschnitte unserer Bobinsonerzählung stösst 
auf einen grossen Beichtum von natur- und kulturkundlichen und geo* 
graphischen Stoffen im engeren Sinne. Es gilt nun, sich an der Hand 
der Bichtlinien, die wir vorangehend für die Stoffauswahl fixiert haben, 
auf das unterrichtlicb zu bewältigende Nächstliegende und Wichtigste 
zu beschränken. Das wird in dem zu erblicken sein, was die Heimat 
am besten und deutlichsten dem Eindesgeiste zuftihren kann. Stellen 
wir es in einer Gruppenübersicht zusammen.*) 

1. Zunächst wenden wir unsere Aufmerksamkeit den Gewässern der 
Heimat, der Saale, Leutra und Mühllache, zu. Denn wenn wir im Ge- 
sinnnngsnnterricht von der Elbe, von dem Meere usw. reden, fussen wir 
auf den in der Heimat gewonnenen Anschauungen. Die Saale muss die 
Begriffe Ufer, Hafen, Halbinsel, Insel vorbereiten, die darauf 
befindlichen Kähne müssen assoziative Vorstellungen zur Besprechung des 
Schiffes, welches uns nur im Modell und in Bildern vorliegt, liefern. Diese 
Stoffe würden die erste Gruppe des naturkundlichen Stoffes bilden. Sie 
würden der Bobinsonerzählung voraufgehen, damit diese bei dem Bericht 
über den Hafen, das Schiff Bobinsons usw. den nötigen und anschaulichen 
Untergrund in der Seele des Kindes vorfindet 

2. Bei unsern Spaziergängen nehmen wir zugleich Bücksicht auf 
Ebene, Tal, Berg, Fels und Abhang — denn diese Dinge kehren 
auf der Bobinson-Insel wieder. 

3. Im Wald sehen wir das Fällen und Behauen der Bäume. Diese 
Betrachtung führt uns zur Flösserei auf der Saale und auf den Zimmer- 



*) Als Heimat ist dabei Jena mit nächster Umgebung angenommen. 



144 '^*8 zweite Schuljahr 

platz. Letzterer mnss öfters besucht werden. Eobinsons erste und 
hauptsächlichste Tätigkeit ist die eines Zimmermanns, da es gilt, sich 
eine Wohnung zu bereiten und gegen etwaige Anfälle zu schützen. 

4. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Beschaffung der Nahrung. 
Wir müssen daher die Bebauung des Feldes beobachten, das Säen 
und Ernten des Getreides. 

5. Daran schliesst sich die Zubereitung desselben in der Mühle 
und bei dem Bäcker. 

6. Mitten hinein in ein anderes, für unsere naturkundlichen Elementar-» 
Studien reiches Gebiet leiten uns die Bemühungen Robinsons, sich Körbe 
zu flechten, Netze zu knüpfen, Tongeschirre zubereiten, Kleider 
und Schuhe zu fertigen; denn von hier führt der Weg unmittelbar in 
die Werkstätten des Korbflechters, Töpfers, Schneiders, Webers, Schuh- 
machers und anderer Handwerker. Von Wichtigkeit dabei ist, dass sich 
das Kind nach dem Eobinson an die Anfänge unseres Kulturlebens zurück 
versetzt sieht, wo ihm die menschlichen Bedürfnisse vor Augen treten, und 
wo es die ersten unvollkommenen Versuche, die Bedürfnisse zu befriedigen, 
gewahrt, sich selbst in ausgiebiger Weise nachahmend tätig daran betei- 
ligend. Von da wendet sich der Blick, die ganze Reihe einer viel- 
hundertjährigen Entwickelnng überspringend und das Ende mit dem An- 
fang zusammenhaltend, der Betrachtung unserer Handwerke*) zu, die in 
diesem Eobinsonlichte mit ganz andern Augen angeschaut werden, als 
wenn nach gewöhnlicher, rein willkürlicher Anordnung unter vielem andern 
auch an diese Stoffe einmal die Reihe kommt. 

7. Eine fruchtbare Gedankenbegwegiing wird ferner durch den 
Geldfund auf dem Schiffe angeregt. Allein auf seiner Insel und in 
den einfachsten Naturzustand zurück gedrängt, haben die blanken Taler 
für Robinson nicht einmal den Wert einiger alter Nägel, eines Hammers, 
eines Messers. Er kann nichts mit ihnen anfangen, sie sind ihm völlig 
nutzlos. Wie anders, wo der Mensch im Verkehr mit Menschen steht, 
eine Teilung der Arbeit erfolgt, ein allgemeines Tauschmittel zum unab- 
weislichen Bedürfnis geworden ist. Hier entkeimen die ersten elemen- 
taren volkswirtschaftlichen Grundbegriffe. 

8. Robinsons Jagdgänge und Kämpfe führen zur Betrachtung 
der Waffen und Jagdtiere, der seinigen, der unsrigen, der Fischfang gibt 
Veranlassung, uns mit Fischen der Saale, ihrem Fang und ihrer Bedeu- 
tung als Erwerbsquelle zu beschäftigen. 

9. Seine Bemühungen, sich warme Speisen zu bereiten, die langen 
Nächte durch Lampenlicht sich abzukürzen, führen auf Feuer und Licht 

10. Sein Bedürfnis, die Tage und W^ochen zu merken, auf die Ein- 
teilung der Zeit, des Jahres in Monate, Wochen, Tage — Kalender; 
des Tages in Stunden — Uhr. 

11. Die Baumfrüchte, die Witterun gs Verhältnisse auf Robinsons 
Insel leiten unwillkürlich den Blick zurück auf die entsprehenden Ver- 
hältnisse und Objekte der Heimat, immer von wertvollen Vergleichungen 
begleitet und gehoben. 



*) Vergl. die ünterrichtakizzen. 



Naturkunde 145 

12. Ans der Pflege seiner Ziegen sehen wir unsere Viehzucht 
erwachsen usw. 

Aus diesen kurzen Bemerkungen ist ersichtlich, welche reiche An- 
regung von der Eobinsonerzählung für die Dinge der Umgebung aus- 
geht, und man bat Not, die Überfälle des herandrängenden Stoffes auf 
ein Mass zurück zu führen, das in einem Jahre zu bearbeiten ist. 

Wie wir die Aufgabe im Einzelnen zu lösen versuchen, wird 
der Schluss unseres Kapitels zeigen. 

IV. Behandlung des StofTes 

Die allgemeine Heimatkunde nmfasst das wichtige Gebiet , das 
unserer unmittelbaren Wahrnehmung und unserer aktiven Betätigung zu- 
gänglich ist. Da wir diesem Gebiet den gesamten Reichtum an lebei^s- 
voUen Sinnes vor Stellungen entnehmen, auf denen unser Vorstellungs- 
leben und damit auch unser Gefühls- und Willensleben ruht, so muss in 
der allgemeinen Heimatkunde danach gestrebt werden, das Kind bei jeder 
Unterrichtseinheit in ein Stück lebendig wirkender Wirklichkeit der 
Heimat zu verpflanzen. Dem Grade entsprechend, in welchem dieses 
Einpflanzen gelingt, fliesst aus den naturkundlichen Betrachtungen allen 
Interessen der Erkenntnis und Teilnahme Nahrung zu. Nur durch 
echten Wirklichkeitsunterricht vermag die Naturkunde die ihr lehrplan- 
mässig gestellte Aufgabe des erziehenden Unterrichts zu erfüllen. 

Die Kardinalfrage für die unterrichtliche Behandlung ist darum 
diese: Wie gelingt es, das Kind in den Zustand lebendigen Wirklich- 
keitsempfindens zu bringen und ihm einen Wirklichkeitsgehalt zu über- 
mitteln, der seiner Auffassungskraft genehm ist? 

Jeder Versuch, diese Frage in psychologisch- pädagogischer Richtung 
zu lösen, hat, im besondern auf den untern Unterrichtsstufen, von der 
kindlichen Geistesverfassung auszugehen. Folgende hervorstehende Wesens- 
züge aus dem Verhältnis der kindlichen Perzeption zur ganzen Ideen- 
asBoziation sind von grandlegender und richtunggebender Bedeutung: 

1. Das Kind hängt mit allen Sinnen und allem Denken am Leben- 
digen, d. i. am Geschehen, an Bewegung und Veränderung. Alles, was 
recht sinnenfälliges Leben zeigt, interessiert und wird scharf beobachtet, 
mags der orgaoischen oder anorganischen Welt entstammen. Tote oder 
tot scheinende Gegenstände erregen die Aufmerksamkeit nur insofern, 
als sie einer phantasiemässigen Betrachtung und Behandlung zugänglich 
sind, durch welche ihnen Leben eingehaucht wird. Die Phantasie jspielt 
fast noch dieselbe Rolle wie im ersten Schuljahr.*) 

2. Die Lebewesen und Lebenserscheinungen werden nicht als iso- 
liert dastehend ins Auge gefasst, sondern in dem Zusammenhange, in 
dem sie mit andern Lebewesen und Lebenserscheinungen innerhalb einer 
natürlichen Lebensgemeinschaft stehen, welch letztere das Kind aus Er- 
fahrung nach verschiedenen Seiten hin schon kennt. 

Die Betrachtungsweise innerhalb der natürlichen Zusammenhänge 
schliesst ein höheres Denken ein, in dem die Fragen nach dem 

*) Vergl. Erstes Schuljahr, 7. Auflage S. 359 f. 

Das zweite Schuljahr. 10 



146 ^&s zweite Schaljahr 

Wozu, Warum und Weil eine hervorragende Rolle spielen. Das Kind 
denkt und handelt beziehentlich in einfachen teleologischen und l^ausalen 
Zusammenhängen. 

Der Hauptbeziehungspunkt ist dabei das Naturgebiet des mensch- 
lichen Handelns, d. h. das Menschenleben nach der Seite vielseitiger 
Arbeit. Von dorther erhält die Betrachtungsweise der Natur durch das 
Kind ihr charakteristisches Gepräge, d« h. das Kind fragt überall nach 
dem Nutzen der Dinge: Phantasie und Nützlichkeitsprinzip regieren 
im zweiten Schuljahre die Naturanffassung. *) 

3. Dem beziehentlichen Anschauen und Denken sind starke Aktions- 
impulse eigen. Das Kind ist motorisch veranlagt und strebt darum überall 
selbsttätig zu sein durch Nachahmung von Natur- und Kulturgeschehen. 
Es geht handelnd Zwecken, Hervorbringung von Wirkungen, Erforschung 
von Ursachen usw. nach. 

4. Einer reinen Naturbeschreibung ist das Kind seiner Anlage nach 
abhold, denn die Beschreibung ist ihm beziehungsleer, tot. Es folgt ihr 
darum mit Lust nur in der Verbindung mit dem Tun in der Wirklich- 
keit oder in der Phantasie. 

5. Aus gleichem Grunde ist das Kind auch ästhetisierender Natur- 
betrachtungen wenig zugänglich. Es steht noch nicht auf dem Stand- 
punkte verweilenden ästhetischen Geniessens; es will auf irgend eine 
Weise Ästhetik treiben, höchstens solche in Bewegungen schauen oder 
im Rhythmus hören. 

6. Am wenigsten ist dem Kinde abstrakte Systematisierung genehm. 
Sie klingt als unverständliche Sprache an das Ohr, denn die sachliche 
Unterlage des Systems entgeht seinen Sinnen als ^twas, das nicht in der 
Wirklichkeit für seinen Geist liegt, und ausserdem ist ein wissenschaft- 
liches Interesse noch gar nicht vorhanden. Zwingt man trotzdem dem 
Kinde Systematisches auf, so gewöhnt es sich ein blasses, unfruchtbares 
Denken an und wird damit zum oberflächlichen Schwätzer. Selbstver- 
ständlich weisen wir nur ein Systematisieren ab, das in einem von der 
Wissenschaft geborgten Kleide auftritt und die Naturbetrachtung zu 
beherrschen droht. Dagegen werden Zusammenstellungen nach in der 
Anschauung gegebenen biologischen und morphologischen Gesichtspunkten 
von uns ausgiebig vorgenommen. Solche Gruppierungen sind kein Ver- 
balismus, sie entsprechen vielmehr der wachsenden Erkenntnis des Kindes, 
fördern die Klärung und Vertiefung der Naturanschauungen und führen 
durch die Auffassung von Einheitlichkeiten in der Natur zur wachsenden 
Erkenntnis der Einheit der Natur, natürlich zunächst nur in den ersten 
Anfängen. 

Auf der Grundlage der gekennzeichneten Geistesverfassung mnsa die 
Behandlung des Stoffes ruhen, und in der allgemeinen Heimatkunde kann 
am vollkommensten danach unterrichtet werden, denn dieses naturkund- 
liche Gebiet gestattet wie kein anderes, dem Kinde echte Wirklichkeit 
darzubieten. In dieser Wirklichkeit lebt das Kind ausserhalb der 



*) Vergl. K i r 8 1 e , Natur- und Heimatkunde im ersten Scha\jahr. 
Praxis der Erziehungsschule 1905. Heft 8 u. 4. 



Naturkunde 147 

Unterrichtszeit, wenn es sich, seinem natürlichen Drange folgend, frei 
bewegen darf. Der Unterricht darf es nicht ans diesem natürlichen 
Wirklichkeitsboden reissen, er mnss es vielmehr planmässig tiefer in die 
heimatliche ^atnr und Kultur einführen. Dazu führt das psychologische 
Unterrichtsverfahren im engeren Sinne. 

Hier ist zu fordern: 

Jede Unterrichtseinheit hat ihren Ausgangspunkt vom Gesinnungs- 
stoffe zu nehmen. Diese Anknüpfung entspricht der Psychologie, denn 
beim Aufbau der Robinsonerzählnng arbeiten die Schüler mit heimat- 
lichen Vorstellnngen, die ihrer Erfahrung entstammen. Es ist natürlich, 
dass ihr Interesse, sobald man an Robinsons Denken und Tun anschliesst, 
angeregt und für die weitere Behandlung richtig eingestellt wird. Die 
Anknüpfung an den Gesinnungsstoff schafft von vornherein Leben im 
Unterrichte, sie treibt zu vergleichendem Beobachten und Denken und 
grenzt dafür dem Kinde vor allem auch eine engere heimatliche Lebens- 
gemeinschaft ab, innerhalb welcher seine Geistestätigkeit festgehalten 
wird. Dadurch wird eine Arbeit eingeleitet und geleistet, die von der 
konzentrierenden Kraft des Gesinnungsstoffes und gleichzeitig von der 
aus dem Naturgebiet stammenden beherrscht wird. Das ist ungemein 
günstig für die Entwickelang der Selbsttätigkeit, denn man hat vom vor- 
handenen analytischen Materiale aus nur neue richtunggebende Fragen auf- 
zuwerfen oder Aufgaben zu stellen, um die Kinder zum Beobachten, Sachen, 
Versuchen, Grübeln usw. anzuregen und so zu produktiver Arbeitsleistang, 
der vorzüglichsten Bildungsquellen, anzuspornen und hinzuführen. 

Dazu heisst es aber reichlich mannigfaltige Gelegenheit schaffen, 
wodurch die schöpferischen Kräfte, die in jedem normalen Kinde liegen, 
zur Entfaltung kommen können. Zu solchen Gelegenheiten sind vorzugs- 
weise zu rechnen: Unterrichtsausflüge, Einrichtung eines Betätigungsfeldes 
im Schulgarten, Handarbeit, Zeichnen, Singen und Sagen, Benutzung von 
üodellen und Bildern. 

I. Unterrichtsaasfläge 

Ihr oberster Zweck ist, das Kind mit allen Sinnen in die unmittel- 
bare Wahrnehmung hineinzustellen, es unmittelbares Natur- und Kultur- 
Geschehen erleben zu lassen. Wie Robinson seine Insel, so müssen die 
Schüler unter Führung des Lehrers Feld, Wald, Berg und Tal, die 
ganze Gegend, auf welcher sich der Unterricht aufbaut, durchstreifen. Mit 
«igenen Augen müssen sie sehen, wie auf dem Acker gepflügt, geeggt, 
gewalzt, gehackt, gegraben, gesät, geemtet wird, welche Werkzeuge zu 
den Arbeiten verwandt werden, und welche Einrichtung die Werkzeuge 
haben. Sie müssen die Zugtiere in der Dienstarbeit für den Menschen 
und andemteils des Menschen Fürsorge gegen seine treuen Gehilfen 
kennen, verstehen und schätzen lernen. Dazu darf ihnen Leben und 
Nutzen der Weide und Stalltiere nicht vorenthalten werden. Die 
Milchwirtschaft sollen sie nicht bloss anschauen, sondern selbst aus 
«inigen Litern Milch Sahne, Butter und Käse herzustellen versuchen. 
.Auch Jagdtiere nach ihrem scheuen Wesen und den Jäger auf der Jagd 

10* 



148 öa» zweite Schuljahr 

mit dem Hunde za beobachten, bereitet den Kindern nicht allein Frende^ 
sondern bringt ihnen anch über die Lebensweise nnd mancherlei geistige 
Eigenschaften and Fähigkeiten der Tiere Aufechlnss nnd damit ein Stück 
Wirklichkeit auf einem Gebiete, das meist einer zu abenteoerlichen Phanta- 
siebehandlang anterliegt. 

Handelt es sich am die Schaffang der Wohnong, so suchen wir 
den Hausbau von den Eohstoffen an, wo und wie sie die Natur dar- 
bietet, bis zur Vollendung zu verfolgen. Holzschlag im Walde, Stein- 
bruch und auch Ziegelfabrik sind zu besuchen. Dann wenden wir uns 
zu den Bauplätzen der Zimmerleute und Maurer, um zu sehen, wie und 
womit sie die Rohstoffe bearbeiten. Ebenso besuchen wir Schneider- und 
Schumacherwerkstätten, um uns Einsiebt über die Entstehung unserer 
Kleidung zu verschaffen. Femer wird der Besuch auch auf eine Mühle, 
Bäckerei, Töpferei und Korbflechterei ausgedehnt. Kurz, es soll kein 
Weg versäumt werden, der uns im Rahmen unseres Stofi^lanes ein Stück 
wirkliches Leben aus dem Natur- und Kulturleben nahe bringen kann. 
Allerdings ist dabei nicht das Gewicht auf das Vielerlei der Ausflugs- 
ziele zu legen. Viel wichtiger ist es, einen Ausflug zu wiederholen, 
denn ein Verpflanzen in em Stück Heimatland in der Weise, dass der 
Geist zusammenhängende Vorstellungsmassen daraus einsaugt, kommt nur 
durch öfteres Verweilen bei vielseitiger Betrachtung und Betätigung zustande. 

Unter unsern örtlichen Verhältnissen stellen wir für das zweite 
Schuljahr folgende Schulausflüge auf.*) 

1. Gänge an der Saale hin vom Welir am Bisrectaen bis zum Basenmttlilenwehr 

Anschauungsmaterial: Hafen, Boote mit Rudern nnd Steuer, 
ruhend und im Gebrauch. Windbewegung auf dem Wasserspiegel — ^ Wolken- 
bewegung. — Ufer, Rasenmühlinsel, Halbinsel, Flussarm, Bucht, Lentra- 
mündung, Wehr, Schleusse. — Fliessen des Wassers nach seinen Arbeits- 
leistungen : Geschwindigkeit des Wasserlaufes, gemessen durch Nachgehen 
der Flösse oder einiger Papierschnitzel. — Müblenbetrieb, Flösserei, Kies- 
bank mit allerhand durch die Schleifarbeit der Saale entstandenen glatten 
nnd mannigfaltig geformten Flusssteineu. — An-, Auf- und Abschwemmarbeit 
der Saale bei Hochwasser. ^— Abkühlung des Saaltales und Befenchtung 
der Wiesen am Abend und Morgen durch die Saalnebel. — Fischerei 
durch Angel- und Netzfang — Rotauge und Aal als Vertreter der 
Saalflsche — Fischfütterung an der Schützenbrücke — Fischbrut an 
der Mündung des Ziegenhainer Baches — Schwimmbewegung der Fische 
— Ufergebüsch und darauf Eisvogel als Fischräuber. — Badeanstalt, 
Schwimmen der Menschen nach Frosohart, Schwimmen eines Hundes, 
Bad und Gesundheit. — Saalspiegel, Malarbeit der Saale durch Spiegel- 
bilder der Uferbäume, Häuser, Berge, wie Jenzig, Hausberg, Kern- 
berge usw. Trübes Wasser nach starkem Platzregen usw. — Saale im 
Winter, Eisbrücke, Vergnügungen auf dem Eise, Eisgang. 

*) Der Plc^n ist nicht von Klasse zu Klasse biQdend, er bedeutet ^ur 
ein Beispiel. Eine Reihe Beobachtungen sind nur bei guter Gelejgenheit 
zu machen. Es soll auch nicht verkannt werden, dass manche Arbeiten 
dem Verständnis noch fem liegen, so dass man mit Bedacht auswählen muss« 



Naturkunde 149 

2* GäDge an den Tenfelsfelsen, Robinsons Wohnort 

Anschauungmaterial: Felsen mit Höhle, Felsenspalten und 
Felsenkeller. — Quelle mit Nagearbeit des Wassers, Teich- und Bach- 
bildong, Klarheit und Temperatur des Wassers, an verschiedenen Stellen, 
durch das Handgefühl und Thermometer gemessen. — Die Höhle als 
Wohnort, gelegentlich Zigeuner, oder Obdachlose in der Höhle, Fleder- 
mänse darin. — Tierleben am Felsen: Eaninchenhöhlen, Brutlöcher für 
Bachstelzen, Botschwänzchen und Zaunkönig, — Amseln und Laubsänger 
als Singvögel. Schwarzdornhecken als undurchdringliches Gestrüpp und 
Schlupfwinkel für mancherlei Tiere; durch den Würger an den Domen 
aufgespiesste Käfer, um Vorrat zu sammeln, — Wiese und Acker vor 
dem Felsen, die Wiese als Grasmeer — Maulwurfshaufen — Maulwürfe 
bei Hochwasser. 

3. Gänge anf die Eernberge oberhalb des Tenfelsfelsen 

Aufstieg durch vom Wasser ausgewaschenen Hohlweg — ßegen- 
wasserwirkungen im Verhältnis zum Gefäll. Fuss, Abhang und 
Gipfel des Berges, Horizontalweg und Zickzackweg am Bergabhange — 
Verwitterungserscheinungen. Wald mit Jelängerjelieber als Schling- 
pflanzengewächs, Waldbäume und Waldblumen, Moosdecke und Regen; 
der Wald als Jagdgebiet, Ameisenleben. — Blick vom Gipfel: Land- 
schaftsbild und Himmelsrichtungen — Steinbruch auf dem Plateau. 

4. Gänge anf den Galgenberg 

Anschauungsmaterial: Der Galgenberg gestattet allseitige 
Orientierung, und wir treiben hier hauptsächlich geographisch-heimat- 
kundliche Orientierung, indem wir das Landschaftsbild mit Sand, Plastilina 
and zeichnerisch darstellen lassen. Die Übungen sind fruchtbar, weil sie 
den Kindern erst die Augen für die Landschaft öffnen. 

W^ir betonen aber besonders, dass die Orientierungsübnngen nur im 
Bereich der sinnlichen Anschauung getrieben werden sollen. Das Ab- 
strahieren und Schematisieren, z. B. über Himmelsrichtungen, den ver- 
jüngten Massstab usw., ist im zweiten Schuljahre in grösserem Umfange 
noch nicht am Platze. Diese Arbeit gehört erst in das vierte Schuljahr. 

5. Gang anf den Hansberg 

Anschauungsmaterial: Bergform wie ein Sarg, Bergrücken, 
Kamm, Bergsattel, Nordabhang bewaldet, Südabbang kahl als Wirkung 
von Wind, Regen, Sonne. — Weinbau, Sonnen- tmd Schattenpflanzen. 
Bargen, Fnchsturm, Musik det Bergheimchen. Wiedernm Orientierung 
wie auf dem Galgenberge. 

6. Gänge anf den Landgrafen and nach Cospeda 

Anschauungsmaterial: Bergplatte mit Ackerfeld und Dörfern. 
— Landwirtschaftliche Arbeiten, Geräte dazu, Dienstleistung der Tiere 
dabei. Mäuseleben und Mäusefrass — Krähen hinter dem Pfluge. 
Krähenheere auf den jungen Saatfeldern. (Im Winter die Krähen anf 
den städtischen Kehrichtauffuhrplätzen.) — Windmühle — weshalb hier ? 

Besuch eines Bauernhofes: Tiere im Stallleben, Federvieh — An- 
lage des Bauernhofes. 



150 ^^^ zweite Schuljahr 

7. Gänge durch das Lentratal und den Mfinchenrodaer Grund auf den Forst 

AnschanaDgsmaterial: Enges Seitental des Saaltales mit 
Land- und Eisenbahnstrasse nach der Höhe der Bergplatte. — Rascher 
Lauf der Lentra, gemessen durch Mitgehen: Im Winter schlaft sie, 
im Frühling springt sie und im Sommer ist sie krank und matt. — 
Forellen. — Üppiger Pflanzenwnchs an den Leutraufern, besonders auf- 
fällig Pflanzen mit schirmgrossen Blättern — Promenadenwege — viele 
Spaziergänger — weshalb hier? 

Der Mtinchenrodaer Grund wieder ein Seitental d^ Mtihltals, noch 
enger als dieses, mit kleinem Bach, daran viele Binsen. — Grund des 
Baches oft felsig. In manchen weiherartigen Erweiterungen Wasser- 
käfer und Salamander. — An felsiger Stelle ein Steinbruch. 

Aufstieg zum Forst. Laub- und Nadelwald: Eichen, Buchen, Fichten, 
Kiefern — Bauholz und Brennholz — Schnee- und Windbruch — 
Blumen — Tiere. 

8. Gänge in die Stadt 

Hier kommen in Betracht: Strassen, Plätze, öfifentliche Gebäude wie 
Post, Bahnhöfe, Universität, Volkshaus, Schalen, Gericht . . . Einige 
Denkmäler. — Werkstätten der verschiedenen Handwerke, Bauplätze usw» 

Das angeführte Material ist nur eine Zusammenstellung zur Aus- 
wahl. Es kann und soll nicht alles berücksichtigt werden, wie anderer- 
seits auch unerwähnte Stoffe hinzukommen können. Das Material zeigt, 
dass die ünterrichtsausflüge nicht sklavisch dem Robinsonstoffe folgen, 
sondern dass vieles, was die Gunst des Augenblickes bietet, beobachtet 
wird. Nichts Wichtiges und dem Kinde Interessantes soll ihm entgehen, 
wenn es auch nicht gerade zum nächstfolgenden Unterrichte gehört. 
Die Ausflüge werden nicht bloss dem gegenwärtigen sondern auch dem 
zukünftigen Unterricht dienstbar gemacht. Immerhin ist dabei selbst- 
verständlich , dass sie planvoll ausgewählt und durchgeführt werden 
müssen.*) Der Hauptzweck darf nie aus dem Auge verloren gehen. 
Der Lehrer mnss die Zöglinge so leiten, dass sie, ohne es zu merken 
oder es als Zwang empfinden, in erster Linie ihre Aufmerksamkeit dem 
zuwenden, was dem wohldurchdachten Plane zu dienen hat. Eine solche 
Leitung stellt erhöhte Anforderungen an die Persönlichkeit des Lehrers, 
seine pädagogische Bildung und methodische Schulung im engeren Sinne. 

Den Beobachtungen, die auf den Ausflügen gemacht werden, gesellen 
sich die Beobachtungen im Schulgarten zu. Ist dieser recht eingerichtet, 
so bietet er eine Fülle wertvollen Beobachtungsmateriales dar. Da das- 
selbe täglich an das Kind herantritt, so hilft es dessen Vorstellnngskreis 
in hohem Masse erweitern und klären. 



II. Betätigungsfeld Im Schulgarten 

Wie Eobinson auf seiner Insel nicht bei Wahrnehmungen durch den 
Augenschein stehen bleiben konnte, sondern seine Kräfte Leibes und der 



♦) Vergl. Aus dem Päd. Universitäts- Seminar IX. Hefb S. 163 f. 1898 
— Langensalza, Beyer u. Mann. 



Naturkunde 151 

Seele anstrengen mnsste, nm das Natnrgebiet seiner Umgebung zar Selbst- 
erhaltnng anszanntzen, so müssen die Schüler Bobinson in seinem Denken, 
Ton und Treiben nachzuahmen versuchen. 

Diese Nachahmungsarbeit ist ungemein wichtig. Durch sie lernea 
Kinder die Wirklichkeit erst von der rechten Seite kennen. Deshalb muss 
für die Kinder ein Betätigungsfeld geschaffen werden, auf dem sie die Lust 
zum Nachahmen befriedigen können. Wir geben den Zöglingen dieses 
Feld im Schulgarten. Angeregt durch den Erzähistoff bauen sie sich 
hier eine Hütte und statten sie mit den naturgegebenen Mitteln aus wie 
Bobinson. Ebenso versuchen sie sich im Korbflechten, Netzknüpfen, Topf- 
formen, in der Herstellung von Hut, Schirm, Kleidern, Pfeil, Bogen, 
Spiess usw. Am lehrreichsten werden die Arbeiten sein, wenn die Roh- 
materialien dazu auch aus der Natur gesammelt werden wie es Bobinson 
tun musste. Die Kiesbank liefere passende Steine für Spiess, Pfeil, Stein- 
messer, Steinbeil und Muscheln zur Herstellung von Löffeln ; grosse Blätter 
vom Leutraufer helfen Hut und Schirm anfertigen, und Binsen und 
Weidenruten aus dem Müncbenrodaer Grunde dienen der Ausführung von 
Flechtarbeiten usw. 

Auf Gartenbeeten, den Robinsonbeeten, werden Mais und Kartoffeln, 
Gerste und Hafer, Bohnen und Erbsen usw. gebaut. Jeder Schüler hat 
sich dabei zu betätigen und vor allem auch die spätere Pflege nicht zu 
versäumen. 

Vielfach werden die Arbeiten unter Zeitkontrolle gestellt nach Uhr 
und Kalender, um die Zeit schätzen und werten zu lehren. 

Wenn die Kinder so durch Grübeln, Versuchen, Misslingen und 
abermaliges Probieren die mancherlei entgegenstehenden Schwierigkeiten 
überwunden haben, so treten sie mit erhöhtem Verständnis auf den Bau- 
platz, in die Werkstatt und widmen sich mit verdoppeltem Interesse der 
Beobachtung und der darauf folgenden Besprechung der betreffenden 
heimatlichen Stoffe. 

Was indessen hier geleistet wird, geschieht meist durch gemeinsame 
Arbeit. Viele ziehen an einem Strange, um ans Ziel zu kommen. So 
viel Anregung für den einzelnen Schüler auch in dieser gemeinsamen 
Arbeit liegt, es ist klar, dass dabei das individuell Schöpferische nach 
der Seite der kindlichen Einfälle und das individuelle Können in der 
Ausführung seiner Ideen nicht genügend zur Entfaltung kommen können. 
Individuelles Ausleben gestattet besser eine Handbetätigung, bei der sich 
jedes Kind nach seinen Ideen und nach dem Mass seines Könnens ein 
Abbild seines Phantasiebildes zu schaffen vermag. 

Im Schulgarten erhält darum j^des Kind noch ein Beet zur mög- 
lichst freien Verfügung. Hier kann es säen, pflanzen und pflegen, was 
ihm von Eltern, Verwandten und Bekannten zur Verfügung gestellt wird, 
oder was es selbst in der Natur gesammelt hat. 

Vor allem aber kann es sich auch frei betätigen in 

III, Modellier- uud Naturgabenarbeiten 

Literatur: Enderlin, Erziehung durch Arbeit. Mannheim. — 
Hertel, der Unterricht im Formen als intensivster Anschanungeunter- 



152 I^as zweite Schuljahr 

rieht im Geiste Pestalozzis und Fröbels. Gera 1900. — G r o o 8 , Die 
Spiele des Menschen. Jena, Fischer 1899. — Kalb, Der Unterricht in 
den Handarbeiten für Knaben im Alter von 6—10 Jahren. Gera 1889. — 
Barth und Niederley, Des Kindes erstes Besch&ftigungsbuch. Vel- 
hagen und Ciasing. — Folgende Artikel aus Adele Schreiber: Das Buch 
vom Kinde. Leipzig-Teubner 1907. Ament, Spi«l und Kunsttrieb des 
Kindes. Beinmann, Das Kind als Plastiker. — Kerschensteiner, 
Produktive Arbeit und ihr Erziehungswert. — P a b s t , Handarbeit der 
Knaben. Breest, Das Kind als Zeichner. Droescher, Spiel und Be- 
schäftigung im frtlhen Kindesalter. — Götze, Zeichnen und Modellieren, 
In Hein, Deutsche Schul erciehung, Lehmann, Mtlnchen 1907. — Köhler, 
Die Naturholzarbeit als Volkskunst. Leipzig. Frankenstein und Wagner. 
— Die Artikel über Handarbeit und Zeichnen in Rein, Päd. Encyklo- 
pädie — Langensalza. 

Die Handarbeit ist uns von grosser Bedeutung für die Grundlegung 
des gesamten Geisteslebens, „da wichtige konstituierende Elemente des 
Geistes nur der körperlichen Arbeit ihren Ursprang verdanken.** 

Prof. Hueppe schreibt über- die Bedeutung, welche die Hand unter 
den Entwickelnngsfaktoren des Geistes einnimmt: 

„Entwickelangsgeschichtlich hat sie sich durch den aufrechten Stand 
und Gang des Menschen aus der Kletterhand des Menschenafifen entwickelt, 
und sie ist nicht bloss zum Arbeitsorgan, sondern vor allem zum Sinnes- 
organ und Sinneswerkzeug geworden. Damit ist sie zugleich das wert- 
vollste und unentbehrlichste Organ zur Entwickelang der Hirnrinde. Was 
im Intellekt zur Entwickelang kommen soll, bedarf der Auflösung durch 
die Sinnesorgane und zwar in der Reihenfolge: Hand, Ange, Ohr. Was 
Gehör und Auge allein wegen zu schwach motorischer Impulse auf die 
Ent Wickelung der Hirnrinde, des Denkorgans, nicht vermochten, wurde 
durch das kräftige motorische Sinnesorgan der Hand infolge der innigen 
kausalen Durchdringung von Körper und Geist angebahnt, die Vergrösse- 
rung der Hirnrinde überhaupt und damit die Voraussetzung jeder geistigen 
Entwickelang. Aus diesem Grande ist der Handfertigkeitsunterricht keine 
Spielerei, tiber die die Gelehrten vornahm hinweggehen dürfen, er ist 
keine Vorbereitang für das Handwerk, sondern er ist „ein Tarnen am 
Werkzeug,^ ein unerlässliches Mittel zur Geistesgymnastik. 

Dabei lernt das Kind noch zwei wichtige Dinge, die das ganze 
Leben vorhalten und jeder Tätigkeit zu Gute kommen ; es lernt aufbauen 
und sich beherrschen und wahr sein. 

Und für den Charakter lernt das Kind wissen, dass es etwas kann 
und bekommt damit ein gewisses Selbstvertrauen, und das macht es ruhig 
und übe]:legt, wenn neue Aufgaben an es herantreten, und es sucht sich 
selbst neue Aufgaben, es denkt und erfindet."*) 

Darin ist unsere Stellung zur Handarbeitsfrage kurz und bündig 
zusammengefasst. 

Die Herbart-Zillersche Pädagogik hat schon von der Theorie der 
kulturhistorischen Stufen ans die Handbeschäftigungen als wichtig für 
jede gesunde Geistes- und Charakterentwickelung gewertet. Die Kultur* 
entwickelang der Menschheit weist ja so klar auf die körperliche Arbeit 
als dem ursprünglichsten und gewaltigsten Förderer der Geisteskultur 

*) Zeitschrift für Sozialwissenschaft Bd. TU, Heft 9 u. 10 1905. 



Naturkunde 153 

hin, das8 dieser Hinweis von Männern wie Herbart und Ziller nicht 
leicht für die Erziehnng tibersehen oder übergangen werden konnte. 

Von Vertretern- der Herbart- Zillerschen und in etwas anderer Eicli- 
tiing von denen der Fröbelschen Pädagogik sind fruchtbare Anregungen 
und Versuche, die Handbeschäftignngen in den Dienst der Erziehung zu 
stellen, gekommen. Allein die hohe Bedeutung der Hand für die Geistes- 
bildung wissenschaftlich exakt erkannt und beleuchtet und damit den 
Handarbeitsunterricht als notwendiges Bildungsmittel nachgewiesen zu 
haben, ist ein Verdienst naturwissenschaftlicher Forschang, der Physiologie 
und physiologischen Psychologie. 

Danach ist uns die Handarbeit ein durchaus unentbehrliches Unter- 
richtsfach. 

Im zweiten Schuljahr legen wir darum neben den besprochenen 
Arbeiten anf dem Betätigungsfelde noch auf Modellieren nnd Naturgaben- 
arbeit Gewicht. 

Es geschieht in folgenden Eichtungen: 

1. Die Kinder erhalten Gelegenheit, ihr Vorstellungsmaterial vom 
Gesinnnngsstofif her mit Hilfe von Plastilina oder Ton ohne jede Weisung, 
also vollständig frei, zu verkörpern. Es werden dabei meist Darstellungen 
von Episoden ans Robinsons Leben gebracht, und man erkennt dabei 
überraschend deutlich die ganze Auffassungsart, Lücken in der Auffassung 
and auch den Grad des Könnens in der Darstellung. 

2. Es werden einzelne Gegenstände ans dem Eobinsonstoffe in 
exakterer Darstellung behandelt. Dabei müssen den Kindern gute Vor- 
bilder und passende Hilfen gegeben werden. 

3. Es wird auf Ausflügen oder noch mehr im Anschlass daran 
modelliert. Dabei kommen in Betracht das heimatliche Landschaftsbild, 
einzelne Formen daraus, dann naturkandliche Objekte in der Totalität 
oder nur Teile daran. 

Im Modellieren erreichen wir, dass das Interesse gehoben und er- 
halten, die Sinnestätigkeit geschärft, die Phantasie angeregt und doch 
an der Eealität festgehalten, die Willensenergie und Willensausdauer ge- 
stärkt, der Formensinn und das ästhetische Empfinden gefördert werden. 
Vgl. Erstes Schuljahr, 7. Aufl., S. 268 f. 

Naturgabenarbeit 

Was wir darunter verstehen, ist dieses: Wir suchen Naturgegen- 
ttftnde ans dem organischen nnd anorganischen Naturreiche auf, die ent- 
weder in der gegebenen Naturform oder bei sehr leicht durchzuführender 
Zustntzung mit oder ohne Werkzeug der Verwirklichung einer Idee im 
Spiel dienen können oder sonst angemessen zu verwenden und zu bear- 
beiten sind. Es sei dabei erinnert an die Binsen, das Schilf, den Wege- 
rich, den Bast znm Flechten von Netzen, ganzen Stühlen, Stnhlsitzen 
und Körbchen; an Muscheln zur Anfertigung von Löffeln; an Stein- und 
Knochenformen, die sich als Messer, Hammer, Beil, Spiess, Pfeil, Spaten 
in Anwendung bringen lassen; an Steine znm Handmühlengebrauch; an 



154 ^&s zweite Schuljahr 

Kiefern- oder Korkahornrinde , die sich zum Bau von kleinen Kähnen 
und Schiffen eignen; an verschiedene Kürbisse, aus denen sich Laternen 
und Gefässe herrichten lassen; an die Schuppen der Fichtenzapfen und 
an allerhand kleine Muscheln und Schneckenhäuschen, die zu mancherlei 
niedlichen Verzierungen zusammenstellbar sind ; an die Stengelglieder des 
Holunders, bei denen sich das Mark leicht durchstossen lässt, sodass 
Eohre zu Knall- und Spritzbtichsen und Wasserleitungsröhren entstehen; 
die Markzylinder geben sodann Lichtchen für die Kürbislateirnen und die 
gespaltenen Röhren eignen sich zu Dach- und Wasserrinnen oder Krippen; 
an Korke, Federspulen und Federn, die leicht zu «iner kleinen Wind- 
mühle, resp. einem Windmotor zusammenzustellen sind; an Strohhalme, 
die sich ebenso verwenden lassen; an die vielgestaltige Verwendung der 
Nussschalen, z. B. zu Fahr- oder Wiegewagen; an Arbeiten mit Erbsen 
nach der W^eise Fröbels und an Arbeiten, wie sie Barth und Niederley 
unter der Überschrift „Beschäftigungen nach den Jahreszeiten" im Ab- 
schnitt VIII ihres Buches „Des Kindes erstes Beschäftigungsbach" 
(Velhagen & Klasing) angeben. 

Man kann einwenden, dass solche Beschäftigungen Spielerei wären 
und mit dem Wesen ernster Arbeit nichts zu tun hätten. Allein ein 
solcher Finwand kann doch nur von einer Seite kommen, wo man die 
hohe Bedeutung des Spiels, das Kinderarbeit auf dem Boden innerer 
Wirklichkeit ist, für die geistige Entwickelung verkennt und speziell 
auch das belehrende Moment der Beschäftigung mit Naturgaben nicht 
recht zu erkennen und zu werten vermag. 

Man bedenke, was solche Arbeiten zu bedeuten haben: 

1. Sie führen in die technologische Seite der Naturkunde hinein. 
Das Kind versucht Naturgegebenes bestimmten Zwecken dienlich zu 
machen. Es gibt sich dabei mit der Stellung und Lösung von kleinen 
Problemen ab, wobei produktive Arbeit geleistet wird. 

2. Durch solche Arbeit werden eine ganze Anzahl von Naturgegen* 
ständen nicht bloss äusserlich sondern vor allem auch nach mancherlei 
Eigenschaften erforscht, und so erfährt die Anschauung wesentliche 
Klärung und Erweiterung. 

3. Dazu kommt, dass von Naturdingen, mit denen das Kind etwas 
anfangen kann und etwas damit augefangen hat, lebhafte assoziative 
Kraft ausgeht, die interesseerweckend und erkenntnisfördernd auf andere 
Naturgebiete und Naturdinge übergreift und so immer in ein anderes 
Stück heimatlicher Naturkunde hineinführt. 

4. Auch spricht durch solche Arbeit die ästhetische Seite der Natur 
das Kind auf die natürlichste Weise an. Es lernt Naturformen schärfer 
auffassen und zweckmässig einordnen, d. h. mit nach ästhetischem Empfinden 
2u handeln beginnen. 

Die spielende Beschäftigung mit Naturgaben ist mithin eine Be- 
tätigung, die das Hineinwachsen des Kindes in die heimatliche Natur 
und Kultur vielseitig fördert. 



Naturkunde 155 

IV. Zeichnen*) 

Der naturkundliche Unterricht kann zur Schärfang der Beobachtung 
imd Klärung der Vorstellung auch das Zeichnen nicht entbehren. Es 
bat die Vorzüge^ dass man das Zeichenmaterial immer bei der Hand 
haben und ausserdem in viel kürzerer Zeit einen Gegenstand skizzieren 
als modellieren kann. Das Skizzieren ist freilich wiederum schwerer als 
das Modellieren, denn die Zeichnung hat es immer mit einem Abziehen 
der cbarakteristisphen Linien vom Körper zu tun. Wo aber die Zeich- 
nung verstanden und geleistet wird, da ist wieder die grössere Klarheit 
in der Auffassung vorauszusetzen. Der Schüler muss darum oft ver- 
anlasst werden, das in der Natur Gesehene zeichnerisch darzustellen. Es 
muss aber von der echten Natur und nicht etwa von der Wandtafel- 
skizze abgezeichnet werden, denn durch das Nachzeichnenkönnen erhält 
man keine Gewähr dafür, dass die sachlichen Grundvorstellungen der 
Skizze dem Kinde klar sind. Auf Klarheit der Vorstellungen, die nun 
einmal die Grundlage aller höheren Geistestätigkeit sind, kommt aber 
alles an. Sind darum die selbständigen Leistungen zunächst recht un- 
vollkommen, so lasse man sich dadurch die Geduld nicht ausgehen und 
raube dem Kinde durch üble Kritik nicht den Mut zum Zeichnen. Es kommt 
im Gegenteil viel darauf an, den Schülern Mut zum Zeichnen zu ver- 
schaffen, auch dann, wenn z. B. ihre Leistungen mit dem eigenen vor- 
geschrittenen ästhetischen Empfinden in Konflikt geraten. 

Man lasse Zeichnen und Modellieren sich in die Hand arbeiten, 
dann wird jedes Kind die Lust zum Schauen, Beobachten und Darstellen 
nicht verlieren und rascher und tiefer an Erkenntnis zunehmen, als man 
oft denkt. 

V. Sagen nnd Singen 

„Für immer ist die Natur durch das Werk der Kunst verklärt." 
Wird darum an Stellen, wo der Unterricht Gefühle und Stimmungen 
hervorruft, der Stimmungsgehalt in einem passenden Gedichte oder Ge- 
sänge zum Ausdruck gebracht, so strömt dadurch in die Seele des Kindes 
noch ein neuer „Abglanz vom Zauber der Natur ein" und wird dort 
festgehalten. Gedicht und Lied, die vom Kinde geliebt werden, treiben 
es dann mit hin zur Heimatliebe. 

Wenn nun der geistige Staudpunkt sechsjähriger Inzipienten uns in 
nnserm ersten Schuljahre vorzugsweise auf die Stoffe der volkstümlichen 
Kinderpoesieen hinwies, so gestattet das weiter zurückgelegte TiCbens- 
jahr, sowie der Bildongserfolg eines einjährigen Unterrichts, nunmehr auch 
an die einfachsten Gebilde der Kunstpoesie heranzutreten. Und mit Freuden 
öffnen wir den Kleinen jetzt den reichen Garten voll duftigster Blüten, wie 
sie Hey, Gull, Hoffmann von Faliersleben, Dieffenbach, Blüthgen, Trojan 
u. A. für dieses und die nächstfolgenden Kinderjahre geschaffen haben. 

Es stellen sich so auch im zweiten Schuljahre die poetischen Stoffe 
in den Dienst des Gesinnungunterrichts und der Naturkunde dergestalt, 



♦) Vergl. Artikel Zeichnen unter Kunstunterricht. 



156 ^&s zweite Schuljahr 

dass von diesen her die Ausgangspunkte zu den poetischen Lieblingen 
der Kinderwelt genommen werden, und dass durch dieselben die Kon- 
zentrationsstoffe selbst wieder in neuer Beleuchtung erscheinen. Nur 
auf diese Weise wird ein Gedankenkreis geschaffen, so innig verbunden, 
so von allseitigem Interesse durchzogen, so kräftig, dass er die un- 
gUnstigen Gegenwirkungen aus Erfahrung und Umgang zu überwinden 
vermag. 

Was von der Poesie auf dieser Stufe Oberhaupt, gilt insbesondere 
auch von den sanglichen Liederstoffen. Auch sie gehen nicht ihren eigenen 
Weg: Das Lied hat hier wie im ersten Schuljahre einzig noch die Auf- 
gabe, die Gesamtwirknng des Unterrichts nach Stärke und Dauer zu 
erhöhen. Dazu ist dasselbe in vorzüglichem Masse geeignet. Es ver- 
dichtet die Empfindung, verwebt sie vielfältig mit den verschiedensten 
Teilen des Gedankenkreises, gibt ihnen Haltbarkeit und Dauer. Frei- 
willig ordnet sich daher das Lied den beiden Hauptfächern des Unter- 
richts unter, ohne jedoch in sklavische Abhängigkeit von dem einen oder 
andern zu geraten. Siehe „ Singen **. 

Tl. Modelle und Abbildungen 

Wenn der Schwerpunkt der naturkundlichen Beobachtungen unbe- 
dingt im Freien, innerhalb der natürlichen Lebensgemeinschaft gesucht 
werden muss, so können Modelle und Bilder als Mittel zur Klärung der 
Vorstellungen doch nicht entbehrt werden. Der Unterricht im Freien 
hat oft mit Aufmerksamkeitsstörungen und Ablenkungen zu rechnen, und 
es lässt sich deshalb die vom Lernprozess geforderte Verarbeitung des 
Beobachtungsmateriales in der Schulstube exakter und für alle Schüler 
gleichmässig nutzbringender durchführen als draussen. Hier kann man 
alle Kinder bei der Stange halten, es stehen Wandtafel und Hefte zum 
Zeichnen, ModeUe und Bilder zum Anschauen zur Verfügung. 

Während wir also die Schüler das naturkundliche Vorstellungs- 
material auf den Ausflügen, im Schulgarten und in den freien Beschäf- 
tigungen sammeln lassen, führen wir die Durcharbeitung* derselben vor- 
herrschend im Klassenunterricht aus. Hier sind dann überall da, wo 
Unklarheiten zu Tage treten, die Modelle und Bilder mit Nutzen zu ver- 
wenden. Gute Modelle und Bilder lassen das Kind manches deutlicher 
erkennen und prägen das Erkannte dem Gedächtnis tiefer ein. Es muss 
also auch hier eins ins andere greifen, um das Ganze zum Gelingen zu 
bringen. 

Unklarheiten können auf allen Stufen des Lernprozesses auftreten 
und darum auch die Bilder und Modelle überall herangezogen werden. 
Man darf aber nie vergessen, dass sie nur Hilfs- und Unterstützungs- 
mittel sind und niemals als Ersatz für die lebensvolle Anschauung ge- 
braucht werden dürfen.*) 



*) Auswahl und Anschaffung guter Bilder und Modelle werden dem 
Lehrer durch die Lehrmittelhandlungen mit ihren illustrierten Katalogen 
sehr leicht gemacht. Wir verweisen auf das Müller - Fröbel - Haus in 
Dresden und die Schneidersche Lehrmittelhandlung in Leipzig. 



Naturkunde 157 

TU. Durcharbeitung der ^methodischen Einheiten^ 

Ans den vorangehenden Erörterungen nnd Forderungen geht deutlich 
hervor, dass wir im Unterricht allen Nachdruck auf vollwertige An- 
schannngen legen, wie sie der „objektiven Wirklichkeit*' im Natur- und 
Menschenleben und der ^subjektiven Wirklichkeit^ in der kindlichen 
Auffassungsweise entstammen. W^ir benutzen alle hier in Betracht 
kommenden Mittel, die zur Sinnen- und Denkschärfung, zur Gemütsver- 
edlong nnd Willensstärkung beitragen können. 

Das geschieht alles in vollem Einklänge mit den Forderungen der 
Durcharbeitung nach den formalen Stufen. Sie sind das psychologische 
Lehrverfahren, an dem wir überall festhalten, wo es sich stofflich um 
eine „methodische Einheit" handelt. 



Till. Jahresplan*) 

Übersicht der bearbeiteten „methodischen Ein- 
heiten" 

A. Geographisches. 

1. Die Saale bei Jena. 

2. Die Quelle am Teufelsfelsen. 

3. Der Leutrabach als Nebenflass der Saale. 

4. Der Hausberg und die Eemberge. 

5. Das Landschaftsbild vom Galgenberge aus. 

6. Zeiteinteilung, Witterung und Jahreszeiten. 

B. Naturkundliches 

1. Die Wiese als Teppich. Maulwurf und Star als Wiesenpolizei. 

2. Dar Wald als Baumstadt. Eiche, Buche und Kiefer. 

3. Waldstadtbewohner. Fuchs, Reh, Schnecke, Ameise. 

4. Unsere Getreidepflanzen. 

5. Unsere Flechtstoffe: Weide, Stroh, Bast, Rohr, Binsen, Wegerich» 

6. Fische in der Saale und Leutra. 

7. Feuer und Licht. 

8. Gips, Sand, Ton, Porzellan, Glas. 

9. Kupfer, Nickel, Silber, Gold, Eisen. 
10. Einige Stubenvögel. 

C« Die Natur im Dienste des Menschen. 

a) Wie der Mensch für seine Wohnung sorgt. 

1. Hausbau. Holzschlag und Holzhauer. Steinbruch und Maurer. 
Zimmerplatz und Zimmermann. 



^ Der Stoff ist reichlich bemessen, den Verhältnissen entsprechend 
ansEuw&hlen. 



158 ^^^ zweite Schuljahr 

b) Wie der Mensch für seine Nabrang sorgt. 

2. Feldbau. Maus und Krähe. 

3. Müller und Mühle. Mehlwurm. 

4. Bäcker und Brotbereitung. Heimchen. 

5. Fischer und Fischfang. Rotauge und Aal. 

6. Jäger und Jagd. Hase und Bebhuhn. 

7. Viehzucht Kuh, Pferd, Schaf. Schwein. 

8. Der Hund. 

c) Wie der Mensch für seine Kleider sorgt. 

9. Der Sehneider. 

10. Der Schuhmacher. 

d) Wie der Mensch für seine Bequemlichkeit sorgt. 

11. Der Schreiner (Tischler). 

12. Der Korbflechter. 

13. Der Töpfer. 

e) Der Verkehr der Menschen miteinander. 

14. Landstrassen und Feldwege. 

15. Post und Eisenbahn. 

16. Wasserstrassen. Schifffahrt, Seereisen. 

17. Das Geld. Kauf und Handel. 

IX. Unterrlchtskizzen 

1. Die Saale bei Jena 

(Zu Kapitel 1 der Bobinsonerzählung : Robinson als Schalknabe) 
Ziel: Wir wollen uns die Saale genau anschauen. 

1. Stufe: Ihr habt schon mancherlei gesehen: Sie fliesst durch das 
^Paradies **, trägt Kähne und Flösse, treibt Mühlen usw« Es gibt noch 
mehr zu sehen. Wir wollen suchen. 

II. Stufe: 1. Auszug. Durch die Grietgasse bis zur Ostschule. 
Umbiegen in die Paradiesgasse. Weg über die Eisenbahn zur Schützen- 
brücke. Promenadenweg an der Saale. — Wer zeichnet den Weg an? 

2. Umschau."^) a) Die Saale ist breit. Messen über die Schützen- 
brücke. Es sind 60 Schritte. 

b) Sie fliesst langsam. Messen durch Nachgehen eines schwim- 
menden Gegenstandes. Sie fliesst langsamer als wir gehen. 

c) Kähne und Flösse. Die Kähne werden stromauf- und strom- 
abwärts gerudert. Steuer. Die Flösse fliessen nur stromabwärts. Viele 
Stämme. Woher? Wohin? 

d) Die Kiesbank. Woher? Wie kommt sie hierher? Strudel! 
Steine glatt. Wie kommt das? Seht, wie hier die Wellen vom Wehr 
her kleine Steinchen und Sand über grössere Steine fortgesetzt hin- und 
herreiben. 



*) Sie erfolgt an mehreren Tagen. 



Naturkunde 159 

e) Die Mühle: Rascher Lauf auf das Mühlrad. Kraft. Arbeit 
der Saale. 

f) Schwemmboden und Feuchtigkeit auf den Wiesen: 
Woher? Hochwasser. Nebel morgens und abends. 

g) Wasserspiegel: Himmel, Berge, Bäume, Häuser im Spiegel, 
h) Die Badeanstalt: Schwimmen gesund und ein Vergnügen. 

III. u. I V. S t u f e : Die Saale arbeitet wie Menschen. Sie ist ein : 

a) Dienstmann, denn sie trägt Kähne und Flösse und treibt 
Mühlen ; 

b) Schleifer, denn sie schleift Steine rund und glatt, 

c) Baumeister, denn sie baut Kiesinseln und Kiesbänke. Eis- 
brüchen im Winter, 

d) Gärtner, denn sie düngt und giesst die Wiesen, 

e) Maler, denn sie malt die Bäume, Häuser, Berge und den 
Himmel ab, 

f) Arzt, denn sie macht gesund, stark, und vergnügt durch die 
Bäder und das Rudern. (Im Winter durch den Eislauf.) 

V. Stufe: Ist die Saale eine Wasserstrasse? Weshalb kommt 
das Flössholz nicht mit der Bahn, die an der Saale hinführt? Warum 
sehen es die Leute gern, wenn die Saale die Wiesen überschwemmt? 
Wann und warum wird die Saale gefährlich? Warum sind die Wehre 
gebaut? Der Kahn schwimmt auch stromaufwärts; wie wird das möglich? 
Was liefert die Saale zum Hausbau? 

Modellieren: Flussbett mit Wehr und Schützenbrücke. Kahn 
mit Ruderer. Floss. 

2. Die Leutra 

(Robinson in den Ferien) 
Ziel; Ob die Leutra ebensoviel kann wie die Saale. 

1. Stufe: Nein, sie kann keine Kähne und Flösse tragen. Man 
kann auch nicht darin schwimmen. Mühlen kann sie aber doch treiben. 

IL Stufe: 1. Weg bis zur Mündung im Paradies. 
Zeichnung. 

a) Die Saale verschluckt das Leati*awasser. Die Leutra mündet in 
die Saale. 

b) Kiesbank vor der Mündung. Woher Steine und Sand? Gegen- 
strömendes Wasser. Hier die Sinkstoffe. 

2. Weg die Leutra aufwärts. 

a) Bach flach und schmal. Man kann oft darüber springen. In 
der Häckelstrasse Bett tief. Wie kommt das? 

b) Lauf durch einen Kanal zwischen den Kliniken und der Bahn- 
hofsstrasse. Wozu der Kanal? Platzgewinnnng. 

c) Lauf im MtthltaL Rasch und springend über steinigen Grund unter 
Brücken und Stegen bin. Ölmühle und Paraschkenmühle. Ableitung in 
ein Bett durch die Stadt. (Marktmtthle.) 

d) Wasser kalt und klar. Forellen und Baehstelzen. Beobachtung 
derselben. Warum hier? 



150 Das zweite Schuljahr 

e) Ufer schattig and kühl. Promenadenwege kühl und schlängehid 
wie der Bachlauf. Lommerweg schön und erfrischend. Spaziergänger 
— Erholung — Erquickung. 

III. u. IV. Stufe: Die Leutra arbeitet auch für uns. Sie treibt aber 
nur Mühlen. Die Mühlen sind kleiner als die an der Saale. Die Leutra hat 
schattige Wege an ihren Ufern. Viele gehen dort spazieren, um sich zu er- 
quicken. Das Wasser ist klar und kalt. Die Leutra ist einNebenflass der Saale. 

V. Stufe: Wie kommt es, dass die Leutra schneller fliesst als 
die Saale? Weshalb wird das Leutrawasser im Sommer nicht so warm 
wie das Saalwasser? Erkläre, warum es in der Saale keine Forellen 
gibt! Warum sagt man, die Leutra mündet in die Saale? Wie machen 
es die Leute, wenn sie das Wasser ableiten? Warum ist das gescheit? 
Was bedeutet die Leutra für die Saale? 

Modellieren: Mündungsgebiet. Ableitungsgebiet. Mtihltal mit 
Leutra. 

Sagen: Du Bächlein, silberhell und klar . . . Die Bachstelze von 
Dieffenbach. 

3. Die Quelle am Teufelsfelsen 

(Robinson in den Ferien. — Robinsons Quelle.) 

Ziel: Die Quelle, ein Reisender unter der Ertle. 

1. Stufe: Robinson fand eine Quelle . . . Bei den Teufelslöchern 
ist auch eine Quelle. Das Wasser kommt aus Löchern im Felsen. Es 
läuft in Steinrinnen. Es ist klar und hell. Es läuft in einem Kanal 
unter der Landstrasse weg. Dann fliesst es als kleiner Bach in die Saale. 

IL Stufe: 1. Oebt den Weg an! Zuerst wieder bis an die 
Schützenbrücke, darüber weg, am Schiesshaus vorbei und die Wöllnitzer' 
Strasse hinauf. Zeichnet den Weg mit dem Stock in den Sand der 
Landstrasse. Wer kann die Wegrichtungen angeben? 

2. a) Schaut die Quelle an! Das Wasser kommt aus '4 Löchern. 
Es fliesst über einen grossen Stein in kleinen Rinnen. Es ist ganz klar. 

b) Hört! Es plätschert, murmelt und gurgelt. 

c) Haltet die Hand hinein! Es ist kalt. Miss mit dem Thermo«» 
meter! 8 ^ 

d) Ich höre, was das Quell wasser von seiner Reise erzählt: Ich 
bin Regenwasser gewesen und auf die Äcker und in den Wald über und 
hinter dem Felsen dort gefallen. Dann bin ich in die Erde gekrochen. 
Es zpg mich gewaltig nach unten. Immer tiefer kam ich. Mit einem 
Male kam ich an die Erdschicht, die hier herausschaut. Seht sie euch 
an! Die Erdschicht liess mich nicht durch. Sie war aber schräg nach 
dem Saaltal geneigt. Viele Regentropfen, meine Kameraden, drückten so 
gewaltig nach, wie die Leute auf dem Vogelschiessen vorwärts drängen. 
So kamen alle immer tiefisr herab. — Wir drängten manches weiche 
Erdkörnchen beiseite, bis wir hier heraussprudeln konnten. Viele Regen- 
tropfen stecken noch in der Erde. Sie kommen alle mit der Zeit. Tttg 
und Nacht müssen sie laufen. Doch sie werden nicht alle, dena vom 
Himmel kommen immer neue hinzu. 

Wohin geht nun die Reise? Sagt es selbst! 



Naturkunde Igl 

III. u. IV. Stufe. Das Quell wasser ist Regenwasser. Es dringt 
in die Erde ein und kriecht ins Tal, bis es ans Tageslicht sprudelt. Die 
Quelle läuft jahraus, jahrein. Das Quellwasser ist klar und kühl. Es 
reist nun in die Saale und dann ins — Meer. 

V. Stufe. Zeige, wie das Wasser nagen kann! Wie lange hat 
es dazu gebraucht. Erkläre : Steter Tropfen höhlt einen Stein aus. Wo 
ist das noch zu sehen? Warum ist Qnellwasser gesund? Wann ist es 
ongesnnd. Erzählung: Die Quelle von Chr. von Schmidt. 

4. Der Kaufmann 

(Robinson als Lehrling) 
Ziel: Was Robinson lernen mnsste als Lehrling. 

I. Stufe: Ihr seid schon beim Kaufmann gewesen. Reis, Kaffee, 
Zucker, Graupen gekauft. Der Kaufmann wiegt die Waren. Wie? Was 
misst er mit dem Litermass? Zeichne eine Wage, eine Tüte, ein Litermass. 

II. Stufe: Der Lehrling mass acht geben: 

a) Genau hinhören, was die Leute wünschen, freundlich sein, richtig 
wiegen und messen, sauber verpacken. 

b) Er muss wissen, was die Waren kosten, richtig rechnen und 
anszahlen. 

c) Manchmal mnss er Waren verschicken und neue Waren kommen 
lassen. Wie? Woher? 

d) Wie benutzt der Kaufmann Post, Eisenbahn und Schiffahrt? 

III. u. IV. Stufe: Der Kaufmann mnss freundlich, fieissig, ehrlich 
und redlich sein, wenn sein Geschäft gehen soll. 

V. Stufe: Wie geht es einem schlechten Kanfmanne? Welche Ge- 
schäfte kennst du? Was bringt die Post, die Eisenbahn? Nenne Dinge, 
die mit den Schiffen über das Meer kommen. Wie arbeiten Post und 
Eisenbahn zusammen? 

5. Das Schiff 
(Robinsons Seefahrt) 

Ziel: Ein Bild von einem grossen Schiffe wollen wir betrachten. 
I. Stufe: Die Schiffe sind sehr gross. Sie fahren über das Meer. 
Es gibt Dampf- und Segelschiffe. Die Schiffe haben auch ein Steuer. 
IL Stufe: 

a) Es hat eine Kabnform. Oben ist es aber zu. Deck. 

b) Es ist so lang wie die Kaserne, innen sind auch Kammern wie 
in der Kaserne. Hier ist das Schiff offen. (Durchschnitt.) Zähle die 
Kammern in einer Reihe. Es sind mehr als 20. Wieviel sind überein- 
ander? Grösse von kleinen Schlafkammern. Kajüten. Es gehen mehr 
Menschen hinein als in unsere Kaserne. Dreimal so viele? 

c) Die Kajüten sind unter dem Wasser. Nur die oberen haben 
kleine, runde Fenster, öffnen? 

d) Auf dem Deck: Mastbäume, Taue, Segel. 

e) An Bord, Anker, Steuer, Rettnngskähne. 

f) Kapitän, Steuermann, Matrosen, Reisende. 

g) Wie der Wind das Schiff treibt. Dampfschiff mit Dampf- 
maschinen und Schiffpschranbe am Kiel. 

Das zweite RchuUahr. 11 



162 ^fts zweite Schuljahr 

III. n. IV. Stufe: Das Schiff ist ein sehr grosses, schwimmendes 
Haus. Wind und Dampf treiben es fort. Das Meer trägt es so leicht 
wie eine Nussschale. Mit den Wellen steigt es auf und ab. Das Schiff 
kann sehr viel (grosse Lasten) über das Meer tragen. 

V. Stufe: Wenn der Wind dass Schiff auf die Seite legt, so richtet 
es sich wieder auf. Wie geht das zu? Versuche es mit Steinen an 
deinem Schiffchen. Das Schiff schaukelt wie der Kahn, aber die Matrosen 
stehen fest. Wie machen sie es, dass sie nicht so leicht hinfallen? Es 
geht starker Wind, was machen die Matrosen mit den Segeln ? Wie bei 
schwachem Wind? Begründung. Fahren Dampf- oder Segelschiffe sicherer? 
Sprich deine Meinung darüber aus 

Modellieren: Anker, Schiff. 

6« Hausbau 

(Robinson richtet sich ein) 

Ziel: Wie ein Haus gebaut wird. 

I. Stufe: Erfahrungsmaterial. 

n. Stufe: a) Steinbruch, Steinhauer und Maurer. Besuch der 
Stätten. Steinbrecher; Arbeiten: Sprengen, Abfahren, Behauen zu Quadern; 
Werkzeuge; Vorsicht. 

Zeichnen: Spitzhammer, Winkelmass, Setzwage. 

b) Holzschlag, Zimmerplatz. Holzhauer, Zimmerleute, Ar- 
beiten, Balken, Pfosten, Riegel mit Zapfen, vierkantig zugehauen. Werk- 
zeuge, Beschreibung und Gebrauch derselben. 

Zeichnen: Beil, Säge, zngehauner Balken mit Zapfen. 

c) Aufbau. Grundmauern, Aufrichten des Gebälkes, gerade und 
schräge Pfeiler mit Zapfen, Querbalken, die vier Seiten des Hauses, die 
Stockwerke, der Daclistuhl. Modell eines Hauses und Aufbau desselben. 
(Baumaterialien ; Löhne : Abgabe an den Recbenunterricht.) 

Zeichnen: Einfacher Grundriss des Hauses (z. B. unseres Schul- 
hauses). — Vorderseite eines Hauses mit Tür, Fenster, Dach. 

d) Wände und Dach: Lehm, Kalkstein, Kalkbrennen, Mörtel, Back- 
steine, Maurer, Arbeiten, Werkzeuge; Handlanger. 

Dach, wozu? Womit gedeckt? Ziegeln, verschiedene Form der- 
selben; warum so gestaltet? Wie gelegt? Eigener Versuch, einen Ziegel 
ans Ton zu formen. Ziegel brennerei. Besuch derselben. Versuch im 
Decken mit Ziegeln. — Schieferdach (Anschauung). — Strohdach, Vor- 
züge, Nachteile. 

Zeichnen: Hans und Zelt nebeneinander. Bauen eines Hauses aus 
den Steinen des Baukastens und Zeichnen des Gebildes. 

e) Innere Räume des Hauses. Stube, Kammer, Küche, Keller, 
Boden; Zweck und Ausstattung derselben. Was Robinson vom Schiffe 
in seine Hütte trug? Welche Werkzeuge und Geräte wir im Hause 
haben? 

Zeichnen: Ofen, Schrank, Sofa. 

III. u. IV. Stufe: Das Haus schützt uns gegen Wind und Wetter. 
Es muss fest gebaut sein. Es steht sicher, wenn es auf festem Grunde 
ruht und „im Lote^ steht. Gemeinsame Arbeit gehört zum Haasbaa. 



Naturkunde 163 

V. Stufe: Warum darf das Hans nicht auf lockern Sand gebaut 
^werden? Wie bauen die Leute, wenn das Haus auf den Saalwiesen 
feststehen soll? Wenn mitten in der Stadt ein Haus umgebaut wird, 
da stützen die Bauleute das Nachbarbaus. Wie erklärt sich das? Er- 
kläre : Einigkeit macht stark. Welche Häuser müssen die dicksten 
Mauern haben, weshalb? Nenne Häuser der Stadt, die dir gefallen. Die 
Schwalbe ist ein Maurer, der Specht ein Zimmermann. Wieso? Sagen: 
Das neue Haus ist aufgericht. (Uhiand.) Der kleine Zimmermann. (Sturm.) 

Bätsei: Sitzt ein Männchen auf dem Dach 

Schmaucht ein Pfeifchen Rauchtabak. 

7. Der Korbflechter 
(Robinson flicht sich Körbe) 

Besuch einer Korbflechterwerkstätte. Wie ein Korb geflochten 
wird? Weiden, woher? Wie behandelt? Korbgestell. Das Flechten 
selbst. Was sonst noch geflochten wird ? Was man ausser den Weiden 
noch zum Flechten benutzt? Rohr, Stroh, Bast, Schilf, Binsen. 

Zeichnen: Korb. 

8. Der Tischler 

(Robinson als Tischler) 

Besuch einer Tischler werkstätte. Stoffe, die der Tischler verar- 
arbeitet. Werkzeuge. Tätigkeiten. Gegenstände, die verfertigt werden. 
Preise derselben. (Abgabe an das Rechnen.) 

9. Schneider 

(Robinson als Schneider) 

a) Schneider: W^erkstätte; Stofte, die er verarbeitet; Nähmaschine; 
Tätigkeiten desselben ; Werkzeuge ; Kleidungsstücke, welche er anfertigt. 
Was dieselben kosten (Rechen Stoffe). 

b) Weber: Rohstoffe, welche er verarbeitet; Webstuhl; das Weben 
selbst; Stoffe, welche er webt. Wie dieselben noch weiter bearbeitet 
werden. 

10. Schuhmacher 

(Benutzung der Ziegenfeile) 

Besuch der W^erkstätte. Nähmaschine. Die Stoffe, die der Schuh- 
macher verarbeitet. Seine Tätigkeiten. Werkzeuge. Die Erzeugnisse 
der Arbeit. (Preise derselben: Rechenstoffe.) 

Modellieren und Zeichnen: Schuh, Stiefel. 

11. Die grosse Waldameise 

(Robinson richtet sich ein) 

Ziel: Die Ameisen als Baumeister. 

Anschauung: Ameisenhngel im Walde. Leben am, im und um 
den Hügel. Ameisenstrassen. 

11* 



164 Bas zweite Schuljahr 

Betrachtang: a) Das Hans sieht aas wie die Hänser der 
Schwarzen in Afrika.*) Es sind keine Ziegel darauf. Das Begenwasser 
läuft aber doch ab, denn das Dach ist gewölbt. 

b) Strassenbaner: Glatte Landstrassen. Sie fuhren in den Wald, 
ins Gebüsch, auf Bäume. Hin- und herlaufen der Ameisen. 

c) Zimmerleute: Herbeischleppen von Fichtennadeln, Holzstnck- 
chen, Grashalmen. Die geben die Balken im Hause. Stärke der kleinen 
Tiere. Werkzeuge. Helferdienste. 

d) Maurer: Herbeischleppen kleiner Steinchen. Maurerarbeit im 
Hügel. Speichel als Mörtel. 

e) Einrichtung des Hauses: Zellen, Vorratskammern, Wohn- 
zimmer, Kinderstaben. Puppen.**) 

f) Nahrung: Fleisch toter Tiere, Baumsaft. — Winter? Ameisen 
fleissig, emsig. Gehe hin zur Ameise, du Faoler, und lerne von ihr. 
Einigkeit macht stark. Beharrlichkeit fuhrt zum Ziel. 

12. Der Wald 

(Bobinson sieht sich auf der Insel um) 
Ziel: Der Wald als Baumstadt. 
I. Stufe: a) Erzählt wie Bobinson den Wald fand. 
b) Wie es in Jena aussieht: grosse, kleine, breite, schmale Häuser^ 
Strassen, Plätze, Bewohner, Mnsik, Polizei. 

II Stufe: Anschauen der Waldstadt, Hören, Blechen, Tiefatmen. 

a) Häuser? Die vielen Bäume. Eichen und Buchen die grössten. 
Fichten und Kiefern die schlankesten. Birken die frisch gestrichenen. 
Schornsteine? Blitzableiter? Strauchwerk. 

b) Strassen? Die Waldwege. Pflaster weich, es ist Gras, Laub 
und Moos. Blumen gestreut wie zur Hochzeit. 

c) Bewohner? In den Häusern wohnen Eichhörnchen, Kuckuck, 
Specht, Amsel, Drossel, Botkehlchen, Banpen, Maikäfer. In den Strassen : 
Hasen, Kaninchen, Bebe. Füchse, Käfer, Schnecken, Ameisen, Eidechsen. 

d) Stadtpolizei? Förster, Specht, Kuckuck, Amsel, Drossel . .. 
Wieso ? 

e) Konzert? Den ganzen Tag. Wer? 

III. u. IV. Stufe: Der Wald ist eine Banmstadt. Dort ist immer 
frische Luft. Die Stadt ist gesund. Dort kann man lustig singen wie 
die Vögel. Im Walde spielt es sich fein. Es wohnen viele Tiere im 
Walde. Hasen, Bebe und Füchse halten sich im Gebüsch und Dickicht 
versteckt. Nur selten sieht man sie. 

V. Stufe: Weshalb gehen viele im Walde spazieren? Warum bleibt 
es im Walde kühl? Aber in der Nacht? Wie verhältst du dich bei 
Gewitter im Walde? Welche Plätze darf man nicht betreten? Welche 
Blumen kennst du? Wer ist der Baumeister der Waldstadt. 

Sagen: Im Walde möcht' ich leben. Waldkonzert. (Dieffenbach.) 
Wer hat dich, du schöner Wald . . . 

'*') Die Anschauung stammt von Bildern, die jetzt reichlich vor die 
Augen und in die Hände der Kinder kommen. 

**) Vergl. Beichelt, Aus Heimat u. Fremde. Dresden. Meinhold 1904. 



Naturkunde 165 

13. Eletae und Flehte 

Ziel: Zwei Bäume, die das beste Bauholz liefern. 

Stoff: a) Eiche besonders dicker Stamm mit rissiger Borke, wächst 
langsam, Holz gelb, fest und schwer, zu Schwellen, Trägem, Säulen, 
Mühlradwellen und Möbeln verwendet. Haltbarkeit gross, fault nicht 
leicht. Sehr geschätzt, teuer. 

b) Fichte sehr langer Stamm, Rinde rot, Bottanne genannt, wächst 
schnell, Jahrestriebe, Holz weiss, harzig, nicht so fest wie Eichenholz. 
Bau- und Möbelholz. Brennholz. 

Wer bekommt Eichenkränze? Warum? Flösse aus Eichenstämmen 
^ibt es nicht. Erkläre das. Eichenmöbel werden nicht glatt poliert. 
Warum nicht? Wie ist das beim Fichtenholz? Fichte im Winter. Wen 
speisen Fichte und Eiche? Welche Spielsachen erhältst du von ihnen? 
(Zapfen — Eicheln, Eichelnäpfchen, Pfeifen.) 

Singen: 0, Tannenbaum . . . 

14. Rundschau auf die heimatliehe Landschaft yom Galgenberg aus 

(Robinson hält ümschaa von einem Berge ans) 

Stoff: Eernberge, Hausberg, Jenzig, Gleissberg im Osten, wo die 
Sonne aufgeht. Forst und Tatzend im Westen, wo die Sonne untergeht 
— Leuchtenburg weit im Süden. Landgrafen im Norden. Täler 
zwischen den Bergen. Strassen und Wege. Eisenbahnen, Stadt und 
Dörfer. Felder und Wälder. Modellieren des Bildes nach der Natur mit 
Plastilina auf einem Brett. Zeichnung auf der Schiefertafel. 

15. Die Wiese 

Ziel: Wir wollen unsere Saal wiesen genau betrachten. 

I. Stufe: Robinson fand auch Grasplätze. Wie sahen sie aus? 
Welche Tiere waren dort? 

II. Stufe: a) Zuerst grüner Grund unter Erlen und Weiden. 

b) Später viele Blüten: gelbe Dotterblumen, rosa und weisses Wiesen- 
schaumkraut, blauer Wiesensalbei und Storchschnabel, gelbe Hahnenfüsse, 
rote Archis und Nelken, weisse Schirmblüten von Kerbel und Möhre, un- 
zählige Grashalme. Boden weich. An manchen Stellen sumpfig. Schilf. 
Zirpen der Grillen. Quaken der Frösche. Schmetterlinge. Blumen. 
Hummeln. 

III. n. IV. Stufe: Die Wiese ist ein schöner Teppich. Es wird 
getanzt darauf. Frösche, Grillen und Hummeln sind die Musikanten, die 
Schmetterlinge sind die Tänzer. Da tanzen Pfaunauge, Fachs, Bläuling 
und Schwalbenschwanz lustig zur Musik. Sie ist auch eine Fatter- 
kammer für die Hanstiere. Der erste Grasschnitt heisst Heu, der zweite 
Grummet. Kühe und Pferde fressen Heu und Grummet gem. Die Kuh 
gibt viel Milch davon. 

V. Stufe: Warum ist die Wiese ein feiner Spielplatz? Ist unser 
Sportplatz an rechter Stelle angelangt? Wo gibt es Bergwiesen? Warum 
gedeiht das Gras besonders gut im Saaltal? 



166 ^&s zweite Schuljahr 

16* Star und Amsel 
Ziel: Zwei Wieseupolizisteii. 

I. Stnfe: Was unsere Stadtpolizisten zu tun haben. Tag und 
Nacht wachen. Auch Hnhe und Ordnung halten. Diebe festnehmen. 
Wer etwas zerstrört, wird auch bestraft. Ob Star und Amsel nicht 
auch Ähnliches tun? Der Star sitzt vor seinem Kasten und plappert. 
Wenn er Junge hat, füttert er sie fleissig. Die Amsel singt von der 
Baum- oder Dachspitze herab sehr fleissig, morgens und abends. 

II. Stufe: Gang auf die Wiese, a) Der Star spaziert durch das 
Gras. Er ist aufmerksam. Jetzt bückt er sich schnell und fasst etwaa 
mit dem Schnabel. Es ist ein Wurm, eine Raupe oder eine — Schnecke. 
Er spaziert weiter, schnappt bald wieder einen Käfer oder Wurm. Der 
Schnabel wird voll. Jetzt fliegt er weg. Wohin? Da kommt er schon 
wieder. Dieselbe Arbeit. Futtern der Jungen am Starkasten beobachten i 

b) Die Amsel hüpft im Grase umher. Auch aufmerksam. Auf ein- 
mal arbeitet sie schnell mit dem Schnabel im Gras herum. Erde fliegt 
empor. Bald hält sie einen Wurm im Schnabel. Weiterhüpfen. Sachen. 
Fangen. Schnabel voll Würmer und Raupen. Wegfliegen. Wieder- 
kommen usw. 

III. u. IV. Stufe: Im Gras auf der Wiese halten sich Würmer, 
Baupen und Käfer auf, die wollen das Gras fressen. Es gibt Regen- 
würmer, Tausendfüsse, grüne, bunte und Haarraupen. Das sind Feinde 
der Wiese, 2terstörer oder Verderber. Star und Amsel vertilgen sie. 
Star und Amsel sind Wiesenpolizisten. Die Amsel hat eine schwarze 
Uniform mit gelbem Säbel. Des Staren Uniform glänzt bläulich und es. 
sind graue Punkte darauf. Sie wachen nur am Tage, nachts schlafen 
sie. Die Wachtstuben sind die Nester. Dorthin werden die Wiesen- 
diebe gebracht nnd alle verzehrt. Die Wiesenpolizisten singen. 

V. Stuf e: Gib an, worin der Nutzen der Wiesenpolizisten besteht. 
Wir wollen eine Rechnung darüber machen, 6 Junge fressen täglich 
300 Ranpen und Schnecken usw. Wie machen es die Leute, damit immer 
mehr Stare kommen ? Wie nützen sie im Garten ? Wie steht es im 
Winter mit den beiden? Wie lohnt man der Amsel im Winter ihre 
Dienste? Stargesellschaften? Reise? 

Modellieren: Starkasten mit Star. 

17. Jäger und Jagd*) 

(Robinson als Jäger) 
Stoff: 

a) Robinsons Ausrüstung. 

b) Wie unsere Jäger aussehen: Jagdanzug, Jagdtasche, Flinte. 

c) W^omit sie schiessen: Patronen, Pulver, Schrot 

d) Was sie schiessen: Hasen, Kaninchen, Rebhühner, Enten, Schnepfen» 
Füchse und Rehe. 

e) Wie sie jagen: Suche mit dem Hunde, Anstand, Treibjagd. 

f) Jagdzeiten. 

g) Nutzen der erlegten Tiere. Wildbrethändler, Braten. 



*) Nur noch kurze Hinweise. 



Naturkunde 167 

Singen and Sagen: Mit dem Pfeil, dem Bogen. — Im Wald 
und aaf der Heide. 

Modellieren nnd Zeichnen: Flinte, Jagdtasche, Jagdstock, 
Jägersmann. 

18. Der Hase 

Ziel: Warum der Hase so furchtsam ist. 

Beobabtung im Freien nnd Bild. 

Stoff: a) Menschen, Hunde, Wölfe, Luchse, 

Katzen, Marder, Wiesel, Füchse, 

Adler, Uhu, Raben, Krähen, 

Jeder Habicht den wir sehen, 

Elstern auch nicht zu vergessen. 

Alles, alles will ihn fressen. 

b) Die vielen Feinde könoen ihn aber doch nicht vertilgen, denn 

a) Er hält sich versteckt. 

b) Er hat eine Schutzfarbe. 

c) Er hört sehr gut. 

d) Er läuft sehr schnell. 

c) Kaninchen als Stallhase. Vergleich. An ihm sehen, wie der 
Hase frisst, läuft, hoppelt, spielt, schläft. . . . 

Betrachtung des Gebisses. 

d) Der Hase erzählt seine Lebensgeschichte. Löfifel — Läufe — 
Lichter — Blume? Hasenlieder von Dieffenbach. Hasenspiele. Osterhase! 

Rätsel: Kannst du mir sagen, wer das ist, der immer mit zwei 
Löffeln frisst? 

Modellieren: Hase. Schattenbilder an der Wand. 

19. Fischer und Fischfang 

(Robinson als Fischer) 

Beobachtung des Fischfanges an der Saale und Besuch einer Fisch- 
handlung. Forelle, Karpfen, Aal, Weissfisch. Vergleichende Beschreibung. 
Die Fische der heimatlichen Gewässer: Lebensweise. Wie die Fische 
gefangen werden? (Mit der Hand, der Angel, dem Netz.) Beschreibung 
und Anwendung der Fangwerkzeuge. Wie andere Tiere gefangen 
werden? Wozu die Fische gefangen werden? Wie sie schmecken? See- 
fische, Hering. 

Modellieren und Zeichnen: Angel, einen Fisch in einfacher 
Form. 

Sagen: Fischlein, Fischlein, du armer Wicht . . . 

(20. Kuh, Pferd, Schaf, Schwein) 

Robinson will Viehzüchter werden 

Besuch eines Bauernhofes. Stallungen der Tiere. Fnttervorrichtnngen. 
Fütterung. Wie fressen nnd saufen die Tiere? Wie Kühe und Schafe 
kanen, ohne zu fressen. Wiederkäuer. 

Kuh nnd Pferd im Dienste des Menschen. 

Schafe auf der Weide. Schwein beim Wühlen nnd in der Sohle. 



163 DtL% zweite Schuljahr 

Eigener Ventbek, aos Milch Butter and Else sa bereiten. 
Behandlung der Tiere nach „SchmdL*^ 

21. ZeiteiBteUnng 

(Erster Jahrestag auf der Insel) 

a) Das Jahr und seine Einteilung: Zwölf Monate, Namen mid 
Reihenfolge derselben; Wodien, Tage, die sieben Wochentage. Kalender; 
Einrichtung desselben; ein Schnlkalender an einer Wandtafel oder anf 
einer Pappe. (Abgabe an den Rechenonterricht.) 

bj Der Tag and seine Einteilung: Vormittag, Mittag, Nach- 
mittag, Abend, Nacht; 24 Stunden. Uhr, Räderuhr, Beobachtungoi über 
den Sonnenlauf. Schattenmessungen, Sonnenuhr, Anfertigung einer Sonnen- 
uhr auf dem Schulplatze. (Abgabe an den Rechenunterricht) 

Rät sei: Welche Uhr hat keine Räder? 

Sagen: Gott im Himmel hat gesprochen. 

Bingen: Uhrlieder. 

Zeichnen: Wanduhr. 

22. Witterung und Jahresseiten 

(Jahreszeiten auf RobiDdons InaeL Robinson sorgt for den Winter) 

Witterung und Jahreszeiten auf Robinsons Insel und bei 
uns. Zusammenfassung der Jahresbeobachtnngen : täglicher und jährlicher 
Sonnenlauf; Tag- und Nachtlängen; Kälte, Wärme, Schnee, Eis, Regen, 
Hagel, Gewitter. Unsere vier Jahreszeiten, und wie sie sich von ein- 
ander unterscheiden. Thermometer, Wärme- und Kältegrade. (Abgabe 
ans Rechnen.) 

Sagen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind des guten 
Gottes Kinder. 

23. Arzt, Apotheke, Krankenhans 

(Robinson wird krank) 

Anzeichen vom Krank werden: Frost, Fieber, Mattigkeit, Kopf- 
schmerzen, Erbrechen, Temperaturmessung. Bettruhe. 

Arzt: Untersuchung, Verordnungen, Rezepte, Arznei, Apotheke. 

Krankenhaus, wenn die Krankheiten ansteckend sind wie Scharlach, 
Diphtheritis, Typhus. Dort gute Pflege, denn: darauf eingerichtet, Arzt 
immer da, verständige Pfleger und Pflegerinnen, barmherzige Schwestern. 

Genesung. Vorsicht nach der Krankheit. 

Gesundheitsregeln. 

24. Saat und Ernte (Feldbau) 

(Wie Robinson sät und erntet) 

Vorbereitung des Bodens durch Düngen, Pflügen, Eggen. Acker- 
geräte. Aussaat; Wachstum; Reife. Getreidearten. 

Vergleichende Beschreibung derselben. Ernte; Emtearbeiten ; Ernte- 
arbeiter; Werkzeuge. (Stoffe fürs Rechnen.) 

Sagen: Wer merkts am Samenkorn, so klein. 

Modellieren und Zeichnen: Wagen, Sense, Dreschflegel, Egge, 
Pflttg> 

♦) Vgl. Erstes Schuljahr. 



Naturkunde lg9 

25. Die Maus als Bauernfeind 

Anschauung: Viele Löcher, Erde wie ein Sieh, Mänsewege. Huschen- 
der Lauf darauf, Wühlarheit, Mäusefrass, Schaden. Mäusefallen auf den 
Äckern, Vergiftung. Anfgrahen einer Erdwohnung. Nest und Junge. 
Starke Vermehrung. Mäusejahre. 

Betrachtung einer Feldmaus. Vergleich mit der Hausmaus. Gehiss 
vergleichen mit dem des Hasen. 

26. Die Krähe als Bauernfrennd 

Anschauung: Gang hinter dem Pfluge her. Auflesen von Enger- 
lingen und Wärmern. Haschen der Mäuse. 

Fliegende Katze. Fangwerkzeuge: Krallen und dicker Schnahel. 
Nutzen. — Schaden der Saatkrähenheere auf juugen Saatfeldern. Ziehen 
am Morgen und Aheod. Nestkolonien. 

Betrachtung der Krähe io der Gefangenschaft oder nach einem Bild. 

27. Feuer und Lieht 

(Robinson sorgt für Beleuchtung seiner Wohnung) 

a) Feuer, Feuerzeuge, Brennstoffe, Flamme, Licht und Wärme; 
Kochen der Speisen, Erwärmen der Stuben. Russ, Kohle, Asche, Herd, 
Ofen, Schornstein, Schornsteinfeger. Blasebalg. 

b) Licht. Lampen. Beschreibung unserer Lampen. Leuchtstoffe, 
Öl, Petroleum, Gas, Elektrizität. Leuchtkraft der Leuchtstoffe. Es ist 
gut, dass wir Licht anmachen können. Warum? — Gefahr. Vorsicht. 
Laterne. 

Modellieren und Zeichnen: Herd, Ofen, Leuchter mit Talg- 
licht, Öllampe, Schirmlampe. Znsammenstellung von Tisch und Licht. 
Rätsel: Ich wohne zwar in jedem Haus, 

Doch seh ich fast immer anders aus. 
Obwohl mich niemand entbehren kann, 
Sieht man mich kaum im Sommer an, 
Lässt stehen mich in der Ecke dort 
Mit leerem Magen immerfort. 
Kaum aber bricht der Winter ein, 
So ruft man gleich die Magd herein. 
Die stopft mir voll den hohlen Magen; 
Dann sammeln um mich mit Behagen 
Sich Herren und Frauen und die Kinder, 
Die drängen gern zu mir sich hinter 
Und reiben die Hände und streicheln mich auch 
Und horchen, wie's knistert in meinem Bauch. 

(Scherer.) 

28. Der Töpfer 

(Robinson als Töpfer) 
Eigene Versuche, einen Topf aus Ton zu formen und im Feuer zu 
härten. Besuch einer Töpferei. W^erkstätte: Zubereitung des Tones; 
Formen der Geschirre; Brennen derselben; Glasur: Verzierungen. Was 



170 ^c^s zweite Schuljahr 

für Geschirre gefertigt werden : Töpfe, Teiler, Tassen, Schüsseln. Preise 
derselben; zerbrechlich. Geschirre ans Porzellan, Steingut, Glas. Ver- 
gleichnngen. 

Modellieren und Zeichnen: Tasse, Topf. Gedeckter Tisch» 

29. Mttller und Mtthle 

(Robinson als Müller) 

Wie Robinson sich aus Gerstenkörnern Mehl bereitet? Wie es bei 
uns geschieht? Gang nach der Mühle und Betrachtung der Einrichtung. 
Der Mehlwurm. Besprechung des Geschehenen in der Schule unter Ver- 
deutlichung durch Zeichnungen. Wasser-, Wind-, Handmühlen. Mehl- 
früchte. Was sonst noch gemahlen wird? Kaffee, Sand, Gyps. Ge- 
treide- und Brotpreise. (Abgabe ans Rechnen.) 

Sagen: Es klappert die Mühle. 

Modellieren und Zeichnen: Windmühle, Kaffeemühle. 

30. Bäcker und Brotbereitnug 

(RobiDson als Bäcker) 

Gang zum Bäcker. Mehl, Teig, Backtrog, Sauerteig (Hefe). Ein- 
sänern. Auswirken. Backofen. Ofenschüssel. Backen. Farbe, Geschmack 
des Brotes. Aussehen. Was sonst noch gebacken wird? Wie? Ver- 
gleichungren. Werkzeuge im Backhaus. Das Heimchen als Backhaus- 
musikant. Wer bei euch im Hause auch bäckt? Was? Wie? Waa 
das Backwerk kostet? (Abgabe an den Rechenanterricht.) 

Sagen: Lieber Gott, du gibst zu essen. 

Zeichnen: Backofen. Brotschieber. Semmel. Bretzel. 

31. Schule und Kirche 

(RobiDson als Lehrer) 
Besuch eines Gottesdienstes. Unsere Erbauungsstunden. 

32. Das Geld 

(GeldfuDd Robinsons) 

Zeigen und Besprechen der Markmünzen; Kupfer-, Nickel-, Silber- 
und Goldmünzen. Vergleichende Beschreibung derselben. Werttabelle. 
Sachgebiete fürs Rechnen im Zahlraum von 1 — 100. Papiergeld. Wie 
man auf ehrliche W^ise zu Gelde kommt? Was man dafür kaufen 
kann? Was einzelne Dinge kosten? Reiche and Arme. (Abgabe an 
das Rechnen.) Vergl. Lehrbeispiel. 

33. Winter, Weihnachten 
(Robinson feiert WeihDachten) 

Schnee, Eis, Kälte, kurze Tage, lange Nächte. Winterfreuden anf 
dem Schnee und Eis. Winterleiden bei Menschen nnd Tieren. Daa 
W^intervierteljahr , Anzahl der Tage, Wochen desselben (Abgabe ana 
Rechnen). 

Sagen: Winterzeit, kalte Zeit. Gefroren hat es heuer. 

Modellieren und Zeichnen: Schlitten, Ghristbaum, Spielsachen. 

Singen: Alle Jahre wieder. Vom Himmel hoch. 

Sagen: Dn lieber, frommer, heiiger Christ. 



Naturkunde 171 

34. Winters Abschied 

(Im Anschluss an die Jahreszeit und den Schulschluss) 

Osterfest. 

Singen und Sagen: Winter ade, Scheiden tut weh. 



X. Lehrbeispiele 

1. Die Saale bei Jena*) 

Ziel: Wir wollen an die Saale gehen und sie uns genau betrachten. 

I. Stufe: Ihr habt schon mancherlei davon gesehen: Sie fliesst durch 
das Paradies. Es schwimmen Flösse und Kähne darauf. In der Rasen- 
nnd Brnckenmühle dreht die Saale die Mühlräder. Manchmal über- 
schwemmt sie den Steinweg und Wenigenjena und reisst Brücken und 
Häuser um. Einmal, 1890 ist die Saale sehr hoch gewesen. Im Paradies 
zeigen es die Wassermarken an. Da hat sie Brücken und Häuser ein- 
gerissen. Die Camsdorfer Brücke hat sie aber nicht einreissen können. 
Die ist aus grossen Quadersteinen gebaut und steht sehr fest. 

Nun wollen wir hingehen. Es gibt noch viel zu sehen und zu lernen. 

II. Stufe: a) Der Auszug: Von der Schule gehen wir durch 
die Grietgasse bis zur Ostschule. Dort biegen wir rechts um in die 
Paradiesgasse, die bis zur Schützenbrücke im Paradies führt. Wer 
zeichnet den Weg mit dem Stock hier in den Sand weg! 

b) Die Umschau: 

1. Der Strom 

Die Saale ist sehr breit. Wir wollen messen. Wie kann es geschehen ? 
Wir messen sie über die Schätzenbrücke weg. Es sind 60 Schritte. Sie 
fliesst langsam. Da kommt Wasserschaum geschwommen. Geht ihm 
nach! Er schwimmt nicht schneller, als wir im Schritt gehen. Warum 
kommt das Wasser nicht zu uns auf den Promenadenweg? Es kann 
nicht über die Ufer. Es fliesst in einer tiefen Mulde, die heisst Bett. 
Die Saale schläft aber nicht in ihrem Bette, sondern sie läuft darin 
immer weiter. Wie sind die Ufer ? Tretet auf die Schützenbrücke und 
schaut dorthin wo die Flösse mit dem Saalwasser fliessen. Hebt die 
rechte Hand hoch. Sie zeigt auf das rechte Saalnfer. Jetzt die linke 
Hand hoch! Sie zeigt auf das linke Ufer. Auf welchem Ufer stehen 
das Schützenhaus, die Paradieswirtschaft? Wo fährt die Eisenbahn? 
Wo sind die Saal wiesen? Schaut jetzt dahin, woher die Flösse kommen! 
Wo fährt jetzt die Eisenbahn? Mehr Übungen! Wie findet man das 
rechte und linke Ufer? Wie sieht das Wasser aus? Grund sehen? 
Seht ihr euch selbst? Was noch? Himmel, Bäume, Berge, fliegende 
Schwalben. Jetzt wollen wir Steine in die Saale werfen. Wie wird es 
mit den Bildern? Dort fliesst die Saale rascher. Bilder? 

Zusammenfassung. 



•) 8 — 4 Gänge sind gedacht. 



172 I^fts zweite Schuljahr 

2. Kähne and Flösse 

a) Kähne: Hier sind sie alle festgehnnden. Das ist der Hafen. 
(Bahnhof.) Seht den Kahn an! Vorn and hinten ist er spitz, in der 
Mitte breit. Hinten ist ein Steaer. Es kann nach links and rechts 
gedreht werden. Das sind die Rader. Die sehen aas wie Schaafeln. 
Da rädert ein Mann los. Wie macht er es mit den Hadern? Wie fährt 
der Kahn darchs Wasser? Er schneidet darch. Jetzt rädert er nicht 
mehr. Was seht ihr? 

Zasammenfassang : 

b) Flösse: Wohin schwimmen sie? Wie sind die Stämme zusammen- 
gekettet? Zählt die Stämme! Bader? Es sind keine da. Der Mann 
hat eine lange Stange. Damit sticht er in den Grand der Saale and 
treibt das Floss anter sich weg. Wann mass er die Stange heraas- 
ziehen? Wohin läuft er, wenn er wieder einstechen will? Warum? 
Steaer? Es ist eins da, aber es ist vorn angebracht und ist wie ein 
langes Ruder Beobachtet, wie der Flösser steuert! 

Zusammenfassung. 

3. Auf der Kiesbank 

Gang zur Kiesbank. Wo ist sie? Unterhalb des Raäenmühlenwehrs. 
Wie kommt sie hierher? Angeschwemmt durch die Saale. Was wir 
sehen: Steine und feinen Sand. Beschaut die Steine genauer! Alle sind 
glatt. Manche sehen aus wie ein Ei oder eine Kugel, andere gleichen 
einem Hammer, einem Messer, einem Spiess. Ecken? Fast keiner hat 
Ecken. Wie kommt das? Hier sieht man es: die Wellen schlagen 
immer ein Stück über die Kiesbank und treiben kleine Steinchen und 
Sand über die grösseren Steine. Da geschieht etwas, wie an einem 
Schiefer oder Bleistiften! Die nutzen sich ab und die Steine reiben sich 
ab. Alle Ecken gehen weg. Die meisten Steine liegen aber doch still? 
Wanderung auf dem Grunde bis hierher. Lebensgeschichte der glatten 
Steine ! 

Zusammenfassung. 

4. Am Mühlrad 

Wie das Wasser hier schiesst! Wie kommt das? Es ?st eine Schleusse 
gebaut. Darüber staut sich das Wasser und nun schiesst es rasch den 
schrägen Weg ab. Ist es nötig, dass es so rasch laufen muss? Ja, 
da hat das Wasser mehr Kraft. Es schiesst vor das Mühlrad und dreht 
es um. Seht, wie es sich dreht! Hört, wie es in der Mühle rasselt! 
Da gibts schwere Arbeit zu tun. 

5. Auf der Wiese 

Was hier in den Büschen hängt und wie sich die Büsche neigen ! 
Das kommt von der Überschwemmung! 

Was die Saale hierher geschwemmt hat! Es ist feine, gelbe Lehm- 
erde. Woher mag die kommen? Erzählung darüber. Was sagt der 
Wiesenbesitzer wohl über die Erde? Düngung! 



Naturkunde 173 

Wie die Schuhe nass werden, und es hat doch nicht geregnet. 
Seht die Grashalme an! Laater Wasserperichen sind darauf. Woher? 
Die Luft ist noch neblig über der Wiese, am Berge nicht. Der Nebel 
kommt von der Saale. Was macht die also. (Abendnebel !) Was sagt 
der Wiesenbesitzer dazu? 

Zusammenfassung. 

6. An der Badeanstalt 

Einrichtung! Springen, Tauchen, Schwimmen. Wie schwimmt man? 
Gesundheit. 

Zusammenfassung. 

III. Stufe: Ob die Saale nicht vieles wie ein Mensch macht? 

a) Sie trägt wie ein Dienstmann. Sie trägt Kähne und Flösse auf 
ihrem Rücken. Der Dienstmann trägt die Koffer bergauf, bergab. 
Die Saale kann nur bergab forttragen. Sie kann aber viel schwerer 
tragen. Steine und Sand schafft sie auch fort. Sie treibt auch mit 
grosser Kraft die Mühlräder. 

b) Am Rasenmühlen wehr und vor der Camsdorfer Brücke hat sie Kies- 
inseln und Kiesbänke aufgebaut. 

Sie arbeitet auch wie ein Baumeister. 

c) Die Steine schleift sie überall rund. Sie ist ein Schleifer. 

d) Sie malt wie ein Maler, aber rascher. Sie malt aber alles umgekehrt. 

e) Sie düngt und begiesst die Wiesen wie ein Gärtner den Garten. 

f) Sie erhält die Menschen gesund wie ein Arzt. Der Arzt sagt auch: 
Badet, in der Saale und lauft Schlittschuhe darauf das ist gesand. 

IV. Stufe. Die Saale ist ein Dienstmann denn sie trägt Kähne 
und Flösse und treibt Mühlen. Sie ist ein Baumeister und baut Kies- 
inseln und Kiesbänke. Sie reisst auch ein. Sie ist ein Schleifer, denn . . . 
Sie ist ein Gärtner, denn ... Sie ist ein Maler, denn ... Sie ist ein 
Arzt, denn ... 

V. Stufe: Ist die Saale eine Wasserstrasse? Weshalb kommt das 
Flossholz nicht mit der Bahn, die an der Saale hinführt? Sie ist ein 
billiger Dienstmann. Wieso? Welche Leute sehen es gern, wenn die 
Saale das Tal überschwemmt? Grund dafür. Wann sehen sie es nur 
gern? Wann und warum wird die Saale gefährlich? Wie heissen im 
Saalliede die Saalufer? Welchen Zweck haben die Wehre? Wie kann 
ein Kahn auch stromaufwärts schwimmen? Was liefert die Saale für 
den Hausbau, den Strassenbau, die Küche? Wo ist es an der Saale be- 
sonders schön? W^ann ist es besonders angenehm dort? Ist es gesund 
Saalwasser zu trinken und warum nicht? Baut die Saale in unsern Sand- 
haufen. Modelliert sie mit der Schützen brücke. 

Wer kann ein Lied von der Saale singen? 

2. Das Rotauge ein Saalfisch 

Ziel: Wir wollen einen Saalüsch genauer betrachten. 

I. Stufe: Unter der Schützenbrücke schwimmen viele Fische herum. 
Sie warten auf Brotstückchen, die ihnen die Menschen zuwerten. Wenn 
ein Stückchen Brot in die Saale fällt, kommen eine Menge Fische ge- 



174 ^&s zweite Schu^'ahr 

schwömmen und schnappen danach. Sie sind aber sehen dabei and haschen, 
wenn sie einmal danach geschnappt haben, in die Tiefe. Dann kommen 
sie wieder. Sie schwimmen sehr gewandt and bleiben immer anter dem 
Wasser. Nor manchmal springt einer ein wenig hoch über das Wasser. 

II. Stnfe: Hier ist ein Saaifisch im Glase. Schaat ihn genan an! 

1. Wie er aassieht. 

a) Die Angen. Sie haben einen rotgelben Kranz. Der Fisch 
heisst darnm Rotauge. Er kann die Angen nicht schliessen. 

b) Das Kleid. Es sind Schnppen. Sie liegen wie die Dach- 
ziegel übereinander. Anf dem Rücken sind sie blangraa, 
nach den Seiten werden sie heller and kleiner. Am Banche 
sind keine Schnppen mehr deutlich za sehen. Der Banch 
ist weiss. 

c) Die Flossen. Der Fisch hat keine Beine. Dafür hat er Flossen. 
Wo? Wie viele? Welche ist die grösste? Zeichne sie an! 
Schaat die Flossen gegen das Licht an. Es sind Strahlen 
darin. Das sind die Finger and Zehen. Bewegung der 
Flossen. 

Zasammenfassung. 

2. Waram der Fisch im Wasser leben kann. 

a) Achtet auf das Maul. Er macht es immer auf und zu. Ob 
er das Wasser in den Leib schluckt? Hinter den Angen 
sind zwei Deckel, Klappen, da kommt es wieder heraus. 

b) Der Fisch ertrinkt darum nicht. Er kann aus dem Wasser 
Luft atmen. 

Zusammenfassung. 

3. Wie der Fisch schwimmt. 

Er schlägt mit der Schwanzflosse gegen das Wasser. Die Schwanz- 
flösse ist sein Ruder. Die andern Flossen helfen mit. Nach 
welcher Seite schwimmt der Fisch, wenn er mit dem Schwanz 
nach rechts, nach links schlägt? Steuert er auch? Womit 
und wie? 

4. Warum der Fisch gut schwimmen kann. 

a) Sein Körper ist zusammengedrückt, nicht wie eine Walze. 
Dazu nach vorn und hinten dünn. Darum kann er gut durch 
das Wasser. Versuche mit der flachen und hohen Hand. 

b) Hier ist ein toter Fisch, dem wir den Leib aufschneiden wollen. 
Da kommt ja ein merkwürdiges Ding zum Vorschein. Eine 
Blase ist es. Zeichne sie an. Die macht den Fisch leicht, 
denn eine Blase schwimmt. Der Fisch hat den Schwimmgürtel 
im Leibe, wir legen ihn um den Leib. 

Zusammenfassung. 

III. Stufe: Ist der Fisch nicht ein Taucherboot ? *) Ja, denn sein 
Körper ist ähnlich geformt. Er schwimmt auch immer unter dem 
Wasser. Vergleiche den Fisch mit einem Kahn. Wodurch unterscheiden 
4sich beide. Vergleicht das Schwimmen des Fisches mit dem der Ente. 



*) Das Taucherboot ist ein verbreitetes Spielschiffchen. 



Naturkunde 175 

IV. Stufe: Der Fisch kann im Wasser atmen. Er hat eine 
Schwimmblase im Leibe, die ihn im Wasser trägt. Der Fisch ist ein 
lebendiges Taucherboot. 

V. Stufe: Nenne andere Fische, die wir beim Fischhändler sahen. 
Welcher ist wie eine Schlange geformt? Welche schmecken gut? Kann 
der Fisch schreien? Wo sind die Saalfische im Winter? Warum 
schlafen sie? Was weisst du über die Nahrung der Saalfische? Wie 
fängt man die Fische? Warum darf nicht jedermann angeln? 

Modellieren: Der Fisch. 

3. Die Kuh als guter Wirt*) 

Ziel: Die Kuh ist ein guter Wirt für Kinder und erwachsene 
Menschen. 

I. Stufe: Robinson hatte auch gute Wirte: Das waren seine Ziegen. 
Sie gaben ihm Milch. Die schmeckte Robinson gut und machte ihn satt 
und stark. Von den Ziegen erhielt er auch Fleisch und Kleider. Robin- 
son pflegte seine Freunde und Wirte auch recht gut. Wie denn ? Nun 
nnsern guten Wirt betrachten. 

II. Stufe: Nach den Beobachtungen im Bauemstall und Bauern- 
haus und eigenem Versuch: 

1. Wo die Milch herkommt. 

Die Bauersfrau setzt sich auf einen Schemel, nimmt einen Eimer zwischen 
die Knie und melkt die Milch hinein. Sie melkt an den Strichen des 
Enters. In jeder Hand hat sie einen Strich und drückt die Milch im 
Takt heraus. Die eine Kuh gibt mehr Milch als die andere. Die Kühe 
halten still, wenn sie gemolken werden. 

2. Was die Frau mit der Milch macht. 

a) Die frisch gemolkene Milch giesst sie durch ein Tuch (Seih- 
tuch) oder feines Sieb in ein anderes Gefäss. Sie seiht die Milch, 
damit sie ganz rein wird. 

b) Die Milch kommt in die Milchstube und wird dort in Schüsseln 
hingesetzt, damit sie sauer wird. Die Kaffeemilch und die Kinder- 
milch wird gekocht. 

c) Von der sauren Milch wird der Rahm oder die Sahne abgeschöpft. 
Daraus rührt oder leiert die Frau Butter und bekommt dabei Butter- 
milch. 

d) Aus der Sauermilch wird „Matz^ und Molke. Die Molke kann 
man trinken, und aus dem Matz wird Käse gemacht. 
Zusammenfassung. 

3. Wie uns die Kuh Fleisch gibt. 

Im Schlachthaus wird sie geschlachtet. Der Fleischer verkauft dann 
ihr Fleisch. Es heisst Rindfleisch und wird gebraten und gekocht. Das 
FeU heisst Talg. 

4. Die Kuh gibt uns noch mehr, doch darüber wollen wir ein ander 
mal sprechen. 



*) Nur der Nutzen durch Milch und Fleisch soll ins Auge gefaast 
werden. 



176 J^a-s zweite Schuljahr 

m. Stufe. Wieso ist die Enh ein guter Wirt? Sie gibt uns: 
Milch, Butter, Käse und Fleisch. Wie müssen die Bauersleute dafür bezahlen? 
Durch gutes Futter, gute Streuh und gute Pflege. B«inhaltung. 

IV. Stufe. Die Kuh ist unser Wirt und Freund. Milch, Butter, 
Käse und Rindfleisch sind gute Nahrungsmittel. Für Kinder sind Milch, 
Butter und Käse am gesundesten. Kleine Kinder nähren sich nur 
von Milch. 

V. Stufe. Wann gibt die Kuh viele und gute Milch? Wie hält 
ein tüchtiger Bauersmann seine Kühe? Welches Futter gibt die beste 
Milch? Was weisst Du von der Molkerei zu erzählen? Was verkaufen 
die Milchwagen in der Stadt? Preise der Milch? Wie kommt es, das 
Magermilch billiger ist als Vollmilch ? Welche Milch können kleine Kinder 
nicht vertragen ? Wie muss die Mutter die Milchflaschen halten ? Weshalb? 

Sagen: Muh, muh, muh ! 

So ruft im Stall die Kuh. 

Sie gibt uns Milch und Butter, 

Wir geben ihr das Futter. 

Muh, muh, muh! 

So ruft im Stall die Kuh. 

4. Das Kochsalz 

Ziel: Wir wollen von unserm Salz sprechen. 

1. Stufe: Erzählt, wie Robinson Salz erhielt, wozu er es brauchte 
und was es ihm nützte. 

IL Stufe: 1. Wozu wir das Salz brauchen. 

a) Die Mutter salzt die Suppen und Gemüse damit. Auch in den 
Kuchen tut sie etwas Salz. 

b) Wir streuen Salz auf das Schmalzbrot, essen es zu Eiern und 
Fleisch. In der Butter ist auch Salz. 

c) Der Fleischer salzt die Wurst, den Speck und Schinken. Er 
verkauft Salzknocben und Pökelfleisch. Beides hält sich im Salz- 
wasser. Die Heringe sind eingesalzene Fische. 

Zusammenfasnng. 

2. Warum wird gesalzen. 

a) Die Speisen schmecken besser. 

b) Fleisch und Fische faulen nicht. 

3. Woher das Salz kommt. 

a) Versuch: Salz im Wasser auflössen und das Wasser wieder 
verdunsten lassen. 

b) Erzählung vom Quell- und Steinsalz. 

III. Stufe: Das Salz ist ein Gewürz. Vergleiche Salz und Pfeffer, 
Salz und Zucker. 

IV. Stufe: Das Salz ist ein Gewürz es macht viele Speisen schmack- 
haft und verdaulich. Es bewahrt Fleisch und Fische vor dem Verfaulen. 
Man darf nicht zu viel Salz essen. 

V. Stufe: Wie tauen die Leute aufgefrorene Deckel der Kanalisation 
auf? Was für Salz nehmen sie dazu? Zu welchen Nahrungsmitteln 
schmeckt Salz nicht? Was sind Soleier? Was weisst du von Solbädern^? 



Naturkunde 177 

5. Das Geld*) 

Ziel. Wir wollen das Geld kennen lernen, für welches wir die 
Sachen kaufen, die wir brauchen. 

L Stufe. Auf dem gescheiterten Schiffe fand Robinson auch ein 
ganzes Säckchen voll blanker Taler, viele hundert Stück. Darüber hat 
er sich wohl recht gefreut? Es fehlte ihm ja so Vielerlei, nun konnte er 
dch anschaffen, was sein Herz begehrte? Er konnte sich ein neues 
schönes Haus bauen lassen? Ach, es waren ja keine Zimmerleute auf 
der Insel. Er konnte sich schöne Kleider kaufen? Ja, wo war ein 
Schneider, der sie ihm hätte machen können? Er konnte sich Brot, 
Kuchen, Fleisch, Wurst, Zucker, Chokolade dafür holen? Aber wo war ein 
Bäcker, ein Metzger, ein Chokoladengeschäft auf seiner Insel? Was 
hat er nun von dem vielen Geld? Was kann er damit anfangen? Gar 
nichts ; es war ja niemand da, bei dem er etwas dafür hätte kaufen können. 
Er nahm das Geld mit, aber gefreut hat er sich nicht darüber. Die 
Messer und Gabeln, der Hammer und das Beil waren ihm viel lieber, 
als der Haufen Geld. 

Wenn er's uns hätte schenken können, uns hätte es genützt. Was 
hätten wir uns dafür kaufen können? Gibt's bei uns nicht auch Geld? 
Wiederholung des Ziels. 

II. Stufe, a) Anschauen und Besprechen unser Münzen: der 
Pfennig, das Zweipfennigstück, das Fünf- und Zehnpfennigstück, das 
Fünfzigpfennigstück, die Mark, die Doppelmark, das Fünftnarkstück , das 
Zehn- das Zwanzigmarkstück; Form, Grösse, Gepräge auf beiden Seiten; 
Stoff, aus dem es geprägt sind: Kupfer, Nickel, Silber, Gold; Wert der 
einzelnen Stücke. 

b) Papiergeld: der Fünf-, Zwanzig-, Hundertmarkschein. Beschreibung 
derselben. 

III. Stufe: a) Das Geld als Tauschmittel. Bequemlichkeit. 

b) Wie kommt man auf ehrliche Weise zu Gelde? 

c) Was kann man sich alles dafür kaufen? 

IV. Stufe, a) Sagt jetzt alle unsere Geldstücke in geordneter Reihe 
von dem , was am wenigsten, bis zu dem, was am meisten gilt ! (Der 
Pfennig, das Zwei-, Fünf-, Zehn-, Fünfzigpfennigstück, die Mark, das 
Zwei-, Fünf-, Zehn-, und Zwanzigmarkstück.) 

b) Die Kupfer-, Nickel-, Silber-, und Goldmünzen. 

V. Stufe, a) Nennt die Münzen der Reihe nach rückwärts vom 
Zwanzigmarkstück an. 

b) Wie viele einzelne Pfennige, Fünipfennigstücke, Zehnpfennigstücke 
bekommt man für eine Mark? Wie viel Zwei-, Fünfmarkstücke für ein 
Zehn-, Zwanzigmarkstück? usw. 

Was man für einen Pfennig, für zwei, fünf, zehn, fünfzig Pfennige, 
für eine Mark bekommt? (Einen Stift, einen Bogen Papier usw.). Was 
einzelne Dinge (ein Paar Handschuhe, ein Paar Schuhe, ein Bleistift, 
ein Pfund Zucker usw.) kosten? 

Abgabe dieses Stoffes an den Rechnenunterricht. 



*) Fast unverändert aus der alten Auflage. 
Dm sweite Schuljahr. 12 



178 ^^9 zweite Schuljahr 

6. Die Getreidearten *) 

(Im Anschluss an Bohinsons Getreidehau , nach vorausgegangener An- 
schauung im Freien) 

Ziel. Wir wollen die Gewächse besprechen, die wir gestern auf 
dem Felde gesehen haben; welche also? Korn, Weizen, Gerste und 
Hafer. 

I. Stufe. Auf welchen Feldern sind wir gewesen? Wege dahin, 
Himmelsgegenden. Anf jenem haben wir Eorn und Weizen, auf diesem 
Hafer und Gerste gesehen. Als wir zum erstenmal aufs Feld kamen, 
sahen das Eorn und der Weizen aus wie Gras. Im Sommer ist es* gross 
gewachsen und gelb geworden. 

II. Stufe, a) Vergleichende Besprechung der vier Ge- 
treidearten: Das Eorn so hoch wie ein Mann, grösser als Weizen und 
Gerste. Wie folgen sie der Grösse nach aufeinander? — Bei dem Eorn, 
dem Weizen, der Gerste sass oben auf dem Stengel (Halm) eine Ähre, 
beim Hafer nicht, dieser hat eine Rispe. Die Ähren haben noch Haare 
(Grannen); dieselben sind beim Weizen kürzer, bei der Gerste länger aU 
bei dem Eorn. 

b) Besprechung der einzelnen Arten. Das Eorn: Stengel lang, 
hohl, Enoten, mit Blättchen wie Gras. Ähre, Eörner in Blättchen 
(Tütchen) steckend, an den Tütchen die Haare; dieselben kratzen, wenn 
man rückwärts mit dem Finger über sie hinstreicht. Wurzel in der 
Erde, hält den Halm fest, dass ihn der Wind nicht umblasen kann« — 
Zusammenfassung. . 

Nach denselben Gesichtspunkten werden auch die drei andern Ge- 
treidearten im einzelnen betrachtet und besprochen. 

c) Wie ist das Getreide auf den Acker gekommen? Der Acker ge- 
düngt, geackert, geeggt; Saat, Herbstsaat, Frühjahrssaat; Wintergetreide, 
Sommergetreide: Zeit der Reife. Ernte. 

III. Stufe, a) Welche Getreidepflanzen haben eine Ähre? welche 
eine Rispe? Was haben sie alle für einen Stengel (Halm)? (Hohl, mit 
Enoten.) Welche Gewächse kennt ihr von unsern Spaziergängen her, 
die auch einen solchen Stengel (Halm) haben, wie Eorn und Weizen? 
(Grashalme an den Zäunen:) Haben dieselben auch Ähren mit Eörnem ? 
Die Grashalme aber nicht so dick, die Eörner nicht so gross und 
schwer, wie bei Eorn und Weizen. Was für einen Stengel hat aber der 
Flachs ? Nicht hohl, keine Enoten, oben keine Ähre, sondern kleine Äst- 
chen und Knoten daran, b) Wie bringt man die Eörner aus der Ähre? 
Wie heissen die Getreidehalme, wenn die Eörner ausgedroschen sind? 
Was für Stroh gibt es? (Eorn-, Weizen-, Gersten- und Haferstroh.) 
Vorzeigen. Was wird mit den Eörnem gemacht ? Wozu gebraucht man 
das Stroh? 

IV. Stufe. 1. Eorn, Weizen, Gerste und Hafer sind grasartige Ge- 
wächse. 2. Sie haben eine Wurzel, einen hohlen, knotigen Stengel und 
oben am Stengel eine Ähre oder eine Rispe. 3. In den Ähren und Rispen 
stecken die Eörner. 4. Die Eörner geben uns das Mehl zu unserer 



^) Fast unverändert aus der alten Auflage. 



Naturkunde 179 

I^ahniDg. 5. Es ist gut, das der liebe Gott das Getreide wachsen lässt. 
„Der Herr l&sset Gras wachsen für das Vieh und Saat zu 
J^ntz des Menschen. 

V. Stufe. Welche Getreidearten säte Rohinson? Welche werden 
bei uns angebaut? Welche Getreidepflanzen kennt ihr? Woran sieht 
man, das sie grasartige Gewächse sind? (Anfangs wie Gras, Stengel, 
Ähre, KiJmer.) Wie werden sie der Reihe nach reif? Warum ist es sehr 
gut, das der liebe Gott Korn, Weizen, Gerste und Hafer wachsen lässt? 
Getreideernte, Erntearbeiten. 

Schlussbemerkung: Die Skizzen und Beispiele sollen vorzugs- 
weise Anregung für eine fruchtbare Auswahl und Bearbeitung des Stoffes 
^eben. Es ist selbstverständlich, dass anderswo auch andere Stoffe ausge- 
wählt und nach anderen Gesichtspunkten durchgearbeitet werden können. 
Es muss sogar geschehen, weil die heimatlichen Verhältnisse und die 
Lehrerpersönlichkeit dazu drängen. 

Die Skizzen und Beispiele werden darum am besten ihren Zweck 
«rfttllen, wenn der Lehrer durch sie zur Überlegung angeregt und zu 
I>e88erer Lösung der Probleme hingeführt wird. 



12* 



II. Rechnen 

Zur Literatur des Reebenunterrichts : a) H. Stoy, Zur Geschichte 
ded Bechenunterrichts. iDaugural- Dissertation. Jena Fromann. 1876. 
M. C a n t o r , Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. I und. IL 
Leipzig. B. G. Teubner, 1880 u. 1892. E. Jan icke u. G. Schur ig, Ge- 
schichte des Unterrichts in den mathematischen Lehrfächern in der Volks- 
schule. (Bd. III von der Geschichte der Methodik des deutschen Volksschul- 
unterrichtes, herausgeg. v. 0. Kehr.) Gotha, £. -F. Thienemann. 1888. W. 
Adam, Geschichte des Rechnens und des Bechenunterrichts. Quedlinburg, 
Chr. F. Viewegs Buchhandlang. 1892. B. Hartmann, Der Bechenunterricht 
in der deutschen Volksschule vom Standpunkte des erziehenden Unter- 
richts. 1893^ [1888^]. Leipzig und Frankfurt a. M., Kesselringsche Hof- 
buchhandlung. I. § 1 — 9. F. Steinweiler, Kurzer Abriss der Ge- 
schichte des Bechenunterrichts, sowie Beschreibung der wichtigsten 
Lehrmittel für denselben. Leipzig, F. Hirt. 1894. A. Költzsch, Das 
deutsche Volksschulrechnen nach seiner geschichtlichen Entwickelung 
von der frühesten Vorzeit bis zur Gegenwart in Einzel- und Gruppen- 
bildern. Leipzig, G. Merseburger. 1894. H. G r o s s e , Historische Bechen- 
bücher des 16. und 17. Jahrhunderts und die Entwicklung ihrer Grund- 
gedanken bis zur Neuzeit u. s. f. Leipzig, Diirrsche Buchhandlung. 190L 
H. Walsemann, J. H. Pestalozzis Bechenmethode. Historisch- kritisch 
dargestellt und auf Grund experimenteller Nachprüifung fär die Unter- 
richtspraxis erneuert. Hamburg, A. Lef^vre Nfg., Kruse u. Freiherr. 190L 
E. S c h m 1 d , Zur Psychologie des elementaren Bechenunterrichts, zugleich 
eineWürdigung der rechenmethodischen Bestrebungen Pestalozzis. Dresden, 
Bleyl u. Kämmerer. 1906. b) Tillich, Allgemeines Lehrbuch der 
Arithmetik. 1806. Göpfert, Der Bechenunterricht in den drei ersten 
Schuljahren. 1877. Bräutigam, Methodik des Bechenunterrichts auf 
den ersten Stufen mit Hilfe von Tillichs Bechenkasten. Wien, Pichlers 
Witwe u. Sohn. 1878. W. Tanck, Das Bechnen auf der Unterstufe 
nebst einem Beitrag zur Entstehung der ZahlbegrifPe. Meldorf, Bremer. 
1884. B. Knilling, Zur Beform des Bechenunterrichts in den Volks- 
schulen. I. und IL München, Ackermann. 1884 und 1886. F.Heiland,. 
Das Bechnen in der Volksschule. (In dem Werke: Der Unterricht der 
Volksschule nach Lehrstoff, Lehrmitteln, Lehrverfahren und Lehrziel,^ 
herausgeg. v. H. Banitzsch. Weimar, Böhlau. 1888. S. 206—219.) J. T. 
Teupser, Das Bechnen im zweiten Schuljahre. Jahrbuch des Vereins 
f. wissenschaftliche Pädagogik. Dresden, Bleyl u. Kämmerer. XXI, S. 27 
bis 75. 1889. XXIII, S. 54—77. 189 1. Derselbe, Der pädagogische Wert 
der Bechenaufgaben. Ebenda. XXXI, S. 203— 221. 1899. B.Schröter,. 
Die Methodik des Bechenunterrichts für die oberen Klassen der Seminare^ 
und für Volksschullehrer. Wittenberg, Herrosös Verlag. 1892*. 0. 
Hausmann, Enthaltensein oder Messen? Jahrbuch d. V. f. wissensch. 
Päd. XXV, S. 266— 269. 1893. W. Steuer, Methodik des Bechenunter- 
richts. Breslau. M. Woy wod. 1893 ^ K. Muthesius, Ober die Stellung 
des Bechenunterrichts im Lehrplan der Volke schule. Im 10. Bericht über 
das Schullehrersem inar zu Weimar, herausgeg. v. H. Banitzsch. 1893. 
S. 3—59. Auch gesondert erschienen : Leipzig, Siegismund u. Volkening« 



Bechnen Igl 

1894. F. Heiland und K. Muthesius, Bechenbuch für Volksschulen. 
L Ausgabe für Lehrer. Weimar, Bohl au. 1895. K. Muthesius, Einige 
Bemerkungen über den sprachlichen Ausdruck im Bechenunterrichte. 
Kirchen- und Schulblatt in Verbindung, herausgeg. v. Hesse u. Leidenfrost. 
Weimar, Böhlau. 1895, S. 273—277 und 294—297. M. Pack, Zählen und 
Bechnen. Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik, herausgeg. von O. 
Flügel und W. Bein. Langensalza, Beyer u. Söhne. 1895. Jahrg. II, S. 
196—213, 262—275, 346—351. (Diese Arbeit wird voraussichtlich nächstens 
als Sonderabdruck erscheinen. In ihr ist auch ein grosser Teil der 
Literatur über den ZahlbegrifiP und seine Entstehung verzeichnet.) 0. 
Atmanspacher, Die Grandfagen unserer Herrschaft über die Zahlen. 
Leipzig, Dürrsche Buchhandlung. 1897. B. Hartmann, Der Bechen- 
Unterricht in der Volksschule u. s. f. (Vgl. a!) H. Bäther, Theorie 
und Praris des Bechenunterrichts. I. Breslau, E. Morgenstern. 1899'. 
L. F. Göbelbecker, Das rechenunterrichtliche Sachprinzip in seiner 
historischen Entwicklung dargestellt und vom Standpunkte der neueren 
Psychologie und einheitlich organisierten Volkserziehung beleuchtet. 
Wiesbaden, 0. Nemnich. 1901. K. H. Hiemisch, Präparationen für den 
Bechenunterricht in der Volkssckule. Langensalza, Beyer u. Söhne. 1902. 
Weit, Bais, Heininger u. Zluhan, Das Sachrechnen nach seiner 
geschichtlichen Entwicklung, seiner psychologischen Begründung und 
seiner methodischen Gestaltung. Cannstatt, G. Hopf. 1904. Oberg, 
Wie kann die Volksschule eine möglichst grosse Bechenfertigkeit erzielen ? 
(Päd. Abhandlungen, herausgeg. von Bartholomäus. VIII, 8.) Bielefeld, 
Helmichs Verlagsbuchhandlung. 0. Baewert, Das Prinzip der Selbst- 
tätigkeit im Bechenunterrichte meiner Kleinen. (Päd. Abhandlungen, 
herausgeg. v. Bartholomäus.) Ebenda. C. Ziegler, Der Bechenunter- 
richt im Lichte des sozialpädagogischen Prinzips und der Konzentration. 
(Päd. Abhandlungen, Heft 60.) Ebenda. Vergleiche ferner die Aufgaben- 
sammlungen von Brennert u. Kaselitz (Berlin, Nicolaische Verlagsbuch- 
handlung), A. Büttner u. Genossen (Leipzig, Dürrsche Buchhandlung), 
B. Hartmann (Leipzig und Frankfurt a. M., Kesselrin^sche Verlags- 
buchhandlung), F. Heiland und K. Muthesius (Weimar, Böhlau), 
Hell ermann u. Krämer (Berlin, Oehmigkes Verlag), K. H: Hiemisch 
und M. Teutsch (Kronstadt, H. Zeidner), A. Költzsch (Leipzig, 0. 
Merseburger), C. Mittenzwey, (Leipzig und Berlin, J. Klinkhardt), B. 
Schröter (Wittenberg, HerrosSs Verlag) u. v. a. 



I. Bedeutung des Rechenunterrichts 

Vergleiche S. 399 bis 400 in der siebenten Auflage [1903] des ersten 

Schuljahres! 



2. Zur Auswahl und Anordnung des Stoffes 

(Welche fachwissenschaftlichen Einsichten sind im zweiten 
Schuljahre zu gewinnen? In welcher Beihenfolge sind sie 

zu gewinnen?) 

1. Die fachwiBsenschaftlichen Einsichten, um die es sich handelt, 
mögen zunächst angedeutet sein: 

1. Aufbau der Zahlen 11 — 100 aus Zehnern (Z) n. Einern (E) 

a) 1 Z = 10 E, 2 Z = 20 E . . . 10 Z. = 100 E. 
10 E = 1 Z, 20 E = 2 Z . . . 100 E = 10 Z. 

b) 4 Z + 3 E = 43. 
43 = 4 Z + 3 E. 



Ig2 Das zweite Schuljahr 

2. Z + E; z.B. 20 + 4. 

3. ZE — E; z. B. 25— 5. 

4. ZE — Z; z.B. 25-20. 

5. Z Ej + E^ ; z. B. 21 + 7. 
El + Eg < 10. 

6. Z El — Ej ; z. B. 26—5. 

7. ZE^ +E2; z.B. 21 + 9. 
Ej + E2 = 10. 

8. Z— E; z.B. 30— 9. 

9. ZE, +E2; z.B. 24 + 9. 
El + E2 > 10. 

10. Z E, — E^ ; z. B. 33—9. 
El <C Ej. 

11. Zj E + Z2; z.B. 21 + 40. 
Zi + Zjj < 10 z. 

12. Zj E — Za; z. B. 54 — 20. 

13. Zi Ei + Z2 E2 ; z. B. 43 + 16. 
Zi + Zg < 10 Z. 

El + E2 < 10, 

14. \ El — Z2 E2 ; z. B. 46—25. 

Zi > z.. 

Ei>E,. 

15. \ El + Zg Esj ; z. B, 46 + 18. 
Zi + Z2 < 9 Z. 

El + E. > 10. 

16. Zi El — Z, E2 ; z. B. 41 — 29. 
Z] — Z2 mindestenB :=: 1 Z. 

El <C E2. 

17. Zehnerreihe (Maltiplikation und Division). 

18. Fünferreihe (Maltiplikation und Division). 

19. Zweierreihe (Maltiplikation and Division). 

20. Viererreihe (Maltiplikation and Division). 

21. Achterreihe (Maltiplikation and Division). 

22. Dreierreihe (Maltiplikation and Division). 

23. Sechserreihe (Maltiplikation and Division). 

24. Neanerreihe (Maltiplikation und Division). 

25. Siehenerrreihe (Maltiplikation and Division). 

2. Die Beihenfolge dieser Aafgahengrnppen ist nicht onah&nderlich. 
Denkbar sind folgende Abänderangen: Qrappe 1, 2, 8, 11, 12, 5, 6, 13^ 
14 asw. Oder: Qrappe 1 — 7, 11 — 14 asw. Die Anfgaben beliebig an- 
zuordnen, das ist freilich nicht möglich. Die Qrappe 13 setzt die Qrappen 



Bechnen lg3 

1, 2f 5 und 11 voraus, die Gruppe 14 die Gruppen 1, 2, 3; 6 und 12, 
die Gruppe 15 die Gruppen 1, 2, 3, 7, 9 und 11 usw. 

3. Ist es notwendig, die Aufgabengruppen la und Ib zu trennen? 

Hören wir, was Ziller geltend macht: „Im ersten Schuljahre ist in 
dem Zahlenraume von 1-10, d.i. mit der Fnndamentalreihe der Zahlen, 
von der die meisten Reihen abgeleitet sind, gerechnet worden; und die 
Betrachtung des neuen Zahlenraumes muss aus Bücksicht auf die Bildung 
des Interesses mit dem Umriss des Ganzen, d. i. mit der Beihe der reinen 
Zehner, beginnen; also mit den Zehnern, die nicht zugleich mit einem 
Einer verbunden sind. Mit andern Worten: in der Sjmthese der ersten 
methodischen Einheit muss der Knabe zählen lernen 10, 20, 30 bis zu 
100, und das ist wirklich für denjenigen, der. 1, 2, 3 bis 10 zählen 
gelernt hat, der nächste Schritt, der getan werden muss; denn an die 
Fertigkeit des Zählens von 1 — 10 schliesst sich jetzt unmittelbar der 
Gedanke an: die reinen Zehner schreiten gerade so fort wie die 
Einer. ***) Dazu an anderer Stelle: „Das Zählen über 10 hinaus ist auf 
einmal bis 100 zu lehren unter Hinweis zuerst darauf, dass die Zehner, 
dann darauf, dass die Zahlen von einem Zehner zum andern ebenso 
fortschreiten wie die Einer. Das ist des Umrisses wegen notwendig.''**) 
„Des Umrisses wegen.*' Weshalb aber ist mit dem Umriss des Ganzen 
zu beginnen? Ziller argumentiert, wie ich denke so: Der Schüler ge- 
winnt für die Bechenoperationen Interesse, die er versteht. Das Ver- 
stehen ist gesichert, wenn er natürlich fortschreiten darf. Natürlich ist 

es, von der Beihe 1, 2, 3 10 fortzuschreiten zu der Beihe 10, 

20, 30 100. Ist diese Argumentation einwandfrei? Überlegen 

wir : Die Additions- und Snbtraktionsanfgaben im Zahlenraume 1 — 10 seien 
erledigt. Wie soll man dann fortschreiten? 

Erste Möglichkeit: Der Schüler eri%hrt: 11 ist die Zahl, die 
aus 10 und 1 besteht, 12 ist die Zahl, die aus 11 und 1 besteht, 13 
ist die Zahl, die aus 12 und 1 besteht ... 20 ist die Zahl, die aus 
19 und 1 besteht . . . 

Zweite Möglichkeit: Der Schüler erfährt: 11 ist die Zahl, die 
aus 1 Zehner und 1 Einer besteht, 12 ist die Zahl, die aus 1 Zehner 
und 2 Einern besteht, 13 ist die Zahl, die aus 1 Zehner und 3 Einern 
besteht ... 20 ist die Zahl, die aus 2 Zehnern besteht . . . 

Dritte Möglichkeit: Der Schüler erfährt zunächst: 20 ist die 
Zahl, die aus 2 Zehnern besteht, 30 ist die Zahl, die aus 3 Zehnern 
besteht . . . 100 ist die Zahl, die aus 10 Zehnern besteht. Der Schüler 
erfährt dann weiter: 11 ist die Zahl, die ans 1 Zehner und 1 Einer 
besteht, 12 ist die Zahl, die ans 1 Zehner und 2 Einern besteht . . . 

Welche von diesen Möglichkeiten soll man verwirklichen? Ist der 
Schüler im Zahlenraume 1 — 10 zweckmässig unterrichtet, so weiss er, 



*) Allgemeine Pädagogik. Zweite, sehr vermehrte und mit An- 

merkongen versehene Auflage der Vorlesangen über allgemeine Pädagogik, 

herausgeg. von K. Just. Leipzig, H. Matthes. 1884. Seite 303 und 304. 

**) ZiUer u. Bergner, Materialien zur speziellen Pädagogik. Dresden, 

Bleyl u. Kämmerer. 1886. Seite 222. § 244. 



184 ^^9 zweite Schuljahr 

dasB man zur vorhergeheBden Zahl 1 hinzuzählen mnss, am die folgende 
zu erhalten. Demnach wäre es am natürlichsten, unsere erste Möglich- 
keit za verwirklichen. Die Lösungen für zwei Aufgahengrnppen erg&hen 
sich von selbst: 10 + 1 = 11 , 11+1 =12, 12 + 1 = 13 . . . 

19 + 1 = 20 . . .; 11 — 1 = 10, 12 — 1 = 11, 13 — 1 = 12 . • . 

20 — 1 = 19 . . . Wie aber wären die Lösungen für alle übrigen Ad- 
ditions- und Snbtraktraktionsaufgaben im Zahlenraum e von 1 — 100 zu 
gewinnen ? Da jede Zahl durch die Beziehung zur vorhergehenden defi- 
niert ist, so ist die übliche Lösungsweise, die voraussetzt, dass jede Zahl 
durch Beziehung auf eine Anzahl von Zehnern definiert ist, ausgeschlossen. 
So viel steht damit fest, dass dann ein gut Teil der Aufgaben durch 
zeitraubende Zähloperationen gelöst und dass ihre Ergebnisse, eben weil 
sie nicht rasch genug zur Verfügung stehen, gemerkt werden müssen. 
Welch zeitraubende Lösungsweise! Und welche enorme Belastung des 
Gedächtsnisses ! Wie ganz anders, wenn man unsere zweite oder dritte 
Möglichkeit verwirklicht, wenn man also jede Zahl durch ihre Beziehung 
zu einer Anzahl von Zehnern definiert. Dann ist der Schüler imstande, 
mit Hilfe der Addltions- und Subtraktionsergebnisse im Zahlenraume 
1 — 10 und mit Hilfe einer Reihe von Denkoperationen alle die geforderten 
Lösungen zu gewinnen und nach erlangter Fertigkeit sie jederzeit rasch 
wieder zu gewinnen. 

Wir sind also genötigt, die Zahlen so auf eine Weise zu definieren, 
die dem Schüler nicht am allernächsten liegt. Geschieht das aber, so 
ist es dann nicht von Belaug, ob wir unsere zweite oder dritte Möglich- 
keit verwirklichen. Beide Weisen führen zum Ziel. 

Wie leißht ersichtlich, kann die Aufgabeugruppe 17 mit la ver- 
bunden werden. 

4. Werfen wir einen Blick auf die Anordnung der kleinen Reihen. 
Ob ich die Reihen so oder anders anordne, hängt davon ab, ob ich sie 
auf die eine oder andre Weise gewinnen will. Da die Divisionssätze 
stets an die entsprechenden Multiplikationssätze angeschlossen werden, so 
handelt es sich im Grunde genommen nur um die Gewinnung der Mul- 
tiplikationssätze. 

Produkte sind Summen aus gleichen Summanden. Da die Addition 
in ihrem ganzen Umfange erledigt ist, so kann es nicht die geringsten 
Schwierigkeiten verursachen, die Summen aus den gleichen Summanden 
zu gewinnen. Wer die Produkte lediglich auf diese Weise gewinnen 
will, kann die kleinen Reihen beliebig anordnen. 

Das geht freilich nicht mehr, sobald ich bei der Gewinnung der 
Produkte die Verwandtschaft der kleinen Reihen benutzen, wenn ich also 
die Sätze der Viererreihe au£^ gewissen Sätzen der Zweierreihe und die 
der Achterreihe aus gewissen Sätzen der Viererreihe gewinnen will usw. 



Beispiele : 



Weil 2x4 = 4x2, 
2x6 = 4x3, 
2x8 = 4x4, 
2X5 = 5X2, 



Rechnen 185 

und weil 2x4 = 8, 
2 X 6 = 12, 
2 X 8 = 16, 
2 X 10 = 20, 80 
4x2 = 8, 
4 X 3 = 12, 
4 X 4 = 16 und 
4 X 5 = 20. 

Ich habe seit einer Reihe von Jahren beobachtet, dass es jungen 
Lehrern durchaus nicht immer gelingt, die Schüler zur Beherrschung der 
angedeuteten Beziehungen zu führen. Auch gar mancher ältere Lehrer 
durfte es vorziehen, die Multiplikationssätze auf die einfachere Weise zu 
gewinnen. 

Wer dagegen bei der Gewinnung der Reihen ihre Verwandtschaft 
zur Geltung kommen lassen will, muss die Reihen so anordnen, dass die 
Viererreihe erledigt ist, wenn die Achterreihe zur Behandlung kommt, 
dass die Dreierreihe erledigt ist, wenn die Sechserreibe zur Behandlung 
kommt usw. 

5. Die Division tritt in zwei Formen auf, als Teilen und Messen. 
Teilen heisst, aus dem Produkt und dem Multiplikator den Multiplikanden 
suchen. Messen heisst, aus dem Produkt und dem Multiplikanden den 
Multiplikator suchen. 

Wie soll man die zweite Operation zum Ausdruck bringen? Soll 
man von Enthaltensein oder von Messen reden?*) Beim Rechnen handelt 
es sich um Tätigkeiten, um Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Poten- 
zieren usw. Darum werden wir für die zweite Divisionsform das Wort 
wählen, das eine Tätigkeit bezeichnet, wir werden demnach von Messen 
reden. Das W^ort Enthaltensein bezeichnet einen Zustand, der Inhalt 
des Wortes dürfte also kaum so leicht zu veranschaulichen sein als 
das Messen. 

Ob es überhaupt nötig ist, in den ersten Schuljahren die zweite 
Divisionsform einzuführen ? Sicherlich ist es möglich, alle die Aufgaben, 
die man mit Hilfe dieser Divisionsform löst, auch ohne diese zu lösen, 
falls man nur im Anschluss an die kleinen Multiplikationsreihen Sätze 
von dieser Form bilden lässt: 



Zur 8 gehören 2 Vieren, 

Zur 12 gehören 3 Vieren, 

Zur 16 gehören 4 Vieren . . . 

Zur 6 gehören 2 Dreien, 

Zur 9 gehören 3 Dreien . . . 



Diese Sätze tun besonders dann, wenn es sich nicht bloss um ein- 
gekleidete, sondern um wirklich angewandte Aufgaben handelt, recht 
gute Dienste. 



*) C. Hausmann, Enthalten sein oder Messen ? Jahrbach d. V. f. 
wissensch. Päd. XXV, Seite 266—269. 1893. 



186 i^fts zweite Schaljahr 

3. Zur unterrichtlichen Behandlung des Stoffes 

1. Die Schale darf das „Sachrechnen'' nicht vernachlässigen. 
„Die grösste erlangte Fertigkeit in ansern Schalaufgaben geht nicht 

80 weit, wie es sein sollte, ins Leben über. . . . Das Kind lernt wohl rechnen^ 
aber unser Volk rechnet nicht. Es ist eben etwas, was es mit dem Ver- 
lassen der Schulbänke gerne hinter sich lässt und abstreift. Man frage 
nach, wie viele unserer Handwerks- und Gewerbsleute bei dem Betrieb 
ihres Geschäfts eine rechnende Übersicht und Überlegung eintreten lassen, 
wie viele auch nur ein ordentliches Haushaltungsbuch führen, wie wenige 
unserer Landleute imstande sind, von den Vorteilen oder Nachteilen ihrea 
landwirtschaftlichen Betriebes sich ein klares Bild zu machen, oder ge- 
neigt sind, den Wert neuer Eulturarten im Einfluss auf ihren ökono- 
mischen Stand denkend, d. h. rechnend zu überschlagen; welche Sehen 
bei unseren Gemeinderäten vor der Durchsicht jeder Eechnung besteht^ 
welche Unbeholfenheit in Beurteilung und Leitung eines Gemeindehaas- 
haltes und einer Gemeinderechnung vorhanden ist . . . Gewiss trägt an 
allem diesen auch die Schule ihre Schuld infolge einer einseitigen Bich- 
tung und schiefen Betreibung des Kechenunterrichtes selbst. Seine Mängel 
bestehen darin, dass wir unsere Kinder wohl rechnen, aber zu wenig be- 
rechnen lassen . . . Eine Menge von Lebensverhältnissen, in die unsere 
Schüler eintreten, und in denen sie sich alltäglich bei der Befriedigung 
ihrer Bedürfnisse, bei ihren Berufsarbeiten und im Handel und Wandel 
bewegen, bleiben unbeachtet. Es ist noch gar nicht recht ins Auge ge- 
fasst, welche reiche Fülle hierher bezüglicher Aufgaben das ganze Leben 
der Natur und des sozialen Menschenlebens darbietet . . .** So schrieb 
Erziuger*) im Jahre 1854; und selbst heute dürfte der Übelstand noch 
nicht ganz beseitigt sein. 

2. Dem Sachrechnen dienen eingekleidete und angewandte 
Aufgaben. 

Eingekleidete Aufgaben: 

36 ./^ -f- 38 ./^ = 74 ./^ 

1 Schock — 6 Stück = 54 Stück u. s. f. 

Die eingekleideten Aufgaben beziehen sich auf Sachen; sie lassen 
die Eechenoperationen, die zur Lösung fuhren, sehr leicht erkennen. 

Eine angewandte Aufgabe.: Ein Buchbinder kauft das Gros Blei- 
stifte für 9,60 Jk^ Wie teuer muss er ein Stück verkaufen, wenn er 
20% gewinnen will? Bei derartigen Aufgaben ist es eine Haupt- 
arbeit, die Eechenoperationen aufzufinden, die zur Lösung der Aufgabe 
notwendig sind. 

3. Bei dem Worte „Sachen^ denkt man in der Regel nicht an die 
Veranschaulichungsmittel , die in dem Bechenunterrichte Verwendong 
finden. Derartige Hilfsmittel sind unentbehrlich, sei's, um Zahlen, sei'» 



*) Mitgeteilt bei Jänicke a. a. 0. S.,165. Vergl. auch die an der 
gleichen Stelle (S. 165 — 168) mitgeteilten Äusserungen von Goltzsch und 
Theel, sowie von Salberg! 



Becbnen 187 

um Kechenoperationen zn „veranBchanlichen*'. Manche Sachen können 
nicht in die Schale gebracht werden, andere sind nicht bequem zu hand- 
haben oder nicht rasch genug zu überschauen. 

Als Verauschaulichungsmittel für den Zahlraum 10 — 100 
ist der Tillichsche Rechenkasten besonders zu empfehlen. Doch 
lässt sich nicht leugnen, dass man auch mit Hilfe der Russischen 
Rechenmaschine zum Ziele gelangen kann. 

4. Dem Sachrechnen dienen auch die grundlegenden Auf- 
gaben oder die praktischen Ziele. 

Sind die praktischen Ziele notwendig? Es muss zugegeben werden, 
„dass es allerdings einem methodisch und technisch gebildeten Lehrer, zumal 
wenn derselbe mit einer natürlichen Lebendigkeit auch ein kinderfreund- 
liches Wesen verbindet, nicht sonderlich schwer fällt, die Schüler auch 
für . . . formalistische Zahlübungen zu gewinnen. Das leichte Spiel der 
Kräfte, welches durch den Unterricht angeregt werden kann, die Lust 
des Könnens und der Reiz des wetteifernden Tuns zieht die Kleinen un- 
willkürlich an; sie geben sich gern diesen Beschäftigungen hin und eignen 
sich wohl auch eine recht tüchtige Fertigkeit im Bilden und Behandeln 
der Zahlen an."*) Wie stark auch formale Probleme anregen, dafür zeugt 
folgende Mitteilung. Den Zöglingen des Erziehungsinstituts de TAsp^es 
(in Wiesbaden) wurde 1817 kurz vor Beginn einer 14tägigen Ferienzeit 
die Aufgabe gestellt, einen Kreis zu finden, der drei Kreise von be- 
stimmter Lage und Grösse berühre. „Alle fangen an, zu suchen, gross 
und klein, Schüler und Lehrer, keiner findet die Auflösung. So ver- 
schwindet der erste Tag, am andern geht es wieder frisch daran. Ver- 
gebens! De l'Asp6e sucht seine Leute von neuem zu begeistern; aber 
keinem gelingt die Lösung . . . Am 14. Tage hielt er eine begeisternde 
Abendandacht, er gedenkt auch der nicht gelösten Aufgabe . . . Was 
geschieht? Morgens gegen 3 Uhr kommt ein Zögling unangekleidet an 
de l'Asp6es Bett gerannt, ,er habe es gefunden.' De l'Asp^e springt 
auf, schlägt Licht, der Knabe entwickelt. Richtig! Auf der Stelle wird 
das ganze Haus zusammengetrommelt und der Triumph bekannt ge- 
macht ...**) 

Also auch Formales kann so bearbeitet werden, dass der Schüler 
zu eifriger Mitarbeit angeregt wird. Wieviel mehr aber wird der 
Schüler erst angeregt, wenn es der Lehrer versteht, die Unterrichtsarbeit 
durch praktische Ziele einzuleiten und zu beleben! 

Solche Dienste vermögen allerdings nur gute praktische Ziele zn 
leisten, Ziele, die wirklich eine ganze Einheit umspannen, Ziele, die auch 
Veranlassung geben, die eine oder andere fachwissenschaftliche Einsicht 
zu gewinnen. 

Ob sich solche Ziele für alle Einheiten finden lassen? Bis jetzt 
scheint man darin, soweit es die unteren Schuljahre betrifft, nicht sehr 
glücklich gewesen zn sein. 



*) A. Pickel in der vorigen Auflage dieses Schuljahres, S. 88. 
**) H. Morf, Zur Biographie Pestalozzis. Ein Beitrag zur Geschichte 
der VolkserziehuDg. Wiuterthur, Ziegler. IV S. 312 und 81S. 1889. 



188 I^AS zweite Schaljahr 

Teapser empfiehlt die folgenden praktischen Ziele:*) Wir wollen 
die Leute, die zur Famile Crnsoe gehörten, und die Kinder unserer Klasse 
znsammenzäblen. Wieviel Jahre ist Robinson bei seiner Flacht älter 
als ihr? Wieviel Standen dauert der Sturm, den Robinson auf seiner 
Seereise nach London erlebt? Wir wollen berechnen, wieviel von 
unserer Schalstube noch über Wasser gestanden wäre, wenn in ihr das 
Wasser ebenso hoch gestanden wäre, wie im Schiff Robinsons. Wir 
wollen einen Sterling mit unseren Geldstücken abzählen lernen. Wir 
wollen die Zeit der ersten und letzten Seereise Robinsons nach Wochen 
berechnen. Ob wir in unserm Schulgarten eine Länge von hundert 
Schritten oder von ein paar hundert Schritten abschreiten können, wie 
es Robinson tun musste, wenn er zum Wrack wollte? Wie kann man 
ein Dutzend Messer am besten abzählen und gleichmässig verteilen? 
Wir wollen auch einen Kalender anlegen, wie es Robinson tat. Wir 
wollen ausrechnen, ob unser Schulgarten grösser oder kleiner ist als 
Robinsons Bauplatz. Wir wollen uns mit dem Meter messen lernen. 
Wir wollen berechnen, wieviel Stunden Robinson täglich und wöchentlich 
gearbeitet hat. Wir wollen lernen, wie sich ein Schock am besten ab- 
zählen lässt. Wie Robinson die Aussaat des zweiten Jahres am besten 
berechnen kann. Wir wollen lernen, welche von den beiden Ernten 
Robinsons im dritten Jahre am besten war. Wieviel kosten die 
Nahrungsmittel Robinsons bei uns ? Wir wollen berechnen, wieviel deine 
Kleider wert sind, die du frühmorgens anziehst. Wir wollen berechnen, 
auf wieviel Ställe Robinson seine Herde gleichmässig hätte verteilen 
können. Wie kann Robinson erfahren, dass das von ihm gefundene 
Pulver 60 Pfand beträgt? 

Pickel empfiehlt**) folgende: Wir wollen ausrechnen, wieviel Stunden 
es von hier bis Bremen sind, wo Robinsons Eltern wohnten. (Zahlgebiet : 
10 — 100; Operationen: Zuzählen und Abzählen in der Reihe der reinen 
Zehnerzahlen.) Wir wollen ausrechnen, wieviel Wegstunden ein Wanderer 
in 4, 5, 8, 10 Tagen zurücklegt, wenn er jeden Tag 10 Stunden weit 
geht. (Zahlgebiet: 10 — 100; Operationen: Vervielfachen, Messen and 
Teilen innerhalb der Zehnerreihe.) Wir wollen mit dem Alter Robinsons 
und mit eurem eigenen rechnen. (Zahlgebiet : 1 — 20 ; Operationen : z. B. 
10 -f 5, 5 + 10, 16 — 6, 11 — 10.) Wir wollen Robinsons Seesturm 
berechnen. (Zahlgebiet: 1 — 30; Operationen: z. B. 10 -f- 15, 25 — 15.) 
Im Anschluss an Robinsons Hausbau : Wir wollen abschreiten und zählen, 
wieviel Schritte lang und breit unser Schulhaus ist, und sodann mit 
den Schrittzahlen rechnen. (Zahlgebiet: 1 — 40; Operationen: z. B. 
16 + 3, 24 + 15, 38 — 4, 36 — 13.) Wir wollen berechnen, wie 
lange Robinsons Seereise bis zum Untergange des Schiffes gedauert hat 
(Zahlgebiet: 1—50; Operationen: z. B. 40 + 7, 50 — 7.) Im An- 
schluss an den Jahrestag Robinsons auf der Insel, an die Geburtstage 
der Kinder und an den Anfang des neuen Schuljahres zu Ostern: Wir 



*) VergL: Jahrbuch d. V. f. wisseusch. Päd. 1889 und 1891. XXI, 
S. 27—75 und XXIII, S. 54-^77. 

*^) In der vorigen Auflage dieses Schuljahres. 



Rechnen 189 

wollen die Wochen zähleOi die zu einem Jahr gehören and mit den 
Wochenzahlen wieder weiterrechnen. (Zahlgehiet 1 — 60; Operationen:! 
z. B. 8 + 7» 48 + 7, 55 — 7.) Wir wollen ausrechnen, wieviel! 
Wochen ihr schon in die Schule gegangen seid. (Zahlgebiet: 1 — 80; 
Operationen : z. B. 45 + 27, 73 — 25.) Rechnen mit Pfennigen , diel 
zu einer Mark -gehören. (Zahlgebiet: 1 — 100; Operationen: Wieder-\ 
holung aller Rechenfälle im Gebiet der Gesamtreihe.) Wir wollen aus- 
rechnen, wieviel Finger die 5 Kinder auf der ersten Bank haben. (Fünfer- 
reihe. Vervielfachen, Messen und Teilen) Wir wollen berechnen, wie- 
viel der Landmann, mit dem wir jüngst bei unserem Gang über den 
Wochenmarkt sprachen, für seine Kartoffeln gelöst haben wird. (Zweier- 
reihe.) Wieviel Geld müssen wir dem Bäcker jungen geben, wenn jeder 
von euch (es sind 12 Schüler) zum Frühstück ein Brötchen für 4 Pfennige 
erhalten soll. (Viererreihe.) Berechne, wieviel 10 Taler Mark sind! 
(Dreierreihe.) Wieviel Pfund werden in einer Familie in 8 Tagen, in 
10, in 14 Tagen verzehrt, wenn täglich ein Brot (von 6 Pfund) ver- 
zehrt wird? (Sechserreihe.) Wir wollen berechnen 7 wieviel Tage 
Schulferien wir in einem Jahre haben. (Siebenerreihe.) Im Anschluss 
an Robinsons Tagebuch, an unser Schuitagebuch und an die Schreibbücher 
der Kinder: Wir wollen ausrechnen, wieviel Blätter und wieviel Seiten 
ein Schreibebuch von 3, 4, 5 .... 10 Bogen hat. (Achterreihe.) Aus- 
rechnen, wieviel Getreide ein Landwirt ernten werde, wenn er 10 
Scheffel ausgesät hatte. (Neunerreihe) 

Ein Teil dieser Ziele dürfte dem Schüler kaum Veranlassung geben, 
die eine oder andere scharf umgrenzte Gruppe von Zahloperationen 
durchzuführen ; wohl aber dürfte gar manches leicht zu recht zeitraubenden 
und obendrein nicht genug fördernden Auseinandersetzungen verleiten. 

Ob sich die praktischen Ziele an das eine oder andere Unterrichts- 
fach anlehnen, ist nicht von Belang. „Was ... an Individualität und 
Heimat sich anschliesst, was dem Zögling von den praktischen Lebens- 
verhältnissen zugänglich ist, liegt der Konzentration des Unterrichts 
immer nahe."*) (Ziller). 

Ist das praktische Ziel gestellt, so empfiehlt es sich, möglichst als- 
bald, das entsprechende fachwissenschaftliche abzuleiten. Nur so wird 
es unter allen Umständen möglich, die mathematischen Operationen, 
nötigenfalls unter Verwendung von Veranschaulichungsmitteln, mit der 
erforderlichen Schärfe und Kürze durchzuführen. Aus dem praktischen 
Ziele alsbald das fachwissenschaftliche abzuleiten, das ist freilich nur 
dann möglich, wenn die Zahloperationen, um die es sich in der Finheit 
handelt, wenigstens der Art nach bekannt sind. 

5. Zur I. Stufe: Die Vorbereitung hat sich auf die mathematische 
und nötigenfalls auch auf die sachliche Seite des Stoffes zu erstrecken. 
Die Vorbereitung des Mathematischen stellt all die Einsichten bereit, die 
als Elemente in das Neue eingehen oder die Erarbeitung des Neuen in 
irgend einer anderen Weise beeinflussen. 



*) Vergl. Jahrbuch d. V. f. wissensch. Päd., herausgeg. von T. Ziller. 
1881. XIII, 8. 122. 



190 Das zweite Schuljahr 

6. Zur IL, III. und IV. Stufe: Im ersten Schuljahre ist es not- 
wendig, dass die Schüler die Ergebnisse der Aufgaben gewinnen und 
dann dauernd merken. Im zweiten Schuljahre begnägt man sich damit, 
die Ergebnisse der Additions- und Subtraktionsaufgaben möglichst rasch 
gewinnen zu lernen. Um das Gewinnen zu erleichtem, sind die Be- 
griffe ^Zehner*' (Z) und „ Einer ^ (E) ausgiebig zu verwerten. 

Beispiele : 

45 4-3 = 4Z4-5E + 3E 
= 4 Z + 8E 
= 48. 

45 4-8 = 4Z4-5E-f-8E 

= 4Z + 5E-f-5E + 3E 
= 4Z-flZ + 3E 
= 5 Z + 3 E 
= 53. 

58 — 20 = 5Z + 8E — 2Z 
= 5Z — 2Z + 8E 

= 3Z4-8 E 
= 88. 

58 — 3 = 5Z + 8E — 3E 
= 5 Z + 5 E 
= 55. 

Es empfieblt sich, die Zahloperationen möglichst in Gleichungen 
darzustellen. Um Bektionsschwierigkeiten zu vermeiden, ist das Zeichen 
= stets mit „gleich" (nicht mit „ist gleich" oder „sind gleich") wieder- 
zugeben. 

Im zweiten Schuljahre sind zu verwenden folgende Zahlgrössen: 
Stück, Dutzend, Mandel und Schock; folgende Zeitgrössen: Tag, Woche, 
Monat, Jahr, Stunde und Minute; folgende Längenmasse: Meter und 
Zentimeter; folgendes Gewicht: Kilogramm, sowie unsere Münzen. 

Das begriffliche Material zu gewinnen, ist ein Leichtes. Im Rechen- 
unterricht handelt es sich um Beziehungen. (Wer von Zahlvorstellungen 
redet, braucht das Wort Vorstellung so, dass es dem Wesen nach voll- 
ständig verschiedene psychiscbe Zustände bezeichnet.) Beziehungen sind 
nur insofern individuell, als sie mit verschiedenen Objekten oder Vor- 
gängen verknüpft sind. Dieses Individuelle abzustreifen, ist meist nioht 
schwer. Verbinde ich mit irgend einer Beziehung das Bewusstsein, dass 
und inwiefern sie repräsentativen Wert hat (dass und inwiefern sie eine 
Gruppe von Beziehungen vertreten kann), so gewinne ich einen hegriff- 
lichen Inhalt (einen Begriff, eine Eegel, eine Einsicht, ein Schema, einen 
Gedankengang). Um im zweiten Schuljahr die Gewinnung der mathe- 
matischen Einsichten zu erleichtern, ist von den begrifflichen Inhalten 
^Zehner", „Einer", „den angefangenen Zehner vollmachen", „den letztea 
Zehner überschreiten" u. a. ausgiebig Gebrauch zu machen. 



Rechnen 191 

Der Schäler muss fähig werden, jede Aufgabengrnppe za kenn- 
zeichnen. Beispiele : 40 4~ ^^i ^^ "f* ^0 ; also : Zehner mehr Zehner. 
40 + 3, 70 -f 5 ; also : Zehner mehr Einer. 63 -f- 7i 62 -f- 8 ; also : 
Zehner mehr Einer, die Einer sind so gewählt, dass der angefangene 
Zehner „voll" wird. 

7. Zur V. Stnfe: Das begriffliche Material ist anzuwenden. So- 
bald eine Rechenregel auch nur anf neue Beispiele bezogen wird, liegt 
ohne Zweifel eine Anwendung vor. Das neue Beispiel kann dadurch 
entstehen, dass man andere Einheiten wählt (erst Wurf eichen u. s. f., 
dann Tage, Stunden u. s. f.), oder dass man begrenzte Änderungen an 
den Zahlen selbst vornimmt (erst 46 + 4, 45 + 5 u. s. f., dann 83 -j- 7, 
92 -f- 8 ^' 3* ^0 Üblich aber ist es allerdings, von einer angewandten 
Aufgabe erst dann zu reden, wenn aus der Aufgabe nicht ohne weiteres 
zu ersehen ist, welche Zahloperation zur Lösung führt. Mit Recht 
strebt man in neuerer Zeit danach, auf einer und derselben fünften Stnfe 
die Aufgaben möglichst um ein Sachgebiet oder wenigstens um einige 
Sachgebiete zu gruppieren. (Man vergleiche u. a. die Aufgabensamm- 
lungen von Heiland und Muthesius, sowie von Hartmann und Ruhsam.) 
So gewinnt man vor allem Zeit für die eigentliche Arbeit im Rechnen. 

4. Drei Unterrichtsbeispiele 

1. Zur 15. Einheit 
Zj El + Zg E2, wobei Z^ -f- Zg < 9 Z und E^ -f- Eg > 10. 
I. Ziel: 

1. Praktisches Ziel (grundlegende Aufgabe): In N. 
wurden die Apfel- und Birnbäume gezählt. A hat in seinem Garten: 
16 Apfelbäume und 25 Birnbäume; B in seinem Garten: 27 Apfelbäume 
und 36 Birnbäume. (An der Wandtafel stehen die Ziffern 16 und 25, 
sowie 27 und 36). Wie viel Obstbäume hat jeder zusammen? Solche 
Aufgaben wollen wir rechnen lernen. 

2. Fachwissenschaftliches Ziel: 

a) Es sind immer zwei Zahlen zusammenzuzählen. Welche im ersten 
Falle? Welche im zweiten? 16 + 25; 27 + 36. 

b) Sind das wirklich neue Aufgaben? 

Wir wollen sie so abändern, dass wir sie rechnen könnten. Erste 
Abänderung: 16 -|- 20; 27 + 30: Zehner und Einer mehr Zehner. 
Zweite Abänderung: 16 + 5; 27 + 6: Zehner und Einer mehr Einer, 
die Einer geben zusammen mehr als einen Zehner. (Damit ist der Blick 
für die Eigenart der neuen Aufgaben geschärft.) Nun blicken wir 
wieder auf unsere Aufgabe: Zehner und Einer mehr Zehner und Einer, 
die Einer geben zusammen mehr als einen Zehner. Nennt noch solche 
Aufgaben: 16 + 26, 28 + 37 usw. (Damit derartige Überlegungen in 
wenigen Minuten zum Ziele ftthren, müssen die Schüler von vornherein 
angehalten werden, jede auftretende Aufgabenpruppe so genau wie mög- 
lich zu kennzeichnen. Der Schüler muss eben bewosst vorgehen! Wer 
seinen Schülern derartige Überlegungen nicht zutraut, muss etwa so vor- 



192 ^&8 zweite Schuljahr 

gehen: Zunächst wird Abschnitt a erledigt; dann heisst es einfach: solche 
Aufgaben müssen wir also rechnen lernen.) 

IL Erste Stufe: 

1. Wie mussten wir unsere Aufgaben abändern, damit wir sie 
rechnen konnten? 

a) 16 + 20; 27 + 30: Zehner und Einer mehr Zehner. Wir 
wollen sehen, ob wir solche Aufgaben noch rechnen können. 

Erste Gruppe von Übungen: 

16 + 20 = 10 + 6 + 20 
= 10 + 20 + 6 
= 30 + 6 
= 36 usw. 

Zweite Gruppe: Zerlegungen. 

46 = 40 + 6 usw. 

Dritte Gruppe: 

40 + 20 = 60 usw. 

Vierte Gruppe: 

16 + 20 = 30 ■+- 6 

= 36 usw. Dann kürzer: 

16 + 20 = 36 usw. 

b) 16 + 5; 27 + 6: Zehner und Einer mehr Einer, die Einer 
geben zusammen mehr als einen Zehner. Wir wollen sehen, ob wir auch 
diese Aufgaben noch rechnen können. 

Ei*ste Gruppe von Übungen: 

16 + 5 = 16 + 4+1 
= 20 + 1 
= 21 usw. 

Zweite Gruppe: 

5 =: 4 + 1 usw. 

Dritte Gruppe: 

26 + 4 = 30 usw. 

Vierte Gruppe: 

30 + 6 = 36 usw. 

(Alle diese Übungen können in sehr kurzer Zeit erledigt werden. 
Der Lehrer überzeugt sich nur durch einige Fragen davon, dass die 
Schüler die Operationen beherrschen.) 

IIL Zweite Stufe. 

Sehen wir zu, ob wir jetzt unsere neuen Aufgaben lösen können«. 



Rechnen 193 

1. Denkt daran, dass wir in früheren Fällen Zahlen zerlegt haben! 
16 -f 25 = 16 -f- 20 -f- 5. Nehmt die Rechensäolen zu Hilfe! 

Wir haben also unsere Aufgabe so abgeändert, dass drei Zahlen zusammen- 
zuzählen sind. 

2. 16 + 20 + 5 = 36 + 5. Die beiden ersten Zahlen werden 
addiert. Es sind nur noch zwei Zahlen zusammenzuzählen. 

3. 36 -f~ ^ = ^^' ^^6 beiden übrigbleibenden Zahlen werden zu- 
sammengezählt. 

4. So wird auch die zweite Aufgabe gelöst Bei der Lösung 
werden die einzelnen Schritte scharf markiert. 

IV. Dritte und vierte Stufe. 

1. Bei jeder Lösung haben wir drei Schritte getan. 

Erster Schritt: Die zweite Zahl wird in eine Zehner- und Einerzahl 
zerlegt. Dadurch wird die Aufgabe so abgeändert, dass drei Zahlen zu- 
sammenzuzählen sind. 

Zweiter Schritt : Die beiden ersten Zahlen werden zusammengezählt. 
Nun sind wieder zwei Zahlen vorhanden. 

Dritter Schritt : Die beiden übrigbleibenden Zahlen werden zusammen- 
gezählt 

2. Wir wollen sehen, ob wir diese drei Schritte auch bei der Lösung 
ähnlicher Aufgaben tun müssen. Ergebnis! 

3. Die Übung wird fortgesetzt, bis dem Schüler die Operationen 
geläufig sind. Dabei werden auch Aufgaben mit benannten Zahlen be- 
rücksichtigt 

V. Fünfte Stufe. 

1. Wieviel Bäume hat A in seinem Garten? Die Aufgabe 16 
Bäume -|- 25 Bäume ist zu lösen. 16 + 25 = 41. A hat also 41 
Bäume in seinem Garten. 

2. Eine Gemeinde hat auf einem Obstrasen 37 Obstbäume, auf dem 
andern 56. Wieviel Obstbäume hat sie auf beiden? 

3. Ein Bauer erntet auf einem Kartoffelacker 48 Sack, auf einem 
zweiten 39. Wieviel Sack erntet er auf beiden? usw. 

2. Zur 18. Einheit 

Fünferreihe (Multiplikation). 

L Ziel. 

Ihr schreibt manchmal eine Postkarte an den Onkel oder an die 
Tante oder an die Grossmutter. Die Postkarten kaufen wir auf der Post 

Wieviel Geld müssen wir mitnehmen, um 2 oder 3 oder 4 

10 Karten auf einmal einzukaufen ? Solche und ähnliche Aufgaben wollen 
wir jetzt rechnen. 

n. Erste und zweite Stufe. 

1. Was eine Postkarte kostet, steht auf der Postkarte selbst Hier 
sind Postkarten; seht selbst nach! 5 Pfennige oder einen Fünfer. 

Dm zweite SchuJJahr. 13 



194 ^fts zweite Scholjalir 

2. A soll der Postmann sein, der die Postkarten yerkanft, B soll 
die Karten kaufen. A leg:t die erste Karte hin, 6 den ersten Fünfer 
daneben. A legt die zweite Karte hin, B den zweiten Fünfer daneben usw. 

Knrz: So viel Karten — so viel Fünfer. Verlangt B 2 Karten, 
«0 muss er zwei Fünfer bezahlen, verlangt er 3 Karten, so muss er 
8 Fünfer bezahlen. 

3. Wieviel Pfennige muss er in jedem Falle bezahlen? 

2 Fünfer = 6 Pfennige + 5 Pfennige = 10 Pfennige. 

3 Fünfer = 5 Pfennige + 5 Pfennige + 5 Pfennige = 15 Pfennige. 

= 10 Pfennige -j- 5 Pfennige =16 Pfennige. 
Ergebnisse: 2 Fünfer == 10 Pfennige 

3 . = 16 « 

4 „ = 20 f, usw. 
Die Ergebnisse sind einzuprägen. 

4. Demnach kosten 

2 Postkarten 2 Fünfer oder 10 Pfennige 

o „ o „ „ 10 „ 

4 „ 4 „ „ 20 „ usw. 

5. a) B muss jede Karte einzeln bezahlen. Er muss nicht bloss 
einmal bezahlen (mit der Hand Geld hinlegen), sondern er muss vielmal 
bezahlen. B soll dass Bezahlen hier auf dem Tische noch einmal aus- 
führen, und wir wollen zählen, wieviel mal er bezahlt, die Hand bewegt, 
um Geld hinzulegen). (B wird veranlasst, jede einzelne Bewegung deutlich 
auszuführen). Ergebnisse: jetzt dreimal, nun fünfmal usw. (Die Begriffe 
„zweimal, dreimal . . .'^ werden ohne weiteres erfasst, sobald man sie 
auf wirkliche Vorgänge bezieht.) 

b) Jetzt hat B zweimal bezahlt = der Fünfer liegt zweimal da. 
Jetzt hat B dreimal bezahlt = der Fünfer liegt dreimal da usw. 

c) Der Fünfer liegt zweimal da; dafür wollen wir kurz sagen: 
1 Fünfer zweimal (geschrieben: 5 X 2). Der Fünfer liegt dreimal da; 
dafür wollen wir kurz sagen : 1 Fünfer dreimal. (Geschrieben : 5 X 3.) Usw. 

6. 2 Fünfer = 10; 5 X 2 = 10 

3 Fünfer = 15; 5 X 3 = 15 usw. 

7. Die Sätze 5 X 2 = 10, 5 X 3 = 16 ... sind einzuprägen, 

8. Umkehrung: 

Zu 10 gehören 2 Fünfer 

I» 16 f> 3 „ 

„ 20 „ 4 „ usw. 

9. Eine ähnliche Aufgabe wird gelöst: auf einer Schulbank sitzen 
5 Schüler; wieviel auf 2, 3 . . . Bänken? 

a) Auf 2 Bänken: 6 Schüler zweimal, 

„3 ff : 6 ff dreimal usw. 

b) 5 Schüler X 2 = 10 Schüler, 

5 „ X 3 = 16 „ usw. 

c) Zu 10 Schülern gehören die 6 Schüler zweimal, 

„15„ „ „5„ dreimal usw. 



Beolmen 195 

III. Dritte und vierte Stufe. 

Ob wir mit anseren Geldstücken oder mit Schülern usw. rechnen, 
immer gilt: 

5 X 2 = 10 

5 X 3 == 15 usw. 

Zu 10 gehören 2 Fünfen, 
Zu 15 ^ 3 „ usw. 

IV. Fünfte Stufe. 

1. Ein Federhalter kostet 5 Pfennige. Was kosten 2, 3 ... 10 
Federhalter ? 

2. Ein Bleistift kostet 5 Pfennige. Was kosten 2, 3 ... 10 
Bleistifte? 

3. A bekommt von seinem Paten zu Weilmachten jeden Jahres 
5 M geschenkt. Wieviel M in 2, 3 . . . Jahren? 

3. Zur 1. Einheit 

(Bearbeitet von A. Pickel) 

Zahlgebiet: 10 — 100 in reinen Zehnern. 

Zahloperationen: Zuzählen und Abzählen in der Reihe der 
reinen Zehner zahlen. 

Sachgebiet: Wegstunden (Meilen)'*^. 

I. Grundlegende Aufgabe: Wir wollen ausrechnen, wieviel 
Stunden es von hier bis Bremen sind, wo Robinsons Eltern wohnten. 

IL Erste Stufe: 

a) Wieweit es nach einigen andern Orten ist, wissen wir. Wir 
waren ja schon selbst auf der Wartburg, in Fischbach, in Stedtfeld, in 
Hörschel, wo die Hörsei in die Werra fliesst, auf der Höhensonne, in 
Wilhelmstal usw. und haben uns gemerkt, wieweit es bis zu diesen 
Orten war. Wer will es sagen? Von Eisenach auf die Wartburg Ys 
Stunde, nach Fischbach auch ^1^ Stunde, nach Stedtfeld 1 Stunde, nach 
Hörschel, nach der Höhensonne 1 ^2 Stunde, nach Wilhelmstal 2 Stunden. 
Wer weiss noch einen Ort, welcher Y, Stunde, 1 Stunde, 2 Stunden 
von Eisenach entfernt liegt? Kennt ihr aber auch schon einen Ort, 
welcher 3 Stunden von uns entfernt ist? In welchen anderen Orten 
seid ihr schon gewesen, und wie weit ist es bis dorthin? Wieviel 
Stunden werden es aber bis nach Bremen sein? Das sollt ihr nun 
lernen. 

b) Mit den kleinern Zahlen von 1 — 10 habt ihr schon viel ge- 
rechnet. Zählt 10 Standen an der Maschine ab! Zählt dieselben auch 
rückwärts von 10 — 1 ! 



*) Da unsem Kindern die Wegstunde als Entfernungsmass bekannter 
ist als die Meüe, so legen wir der Einheit die erstere zugrunde. 

13* 



196 ^&s zweite Schuljahr 

Rechnet (im Zahlraum bis 10) : 1 + 2 = 3, 3 + 2 = 5 usw. 

2 + 2=4 10 — 2 = 8 

4 + 2= 6 8 — 2 = 6 

6 + 2=8 6 — 2 = 4 

8 + 2 = 10 4 — 2 = 2 

Ebenso die Additions- nnd Snbtraktionsreihen mit 3, 4, 5. 

III. Zweite Stufe: 

Nnn zählen wir an der Kechenmaschine die Stunden ab, die wir zu 
dem Wege von hier bis nach Bremen brauchen. 

a) Die Kinder zählen an der Maschine 10 Stunden ab. 
Dann heisst's: ,,Das sind 10 Stunden.^ 

Hierauf werden wieder 10 Stunden abgezählt. 
„Das sind wieder 10 Stunden." 
„10 Stunden und 10 Stunden = 20 Stunden." 
Wir müssen aber noch viel weiter zählen. 
„Das sind wieder 10 Stunden." 
„20 Stunden und 10 Stunden = 30 Stunden." 
So wird fortgefahren bis zu dem Satze: 

90 Stunden und 10 Stunden sind 100 Stunden. So viel Stunden 
sind es bis Bremen. 

b) Zählt die Stunden an der Rechenmaschine nochmals so ab, wie 
wir es eben getan haben. 

c) Durchlaufen der Reihe an der Rechenmaschine vorwärts und 
rückwärts in dieser Form: 

10 St. mehr 10 St. = 20 St. 
20 „ „ 10 „ = 30 „ 
30 „ „ 10 „ = 40 „ 
40 „ „ 10 „ = 50 „ . . . 
90 „ „ 10 „ = 100 „ 

100 St. weniger 10 St. = 90 St. 
90 „ „ 10 „ = 80 „ 
80 „ „ 10 „ = 70 „ 
70 „ „ 10 „ = 60 
20 , „ 10 „ = 10 



f> 



d) Dann kurzes Durchlaufen der Reihe vorwärts und rückwärts im 
Anschluss an die Maschine mit und ohne Benennung der Zahlen in 
folgender Weise: 10, 20, 30, 40 bis 100; 100, 90, 80, 70 bis 10. 

e) Durchlaufen der Reihe an der Rechenmaschine vor- und rückwärts 
mit dem Ordnungszahlwort: 

Das sind die ersten 10 St. Das sind die zehnten 10 St. 

Das sind die zweiten 10 St. Das sind die neunten 10 St. 

Das sind die dritten 10 St. ... Das sind die achten 10 St. . . . 

Das sind die zehnten 10 St. Das sind die ersten 10 St. 



Bechnen 197 

f) Schreiben der Zehnerreihe von 10 — 100 vorwärts and rfickwirts 
senkrecht ontereinander, sowie Einfibnng der Schreibung dorch Zahldiktate: 

10 100 

20 90 

30 80 

40 70 

50 60 

60 50 

bis bis 

100 10 

lY. Dritte Stufe: Mit den Zehnerzahlen wollen wir noch weiter 
reebnen, a) Mündliches Durchlaufen der Reihe in Intervallen von 20, 
30, 40 vorwärts, rückwärts, bald mit benannten, bald mit unbenannten 
Zahlen. 

20 + 20 = 40 100 — 20 = 80 
40 + 20 = 60 80 — 20 = 60 

60 + 20 = 80 60 — 20 = 40 

80 + 20 = 100 40 — 20 = 20 

kurz: 20, 40, 60, 80, 100 kurz: 100. 80, 60, 40, 20 

10 + 20 = 30 90 — 20 = 70 

30 + 20 = 50 70 — 20 = 50 

50 + 20 = 70 50 — 20 = 30 

70 + 20 = 90 30 — 20 = 10 

kurz : 10, 30, 50, 70, 90 kurz : 90, 70, 50, 30, 10. 

In gleicher Weise werden auch die übrigen Reihen gebildet. 

b) Dieselben Übungen nach jeder Gruppe auch schriftlich. 

c) Übungen ausser der Reihe mit Rückbeziehung auf Früheres, in 
abstrakten und konkreten Zahlen: 

1+2=3 10— 2=8 

10 + 20 = 30 100 — 20 = 80 

2+3=5 7—4=3 

20 + 30 = 50 70 — 40 = 30 

4+3=7 8—5=3 

40 + 30 = 70 80 — 50 = 30 

V. Vierte Stufe: Aus dem Vorhergehenden haben die Schüler 
gelernt, dass die Zehner in der Zehnerreihe gerade so fortschreiten wie 
die Einer, und dass man die Zehner gerade so zusammenzählen und von- 
einander abziehen kann wie die Einer. Auch haben sie die Zehner* 
zahlen schreiben gelernt. 

Sie sprechen sich nun a) darüber aus und tragen b) die Reihe der 
reinen Zehner in ihr Heft ein. 

VI. Fünfte Stufe: 

a) Wiederholen der Zuzähl- und Abzählreihen ohne Anschauung mit 
benannten und unbenannten Zahlen. 



198 



Das Bweite Schuljahr 



b) Übungen ausser der Reihe, z. B. 





50 + 30 = 




70 -1- 10 = 






100 10 = 




70 40 = 






80 30 = 




20 H 


1-60 = 






30 + 20 — 




60 H 


-40 = 






50 — 20 = 




90 50 = 






50 + 40 = 




70 — 40 — B8W. 




10 St. H 


h 20 St. n 


- 30 St 


B- 


90 St — 30 St — 


20 St 


30 St. - 


- 40 St - 


- 20 St 


:= 


100 St — 40 St — 


30 St. 


50St- 


- 30 St - 


-20 St. 


= 


80 St. — 10 St — 


■50 St 




osw. 




osw. 






30 -1- 40 - 


-50H 


h 10 — 20 = 






70 30 


-20H 


- 60 + 10 = 






60 + 40 - 


-50- 


- 30 + 40 = 





usw. 



c) Zahl als Summe und Zahl als Best: 



40 = 10 -1- 30 
40 = 20 -I- 20 
50 = 10 + 40 

50 = 20 4- 30 
60 = 10 -f 50 
60 = 20 + 40 
60 = 30 -H 30 
nsw. 

60 = 
70 = 
50 = 
80 = 



40 = 60 
40 = 50 
50 = 80 
50 = 90 
30 = 70 
30 = 90 
60 = 100 
nsw. 

20 + 20 -1- ? 
10 + 30 4- ? 
30 + 10 + ? 

40 + 10 4- ? 
osw. 



20 
10 
30 
40 
40 
60 
40 



Jede Gruppe dieser Übnngen auch schriftlich. 

d) Angewandte Aufgaben: 

Ein Uann reist erst 30 Stunden weit, hernach noch 20 Standen; 
wieviel Stunden weit ist er gereist? 

Jemand hat 70 Stunden weit zu reisen; er hat schon 40 Stunden 
zurückgelegt; wieviel Stunden Wegs mnss er nun noch zurScklegen? 

Wer erst 20, dann 30 und zuletzt noch 40 Stunden weit gereist 
ist, wie weit ist der von seiner Heimat weg? 

Nach Kassel, wo N — s Bruder Soldat ist, sind's von uns ans 30 Stunden, 
nach Frankfurt a. M., wo U — s Onkel wohnt, sind's 50 Standen, and 



Rechnen 199 

nach Bremen y wo Bobineona Eltern wohnten, 100 Stunden. Wieviel 
Stunden sind'8 nach Frankfurt weiter als nach Kaaeel? Wie Yiel Stonden 
gind's Yon hier nach Bremen mehr als von hier nach Frankfurt? als 
nach Eaaeel? 

Ein Mann will von Eiaenach nach Eaaeel reisen. Er ist schon 
20 Stonden weit gereist; wieviel Stunden Wegs hat er nun noch nurüok- 
znlegen? 



-^ 



* 

Druck von Gott fr. Päts in Naumburg a. S,